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Document 62022CJ0078

Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 4. Mai 2023.
ALD Automotive s.r.o. gegen DY.
Vorabentscheidungsersuchen des Vrchní soud v Praze.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2011/7/EU – Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – Art. 6 – Pauschaler Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung für die dem Gläubiger entstandenen Beitreibungskosten – Zahlungsverzug bei Dauerschuldverhältnissen – Für jeden Zahlungsverzug geschuldete pauschale Entschädigung – Pflicht, dem Unionsrecht volle Wirksamkeit zu verschaffen – Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung – Allgemeine Grundsätze des nationalen Privatrechts.
Rechtssache C-78/22.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:379

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

4. Mai 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2011/7/EU – Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – Art. 6 – Pauschaler Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung für die dem Gläubiger entstandenen Beitreibungskosten – Zahlungsverzug bei Dauerschuldverhältnissen – Für jeden Zahlungsverzug geschuldete pauschale Entschädigung – Pflicht, dem Unionsrecht volle Wirksamkeit zu verschaffen – Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung – Allgemeine Grundsätze des nationalen Privatrechts“

In der Rechtssache C‑78/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 24. Januar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Februar 2022, in dem Verfahren

ALD Automotive s.r. o.

gegen

DY als Insolvenzverwalter der GEDEM-STAV a.s.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter N. Piçarra (Berichterstatter) und N. Jääskinen,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der ALD Automotive s.r. o., vertreten durch J. Melkus, Advokát,

der tschechischen Regierung, vertreten durch A. Edelmannová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ALD Automotive s.r. o. (im Folgenden: ALD) und DY als Insolvenzverwalter der GEDEM-STAV a.s. (im Folgenden: Gedem), der Schuldnerin, über einen Antrag auf pauschale Entschädigung für Beitreibungskosten, die ALD wegen Zahlungsverzugs im Rahmen von fünf zwischen ihr und Gedem geschlossenen Verträgen über Dauerschuldverhältnisse entstanden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 3 und 19 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„(3)

Viele Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Wirtschaftsteilnehmern einerseits und zwischen Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Stellen andererseits werden später als zum vertraglich vereinbarten oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegten Zeitpunkt getätigt. Trotz Lieferung der Waren oder Erbringung der Leistungen werden viele Rechnungen erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen. Ein derartiger Zahlungsverzug wirkt sich negativ auf die Liquidität aus und erschwert die Finanzbuchhaltung von Unternehmen. Es beeinträchtigt außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, wenn der Gläubiger aufgrund eines Zahlungsverzugs Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen muss. …

(19)

Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. …“

4

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/7 lautet:

„(1)   Diese Richtlinie dient der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, um sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert, und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und insbesondere von [kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] zu fördern.

(2)   Diese Richtlinie ist auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden.“

5

In Art. 2 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.

‚Geschäftsverkehr‘ Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen;

4.

‚Zahlungsverzug‘ eine Zahlung, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist erfolgt ist, sofern zugleich die Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 1 oder des Artikels 4 Absatz 1 erfüllt sind;

8.

‚fälliger Betrag‘ die Hauptforderung, die innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist hätte gezahlt werden müssen, einschließlich der anfallenden Steuern, Gebühren, Abgaben oder Kosten, die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführt werden;

…“

6

Art. 3 („Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen der Gläubiger Anspruch auf Verzugszinsen hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)

Der Gläubiger hat seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, und

b)

der Gläubiger hat den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten, es sei denn, dass der Schuldner für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist.“

7

Art. 6 („Entschädigung für Beitreibungskosten“) der Richtlinie 2011/7 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 [Euro] hat.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der in Absatz 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist.

(3)   Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.“

8

In Art. 7 („Nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten bestimmen, dass eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Hinblick auf den Zahlungstermin oder die Zahlungsfrist, auf den für Verzugszinsen geltenden Zinssatz oder auf die Entschädigung für Beitreibungskosten entweder nicht durchsetzbar ist oder einen Schadensersatzanspruch begründet, wenn sie für den Gläubiger grob nachteilig ist.

Bei der Entscheidung darüber, ob eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Sinne von Unterabsatz 1 grob nachteilig für den Gläubiger ist, werden alle Umstände des Falles geprüft, einschließlich folgender Aspekte:

c)

ob der Schuldner einen objektiven Grund für die Abweichung … von dem Pauschalbetrag gemäß Artikel 6 Absatz 1 hat.

…“

Tschechisches Recht

9

§ 2 Abs. 3 des Zákon č. 89/2012 Sb., občanský zákoník (Gesetz Nr. 89/2012 über das Zivilgesetzbuch) bestimmt:

„Die Auslegung und Anwendung einer Rechtsvorschrift darf nicht gegen die guten Sitten verstoßen und darf nicht zu Grausamkeit oder Rücksichtslosigkeit führen, die das normale menschliche Empfinden verletzen.“

10

§ 3 des Nařízení vlády č. 351/2013 Sb., kterým se určuje výše úroků z prodlení a nákladů spojených s uplatněním pohledávky, určuje odměna likvidátora, likvidačního správce a člena orgánu právnické osoby jmenovaného soudem a upravují některé otázky Obchodního věstníku, veřejných rejstříků právnických a fyzických osob a evidence svěřenských fondů a evidence údajů o skutečných majitelích (Regierungsverordnung Nr. 351/2013 über die Festlegung der Höhe der Verzugszinsen und der Höhe der Kosten für die Beitreibung einer Forderung, zur Festlegung des Entgelts des Liquidators, des Konkursverwalters und der vom Gericht bestellten Mitglieder des Organs der juristischen Person sowie zur Regelung einiger Fragen betreffend das Amtsblatt zivilrechtlicher und handelsrechtlicher Mitteilungen und das öffentliche Register juristischer und natürlicher Personen, über Treuhandfonds und Informationen über die tatsächlichen Eigentümer, im Folgenden: Regierungsverordnung Nr. 351/2013) sieht vor:

„Handelt es sich um eine gegenseitige Verpflichtung von Unternehmern oder ist der Gegenstand einer gegenseitigen Verpflichtung zwischen einem Unternehmer und einem öffentlichen Auftraggeber nach dem Gesetz über das öffentliche Auftragswesen eine Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt an den öffentlichen Auftraggeber, so beläuft sich der Mindestbetrag der Kosten für die Beitreibung jeder Forderung auf 1200 [tschechische Kronen (CZK) (etwa 50 Euro)].“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11

ALD und Gedem, Gesellschaften tschechischen Rechts, schlossen fünf Verträge über die Vermietung beweglicher Sachen (im Folgenden: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verträge). Nach den für diese Verträge geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen war ALD verpflichtet, getrennte Rechnungen über die Beträge auszustellen, die als Entgelt für die Leistungen geschuldet waren, die Gedem in Erfüllung dieser Verträge erbracht wurden. Gedem hatte diese Beträge zu dem in den Rechnungen angegebenen Fälligkeitstermin zu zahlen.

12

Zu den festgesetzten Fälligkeitsterminen hatte Gedem jedoch 25 der Beträge, die nach den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen geschuldet waren, nicht gezahlt, was einer Summe von 206799,13 CZK (etwa 8750 Euro) entsprach und Zeiträume betraf, die zwischen dem 27. April 2016 und dem 30. September 2016 lagen.

13

Mit Beschluss vom 12. April 2017 stellte der Krajský soud v Hradci Králové – pobočka v Pardubicích (Regionalgericht Hradec Králové [Königgrätz] – Außenstelle Pardubice, Tschechische Republik) die Zahlungsunfähigkeit von Gedem fest, erklärte den Konkurs über ihr Vermögen und bestellte DY zu ihrem Insolvenzverwalter.

14

Im Rahmen dieses Verfahrens verlangte ALD auf der Grundlage von § 3 der Regierungsverordnung Nr. 351/2013 die Zahlung ihrer Forderung zuzüglich Verzugszinsen sowie als Beitreibungskosten einen Pauschalbetrag von 1200 CZK für jeden der aufgrund der fünf im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge geschuldeten 25 Beträge, d. h. insgesamt 30000 CZK (etwa 1250 Euro).

15

Infolge einer Einwendung von DY gegen die Zahlung dieses Pauschalbetrags erhob ALD beim Krajský soud v Hradci Králové – pobočka v Pardubicích (Regionalgericht Hradec Králové – Außenstelle Pardubice) Klage auf Feststellung ihres Anspruchs auf pauschale Entschädigung für die Beitreibungskosten, die für jeden der aufgrund der fünf im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge geschuldeten 25 Beträge entstanden waren.

16

Mit Urteil vom 28. Mai 2018 gab das genannte Gericht der Klage von ALD teilweise statt, indem es ihr für die sich aus jedem der fünf Verträge ergebenden Forderungen eine pauschale Entschädigung für die Beitreibungskosten in Höhe von 1200 CZK, d. h. insgesamt 6000 CZK (etwa 250 Euro), zusprach, und wies die Klage im Übrigen ab.

17

ALD legte gegen dieses Urteil Berufung beim Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag, Tschechische Republik), dem vorlegenden Gericht, ein, der das Urteil bestätigte. Dieses Gericht befand, dass im vorliegenden Fall für jeden der fünf Verträge die pauschale Entschädigung für die Beitreibungskosten nur einmal geschuldet sei, unabhängig von der Zahl der bei Fälligkeit nicht geleisteten Zahlungen.

18

ALD legte gegen die genannten Urteile einen Rechtsbehelf beim Ústavní soud (Verfassungsgericht, Tschechische Republik) ein, der mit Urteil vom 24. November 2020 das Urteil des Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag) aufhob und die Sache an diesen zurückverwies, den Rechtsbehelf im Übrigen jedoch zurückwies. Der Ústavní soud (Verfassungsgericht) befand, dass das vorlegende Gericht das von der tschechischen Verfassung garantierte Recht von ALD auf ein faires Verfahren verletzt habe, da es nicht die Notwendigkeit geprüft habe, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung auf der Grundlage von Art. 267 AEUV vorzulegen, obwohl ALD geltend gemacht habe, dass die nationale Regelung unionsrechtskonform auszulegen sei.

19

Da die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge die Zahlung aufeinanderfolgender Entgelte umfassen, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob zur Erreichung des Zwecks der Richtlinie 2011/7 der Gläubiger den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Pauschalbetrag für jeden im Rahmen der Erfüllung eines einzigen Vertrags eingetretenen Zahlungsverzug erhalten muss, auch wenn die nicht fristgemäß geleisteten Zahlungen geringe oder sogar unter diesem Pauschalbetrag liegende Beträge betreffen, oder ob es ausreicht, dass der Gläubiger einen einzigen Pauschalbetrag für alle im Rahmen der Erfüllung dieses Vertrags eingetretenen Zahlungsverzüge erhält. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob das nationale Gericht einen auf die erste Auslegung gestützten Antrag zurückweisen kann, wenn dieser Antrag „gegen die guten Sitten (§ 2 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 89/2012) verstößt“.

20

Unter diesen Umständen hat der Vrchní soud v Praze (Obergericht Prag) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Auf der Grundlage welcher Kriterien entsteht der Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 Euro nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 bei Verträgen mit wiederholten oder fortgesetzten Leistungen?

2.

Kann ein Anspruch nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 von den Gerichten der Mitgliedstaaten aufgrund der Anwendung allgemeiner zivilrechtlicher Grundsätze verneint werden?

3.

Falls die zweite Frage bejaht wird: Unter welchen Voraussetzungen kann die Höhe eines Anspruchs nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 von den Gerichten der Mitgliedstaaten nicht anerkannt werden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

21

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 3 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn ein und derselbe Vertrag periodisch wiederkehrende Zahlungen vorsieht, von denen jede innerhalb einer bestimmten Frist zu leisten ist, der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehene pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für Beitreibungskosten für jeden Zahlungsverzug geschuldet wird, oder ob dieser Pauschalbetrag im Rahmen der Erfüllung eines einzigen Vertrags nur einmal geschuldet wird, unabhängig von der Zahl der nicht innerhalb dieser Frist geleisteten Zahlungen.

22

Als Erstes gibt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 den Mitgliedstaaten auf, sicherzustellen, dass in Fällen, in denen im Geschäftsverkehr im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 Euro hat. Des Weiteren verpflichtet Art. 6 Abs. 2 die Mitgliedstaaten dazu, sicherzustellen, dass der pauschale Mindestbetrag auch ohne Mahnung des Schuldners automatisch und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist. Schließlich wird in Art. 6 Abs. 3 dem Gläubiger gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem pauschalen Mindestbetrag in Höhe von 40 Euro ein Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten zuerkannt, die diesen Pauschalbetrag überschreiten.

23

Der Begriff „Zahlungsverzug“, der dem Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner nicht nur auf Zinsen gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7, sondern auch auf einen pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zugrunde liegt, ist in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie als eine Zahlung definiert, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist erfolgt ist. Da die Richtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 2 „alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind“, erfasst, ist der Begriff „Zahlungsverzug“ auf jeden Geschäftsvorgang einzeln betrachtet anwendbar (Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Als Zweites legt Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro fest, indem er, soweit es um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen geht, auf Art. 3 der Richtlinie verweist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass in diesem Geschäftsverkehr ein Gläubiger, der seine Verpflichtungen erfüllt und den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, einen Anspruch auf Verzugszinsen hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, es sei denn, dass der Schuldner für diesen Verzug nicht verantwortlich ist (Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Daraus folgt, dass ebenso wie der Anspruch auf Verzugszinsen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 der Anspruch auf einen pauschalen Mindestbetrag gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, der ebenfalls aufgrund eines „Zahlungsverzugs“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie entsteht, an einzeln betrachtete „Geschäftsvorgänge“ anknüpft. Diese Zinsen werden wie auch dieser Pauschalbetrag nach Ablauf der Zahlungsfrist gemäß Art. 3 Abs. 3 bis 5 der Richtlinie automatisch fällig, sofern die Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/7 ist daher dahin auszulegen, dass der pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung für die Beitreibungskosten dem Gläubiger, der seine Pflichten erfüllt hat, für jede Zahlung geschuldet wird, die bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistet wurde und als Entgelt eines Geschäftsvorgangs anfällt, der in einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung ausgewiesen wurde, und zwar auch dann, wenn mehrere periodisch wiederkehrende Zahlungen auf der Grundlage ein und desselben Vertrags verspätet sind, es sei denn, der Schuldner ist für diesen Verzug nicht verantwortlich (Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 24 bis 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Als Drittes wird diese Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2011/7 durch ihren Zweck bestätigt. Aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie im Licht ihres dritten Erwägungsgrundes ergibt sich nämlich, dass sie nicht nur Zahlungsverzug verhindern soll, indem vermieden wird, dass er für den Schuldner durch niedrige oder nicht vorhandene Verzugszinsen in einer solchen Situation finanziell vorteilhaft ist, sondern auch den Gläubiger wirksam gegen Zahlungsverzug schützen soll, indem sichergestellt wird, dass er einen möglichst umfassenden Ersatz der ihm entstandenen Beitreibungskosten erhält. Insoweit stellt der 19. Erwägungsgrund der Richtlinie klar, dass zum einen in den Beitreibungskosten auch die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein sollten und dass zum anderen die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags dazu dienen sollte, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken (Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Die Tatsache, dass der Schuldner mit mehreren periodisch wiederkehrenden Zahlungen auf der Grundlage ein und desselben Vertrags in Verzug ist, führt somit nicht dazu, dass der pauschale Mindestbetrag, der als Entschädigung für die Beitreibungskosten für jeden Zahlungsverzug anfällt, auf einen einzigen Pauschalbetrag verringert wird. Diese Verringerung liefe darauf hinaus, Art. 6 der Richtlinie 2011/7 die praktische Wirksamkeit zu nehmen. Deren Zweck besteht, wie in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils dargelegt, nicht nur darin, diesen Zahlungsverzug zu verhindern, sondern auch darin, mit diesen Beträgen eine Entschädigung „für die Beitreibungskosten des Gläubigers“ bereitzustellen, wobei diese Kosten tendenziell im Verhältnis zur Anzahl der Zahlungen und der Beträge, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistet bzw. beglichen hat, steigen. Diese Verringerung würde zudem bedeuten, dem Schuldner eine Ausnahme von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zu gewähren, die darauf hinausliefe, ihn von einem Teil der finanziellen Belastung zu befreien, die sich aus seiner Verpflichtung ergibt, für jede bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistete Zahlung den Pauschalbetrag von 40 Euro zu zahlen, ohne dass diese Ausnahme durch einen „objektiven Grund“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie gerechtfertigt wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software, C‑370/21, EU:C:2022:947, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

In ihren schriftlichen Erklärungen macht die tschechische Regierung allerdings geltend, dass dann, wenn mehrere, sich aus ein und demselben Vertrag ergebende periodisch wiederkehrende Zahlungen in Verzug seien, die Kumulierung mehrerer Pauschalbeträge durch den Gläubiger dem Zweck von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 zuwiderlaufe, der darin bestehe, eine gerechte Entschädigung für die diesem Gläubiger tatsächlich entstandenen Kosten zu bieten, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. Eine solche Kumulierung liefe darauf hinaus, dem Gläubiger für die Gesamtkosten, die bei der Beitreibung mehrerer Forderungen bei einem einzigen Schuldner entstanden seien und sich aus demselben Vertrag ergäben, eine pauschale Entschädigung zu gewähren, die über die tatsächlich entstandenen mit der Beitreibung verbundenen administrativen und internen Kosten hinausgehe. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Entschädigung durch einen Pauschalbetrag solle aber die dem Gläubiger tatsächlich entstandenen Kosten widerspiegeln und habe keinen Strafcharakter.

30

Insoweit hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass der Anspruch gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 „auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die [den] Pauschalbetrag überschreiten“, die Beitreibungskosten gleich welcher Art betrifft, die den Mindestbetrag von 40 Euro übersteigen, auf den der Gläubiger gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie automatisch Anspruch hat, wenn insbesondere gemäß Art. 3 der Richtlinie Verzugszinsen für einen Geschäftsvorgang anfallen. Dieser Ersatz kann somit weder den Teil dieser Kosten erfassen, der bereits durch den pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro abgedeckt ist, noch die Kosten, die in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalles als überhöht erscheinen (Urteil vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia, C‑585/20, EU:C:2022:806, Rn. 39).

31

Daher kann Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 nicht geltend gemacht werden, um den Anspruch des Gläubigers auf Zahlung des Pauschalbetrags gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie einzuschränken. Innerhalb der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils beschriebenen Grenzen kann für die Zwecke der Beurteilung, ob die Entschädigung für die anderen infolge des Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten angemessen ist, jedoch insbesondere der Umstand berücksichtigt werden, dass wegen der Entgelte für Geschäftsvorgänge, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht rechtzeitig gezahlt hat, nur eine einzige Zahlungsaufforderung ergangen ist (Urteil vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia, C‑585/20, EU:C:2022:806, Rn. 40).

32

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 3 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn ein und derselbe Vertrag periodisch wiederkehrende Zahlungen vorsieht, von denen jede innerhalb einer bestimmten Frist zu leisten ist, der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehene pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für Beitreibungskosten für jeden Zahlungsverzug geschuldet wird.

Zur zweiten Frage

33

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 3 und deren Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c dahin auszulegen ist, dass er es einem nationalen Gericht verwehrt, den in ihm vorgesehenen Pauschalbetrag auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze des nationalen Privatrechts zu versagen oder herabzusetzen, wenn die im Rahmen ein und desselben Vertrags eingetretenen Zahlungsverzüge insbesondere geringe oder sogar unter diesem Pauschalbetrag liegende Beträge betreffen.

Zur Zulässigkeit

34

Die Europäische Kommission äußert Zweifel an der Zulässigkeit der zweiten Frage, da sie hypothetischer Natur sei. Denn im Ausgangsverfahren sei der Gesamtbetrag der Hauptforderung deutlich höher als der Gesamtbetrag der pauschalen Entschädigung, die auf der Grundlage von § 3 der Regierungsverordnung Nr. 351/2013 verlangt werde, mit dem Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in nationales Recht umgesetzt werde.

35

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 8. Dezember 2022, Google [Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts], C‑460/20, EU:C:2022:962, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die Auslegung des Unionsrechts, um die er ersucht wird, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 8. Dezember 2022, Google [Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts], C‑460/20, EU:C:2022:962, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Zwar ist im vorliegenden Fall – wie die Kommission anmerkt – der Gesamtbetrag der Hauptforderung höher als der Gesamtbetrag der geforderten pauschalen Entschädigung. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Vorlagefrage hypothetischer Natur ist. Denn mangels eines ausdrücklichen Hinweises in der Vorlageentscheidung zu diesem Punkt kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden 25 Zahlungen, die bei Fälligkeit nicht geleistet wurden, gering sind oder sogar unter dem in § 3 der genannten Regierungsverordnung im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten Pauschalbetrag liegen.

38

Daher ist diese Frage in der Sache zu prüfen.

Zur Begründetheit

39

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, um die Wirksamkeit sämtlicher Bestimmungen des Unionsrechts zu gewährleisten, u. a. den nationalen Gerichten auferlegt, ihr nationales Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform auszulegen (Urteile vom 13. November 1990, Marleasing, C‑106/89, EU:C:1990:395, Rn. 8, und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 26).

40

Insbesondere muss ein nationales Gericht, bei dem wie hier ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts, die zur Umsetzung einer Richtlinie erlassen worden sind, diese Bestimmungen anhand von Wortlaut und Zweck der Richtlinie auslegen, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem Ziel der Richtlinie vereinbar ist, unbeschadet bestimmter Grenzen wie u. a. dem Verbot einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin, C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 27 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht zwar allgemeine Grundsätze des nationalen Privatrechts angeführt, insbesondere den Grundsatz, der es verbietet, eine Rechtsvorschrift in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise auszulegen und anzuwenden, doch hat es nicht ausgeführt, dass diese Grundsätze es daran hindern, die anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 3 und deren Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c auszulegen.

42

Einem nationalen Gericht zu gestatten, den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 genannten Pauschalbetrag zu versagen oder herabzusetzen, liefe unter diesen Umständen darauf hinaus, ihm zu gestatten, von seiner Pflicht, dieser Bestimmung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof in den Urteilen vom 20. Oktober 2022, BFF Finance Iberia (C‑585/20, EU:C:2022:806), und vom 1. Dezember 2022, DOMUS-Software (C‑370/21, EU:C:2022:947), volle Wirksamkeit zu verschaffen, abzuweichen.

43

Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 3 und deren Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c dahin auszulegen ist, dass er es einem nationalen Gericht verwehrt, den in ihm vorgesehenen Pauschalbetrag auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze des nationalen Privatrechts zu versagen oder herabzusetzen, und zwar auch dann, wenn die im Rahmen ein und desselben Vertrags eingetretenen Zahlungsverzüge insbesondere geringe oder sogar unter diesem Pauschalbetrag liegende Beträge betreffen.

Zur dritten Frage

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In Anbetracht der Antwort auf die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

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Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in Verbindung mit deren Art. 3

ist dahin auszulegen, dass

dann, wenn ein und derselbe Vertrag periodisch wiederkehrende Zahlungen vorsieht, von denen jede innerhalb einer bestimmten Frist zu leisten ist, der in Art. 6 Abs. 1 vorgesehene pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für Beitreibungskosten für jeden Zahlungsverzug geschuldet wird.

 

2.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit deren Art. 6 Abs. 3 und deren Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c

ist dahin auszulegen, dass

er es einem nationalen Gericht verwehrt, den in ihm vorgesehenen Pauschalbetrag auf der Grundlage allgemeiner Grundsätze des nationalen Privatrechts zu versagen oder herabzusetzen, und zwar auch dann, wenn die im Rahmen ein und desselben Vertrags eingetretenen Zahlungsverzüge insbesondere geringe oder sogar unter diesem Pauschalbetrag liegende Beträge betreffen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Tschechisch.

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