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Document 62022CC0330

    Schlussanträge der Generalanwältin T. Ćapeta vom 15. Juni 2023.
    Friends of the Irish Environment CLG gegen Minister for Agriculture Food and the Marine u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Fischereipolitik – Erhaltung der Bestände – Zulässige Gesamtfangmengen (Total Allowable Catches, TACs) für Kabeljaubestände westlich von Schottland und in der Keltischen See, Wittling in der Irischen See und Scholle in der Südlichen Keltischen See – Verordnung (EU) 2020/123 – Anhang IA – TACs über null – Ablauf des Anwendungszeitraums – Beurteilung der Gültigkeit – Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 – Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 – Ziel, für alle Bestände bis spätestens 2020 einen Grad der Befischung zu erreichen, der den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht – Art. 2, 3, 9, 10, 15 und 16 – Sozioökonomische Ziele und Ziele im Bereich der Beschäftigung – Beste verfügbare wissenschaftliche Gutachten – Pflicht zur Anlandung – Gemischte Fischereien – Limitierende Arten – Verordnung (EU) 2019/472 – Art. 1 bis 5, 8 und 10 – Zielbestände – Beifang – Abhilfemaßnahmen – Ermessen.
    Rechtssache C-330/22.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:487

     SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    TAMARA ĆAPETA

    vom 15. Juni 2023 ( 1 )

    Rechtssache C‑330/22

    Friends of the Irish Environment CLG

    gegen

    Minister for Agriculture, Food and the Marine,

    Irland,

    Attorney General

    (Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Hohes Gericht, Irland])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Gültigkeit – Gemeinsame Fischereipolitik – Art. 43 Abs. 2 AEUV – Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 – Verordnung (EU) 2019/472 – Festsetzung der Fangmöglichkeiten – Zulässige Gesamtfangmengen über dem höchstmöglichen Dauerertrag – Ermessen des Rates nach Art. 43 Abs. 3 AEUV – Verordnung (EU) 2020/123“

    I. Einleitung

    1.

    Ein Name, der in vielen alten irischen Mythen und Legenden immer wieder auftaucht, ist der des Meergeists Manannán mac Lir. Er galt nicht nur als ein mächtiger Kriegsherr, dessen Kampfwagen die Meereswogen waren, sondern auch als begüterter Farmer in den „Ebenen des Meeres“. Fischschwärme statt Rinder und Schafe waren seine Herden. Der Reichtum seiner Bestände in den Gewässern rund um Irland war so groß, dass, als aufeinanderfolgende königliche Kommissionen 1863 und 1885 die Fischereiwirtschaft untersuchten, die führenden Ichthyologen der damaligen Zeit zu dem Schluss kamen, dass die Fischerei „unerschöpflich“ sei ( 2 ).

    2.

    Leider hatten sie unrecht. Fischbestände sind keine sich immer wieder selbst erneuernde Ressource, die von menschlichen Einflüssen unabhängig ist. Wir haben in diesem Jahrhundert die Erfahrung gemacht, dass es einer sorgfältigen Bewirtschaftung der Fischbestände bedarf, um ihren Fortbestand zu sichern. Das ist im Kern das Anliegen der Klägerin in dieser Rechtssache. Ihr Argument geht dahin, dass in der Verordnung (EU) 2020/123 ( 3 ) zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für das Jahr 2020 für bestimmte Bestände in den Gewässern um Irland ( 4 ) Fanggrenzen festgesetzt würden, die das Niveau überstiegen, das langfristig nachhaltig sei ( 5 ). Für diese Auffassung beruft sich die Klägerin vor allem auf die Grundverordnung zur Einführung der Gemeinsamen Fischereipolitik (im Folgenden: GFP) ( 6 ). In diesem Rechtsakt hat der Unionsgesetzgeber das Jahr 2020 als den spätesten Zeitpunkt festgelegt, bis zu dem die Fischerei in den Unionsgewässern für alle Bestände auf einem nachhaltigen Niveau ausgeübt werden muss.

    3.

    In rechtlicher Hinsicht stellt sich im vorliegenden Fall jedoch nicht die Frage, ob die vom Rat festgesetzten Werte nachhaltig sind oder nicht. Dies zu entscheiden ist nicht Sache des Gerichtshofs. Das rechtliche Vorbringen der Klägerin betrifft vielmehr das Bestehen und die Grenzen eines Ermessens des Rates bei der Festsetzung der Fangmöglichkeiten in den Unionsgewässern nach Art. 43 Abs. 3 AEUV. Bei der Beantwortung dieser Zuständigkeitsfrage wird der Gerichtshof auch die damit zusammenhängende Frage zu klären haben, inwieweit die grundlegenden Ziele der GFP durch bereichs- und gegenstandsspezifische Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet beeinflusst werden.

    II. Hintergrund der Rechtssache und Vorlagefragen

    4.

    Der Rat teilt jedes Jahr die Fangmöglichkeiten auf der Grundlage eines vorhersehbaren Anteils an den Beständen der einzelnen Fischarten in den Unionsgewässern auf die Mitgliedstaaten auf. Diese einzelnen Anteile sind die sogenannte zulässige Gesamtfangmenge (Total Allowable Catch, im Folgenden: TAC). Bei der Festsetzung und Aufteilung der jährlichen TAC ist der Rat verpflichtet, im Rahmen der Ziele der GFP zu handeln, wie sie in der GFP-Grundverordnung festgelegt sind.

    5.

    In Art. 2 der GFP-Grundverordnung werden verschiedene Ziele aufgeführt, nach denen die GFP auszurichten ist. In ihrem Abs. 1 heißt es u. a., dass die GFP sicherstellt, dass „Fischerei- und Aquakulturtätigkeiten langfristig umweltverträglich sind“. In Abs. 2 wird sodann im ersten Unterabsatz erläutert, dass die Europäische Union im Rahmen der Handhabung der GFP „sich bei der Nutzung der biologischen Meeresschätze das Ziel [setzt], die Populationen fischereilich genutzter Arten in einem Umfang wiederherzustellen und zu erhalten, der oberhalb des Niveaus liegt, das den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht“. Weiter heißt es im zweiten Unterabsatz, dass der höchstmögliche Dauerertrag „soweit möglich bis 2015, und unter allen Umständen schrittweise für alle Bestände bis spätestens 2020 erreicht“ ( 7 ) werden soll (im Folgenden: Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020).

    6.

    Das Konzept des höchstmöglichen Dauerertrags (Maximum Sustainable Yield, MSY) ist eine in der Fischerei weltweit angewandte Erntestrategie. Dabei wird davon ausgegangen, dass einem Fischbestand eine bestimmte Menge entnommen werden kann, ohne seine Gleichgewichtspopulation zu beeinträchtigen. Im Wesentlichen geht es darum, nur den Überschuss an Fischen zu ernten, der auf natürliche Weise entsteht, wenn der Bestand seinen Gleichgewichtspunkt erreicht und seine Reproduktionsraten sich verlangsamen. Dadurch, dass der Überschuss „abgeschöpft“ wird, bleiben die Reproduktionsraten maximiert, und der Fischbestand füllt sich jährlich wieder auf, ohne sein langfristiges Überleben zu beeinträchtigen. Der höchstmögliche Dauerertrag ist somit eine theoretische Annahme, die darauf abzielt, ein Gleichgewicht zwischen dem Ziel der Erhaltung der kommerziell genutzten Fischbestände für künftige Generationen einerseits und dem wirtschaftlichen und sozialen Interesse an der Nutzung dieser Bestände andererseits herzustellen.

    7.

    Nach der GFP-Grundverordnung werden der höchstmögliche Dauerertrag für einen bestimmten Bestand und die Art und Weise, wie er zu erreichen ist, auf der Grundlage der „besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten“ ( 8 ) und, in Ermangelung angemessener wissenschaftlicher Daten, auf der Grundlage des Vorsorgeansatzes ( 9 ) berechnet. Nach übereinstimmender Auffassung aller Verfahrensbeteiligten wurde das Gutachten, das der Internationale Rat für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, im Folgenden: ICES) speziell für die Europäische Kommission für die vier fraglichen Bestände erstellt hat, unter Berücksichtigung beider Ansätze ausgearbeitet. Es ist somit unstreitig, dass sowohl die „besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten“ als auch der Vorsorgeansatz, auf deren Grundlage der ICES sein Gutachten erstellt hat, zeigen, dass die TAC für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland für das Jahr 2020 auf null festgesetzt werden muss, um den höchstmöglichen Dauerertrag dieser Bestände in der Zukunft zu erreichen ( 10 ).

    8.

    Unstrittig ist auch, dass das Auftreten von „Null-Fang-Beständen“ in Verbindung mit der sogenannten „Pflicht zur Anlandung“ in „gemischten Fischereien“ ( 11 ) zu dem damit verbundenen Problem der „limitierenden Arten“ führt und die Fischereifahrzeuge dazu zwingt, ihre Fangtätigkeit einzustellen, lange bevor sie die ihnen zugeteilten Hauptquoten erreicht haben. Dieses Phänomen bedarf einer Erklärung. Gemischte Fischereien sind Gewässer, in denen mehr als eine Fischart vorkommt und in denen es wahrscheinlich ist, dass unterschiedliche Arten bei ein und demselben Fangeinsatz zusammen gefangen werden. Die „Pflicht zur Anlandung“ verpflichtet alle Fischereifahrzeuge, alle gefangenen Fische an Bord zu behalten, zu registrieren und auf die für diese Bestände geltenden Quoten anzurechnen ( 12 ). In der Praxis bedeutet die Kombination dieser Elemente, dass ein Null-TAC‑Bestand die Befischung anderer Bestände in gemischten Fischereien „limitiert“, sobald er gefangen wird, häufig als Beifang, wenn tatsächlich ein ganz anderer Bestand das Ziel ist. Der Beifang eines nicht ausgeschöpften (oder Null‑)Quotenbestands kann daher zu dem Phänomen führen, dass die Fischerei „limitiert“ wird, indem sie dazu gezwungen wird, den Betrieb einzustellen, lange bevor sie ihre Hauptquoten gefangen hat.

    9.

    Angesichts dieser Problematik und nach Erhalt des Null-Fangmengen-Gutachtens für die vier fraglichen Bestände ersuchte die Kommission um ein weiteres ICES-Gutachten, das sich speziell auf die Menge des Beifangs aus den vier fraglichen Beständen bezieht, der bei der Befischung von „Zielbeständen“ in gemischten Fischereien gefangen wird. Wie der Name bereits sagt, ist der Zielbestand die Fischart, die mit einem Fischereifahrzeug während eines bestimmten Fangeinsatzes auf See gefangen werden soll. Fisch, der durch ein Versehen oder zufällig in seinen Netzen landet, ist Beifang.

    10.

    Entsprechend dem Ersuchen der Kommission ( 13 ) gab der ICES Schätzungen darüber ab, wie viel Beifang aus den vier fraglichen Beständen wahrscheinlich wäre, wenn für bestimmte Zielbestände im Jahr 2020 in gemischten Fischereigewässern um Irland auf der Grundlage der TAC gefischt würde. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass das ICES-Gutachten nicht zum Ausdruck bringt, dass derartige Beifangmengen mit dem Erreichen des höchstmöglichen Dauerertrags für die vier fraglichen Bestände vereinbar sind, wenn sie nur als Beifang gefangen werden. Die betreffenden ICES-Schätzungen stellten lediglich die mathematische Schätzung dieses Gremiums für die Menge jeder dieser vier Arten dar, die unweigerlich gefangen würde, wenn ein anderer Bestand das Ziel wäre.

    11.

    In seiner Verordnung von 2020 setzte der Rat auf der Grundlage dieser Schätzungen die Fangmöglichkeiten für das Jahr 2020 für die vier fraglichen Bestände auf Werte über null fest, auf oder unter den Werten, die der ICES als unvermeidbaren Beifang in gemischten Fischereien geschätzt hatte.

    12.

    Auf der Grundlage der vom Rat für das Jahr 2020 festgesetzten jährlichen TAC und der Irland zugewiesenen Mengen erließ der Minister for Agriculture, Food and the Marine (Minister für Landwirtschaft, Ernährung und maritime Angelegenheiten, im Folgenden: Minister) gemäß Section 12(1) des Sea-Fisheries and Maritime Jurisdiction Act 2006 (Gesetz von 2006 über die Seefischerei und die Seegerichtsbarkeit) monatliche Bescheide über die Fischereibewirtschaftung. In diesen Bescheiden wird die Menge der vier Fischbestände festgelegt, die von irischen Schiffen in jedem Monat des Jahres 2020 angelandet werden darf.

    13.

    Die Friends of the Irish Environment CLG (im Folgenden: Klägerin) klagt in Irland gegen diese Bescheide des Ministers. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass der Rat, indem er die TAC für die fraglichen Bestände für das Jahr 2020 über null festgesetzt habe, gegen die GFP-Grundverordnung und insbesondere gegen das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 gemäß Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung verstoßen habe. Die Bescheide des Ministers seien daher ungültig.

    14.

    Der Minister verteidigt sich (und damit auch die TAC‑Grenzen des Rates) u. a. damit, dass die GFP-Grundverordnung in Verbindung mit der Verordnung (EU) 2019/472 ( 14 ) gelesen werden müsse. Bei letzterer Verordnung handele es sich um ein gleichrangiges Rechtsinstrument, mit dem speziell die Schwierigkeit der Fischerei in gemischten Fischereien und das damit verbundene Problem, die Vermeidung von „limitierenden Arten“, anerkannt würden. Die Verordnung über die westlichen Gewässer habe zur Folge, dass die TAC für Bestände, für die eine Null-Fangmengen-Empfehlung abgegeben worden sei, auf über null festgelegt werden dürften, wenn dadurch in gewissem Maße die „Limitierung vermieden“ werde.

    15.

    Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hat der High Court (Hohes Gericht, Irland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen erforderlich, wenn die Verordnung von 2020 ersetzt wurde und/oder die nationalen Durchführungsmaßnahmen außer Kraft getreten sind?

    2.

    Ist Anhang IA der Verordnung von 2020 in Anbetracht der Ziele und Zwecke der GFP-Grundverordnung, insbesondere von Art. 2 Abs. 1 und 2, einschließlich des Ziels von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und der in Art. 3 Buchst. c und d der GFP-Grundverordnung festgelegten Grundsätze verantwortungsvoller Verwaltung (auch soweit er auf Bestände anwendbar ist, für die ein Vorsorgeansatz gilt), in seiner Auslegung in Verbindung mit den Art. 9, 10, 15 und 16 der GFP-Grundverordnung und ihren Erwägungsgründen sowie den Art. 1, 2, 3, 4, 5, 8 und 10 der Verordnung (EU) 2019/472 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die in den westlichen Gewässern und angrenzenden Gewässern gefischten Bestände und für Fischereien, die diese Bestände befischen, zur Änderung der Verordnungen (EU) 2016/1139 und (EU) 2018/973 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007 und (EG) Nr. 1300/2008 des Rates (im Folgenden: Verordnung über die westlichen Gewässer), ungültig, weil die in der Verordnung von 2020 festgelegten TAC der vom ICES für bestimmte Arten abgegebenen Nullfänge-Empfehlung für den höchstmöglichen Dauerertrag nicht folgen?

    16.

    Die Klägerin, die irische Regierung, der Rat und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2023 haben diese Verfahrensbeteiligten sowie das Europäische Parlament mündliche Erklärungen abgegeben.

    III. Würdigung

    A.   Einleitung

    17.

    Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung von 2020 insoweit gültig ist, als sie für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland Fangmöglichkeiten über null festsetzt ( 15 ). Dies würde es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, über die Gültigkeit der nationalen Maßnahmen zu entscheiden, mit denen diese Quoten in Irland aufgeteilt wurden. Die Verordnung von 2020 kann jedoch nur dann als gültig angesehen werden, wenn sie innerhalb etwa bestehender Grenzen des Ermessens, das dem Rat vom Unionsgesetzgeber eingeräumt ist, erlassen wurde. Die Prüfung des Gerichtshofs muss daher bei der Frage ansetzen, ob die GFP-Grundverordnung dem Rat die Ermessensbefugnis einräumt, die jährlichen Fangmöglichkeiten für die vier fraglichen Bestände auf einen Wert über null festzusetzen oder nicht. Sollte diese Frage, wie ich vorschlagen werde, zu verneinen sein, müsste der Gerichtshof in einem zweiten Schritt prüfen, ob andere Elemente des „GFP-Primärrechts“, wie die Verordnung über die westlichen Gewässer, diese Schlussfolgerung beeinflussen.

    18.

    Daher werde ich mich zunächst mit dem Vertragsrahmen befassen, in dem sich dieser Rechtsstreit abspielt (B). In diesem Abschnitt versuche ich, zu erläutern, warum die Gültigkeit der Verordnung von 2020 und die vom Gerichtshof anzuwendende Überprüfungsmethode von der Auslegung der beiden Verordnungen abhängt, um die es im vorliegenden Fall geht: der GFP-Grundverordnung und der Verordnung über die westlichen Gewässer. Ich werde mich dann mit der Auslegung dieser Verordnungen befassen (C). Ich werde zunächst erläutern, warum ich der Ansicht bin, dass die GFP-Grundverordnung dem Rat keine Ermessensbefugnis einräumt, bei der Festsetzung der TAC für Beifänge in gemischten Fischereien von den im vorliegenden Fall erhaltenen Fangempfehlungen abzuweichen (C1). Anschließend werde ich prüfen, ob dieser Regelungsansatz durch die Verordnung über die westlichen Gewässer in irgendeiner Weise beeinflusst wurde (C2). Erst danach komme ich zu einer Bewertung der Gültigkeit der Verordnung von 2020 im Licht meiner Schlussfolgerungen (D1). Ich werde dem Gerichtshof aber auch einen Alternativvorschlag unterbreiten, falls er meiner Schlussfolgerung nicht zustimmt, dass die Verordnung über die westlichen Gewässer keine Abweichung von dem klaren Ermächtigungsrahmen der GFP-Grundverordnung enthält (D2). Da ich in beiden Fällen zu dem Schluss komme, dass die Verordnung von 2020 ungültig ist, werde ich kurz auf die Notwendigkeit eingehen, die Auswirkungen der Verordnung von 2020 dennoch aufrechtzuerhalten (E).

    B.   Vertragsrahmen und anwendbarer Prüfungsmaßstab

    19.

    Art. 43 AEUV bildet die Rechtsgrundlage für den Erlass von Maßnahmen zur Gestaltung und Durchführung der GFP. Für den Erlass von Rechtsakten im Bereich der Fischerei gilt nach Art. 43 Abs. 2 das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Es muss für alle politischen Entscheidungen angewandt werden, die dem Unionsgesetzgeber vorbehalten sind ( 16 ). Art. 43 Abs. 3 AEUV wiederum sieht ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vor, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission Rechtsakte erlassen kann. Diese Bestimmung kann für den Erlass der darin aufgeführten spezifischen Maßnahmen herangezogen werden, einschließlich der Festsetzung von „Fangmöglichkeiten“, d. h. der Festsetzung der TAC für einen bestimmten Bestand.

    20.

    Das Verhältnis zwischen diesen Bestimmungen ist recht speziell ( 17 ). Im Bereich der Fischerei stützen sich die Befugnisse des Rates unmittelbar auf den Vertrag. So kann er Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 3 AEUV ergreifen, auch wenn kein nach Art. 43 Abs. 2 AEUV erlassener Rechtsakt ihn dazu ermächtigt ( 18 ). Art. 43 Abs. 3 AEUV ermächtigt den Rat jedoch nicht, grundlegende politische Entscheidungen im Bereich der GFP zu treffen. Solche Entscheidungen müssen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nach Art. 43 Abs. 2 AEUV getroffen werden ( 19 ). Wenn der Gesetzgeber die Ziele der Fischereipolitik auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 2 AEUV festgelegt hat, sind diese politischen Entscheidungen für den Rat bindend, wenn er Rechtsakte nach Art. 43 Abs. 3 AEUV erlässt. Auch wenn sich Art. 43 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV streng genommen nicht in derselben Weise aufeinander beziehen wie Grundrechtsakte und Durchführungsrechtsakte, bestimmen die auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 2 AEUV erlassenen Rechtsakte die Befugnisse des Rates, wenn er Rechtsakte auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 3 AEUV erlässt ( 20 ).

    21.

    Die Beurteilung der Gültigkeit eines Rechtsakts des Rates zur Festsetzung der jährlichen Fangmöglichkeiten beginnt daher mit der Feststellung, inwieweit der Unionsgesetzgeber gemäß Art. 43 Abs. 2 AEUV in dieser Angelegenheit bereits selbst Rechtsvorschriften erlassen hat ( 21 ). Dabei ist zu prüfen, ob und welches Ermessen dem Rat durch den vom Unionsgesetzgeber festgelegten politischen Rahmen eingeräumt wird.

    22.

    Vorliegend geht es um drei Rechtsakte: die GFP-Grundverordnung und die Verordnung über die westlichen Gewässer nach Art. 43 Abs. 2 AEUV und die Verordnung von 2020 nach Art. 43 Abs. 3 AEUV.

    23.

    Bei der Überprüfung der Gültigkeit der Verordnung von 2020 im Hinblick auf die GFP-Grundverordnung und die Verordnung über die westlichen Gewässer wird die vom Gerichtshof anzuwendende Überprüfungsmethode unterschiedlich sein, je nachdem, ob die angefochtene „Entscheidung“ (d. h. die Entscheidung, die TAC für die vier fraglichen Bestände über null festzusetzen) im Rahmen des dem Rat eingeräumten Ermessens lag oder nicht. Wenn der Gesetzgeber dem Rat nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, bei der Festsetzung und Aufteilung der TAC ab dem Jahr 2020 eine Abwägung vorzunehmen, dann führt allein die Feststellung, dass der Rat von der gesetzgeberischen Entscheidung abgewichen ist, zur Ungültigkeit seiner Entscheidung. Wenn der Rat hingegen legitimerweise das Ziel, den höchstmöglichen Dauerertrag für Beifänge in gemischten Fischereien zu erreichen, mit anderen Zielen der GFP in Einklang bringen und erforderlichenfalls von der vom ICES empfohlenen Null-TAC abweichen durfte, dann würde die Gültigkeit seiner Entscheidung davon abhängen, ob er die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat ( 22 ). Der vom Gerichtshof anzuwendende Prüfungsmaßstab würde in einem solchen Fall vom Umfang des dem Rat eingeräumten Ermessens sowie von der Komplexität der vom Rat vorzunehmenden Beurteilung abhängen ( 23 ).

    24.

    Die übergreifende Frage ist daher, welchen Spielraum der Unionsgesetzgeber dem Rat bei der Festsetzung der TAC für Beifänge in gemischten Fischereien belassen hat.

    C.   Auslegung des GFP-Primärrechts

    1. Der politische Rahmen der GFP-Grundverordnung

    25.

    Die GFP-Grundverordnung ist die Antwort des Unionsgesetzgebers auf die Überfischung in den Unionsgewässern. In ihrem Grünbuch aus dem Jahr 2009, das dem Vorschlag für die GFP-Grundverordnung vorausging, stellte die Kommission fest, dass „[die bisherige] GFP … bei der Verhinderung dieser Probleme versagt [hat]“, und warnte, dass eine ökologische und nachhaltige Zukunftsvision der GFP „Lichtjahre von der heutigen Realität entfernt [ist], die aus Überfischung, …. und rückläufigen Fängen der europäischen Fischer besteht“ ( 24 ).

    26.

    So erklärte die Kommission in ihrem Legislativvorschlag, dass das vorrangige Ziel der geplanten Rahmenregelung darin bestehe, „sicherzustellen, dass Fischerei und Aquakultur unter langfristig nachhaltigen ökologischen Bedingungen betrieben werden und damit eine wirtschaftlich und sozial nachhaltige Fischwirtschaft fördern, die ihren Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung leistet“ ( 25 ). Mit anderen Worten: Der Vorschlag für die GFP-Grundverordnung erfolgte im Hinblick auf eine Neuorientierung der GFP auf das langfristige Ziel einer nachhaltigen Fischereitätigkeit.

    27.

    Diese politische Entscheidung kommt in Art. 2 der GFP-Grundverordnung zum Ausdruck. In Art. 2 Abs. 1, der die Ziele der (neugefassten) GFP festlegt, wird die Notwendigkeit einer langfristigen Perspektive betont und auf ökologische und sozioökonomische Belange verwiesen. In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass die GFP darauf abzielt, sicherzustellen, dass„Fischerei- und Aquakulturtätigkeiten langfristig umweltverträglich sind und auf eine Art und Weise durchgeführt werden, die mit den Zielen der Erreichung eines wirtschaftlichen, sozialen und beschäftigungspolitischen Nutzens … vereinbar ist“ ( 26 ).

    28.

    Nach Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung hat das Fischereimanagement „bei der Nutzung der biologischen Meeresschätze das Ziel, die Populationen fischereilich genutzter Arten in einem Umfang wiederherzustellen und zu erhalten, der oberhalb des Niveaus liegt, das den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht“ ( 27 ). In Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 wird dann das Zieldatum für die Erreichung eines solchen Ziels hinzugefügt: „soweit möglich bis 2015, und unter allen Umständen schrittweise für alle Bestände bis spätestens 2020“ ( 28 ). In Art. 2 Abs. 5 derselben Verordnung werden danach weitere Ziele der GFP festgelegt, darunter die Ziele „Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass Fischfang- und Fischverarbeitungsindustrie … rentabel und wettbewerbsfähig sind“ (Art. 2 Abs. 5 Buchst. c) und „Beitrag zu einem angemessenen Lebensunterhalt derjenigen, die vom Fischfang abhängen, unter Berücksichtigung der Küstenfischerei und sozioökonomischer Aspekte“ (Art. 2 Abs. 5 Buchst. f).

    29.

    Insgesamt gesehen ermöglicht Art. 2 der GFP-Grundverordnung durchaus einen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Idealvorstellungen von Nachhaltigkeit und Fischereimanagement einerseits und den wirtschaftlichen und sozialen Zielen der vom Meer abhängigen Gruppen für ihren Lebensunterhalt andererseits. Bei der Festsetzung und Aufteilung der Fangmöglichkeiten hat der Rat grundsätzlich einen gewissen Ermessensspielraum, um die konkurrierenden Interessen gemäß Art. 2 der GFP-Grundverordnung gegeneinander abzuwägen.

    30.

    Meines Erachtens werden jedoch mit Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung dem Rat ab 2020 die Ermessensspielräume genommen, die sich auf die Entscheidung beziehen, ob und bis wann die höchstmöglichen Dauerertragswerte für die unter die GFP-Grundverordnung fallenden Bestände erreicht werden. Meiner Ansicht nach wollte der Unionsgesetzgeber mit der Festlegung einer festen Frist verhindern, dass der Rat kurzfristige wirtschaftliche Interessen vor das übergeordnete langfristige Ziel stellt, die Fischbestände schrittweise wiederherzustellen und auf einem Biomassevolumen zu halten, das den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht. Der Unionsgesetzgeber ist dies in einer Weise angegangen, die dem Vorsatz „ab Montag keine Schokolade mehr“ gleicht, denn wenn Montag nicht als feste Frist verstanden wird, wird man weiter Schokolade essen, und Montag wird niemals kommen.

    31.

    Um diese Selbstverpflichtung zu gewährleisten, bindet Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung den Rat in zweifacher Hinsicht. Erstens darf das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags nach dem Jahr 2020 nicht mehr unterlaufen werden (a). Zweitens betrifft dieses Ziel alle Bestände, unabhängig davon, ob sie bei bestimmten Fangeinsätzen „Zielbestand“ oder „Beifang“ genannt werden oder nicht (b).

    a) Das Jahr 2020 als verbindliches Datum

    32.

    Nach Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung ist das Jahr 2020 ein verbindliches Datum. Damit schließt es diese Bestimmung aus, dass von der Entscheidung des Gesetzgebers, den höchstmöglichen Dauerertrag ab 2020 zu erreichen, abgewichen wird. Mit anderen Worten: Bis zu diesem Jahr war es noch möglich, das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags gegen andere sozioökonomische Ziele abzuwägen. Ab 2020 entfällt jedoch diese Möglichkeit und damit auch die Ermessensbefugnis des Rates, bei der Festsetzung der jährlichen TAC von dem Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags abzuweichen. Anders ausgedrückt: Mit Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung wollte der Unionsgesetzgeber offenbar ausschließen, dass kurzfristige sozioökonomische Zwänge die Erreichung langfristiger Nachhaltigkeitsziele nach dem Jahr 2020 zunichtemachen.

    33.

    Diese Auslegung wird durch den siebten Erwägungsgrund der GFP-Grundverordnung gestützt, wonach die Erreichung des höchstmöglichen Dauerertrags noch auf die Zeit nach dem ursprünglichen Zieldatum 2015 verschoben werden kann, wenn die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der betreffenden Fischereiflotten ernstlich gefährdet würde. Dies hat zur Folge, dass nach 2020 derartige Anliegen nicht mehr berücksichtigt werden können.

    34.

    Dass das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags bei der Festsetzung der jährlichen Fangmöglichkeiten durch den Rat keiner Interessenabwägung unterliegt, steht meiner Meinung nach auch im Einklang mit dem in Art. 2 Abs. 1 der GFP-Grundverordnung genannten „ersten und übergeordneten Ziel“ (wie es der Rat in seinen schriftlichen Erklärungen bezeichnet hat). Es verlangt, dass langfristig eine umweltverträgliche Fischerei erreicht wird. Die Kommission selbst hat in der Vergangenheit festgestellt, dass die Fischerei auf dem höchstmöglichen Dauerertragsniveau für die Fischereiindustrie langfristig tatsächlich profitabler ist als die ständige Unterschreitung dieses Niveaus ( 29 ). Die Abtrennung der kurzfristigen sozioökonomischen Ziele von den Entscheidungen über Maßnahmen zur Erreichung des Ziels des höchstmöglichen Dauerertrags dient daher langfristig nicht nur den Umweltzielen der GFP, sondern auch ihren wirtschaftlichen, sozialen, beschäftigungs- und nahrungspolitischen Zielen.

    35.

    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, dass auch kontextuelle Elemente der GFP-Grundverordnung für diese Schlussfolgerung sprächen. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf die Verweise auf Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung in anderen Bestimmungen dieser Verordnung aufmerksam machen: Auf diese Bestimmung wird immer dann ausdrücklich verwiesen, wenn diese Verordnung eine bestimmte Art der Fischereibewirtschaftung festlegt, für die keine weitere Abwägung erfolgen soll. So verweist Art. 16 Abs. 4 der GFP-Grundverordnung, der die Festsetzung der Fangmöglichkeiten regelt, nur auf Art. 2 Abs. 2 dieses Rechtsakts. Dagegen wird der allgemeinere Verweis auf Art. 2 der GFP-Grundverordnung immer dann verwendet, wenn ein Ansatz notwendig ist, bei dem alle Ziele der GFP gegeneinander abgewogen werden ( 30 ).

    b) „Alle Bestände“

    36.

    Das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags, das bis 2020 erreicht werden soll, gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der GFP-Grundverordnung für „alle Bestände“ ( 31 ). Dementsprechend ergibt sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung eine eindeutige und bindende Verpflichtung dahin gehend, dass ab 2020 „alle Bestände“ (d. h. sowohl Ziel- als auch Beifangbestände) unterschiedslos auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags zu befischen sind ( 32 ). Ich schließe mich der Auffassung der Klägerin an, dass es keine überzeugende Grundlage für eine andere Auslegung dieser Definition gibt und dass der Gerichtshof andernfalls ungewollt die in der GFP-Grundverordnung enthaltene Definition des Begriffs „Bestand“ ( 33 ) umdefinieren würde. Daher lässt der Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung eine Unterscheidung zwischen „Zielbestand“ und „Beifangbestand“, wie sie der Rat in der Verordnung von 2020 machen möchte, nicht zu.

    37.

    Ich sehe mich in dieser Schlussfolgerung auch durch die Erklärung des Europäischen Parlaments in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass realistischerweise keine Ausnahmen von dieser Regel in Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung – sei es aus dieser Bestimmung selbst oder aus anderen Teilen dieser Verordnung – hineininterpretiert werden könnten.

    c) Ist Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung in Bezug auf gemischte Fischereien anders auszulegen?

    38.

    Im Grundsatz teilen der Rat und die Kommission die obige Auslegung als verbindliches Ziel, das keiner Abweichung unterliegt. Ihre Argumentation, der ein Verständnis von Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung zugrunde liegt, wonach damit sowohl ein starrer Geltungsbereich („alle Bestände“) als auch ein Enddatum (das Jahr 2020) für die Befischung der vier fraglichen Bestände eingeführt wird, führt indessen in der Praxis zu unhaltbaren Problemen. Diese Verfahrensbeteiligten machen insbesondere geltend, dass aufgrund der Kombination von gemischter Fischerei, Null-Fang-TAC und Pflicht zur Anlandung die Nichtzulassung einer Abweichung vom Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 für Null-Fang-Bestände die in der gemischten Fischerei tätigen Fangflotten „limitieren“ würde. Dementsprechend sei Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung dahin zu verstehen, dass Beifänge in gemischten Fischereien von der Verpflichtung zum höchstmöglichen Dauerertrag ausgenommen werden könnten, wenn die Festsetzung von Null-Zielen für diese Bestände dazu führen würde, dass die Flotten ihre Fangtätigkeit für Zielfische vorzeitig einstellen müssten.

    39.

    Meines Erachtens lässt der Wortlaut der GFP-Grundverordnung eine solche Auslegung nicht zu. Auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung konnten die Verfahrensbeteiligten keinen konkreten Artikel nennen, der eine solche Möglichkeit der Differenzierung vorsieht. Tatsächlich wird in der gesamten GFP-Grundverordnung nur zweimal der Begriff „Beifang“ erwähnt, und dann auch nur an Stellen, die nichts mit der Frage zu tun haben, ob die Verpflichtung zum höchstmöglichen Dauerertrag für Beifänge in gemischten Fischereien gelten soll oder nicht ( 34 ). Darüber hinaus wird in Art. 16 Abs. 4 der GFP-Grundverordnung, wenn es dort heißt, dass „[d]ie Fangmöglichkeiten … im Einklang mit den Zielen gemäß Artikel 2 Absatz 2 festgelegt [werden]“, die Einschränkung „im Einklang mit“ gerade verwendet, um einen zwingenden Zusammenhang zwischen der Festsetzung der TAC und der Gewährleistung, dass der höchstmögliche Dauerertrag für alle Bestände spätestens im Jahr 2020 erreicht wird, aufzuzeigen. Auch diese Bestimmung enthält somit keine Unterscheidung zwischen „Zielbestand“ und „Beifangbestand“.

    40.

    Die Pflicht zur Anlandung, auf die sich einige Verfahrensbeteiligte berufen, kann nicht herangezogen werden, um die unterschiedliche Behandlung von Beifängen in gemischten Fischereien zu ermöglichen. Dies wird durch den 32. Erwägungsgrund bestätigt, in dem festgestellt wird, dass eine Anhebung der TAC aufgrund der Pflicht zur Anlandung nur „[v]orbehaltlich wissenschaftlicher Gutachten und unter der Voraussetzung, dass die Ziele der höchstmöglichen Dauererträge nicht gefährdet werden“, möglich sein sollte ( 35 ). Auch hier wird nicht zwischen Zielbestand und Beifangbestand unterschieden.

    41.

    Die Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen ihnen kann realistischerweise auch nicht, wie Irland meint, aus Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung hergeleitet werden, worauf ich bei der Beurteilung der Auswirkungen der Verordnung über die westlichen Gewässer eingehen werde (siehe Nr. 47 dieser Schlussanträge).

    d) Zwischenergebnis

    42.

    Zusammenfassend verpflichtet Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung die Mitgliedstaaten dazu, spätestens ab 2020 für alle Bestände ohne jegliche Ausnahme auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags zu fischen. Somit lässt die GFP-Grundverordnung dem Rat keinen Ermessensspielraum, bei der Festsetzung der Fangmöglichkeiten in gemischten Fischereien von der Verpflichtung zum höchstmöglichen Dauerertrag in Bezug auf den Beifang abzuweichen.

    2. Auswirkungen der Verordnung über die westlichen Gewässer

    43.

    Die Verordnung über die westlichen Gewässer ist ein Mehrjahresplan im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der GFP-Grundverordnung, der auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 2 AEUV erlassen wurde. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der GFP-Grundverordnung zielen solche Pläne auf Maßnahmen ab, „die die Fischbestände in einem Umfang wiederherstellen und erhalten, der oberhalb des Niveaus liegt, das den höchstmöglichen Dauerertrag gemäß Artikel 2 Absatz 2 ermöglicht“. Während diese Pläne also für die Verwirklichung der Ziele der GFP wichtig sind, insbesondere weil sie die allgemeinen Grundsätze der Bestandserhaltung und der Nachhaltigkeit mit sozioökonomischen Zielen ( 36 ) in Einklang bringen, zielen die Mehrjahrespläne nicht darauf ab, das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 gemäß Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung zu ändern, sondern es vielmehr zu ermöglichen.

    44.

    Mit der Verordnung über die westlichen Gewässer wird ein Mehrjahresplan für die Bewirtschaftung der westlichen Gewässer, einschließlich der Gebiete um Irland ( 37 ), aufgestellt. In Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sind die Arten von Grundfischbeständen aufgeführt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung gilt diese jedoch auch für nicht aufgeführte Beifänge, die bei der Befischung der erstgenannten Arten von Beständen gefangen werden ( 38 ). Aufgrund dieser Unterscheidung wird in den Art. 4 und 5 der Verordnung über die westlichen Gewässer auch zwischen den Zielwerten für den „Zielbestand“ einerseits ( 39 ) und den „Beifangbestand“ andererseits unterschieden. Für Letzteren ist vorgesehen, dass bei der Bewirtschaftung gemischter Fischereien in Bezug auf den Beifang „der Schwierigkeit Rechnung getragen [wird], alle Bestände gleichzeitig auf [dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags] zu befischen, vor allem in Situationen, in denen dies zu einer frühzeitigen Sperrung der Fischerei führt“.

    45.

    Kann diese Bestimmung dahin verstanden werden, dass sie etwas an der Feststellung (in Nr. 42 dieser Schlussanträge) ändert, dass nach der GFP-Grundverordnung „alle Bestände“ ab 2020 auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags befischt werden müssen, unabhängig davon, ob es sich um „Zielbestände“ oder „Beifangbestände“ handelt? Meines Erachtens ist das nicht der Fall.

    a) Die Verordnung über die westlichen Gewässer als Ausdruck von Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung

    46.

    In der mündlichen Verhandlung hat Irland die Auffassung vertreten, dass die Verordnung über die westlichen Gewässer Ausdruck der in Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung vorgesehenen Möglichkeit sei, dass Mehrjahrespläne „spezifische Erhaltungsziele und ‑maßnahmen auf der Grundlage des Ökosystemansatzes enthalten [können], um die spezifischen Probleme anzugehen, die bei den gemischten Fischereien in Bezug auf das Erreichen der Ziele gemäß Artikel 2 Absatz 2 für die Mischung der von dem Plan erfassten Bestände bestehen, wenn aus den wissenschaftlichen Gutachten hervorgeht, dass eine Verbesserung der Selektivität nicht erreicht werden kann“.

    47.

    Unabhängig davon, ob dies der Fall ist oder nicht, kann Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung meines Erachtens nicht dahin ausgelegt werden, dass Mehrjahrespläne für den besonderen Fall der gemischten Fischerei von dem in Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung enthaltenen Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 abweichen dürfen. Dies würde nicht nur dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung zuwiderlaufen, sondern auch dem Grundgedanken, der hinter der Verwendung dieser Formulierung steht. Würde man zulassen, dass bestimmte Bestände als „Beifang“ gefangen werden, obwohl wissenschaftliche Gutachten eine TAC von null vorsehen, würde dies bedeuten, dass der Rat Fangmöglichkeiten festsetzen könnte, die im Widerspruch zu den Grundsätzen einer verantwortungsvollen Verwaltung stehen, die der Unionsgesetzgeber für das Management der GFP festlegen wollte ( 40 ). Daher kann die in Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung enthaltene Möglichkeit, dass Mehrjahrespläne spezifische Erhaltungsziele und ‑maßnahmen vorsehen können, um bestimmte Probleme im Zusammenhang mit gemischten Fischereien anzugehen, dem Rat nicht die Möglichkeit geben, die Beifänge von dem in Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung festgelegten Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags auszunehmen.

    b) Bedeutet die Verordnung über die westlichen Gewässer eine Änderung der GFP-Grundverordnung?

    48.

    In ihren schriftlichen Erklärungen führen der Rat und die Kommission aus, dass die Verordnung über die westlichen Gewässer sowohl der spätere als auch der spezifischere Rechtsakt sei, so dass die Auslegungsregeln lex posterior derogat legi priori oder lex specialis derogat legi generali zu dem Ergebnis führten, dass die Verordnung über die westlichen Gewässer der GFP-Grundverordnung vorgehe. Es ist zwar richtig, dass diese Auslegungsregeln häufig den Konflikt zwischen zwei gleichrangigen Vorschriften in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten lösen. Es ist unstrittig, dass sowohl die GFP-Grundverordnung als auch die Verordnung über die westlichen Gewässer auf der Grundlage desselben Artikels, Art. 43 Abs. 2 AEUV, erlassen wurden.

    49.

    Erstens gibt es im Unionsrecht jedoch keine klare Hierarchie zwischen den Rechtsnormen des Sekundärrechts ( 41 ). Zweitens halte ich es für nicht angebracht, diese Art von Auslegungsregeln mechanisch und ohne Rücksicht auf den Zweck und den Inhalt der beiden zu vergleichenden Normen anzuwenden. In dieser Hinsicht scheint mir ein Mehrjahresplan, auch wenn er auf derselben Vertragsbestimmung beruht, nicht dieselbe Überzeugungskraft zu besitzen wie die GFP-Grundverordnung selbst. Letztere ist schließlich die Rechtsvorschrift, die den Rahmen für die Durchführung der Mehrjahrespläne vorgibt. Auch wenn es somit keine Hierarchie zwischen den beiden Verordnungen aufgrund der Rechtsgrundlage auf primärrechtlicher Ebene gibt, so ist doch eine Hierarchie auf sekundärrechtlicher Ebene durchaus denkbar.

    50.

    Die Mehrjahrespläne sind in den Art. 9 und 10 der GFP-Grundverordnung festgelegt und geregelt und sollen dazu beitragen, das in ihrem Art. 2 Abs. 2 genannte Ziel zu erreichen ( 42 ). Das bedeutet, dass diese Pläne den in der GFP-Grundverordnung festgelegten grundlegenden Rahmen ergänzen, vervollständigen oder ausbauen können. Das lässt viel Spielraum für unterschiedliche politische Entscheidungen, weshalb diese Rechtsakte auf der Grundlage von Art. 43 Abs. 2 AEUV erlassen werden müssen. Unabhängig vom Inhalt eines Mehrjahresplans kann dieser Plan als solcher jedoch nicht vom ausdrücklichen Wortlaut der Ziele der GFP-Grundverordnung abweichen.

    51.

    Wenn man jedoch davon ausgeht, dass die beiden Rechtsakte den gleichen hierarchischen Status haben, kann dann die GFP-Grundverordnung stillschweigend oder implizit eine Änderung erfahren? In der mündlichen Verhandlung schien das Europäische Parlament dies für möglich zu halten. Es hat erklärt, dass der Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung zwar klar sei und keine Ausnahme vorsehe, dass sich aber mit dem Inkrafttreten der Verordnung über die westlichen Gewässer der rechtliche Rahmen „weiterentwickelt“ habe. Insbesondere im Zusammenhang mit der Pflicht zur Anlandung hat das Europäische Parlament die Ansicht vertreten, dass der Unionsgesetzgeber die Einhaltung des Ziels des höchstmöglichen Dauerertrags für alle Bestände bis 2020 nicht mehr für möglich halte. Dementsprechend sei in den Art. 4 und 5 der Verordnung über die westlichen Gewässer versucht worden, u. a. bei der Festsetzung der Fangmöglichkeiten zwischen Zielbeständen und Beifängen zu unterscheiden. Mit diesen Bestimmungen sei Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung „implizit geändert“ worden (so das Parlament in der mündlichen Verhandlung), indem Beifänge tatsächlich aus der Bezugnahme auf „alle Bestände“ in dieser Bestimmung herausgenommen worden seien. Daraus ergäben sich unterschiedliche Befischungszielwerte für Zielbestände und Beifangbestände, wobei nur Erstere mit einem Biomassevolumen befischt würden, durch das der höchstmögliche Dauerertrag wiederhergestellt werden könne. Wenn derselbe Bestand als Beifang gefangen werde, sei die Festsetzung der TAC nicht durch das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 eingeschränkt. Kurz gesagt, dem Rat werde die Ermessensbefugnis „zurückgegeben“, dieses mit anderen Zielen der GFP in Einklang zu bringen, und zwar zumindest in Bezug auf den begrenzten Bereich der westlichen Gewässer ( 43 ).

    52.

    Was eine Änderung im Sinne des Unionsrechts darstellt, ist nicht geregelt. Es ist anzunehmen, dass eine Änderung stattfindet, wenn der Inhalt eines Rechtsakts geändert wird. Zu diesem Zweck kann ein gesonderter Änderungsrechtsakt erlassen werden. Es entspricht in der Tat der üblichen Praxis der Unionsorgane, dass in einem neuen Rechtsakt zur Änderung eines früheren Rechtsakts ausdrücklich die früheren Bestimmungen genannt werden, die geändert werden. Streng genommen ist dies jedoch bei hierarchisch gleichrangigen Rechtsakten nicht erforderlich.

    53.

    Gleichermaßen gibt es weder im Primär- noch im Sekundärrecht der Union die verfassungsrechtliche Verpflichtung für eine bestimmte Form bei der Änderung von Rechtsakten. Einige Aspekte der Art und Weise, wie Änderungen oder Aufhebungen vorgenommen werden, sind zwar in den Leitfäden ( 44 ) oder interinstitutionellen Vereinbarungen ( 45 ) festgelegt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Rechtstexte. Deshalb bleibt die Art und Weise, wie der Unionsgesetzgeber eine Änderung/Aufhebung früherer Rechtsvorschriften handhabt, Teil seiner „parlamentarischen Vorrechte“.

    54.

    Man kann sich fragen, warum es von Bedeutung sein sollte, ob eine Änderung ausdrücklich oder implizit erfolgt, wenn jedenfalls die Folge vom Gesetzgeber beabsichtigt ist.

    55.

    Das erste und offensichtlichste Bedenken besteht darin, dass implizite Änderungen für die Öffentlichkeit nicht transparent sind. Die Rechtssubjekte müssen zumindest im Allgemeinen wissen, wie die Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt beschaffen ist ( 46 ). Dies ist ein Aspekt der Rechtsstaatlichkeit ( 47 ). Eine implizite Änderung ohne Erläuterung ist somit der Feind einer transparenten Rechtsetzung. Sie gefährdet die Sicherheit und Vorhersehbarkeit bestehender Rechtsverhältnisse und der damit verbundenen Rechte und Pflichten ( 48 ).

    56.

    Zweitens meine ich, dass ein Grund für das Erfordernis einer ausdrücklich erklärten Änderungsabsicht, insbesondere bei politischen Entscheidungen, in der Notwendigkeit begründet liegt, die Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren zu ermöglichen. Das ist ein wichtiges Element demokratischer Gesellschaften. Wenn der Unionsgesetzgeber offen über sein Vorhaben spricht, kann sich im Unionsgesetzgebungsverfahren nicht nur im Parlament, sondern auch bei den verschiedenen Interessengruppen eine konstruktive „legislative Opposition“ bilden. Dadurch kann auch die Öffentlichkeit ermutigt werden, durch ihren Stimmzettel ihre Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.

    57.

    Wie soll schließlich der Gerichtshof entscheiden, ob eine Rechtsvorschrift geändert wurde, wenn weder im Rechtstext selbst noch in den Begleitdokumenten ein ausdrücklicher Hinweis auf die Absicht, frühere gesetzgeberische Entscheidungen zu ändern, enthalten ist? Es ist Aufgabe des Gerichtshofs, die rechtliche Bedeutung einer bestimmten Unionsbestimmung im Kontext und unter Berücksichtigung ihres Zwecks zu ermitteln. Diese Pflicht wird erheblich erschwert, wenn der Kontext und der Zweck durch den Unionsgesetzgeber möglicherweise implizit geändert wurden und sich in den vorbereitenden oder endgültigen Unterlagen keine Spur einer Erklärung für eine solche Änderung findet. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Änderungen von Kernelementen der Politik handelt, die für die Öffentlichkeit von Interesse sein können. Wenn der Gerichtshof, wie im vorliegenden Fall, im Wesentlichen gezwungen ist, über die „wirkliche“ Absicht des Unionsgesetzgebers zu entscheiden, ist es umso legitimer, sich der angeführten Absicht eines Gesetzgebungstexts anzuschließen, wenn dieser Text oder seine Begleitdokumente tatsächlich das unterstützen, was die Mitglieder dieses Gesetzgebers später als beabsichtigtes Ergebnis angeben.

    58.

    In solchen Situationen kann der Gerichtshof nur von Grundsätzen ausgehen: Die Rechtssicherheit verlangt, dass eine implizite Änderung hinreichend deutlich gemacht wird, damit der Schluss gezogen werden kann, dass es sich um eine Änderung handelt. Das gilt erst recht für eine stillschweigende Änderung der Politik, die zu einer Änderung der legislativen Richtung oder Politik führt. Insbesondere im Hinblick auf die letztgenannte Art der Änderung eines Rechtstexts vertrete ich die Auffassung, dass es eine Vermutung gegen implizite Änderungen von Bestimmungen des Sekundärrechts der Union gibt. Unabhängig von der Art und Weise, wie eine Ausnahmeregelung – ausdrücklich oder implizit – zustande gekommen ist, muss für den Gerichtshof klar sein, dass eine Änderung stattgefunden hat.

    59.

    Vorliegend ist keineswegs klar, dass mit der Verordnung über die westlichen Gewässer eine implizite Änderung von Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung beabsichtigt war. Da es nicht möglich ist, schlüssig festzustellen, ob eine Änderung stattgefunden hat oder nicht, kann der Gerichtshof daher nur unter der Annahme entscheiden, dass keine Änderung der GFP-Grundverordnung vorliegt.

    c) Zwischenergebnis

    60.

    Ich bin der Ansicht, dass die in den Art. 4 und 5 der Verordnung über die westlichen Gewässer eingeführte Unterscheidung zwischen Zielfang und Beifang die in Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung enthaltene übergreifende politische Verpflichtung, alle Bestände bis spätestens 2020 auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags zu befischen, nicht berührt und dass diese Verpflichtung daher weiterhin besteht. Das bedeutet, dass der Rat keine Ermessensbefugnis hatte, die TAC für die vier fraglichen Bestände, selbst wenn sie nur als Beifang gefangen werden, auf über null festzusetzen.

    D.   Gültigkeit der Verordnung von 2020

    1. Ungültigkeit wegen fehlender Ermessensbefugnis des Rates

    61.

    Vor dem Hintergrund der obigen Schlussfolgerungen kann meine Analyse der Gültigkeit der Verordnung von 2020 recht kurz ausfallen.

    62.

    Wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist und wie sich aus Art. 1 Abs. 1 und Anhang IA der Verordnung von 2020 ergibt, hat der Rat die TAC für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland auf über null festgelegt.

    63.

    Diese TAC stehen, was unbestritten ist, nicht im Einklang mit den „besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten“ oder dem Vorsorgeansatz im Fischereimanagement zur Erreichung des höchstmöglichen Dauerertrags. Die Verordnung von 2020 steht daher teilweise im Widerspruch zu dem in Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung enthaltenen Ziel, die Fischpopulationen schrittweise wieder aufzufüllen und oberhalb eines Niveaus der Biomasse zu halten, das für alle Bestände bis spätestens 2020 den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht. Wie ich in den Nrn. 43 bis 60 dieser Schlussanträge dargelegt habe, hat die Verordnung über die westlichen Gewässer keinen Einfluss auf diese Schlussfolgerung.

    64.

    Daraus folgt, dass der Rat keine Ermessensbefugnis besaß, die Fangmöglichkeiten in den Gewässern um Irland für die vier fraglichen Bestände auf über null festzusetzen. Seine Entscheidung war daher rechtswidrig. Ich schlage daher vor, dass der Gerichtshof Anhang IA der Verordnung von 2020 insoweit für ungültig erklärt, als er die Fangmöglichkeiten für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland auf über null festsetzt.

    2. Ungültigkeit wegen Ermessensfehler des Rates

    65.

    Es ist jedoch möglich, dass der Gerichtshof meiner Auslegung der GFP-Grundverordnung nicht folgt und/oder feststellt, dass die Verordnung über die westlichen Gewässer Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung dahin gehend ändern konnte und auch geändert hat, dass Beifänge in gemischten Fischereien vom Begriff „alle Bestände“ ausgenommen werden. In diesem Fall muss für die Beurteilung der Gültigkeit der Verordnung von 2020 geprüft werden, ob sich der Rat bei der Festsetzung der TAC für die vier fraglichen Bestände innerhalb der Grenzen seines Ermessensspielraums gehalten hat.

    66.

    Bei diesem Szenarium hätte der Rat nach der GFP-Grundverordnung und der Verordnung über die westlichen Gewässer die Möglichkeit, bei der Festsetzung der jährlichen Fangmöglichkeiten das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 für die vier fraglichen Bestände, die als Beifang in gemischten Fischereien gefangen werden, mit den anderen Zielen der GFP in Einklang zu bringen. Mit anderen Worten: Bei dieser Annahme wäre der Rat in der Lage, von den Null-Fang-Empfehlungen für die vier fraglichen Bestände abzuweichen, um den höchstmöglichen Dauerertrag zu erreichen, wenn er dies für notwendig hält, um beispielsweise das Überleben der Fischereiflotten oder die Zahl der Arbeitsplätze in der Fischereiindustrie zu erhalten.

    67.

    Wie überprüft der Gerichtshof, ob der Rat in dieser Rechtssache sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat? Meines Erachtens hat der Gerichtshof zu prüfen, ob der Rat alle Belange berücksichtigt hat, die in diese Abwägung einfließen müssen, auch wenn er nicht in Frage stellen kann, wie diese Elemente abgewogen wurden.

    68.

    Aus den Erklärungen des Rates und der Kommission geht hervor, dass in der Verordnung von 2020 für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland höhere TAC als null festgesetzt wurden, um zu verhindern, dass die Fangtätigkeit für andere (Ziel‑)Bestände in diesen Gewässern „limitiert“ würde. Mit anderen Worten: Die Maßnahme des Rates diente den sozioökonomischen Zielen der GFP. Diesem Organ obliegt also der Nachweis, dass es alle Belange im Zusammenhang mit den verschiedenen Zielen, die der Rat gegeneinander abzuwägen hat, berücksichtigt hat. Dazu gehört meines Erachtens zumindest eine Erläuterung des möglichen (finanziellen oder wirtschaftlichen) Schadens, den das Phänomen der „limitierenden Arten“ für die Fischereiindustrie und die betroffene(n) Küstenbevölkerung(en) mit sich bringen würde, sowie der Gefahren und der Möglichkeit für die Erreichung des Ziels des höchstmöglichen Dauerertrags für die fraglichen Fischbestände bis 2020.

    69.

    Der Rat war offenbar selbst der Ansicht, dass sein Ermessen sich nicht nur auf die Art und den Umfang der zu treffenden Maßnahmen bezieht, sondern dass dazu auch die Feststellung der wesentlichen Tatsachen gehört. Er muss daher dem Gerichtshof nachweisen, dass er bei der Festsetzung der in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Fangmöglichkeiten diese Tatsachenfeststellung vorgenommen hat.

    70.

    Als der Rat in der mündlichen Verhandlung aufgefordert wurde, das Ausmaß der sozioökonomischen Auswirkungen, die bei Annahme der betreffenden Null-TAC zu erwarten gewesen wären, genau zu erläutern, konnte er dem Gerichtshof jedoch keine konkreten Angaben dazu machen, welche Informationen er bei seiner Abwägung berücksichtigt hat. Ebenso wenig konnte er erklären, welche finanziellen, wirtschaftlichen oder sozialen Folgen es gehabt hätte, wenn er die TAC für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland auf null gesetzt hätte. Der einzige Verfahrensbeteiligte, der sich zu diesem Punkt äußern konnte, die Kommission, erläuterte, dass die Zahl der potenziell betroffenen Schiffe bei etwa 6000 liegen würde und dass sich der potenzielle Schaden, der durch eine Sperrung des gesamten Meeresbeckens um Irland entstehen würde, auf etwa 1 Mrd. Euro belaufen würde ( 49 ). Ich habe keinen Grund, diese Zahlen anzuzweifeln, aber die Angabe von zwei von vielen Wirtschaftsindikatoren ( 50 ) reicht nicht aus, um überzeugend zu begründen, wie die Abwägung des Rates angeblich durchgeführt wurde. Auf der Grundlage dieser Begründung nimmt nämlich dann der Gerichtshof seine gerichtliche Kontrolle wahr, und zwar auch in Bereichen, in denen seine Kontrollbefugnisse „begrenzt“ sind. Abstrakt ist es für den Gerichtshof einfach nicht möglich, „seine Aufgabe zu erfüllen“, wenn er mit institutionellen Versprechen konfrontiert wird, dass die relevanten Daten „berücksichtigt“ worden seien.

    71.

    Aber selbst wenn dem Gerichtshof diese Daten zur Verfügung stehen würden, ist klar, dass bei der Abwägung des Rates (vorausgesetzt, der Rat verfügte tatsächlich über einen Ermessensspielraum, um sozioökonomische Ziele gegen das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 abzuwägen) das grundlegende Ziel, den höchstmöglichen Dauerertrag für alle Bestände zu erreichen, immer noch nicht vollständig vernachlässigt werden kann. In diesem Zusammenhang macht der Rat geltend, dass er die TAC für die vier fraglichen Bestände in einer Höhe festgesetzt habe, die den ICES-Schätzungen für unvermeidbare Beifänge entspreche oder darunter liege ( 51 ). Er hat erläutert, dass diese (wie ich es nenne) „günstigeren“ Werte eine gewisse Erhöhung der Biomasse des Laicherbestands (z. B. für Kabeljau westlich von Schottland um etwa 10 %) der vier fraglichen Bestände ermöglichten und dass dies tatsächlich das klare Ziel des Rates gewesen sei. Auch wenn ich diese Zahl nicht bestreite, darf die Tatsache nicht außer Acht gelassen werden, dass die vier fraglichen Bestände selbst bei diesen Werten unter der niedrigsten Biomassegrenze bleiben würden, die für die Reproduktion dieser Bestände erforderlich ist. Mit anderen Worten, diese „günstigeren“ Grenzwerte würden den vier fraglichen Beständen immer noch irreparablen Schaden zufügen, da die TAC auf einem Niveau festgesetzt wurden, das einem erheblichen Prozentsatz ihrer derzeitigen Biomasse entspricht (bei Kabeljau beispielsweise entsprachen die TAC für das Jahr 202062 % und 54 % der Biomasse des Laicherbestands in den beiden betroffenen Fischereien) ( 52 ). Soweit mir bekannt ist, wurden diese Werte auf der Grundlage der ICES-Schätzung der zu erwartenden Beifangmenge festgelegt. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen geht jedoch hervor, dass kein wissenschaftliches Gutachten über die möglichen Auswirkungen der gewählten TAC auf die Erholungschancen der fraglichen Bestände – ob auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags oder auf einem anderen Niveau – angefordert wurde ( 53 ). Ich habe daher den Eindruck, dass der Rat bei der Festsetzung dieser TAC in einer Höhe, die einem erheblichen Teil der Biomasse des Laicherbestands der vier fraglichen Bestände entspricht, seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, diese Höhe auf der Grundlage der „besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten“ oder des Vorsorgeprinzips zu ermitteln und festzusetzen ( 54 ).

    72.

    Schließlich hat der Rat schriftlich und in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er neben der Berücksichtigung einiger Fänge der vier fraglichen Bestände als Beifang zusätzliche Abhilfemaßnahmen in Betracht gezogen habe, wie z. B. die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nach Art. 15 Abs. 9 der GFP-Grundverordnung zulässige Anhebung der TAC um 10 % in Bezug auf die vier fraglichen Bestände nicht zu nutzen. Wenn man bedenkt, dass 10 % der Null-TAC, wie vom ICES empfohlen, immer noch null wären, scheint diese Verpflichtung keine wichtige Abhilfemaßnahme zu sein. Der Rat macht außerdem geltend, dass er bestimmte technische Maßnahmen eingeführt habe, wie die obligatorische Verwendung bestimmter Arten von Netzen in bestimmten Gewässern, die die Selektivität der in gemischten Fischereien gefangenen Bestände erhöhen würden ( 55 ). Allerdings werden solche Verpflichtungen nicht nur erst Mitte des Jahres 2020 eingeführt, sondern, was noch wichtiger ist, Art. 9 Abs. 5 der GFP-Grundverordnung lässt spezifische Maßnahmen in Bezug auf gemischte Fischereien nur dann zu, wenn die Erhöhung der Selektivität nicht anders erreicht werden kann. Daher hätten alle Maßnahmen zur Erhöhung der Selektivität vor der Erhöhung der TAC für Beifänge und nicht erst danach in Betracht gezogen werden müssen.

    73.

    Selbst wenn die Verordnung über die westlichen Gewässer als Änderung der GFP-Grundverordnung in Bezug auf Beifangbestände in gemischten Fischereien auszulegen wäre (was nicht der Fall ist), haben die Kommission und der Rat dem Gerichtshof meines Erachtens keine ausreichenden Informationen zur Verfügung gestellt, die es ihm ermöglichen würden, zu dem Schluss zu kommen, dass die Verordnung von 2020 nicht doch außerhalb der von der GFP-Grundverordnung und der Verordnung über die westlichen Gewässer gesetzten Grenzen erlassen wurde.

    74.

    Selbst bei diesem ergänzenden Szenario schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die Verordnung von 2020 insoweit für ungültig zu erklären, als in ihr die TAC für die vier fraglichen Bestände in den Gewässern um Irland auf einen Wert über null festgesetzt werden.

    E.   Aufrechterhaltung der Wirkungen der Verordnung von 2020

    75.

    Infolge der Ungültigerklärung der Verordnung von 2020 entfällt die Grundlage, auf der die Fangmöglichkeiten für das betreffende Jahr festgesetzt wurden, rückwirkend in gleicher Weise, wie wenn diese Regelung für nichtig erklärt worden wäre ( 56 ). Für diesen Fall räumt Art. 264 Abs. 2 AEUV, der entsprechend auch auf ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union anwendbar ist, dem Gerichtshof ein Ermessen bei der Entscheidung darüber ein, welche konkreten Wirkungen des betreffenden Rechtsakts als endgültig anzusehen sind ( 57 ).

    76.

    Im vorliegenden Fall ist die Verordnung von 2020 zum Ende des Jahres 2020 ausgelaufen. In Übereinstimmung mit dem vom Rat gestellten Antrag halte ich es nicht für gerechtfertigt, die Rechtmäßigkeit der von den Marktteilnehmern in gutem Glauben ausgeübten Fischereitätigkeiten in Frage zu stellen, insbesondere angesichts der Gefahr schwerwiegender Auswirkungen auf eine große Zahl von Rechtsverhältnissen, die auf dieser Grundlage eingegangen wurden.

    77.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof meinen Schlussfolgerungen folgen sollte, schlage ich vor, dass er die zeitlichen Wirkungen der Ungültigerklärung der betreffenden Teile des Anhangs IA der Verordnung von 2020 dadurch begrenzt, dass er ihre Wirkungen für die Geltungsdauer dieser Verordnung aufrechterhält.

    IV. Ergebnis

    78.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

    1.

    Anhang IA der Verordnung (EU) 2020/123 des Rates vom 27. Januar 2020 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2020 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern ist ungültig, soweit er die Fangmöglichkeiten für folgende vier Bestände auf über null festsetzt:

    Kabeljau (Gadus morhua) in der ICES-Division 6a; Unions- und internationale Gewässer von 5b östlich von 12°00' W (COD/5BE6A);

    Kabeljau (Gadus morhua) in den ICES-Divisionen 7e-k;

    Wittling (Merlangius merlangus) in der ICES-Division 7a (WHG/07A.);

    Scholle (Pleuronectes platessa) in den ICES-Divisionen 7h, 7j und 7k (PLE/7HJK.).

    2.

    Die Wirkungen des Anhangs IA der Verordnung (EU) 2020/123 werden für den Geltungszeitraum dieser Verordnung aufrechterhalten.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Vgl. Roney, J. B., „[Mis‑]managing Fisheries on the West Coast of Ireland in the Nineteenth Century“, Humanities, Bd. 8(1), Nr. 4, 2019, S. 10, der den ersten systematischen Meereszoologen Großbritanniens, der der königlichen Kommission von 1885 angehörte, mit den folgenden Worten zitiert: „Die Fauna des offenen Meeres scheint, von einigen Ausnahmen abgesehen, aufgrund ihrer Beschaffenheit und Umgebung weitgehend unabhängig vom Einfluss des Menschen zu sein. … Die Natur lebt fast ausnahmslos nach ihren eigenen Gesetzen, und diese entziehen sich im Meer in der Regel dem Einfluss des Menschen.“ Vgl. auch Roberts, C., The Unnatural History of the Sea, Island Press, 2007, S. 142, 143 und 157 (mit der Feststellung, dass die königlichen Kommissionen von sowohl 1863 als auch 1885 im Wesentlichen die Auffassung vom „grenzenlosen Fischfang“ unterstützten).

    ( 3 ) Verordnung des Rates vom 27. Januar 2020 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für 2020 für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den Unionsgewässern sowie für Fischereifahrzeuge der Union in bestimmten Nicht-Unionsgewässern (ABl. 2020, L 25, S. 1) (im Folgendem: Verordnung von 2020).

    ( 4 ) Konkret handelt es sich um folgende Arten und Fanggebiete: „Kabeljau (Gadus morhua) in der Division 6a (westlich von Schottland)“ (veröffentlicht am 28. Juni 2019), „Kabeljau (Gadus morhua) in den Divisionen 7e-k (westlicher Ärmelkanal und südliche Keltische See)“ (veröffentlicht am 16. August 2019), „Wittling (Merlangius merlangus) in der Division 7a (Irische See)“ (veröffentlicht am 28. Juni 2019) und „Scholle (Pleuronectec platessa) in den Divisionen 7h-k (Südliche Keltische See, südwestlich von Irland)“ (veröffentlicht am 13. November 2019) (der Einfachheit halber werden diese Bestände als „die vier fraglichen Bestände“ und diese Divisionen als „die Gewässer um Irland“ bezeichnet).

    ( 5 ) Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Fangmöglichkeiten sind in Anhang IA der Verordnung von 2020 aufgeführt.

    ( 6 ) Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates (ABl. 2013, L 354, S. 22) (im Folgenden: GFP-Grundverordnung).

    ( 7 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 8 ) Dies ergibt sich z. B. aus Art. 3 Buchst. c der GFP-Grundverordnung.

    ( 9 ) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 8 der GFP-Grundverordnung bedeutet der Vorsorgeansatz im Fischereimanagement, „dass das Fehlen angemessener wissenschaftlicher Angaben es nicht rechtfertigen sollte, dass Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Erhaltung von Zielarten, vergesellschafteten oder abhängigen Arten und Nichtzielarten und ihrer Umwelt hinausgezögert oder unterlassen werden“.

    ( 10 ) In diesem ICES-Gutachten wird erläutert, dass die TAC‑Null-Empfehlung für die beiden Kabeljaubestände und für Wittling auf dem Konzept des höchstmöglichen Dauerertrags basiert, während die TAC‑Null-Empfehlung für Scholle auf dem Vorsorgeansatz beruht. Wie das in der Gerichtsakte enthaltene ICES-Gutachten belegt und der Rat und die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, würden die vier fraglichen Bestände selbst bei Verwendung von TAC in Höhe des höchstmöglichen Dauerertrags immer noch unter dem Grenzwert für die Biomasse des Laicherbestands bleiben. Das heißt, unterhalb der Grenze, ab der die Reproduktionsraten dieser Bestände als beeinträchtigt gelten. Daraus kann man schließen, dass es mehr als ein Jahr dauern würde, um die TAC für die vier fraglichen Bestände auf einen Wert über null anzuheben.

    ( 11 ) Art. 15 der GFP-Grundverordnung.

    ( 12 ) Nach dem früheren GFP-Rahmen, der mit der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. 2002, L 358, S. 59) festgelegt worden war, brauchten die Fischereifahrzeuge ihre Fangtätigkeit nicht einzustellen, sobald ihre Quote für einen dieser Bestände erschöpft war. Sie konnten vielmehr die Fischerei auf andere Zielbestände fortsetzen. Infolgedessen fingen sie weiterhin die Bestände, für die die Quoten bereits ausgeschöpft waren, obwohl sie diese Fänge nicht legal anlanden durften. Über die Quote hinausgehende Fänge wurden ins Meer zurückgeworfen. Mit der Einführung der Pflicht zur Anlandung ist diese Praxis des Rückwurfs unerwünschter Fänge nicht mehr gegeben.

    ( 13 ) Zusammengefasst ging es bei der Frage, die die Kommission dem ICES stellte, um Folgendes: Wenn Zielbestand X (z. B. Schellfisch) in den gemischten Fischereigewässern Y befischt wird, wie viel Beifang einer anderen Art von Bestand (z. B. Kabeljau) würde dann wahrscheinlich in den Netzen der Unionsfischer landen, wenn die Menge gefangen wird, die die maximale TAC für Zielfisch erreicht?

    ( 14 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2019 zur Festlegung eines Mehrjahresplans für die in den westlichen Gewässern und angrenzenden Gewässern gefischten Bestände und für Fischereien, die diese Bestände befischen, zur Änderung der Verordnungen (EU) 2016/1139 und (EU) 2018/973 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007 und (EG) Nr. 1300/2008 des Rates (ABl. 2019, L 83, S. 1) (im Folgenden: Verordnung über die westlichen Gewässer).

    ( 15 ) Das war der Kern der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts, die sowohl von der Kommission als auch vom Rat zur Neuformulierung vorgeschlagen wurde. Der Gerichtshof hat mich nicht um eine Stellungnahme zur ersten Frage gebeten.

    ( 16 ) Vgl. u. a. Urteil vom 26. November 2014, Parlament und Kommission/Rat (C‑103/12 und C‑165/12, EU:C:2014:2400, Rn. 48).

    ( 17 ) Der Vorgänger zu diesen Artikeln, Art. 37 EGV, enthielt nur eine Rechtsgrundlage für den Erlass von GFP-Rechtsakten.

    ( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2016, Deutschland/Parlament und Rat (C‑113/14, EU:C:2016:635, Rn. 58 und 59). Vgl. entsprechend auch Urteil vom 24. November 2022, Parlament/Rat (Technische Maßnahmen in Bezug auf Fangmöglichkeiten) (C‑259/21, EU:C:2022:917, Rn. 74), in dem erläutert wird, dass die Befugnis der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte auf der Grundlage der Grundverordnungen im Bereich der Fischerei den Rat nicht daran hindert, im Wege seiner Zuständigkeit nach Art. 43 Abs. 3 AEUV technische Maßnahmen zu erlassen, die ähnliche Bereiche betreffen, wie sie von der delegierten Befugnis der Kommission abgedeckt werden.

    ( 19 ) Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2015, Parlament und Kommission/Rat (C‑124/13 und C‑125/13, EU:C:2015:790, Rn. 48), in dem festgestellt wird, „dass der Erlass der in Art. 43 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Maßnahmen zwangsläufig eine Beurteilung der Frage voraussetzt, ob sie ‚notwendig‘ sind, um die Ziele der durch den AEU-Vertrag geregelten gemeinsamen Politiken verwirklichen zu können, so dass er eine politische Entscheidung voraussetzt, die dem Unionsgesetzgeber vorbehalten sein muss“.

    ( 20 ) Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2015, Parlament und Kommission/Rat (C‑124/13 und C‑125/13, EU:C:2015:790, Rn. 54 und 58).

    ( 21 ) Wie der Gerichtshof festgestellt hat, muss der Rat nicht nur innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeiten nach Art. 43 Abs. 3 AEUV handeln, sondern auch innerhalb des durch das GFP-Primärrecht festgelegten Rahmens. Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2015, Parlament und Kommission/Rat (C‑124/13 und C‑125/13, EU:C:2015:790, Rn. 58 und 59).

    ( 22 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Parlament und Kommission/Rat (C‑124/13 und C‑125/13, EU:C:2015:337, Nr. 89), in denen er feststellt, dass „der Umfang des Ermessens, über das der Rat beim Erlass von Maßnahmen nach Art. 43 Abs. 3 AEUV (mehr oder weniger) verfügt, von dem Spielraum [abhängt], den ihm der Unionsgesetzgeber zugestanden hat“.

    ( 23 ) Vgl. z. B. Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat (Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer) (C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 57 und 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 24 ) Grünbuch der Kommission, Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (KOM[2009] 163 endgültig), 22. April 2009, S. 5. Es war nicht das erste Mal, dass die Kommission über den Zustand der Fischereiressourcen der Europäischen Union klagte: In einer Veröffentlichung von 1994 stellte die Kommission Folgendes fest: „Es machen zu viele Fischer Jagd auf zu wenige Fische, und es werden zu viele junge, noch nicht geschlechtsreife Fische gefangen. Die gestiegene Nachfrage, höhere Investitionskosten, die sich amortisieren müssen, und die Entwicklung immer ausgefeilterer Geräte wie Sonar und Radar, mit denen Fischschwärme sehr viel genauer geortet werden können, haben den Druck auf die knappen Vorkommen enorm verstärkt“ (Europäische Kommission, Generaldirektion Maritime Angelegenheiten und Fischerei, Generalsekretariat, Die neue Gemeinsame Fischereipolitik, Amt für Veröffentlichungen, Luxemburg 1994, S. 13).

    ( 25 ) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gemeinsame Fischereipolitik, KOM(2011) 425 endgültig, 13. Juli 2011, S. 6.

    ( 26 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 27 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 28 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 29 ) Vgl. hierzu Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Verwirklichung der Nachhaltigkeit im Fischereisektor der EU mit Hilfe des Konzepts des höchstmöglichen Dauerertrags (KOM[2006] 360 endgültig), 4. Juli 2006, Nr. 2.2: „Durch eine Fangtätigkeit im Rahmen des höchstmöglichen Dauerertrags ließen sich die Kosten reduzieren und größere Gewinne für die Fischereiindustrie erzielen, da der erforderliche Aufwand je gefangener Tonne (und die damit verbundenen Kosten wie die Treibstoffkosten) abnehmen würde. Die Entscheidungen der Mitgliedstaaten und all derjenigen, die von der Fischerei leben, würden dadurch erleichtert, dass mehr Fische gefangen werden können und die Fischwirtschaft prosperiert.“

    ( 30 ) Abgesehen von Art. 16 der GFP-Grundverordnung verweisen die Bestimmungen über die Grundsätze und Ziele der Mehrjahrespläne (Art. 9) und die Bewirtschaftung von Beständen von gemeinsamem Interesse (Art. 33) ausdrücklich auf Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung und sind somit dahin zu verstehen, dass sie die ökologische Nachhaltigkeit als Handlungsweise vorschreiben. Da es keinerlei Verweise auf andere Abwägungsziele gibt, sehe ich keinen Anhaltspunkt für die Auffassung, dass der Rat über einen Ermessensspielraum verfügen solle, um das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 gegen andere Ziele abzuwägen. Anders verhält es sich beispielsweise in Bezug auf Bestandserhaltungsmaßnahmen (Art. 6 und 11), den Inhalt der Mehrjahrespläne (Art. 10), einzelstaatliche Maßnahmen (Art. 19 und 20), die Tätigkeiten der Union in internationalen Fischereiorganisationen (Art. 29), die Ziele der Organisation des gemeinsamen Fischereimarkts (Art. 35) oder die finanzielle Unterstützung der Union (Art. 40). Wenn in diesen Bestimmungen auf die Ziele der GFP verwiesen wird, so geschieht dies allgemein unter Bezugnahme auf Art. 2 der GFP-Grundverordnung und damit auf die darin enthaltenen konkurrierenden Gesamtziele. In diesen Fällen verfügt der Rat meines Erachtens über einen gewissen Ermessensspielraum, um die konkurrierenden Interessen, die er für erforderlich hält, gegeneinander abzuwägen.

    ( 31 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 32 ) Es gibt kein ernsthaftes Argument dafür, dass sich die sprachliche Bedeutung des Textes zwischen 2013 und heute geändert hätte. Es ist nicht so, als ob wir ein Gesetz aus der Zeit der Herrschaft Heinrichs VII. vor uns hätten, das als berühmtes Beispiel bestimmt, dass ein Mitglied des königlichen Haushalts, das der Verschwörung zum Mord am König oder einem anderen Herrn des Reiches beschuldigt wird, von einer Jury aus „twelve sad men“ abgeurteilt werden müsse. Wie Lord Leggatt ausgeführt hat: „Das Wort ‚sad‘ hatte damals die Bedeutung von nüchtern und diskret. Es wäre absurd, das Gesetz, nachdem sich die gewöhnliche Bedeutung des Wortes später geändert hat, so auszulegen, dass die Jury aus zwölf traurigen Personen bestehen müsse.“ United Kingdom Supreme Court, News Corp UK & Ireland Ltd (Rechtsmittelführerin)/Commissioners for his Majesty’s Revenue and Customs (Rechtsmittelgegner), [2023] UKSC 7, Rn. 82.

    ( 33 ) Art. 4 Abs. 14 der GFP-Grundverordnung bezieht sich auf den Begriff „Bestand“ als „eine biologische Ressource, die im Meer in einem bestimmten Bewirtschaftungsgebiet vorkommt“.

    ( 34 ) Die GFP-Grundverordnung verweist in ihrem 29. Erwägungsgrund auf „Beifänge“, wenn sie die Möglichkeit der Mitgliedstaaten einer „Aufrechnung der Beifangarten gegen die Quote der Zielarten“ erwähnt. Diese Möglichkeit ist wiederum in Art. 15 Abs. 8 der GFP-Grundverordnung vorgesehen und erlaubt es den Mitgliedstaaten, dass „Fänge von Arten, für die eine Pflicht zur Anlandung gilt und mit denen die Quoten für die betreffenden Bestände überschritten werden, oder Fänge von Arten, für die der Mitgliedstaat über keine Quote verfügt, … von der Quote der Zielarten abgezogen werden“. Wie oben erläutert und vom Rat und der Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt, belegt jedoch das ICES-Gutachten für die vier fraglichen Bestände, dass keiner dieser Bestände sichere biologische Grenzen für das Jahr 2020 erreicht hätte, selbst wenn für sie keine TAC festgesetzt worden wäre. Mit anderen Worten: Im vorliegenden Fall wäre selbst ein Rückgriff auf Art. 15 Abs. 8 der GFP-Grundverordnung, wenn er die Grundlage des angeblichen Ermessens des Rates gewesen wäre, nicht möglich gewesen.

    ( 35 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 36 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen Parlament und Kommission/Rat (C‑124/13 und C‑125/13, EU:C:2015:337, Rn. 73).

    ( 37 ) Der Anwendungsbereich der Verordnung über die westlichen Gewässer ist in ihrem Art. 2 Abs. 1 festgelegt.

    ( 38 ) Von den vier Beständen, um die es im vorliegenden Fall geht, ist nur eine Bestandsart (Kabeljau [Gadus morhua] in den ICES-Gebieten 7e-k) in Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die westlichen Gewässer aufgeführt. Das bedeutet, dass diese Verordnung für die drei anderen fraglichen Bestände nur für den Beifang gemäß Art. 1 Abs. 4 der Verordnung über die westlichen Gewässer gilt.

    ( 39 ) Gemäß Art. 4 der Verordnung über die westlichen Gewässer müssen die Bestände, wenn sie als Zielbestände befischt werden, das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags für 2020 erreichen.

    ( 40 ) Die Grundsätze verantwortungsvoller Verwaltung, auf denen die GFP „beruht“, verlangen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der GFP-Grundverordnung die „Verabschiedung von Maßnahmen auf Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten“.

    ( 41 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001 Rn. 119), in dem darauf hingewiesen wird, dass „die materielle Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden kann, sofern er nicht in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat“.

    ( 42 ) Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 9 Abs. 1 der GFP-Grundverordnung, in dem das Ziel von Mehrjahresplänen erläutert wird.

    ( 43 ) Da sich die Verordnung über die westlichen Gewässer nur auf ein bestimmtes Gebiet bezieht, kann dadurch Art. 2 Abs. 2 der GFP-Grundverordnung als solcher nicht geändert werden. Sie könnte allenfalls regionale Ausnahmen von dem durch die GFP-Grundverordnung geschaffenen Rahmen einführen.

    ( 44 ) Vgl. z. B. Gemeinsamer Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken, 2016, Nr. 18.14: „Rechtsakte [sollten] im Allgemeinen durch einen formellen Änderungsakt geändert werden.“

    ( 45 ) Vgl. z. B. Interinstitutionelle Vereinbarung vom 22. Dezember 1998 - Gemeinsame Leitlinien für die redaktionelle Qualität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften (ABl. 1999, C 73, S. 1), Nrn. 18 und 21, wonach „Änderungen eines Aktes … klar und deutlich formuliert [werden]“ und „[ü]berholte Akte und Bestimmungen … ausdrücklich aufgehoben [werden]“.

    ( 46 ) Vollkommene Transparenz der Rechtslage ist allerdings ein unerreichbares Ideal; vgl. hierzu entsprechend EGMR, 10. November 2005, Leyla Şahin/Türkei (CE:ECHR:2005:1110JUD004477498, § 91 („Es ist auch zu bedenken, dass eine gesetzliche Bestimmung, so klar sie auch formuliert sein mag, bei ihrer Anwendung zwangsläufig ein Element der richterlichen Auslegung enthält, da es immer notwendig sein wird, Zweifelsfragen zu klären und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dass in Bezug auf einen Grenzfall Zweifelsfragen bestehen, macht eine Gesetzesbestimmung nicht automatisch unvorhersehbar in ihrer Anwendung. Auch der bloße Umstand, dass eine solche Bestimmung mehr als eine Auslegung zulässt, bedeutet nicht, dass sie das Erfordernis der ‚Vorhersehbarkeit‘ im Sinne der Konvention nicht erfüllt.“). Vgl. auch die oft angeführte Bemerkung des Generalanwalts Wahl, dass „die Wahrscheinlichkeit, es mit einem ‚wirklichen‘ Acte clair zu tun zu haben, ungefähr so groß [ist], wie einem Einhorn zu begegnen“ (Schlussanträge des Generalanwalts Wahl in den verbundenen Rechtssachen X und van Dijk, C‑72/14 und C‑197/14, EU:C:2015:319, Nr. 62).

    ( 47 ) Zu den formalen und materiellen Aspekten des Begriffs der Rechtsstaatlichkeit vgl. Bačić Selanec, N., und Ćapeta, T., „The Rule of Law and Adjudication of the Court of Justice of the European Union“, The Changing European Union: A Critical View on the Role of Law and the Courts, Modern Studies in European Law, Hart Publishing, Oxford 2022, S. 35 bis 62.

    ( 48 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Januar 2017, GGP Italy/Kommission (T‑474/15, EU:T:2017:36, Rn. 63), in dem ausgeführt wird, dass „der Grundsatz der Rechtssicherheit … die Voraussehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten [soll]. Hierzu ist es wesentlich, dass die Organe die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern.“ Vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 9. Juli 1981, Gondrand und Garancini (169/80, EU:C:1981:171, Rn. 17), und vom 22. Februar 1984, Kloppenburg (70/83, EU:C:1984:71, Rn. 11).

    ( 49 ) Ich möchte hinzufügen, dass ein potenzieller Schaden in dieser Höhe nur dann entstehen würde, wenn die Fischerei vollständig eingestellt würde. Dem Gerichtshof gegenüber wurde jedoch nicht erläutert, warum dies der Fall sein sollte oder dass die Schließung des gesamten Meeresbeckens die notwendige Folge der Festsetzung der TAC für die vier fraglichen Bestände auf null wäre.

    ( 50 ) Ich nehme an, dass der Rat tatsächlich auch Folgendes berücksichtigt hat: die Zahl der Fischereien, die schätzungsweise ihren Betrieb einstellen müssten, die Frage nach der potenziellen Anpassungsfähigkeit der Fischereiflotten bei der Umstellung ihrer Fangtätigkeit auf andere Bestände oder Gewässer, die Zahl der Arbeitsplätze, die in einer bestimmten Region/Industrie verloren gehen könnten, oder ähnliche Informationen über abhängige Interessengruppen (oder das, was in der Makroökonomie als „sekundäre“ oder „tertiäre“ Industrien bezeichnet wird).

    ( 51 ) Der ICES schätzte die unvermeidbaren Beifänge an Kabeljau in den Gewässern westlich von Schottland auf 1279 Tonnen, und der Rat setzte die TAC für Kabeljau in diesen Gewässern auf 1279 Tonnen fest. Für die anderen drei Bestände lag die vom Rat festgelegte TAC unter den ICES-Schätzungen (für Kabeljau in der Keltischen See schätzte der ICES zwischen 1331 und 1854 Tonnen, während der Rat die TAC auf 805 Tonnen festsetzte; für Wittling in der Irischen See schätzte der ICES zwischen 901 und 917 Tonnen Beifang, während der Rat die TAC auf 721 Tonnen festsetzte; für Schollen schließlich schätzte der ICES 100 Tonnen Beifang, während der Rat die TAC auf 67 Tonnen festsetzte).

    ( 52 ) Wie das vorlegende Gericht in Rn. 102 des Vorlagebeschlusses ausführt.

    ( 53 ) Dies hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Nicht erklärt hat die Kommission jedoch, warum dieses Gutachten nicht angefordert wurde.

    ( 54 ) Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die westlichen Gewässer.

    ( 55 ) Vgl. Art. 13 der Verordnung von 2020.

    ( 56 ) Vgl. Urteil vom 26. April 1994, Roquette Frères (C‑228/92, EU:C:1994:168, Rn. 17).

    ( 57 ) Vgl. z. B. entsprechend Urteil vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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