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Document 62021CC0829

Schlussanträge des Generalanwalts J. Richard de la Tour vom 23. März 2023.
TE und RU gegen Stadt Frankfurt am Main und EF gegen Stadt Offenbach am Main.
Vorabentscheidungsersuchen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts Darmstadt.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Einwanderungspolitik – Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Richtlinie 2003/109/EG – Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2, Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 4 Unterabs. 2, Art. 19 Abs. 2 und Art. 22 – Anspruch Drittstaatsangehöriger auf die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem Mitgliedstaat – Ausstellung einer unbefristeten ‚langfristigen Aufenthaltsberechtigung – EU‘ durch den ersten Mitgliedstaat – Drittstaatsangehöriger, der sich während eines Zeitraums von mehr als sechs Jahren nicht im ersten Mitgliedstaat aufgehalten hat – Daraus folgender Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten – Antrag auf Verlängerung eines vom zweiten Mitgliedstaat nach den Bestimmungen des Kapitels III der Richtlinie 2003/109/EG erteilten Aufenthaltstitels – Ablehnung des Antrags durch den zweiten Mitgliedstaat wegen Verlusts dieser Rechtsstellung – Voraussetzungen.
Verbundene Rechtssachen C-829/21 und C-129/22.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:244

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN RICHARD DE LA TOUR

vom 23. März 2023 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑829/21 und C‑129/22

TE,

RU, gesetzlich vertreten durch TE,

gegen

Stadt Frankfurt am Main (C‑829/21)

(Vorabentscheidungsersuchen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs [Deutschland])

und

EF

gegen

Stadt Offenbach am Main (C‑129/22)

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Darmstadt [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung – Asylpolitik – Richtlinie 2003/109/EG – Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen – Art. 9 Abs. 4 – Entzug oder Verlust der Rechtsstellung – Art. 14 – Langfristig Aufenthaltsberechtigter, der das Recht erwirbt, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen aufzuhalten, der ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat – Verlängerung des Aufenthaltstitels in diesem Mitgliedstaat – Voraussetzungen“

I. Einleitung

1.

Die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 9 Abs. 4 und Art. 14 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ( 2 ) in der durch die Richtlinie 2011/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 geänderten Fassung ( 3 ).

2.

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen sich in der Rechtssache C‑829/21 TE, eine ghanaische Staatsangehörige, und RU, ihre in Deutschland geborene Tochter, auf der einen Seite und die Stadt Frankfurt am Main (Deutschland) auf der anderen Seite sowie in der Rechtssache C‑129/22 EF, ein pakistanischer Staatsangehöriger, und die Stadt Offenbach am Main (Deutschland) gegenüberstehen.

3.

Diese Rechtsstreitigkeiten betreffen in der Rechtssache C‑829/21 die Weigerung der zuständigen Ausländerbehörde, die Aufenthaltserlaubnis von TE zu verlängern und RU, ihrem minderjährigen Kind, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, und in der Rechtssache C‑129/22 die Weigerung der zuständigen Ausländerbehörde, die Aufenthaltserlaubnis von EF zu verlängern, und zwar mit der Begründung, dass TE zum einen und EF zum anderen ihre in Italien erlangte Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen verloren hätten, weil sie sich länger als sechs Jahre nicht im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufgehalten hätten.

4.

Auf Wunsch des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑829/21 konzentrieren ( 4 ). Mit dieser Frage wird der Gerichtshof um Klärung ersucht, welcher Zeitpunkt im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, für die Beurteilung des Bestehens dieser Rechtsstellung maßgeblich ist.

5.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof am Ende meiner Würdigung vorschlagen, für Recht zu erkennen, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestehens dieser Rechtsstellung der Zeitpunkt ist, zu dem der Antrag auf Verlängerung und die Belege eingereicht wurden, und nicht ein Zeitpunkt während der Verwaltungsphase der Prüfung dieses Antrags oder der etwaigen gerichtlichen Phase der Anfechtung der Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

6.

Im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109 heißt es:

„Der Mitgliedstaat, in dem der langfristig Aufenthaltsberechtigte sein Aufenthaltsrecht ausüben möchte, sollte überprüfen können, ob diese Person die Voraussetzungen erfüllt, um sich in seinem Hoheitsgebiet aufzuhalten. …“

7.

Gemäß den in Art. 2 Buchst. b, c und d dieser Richtlinie enthaltenen Definitionen bezeichnet im Sinne der Richtlinie der Ausdruck:

„b)

‚langfristig Aufenthaltsberechtigter‘ jeden Drittstaatsangehörigen, der die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im Sinne der Artikel 4 bis 7 besitzt;

c)

‚erster Mitgliedstaat‘ den Mitgliedstaat, der einem Drittstaatsangehörigen erstmals die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat;

d)

‚zweiter Mitgliedstaat‘ einen anderen Mitgliedstaat als den, der einem Drittstaatsangehörigen erstmals die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, und in dem dieser langfristig Aufenthaltsberechtigte sein Aufenthaltsrecht ausübt“.

8.

Art. 8 („Langfristige Aufenthaltsberechtigung – [EU]“) Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Vorbehaltlich des Artikels 9 ist die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten dauerhaft.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen langfristig Aufenthaltsberechtigten eine ‚langfristige Aufenthaltsberechtigung – [EU]‘ aus. Dieser Aufenthaltstitel ist mindestens fünf Jahre gültig und wird – erforderlichenfalls auf Antrag – ohne weiteres verlängert.“

9.

Art. 9 („Entzug oder Verlust der Rechtsstellung“) Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2003/109 sieht vor:

„(4)   Ein Drittstaatsangehöriger, der sich gemäß Kapitel III in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat, verliert die in dem ersten Mitgliedstaat erworbene Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten, wenn ihm diese Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Artikel 23 zuerkannt wird.

Auf jeden Fall verliert die betreffende Person, die sich sechs Jahre lang nicht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten hat, der ihr die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.

Abweichend von Unterabsatz 2 kann der betreffende Mitgliedstaat vorsehen, dass der langfristig Aufenthaltsberechtigte aus besonderen Gründen seine Rechtsstellung in diesem Mitgliedstaat behält, wenn der Zeitraum, in dem er sich nicht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten hat, sechs Jahre überschreitet.

(5)   Im Hinblick auf die Fälle … des Absatzes 4 führen die Mitgliedstaaten, die die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt haben, ein vereinfachtes Verfahren für die Wiedererlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ein.

…“

10.

Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Ein langfristig Aufenthaltsberechtigter erwirbt das Recht, sich länger als drei Monate im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als desjenigen, der ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, aufzuhalten, sofern die in diesem Kapitel festgelegten Bedingungen erfüllt sind.“

11.

In Art. 15 („Bedingungen für den Aufenthalt in einem zweiten Mitgliedstaat“) dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Der langfristig Aufenthaltsberechtigte beantragt unverzüglich, spätestens jedoch drei Monate nach seiner Einreise in den zweiten Mitgliedstaat, einen Aufenthaltstitel bei den zuständigen Behörden jenes Mitgliedstaats.

(4)   Dem Antrag sind vom nationalen Recht zu bestimmende Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass die betreffenden Personen die einschlägigen Bedingungen erfüllen[,] beizufügen, sowie ihre langfristige Aufenthaltsberechtigung und ein gültiges Reisedokument oder beglaubigte Abschriften davon.

…“

12.

Art. 19 („Prüfung von Anträgen und Erteilung eines Aufenthaltstitels“) Abs. 2 der Richtlinie 2003/109 sieht vor:

„Sind die Voraussetzungen der Artikel 14, 15 und 16 erfüllt, so stellt der zweite Mitgliedstaat … dem langfristig Aufenthaltsberechtigten einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus. Dieser Aufenthaltstitel kann – erforderlichenfalls auf Antrag – bei Ablauf verlängert werden. Der zweite Mitgliedstaat teilt dem ersten Mitgliedstaat seine Entscheidung mit.“

13.

Art. 22 („Entzug des Aufenthaltstitels und Verpflichtung zur Rückübernahme“) Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie bestimmt:

„Bis der Drittstaatsangehörige die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erlangt hat, kann der zweite Mitgliedstaat die Verlängerung des Aufenthaltstitels versagen oder den Aufenthaltstitel entziehen und die betreffende Person und ihre Familienangehörigen gemäß den Verfahren des nationalen Rechts einschließlich der Rückführungsverfahren zur Ausreise aus seinem Hoheitsgebiet verpflichten, wenn

b)

die Voraussetzungen der Artikel 14, 15 und 16 nicht mehr vorliegen“.

B.   Deutsches Recht

14.

§ 38a („Aufenthaltserlaubnis für in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union langfristig Aufenthaltsberechtigte“) Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet ( 5 ) vom 25. Februar 2008 in seiner auf die Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung sieht vor:

„Einem Ausländer, der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich länger als 90 Tage im Bundesgebiet aufhalten will. …“

15.

§ 51 Abs. 9 Unterabs. 1 Nr. 4 AufenthG bestimmt, dass die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nur erlischt, wenn sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält.

16.

§ 52 Abs. 6 AufenthG sieht vor, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a dieses Gesetzes widerrufen werden soll, wenn der Ausländer seine Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verliert.

III. Sachverhalt der Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A.   Rechtssache C‑829/21

17.

TE, eine ghanaische Staatsangehörige, reiste am 3. September 2013 aus Italien nach Deutschland ein.

18.

Sie ist im Besitz einer in Italien ausgestellten langfristigen Aufenthaltsberechtigung – EU mit den Zusätzen „illimitata“ ([Dauer] unbegrenzt) und „Soggiornante di Lungo Periodo – CE“ (langfristig Aufenthaltsberechtigte – EU).

19.

Gemäß § 38a AufenthG erteilte ihr die damals zuständige Ausländerbehörde der Stadt Offenbach (Deutschland) am 5. Dezember 2013 eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Geltungsdauer von einem Jahr.

20.

Am 5. August 2014 brachte TE ihre Tochter RU zur Welt, die an einem sehr schweren Herzfehler litt, der Operationen und Nachsorgeuntersuchungen erforderte, was es TE unmöglich machte, ihre berufliche Tätigkeit fortzusetzen. Angesichts dieser Situation musste TE Sozialleistungen in Anspruch nehmen, um für ihre Familie aufzukommen.

21.

Mit Bescheiden vom 30. Januar 2015 wies die Ausländerbehörde der Stadt Offenbach die am 12. November 2014 gestellten Anträge von TE und RU auf Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Begründung ab, dass ihr Lebensunterhalt nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert sei. TE und RU wurden aufgefordert, das deutsche Hoheitsgebiet zu verlassen, und ihnen wurde die Abschiebung nach Italien oder Ghana angedroht.

22.

Ihre gegen diese Bescheide erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Urteil vom 20. November 2015 ab.

23.

Daraufhin beantragten TE und RU beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

24.

Mit Beschluss vom 11. März 2016 ließ dieses Gericht die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu, die es in Anbetracht des Umfangs der von RU benötigten medizinischen Versorgung hegte, eines Umstands, der nach Ansicht dieses Gerichts eine Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gebieten konnte.

25.

Ab dem 1. November 2017 ruhte das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht.

26.

Am 7. September 2020 nahm die Stadt Frankfurt am Main dieses Verfahren wieder auf. Sie macht nunmehr geltend, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an TE nach § 38a AufenthG nicht mehr möglich sei. TE habe sich nämlich seit mehr als sechs Jahren nicht mehr in Italien aufgehalten und genieße daher nicht mehr die Rechtsstellung einer langfristig Aufenthaltsberechtigten – EU. Auch nach § 9a AufenthG könne TE keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, weil TE und RU in einer vom Sozialamt finanzierten Wohnung lebten, was kein „ausreichender Wohnraum“ im Sinne dieser Bestimmung sei.

27.

Unter diesen Umständen hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Steht § 38a Abs. 1 AufenthG, der nach nationalem Recht dahingehend auszulegen ist, dass der weiterwandernde langfristig Aufenthaltsberechtigte auch im Zeitpunkt der Verlängerung seines Aufenthaltstitels die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in dem ersten Mitgliedstaat innehaben muss, mit den Regelungen der Art. 14 ff. der Richtlinie 2003/109 in Einklang, die lediglich bestimmen, dass ein langfristig Aufenthaltsberechtigter das Recht hat, sich länger als drei Monate im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als desjenigen, der ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, aufzuhalten, sofern die in dem Kapitel III der Richtlinie im Übrigen festgelegten Bedingungen erfüllt sind?

2.

Ist die Ausländerbehörde nach den Regelungen der Art. 14 ff. der Richtlinie 2003/109 berechtigt, bei der Entscheidung über einen Verlängerungsantrag nach § 38a Abs. 1 AufenthG, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine befristete Verlängerung vorliegen und der Ausländer insbesondere über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, anspruchsvernichtend festzustellen, dass der Ausländer die Rechtsstellung in dem ersten Mitgliedstaat mittlerweile, also nach Übersiedelung in den zweiten Mitgliedstaat, gemäß Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 verloren hat? Ist maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidung derjenige der letzten Behörden- bzw. der letzten Gerichtsentscheidung?

3.

Sollten die Fragen 1 und 2 verneint werden:

Obliegt dem langfristig Aufenthaltsberechtigten die Darlegungslast dafür, dass sein Aufenthaltsrecht als langfristig Aufenthaltsberechtigter im ersten Mitgliedstaat nicht erloschen ist?

Sollte dies verneint werden: Ist ein nationales Gericht oder eine nationale Behörde berechtigt zu prüfen, ob der dem langfristig Aufenthaltsberechtigten unbefristet erteilte Aufenthaltstitel erloschen ist oder widerspräche dies dem unionsrechtlichen Prinzip gegenseitiger Anerkennung behördlicher Entscheidungen?

4.

Kann einer mit einem unbefristet erteilten Aufenthaltstitel für langfristig aufenthaltsberechtigte Personen aus Italien kommenden, nach Deutschland eingereisten Drittstaaterin, die über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, das Fehlen des Nachweises ausreichenden Wohnraums vorgehalten werden, obgleich Deutschland von der Ermächtigung des Art. 15 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 keinen Gebrauch gemacht hat und die Einweisung in eine Sozialwohnung nur deshalb erforderlich wurde, weil ihr, solange sie keinen Aufenthaltstitel nach § 38a AufenthG in den Händen hält, kein Kindergeld ausgezahlt wird?

B.   Rechtssache C‑129/22

28.

EF, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste am 1. April 2014 aus Italien nach Deutschland ein.

29.

Er ist im Besitz einer in Italien ausgestellten langfristigen Aufenthaltsberechtigung – EU mit den Zusätzen „illimitata“ ([Dauer] unbegrenzt) und „Soggiornante di Lungo Periodo – CE“ (langfristig Aufenthaltsberechtigter – EU).

30.

Gemäß § 38a AufenthG erteilte ihm die damals zuständige Ausländerbehörde des Landkreises Offenbach (Deutschland) am 10. Juli 2014 eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Geltungsdauer von einem Jahr.

31.

Diese Aufenthaltserlaubnis wurde fortlaufend verlängert, zuletzt von der nunmehr zuständigen Stadt Offenbach am 28. Mai 2019 bis zum 13. Juli 2021.

32.

Der von EF am 17. März 2021 gestellte Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG wurde mit Verfügung der Stadt Offenbach am Main vom 27. April 2021 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass EF die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verloren habe, weil er sich länger als sechs Jahre nicht mehr in Italien aufgehalten habe.

33.

Am 6. Mai 2021 erhob EF gegen diese Verfügung Klage beim Verwaltungsgericht Darmstadt, mit der er u. a. beantragte, die Stadt Offenbach am Main zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 38a AufenthG zu verlängern.

34.

Die Stadt Offenbach am Main hält an der in ihrer Verfügung vom 27. April 2021 dargelegten Auffassung fest, dass EF die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verloren habe, weil er sich länger als sechs Jahre nicht mehr in Italien aufgehalten habe.

35.

Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Darmstadt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann ein Drittstaatsangehöriger, dem von einem ersten Mitgliedstaat (hier: Italien) die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach der Richtlinie 2003/109 zuerkannt worden ist, von dem zweiten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) die Verlängerung eines ihm in Umsetzung der Art. 14 ff. der Richtlinie 2003/109 erteilten Aufenthaltstitels verlangen, ohne den Fortbestand der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nachzuweisen?

Wenn die Frage verneint wird:

2.

Ist in dem zweiten Mitgliedstaat allein deshalb von einem Fortbestand der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten auszugehen, weil der Drittstaatsangehörige im Besitz einer vom ersten Mitgliedstaat unbefristet ausgestellten langfristigen Aufenthaltsberechtigung – EU ist, obwohl er sich sechs Jahre lang nicht im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufgehalten hat, der ihm die Rechtsstellung zuerkannt hat?

Wenn die Frage verneint wird:

3.

Ist der zweite Mitgliedstaat befugt, im Rahmen der Verlängerung des Aufenthaltstitels den Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 zu prüfen und gegebenenfalls die Verlängerung zu versagen, oder ist der erste Mitgliedstaat zuständig, den nachträglichen Verlust dieser Rechtsstellung festzustellen?

Wenn die Frage bejaht wird:

4.

Bedarf in diesem Fall die Prüfung des Verlustgrundes des Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 einer Umsetzung in nationales Recht, bei der die Tatbestände, die zum Verlust der Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat führen, konkretisiert werden, oder ist es ausreichend, wenn im nationalen Recht ohne konkrete Bezugnahme auf die Richtlinie geregelt wird, dass der zweite Mitgliedstaat den Aufenthaltstitel versagen darf, „wenn der Ausländer seine Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigter in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verliert?

36.

Die Europäische Kommission hat in beiden Rechtssachen schriftliche Erklärungen eingereicht.

37.

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. November 2022 sind diese Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung des Gerichtshofs verbunden worden.

IV. Würdigung

38.

Mit seiner zweiten Frage a. E. in der Rechtssache C‑829/21, auf die sich die vorliegenden Schlussanträge nach dem Wunsch des Gerichtshofs konzentrieren sollen, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestehens der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat für die Zwecke der Verlängerung des Aufenthaltstitels im zweiten Mitgliedstaat maßgeblich sein soll.

39.

Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Rahmen einer Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, auf den Zeitpunkt des Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels abzustellen ist oder auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung über diesen Antrag.

40.

Vorab weise ich darauf hin, dass aus dem durch die Richtlinie 2003/109 eingeführten Mechanismus hervorgeht, dass der Drittstaatsangehörige das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines zweiten Mitgliedstaats gerade deshalb erwerben kann, weil ihm ein erster Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gemäß Art. 4 dieser Richtlinie zuerkannt hat.

41.

Art. 14 dieser Richtlinie sieht nämlich vor, dass der Besitz der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem ersten Mitgliedstaat eine Voraussetzung dafür ist, dass die betreffende Person das Recht erwirbt, sich im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten aufzuhalten und in einem zweiten Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Das im zweiten Mitgliedstaat gewährte Aufenthaltsrecht leitet sich daher von der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat ab.

42.

Außerdem ergibt sich aus Art. 9 in Verbindung mit Art. 14 und aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/109, dass der zweite Mitgliedstaat die Verlängerung des Aufenthaltstitels ablehnen und den Drittstaatsangehörigen verpflichten kann, sein Hoheitsgebiet zu verlassen, solange dieser die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht erhalten hat oder sobald er sie verloren hat oder sie ihm entzogen wurde.

43.

Somit besteht kein Zweifel daran, dass die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zum Zeitpunkt des Antrags auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels im zweiten Mitgliedstaat bestehen muss.

44.

In der Rechtssache C‑129/22 stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestehens der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat zu berücksichtigen ist, daher nicht. EF reiste nämlich am 1. April 2014 nach Deutschland ein. Der in Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 vorgesehene Zeitraum von sechs Jahren lief offenbar am 1. April 2020 ab. Den letzten Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis in Deutschland stellte EF jedoch am 17. März 2021. Sein Aufenthaltstitel in Deutschland konnte daher nicht verlängert werden. Es ist jedoch Sache der zuständigen Behörden, sich in Anwendung von Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 3 dieser Richtlinie bei den Behörden des ersten Mitgliedstaats zu vergewissern, dass diese Rechtsstellung nicht beibehalten wurde.

45.

In der Rechtssache C‑829/21 erbittet der Gerichtshof insbesondere Ausführungen zur Frage, auf welchen Zeitpunkt im Rahmen einer Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels im zweiten Mitgliedstaat für die Beurteilung des Bestehens der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat abzustellen ist.

46.

Insoweit kommen meines Erachtens drei verschiedene Zeitpunkte als für die Beurteilung des Bestehens dieser Rechtsstellung maßgeblich in Betracht. Es könnte sich entweder um den Zeitpunkt des Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels im zweiten Mitgliedstaat oder um den Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung über diesen Antrag entscheidet, oder um den Zeitpunkt handeln, an dem das Gericht über die Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung des Aufenthaltstitels entscheidet.

47.

Was den zweiten und den dritten Zeitpunkt angeht, bin ich der Ansicht, dass die Möglichkeit, den Aufenthaltstitel eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im zweiten Mitgliedstaat zu verlängern, nicht von der Schnelligkeit oder der Dauer der Bearbeitung und der Prüfung des Antrags durch die zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats abhängen sollte.

48.

Das vom langfristig Aufenthaltsberechtigten beantragte Aufenthaltsrecht darf – sofern er den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels tatsächlich gestellt hat, als er im ersten Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besaß – weder von den zufälligen Zeitpunkten, zu denen die Entscheidungen getroffen werden, noch vom Zeitablauf abhängen, wie es in der Rechtssache C‑829/21 der Fall war.

49.

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat nämlich erst nach einer fast dreijährigen Aussetzung des Verfahrens (vom 1. November 2017 bis zum 7. September 2020) geltend gemacht, dass TE seit mehr als sechs Jahren nicht mehr in Italien gewohnt habe und dass ihre Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigte dort bereits erloschen sei.

50.

Würde das Aufenthaltsrecht im zweiten Mitgliedstaat vom Zeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung und damit von der mehr oder weniger zügigen Bearbeitung des Antrags auf Verlängerung des Aufenthaltstitels durch die zuständige Behörde abhängig gemacht, wäre meines Erachtens die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2003/109 in Frage gestellt.

51.

Dieser Ansatz liefe nicht nur dem Ziel dieser Richtlinie zuwider, die Rechte von Drittstaatsangehörigen, die einen langfristigen Aufenthaltstitel besitzen, denjenigen der Unionsbürger anzunähern ( 6 ), sondern auch den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit.

52.

Was insbesondere ein Gerichtsverfahren betrifft, das sich gegen die Weigerung der Verwaltung richtet, den Aufenthaltstitel des Drittstaatsangehörigen zu verlängern, verstieße es gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wenn die Ausübung des in Art. 20 der Richtlinie 2003/109 vorgesehenen Rechtsbehelfs zu einer Situation führen könnte, in der der langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige sein Recht auf Aufenthalt im zweiten Mitgliedstaat aufgrund des Zeitablaufs verliert, der mit dieser Art von Rechtsstreitigkeiten einhergeht und offenbar außerhalb der Kontrolle des Antragstellers liegt ( 7 ).

53.

Außerdem ist im Rahmen eines solchen gerichtlichen Verfahrens die Rechtmäßigkeit des betreffenden Rechtsakts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. Um zu beurteilen, ob der Drittstaatsangehörige die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat besitzt, muss die zuständige Behörde gemäß Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109 auf den Zeitpunkt abstellen, zu dem der Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels gestellt und die Belege eingereicht wurden.

54.

Somit kann einem Drittstaatsangehörigen der Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat, der während des Verwaltungsverfahrens oder während des auf die Ablehnung der Verlängerung folgenden gerichtlichen Verfahrens aufgrund des Zeitablaufs zwischen dem Zeitpunkt des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im zweiten Mitgliedstaat und dem Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Verwaltung über die Ablehnung dieses Antrags eintritt, nicht entgegengehalten werden.

55.

Der Verlust der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten während des Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens ist jedoch nicht folgenlos. Nichts hindert die Verwaltung nämlich daran, im Anschluss an die Überprüfung, dass die Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat nicht gemäß Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/109 verlängert wurde, festzustellen, dass dem Drittstaatsangehörigen seine Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gemäß Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/109 entzogen wurde oder er sie verloren hat, und gemäß Art. 22 dieser Richtlinie die Verlängerung seines Aufenthaltstitels abzulehnen oder ihm diesen Titel zu entziehen.

56.

Diese Ablehnung der Verlängerung oder dieser Entzug muss jedoch Gegenstand einer neuen Entscheidung der zuständigen Behörde sein, die zu einer erneuten Anfechtung führen kann, und darf daher nicht im Rahmen des ursprünglichen Verfahrens erfolgen.

57.

In Anbetracht dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass Art. 9 Abs. 4 und Art. 14 der Richtlinie 2003/109 dahin auszulegen sind, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestehens dieser Rechtsstellung der Zeitpunkt ist, zu dem der Antrag auf Verlängerung und die Belege eingereicht wurden, und nicht ein Zeitpunkt während der Verwaltungsphase der Prüfung dieses Antrags oder der etwaigen gerichtlichen Phase der Anfechtung der Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung.

V. Ergebnis

58.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Deutschland) in der Rechtssache C‑829/21 zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 9 Abs. 4 und Art. 14 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen in der durch die Richtlinie 2011/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 geänderten Fassung

sind dahin auszulegen, dass

im Rahmen eines Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der einem Drittstaatsangehörigen die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hat, der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestehens dieser Rechtsstellung der Zeitpunkt ist, zu dem der Antrag auf Verlängerung und die Belege eingereicht wurden, und nicht ein Zeitpunkt während der Verwaltungsphase der Prüfung dieses Antrags oder der etwaigen gerichtlichen Phase der Anfechtung der Entscheidung über die Ablehnung der Verlängerung.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 2004, L 16, S. 44.

( 3 ) ABl. 2011, L 132, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2003/109.

( 4 ) Das Verwaltungsgericht Darmstadt (Deutschland) stellt diese Frage in der Rechtssache C‑129/22 nicht ausdrücklich, sondern verweist auf die Vorlageentscheidung in der Rechtssache C‑829/21.

( 5 ) BGBl. 2008 I, S. 162, im Folgenden: AufenthG.

( 6 ) Vgl. 2. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/109.

( 7 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Bundesrepublik Deutschland (Familienangehöriger) (C‑768/19, EU:C:2021:247, Nr. 69).

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