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Document 62021TJ0312

    Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 14. Dezember 2022 (Auszüge).
    SY gegen Europäische Kommission.
    Öffentlicher Dienst – Einstellung – Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens – Allgemeines Auswahlverfahren EPSO/AD/374/19 – Entscheidung, den Kläger nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen – Aufhebungsklage – Änderung der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens nach teilweiser Durchführung der Zugangstests – Fehlende Rechtsgrundlage – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Höhere Gewalt – Gleichbehandlung – Besondere Vorkehrungen – Abhaltung der Prüfungen als Fernprüfungen – Hohe Erfolgsquote der internen Bewerber – Untätigkeitsklage.
    Rechtssache T-312/21.

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:814

     URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

    14. Dezember 2022 ( *1 )

    „Öffentlicher Dienst – Einstellung – Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens – Allgemeines Auswahlverfahren EPSO/AD/374/19 – Entscheidung, den Kläger nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen – Aufhebungsklage – Änderung der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens nach teilweiser Durchführung der Zugangstests – Fehlende Rechtsgrundlage – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Höhere Gewalt – Gleichbehandlung – Besondere Vorkehrungen – Abhaltung der Prüfungen als Fernprüfungen – Hohe Erfolgsquote der internen Bewerber – Untätigkeitsklage“

    In der Rechtssache T‑312/21,

    SY, vertreten durch Rechtsanwalt T. Walberer,

    Kläger,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten durch L. Hohenecker, T. Lilamand und D. Milanowska als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    erlässt

    DAS GERICHT (Siebte Kammer)

    zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos (Berichterstatter) sowie der Richter V. Valančius und L. Truchot,

    Kanzler: E. Coulon,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der darauf gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Entscheidung, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil ( 1 )

    1

    Mit seiner Klage gemäß Art. 270 AEUV und Art. 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) beantragt der Kläger, SY, erstens den Nachtrag zur Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/374/19 (ABl. 2020, C 374 A, S. 3), mit dem die Modalitäten der Prüfungen des Auswahlverfahrens wegen des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie geändert wurden, die Einladung der Europäischen Kommission vom 20. November 2020 zu einer Prüfung, die nach Abschluss des Auswahlverfahrens für das Fachgebiet Wettbewerbsrecht erstellte Reserveliste, die auf der Grundlage der Reserveliste erfolgten Entscheidungen über die Einstellung von Bewerbern und die Entscheidung des Prüfungsausschusses über den Antrag auf Überprüfung, mit der die Entscheidung, ihn nicht in die Reserveliste aufzunehmen, bestätigt wurde, aufzuheben, zweitens, hilfsweise, im Urteil die erforderlichen konkreten Vorgaben zur rechtmäßigen Wiederherstellung seiner Rechtslage vor den Rechtsverletzungen zu geben, um es dem Prüfungsausschuss zu ermöglichen, ihn unmittelbar in die Reserveliste aufzunehmen, und drittens, festzustellen, dass die Kommission gegen Art. 265 AEUV verstoßen hat, indem sie es unterlassen hat, auf seine Verwaltungsbeschwerde vom 17. Januar 2021 eine Entscheidung an ihn zu richten.

    I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

    2

    Das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) veröffentlichte am 6. Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union die Bekanntmachung eines allgemeinen Auswahlverfahrens auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen und Prüfungen zur Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration (AD) in den Fachgebieten Wettbewerbsrecht, Finanzrecht, Recht der Wirtschafts- und Währungsunion, Finanzvorschriften für den EU-Haushalt und Schutz der Euro-Münzen gegen Fälschung (EPSO/AD/374/19, ABl. 2019, C 191 A, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung) zur Erstellung von fünf Reservelisten, von denen die Kommission neue Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes als Beamte der Funktionsgruppe Administration einstellen würde. Die Bekanntmachung und ihre Anhänge, insbesondere Anhang III, bildeten den rechtlichen Rahmen für das Auswahlverfahren.

    3

    In der Bekanntmachung war ein Verfahren in sechs Phasen vorgesehen. In einer ersten Phase reichten die Bewerber vorab einen Online-Bewerbungsbogen ein. In einer zweiten Phase wurden die Bewerber eingeladen, in einem von EPSO anerkannten Testzentrum eine Reihe computergestützter Multiple-Choice-Tests abzulegen. Für den Fall, dass eine solche Einladung nicht im Vorfeld der im Rahmen des Assessment-Centers durchgeführten Kompetenzprüfungen erfolgte, war vorgesehen, dass die computergestützten Multiple-Choice-Tests gleichzeitig mit den im Rahmen des Assessment-Centers durchgeführten Kompetenzprüfungen abgelegt würden. In einer dritten Phase wurde anhand der Bewerbungen geprüft, ob die Bewerber die Zulassungsbedingungen erfüllten. In einer vierten Phase wurde bei den Bewerbern, die die Zulassungsbedingungen erfüllten, eine Auswahl anhand von Befähigungsnachweisen durchgeführt, wobei die im Bewerbungsbogen angegebenen Qualifikationen zugrunde gelegt wurden. In einer fünften Phase wurden die Bewerber, die bei der Auswahl anhand der Befähigungsnachweise eines der besten Gesamtergebnisse erzielt hatten, eingeladen, im Rahmen des Assessment-Centers vier Kompetenzprüfungen abzulegen. In einer sechsten Phase erstellte der Prüfungsausschuss für jedes Fachgebiet des allgemeinen Auswahlverfahrens eine Reserveliste der Bewerber, die alle Zulassungsbedingungen erfüllt sowie die jeweilige Mindestpunktzahl erreicht und nach den Prüfungen des Assessment-Centers eines der besten Gesamtergebnisse erzielt hatten, wobei für die einzelnen Fachgebiete jeweils so viele Bewerber aufgenommen wurden, wie es Plätze auf der Reserveliste gab.

    4

    In der Bekanntmachung heißt es im Abschnitt „WIE LÄUFT DAS AUSWAHLVERFAHREN AB?“ unter Nr. 5 („Assessment-Center“):

    „Im Rahmen des Assessment-Centers werden acht allgemeine Kompetenzen und die für das jeweilige Fachgebiet verlangten fachbezogenen Kompetenzen anhand von vier Prüfungen (Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen, Gespräch zu den fachbezogenen Kompetenzen, Gruppenübung und Fallstudie) geprüft …“

    5

    Den in der Bekanntmachung im Abschnitt „WIE LÄUFT DAS AUSWAHLVERFAHREN AB?“ unter Nr. 5 wiedergegebenen Tabellen ist zu entnehmen, dass die Bewertung der allgemeinen und der fachbezogenen Kompetenzen sich wie folgt auf die im Rahmen des Assessment-Center durchgeführten Prüfungen aufteilte:

    Kompetenz

    Prüfungen

    1. Analyse und Problemlösung

    Gruppenübung

    Fallstudie

    2. Kommunikation

    Fallstudie

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    3. Qualitäts- und Ergebnisorientierung

    Fallstudie

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    4. Lernen und Entwicklung

    Gruppenübung

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    5. Setzen von Schwerpunkten und Organisationsfähigkeit

    Gruppenübung

    Fallstudie

    6. Belastbarkeit

    Gruppenübung

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    7. Teamfähigkeit

    Gruppenübung

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    8. Führungsqualitäten

    Gruppenübung

    Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen

    Erforderliche Mindestpunktzahl: 3 von 10 pro Kompetenz und 40 von 80 insgesamt

    Kompetenz

    Prüfung

    Erforderliche Mindestpunktzahl

    Fachbezogene Kompetenzen

    Gespräch zu den fachbezogenen Kompetenzen

    50 von 100

    6

    Weiter geht aus den Tabellen hervor, dass für jede allgemeine Kompetenz die Höchstpunktzahl 10 und die erforderliche Mindestpunktzahl 3 von 10 pro Kompetenz und die erforderliche Mindestpunktzahl für alle Kompetenzen 40 von 80 betrugen, während für die fachbezogenen Kompetenzen die Höchstpunktzahl 100 Punkte und die erforderliche Mindestpunktzahl 50 von 100 betrugen.

    7

    Der Kläger bewarb sich am 26. Juni 2019 für das Auswahlverfahren.

    8

    In seinem Bewerbungsbogen gab der Kläger gemäß Abschnitt 1.3 („Chancengleichheit und besondere Vorkehrungen“) der Allgemeinen Vorschriften für allgemeine Auswahlverfahren im Anhang III der Bekanntmachung an, dass er wegen einer Behinderung oder gesundheitlichen Beeinträchtigung, die ihn an der Teilnahme an den Prüfungen, u. a. den computergestützten schriftlichen Prüfungen, den schriftlichen Prüfungen und den mündlichen Prüfungen, hindern könnte, [vertraulich], besonderer Vorkehrungen bedürfe. [vertraulich].

    9

    Das EPSO-Accessibility-Team teilte dem Kläger mit E‑Mail vom 9. Dezember 2019 mit, dass es ihm gestattet sei, bei der Prüfung der Fallstudie [vertraulich].

    10

    Während des Auswahlverfahrens wurde der Kläger eingeladen, die vier im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Kompetenzprüfungen und in diesem Rahmen auch die computergestützten Multiple-Choice-Tests abzulegen.

    11

    Am 10. Januar 2020 legte der Kläger in einem externen Testzentrum in [vertraulich] die erste Prüfung ab, mit der die allgemeinen Kompetenzen geprüft wurden, nämlich die Prüfung der Fallstudie. Er teilte dem EPSO-Accessibility-Team mit E‑Mail vom 18. Januar 2020 mit, dass es bei dieser Prüfung Schwierigkeiten gegeben habe. Das vom EPSO mit der Durchführung der Prüfung betraute Dienstleistungsunternehmen habe ihm nicht gestattet, [vertraulich]. Das EPSO-Accessibility-Team räumte gegenüber dem Kläger mit E‑Mail vom 22. Januar 2020 ein, dass ihm bei der Kommunikation mit diesem Dienstleistungsunternehmen ein Fehler unterlaufen sei.

    12

    Am 3. März 2020 absolvierte der Kläger in einem Testzentrum in Brüssel (Belgien) die computergestützten Multiple-Choice-Tests und die drei noch ausstehenden Kompetenzprüfungen (Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen, Gruppenübung, Gespräch zu den fachbezogenen Kompetenzen).

    13

    Am 6. März 2020 wurde das Auswahlverfahren wegen des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie und der dadurch ausgelösten Krise der Gesundheitssysteme ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt hatten noch nicht alle Bewerber die im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Prüfungen absolviert.

    14

    Mit einem von einem Referatsleiter des EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unterzeichneten Schreiben vom 1. Juli 2020 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass „beschlossen [worden sei], die im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Prüfungen in der zweiten Hälfte des Monats September fortzusetzen“, und dass „die Bewerber, die ihre Prüfungen bereits abgelegt [hätten], nicht erneut eingeladen [würden]“.

    15

    Mit E‑Mail vom 28. August 2020 teilte der EPSO-Bewerberservice den Bewerbern mit, dass vorgesehen sei, dass die Punkte, die sie vor dem Monat März für die im Rahmen eines Assessment-Centers in Präsenzform durchgeführten Kompetenzprüfungen erhalten hätten, gültig blieben. Dies gelte jedoch nicht für die Punkte, die sie für die Gruppenübung erhalten hätten. Diese werde durch eine Online-Prüfung ersetzt, die alle Bewerber ablegen müssten, auch diejenigen, die die Prüfungen des Auswahlverfahrens bereits im März 2020 absolviert hätten.

    16

    Mit zwei Beschwerden vom 28. August 2020 (EPSOCRS-50590) und 15. Oktober 2020 (EPSOCRS-52914) wandte sich der Kläger gegen diese neuen Modalitäten, die für die Prüfungen gelten sollten. Er machte insbesondere geltend, dass die Bewerber, die die Prüfungen bereits im März 2020 abgelegt hätten, durch sie benachteiligt würden und dass die Bewerber bei diesen neuen Prüfungen möglicherweise gesundheitlichen Risiken ausgesetzt seien. Er bestand darauf, dass das EPSO sich an die Bekanntmachung halten müsse. Er erklärte sich jedoch bereit, die neue Prüfung, durch die die Gruppenübung ersetzt wurde, abzulegen, unbeschadet der Beschwerden, die er insoweit eingelegt habe.

    17

    Den Bewerbern wurde mit einem von einem Referatsleiter des EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unterzeichneten Schreiben vom 26. Oktober 2020 mitgeteilt, dass das Auswahlverfahren nach der Veröffentlichung eines Nachtrags zur Bekanntmachung im Amtsblatt fortgesetzt werde.

    18

    Der Nachtrag zur Bekanntmachung wurde am 5. November 2020 im Amtsblatt (ABl. 2020, C 374 A, S. 3, im Folgenden: Nachtrag zur Bekanntmachung) veröffentlicht.

    19

    Nach dem Nachtrag zur Bekanntmachung mussten die Bewerber, die ihre Assessment-Center-Prüfungen nicht bereits vor dem 6. März 2020 in Präsenzform abgelegt hatten, diese Prüfungen allesamt als Fernprüfungen ablegen. Außerdem wurde die Gruppenübung durch ein situationsbezogenes kompetenzspezifisches Gespräch ersetzt, das als Videokonferenz durchgeführt werden sollte (situational competency-based interview, im Folgenden: SCBI). Auch die Bewerber, die sämtliche Assessment-Center-Prüfungen bereits vor dem 6. März 2020 abgelegt hatten, mussten das SCBI ablegen. Die dafür erhaltenen Punkte sollten an die Stelle der Punkte treten, die sie für die Gruppenübung erhalten hatten.

    20

    Der Kläger wurde mit einem von einem Referatsleiter des EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unterzeichneten Schreiben vom 20. November 2020 zum SCBI eingeladen, das am 14. Dezember 2020 stattfinden sollte. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger mit der Annahme der Einladung auch die Bedingungen des Auswahlverfahrens und des Nachtrags zur Bekanntmachung annehme.

    21

    Der Kläger erschien am 14. Dezember 2020 zum SCBI.

    22

    Mit einem von einem Referatsleiter des EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unterzeichneten Schreiben vom 14. Januar 2021 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Prüfungsausschuss entschieden habe, ihn nicht in die Reserveliste aufzunehmen, weil er nicht zu den Bewerbern gehöre, die nach dem Assessment-Center eines der besten Gesamtergebnisse erzielt hätten, nämlich mindestens 119,5 Punkte (im Folgenden: Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste).

    23

    Mit E‑Mail vom 17. Januar 2021 beantragte der Kläger die Überprüfung der Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste und legte gegen diese Entscheidung gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts eine Beschwerde ein. Er machte insbesondere geltend, dass eine Ungleichbehandlung vorliege, weil das EPSO die besonderen Vorkehrungen für die Prüfungen, die für ihn vorgesehen gewesen seien, nicht getroffen habe, dass der Nachtrag zur Bekanntmachung nicht mit der Bekanntmachung in Einklang stehe und dass er gegenüber den übrigen Bewerbern ungleich behandelt worden sei, weil die Prüfungen, die ursprünglich im Rahmen des Assessment-Centers erfolgen sollten, als Fernprüfungen abgehalten worden seien.

    24

    Ihm wurde mit einem von einem Referatsleiter des EPSO im Namen des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses unterzeichneten Schreiben vom 21. April 2021 mitgeteilt, dass der Prüfungsausschuss entschieden habe, an der Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste festzuhalten (im Folgenden: Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung).

    25

    Am 22. März 2021 reichte der Kläger beim EPSO-Bewerberservice elektronisch eine Beschwerde (EPSOCRS-61721) ein. Er wollte in Bezug auf seine Beschwerde vom 17. Januar 2021 wissen, wie der Stand des Verfahrens sei.

    26

    Mit einer weiteren Beschwerde vom 8. Mai 2021 (EPSOCRS-65320) stellte er einen Antrag auf Zugang zu den Informationen, die in den Unterlagen des EPSO über das Auswahlverfahren über die Zahl der in die Reserveliste aufgenommenen Bewerber enthalten seien, die seit mindestens einem Jahr vor dem Beginn des Auswahlverfahrens bei der Generaldirektion (GD) Wettbewerb, in dem für Wettbewerbssachen zuständigen Team der Rechtsabteilung oder in irgendeiner anderen Dienststelle oder irgendeiner anderen Generaldirektion der Kommission als Vertragsbedienstete mit befristeten oder unbefristeten Verträgen, als Bedienstete auf Zeit oder als abgeordnete nationale Sachverständige beschäftigt seien oder beschäftigt gewesen seien.

    II. Anträge der Parteien

    27

    Der Kläger beantragt,

    die Reserveliste, die Entscheidungen, in die Reserveliste aufgenommene Bewerber einzustellen, die Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste, die Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung, den Nachtrag zur Bekanntmachung und die Einladung zum SCBI vom 20. November 2020 aufzuheben;

    hilfsweise, zum einen, die Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste und die Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung aufzuheben und der Kommission im Urteil die erforderlichen konkreten Vorgaben zur rechtmäßigen Wiederherstellung seiner Rechtslage vor den Rechtsverletzungen zu geben, welche es der Kommission ermöglichen, ihn unmittelbar bzw. nach Neubewertung seiner Leistungen in die Reserveliste aufzunehmen, und zum anderen, den Nachtrag zur Bekanntmachung und die Einladung zum SCBI vom 20. November 2020 aufzuheben;

    festzustellen, dass die Kommission gegen Art. 265 AEUV verstoßen hat, indem sie es unterlassen hat, auf seine Beschwerde vom 17. Januar 2021 eine Entscheidung an ihn zu richten;

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    28

    Die Kommission beantragt,

    die Klage abzuweisen;

    dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

    III. Rechtliche Würdigung

    [nicht wiedergegeben]

    B. Zum ersten Klageantrag

    32

    Mit dem ersten Klageantrag begehrt der Kläger die Aufhebung der Reserveliste, der Entscheidungen, in die Reserveliste aufgenommene Bewerber einzustellen, der Entscheidung über die Nichtaufnahme in die Reserveliste, der Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung, des Nachtrags zur Bekanntmachung und der Einladung zum SCBI vom 20. November 2020.

    [nicht wiedergegeben]

    2.   Zur Begründetheit des ersten Klageantrags

    36

    Der Kläger stützt den ersten Klageantrag auf vier Klagegründe. Er macht geltend, dass die Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens rechtswidrig gewesen sei (erster Klagegrund), dass er wegen einer Vorerkrankung und deshalb, weil bei den Prüfungen des Auswahlverfahrens die Vorkehrungen, die aus diesem Grund vorgesehen gewesen seien, nicht getroffen worden seien, ungleich behandelt worden sei (zweiter Klagegrund), dass er gegenüber den Bewerbern, die sämtliche Prüfungen als Fernprüfungen abgelegt hätten, ungleich behandelt worden sei (dritter Klagegrund) und dass er gegenüber den in die Reserveliste aufgenommenen Bewerbern, die vor dem Auswahlverfahren bei der Kommission beschäftigt gewesen seien, ungleich behandelt worden sei (vierter Klagegrund).

    a)   Zum ersten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens

    37

    Der Kläger meint, dass die durch den Nachtrag zur Bekanntmachung erfolgte Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens insoweit rechtswidrig sei, als damit die Prüfung der Gruppenübung durch das SCBI ersetzt worden sei. Für eine solche nachträgliche und rückwirkende Änderung der Art der Prüfungen, die erfolgt sei, obwohl ein Teil der Bewerber die in der Bekanntmachung vorgesehenen Prüfungen wie er selbst bereits abgelegt gehabt hätte, gebe es keine Rechtsgrundlage.

    38

    Insoweit macht der Kläger erstens geltend, der Einwand der Kommission, dass wegen des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie ein Fall höherer Gewalt vorliege, greife nicht. Hätte die Kommission es nicht zu Unrecht unterlassen, das Auswahlverfahren im Frühjahr und im Sommer 2020 fortzusetzen, als die epidemische Lage besser gewesen sei, wäre es anders als in dem Zeitraum, in dem das Auswahlverfahren dann ab November 2020 tatsächlich fortgesetzt worden sei, nicht unmöglich gewesen, die Prüfungen wieder in Präsenzform abzulegen. Die Kommission habe sich dafür entschieden, die Prüfungen ab dem Winter als Fernprüfungen abzuhalten, weil sie die bei ihr beschäftigten Bewerber, deren Verträge kurz- und mittelfristig auszulaufen gedroht hätten, gleichheitswidrig habe begünstigen wollen.

    39

    Zweitens verstoße die durch den Nachtrag zur Bekanntmachung erfolgte Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens gegen Art. 1 Abs. 1 und 2 des Anhangs III des Statuts. Danach hätten die Bewerber ein Recht darauf, dass die Modalitäten der Prüfungen beibehalten würden. Diese Bestimmungen sähen nämlich zum einen vor, dass in der Bekanntmachung die Art der Prüfungen und ihre Bewertung anzugeben seien, und zum anderen, dass die Veröffentlichung der Bekanntmachung im Amtsblatt spätestens einen Monat vor dem für die Einreichung der Bewerbungen festgelegten Zeitpunkt und mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt der Prüfungen zu erfolgen habe. Die durch den Nachtrag zur Bekanntmachung erfolgte Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens verstoße außerdem gegen das aus Art. 1 Abs. 2 des Anhangs III des Statuts in Verbindung mit Art. 1d, Art. 28 Buchst. d und Art. 29 Abs. 1 des Statuts folgende Gebot der Transparenz. Danach hätten die Bewerber vor Beginn des Auswahlverfahrens Anspruch auf ein konstantes und vorsehbares Auswahlverfahren.

    40

    Drittens stelle das SCBI im Hinblick auf die Gewährleistung einer objektiven Auswahl keine geeignete Alternative zur Gruppenübung dar. Aus den Dokumenten, die die Kommission vorgelegt habe, um nachzuweisen, dass die beiden Prüfungen gleichwertig seien, ergebe sich nichts anderes.

    41

    Viertens sei das EPSO seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen, habe das in Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta) verankerte Recht auf eine gute Verwaltung nicht beachtet und habe gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen. Was diesen letzten Punkt angehe, sei ihm mit dem Schreiben vom 1. Juli 2020, mit dem ein Referatsleiter des EPSO ihm mitgeteilt habe, dass die im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Prüfungen im Laufe des Monats September wieder aufgenommen würden und dass die Bewerber, die die Prüfungen bereits abgelegt hätten, nicht erneut geladen würden, zugesichert worden, dass er die Prüfungen nicht noch einmal ablegen müsse.

    42

    Fünftens habe das EPSO alle Bewerber, ohne sich auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, einseitig, gleichheitswidrig und unter Missbrauch seines Ermessens verpflichtet, das SCBI abzulegen, und angenommen, dass die Ablegung dieser Prüfung als Annahme des Nachtrags zur Bekanntmachung gelte. In Anbetracht seiner Beschwerden und des Umstands, dass er sich wegen des bei einem Nichtablegen der Prüfungen drohenden Ausschlusses von dem Verfahren gezwungen gesehen habe, die Prüfungen abzulegen, habe nicht davon ausgegangen werden können, dass er der Ablegung der Prüfungen nach den neuen Modalitäten zustimme.

    43

    Sechstens macht der Kläger hilfsweise geltend, dass das EPSO seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen sei, weil es die Rechtsgrundlage und die konkreten Gründe für die Entscheidung, die Bekanntmachung zu ändern, nicht angegeben habe.

    44

    Die Kommission tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.

    [nicht wiedergegeben]

    2) Zu der Rüge einer fehlenden Rechtsgrundlage für die durch den Nachtrag zur Bekanntmachung erfolgte Änderung der Modalitäten des Auswahlverfahrens

    50

    Art. 7 Abs. 1 bis 3 des Anhangs III des Statuts bestimmt:

    „(1)   Die Organe beauftragen nach Stellungnahme des Statutsbeirats das [EPSO], die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte der Union … einheitliche Kriterien angewandt werden.

    (2)   Das [EPSO] hat folgende Aufgaben:

    a)

    [E]s führt auf Antrag einzelner Organe allgemeine Auswahlverfahren durch;

    b)

    es leistet auf Antrag eines einzelnen Organs die technische Unterstützung bei der Durchführung interner Auswahlverfahren, die das Organ selbst organisiert; …

    (3)   Auf Antrag eines Organs kann das [EPSO] im Zusammenhang mit der Auswahl von Beamten weitere Aufgaben wahrnehmen.“

    51

    Nach Art. 7 Abs. 1 bis 3 des Anhangs III des Statuts leistet das EPSO den einzelnen Organen somit Hilfestellung durch die Festlegung und die Durchführung der Auswahl von Beamten unter Einhaltung der von den Organen erlassenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2009, Aparicio u. a./Kommission, F‑20/08, F‑34/08 und F‑75/08, EU:F:2009:132, Rn. 57).

    52

    Folglich konnte das EPSO im Rahmen der ihm nach Art. 7 Abs. 1 bis 3 des Anhangs III des Statuts zustehenden Befugnis zur Festlegung und Durchführung der Prüfungen des Auswahlverfahrens beschließen, den Nachtrag zur Bekanntmachung zu erlassen. Es war aufgrund dieser Rechtsgrundlage ermächtigt, die Modalitäten des Auswahlverfahrens durch den Nachtrag zur Bekanntmachung zu ändern.

    3) Zu der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

    53

    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Unionsrechts. Nach diesem Grundsatz hängt die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme eines Unionsorgans davon ab, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende ergriffen wird; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004, Schumann/Kommission, T‑49/03, EU:T:2004:314, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54

    Die Unionsorgane verfügen bei der Festlegung der Modalitäten der Durchführung eines Auswahlverfahrens über ein weites Ermessen; der Unionsrichter darf diese Modalitäten nur insoweit beanstanden, als es erforderlich ist, um die Gleichbehandlung der Bewerber und die Objektivität der unter ihnen getroffenen Auswahl zu gewährleisten (Urteil vom 13. Januar 2021, Helbert/EUIPO, T‑548/18, EU:T:2021:4, Rn. 30). Nach der Rechtsprechung verfügt – in denselben Grenzen – auch der Prüfungsausschuss über ein weites Ermessen, wenn er mit Unregelmäßigkeiten oder Fehlern konfrontiert wird, die bei der Durchführung eines Auswahlverfahrens mit zahlreichen Bewerbern auftreten und die nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht durch eine Wiederholung der Prüfungen des Auswahlverfahrens behoben werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2001, Giulietti u. a./Kommission, T‑167/99 und T‑174/99, EU:T:2001:126, Rn. 58). Ein solches Ermessen ist dem Prüfungsausschuss auch in Fällen höherer Gewalt zuzuerkennen.

    55

    Es steht dem Unionsrichter nicht zu, den Inhalt einer Prüfung im Einzelnen zu beanstanden, es sei denn, dieser geht über den in der Bekanntmachung angegebenen Rahmen hinaus oder hat überhaupt nichts mit den Zwecken der Prüfung oder des Auswahlverfahrens zu tun (vgl. Urteil vom 7. Februar 2002, Felix/Kommission, T‑193/00, EU:T:2002:29, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    56

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das EPSO zwar kein Prüfungsausschuss ist. Die oben in den Rn. 53 und 54 dargestellten Grundsätze lassen sich aber auf das EPSO übertragen. Das EPSO verfügt bei der Durchführung der Auswahltests nämlich über einen großen Handlungsspielraum, insbesondere um die Anwendung einheitlicher Maßstäbe in den Verfahren zur Auswahl der Beamten der Union zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2009, Aparicio u. a./Kommission, F‑20/08, F‑34/08 und F‑75/08, EU:F:2009:132, Rn. 77 und 78). Bei der Beurteilung dieses Handelsspielraums ist der Kontext des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie zu berücksichtigen, der die Durchführung der Prüfungen des betreffenden Auswahlverfahrens, an dem zahlreiche Bewerber teilnahmen, durcheinandergebracht hat.

    57

    Insoweit festzustellen, dass die Mitgliedstaaten wegen des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie im Winter 2020 – eine externe, ungewöhnliche epidemische Lage, die für das EPSO nicht vorhersehbar war und einen Fall höherer Gewalt darstellte – neben Hygienemaßnahmen auch Maßnahmen trafen, mit denen die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit ihrer Bürger eingeschränkt wurden. Das EPSO hatte diese Maßnahmen bei der Durchführung der Prüfungen des Auswahlverfahrens zu beachten, ohne sie überprüfen zu können. Die Covid-19-Pandemie bedeutete für das EPSO mithin einen Fall höherer Gewalt, der die Durchführung der Prüfungen des Auswahlverfahrens durcheinandergebracht hat, d. h. nach ständiger Rechtsprechung ein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis, auf das das EPSO keinen Einfluss hatte und deren Folgen es trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können (vgl. entsprechend Urteil vom 28. April 2022, C und CD [Rechtliche Hindernisse der Durchführung einer Übergabeentscheidung], C‑804/21 PPU, EU:C:2022:307, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58

    Insoweit wird in den Abschnitten 1 und 2 des Nachtrags zur Bekanntmachung (siehe oben, Rn. 47) darauf hingewiesen, dass das EPSO aufgrund des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie ab dem 6. März 2020 während des laufenden Auswahlverfahrens sämtliche Assessment-Center-Tätigkeiten unterbrechen und aussetzen musste, um die Anwendung sämtlicher geeigneter Vorsorgemaßnahmen zu gewährleisten, dass es bei der Wiederaufnahme des Auswahlverfahrens trotz der Covid-19-Pandemie aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge in absehbarer Zeit nicht möglich sein werde, Präsenztests in den EPSO-Räumlichkeiten durchzuführen, und dass das EPSO, um das Auswahlverfahren innerhalb einer angemessenen Frist abzuschließen, beschlossen habe, die Prüfungen, die ursprünglich im Rahmen des Assessment-Centers erfolgen sollten, nun online (als Ferntests) abzuhalten.

    59

    Das EPSO hatte es somit mit einem Fall höherer Gewalt zu tun, der eine verlässliche Planung der Prüfungen wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Pandemie ab dem 6. März 2020 unmöglich machte. Zudem war es wenig wahrscheinlich, dass das Auswahlverfahren im Herbst 2020 unter Bedingungen hätte wieder aufgenommen werden können, die mit denen vergleichbar gewesen wären, die vor dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie gegolten hatten. In Ausübung seines großen Handlungsspielraums und der ihm nach Art. 7 Abs. 1 bis 3 des Anhangs III des Statuts zustehenden Befugnisse konnte das EPSO daher zum einen annehmen, dass eine Anpassung der Modalitäten der Prüfungen des Auswahlverfahrens geboten sei, um dessen Fortsetzung zu gewährleisten und gleichzeitig die Gesundheit der Bewerber nicht zu gefährden und um die etwaigen nachteiligen Auswirkungen der Aussetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens sowohl auf die Bewerber als auch auf das betreffende Organ zu begrenzen. Zum anderen konnte das EPSO entscheiden, dass die Anpassung der Modalitäten der Prüfungen des Auswahlverfahrens lediglich insoweit zu erfolgen hatte, als sie im Hinblick auf dieses Ziel unbedingt erforderlich war.

    60

    Was diesen letzten Punkt angeht, ergibt sich aus den Akten, dass von den 385 Bewerbern, die bei den beiden seinerzeit laufenden, aber ausgesetzten Auswahlverfahren zu den im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Prüfungen geladen waren, am 13. März 2020 die überwiegende Mehrheit, nämlich 289 Bewerber, die Prüfungen bereits in Präsenzform abgelegt hatten.

    61

    Vor diesem Hintergrund hat es sich das EPSO angelegen sein lassen, das Interesse zu berücksichtigen, das die Bewerber, die die Prüfungen bereits abgelegt hatten – die Mehrheit der angemeldeten Bewerber –, daran hatten, die Prüfungen nicht erneut ablegen zu müssen, und das es gebot, dass die Prüfungen und die Ergebnisse, die vor der Aussetzung des Auswahlverfahrens erzielt wurden, grundsätzlich bestehen blieben. Das EPSO hat also zu Recht angenommen, dass die Lösung, die darin bestanden hätte, dass alle Bewerber sämtliche Prüfungen hätten erneut als Fernprüfungen ablegen müssen, im Hinblick auf das Interesse dieser Bewerber unverhältnismäßig gewesen wäre und nicht mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und einer ordnungsgemäßen Verwaltung vereinbar gewesen wäre.

    62

    Außerdem geht aus den im Vorfeld durchgeführten allgemeinen Studien, die das EPSO vorgelegt hat, hervor, dass die Modalitäten der Abhaltung der Prüfungen als Fernprüfungen bereits bei vorherigen Auswahlverfahren praktiziert und ausprobiert worden waren, dass die Verwaltung und die Bewerber zu dem Schluss gelangt waren, dass sie technisch zuverlässig seien und es hinsichtlich der Richtigkeit der Bewertung und der Ergebnisse der Bewerber keine signifikanten Unterschiede gebe, und dass sie zudem von den Bewerbern mehrheitlich positiv aufgenommen worden seien. Im Hinblick auf diese im Vorfeld durchgeführten Studien ist es daher nachvollziehbar, dass das EPSO zu dem Schluss gelangte, dass es, um die Gesundheit der Bewerber nicht zu gefährden, am besten sei, die Prüfungen als Fernprüfungen abzuhalten, und dass den Bewerbern, die die Prüfungen zum Zeitpunkt der Aussetzung des Auswahlverfahrens noch nicht abgelegt hatten, keine übermäßigen, nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbaren Anpassungsbemühungen abverlangt würden, wenn sie die Prüfungen des Gesprächs zu den allgemeinen Kompetenzen, des Gesprächs zu den fachbezogenen Kompetenzen und der Fallstudie als Fernprüfungen ablegen müssten.

    63

    Was die Prüfung der Gruppenübung angeht, ist festzustellen, dass das EPSO auf der Grundlage der Stellungnahmen von ihm konsultierter Fachleute und von wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Schluss gelangt ist, dass es technisch komplex und nicht zweckmäßig wäre, diese Prüfung als Fernprüfung abzuhalten, weil bei ihr durch die Anwesenheit der Bewerber vor Ort eine besondere Gruppendynamik entstehe und in diesem Zusammenhang besondere Kompetenzen geprüft würden. Im Rahmen des großen Handlungsspielraums, über den es verfügt, konnte das EPSO daher annehmen, dass die Prüfung der Gruppenübung wegen dieser Schwierigkeiten anders zu gestalten sei.

    64

    Insoweit ist festzustellen, dass in der Bekanntmachung in dem Abschnitt „WIE LÄUFT DAS AUSWAHLVERFAHREN AB?“ unter Nr. 5 („Assessment-Center“) die Aufteilung der Prüfung der acht im Auswahlverfahren geprüften Kompetenzen auf die einzelnen Prüfungen geregelt war und dass eine mit der Gruppenübung vergleichbare Prüfung unbedingt erforderlich war, um aussagekräftige Ergebnisse zu gewährleisten, zu denen man durch eine doppelte, komplementäre Bewertung der folgenden sechs Kompetenzen gelangte: „Analyse und Problemlösung“, „Lernen und Entwicklung“, „Setzen von Schwerpunkten und Organisationsfähigkeit“, „Belastbarkeit“, „Teamfähigkeit“ und „Führungsqualitäten“ (vgl. oben, Rn. 5).

    65

    Es kam deshalb nicht in Frage, die Prüfung der Gruppenübung einfach zu streichen. Dies hätte nämlich zu einer unvollständigen Bewertung der geprüften Kompetenzen der Bewerber durch den Prüfungsausschuss geführt. Das EPSO konnte also – wiederum im Rahmen seines großen Handlungsspielraums – annehmen, dass es nach wie vor erforderlich sei, eine Prüfung zur Bewertung der genannten sechs Kompetenzen durchzuführen, um die Gültigkeit der Gesamtergebnisse der Bewerber zu gewährleisten.

    66

    Das SCBI wurde von dem EPSO daher als Prüfung zur Evaluierung von Kompetenzen konzipiert, die mit denen vergleichbar waren, die im Rahmen der Gruppenübung geprüft worden wären, und hatte gleichzeitig den Vorteil, dass es viel leichter durchzuführen war und dass die Bewertung in technischer Hinsicht zuverlässiger war als bei einer als Fernprüfung durchgeführten Gruppenübung.

    67

    Somit ist festzustellen, dass sich das EPSO mit dem Erlass des Nachtrags zur Bekanntmachung, mit dem das SCBI eingeführt wurde, für die Prüfungsmethode entschieden hat, die unter den außergewöhnlichen Umständen der Covid-19-Pandemie für sämtliche Bewerber am wenigsten belastend war.

    68

    Die Änderung der Bekanntmachung verstößt mithin nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

    4) Zur Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

    69

    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C‑227/04 P, EU:C:2007:490, Rn. 63, und vom 20. März 2012, Kurrer u. a./Kommission, T‑441/10 P bis T‑443/10 P, EU:T:2012:133, Rn. 53). Bei Ermessensentscheidungen liegt ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn das betreffende Unionsorgan eine willkürliche oder im Verhältnis zu dem mit der betreffenden Regelung verfolgten Zweck offensichtlich unangemessene Differenzierung vornimmt (vgl. Urteil vom 20. März 2012, Kurrer u. a./Kommission, T‑441/10 P bis T‑443/10 P, EU:T:2012:133, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    70

    Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz setzt voraus, dass durch die betreffende Ungleichbehandlung bestimmte Personen gegenüber anderen benachteiligt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    71

    Es obliegt dem Prüfungsausschuss, beim Ablauf eines Auswahlverfahrens strikt darauf zu achten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber den Bewerbern eingehalten wird. Auch wenn der Prüfungsausschuss hinsichtlich der Modalitäten und des genauen Inhalts der Prüfungen über ein weites Ermessen verfügt, hat der Unionsrichter seine Kontrolle in dem Maß auszuüben, das erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die Bewerber gleich behandelt werden und der Prüfungsausschuss die Auswahl unter den Bewerbern objektiv trifft (Urteil vom 12. März 2008, Giannini/Kommission, T‑100/04, EU:T:2008:68, Rn. 132). In diesem Zusammenhang haben die Anstellungsbehörde als für die Durchführung des Auswahlverfahrens zuständige Einrichtung und der Prüfungsausschuss auch dafür zu sorgen, dass in ein und demselben Auswahlverfahren alle Bewerber die gleiche Prüfung unter den gleichen Bedingungen ablegen. Dementsprechend hat der Prüfungsausschuss darauf zu achten, dass die Prüfungen für alle Bewerber eindeutig denselben Schwierigkeitsgrad aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1988, Goossens u. a./Kommission, 228/86, EU:C:1988:172, Rn. 15, und vom 12. Februar 2014, De Mendoza Asensi/Kommission, F‑127/11, EU:F:2014:14, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    72

    Um die Gleichbehandlung der Bewerber, die Kohärenz der Beurteilung und die Objektivität der Bewertung sicherzustellen, ist der Prüfungsausschuss verpflichtet, die kohärente Anwendung der Bewertungskriterien auf alle Bewerber zu gewährleisten (Urteil vom 13. Januar 2021, Helbert/EUIPO, T‑548/18, EU:T:2021:4, Rn. 32). Dies gilt in besonderem Maß für die mündlichen Prüfungen, da diese Prüfungen naturgemäß weniger einheitlich sind als die schriftlichen Prüfungen (Urteil vom 13. Januar 2021, Helbert/EUIPO, T‑548/18, EU:T:2021:4, Rn. 33).

    73

    Nach Art. 1d Abs. 6 Satz 1 des Statuts sind jedoch Einschränkungen des Diskriminierungsverbots möglich, sofern sie durch „objektive und vertretbare Gründe [ge]rechtfertig[t]“ sind und legitimen Zielen von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik dienen (Urteil vom 6. Juli 2022, MZ/Kommission, T‑631/20, EU:T:2022:426, Rn. 62).

    74

    So werden dem weiten Gestaltungsspielraum, über den die Unionsorgane bei der Organisation ihrer Dienststellen verfügen, insbesondere bei der Festlegung der für die zu besetzenden Dienstposten erforderlichen Befähigungsmerkmale und bei der unter Berücksichtigung dieser Merkmale und im dienstlichen Interesse vorzunehmenden Festlegung der Voraussetzungen und der Modalitäten der Durchführung des Auswahlverfahrens, durch Art. 1d des Beamtenstatuts zwingende Grenzen gesetzt, so dass Ungleichbehandlungen nur zulässig sein können, sofern sie objektiv gerechtfertigt und im Hinblick auf die tatsächlichen dienstlichen Anforderungen verhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2022, MZ/Kommission, T‑631/20, EU:T:2022:426, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    75

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das EPSO die mündliche Prüfung des SCBI als Ersatz für die Prüfung der Gruppenübung für alle Bewerber – d. h. unabhängig davon, in welcher Situation sich diese zum Zeitpunkt der Fortsetzung des Auswahlverfahrens befanden – abgehalten hat, um dieselben Kompetenzen zu prüfen wie diejenigen, auf die sich die Prüfung der Gruppenübung speziell bezog.

    76

    Zur besonderen Durchführung der neuen Prüfung des SCBI ist zum einen festzustellen, dass das EPSO darauf bedacht war, dass der Prüfungsausschuss mit dieser Prüfung in Einklang mit der oben in den Rn. 71 und 72 dargestellten Rechtsprechung gewährleistet, dass die sechs in der Bekanntmachung genannten Kompetenzen bei allen Bewerbern einheitlich und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geprüft werden. Das EPSO hat die Bewerber mithin alle gleich behandelt.

    77

    Allerdings hat das EPSO hinsichtlich der allgemeinen Durchführung des Auswahlverfahrens Bewerber gleich behandelt, die sich in verschiedenen Situationen befanden, nämlich die Bewerber, die die ursprünglich in der Bekanntmachung vorgesehenen Prüfungen bereits abgelegt hatten, und diejenigen, die diese Prüfungen noch nicht abgelegt hatten.

    78

    Daher ist zu prüfen, ob dieser Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung objektiv und vertretbar durch ein legitimes Ziel von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik gerechtfertigt war.

    79

    Wie aus Abschnitt 4 des Nachtrags zur Bekanntmachung hervorgeht, wurde diese Gleichbehandlung damit begründet, dass das EPSO verpflichtet sei, zu gewährleisten, dass alle Bewerber hinsichtlich des Ablegens der Prüfung des SCBI gleich behandelt würden. Eine solche Gleichbehandlung stand also in Einklang mit dem in Art. 7 Abs. 1 des Anhangs III des Statuts genannten Ziel, das das EPSO mit seinem Eingriff in das Auswahlverfahren verfolgte, nämlich die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte der Union einheitliche Kriterien angewandt werden. Sie ist also im Sinne der oben in den Rn. 69 und 73 dargestellten Rechtsprechung objektiv gerechtfertigt.

    80

    Somit ist festzustellen, dass das EPSO mit der Einladung des Klägers, die Prüfung des SCBI abzuleisten, nach der oben in Rn. 70 dargestellten Rechtsprechung nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat.

    5) Zu der Rüge eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

    81

    Art. 1 Abs. 1 und 2 des Anhangs III des Statuts bestimmt:

    „(1)   Die Stellenausschreibung wird von der Anstellungsbehörde nach Anhörung des Paritätischen Ausschusses angeordnet. In der Stellenausschreibung sind anzugeben:

    a)

    die Art des Auswahlverfahrens (Auswahlverfahren innerhalb des Organs, Auswahlverfahren innerhalb der Organe, allgemeines – gegebenenfalls von zwei oder mehr Organen gemeinsam durchgeführtes – Auswahlverfahren);

    b)

    das Verfahren (Auswahlverfahren auf Grund von Befähigungsnachweisen, auf Grund von Prüfungen oder auf Grund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen);

    c)

    die Art der Tätigkeiten und des Aufgabenbereichs, die mit dem zu besetzenden Dienstposten verbunden sind sowie die angebotene Funktions- und Besoldungsgruppe;

    e)

    bei einem Auswahlverfahren auf Grund von Prüfungen: die Art der Prüfungen und ihre Bewertung;

    Bei von zwei oder mehr Organen gemeinsam durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren wird die Stellenausschreibung von der Anstellungsbehörde im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 des Statuts nach Anhörung des gemeinsamen Paritätischen Ausschusses angeordnet.

    (2)   Allgemeine Stellenausschreibungen sind spätestens einen Monat vor dem für die Einreichung der Bewerbungen festgelegten Zeitpunkt und gegebenenfalls mindestens zwei Monate vor dem Zeitpunkt der Prüfungen im [Amtsblatt] zu veröffentlichen.“

    82

    Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. e des Anhangs III des Statuts sind bei einem Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen in der Stellenausschreibung demnach die Art der Prüfungen und ihre Bewertung anzugeben (Urteil vom 21. März 2013, Taghani/Kommission, F‑93/11, EU:F:2013:40, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 14. Juli 1983, Detti/Gerichtshof, 144/82, EU:C:1983:211, Rn. 27).

    83

    Auch wenn der Prüfungsausschuss bei der Festlegung der Bedingungen eines Auswahlverfahrens über ein weites Ermessen verfügt, ist er an den Text der Ausschreibung, wie er veröffentlicht wurde, gebunden. Der Wortlaut der Ausschreibung stellt sowohl den Rahmen der Rechtmäßigkeit als auch den Rahmen für das Ermessen des Prüfungsausschusses dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2004, Schumann/Kommission, T‑49/03, EU:T:2004:314, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    84

    Im vorliegenden Fall wurden mit dem Nachtrag zur Bekanntmachung die Modalitäten der Prüfung der Kompetenzen, die mit der Prüfung der Gruppenübung erfolgen sollte, und damit die Art der Prüfungen, wie sie vorher gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. e des Anhangs III des Statuts festgelegt worden war, geändert, nachdem ein Teil der Bewerber die Zugangstests bereits abgelegt hatte. Die Prüfung der Gruppenübung wurde durch eine von den Bewerbern einzeln als Fernprüfung abzulegende Prüfung, das SCBI, ersetzt.

    85

    Der Grundsatz des Vertrauensschutzes folgt nach ständiger Rechtsprechung zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, der gebietet, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sein müssen, und der die Voraussehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten soll (Urteile vom 15. Februar 1996, Duff u. a., C‑63/93, EU:C:1996:51, Rn. 20, und vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 90). Diese Grundsätze verbieten es, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Union auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen, es sei denn, das angestrebte Ziel verlangt es und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen ist gebührend beachtet (vgl. Urteil vom 10. November 2010, HABM/Simões Dos Santos, T‑260/09 P, EU:T:2010:461, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    86

    Danach ist zu prüfen, ob, wie der Kläger geltend macht, die nicht vorhersehbare Änderung der Art der Prüfung, nachdem diese teilweise abgehalten worden war, gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit im Sinne der oben in Rn. 85 dargestellten Rechtsprechung verstößt.

    87

    Im vorliegenden Fall ist zum einen, was die Voraussetzung betreffend das angestrebte Ziel angeht, festzustellen, dass der Erlass des Nachtrags zur Bekanntmachung wegen der außergewöhnlichen Umstände der Covid-19-Pandemie gerechtfertigt war, um es den Bewerbern und dem Organ zu ermöglichen, das Auswahlverfahren unter in gesundheitlicher Hinsicht praktikablen, verhältnismäßigen und akzeptablen Bedingungen fortzuführen (siehe oben, Rn. 58 bis 67). Damit diente der Erlass des Nachtrags zur Bekanntmachung letztlich der Effizienz der Einstellung aufgrund eines Auswahlverfahrens. Da die in Rede stehende Änderung der Art der Prüfung ausnahmsweise durch das Ziel geboten war, die mit dem Auswahlverfahren bezweckte Einstellung trotz der Schwierigkeiten der epidemischen Lage zu gewährleisten, ist festzustellen, dass die erste Voraussetzung für eine Ausnahme gemäß der oben in Rn. 85 dargestellten Rechtsprechung erfüllt ist.

    88

    Zum anderen ist zur zweiten Voraussetzung für eine Ausnahme (Beachtung des berechtigten Vertrauens des Klägers) festzustellen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen kann, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, ist an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gemacht haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Vorschriften entsprechen (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    89

    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 57), hatte das EPSO im vorliegenden Fall allerdings während des laufenden Verfahrens mit einem Fall höherer Gewalt zu tun, nämlich dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Unter diesen Umständen war es nicht möglich, die ursprünglich in der Bekanntmachung festgelegten Modalitäten des Auswahlverfahrens aufrechtzuerhalten. Unter den außergewöhnlichen Umständen des vorliegenden Falles kann sich der Kläger daher nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um zu erreichen, dass die Modalitäten des Auswahlverfahrens, wie sie ursprünglich in der Bekanntmachung festgelegt waren, in seinem Fall Anwendung finden.

    90

    Im Übrigen hat das EPSO bei der Gruppenübung zwar die Art der Prüfung geändert, aber alles getan, um diese Änderung so zu gestalten, dass das Ziel dieser Prüfung, wie es in der Bekanntmachung im Abschnitt „WIE LÄUFT DAS AUSWAHLVERFAHREN AB?“ unter Nr. 5 festgelegt ist, nämlich, dass die sechs Kompetenzen, die dort genannt sind, geprüft werden, erreicht werden konnte. Ferner konnten diese sechs Kompetenzen beim Kläger trotz der Änderung der Regeln betreffend die Art der Prüfung auch tatsächlich geprüft werden. Er wurde nämlich ebenso wie alle übrigen Bewerber zu der Prüfung des SCBI eingeladen.

    91

    Unter diesen Umständen war das EPSO, da es gemäß Art. 7 Abs. 1 und 2 des Anhangs III des Statuts befugt war, die allgemeinen Auswahlverfahren durchzuführen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren einheitliche Kriterien angewandt werden, und insoweit über ein weites Ermessen verfügte, nicht verpflichtet, für eine Änderung der Modalitäten der Prüfungen vorab die Zustimmung der Bewerber, darunter des Klägers, einzuholen. Die Rüge des Klägers, es hätte nicht davon ausgegangen werden dürfen, dass er der Teilnahme an den Prüfungen zustimme (siehe oben, Rn. 42), geht mithin ins Leere und ist zurückzuweisen.

    92

    Was das Schreiben vom 1. Juli 2020 (siehe oben, Rn. 14 und 41) angeht, hat das EPSO darin ausgeführt, dass „[es sich] [a]ngesichts der jüngsten Entwicklungen und der Politiken der Mitgliedstaaten, was die COVID-19-Situation angeh[e], … dafür entschieden [habe], eine Fortsetzung des Verfahrens in den Testzentren ungefähr für die zweite Hälfte des Monats September zu planen“. Zwar heißt es in dem Schreiben in der Tat, dass die „Bewerber, die ihr Assessment Center bereits absolviert [hätten], nicht erneut eingeladen [würden]“. Diese Information steht aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Verbesserung der zuvor beschriebenen epidemischen Lage, und es ist von einer Fortsetzung der Assessment-Center in Präsenzform die Rede, d. h. nach den in der Bekanntmachung vorgesehenen Modalitäten. Aufgrund des genannten Vorbehalts wurde beim Kläger kein berechtigtes Vertrauen dahin begründet, dass das Verfahren auch dann weiter in Präsenzform durchgeführt würde, wenn sich die epidemische Lage verschlechtern würde und es wegen höherer Gewalt unbedingt erforderlich wäre, das Verfahren anzupassen, um es fortsetzen zu können.

    93

    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

    [nicht wiedergegeben]

    c)   Zum dritten Klagegrund: Ungleichbehandlung gegenüber den Bewerbern, die sämtliche Prüfungen als Fernprüfungen abgelegt haben

    115

    Der Kläger macht geltend, dass er die Prüfungen „Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen“ und „Gespräch zu den fachbezogenen Kompetenzen“ am 3. März 2020 im Assessment-Center in Präsenzform abgelegt habe, während die Bewerber, die diese Prüfungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelegt gehabt hätten, diese später im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens ab Herbst 2020 per Videokonferenz als Fernprüfungen abgelegt hätten. Wegen dieses Unterschieds hinsichtlich der Modalitäten der Ablegung der Prüfungen habe das EPSO ihn gegenüber den übrigen Bewerbern ungleich behandelt und zudem Verfahrensfehler begangen.

    116

    Falls den Bewerbern bei den als Fernprüfungen durchgeführten Prüfungen dieselben Aufgaben und Fragen vorgelegt worden seien wie den Bewerbern, die die im Rahmen des Assessment-Centers erfolgenden Prüfungen bereits in Präsenzform abgelegt hätten, wären Erstere gegenüber Letzteren begünstigt worden, weil sie für die Beantwortung der Fragen wegen der durch die elektronische Wiedergabe gemäß den neuen Modalitäten der Ablegung der Prüfungen als Fernprüfungen bedingten Zeitverzögerung mehr Zeit gehabt hätten. Die Bedingungen des Gesprächs seien bei diesen Bewerbern, weil sie mehr Zeit gehabt hätten, besser gewesen, was sich positiv auf deren Bewertung ausgewirkt haben könne. Das EPSO habe nicht versucht, diese Schlechterstellung zu korrigieren oder auszugleichen, obwohl solche Maßnahmen bei einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen rechtlich zulässig seien.

    117

    Durch die Schaffung von Prüfungsbedingungen, die für die Bewerber objektiv nicht gleich gewesen seien, habe das EPSO auch einen Verfahrensfehler begangen, indem es den Nachtrag zur Bekanntmachung erlassen habe, ohne seine Interessen und die der übrigen Bewerber, die die Prüfungen in Präsenzform abgelegt hätten, zu berücksichtigen. Die Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung gehe hierauf gar nicht ein, obwohl der Antrag darauf abgezielt habe. Das EPSO sei daher seiner Begründungspflicht gemäß Art. 296 AEUV nicht nachgekommen.

    118

    Somit ist nach der oben in den Rn. 118 und 119 dargestellten Rechtsprechung festzustellen, dass die Kommission nicht gegen ihre Begründungspflicht verstoßen hat.

    [nicht wiedergegeben]

    124

    Als Zweites ist zu der behaupteten Ungleichbehandlung wegen der Abhaltung der Prüfungen als Fernprüfungen festzustellen, dass das Gericht im Rahmen der richterlichen Kontrolle der Entscheidung eines Prüfungsausschusses, einen Bewerber nicht in die Reserveliste aufzunehmen, prüft, ob die einschlägigen Rechtsvorschriften eingehalten wurden – d. h. die Vorschriften, insbesondere über das Verfahren, die im Statut und in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens festgelegt sind, und die Vorschriften, die die Arbeiten des Prüfungsausschusses regeln, insbesondere das Gebot der Unparteilichkeit des Prüfungsausschusses und dessen Verpflichtung, die Bewerber gleich zu behandeln – und ob kein Ermessensmissbrauch vorliegt (Urteil vom 6. Juli 2022, JP/Kommission, T‑179/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:423, Rn. 67).

    125

    Nach der oben in den Rn. 69 bis 74 dargestellten Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist und legitimen Zielen von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik dient, und hat der Prüfungsausschuss, der verpflichtet ist, die kohärente Anwendung der Bewertungskriterien auf alle Bewerber zu gewährleisten, dafür zu sorgen, dass alle Bewerber in demselben Auswahlverfahren die gleiche Prüfung unter den gleichen Bedingungen ablegen, und somit darauf zu achten, dass die Prüfungen für alle Bewerber eindeutig den gleichen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Dies gilt in besonderem Maße für die mündlichen Prüfungen.

    126

    Nach der Rechtsprechung bringt jede Prüfung allgemein naturgemäß die Gefahr einer Ungleichbehandlung mit sich. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung kann daher nur dann festgestellt werden, wenn der Prüfungsausschuss bei der Wahl der Prüfungen die Gefahr der Chancenungleichheit nicht auf die begrenzt hat, die allgemein jeder Prüfung innewohnt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. März 2008, Giannini/Kommission, T‑100/04, EU:T:2008:68, Rn. 133). Die Entscheidung, einen Bewerber nicht in die Reserveliste aufzunehmen, ist daher aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass das Auswahlverfahren so organisiert war, dass die Gefahr einer Ungleichbehandlung höher war als die Gefahr, die jedem Auswahlverfahren innewohnt, ohne dass der betroffene Bewerber nachweisen muss, dass bestimmte Bewerber tatsächlich im Vorteil waren (Urteil vom 12. Februar 2014, De Mendoza Asensi/Kommission, F‑127/11, EU:F:2014:14, Rn. 46).

    127

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Änderung der Modalitäten der Prüfungen erfolgt ist, weil das mit der Covid-19-Pandemie, einem Fall höherer Gewalt, konfrontierte EPSO die Fortsetzung des Auswahlverfahrens unter Bedingungen gewährleisten musste, bei denen alle Bewerber gleich behandelt werden, und gleichzeitig die Modalitäten der Prüfungen verhältnismäßig anpassen musste, um die etwaigen nachteiligen Auswirkungen der Aussetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens sowohl auf die Bewerber als auch auf das einstellende Organ zu begrenzen (siehe oben, Rn. 59). Auch wenn Bewerber, die sich in Situationen befanden, die hinsichtlich des Auswahlverfahrens vergleichbar waren, bei der Ablegung der Prüfungen wegen mehrerer Modalitäten der Abhaltung der Prüfungen unterschiedlich behandelt worden sind, war eine solche Ungleichbehandlung daher dennoch objektiv gerechtfertigt und diente einem legitimen Ziel von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik.

    128

    Außerdem geht aus den im Vorfeld durchgeführten Studien, die von dem EPSO bei der Änderung der Modalitäten der Prüfungen herangezogen worden sind, hervor, dass die Modalitäten der Abhaltung der Prüfungen als Fernprüfungen im Kontext der Covid-19-Pandemie bei vorausgegangenen Prüfungen ausprobiert worden waren und dass sich anschließend erwiesen hatte, dass sie technisch zuverlässig sind, es hinsichtlich der Richtigkeit der Bewertung und der Ergebnisse der Bewerber keine signifikanten Unterschiede gibt und sie zudem von den Bewerbern mehrheitlich positiv aufgenommen wurden (siehe oben, Rn. 62). Weiter ist den Abschnitten 2 und 4 des Nachtrags zur Bekanntmachung im Wesentlichen zu entnehmen, dass die Bewerber inhaltlich dieselben Prüfungen abgelegt haben – einen Sonderfall stellt lediglich die Gruppenübung dar, die durch das von allen Bewerbern abzulegende SCBI ersetzt wurde – und dass sich die Prüfungen somit allein hinsichtlich der Form und der Umgebung, in der sie abgelegt wurden, geändert haben, nicht aber hinsichtlich ihres Inhalts, ihrer Methode und ihrer Schwierigkeit.

    129

    Im Übrigen ist festzustellen, dass die Prüfer bei den einzelnen Prüfungen hinsichtlich der Gesprächsführung, der innerhalb des Gegenstands der Bekanntmachung angesprochenen Themen und Bereiche und der Fragen, die sie stellten, über ein weites Ermessen verfügten, auch wenn bei allen Bewerbern unabhängig von der Form, in der die Prüfungen abgehalten wurden, dieselben Beurteilungskriterien angewandt wurden. Die vom Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bei der Bewertung der Kenntnisse und der Eignung der Bewerber vorgenommenen Beurteilungen sind nämlich Ausdruck eines Werturteils über die Prüfungsleistung jedes Bewerbers und fallen unter das weite Ermessen des Prüfungsausschusses. Sie können vom Richter nur überprüft werden, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorschriften vorliegt, die für die Arbeiten des Prüfungsausschusses gelten. Es kommt dem Gericht nämlich nicht zu, die vom Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren vorgenommene Beurteilung durch seine eigene zu ersetzen (Urteil vom 12. März 2008, Giannini/Kommission, T‑100/04, EU:T:2008:68, Rn. 275).

    130

    Somit ist festzustellen, dass die unterschiedliche Behandlung der Bewerber, die dadurch erfolgte, dass die Prüfungen, die ursprünglich im Rahmen des Assessment Centers erfolgen sollten, nicht alle in Präsenzform abgehalten wurden, im vorliegenden Fall nicht geeignet war, bestimmte Bewerber gegenüber anderen zu begünstigen, und auch keine Gefahr der Chancenungleichheit geschaffen hat, die höher gewesen wäre, als die, die jedem Auswahlverfahren innewohnt. Da sie außerdem als Reaktion auf einen Fall höherer Gewalt eingeführt wurde, ist aus allen diesen Gründen festzustellen, dass diese Ungleichbehandlung, die objektiv und vertretbar gerechtfertigt war, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung darstellte.

    131

    Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

    [nicht wiedergegeben]

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Siebte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2.

    SY trägt seine eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Europäischen Kommission.

     

    3.

    Die Europäische Kommission trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

     

    da Silva Passos

    Valančius

    Truchot

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2022

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

    ( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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