Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62021CJ0524

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 16. Februar 2023.
    IG und Agenţia Municipală pentru Ocuparea Forţei de Muncă Bucureşti gegen Agenţia Judeţeană de Ocupare a Forţei de Muncă Ilfov und IM.
    Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Bucureşti.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – Richtlinie 2008/94/EG – Übernahme der Befriedigung der Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern durch Garantieeinrichtungen – Begrenzung der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen auf Arbeitsentgeltansprüche aus dem Zeitraum von drei Monaten vor oder nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – Anwendung einer Verjährungsfrist – Rückforderung von Beträgen, die von der Garantieeinrichtung rechtsgrundlos gezahlt wurden – Voraussetzungen.
    Verbundene Rechtssachen C-524/21 und C-525/21.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:100

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

    16. Februar 2023 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers – Richtlinie 2008/94/EG – Übernahme der Befriedigung der Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern durch Garantieeinrichtungen – Begrenzung der Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen auf Arbeitsentgeltansprüche aus dem Zeitraum von drei Monaten vor oder nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – Anwendung einer Verjährungsfrist – Rückforderung von Beträgen, die von der Garantieeinrichtung rechtsgrundlos gezahlt wurden – Voraussetzungen“

    In den verbundenen Rechtssachen C‑524/21 und C‑525/21

    betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidungen vom 16. April 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 24. August 2021, in den Verfahren

    IG

    gegen

    Agenţia Judeţeană de Ocupare a Forţei de Muncă Ilfov (C‑524/21)

    und

    Agenţia Municipală pentru Ocuparea Forţei de Muncă Bucureşti

    gegen

    IM (C‑525/21)

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen, N. Wahl und J. Passer,

    Generalanwalt: J. Richard de la Tour,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

    der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde als Bevollmächtigten,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia, A. Katsimerou und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. September 2022

    folgendes

    Urteil

    1

    Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 4 Abs. 2 und Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. 2008, L 283, S. 36).

    2

    Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen IG und der Agenția Județeană de Ocupare a Forței de Muncă Ilfov (Regionale Agentur für Arbeit Ilfov, Rumänien, im Folgenden: Agentur Ilfov) (Rechtssache C‑524/21) bzw. zwischen der Agenția Municipală pentru Ocuparea Forței de Muncă București (Agentur für Arbeit der Stadt Bukarest, Rumänien) (im Folgenden: Agentur Bukarest) (Rechtssache C‑525/21) und IM über die Rückforderung von Beträgen durch diese Agenturen, die vom Fondul de garantare pentru plata creanțelor salariale (Garantiefonds zur Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen, Rumänien) (im Folgenden: Garantiefonds) wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von IG und IM, die Arbeitnehmer sind, gezahlt wurden.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Kapitel I („Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2008/94 umfasst deren Art. 1 und 2.

    4

    Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

    „Diese Richtlinie gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind.“

    5

    Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

    „Im Sinne dieser Richtlinie gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde

    a)

    die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat oder

    b)

    festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.“

    6

    Kapitel II („Vorschriften über die Garantieeinrichtungen“) der Richtlinie 2008/94 enthält die Art. 3 bis 5.

    7

    Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

    Die Ansprüche, deren Befriedigung die Garantieeinrichtung übernimmt, sind die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt.“

    8

    Art. 4 dieser Richtlinie lautet:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen.

    (2)   Machen die Mitgliedstaaten von der in Absatz 1 genannten Möglichkeit Gebrauch, so legen sie die Dauer des Zeitraums fest, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat. Diese Dauer darf jedoch einen Zeitraum, der die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und die damit verbundenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt umfasst und der vor und/oder nach dem Zeitpunkt gemäß Artikel 3 Absatz 2 liegt, nicht unterschreiten.

    Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass dieser Mindestzeitraum von drei Monaten innerhalb eines Bezugszeitraums von mindestens sechs Monaten liegen muss.

    Die Mitgliedstaaten, die einen Bezugszeitraum von mindestens 18 Monaten vorsehen, können den Zeitraum, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat, auf acht Wochen beschränken. In diesem Fall werden für die Berechnung des Mindestzeitraums die für die Arbeitnehmer vorteilhaftesten Zeiträume zugrunde gelegt.

    (3)   Die Mitgliedstaaten können Höchstgrenzen für die von der Garantieeinrichtung zu leistenden Zahlungen festsetzen. Diese Höchstgrenzen dürfen eine mit der sozialen Zielsetzung dieser Richtlinie zu vereinbarende soziale Schwelle nicht unterschreiten.

    Machen die Mitgliedstaaten von dieser Befugnis Gebrauch, so teilen sie der [Europäischen] Kommission mit, nach welcher Methode sie die Höchstgrenze festsetzen.“

    9

    Kapitel V („Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen“) der Richtlinie 2008/94 enthält deren Art. 11 bis 18.

    10

    Art. 12 dieser Richtlinie sieht vor:

    „Diese Richtlinie steht nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen,

    a)

    die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen;

    …“

    Rumänisches Recht

    11

    Art. 2 der Legea nr. 200/2006 privind constituirea și utilizarea Fondului de garantare pentru plata creanțelor salariale (Gesetz Nr. 200/2006 über die Einrichtung und Verwendung des Garantiefonds zur Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 453 vom 25. Mai 2006) sieht vor:

    „Der Garantiefonds sichert die Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen aus Einzelarbeitsverträgen und Tarifverträgen, die Arbeitnehmer mit Arbeitgebern geschlossen haben, gegen die rechtskräftige Gerichtsentscheidungen über die Eröffnung von Insolvenzverfahren ergangen sind und denen das Recht auf Verwaltung ganz oder teilweise entzogen wurde, im Folgenden: [zahlungsunfähige Arbeitgeber]).“

    12

    Art. 13 Abs. 1 Buchst. a dieses Gesetzes bestimmt:

    „In den Grenzen und unter den Bedingungen dieses Kapitels werden die folgenden Kategorien von Arbeitsentgeltansprüchen aus Mitteln des Garantiefonds gedeckt: ausstehende Gehälter …“

    13

    Art. 14 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:

    „Der Gesamtbetrag der vom Garantiefonds übernommenen Arbeitsentgeltansprüche darf den Betrag von drei durchschnittlichen Bruttoentgelten auf Landesebene pro Arbeitnehmer nicht übersteigen.“

    14

    In Art. 15 dieses Gesetzes heißt es:

    „(1)   Die in Art. 13 Abs. 1 Buchst. a, c, d und e genannten Arbeitsentgeltansprüche werden für einen Zeitraum von drei Kalendermonaten gedeckt.

    (2)   Der in Abs. 1 genannte Zeitraum ist der vor oder nach dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegende Zeitraum vor dem Tag, an dem die Ansprüche geltend gemacht werden.“

    15

    Art. 5 Abs. 1 der Normele metodologice de aplicare a Legii nr. 200/2006 privind constituirea și utilizarea Fondului de garantare pentru plata creanțelor salariale (Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 200/2006) vom 21. Dezember 2006 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 1038 vom 28. Dezember 2006, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) sieht vor:

    „Die in Art. 13 Abs. 1 Buchst. a, c, d und e des Gesetzes [Nr. 200/2006] genannten Arbeitsentgeltansprüche beziehen sich auf den in Art. 15 Abs. 1 [dieses] Gesetzes genannten Zeitraum von drei Kalendermonaten, der vor dem Monat liegt, in dem die Ansprüche geltend gemacht werden.“

    16

    In Art. 7 Abs. 1 und 2 der Durchführungsbestimmungen heißt es:

    „(1)   Sind die Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer des zahlungsunfähigen Arbeitgebers vor dem Monat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, so liegt der in Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes [Nr. 200/2006] genannte Zeitraum von drei Kalendermonaten vor dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung.

    (2)   Sind die Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer des zahlungsunfähigen Arbeitgebers nach dem Monat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, so liegt der in Art. 15 Abs. 1 [dieses] Gesetzes genannte Zeitraum nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung.“

    17

    Art. 47 Abs. 1 der Legea nr. 76/2002 privind sistemul asigurărilor pentru șomaj și stimularea ocupării forței de muncă (Gesetz Nr. 76/2002 über die Arbeitslosenversicherung und die Förderung der Beschäftigung) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 103, vom 6. Februar 2002) lautet:

    „Die aus dem Haushalt der Arbeitslosenversicherungen rechtsgrundlos gezahlten Beträge sowie jede andere Belastung des Haushalts der Arbeitslosenversicherungen, die nicht auf den Beitrag zur Arbeitsversicherung zurückgeht, werden auf der Grundlage von Entscheidungen der Agenturen für Arbeit … zurückgefordert, die vollstreckbare Titel darstellen.“

    18

    Art. 731 der Legea nr. 500/2002 privind finanțele publice (Gesetz Nr. 500/2002 über die öffentlichen Finanzen) (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 597, vom 13. August 2002) in der durch das Gesetz Nr. 270/2013 geänderten Fassung bestimmt:

    „Bei der Rückforderung von Schadensersatzbeträgen/rechtswidrigen Zahlungen aus öffentlichen Mitteln, die von den zuständigen Kontrollinstanzen festgesetzt wurden, werden die für Haushaltseinnahmen geltenden Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis bzw. Säumniszuschläge erhoben, die für den Zeitraum zwischen dem Eintritt des Schadens/der Zahlung und der Einziehung der Beträge berechnet werden.“

    Ausgangsrechtsstreitigkeiten, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

    19

    Am 13. März 2017 gab die Agentur Ilfov dem Antrag eines Insolvenzverwalters auf Feststellung und Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber zahlungsunfähig geworden war, für die Monate Mai, Juni und Juli 2013 durch den Garantiefonds statt. Dabei wurde der Arbeitsentgeltanspruch von IG auf 1308 rumänische Lei (RON) (ca. 264 Euro) festgesetzt und an ihn ausgezahlt (Rechtssache C‑524/21).

    20

    Am 14. März 2018 gab die Agentur Bukarest dem Antrag eines Insolvenzverwalters auf Feststellung und Befriedigung der von einem zahlungsunfähigen Arbeitgeber geschuldeten Arbeitsentgeltansprüche durch den Garantiefonds statt. Infolgedessen wurde der Arbeitsentgeltanspruch von IM auf 3143 RON (ca. 634 Euro) festgesetzt und an ihn ausgezahlt (Rechtssache C‑525/21).

    21

    Nach einer Entscheidung der Curtea de Conturi a României (Rechnungshof Rumäniens) vom 6. August 2019 wurde der Agenția Națională pentru Ocuparea Forței de Muncă (Nationale Arbeitsagentur, Rumänien) aufgegeben, Maßnahmen zur Rückforderung der Zahlungen zu ergreifen, die vom Garantiefonds rechtsgrundlos für von bestimmten zahlungsunfähigen Arbeitgebern geschuldete ausstehende Gehälter für Zeiträume geleistet worden waren, die nicht in dem von Art. 15 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 200/2006 – wie er zwischenzeitlich von der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) in einem Urteil vom 5. März 2018 ausgelegt wurde – vorgesehenen dreimonatigen Zeitraum unmittelbar vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser Arbeitgeber enthalten waren oder die nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist geltend gemacht wurden. Mit Erlass des Präsidenten der nationalen Arbeitsagentur vom 2. September 2019 wurden die regionalen und kommunalen Arbeitsagenturen Rumäniens damit beauftragt, den Umfang des vom Garantiefonds erlittenen Schadens zu ermitteln und die sich daraus ergebende Rückforderung vorzunehmen.

    22

    Mit Entscheidung vom 6. Dezember 2019, die in Durchführung des Erlasses vom 2. September 2019 erging, ordnete der Exekutivdirektor der Agentur Bukarest die Rückforderung des von IM für die Monate Oktober und November 2017 rechtsgrundlos erhaltenen Arbeitsentgelts an (Rechtssache C‑525/21). Diese Monate lagen nämlich außerhalb des dreimonatigen Bezugszeitraums unmittelbar vor oder unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers von IM, dem 22. Januar 2015.

    23

    Mit Entscheidung vom 31. Dezember 2019 ordnete der Exekutivdirektor der Agentur Ilfov die Rückforderung des von IG für die Monate Mai, Juni und Juli 2013 rechtsgrundlos erhaltenen Arbeitsentgelts zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis an (Rechtssache C‑524/21), da der Antrag auf Übernahme der Befriedigung der Arbeitsentgeltansprüche von IG vom Insolvenzverwalter am 8. Februar 2017 gestellt worden sei, das Insolvenzverfahren aber am 19. März 2010 eröffnet worden sei, so dass der in Rede stehende Arbeitsentgeltanspruch außerhalb des dreimonatigen Bezugszeitraums unmittelbar vor oder unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers von IG liege.

    24

    IM und IG erhoben beim Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) jeweils Klage gegen die Entscheidung des Exekutivdirektors der Agentur Bukarest vom 6. Dezember 2019 bzw. die Entscheidung des Exekutivdirektors der Agentur Ilfov vom 31. Dezember 2019.

    25

    Mit Urteil vom 25. Mai 2020 wies das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) die Klage von IG als unbegründet ab. Mit Urteil vom 14. Juli 2020 gab es der Klage von IM statt.

    26

    IG und die Agentur Bukarest legten gegen diese Urteile bei der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, jeweils ein Rechtsmittel ein.

    27

    Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts stellt sich in den Ausgangsverfahren die Frage, ob eine Verwaltungspraxis, wonach die nationale Regelung in einer Art und Weise ausgelegt wird, dass Arbeitsentgeltansprüche in Frage gestellt würden, die zuvor an Arbeitnehmer zahlungsunfähiger Arbeitgeber gezahlt worden seien, mit der sozialen Zielsetzung der Richtlinie 2008/94 vereinbar sei. Diese Verwaltungspraxis gehe auf die in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannte Entscheidung der Curtea de Conturi a României (Rechnungshof Rumäniens) zurück, die infolge der in Rn. 21 des vorliegenden Urteils genannten Auslegung dieser Regelung durch die Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) erlassen worden sei.

    28

    Diese Verwaltungspraxis habe dadurch eine für diese Arbeitnehmer nachteilige rechtliche Situation geschaffen, dass sie die Gewissheit und Sicherheit der Rechtsbeziehungen durch das Infragestellen von Arbeitsentgeltansprüchen beeinträchtige, die bereits an diese Arbeitnehmer gezahlt worden seien, sowie dadurch, dass sie ohne geeignete nationale Rechtsgrundlage eine Pflicht zur Rückzahlung bereits erhaltener Beträge gegebenenfalls zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis vorsehe.

    29

    Des Weiteren fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in den bei ihm anhängigen Rechtssachen in Rede stehende nationale Regelung, die die Rückforderung von Beträgen vom Arbeitnehmer vorsehe, die nach Ablauf der Verjährungsfrist für die nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer eines zahlungsunfähigen Arbeitgebers entrichtet worden seien, als „zur Vermeidung von Missbräuchen“ im Sinne von Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94 erlassen angesehen werden könne, da die Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen beim Arbeitnehmer infolge eines Antrags des Insolvenzverwalters des Arbeitgebers beim Garantiefonds erfolgt sei, ohne dass ein dem betreffenden Arbeitnehmer zuzurechnendes Handeln oder Unterlassen vorliege.

    30

    Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Bucureşti (Regionalgericht Bukarest) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in den Rechtssachen C‑524/21 und C‑525/21 gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Stehen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 unter dem Gesichtspunkt des autonomen Begriffs „zahlungsunfähig“ einer nationalen Regelung zur Umsetzung dieser Richtlinie – Art. 15 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 200/2006 über die Einrichtung und Verwendung des Garantiefonds zur Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen in Verbindung mit Art. 7 der Durchführungsbestimmungen – in der Auslegung der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) entgegen, wonach der Zeitraum von drei Monaten, für den der Garantiefonds die Arbeitsentgeltansprüche gegen den zahlungsunfähigen Arbeitgeber übernehmen und befriedigen kann, ausschließlich an den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anknüpft?

    2.

    Stehen Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 Art. 15 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 200/2006 über die Einrichtung und Verwendung des Garantiefonds zur Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen in der Auslegung der Înalta Curte de Casație și Justiție (Oberster Kassations- und Gerichtshof) entgegen, wonach der Zeitraum von höchstens drei Monaten, für den der Garantiefonds die Arbeitsentgeltansprüche gegen den zahlungsunfähigen Arbeitgeber übernehmen und befriedigen kann, innerhalb des Bezugszeitraums von drei Monaten unmittelbar vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis drei Monate unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen muss?

    3.

    Ist eine nationale Verwaltungspraxis, nach der auf der Grundlage einer Entscheidung der Curtea de Conturi a României (Rechnungshof Rumäniens) und ohne eine spezielle nationale Regelung, die den Arbeitnehmer zur Erstattung verpflichtet, vom Arbeitnehmer die Beträge zurückgefordert werden, die angeblich für Zeiträume gezahlt wurden, die den gesetzlichen Rahmen überschreiten oder nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist geltend gemacht wurden, mit der sozialen Zweckbestimmung der Richtlinie 2008/94 und Art. 12 Buchst. a der Richtlinie vereinbar?

    4.

    Ist im Rahmen der Auslegung des Begriffs „Missbrauch“ in Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94 die Maßnahme, die vom Garantiefonds über den Insolvenzverwalter erfüllten Arbeitsentgeltansprüche mit dem erklärten Ziel, die allgemeine Verjährungsfrist einzuhalten, vom Arbeitnehmer zurückzufordern, eine hinreichende objektive Rechtfertigung?

    5.

    Sind eine Auslegung und eine nationale Verwaltungspraxis, nach denen von Arbeitnehmern zurückgeforderte Arbeitsentgeltansprüche einer Steuerforderung gleichgestellt werden, auf die Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zu zahlen sind, mit den Bestimmungen und dem Zweck der Richtlinie 2008/94 vereinbar?

    31

    Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2021 sind die Rechtssachen C‑524/21 und C‑525/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

    Zur Beantwortung der Vorlagefragen

    Zur ersten und zur zweiten Frage

    32

    Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 in einer Gesamtschau dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitraums, für den eine Garantieeinrichtung nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern zu befriedigen hat, der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers dieser Arbeitnehmer ist, und die diese Anspruchsbefriedigung auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt, der innerhalb eines Bezugszeitraums liegt, der die drei Monate unmittelbar vor und die drei Monate unmittelbar nach diesem Eröffnungszeitpunkt umfasst.

    33

    Gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2008/94 für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie sind.

    34

    Diese letztgenannte Bestimmung sieht vor, dass ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig gilt, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn die aufgrund der genannten nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde entweder die Eröffnung dieses Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

    35

    Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Art. 4 dieser Richtlinie Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherstellen, einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

    36

    Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 sind die Ansprüche, deren Befriedigung die Garantieeinrichtung übernimmt, die nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt.

    37

    Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, den Zeitpunkt festzulegen, vor und/oder gegebenenfalls nach dem der Zeitraum liegt, für den die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt von der Garantieeinrichtung übernommen wird, und den Mitgliedstaaten freistellt, einen angemessenen Zeitpunkt festzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. April 2013, Mustafa, C‑247/12, EU:C:2013:256, Rn. 39 und 41).

    38

    Es spricht somit nichts dagegen, dass der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Arbeitgebers von einem Mitgliedstaat als maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung des Zeitraums, für den nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers zu befriedigen sind, durch eine Garantieeinrichtung zugrunde gelegt wird.

    39

    Da in den Ausgangsverfahren feststeht, dass Arbeitsverhältnisse und nicht erfüllte Ansprüche der Arbeitnehmer bestehen, möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, welchen zeitlichen Umfang die Pflicht einer Garantieeinrichtung zur Befriedigung dieser Ansprüche hat.

    40

    Wie der Gerichtshof entschieden hat, räumt die Richtlinie 2008/94 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, die Zahlungspflicht durch die Festlegung eines Bezugszeitraums oder eines Garantiezeitraums und/oder die Festsetzung von Höchstgrenzen für die Zahlungen zu begrenzen (Urteil vom 25. Juli 2018, Guigo, C‑338/17, EU:C:2018:605, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    41

    Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt nämlich insoweit, dass die Mitgliedstaaten die in ihrem Art. 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen können. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie legen die Mitgliedstaaten, wenn sie von der in Abs. 1 genannten Möglichkeit Gebrauch machen, die Dauer des Zeitraums fest, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat. Diese Dauer darf jedoch einen Zeitraum, der die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses und die damit verbundenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt umfasst und der vor und/oder nach dem Zeitpunkt gemäß Art. 3 Abs. 2 liegt, nicht unterschreiten. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten auch festlegen, dass dieser Mindestzeitraum von drei Monaten innerhalb eines Bezugszeitraums von mindestens sechs Monaten liegen muss.

    42

    Im vorliegenden Fall geht aus den vom vorlegenden Gericht gemachten Angaben sowie aus den schriftlichen Erklärungen der rumänischen Regierung hervor, dass Art. 15 Abs. 1 und 2 des Gesetzes Nr. 200/2006 dahin zu verstehen ist, dass er einen Zeitraum von höchstens drei Monaten vorsieht, für den die nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche berücksichtigt werden können, wobei dieser Zeitraum innerhalb eines Bezugszeitraums von drei Monaten unmittelbar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und von drei Monaten unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.

    43

    Eine solche nationale Regelung, die somit die Befriedigung nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern durch eine Garantieeinrichtung auf einen Zeitraum von höchstens drei Monaten unmittelbar vor oder unmittelbar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers begrenzt, erfüllt die u. a. in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Anforderungen. Mit ihr wird nämlich die Dauer von höchstens drei Monaten, die nach dieser Bestimmung für den Zeitraum vorgeschrieben ist, für den die Garantieeinrichtung die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen hat, beachtet und dieser Zeitraum in einen Bezugszeitraum eingefügt, der die von dieser Bestimmung vorgeschriebene Mindestdauer von sechs Monaten beachtet.

    44

    Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass:

    Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitraums, für den eine Garantieeinrichtung nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern zu befriedigen hat, der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers dieser Arbeitnehmer ist, und

    Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Befriedigung nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern durch eine Garantieeinrichtung auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt, der innerhalb eines Bezugszeitraums liegt, der die drei Monate unmittelbar vor und die drei Monate unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers dieser Arbeitnehmer umfasst.

    Zur vierten Frage

    45

    Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschriften, die vorsehen, dass eine Garantieeinrichtung von einem Arbeitnehmer Beträge zurückfordert, die ihm nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer gezahlt wurden, zur Vermeidung von Missbrauch notwendige Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung darstellen können.

    46

    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94 diese Richtlinie nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegensteht, die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen.

    47

    Einleitend ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht zwar weder die Dauer noch die Rechtsgrundlage der in dieser Frage genannten allgemeinen Verjährungsfrist nach nationalem Recht erwähnt hat und auch nicht erklärt hat, inwiefern diese Frist unter den Umständen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten hätte missachtet werden können. Gleichwohl kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das vorlegende Gericht die Möglichkeit meint, dass gemäß einer solchen Frist der Anspruch auf Befriedigung der Arbeitsentgeltansprüche des Betroffenen in der Rechtssache C‑524/21 verjährt ist, unabhängig davon, ob es sich dabei um die Frist von fünf Jahren aus dem Gesetzbuch über das Steuerverfahren handelt, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vermutet, oder um die Frist von drei Jahren aus dem Zivilgesetzbuch, die von der rumänischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen erwähnt wird. In der Rechtssache C‑524/21 wurde nämlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen des betreffenden Arbeitgebers am 19. März 2010 eröffnet, der Antrag auf Befriedigung der Arbeitsentgeltansprüche aber erst am 8. Februar 2017 gestellt, also fast sieben Jahre nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

    48

    Nach dieser Klarstellung ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass, wie aus den Vorlageentscheidungen hervorgeht, gemäß den nationalen Rechtsvorschriften der Insolvenzverwalter des zahlungsunfähigen Arbeitgebers und nicht der Anspruchsberechtigte, also der betreffende Arbeitnehmer, bei einer Arbeitsagentur einen Antrag auf Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche dieses Arbeitnehmers durch den Garantiefonds stellt. Unter diesen Umständen, unter denen es ausgeschlossen scheint, dass dieser Arbeitnehmer bösgläubig gehandelt hat oder für Schritte verantwortlich gemacht werden kann, die vom Insolvenzverwalter außerhalb des gesetzlichen Rahmens zur Rückforderung von Arbeitsentgeltansprüchen unternommen wurden, kann die von dieser Regelung vorgesehene Rückforderung der Beträge, die gemäß dieser Regelung möglicherweise rechtsgrundlos gezahlt wurden, nicht bewirken, einen Missbrauch seitens des Arbeitnehmers zu verhindern.

    49

    Außerdem hat das vorlegende Gericht in den Vorlageentscheidungen keine weiteren Gesichtspunkte insbesondere in Bezug auf Handlungen oder Unterlassungen der betreffenden Arbeitnehmer benannt, die darüber aufklären könnten, inwiefern der Umstand, dass die Arbeitnehmer möglicherweise vom Garantiefonds Zahlungen für nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche erhalten haben, auf die sie letztlich wegen Verjährung keinen Anspruch hatten, im vorliegenden Fall ein missbräuchliches Verhalten seitens dieser Arbeitnehmer aufdecken könnte.

    50

    Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschriften, die vorsehen, dass eine Garantieeinrichtung von einem Arbeitnehmer Beträge zurückfordert, die ihm nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche gezahlt wurden, keine zur Vermeidung von Missbrauch notwendigen Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung darstellen können, wenn kein dem betreffenden Arbeitnehmer zuzurechnendes Handeln oder Unterlassen vorliegt.

    Zur dritten und zur fünften Frage

    51

    Mit seiner dritten und seiner fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2008/94 dahin auszulegen ist, dass sie dem entgegensteht, dass eine steuerrechtliche Regelung eines Mitgliedstaats angewandt wird, um von Arbeitnehmern Beträge zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zurückzufordern, die von einer Garantieeinrichtung wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern für die in der ersten und der zweiten Frage genannten Zeiträume, die nicht innerhalb des von der nationalen Regelung dieses Staats vorgesehenen Zeitraums liegen, rechtsgrundlos gezahlt werden oder nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist geltend gemacht werden.

    52

    Zu den Modalitäten der Rückforderung von Beträgen, die nach der anwendbaren nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2008/94 von einer Garantieeinrichtung offenbar rechtsgrundlos gezahlt wurden, ist einleitend festzustellen, dass diese Richtlinie keine Bestimmung enthält, die regelt, ob die Mitgliedstaaten eine solche Rückforderung bei Arbeitnehmern vorsehen können, und unter welchen Voraussetzungen, insbesondere verfahrensrechtlichen, diese Rückforderung vorgenommen werden kann.

    53

    Die Art. 4, 5 und 12 der Richtlinie 2008/94, nach denen die Mitgliedstaaten nicht nur die Einzelheiten des Aufbaus, der Mittelaufbringung und der Arbeitsweise der Garantieeinrichtung festlegen, sondern unter bestimmten Umständen auch den mit der Richtlinie bezweckten Schutz der Arbeitnehmer einschränken können, sehen nämlich keine Begrenzung der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vor, Beträge zurückzufordern, die nach der anwendbaren nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2008/94 rechtsgrundlos gezahlt wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2009, Visciano, C‑69/08, EU:C:2009:468, Rn. 38).

    54

    Damit steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, in ihrem nationalen Recht Bestimmungen vorzusehen, die die Modalitäten, insbesondere die verfahrensrechtlichen, hierfür festlegen, sofern diese Bestimmungen nicht weniger günstig sind als bei gleichartigen innerstaatlichen Anträgen (Grundsatz der Äquivalenz) und nicht so ausgestaltet sind, dass sie die Ausübung der Rechte, die die Richtlinie 2008/94 einräumt, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. September 2003, Pflücke, C‑125/01, EU:C:2003:477, Rn. 34, und vom 16. Juli 2009, Visciano, C‑69/08, EU:C:2009:468, Rn. 39).

    55

    Die dritte und die fünfte Frage betreffen zwar die Voraussetzungen der Rückforderung – bei den Arbeitnehmern – von Beträgen, die eine Garantieeinrichtung wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer gezahlt hat, und nicht die Ausübung – als solche – des Rechts der Arbeitnehmer auf die von der Richtlinie 2008/94 vorgesehenen Leistungen durch die Arbeitnehmer, jedoch können die Voraussetzungen der Rückforderung eine solche tatsächliche Ausübung beeinflussen und eine Auswirkung auf die Reichweite dieses Rechts haben. Infolgedessen müssen die in der vorstehenden Randnummer genannten Anforderungen, die sich aus den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität ergeben, in den Ausgangsverfahren Anwendung finden.

    56

    Was als Erstes den Grundsatz der Äquivalenz betrifft, steht dieser Grundsatz, wie sich aus der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat Modalitäten, insbesondere verfahrensrechtliche, vorsieht, die für Rückforderungen von Leistungen, deren Gewährung vom Unionsrecht geregelt wird oder diesem unterliegt, weniger günstig sind als die, die auf Rückforderungen von Leistungen ähnlicher Art anwendbar sind, deren Gewährung nur vom innerstaatlichen Recht geregelt wird oder diesem unterliegt.

    57

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, wie aus den Vorlageentscheidungen hervorgeht, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Rückforderung auf der Grundlage nationaler Bestimmungen über die Einziehung von Steuerschulden erfolgt und diese Bestimmungen vorliegend entsprechend angewandt werden.

    58

    Da die von der Richtlinie 2008/94 gewährleisteten Rechte, deren soziale Zielsetzung darin besteht, allen Arbeitnehmern auf der Ebene der Europäischen Union einen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu garantieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Juli 2018, Guigo, C‑338/17, EU:C:2018:605, Rn. 28), in den Bereich des Rechts der sozialen Sicherung von Arbeitnehmern fallen, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die in den Ausgangsverfahren angewandten Voraussetzungen der Rückforderung für die Arbeitnehmer nicht weniger günstig sind als die Voraussetzungen der Rückforderung anderer ähnlicher Leistungen, die nach den nationalen Vorschriften in diesem Bereich gewährt werden.

    59

    Für diesen Vergleich hat das vorlegende Gericht zu berücksichtigen, ob die Arbeitnehmer, die der Rückforderung der Beträge, die ihnen gemäß der Richtlinie 2008/94 gezahlt wurden, entgegentreten wollen, nicht im Vergleich zu denjenigen benachteiligt werden, gegen die ein Verfahren zur Rückforderung von Beträgen ähnlicher Art geführt wird, deren Gewährung im innerstaatlichen Recht geregelt ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, können dabei insbesondere die Möglichkeit der Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, der gute Glaube der Person, die einen Betrag rechtsgrundlos erhalten haben soll, und der Zeitpunkt, ab dem Verzugszinsen anfallen, berücksichtigt werden.

    60

    Was als Zweites den Grundsatz der Effektivität betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen grundsätzlich diesem Grundsatz genügt, soweit sie der Rechtssicherheit dient (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. September 2003, Pflücke, C‑125/01, EU:C:2003:477, Rn. 36, und vom 16. Juli 2009, Visciano, C‑69/08, EU:C:2009:468, Rn. 43).

    61

    Im vorliegenden Fall darf, wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die Anwendung der nationalen Vorschriften über die Rückforderung – bei den Arbeitnehmern – von Beträgen, die von einer Garantieeinrichtung wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche der Arbeitnehmer rechtsgrundlos gezahlt wurden, ihnen die Ausübung ihres Rechts, bei der Garantieeinrichtung die Zahlung von Beträgen zu beantragen, die ihnen wegen nicht gezahlter Arbeitsentgelte zustehen, nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

    62

    Insbesondere dürfen infolgedessen die Modalitäten des fraglichen Rückforderungsverfahrens nicht zu einer Situation führen, in der die etwaigen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Befriedigung von Arbeitsentgeltansprüchen, die ihnen effektiv zustehen, verjährt sind.

    63

    Hierzu ist hervorzuheben, dass die Ausgangsrechtsstreitigkeiten dadurch gekennzeichnet zu sein scheinen, dass die Begründetheit der Anträge auf Zahlung der nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche der betreffenden Arbeitnehmer hauptsächlich mit der Begründung verneint wird, dass diese Ansprüche nicht in den Bezugszeitraum fielen, der in der nationalen Regelung in Anwendung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 festgelegt sei.

    64

    Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitnehmer Anspruch auf die Befriedigung ihrer Arbeitsentgeltansprüche durch die Garantieeinrichtung in gleicher Höhe gehabt hätten, die in einen Zeitraum innerhalb dieses Bezugszeitraums fielen, falls diese Ansprüche tatsächlich nicht befriedigt worden wären, und dass ihnen die Zahlung gewährt worden wäre, wenn der Insolvenzverwalter in dem dafür gestellten Antrag die Zeiträume ordnungsgemäß angegeben hätte, obwohl eine solche Antragstellung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitnehmer Kenntnis von der Rückforderungsentscheidung erlangen, u. a. wegen des etwaigen Ablaufs der allgemeinen Verjährungsfrist möglicherweise rechtlich oder praktisch nicht mehr möglich ist.

    65

    Zwar hat der Gerichtshof in diesem Bereich anerkannt, dass die Festlegung angemessener Verjährungsfristen mit dem Unionsrecht vereinbar ist und dass die im rumänischen Recht vorgesehene allgemeine Verjährungsfrist, wie sie in Rn. 47 des vorliegenden Urteils dargestellt wurde, grundsätzlich angemessen erscheint, jedoch wäre es den Arbeitnehmern in einer solchen Situation letztlich nicht möglich, ihre Rechte, die ihnen die Richtlinie 2008/94 verleiht, auszuüben, und diese Situation liefe dem Effektivitätsgrundsatz zuwider, was zu prüfen aber Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    66

    In Bezug auf die von der in Rede stehenden nationalen Regelung vorgesehene Pflicht der Arbeitnehmer, Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zu zahlen, ist festzustellen, wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, dass nach dem Effektivitätsgrundsatz die etwaige Zahlung dieser Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis den Schutz der Arbeitnehmer aus der Richtlinie 2008/94 in keiner Weise beeinträchtigen darf, insbesondere nicht dadurch, dass in dem in Rn. 64 des vorliegenden Urteils erwähnten Fall das Mindestniveau des gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzes angetastet wird.

    67

    Sollte festgestellt werden, dass die Arbeitnehmer im Fall korrekter Antragstellung Anspruch auf Zahlung des im Wesentlichen gleichen Betrags wie dem, der ihnen tatsächlich infolge des vom Insolvenzverwalter gestellten fehlerhaften Antrags ausgezahlt wurde, gehabt hätten, obwohl die etwaige Unmöglichkeit, noch einen korrekten Antrag zu stellen, dem Effektivitätsgrundsatz widerspricht, müssen nämlich die Arbeitnehmer tatsächlich vollständig Anspruch auf die Befriedigung ihrer nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche innerhalb der in den Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94 und gegebenenfalls im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Grenzen haben.

    68

    Damit hätte in den Ausgangsverfahren die Rückforderung des bereits gezahlten Betrags zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zwangsläufig zur Folge, dass die Rechte beeinträchtigt würden, die den betreffenden Arbeitnehmern aus den Art. 3 und 4 der Richtlinie 2008/94 erwachsen, indem letztlich der Gesamtbetrag, der ihnen wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche zusteht, unter die dort vorgesehenen Mindestgrenzen abgesenkt würde.

    69

    Nach alledem ist auf die dritte und die fünfte Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/94 im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen ist, dass sie dem entgegensteht, dass eine steuerrechtliche Regelung eines Mitgliedstaats angewandt wird, um von Arbeitnehmern Beträge zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zurückzufordern, die von einer Garantieeinrichtung wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern für die in der ersten und der zweiten Frage genannten Zeiträume, die nicht innerhalb des von der nationalen Regelung dieses Staats vorgesehenen Bezugszeitraums liegen, rechtsgrundlos gezahlt werden oder nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist geltend gemacht werden, falls

    die von dieser nationalen Regelung vorgesehenen Voraussetzungen der Rückforderung für die Arbeitnehmer weniger günstig sind als die Voraussetzungen der Rückforderung von Leistungen, die ihnen nach den nationalen Bestimmungen im Bereich des Rechts der sozialen Sicherheit zustehen, oder

    die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Regelung es den betreffenden Arbeitnehmern unmöglich macht oder übermäßig erschwert, von der Garantieeinrichtung die Zahlung von Beträgen zu verlangen, die ihnen wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche zustehen, oder die Zahlung der von dieser nationalen Regelung vorgesehenen Zinsen oder Strafzahlungen wegen Säumnis den Schutz, der den Arbeitnehmern sowohl durch die Richtlinie 2008/94 als auch durch die nationalen Bestimmungen zu deren Umsetzung gewährt wird, insbesondere dadurch beeinträchtigt, dass das Mindestniveau des gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzes angetastet wird.

    Kosten

    70

    Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers

    sind dahin auszulegen, dass

    sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung des Zeitraums, für den eine Garantieeinrichtung nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern zu befriedigen hat, der Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers dieser Arbeitnehmer ist.

     

    2.

    Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2008/94

    sind dahin auszulegen, dass

    sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Befriedigung nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern durch eine Garantieeinrichtung auf einen Zeitraum von drei Monaten begrenzt, der innerhalb eines Bezugszeitraums liegt, der die drei Monate unmittelbar vor und die drei Monate unmittelbar nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers dieser Arbeitnehmer umfasst.

     

    3.

    Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 2008/94

    ist dahin auszulegen, dass

    von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschriften, die vorsehen, dass eine Garantieeinrichtung von einem Arbeitnehmer Beträge zurückfordert, die ihm nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche gezahlt wurden, keine zur Vermeidung von Missbrauch notwendigen Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung darstellen können, wenn kein dem betreffenden Arbeitnehmer zuzurechnendes Handeln oder Unterlassen vorliegt.

     

    4.

    Die Richtlinie 2008/94 ist im Licht der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität

    dahin auszulegen, dass

    sie dem entgegensteht, dass eine steuerrechtliche Regelung eines Mitgliedstaats angewandt wird, um von Arbeitnehmern Beträge zuzüglich Zinsen und Strafzahlungen wegen Säumnis zurückzufordern, die von einer Garantieeinrichtung wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern für die in der ersten und der zweiten Frage genannten Zeiträume, die nicht innerhalb des von der nationalen Regelung dieses Staats vorgesehenen Bezugszeitraums liegen, rechtsgrundlos gezahlt werden oder nach Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist geltend gemacht werden, falls

    die von dieser nationalen Regelung vorgesehenen Voraussetzungen der Rückforderung für die Arbeitnehmer weniger günstig sind als die Voraussetzungen der Rückforderung von Leistungen, die ihnen nach den nationalen Bestimmungen im Bereich des Rechts der sozialen Sicherheit zustehen, oder

    die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Regelung es den betreffenden Arbeitnehmern unmöglich macht oder übermäßig erschwert, von der Garantieeinrichtung die Zahlung von Beträgen zu verlangen, die ihnen wegen nicht erfüllter Arbeitsentgeltansprüche zustehen, oder die Zahlung der von dieser nationalen Regelung vorgesehenen Zinsen oder Strafzahlungen wegen Säumnis den Schutz, der den Arbeitnehmern sowohl durch die Richtlinie 2008/94 als auch durch die nationalen Bestimmungen zu deren Umsetzung gewährt wird, insbesondere dadurch beeinträchtigt, dass das Mindestniveau des gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzes angetastet wird.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.

    Top