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Document 62021CJ0411

Urteil des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 27. Oktober 2022.
Instituto do Cinema e do Audiovisual I.P gegen NOWO Communications SA.
Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal Administrativo.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 56 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Dienstleistungen des Konzipierens und der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken – Anbieter von Bezahlfernsehdiensten – Von Bezahlfernsehanbietern zu leistende Abonnementabgabe – Verwendungszweck der Einnahmen aus der Abgabe – Beschränkung – Zu ungewisse oder zu mittelbare Wirkungen.
Rechtssache C-411/21.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:836

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

27. Oktober 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 56 AEUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Dienstleistungen des Konzipierens und der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken – Anbieter von Bezahlfernsehdiensten – Von Bezahlfernsehanbietern zu leistende Abonnementabgabe – Verwendungszweck der Einnahmen aus der Abgabe – Beschränkung – Zu ungewisse oder zu mittelbare Wirkungen“

In der Rechtssache C‑411/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) mit Entscheidung vom 10. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juli 2021, in dem Verfahren

Instituto do Cinema e do Audiovisual IP

gegen

NOWO Communications SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Instituto do Cinema e do Audiovisual IP, vertreten durch M. Ferreira, A. Moura Portugal, I. Teixeira und A. T. Tiago, Advogados,

der NOWO Communications SA, vertreten durch R. Camacho Palma, Advogado,

der griechischen Regierung, vertreten durch A. Magrippi, O. Patsopoulou, M. Tassopoulou und D. Tsagkaraki als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso, G. Braun und M. Mataija als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Instituto do Cinema e do Audiovisual IP (Institut für Filmkunst und audiovisuelle Werke, im Folgenden: ICA) und der NOWO Communications SA (im Folgenden: NOWO) über die Erhebung einer Abgabe, die von den Anbietern von Bezahlfernsehdiensten zu leisten ist.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

3

Das ICA ist die Einrichtung, die gemäß der Lei Nr. 55/2012 – Princípios de ação do Estado no quadro do fomento, desenvolvimento e proteção da arte do cinema e das atividades cinematográficas e audiovisuais (Gesetz Nr. 55/2012 über die Grundsätze für staatliche Maßnahmen im Rahmen der Förderung, der Entwicklung und des Schutzes der Filmkunst und von kinematografischen und audiovisuellen Tätigkeiten) vom 6. September 2012 (Diário da República, Serie I, Nr. 173/2012 vom 6. September 2012) dafür zuständig ist, die Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken u. a. finanziell zu fördern.

4

Diese Förderung wird u. a. durch die Einnahmen aus der von den Bezahlfernsehanbietern nach Art. 10 Abs. 2 dieses Gesetzes jährlich zu leistenden Abonnementabgabe (im Folgenden: Abonnementabgabe) und durch die in Art. 10 Abs. 1 dieses Gesetzes vorgesehene Abgabe auf die Verbreitung von Werbung finanziert.

5

Im August 2013 verlangte das ICA als für die Erhebung der Abonnementabgabe zuständige Einrichtung von NOWO, einem Bezahlfernsehanbieter, eine Abgabe in Höhe von 886042,50 Euro.

6

NOWO focht den Abgabenbescheid vor dem Tribunal Administrativo e Fiscal de Almada (Verwaltungs- und Finanzgericht Almada, Portugal) an und machte im Wesentlichen geltend, die Abonnementabgabe verstoße gegen das Unionsrecht.

7

Das Gericht gab der Klage von NOWO statt und stellte fest, dass die Regelung betreffend die Förderung der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken in Anbetracht ihres Zwecks und ihrer Merkmale gegen Art. 56 AEUV verstoße. Es war insbesondere der Ansicht, dass die Einnahmen aus der Erhebung der Abonnementabgabe ausschließlich dazu dienten, die Förderung und die Verbreitung portugiesischer Filmwerke zu finanzieren, so dass der Verwendungszweck dieser Einnahmen die Kosten der inländischen Produktion im Vergleich zu denen der ausländischen Produktion verringere und daher mittelbar die grenzüberschreitende Erbringung dieser Dienstleistungen gegenüber ihrer inländischen Erbringung diskriminiere.

8

Gegen diese Entscheidung legte das ICA beim vorlegenden Gericht ein Rechtsmittel ein, das darauf gestützt ist, dass die Abonnementabgabe mit dem Unionsrecht vereinbar sei und insbesondere nicht gegen Art. 56 AEUV verstoße.

9

Insoweit macht das ICA geltend, es gebe keinen grenzüberschreitenden Bezug, der die Anwendung von Art. 56 AEUV rechtfertige, da die Tätigkeit der Erbringung von Bezahlfernsehdiensten auf das portugiesische Hoheitsgebiet beschränkt sei. Ferner sei das erstinstanzliche Gericht von der unzutreffenden Prämisse ausgegangen, dass die Abonnementabgabe ausschließlich der Finanzierung der Förderung und der Verbreitung portugiesischer Filmwerke diene, obwohl diese Finanzierung in Wirklichkeit auch europäischen Werken zugutekomme. Im Übrigen könnte selbst dann, wenn die mit dieser Abgabe erzielten Einnahmen zur Finanzierung inländischer Werke bestimmt wären, daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Abgabe gegen das Unionsrecht verstoße, da nicht erwiesen sei, dass die Anbieter von Fernsehdiensten aufgrund der Finanzierung und der Förderung inländischer Werke den Erwerb solcher Werke zum Nachteil europäischer Werke vorzögen.

10

Das vorlegende Gericht hält es für erforderlich, den Gerichtshof anzurufen, da seiner Auffassung nach ernsthafte Zweifel daran bestehen, ob die Abonnementabgabe mit Art. 56 AEUV vereinbar ist.

11

Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 55/2012, wenn er dahin ausgelegt wird, dass die darin vorgesehene Abgabe dazu dient, ausschließlich die Förderung und Verbreitung von portugiesischen Film- und audiovisuellen Werken zu finanzieren, eine mittelbare Diskriminierung der Dienstleistungserbringung zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der innerstaatlichen Erbringung der betreffenden Dienstleistungen bewirken, indem er die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Erbringung von Dienstleistungen allein innerhalb eines Mitgliedstaats erschwert, und verstößt er somit gegen Art. 56 AEUV?

2.

Kann der Umstand, dass es in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Regelungen gibt, die der des Gesetzes Nr. 55/2012 entsprechen oder dieser ähnlich sind, etwas an der Antwort auf die erste Frage ändern?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

12

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der eine Abgabe zur Finanzierung der Förderung und der Verbreitung von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken eingeführt wird.

13

Als Erstes ist festzustellen, dass diese Frage auf der Prämisse beruht, dass die Einnahmen aus der durch Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 55/2012 eingeführten Abonnementabgabe zur Finanzierung der Förderung und der Verbreitung portugiesischer Filme und audiovisueller Werke verwendet werden.

14

Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich jedoch, dass diese Auslegung nicht eindeutig aus den Bestimmungen dieses Gesetzes hervorgeht und vor dem vorlegenden Gericht vom ICA sowie im Rahmen des vorliegenden Verfahrens sowohl vom ICA als auch von der Kommission als unrichtig bezeichnet wird.

15

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16

Insbesondere ist es nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Systems der justiziellen Zusammenarbeit die Richtigkeit der Auslegung des nationalen Rechts durch das nationale Gericht zu überprüfen oder in Frage zu stellen, da diese Auslegung in die ausschließliche Zuständigkeit dieses Gerichts fällt. Der Gerichtshof hat demnach, wenn ihm ein nationales Gericht ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegt, von der Auslegung des nationalen Rechts auszugehen, die ihm dieses Gericht vorgetragen hat (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

Folglich kann die vom vorlegenden Gericht dargelegte Auslegung des nationalen Rechts, insbesondere in Bezug auf den Verwendungszweck der Einnahmen aus der Abonnementabgabe, vom Gerichtshof nicht in Frage gestellt werden.

18

Als Zweites ist festzustellen, dass die Kommission und die Hellenische Republik im Verfahren vor dem Gerichtshof ausgeführt haben, die Abonnementabgabe sei, da sich aus den portugiesischen Rechtsvorschriften nicht eindeutig ergebe, dass die Einnahmen aus dieser Abgabe ausschließlich zur Förderung der portugiesischen Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken verwendet würden, anhand anderer Bestimmungen des Unionsrechts als Art. 56 AEUV zu beurteilen. So trägt zum einen die Kommission vor, die Abonnementabgabe sei Teil einer Beihilferegelung für audiovisuelle Werke im Sinne von Art. 54 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt gemäß den Artikeln 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1). Zum anderen führen die Kommission und die Hellenische Republik aus, die Abonnementabgabe stehe im Einklang mit der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. 2010, L 95, S. 1), deren Bestimmungen es den Mitgliedstaaten erlaubten, den in ihrem eigenen Hoheitsgebiet ansässigen Mediendiensteanbietern finanzielle Beiträge aufzuerlegen, sofern die vereinnahmten Mittel dazu dienten, die Produktion europäischer Werke zu fördern.

19

Insoweit trifft es zwar zu, dass nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, dass das vorlegende Gericht eine Frage unter Bezugnahme nur auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können (Urteil vom 7. März 2017, X und X, C‑638/16 PPU, EU:C:2017:173, Rn. 39).

20

Allerdings ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, den Gegenstand der Fragen festzulegen, die es dem Gerichtshof vorlegen will. Denn nur die mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, in deren Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, haben im jeweiligen Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihrer Entscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (Urteil vom 11. Juli 2013, Belgian Electronic Sorting Technology,C‑657/11, EU:C:2013:516, Rn. 28).

21

Auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 651/2014 und der Richtlinie 2010/13 im Bereich der Förderung von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken sowie in Bezug auf die Finanzierung solcher Werke relevant sind, ist es gleichwohl nicht Sache des Gerichtshofs, den Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens zu verändern, mit dem das vorlegende Gericht zum Zweck der Prüfung, ob die Abonnementabgabe mit Art. 56 AEUV vereinbar ist, lediglich die Auslegung dieser Bestimmung erbeten hat.

22

Was diese Auslegung anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 56 AEUV Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten sind.

23

Solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs liegen in nationalen Maßnahmen, die die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (Urteil vom 3. März 2020, Google Ireland, C‑482/18, EU:C:2020:141, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Derartige Beschränkungen sind nur zulässig, wenn mit ihnen ein berechtigtes und mit dem AEU-Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, soweit sie in einem solchen Fall geeignet sind, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (Urteil vom 18. Juni 2019, Österreich/Deutschland, C‑591/17, EU:C:2019:504, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Nach gefestigter Rechtsprechung gilt die Dienstleistungsfreiheit sowohl zugunsten des Dienstleistenden als auch zugunsten des Dienstleistungsempfängers (Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C‑42/07, EU:C:2009:519, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht klären, ob die Abonnementabgabe die Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der Union beschränkt. Eine solche Beschränkung könnte seiner Ansicht nach darin liegen, dass die Verwendung der Einnahmen aus dieser Abgabe für die Produktion und die Förderung portugiesischer Filme und sonstiger audiovisueller Werke die Kosten der Dienstleistungen verringert, die von in Portugal ansässigen Dienstleistern erbracht werden, und die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen zum Nachteil derjenigen, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistern erbracht werden, erleichtert.

27

Hierzu ist erstens festzustellen, dass sowohl die Anbieter audiovisueller Mediendienste als auch die Anbieter von Bezahlfernsehdiensten wie NOWO im Rahmen ihrer Tätigkeiten Empfänger von Dienstleistungen der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken sind und sich auf Art. 56 AEUV berufen können.

28

Zweitens geht aus den Angaben des vorlegenden Gerichts hervor, dass Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 55/2012 nicht etwa zum Gegenstand hat, die Dienstleistungen der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken zu regulieren, sondern dass damit eine von Bezahlfernsehanbietern zu leistende Abgabe eingeführt werden soll, die dazu dient, die Förderung und Verbreitung solcher Werke zu finanzieren.

29

Nach ständiger Rechtsprechung verstoßen nationale Rechtsvorschriften aber nicht gegen das in Art. 56 AEUV aufgestellte Verbot, wenn sie nicht die Regelung der Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen der betreffenden Unternehmen bezwecken und ihre beschränkenden Wirkungen, die sie für den freien Dienstleistungsverkehr haben könnten, zu ungewiss und zu mittelbar sind, als dass die in ihnen aufgestellte Verpflichtung als geeignet angesehen werden könnte, diese Freiheit zu behindern (Urteil vom 27. April 2022, Airbnb Ireland, C‑674/20, EU:C:2022:303, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Im vorliegenden Fall lässt sich mangels näherer Angaben zum Gesamtbetrag der Einnahmen aus der Abonnementabgabe und angesichts der Tatsache, dass die Einnahmen aus dieser Abgabe dazu bestimmt sind, die Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken auf der gesamten Ebene des betreffenden Wirtschaftssektors zu fördern, nicht feststellen, dass diese Abgabe in Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr beschränkende Wirkungen hat.

31

Zunächst ist es anhand der dem Gerichtshof vorliegenden Akten nicht möglich, den Gesamtbetrag der mit den Einnahmen aus der Abonnementabgabe finanzierten Förderung des Konzipierens und der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken zu beziffern. Den Akten ist allenfalls zu entnehmen, dass sich im vorliegenden Fall der von NOWO für das Jahr 2013 als Abgabe verlangte Betrag auf 886042,50 Euro beläuft, wobei die Einnahmen aus der Abonnementabgabe aber für die Förderung des gesamten Sektors der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken verwendet werden müssen und der fragliche Betrag im Licht der Gesamtkosten der Produktion solcher Werke zu betrachten ist.

32

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Produktion eines Films oder sonstigen audiovisuellen Werks die Mitwirkung vieler verschiedener Dienstleister erfordert, die in verschiedenen Produktionsstadien tätig werden und unterschiedliche Dienstleistungen anbieten.

33

Schließlich kann, da die Verteilung der Einnahmen aus der Abonnementabgabe nicht von vornherein feststeht, nicht festgestellt werden, dass jedes produzierte Werk davon profitiert.

34

Daraus folgt, dass die finanzielle Förderung, deren Gesamtbetrag unklar ist, in nicht eindeutig festgelegter Weise unter einer Vielzahl von Filmproduktionen und audiovisuellen Produktionen sowie unter zahlreichen Dienstleistern, die in verschiedenen Produktionsstadien tätig werden, verteilt wird, so dass die Auswirkung dieser Förderung auf den Preis der Dienstleistungen der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken anhand der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen als ungewiss oder gar hypothetisch anzusehen ist.

35

Überdies ist der Preis nicht die einzige Variable, die den Erwerb von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken bestimmt.

36

Ob ein Anbieter von Fernsehdiensten Filme oder sonstige audiovisuelle Werke erwirbt, hängt nämlich auch von kulturellen Faktoren – insbesondere von den spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten – sowie von den Erwartungen des Publikums ab.

37

Folglich lässt sich anhand der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht feststellen, dass der Verwendungszweck der Einnahmen aus der Abonnementabgabe dazu führt, dass die Dienstleistungen der Produktion portugiesischer Filme und sonstiger audiovisueller Werke zum Nachteil der Dienstleistungen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistern begünstigt werden. Unter diesen Umständen sind die etwaigen Auswirkungen, die die Abonnementabgabe auf die Erbringung von Dienstleistungen der Produktion von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken haben könnte, als zu ungewiss und zu mittelbar anzusehen, als dass sie eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen könnten.

38

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung, mit der eine Abgabe zur Finanzierung der Förderung und der Verbreitung von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken eingeführt wird, nicht entgegensteht, sofern die etwaigen Auswirkungen dieser Abgabe auf den freien Verkehr der Dienstleistungen, die die Produktion solcher Werke betreffen, zu ungewiss und zu mittelbar sind, um eine Beschränkung im Sinne dieser Bestimmung darzustellen.

Zur zweiten Frage

39

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass es in anderen Mitgliedstaaten der Union Regelungen gibt, die der des Gesetzes Nr. 55/2012 entsprechen oder dieser ähnlich sind, etwas an der Antwort auf die erste Frage ändern kann.

40

Die zweite Frage beruht auf der Prämisse, dass die Abonnementabgabe unter das in Art. 56 AEUV aufgestellte Verbot fällt. Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich jedoch, dass dies – nach Maßgabe der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen – nicht der Fall ist. Daher ist diese Frage nicht zu beantworten.

Kosten

41

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, mit der eine Abgabe zur Finanzierung der Förderung und der Verbreitung von Filmen und sonstigen audiovisuellen Werken eingeführt wird, nicht entgegensteht, sofern die etwaigen Auswirkungen dieser Abgabe auf den freien Verkehr der Dienstleistungen, die die Produktion solcher Werke betreffen, zu ungewiss und zu mittelbar sind, um eine Beschränkung im Sinne dieser Bestimmung darzustellen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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