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Document 62021CJ0195

    Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 31. März 2022.
    LB gegen Smetna palata na Republika Bulgaria.
    Vorabentscheidungsersuchen des Rayonen sad Lukovit.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Vergabe öffentlicher Aufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Anwendbarkeit auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt – Art. 58 Abs. 1 und 4 – Auswahlkriterien – Technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 – Art. 8 Abs. 3 – Kontrollmaßnahmen – Möglichkeit der zum Schutz der finanziellen Interessen der Union berufenen nationalen Behörden, ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags unterschiedlich zu beurteilen.
    Rechtssache C-195/21.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:239

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    31. März 2022 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Vergabe öffentlicher Aufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Anwendbarkeit auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt – Art. 58 Abs. 1 und 4 – Auswahlkriterien – Technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bieter – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 – Art. 8 Abs. 3 – Kontrollmaßnahmen – Möglichkeit der zum Schutz der finanziellen Interessen der Union berufenen nationalen Behörden, ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags unterschiedlich zu beurteilen“

    In der Rechtssache C‑195/21

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Rayonen sad Lukovit (Rayongericht Lukovit, Bulgarien) mit Entscheidung vom 26. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 26. März 2021, in dem Verfahren

    LB

    gegen

    Smetna palata na Republika Bulgaria

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec (Berichterstatter),

    Generalanwalt: P. Pikamäe,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von LB, vertreten durch A. S. Aslanyan, Advokat,

    der Smetna palata na Republika Bulgaria, vertreten durch T. Tsvetkov und D. A. Dimitrova als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wils, J. Baquero Cruz, P. Ondrůšek und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65), in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 (ABl. 2017, L 337, S. 19) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2014/24), von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1995, L 312, S. 1) sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität.

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen LB und der Smetna palata na Republika Bulgaria (Rechnungshof der Republik Bulgarien) (im Folgenden: Rechnungshof) über eine verwaltungsrechtliche Sanktion, die diese wegen Unregelmäßigkeiten im Rahmen eines Vergabeverfahrens gegen LB verhängt hat.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Verordnung Nr. 2988/95

    3

    Die Verordnung Nr. 2988/95 enthält drei Titel, und zwar Titel I („Grundsätze“, Art. 1 bis 3), Titel II („Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen“, Art. 4 bis 7) und Titel III („Kontrollen“, Art. 8 bis 11).

    4

    Art. 8 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung bestimmt:

    „(2)   Die Kontrollmaßnahmen werden auf die besonderen Gegebenheiten eines jeden Sektors abgestimmt und sind im Hinblick auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig. Sie tragen den Verwaltungsgepflogenheiten und ‑strukturen der Mitgliedstaaten Rechnung und werden so gestaltet, dass sich daraus keine übermäßigen Wirtschaftsbeschränkungen und Verwaltungskosten ergeben.

    Form und Häufigkeit der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen und Überprüfungen vor Ort sowie die Einzelheiten ihrer Durchführung werden, soweit erforderlich, in den sektorbezogenen Regelungen in der Weise festgelegt, dass sie eine einheitliche und wirksame Anwendung der betreffenden Regelungen und insbesondere die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten sowie deren Vorbeugung gewährleisten.

    (3)   Die sektorbezogenen Regelungen enthalten die erforderlichen Bestimmungen, um durch die Angleichung der Verfahren und der Kontrollmethoden eine gleichwertige Kontrolle zu gewährleisten.“

    Verordnung (EU) Nr. 1303/2013

    5

    In den Erwägungsgründen 43 und 122 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 320) heißt es:

    „(43)

    Um verhältnismäßige Kontrollvorkehrungen zu gewährleisten und den mit den Finanzinstrumenten verbundenen Mehrwert zu wahren, sollten die vorgesehenen Endbegünstigten nicht durch übermäßigen Verwaltungsaufwand abgeschreckt werden. …

    (122)

    … Um den Verwaltungsaufwand für die Begünstigten zu reduzieren, sollten spezielle Vorschriften eingeführt werden, um die Gefahr einer Überschneidung von Prüfungen der gleichen Vorhaben durch verschiedene Organe bzw. Einrichtungen, nämlich den Europäischen Rechnungshof, die Kommission und die Prüfbehörde, zu verringern.“

    6

    Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung sieht vor:

    „Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

    36.

    ‚Unregelmäßigkeit‘ jeden Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen nationale Vorschriften zu dessen Anwendung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines an der Inanspruchnahme von Mitteln aus den [Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds)] beteiligten Wirtschaftsteilnehmers, die einen Schaden für den Haushalt der Union in Form einer ungerechtfertigten Ausgabe bewirkt oder bewirken würde;

    …“

    Richtlinie 2014/24

    7

    Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2014/24 bestimmt in Abs. 1:

    „Mit dieser Richtlinie werden Regeln für die Verfahren öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Durchführung von Wettbewerben festgelegt, deren geschätzter Wert nicht unter den in Artikel 4 genannten Schwellenwerten liegt.“

    8

    In Art. 4 („Höhe der Schwellenwerte“) dieser Richtlinie heißt es:

    „Diese Richtlinie gilt für Aufträge, deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer (MwSt.) die folgenden Schwellenwerte nicht unterschreitet:

    a)

    5548000 [Euro] bei öffentlichen Bauaufträgen;

    …“

    9

    Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:

    „Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise und handeln transparent und verhältnismäßig.

    Das Vergabeverfahren darf nicht mit der Absicht konzipiert werden, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.“

    10

    In Art. 58 („Eignungskriterien“) der Richtlinie 2014/24 heißt es:

    „(1)   Die Eignungskriterien können Folgendes betreffen:

    a)

    Befähigung zur Berufsausübung;

    b)

    wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit;

    c)

    technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

    Die öffentlichen Auftraggeber können Wirtschaftsteilnehmern nur die in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Anforderungen an die Teilnahme auferlegen. Sie beschränken die Anforderungen auf jene, die zweckmäßig sind, um sicherzustellen, dass ein Bewerber oder Bieter über die rechtlichen und finanziellen Kapazitäten sowie die technischen und beruflichen Fähigkeiten zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags verfügt. Alle Anforderungen müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    (4)   Im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit können die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen sowie Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.

    Die öffentlichen Auftraggeber können von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, ausreichende Erfahrung durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachzuweisen. Ein öffentlicher Auftraggeber kann davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügt, wenn der öffentliche Auftraggeber festgestellt hat, dass der Wirtschaftsteilnehmer kollidierende Interessen hat, die die Auftragsausführung negativ beeinflussen können.

    Bei Vergabeverfahren, die Lieferungen, für die Verlege- oder Installationsarbeiten erforderlich sind, oder die Erbringung von Dienstleistungen oder Bauleistungen zum Gegenstand haben, kann die berufliche Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer zur Erbringung dieser Leistungen oder zur Ausführung der Verlege- und Installationsarbeiten anhand ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden.

    …“

    11

    Art. 67 („Zuschlagskriterien“) der Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Die öffentlichen Auftraggeber erteilen unbeschadet der für den Preis bestimmter Lieferungen oder die Vergütung bestimmter Dienstleistungen geltenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften den Zuschlag auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots.

    (2)   Die Bestimmung des aus der Sicht des öffentlichen Auftraggebers wirtschaftlich günstigsten Angebots erfolgt anhand einer Bewertung auf der Grundlage des Preises oder der Kosten, mittels eines Kosten-Wirksamkeits-Ansatzes, wie der Lebenszykluskostenrechnung gemäß Artikel 68, und kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien – unter Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte – bewertet wird, die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung stehen. Zu diesen Kriterien kann u. a. Folgendes gehören:

    a)

    Qualität, einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit, Design für Alle, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften und Handel sowie die damit verbundenen Bedingungen;

    b)

    Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder

    …“

    Bulgarisches Recht

    Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge

    12

    Art. 1 Abs. 1 des Zakon za obshtestvenite porachki (Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge, DV Nr. 13 vom 16. Februar 2016) bestimmt in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge):

    „Das vorliegende Gesetz regelt die Voraussetzungen und die Modalitäten für die Vergabe öffentlicher Bau‑, Liefer- und Dienstleistungsaufträge sowie den Ablauf der von öffentlichen Auftraggebern veranstalteten Auswahlverfahren, um eine effiziente Verwendung von

    2. Mitteln aus europäischen Fonds und Programmen,

    … sicherzustellen;

    …“

    13

    Art. 2 dieses Gesetzes sieht vor:

    „(1)   Öffentliche Aufträge werden im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und insbesondere mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der gegenseitigen Anerkennung sowie den sich daraus ergebenden Grundsätzen vergeben, und zwar:

    1.

    der Gleichheit und dem Verbot jeglicher Diskriminierung;

    2.

    dem freien Wettbewerb;

    3.

    der Verhältnismäßigkeit;

    4.

    der Öffentlichkeit und der Transparenz.

    (2)   Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind die Auftraggeber nicht befugt, den Wettbewerb durch die Aufstellung von Bedingungen oder Anforderungen zu beschränken, die zu einem unzulässigen Vorteil führen oder den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern zu öffentlichen Aufträgen in ungerechtfertigter Weise beschränken und die nicht durch den Gegenstand, den Wert, die Schwierigkeit, die Menge oder den Umfang des öffentlichen Auftrags bedingt sind.

    …“

    14

    In Art. 59 des Gesetzes heißt es:

    „(1)   Der öffentliche Auftraggeber kann Auswahlkriterien für die Bewerber oder Bieter festlegen, die in Zusammenhang stehen mit:

    3. der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit.

    (2)   Die öffentlichen Auftraggeber dürfen gegenüber Bewerbern oder Bietern nur die in diesem Gesetz genannten Auswahlkriterien anwenden, die erforderlich sind, um sich von ihrer Fähigkeit zur Ausführung des Auftrags zu überzeugen. Die festgelegten Kriterien müssen Gegenstand, Wert, Umfang und Schwierigkeit des Auftrags entsprechen. Wenn der Auftrag Lose umfasst, müssen die Auswahlkriterien für jedes Los Gegenstand, Wert, Umfang und Schwierigkeit des betreffenden Loses berücksichtigen.

    …“

    15

    Art. 247 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt:

    „… Ein Auftraggeber, der gegen das Verbot in Art. 2 Abs. 2, in Art. 11 Abs. 5, in Art. 16, in Art. 21 Abs. 14, 15 oder 17, in Art. 149 Abs. 8 oder in Art. 150 Abs. 4 verstößt, wird mit einer Geldbuße in Höhe von 2 % des Vertragswerts einschließlich Mehrwertsteuer, jedoch nicht mehr als 10000 [bulgarische Leva (BGN)] [(etwa 5100 Euro)], belegt.

    …“

    16

    Gemäß Art. 260 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt:

    „(1)   Von den Dienststellen des Rechnungshofs erlassene Bescheide zur Feststellung von Verstößen nach diesem Gesetz werden von den zuständigen Prüfern binnen einer Frist ausgefertigt, die sechs Monate ab dem Bekanntwerden des Täters beträgt und drei Jahre ab Begehung des Verstoßes nicht überschreiten darf.

    (2)   Entscheidungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen werden vom Präsidenten des Rechnungshofs oder von den durch ihn benannten Beamten getroffen.“

    17

    In Abschnitt 3 der „Ergänzende[n] Bestimmungen“ des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge ist vorgesehen, dass mit diesem Gesetz die von der Richtlinie 2014/24 aufgestellten Anforderungen eingeführt werden.

    Gesetz über Europäische Fonds

    18

    Art. 49 Abs. 2 des Zakon za upravlenie na sredstvata ot evropeyskite strukturni i investitsionni fondove (Gesetz über die Verwaltung der Mittel aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, DV Nr. 101 vom 22. Dezember 2015) bestimmt in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über Europäische Fonds):

    „Für die Bestellung eines Auftragnehmers für Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit öffentlichen Bau‑, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen stehen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags im Sinne des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge sind, gelten die Regelungen

    1.

    des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge – soweit der Begünstigte ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne dieses Gesetzes ist;

    …“

    Gesetz über die Raumplanung

    19

    In Art. 137 Abs. 1 des Zakon za ustroystvo na teritoriata (Gesetz über die Raumplanung, DV Nr. 1 vom 2. Januar 2001) heißt es in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Raumplanung):

    „… Bauwerke werden wie folgt in Abhängigkeit der Merkmale, der Bedeutung, der Schwierigkeit und der Betriebsgefahren eingestuft:

    1. erste Kategorie:

    g) Schutzdämme und Befestigungen von Wasserläufen und Küsten;

    …“

    20

    Art. 163a dieses Gesetzes bestimmt:

    „(1)   … Der Bauunternehmer ist verpflichtet, durch Arbeitsverträge technisch befähigte Personen einzustellen, die die technische Leitung der Bauwerke übernehmen.

    (2)   … Technisch befähigt sind Personen, die über ein Diplom einer zugelassenen Hochschule mit der Qualifikation ‚Bauingenieur‘, ‚Ingenieur‘ oder ‚Architekt‘ verfügen, sowie Personen mit einem mittleren Bildungsabschluss, die eine vierjährige Ausbildung mit einer beruflichen Qualifikation in den Bereichen ‚Architektur und Bau‘ oder ‚Technik‘ abgeschlossen haben.

    (4)   … Technischer Leiter ist ein Bauingenieur, Architekt oder Bautechniker, der die Bauarbeiten leitet und dafür sorgt, dass die Verantwortlichkeiten nach Art. 163 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 und für Bauwerke der fünften Kategorie – auch die Verantwortlichkeiten nach Art. 168 Abs. 1 und Art. 169a Abs. 1 – umgesetzt werden. Weitere technisch befähigte Personen nach Abs. 2 können die spezialisierte technische Leitung einzelner Bau- und Montagearbeiten entsprechend ihrer erworbenen Fachrichtung und ihrer beruflichen Qualifikation ausüben.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    21

    Nach einem Verwaltungsvertrag, der am 21. März 2018 zwischen dem Minister für Umwelt und Gewässer (Bulgarien) in seiner Eigenschaft als Direktor der Verwaltungsbehörde des operationellen Programms „Umwelt 2014‑2020“ und der Gemeinde Lukovit (Bulgarien) geschlossen wurde, wurde dieser Gemeinde ein aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Kohäsionsfonds kofinanzierter Zuschuss bis zu einem Höchstbetrag von 649732,14 BGN (etwa 331000 Euro) gewährt. Dieser Zuschuss war für die Finanzierung von Arbeiten zur Stabilisierung eines Erdrutsches an der zu einer regionalen Deponie auf dem Gebiet der Gemeinde führenden Straße bestimmt.

    22

    Mit Beschluss vom 5. April 2018 leitete LB in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Lukovit ein Verfahren „öffentlicher Wettbewerb“ zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ein, der diese Arbeiten zum Gegenstand hatte. Der geschätzte Auftragswert betrug 482668 BGN ohne Mehrwertsteuer (etwa 247000 Euro).

    23

    Mit diesem, am gleichen Tag im Register für öffentliche Aufträge der Agentur für das öffentliche Auftragswesen bekannt gemachten Beschluss wurden die Auftragsbekanntmachung und die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergabeunterlagen genehmigt.

    24

    Laut der Auftragsbekanntmachung bestand das Ziel des Projekts im Wiederaufbau und in der Verbesserung der Eigenschaften des Straßenabschnitts für die Nutzung zur Beförderung, wobei als Vergabekriterien „Qualität“ und „Preis“ zu gleichen Teilen von jeweils 50 % festgelegt wurden.

    25

    Zu den Bedingungen für die Teilnahme an diesem Vergabeverfahren wurde in der Bekanntmachung zunächst darauf hingewiesen, dass jeder Teilnehmer im Zentralen Berufsregister für das Baugewerbe oder – für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Teilnehmer – in einem entsprechenden Register zur Ausführung von unter Art. 137 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. g des Gesetzes über die Raumplanung fallenden Bauwerken der Gruppe IV Kategorie I eingetragen sein müsse.

    26

    Zu den Anforderungen an die „technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ hieß es in der Auftragsbekanntmachung, dass die Bewerber u. a. nachweisen müssten, in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Angebots Bautätigkeiten mit einem dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden öffentlichen Auftrag identischen oder ähnlichen Gegenstand ausgeübt zu haben. Hierzu wurde in der Auftragsbekanntmachung ausgeführt, dass unter einer „ähnlichen“ Tätigkeit Tätigkeiten zur Stabilisierung von Erdrutschen und/oder abgerutschten Hängen und/oder Ufern und/oder Gräben oder aber eines entsprechend gestalteten Bauwerks zu verstehen seien.

    27

    Zu den Anforderungen an das technische Ingenieurpersonal führte die Auftragsbekanntmachung schließlich aus, dass die Besonderheiten des Auftrags u. a. das Vorhandensein eines technischen Leiters des Bauwerks mit der beruflichen Qualifikation „Konstrukteur“ oder „Bauingenieur“ oder – soweit die Qualifikation in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurde, in dem es keine entsprechende Spezialisierung gebe – einer entsprechenden Qualifikation erfordere. Der technische Leiter musste außerdem eine mindestens dreijährige Erfahrung in seinem Fachbereich nachweisen.

    28

    Innerhalb der gesetzten Frist gingen drei Angebote ein. Nachdem ergänzende Erklärungen von jedem der drei Teilnehmer angefordert worden waren, schloss der Bürgermeister von Lukovit mit Entscheidung vom 24. Juli 2018 zum einen zwei Teilnehmer mit der Begründung aus, dass sie die Auswahlkriterien nicht erfüllten, und vergab zum anderen den Auftrag an den dritten Teilnehmer. In der Folge wurde am 29. August 2018 zwischen der Gemeinde und dem erfolgreichen Bieter ein Vertrag über einen Wert von 481293,72 BGN ohne Mehrwertsteuer (etwa 245500 Euro) geschlossen.

    29

    Mit Entscheidung vom 9. November 2018 setzte die Verwaltungsbehörde des operationellen Programms „Umwelt 2014‑2020“ auf Grundlage einer nachträglichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vergabeverfahrens eine allgemeine finanzielle Berichtigung in Höhe von 5 % des Wertes der betreffenden und gemäß dem Vertrag vom 29. August 2018 als zulässig anerkannten Ausgaben fest. Die Behörde warf dem öffentlichen Auftraggeber vor, zum einen ein Angebot bewertet zu haben, dass nicht den vorgeschriebenen technischen Spezifikationen entsprochen habe, und zum anderen, einem der Teilnehmer unklare und irreführende Hinweise gegeben zu haben, was zu dessen unzulässigem Ausschluss geführt und ihn daran gehindert habe, ein Angebot einzureichen, dessen Preis unter dem vom erfolgreichen Bieter vorgeschlagenen gelegen hätte.

    30

    Bei der Festsetzung der Korrektur für jede der beiden Unregelmäßigkeiten berücksichtigte die Verwaltungsbehörde als mildernde Umstände die Tatsache, dass erstens drei Angebote eingereicht worden seien, was für ein befriedigendes Wettbewerbsniveau spreche, dass zweitens der geschätzte Auftragswert unter den Schwellenwerten liege, die zu einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union verpflichteten, so dass das Fehlen grenzüberschreitender Aspekte zu einer Beschränkung des Kreises der interessierten Personen geführt habe, und dass drittens das Vergabekriterium des „optimalen Preis-Leistungs-Verhältnisses“ nicht zwingend sichergestellt hätte, dass das Angebot mit dem niedrigsten Preis auf den ersten Platz gesetzt worden wäre.

    31

    Parallel zu der von der Verwaltungsbehörde durchgeführten Prüfung ordnete der Vizepräsident des Rechnungshofs mit Verfügung vom 2. Oktober 2019 ein Audit über die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung der öffentlichen Mittel und der Tätigkeiten der Gemeinde Lukovit im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2019 an.

    32

    Am 18. Juni 2020 erließ ein Prüfer des Rechnungshofs unter Hinweis darauf, dass der Bürgermeister von Lukovit gegen den in Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen Grundsatz des freien Wettbewerbs verstoßen habe, einen Bescheid über die Feststellung eines verwaltungsrechtlichen Verstoßes. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bekanntmachung habe mit der Anforderung, einen technischen Leiter zu benennen, der über die berufliche Qualifikation „Konstrukteur“ oder „Bauingenieur“ und eine Erfahrung von mindestens drei Jahren in seinem Fachbereich verfüge, eine Qualifikationsanforderung aufgestellt, die strenger als die sich aus Art. 163a Abs. 2 des Gesetzes über die Raumplanung ergebende gewesen sei.

    33

    Der Bürgermeister von Lukovit legte gegen diesen Feststellungsbescheid einen Rechtsbehelf ein und rechtfertigte die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in Rn. 27 des vorliegenden Urteils genannte Qualifikationsanforderung mit den Besonderheiten, die mit Arbeiten zur Stabilisierung eines Erdrutsches und dessen bautechnischer Komplexität einhergingen. Er wies ebenfalls darauf hin, dass sich diese Anforderung aus dem operationellen Programm ergebe, über das die Finanzierung des Projekts sichergestellt worden sei. Weiterhin sei anlässlich der nachträglichen Prüfung durch die Verwaltungsbehörde des operationellen Programms „Umwelt 2014‑2020“ keinerlei Verstoß gegen die in Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen Regeln des freien Wettbewerbs festgestellt worden.

    34

    Mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 wies der Präsident des Rechnungshofs den Rechtsbehelf zurück und setzte auf Grundlage der Feststellungen und Schlussfolgerungen des Feststellungsbescheids gemäß Art. 260 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Geldbuße in Höhe von 10000 BGN (etwa 5100 Euro) gegen den Bürgermeister von Lukovit fest.

    35

    Der Bürgermeister von Lukovit focht diesen Bescheid mit einer Klage beim vorlegenden Gericht, dem Rayonen sad Lukovit (Rayongericht Lukovit, Bulgarien), an.

    36

    Dieses Gericht möchte als Erstes wissen, ob es Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dem öffentlichen Auftraggeber verwehrte, eine Qualifikationsanforderung festzusetzen, die strenger als die in Art. 163a des Gesetzes über die Raumplanung genannte ist, oder ob der öffentliche Auftraggeber im Gegenteil – da sich diese Bestimmung darauf beschränke, zulässige Mindestanforderungen für alle Kategorien von Bauwerken aufzustellen – von Rechts wegen unter Berücksichtigung des Umstands, dass Arbeiten zur Stabilisierung eines Geländes zu denjenigen Bautätigkeiten gehören, die das höchste Schwierigkeitsniveau aufweisen, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Qualifikationsanforderung festsetzen durfte.

    37

    Als Zweites wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, in welcher Art und Weise die verschiedenen nationalen Behörden, die damit betraut sind, auf die Einhaltung des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder des Gesetzes über Europäische Fonds zu achten, ihre Prüfungen der und ihre Schlussfolgerungen zur Rechtmäßigkeit von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu koordinieren haben. Insoweit würden verschiedene Rechtsquellen des „soft law“ empfehlen, zum einen der Verwaltungsbehörde und den Kontrollbehörden eine engere Auslegung der Regelungen für die Auswahl des erfolgreichen Bieters zu verbieten und zum anderen die Stellungnahmen verschiedener Kontrollbehörden zu koordinieren, um jegliche Abweichung hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verfahren und der getätigten Ausgaben zu vermeiden.

    38

    Es müssten allerdings, wie der Rechnungshof ausgeführt habe, auch die Unabhängigkeit und die einander ergänzenden Zuständigkeitsbereiche der Prüfbehörden berücksichtigt werden. So ordne die Verwaltungsbehörde bei einem erwiesenen Verstoß gegen das Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge, der eine Unregelmäßigkeit darstelle, finanzielle Berichtigungen ausschließlich gegenüber den begünstigten juristischen Personen an, wohingegen der Rechnungshof verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen die verantwortlichen natürlichen Personen verhängen könne. Insoweit könne er eine verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit strafrechtlicher Natur von öffentlichen Auftraggebern oder den von ihnen bestellten bevollmächtigten Personen feststellen.

    39

    Als Drittes möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die im Titel II der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen in Abhängigkeit davon unterschiedlich sein müssen, ob ein Fehlverhalten vorliegt, wie auch in Abhängigkeit vom Grad der Gefahr für die Gesellschaft. Da Art und Schwere des Verstoßes sowie die finanziellen Folgen für den Haushalt der Union bei der Festsetzung von finanziellen Berichtigungen durch die Behörden zu berücksichtigen seien, die damit betraut seien, für die Einhaltung des Gesetzes über Europäische Fonds zu sorgen, sei zu fragen, ob eben diese Umstände auch bei der Verhängung von Sanktionen wegen Verstößen gegen Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge zu berücksichtigen sind.

    40

    Als Viertes und Letztes möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 247 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge, wonach gegen den öffentlichen Auftraggeber „eine… Geldbuße in Höhe von 2 % des Vertragswerts einschließlich Mehrwertsteuer, jedoch nicht mehr als 10000 BGN“ verhängt werden könne, was etwa dem Sechzehnfachen des Mindestlohns entspreche, mit den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht.

    41

    Unter diesen Umständen hat der Rayonen sad Lukovit (Rayongericht Lukovit) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen, dass die mit den Eignungskriterien aufgestellten Anforderungen an die berufliche Leistungsfähigkeit des Personals der Wirtschaftsteilnehmer für einen fachspezifischen Auftrag im Baugewerbe strenger sein dürfen als die Mindestanforderungen an Ausbildung und berufliche Qualifikation, die das spezielle nationale Gesetz (Art. 163a Abs. 4 des Gesetzes über die Raumplanung) aufstellt, ohne dass sie von vornherein wettbewerbsbeschränkend wären, und konkreter: Erfordert die vorgesehene Voraussetzung der „Verhältnismäßigkeit“ der aufgestellten Anforderungen für die Teilnahme in Bezug auf den Auftragsgegenstand a) vom nationalen Gericht, eine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit anhand der erhobenen Beweise und der konkreten Parameter des Auftrags vorzunehmen, selbst in den Fällen, in denen das nationale Gesetz eine Vielzahl von Fachleuten bestimmt, die grundsätzlich für die Tätigkeiten im Rahmen des Auftrags qualifiziert sind, oder b) erlaubt sie es, die gerichtliche Kontrolle lediglich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Teilnahmevoraussetzungen gegenüber den im speziellen nationalen Gesetz grundsätzlich vorgesehenen zu eng sind?

    2.

    Sind die Regelungen des Titels II „Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen“ der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen, dass derselbe Verstoß gegen das Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge, das die Richtlinie 2014/24 umsetzt, (einschließlich des Verstoßes bei der Festlegung der Eignungskriterien, für den der Beschwerdeführer bestraft wurde) je nachdem, ob der Verstoß schuldlos oder vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht wurde, unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen kann?

    3.

    Lassen es die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Effektivität im Hinblick auf das Ziel von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 und auf die Erwägungsgründe 43 und 122 der Verordnung Nr. 1303/13 zu, dass die verschiedenen zur Wahrung der finanziellen Interessen der Europäischen Union berufenen nationalen Behörden dieselben Tatsachen im Vergabeverfahren unterschiedlich beurteilen, konkreter: dass die Verwaltungsbehörde des operationellen Programms keinen Verstoß bei der Festlegung der Eignungskriterien feststellt, während der Rechnungshof bei der anschließenden Kontrolle, ohne dass besondere oder neu hinzugekommene Umstände vorliegen, annimmt, dass diese Kriterien wettbewerbsbeschränkend sind, und dafür eine verwaltungsrechtliche Sanktion gegen den Auftraggeber verhängt?

    4.

    Steht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer nationalen Rechtsvorschrift, wie der des Art. 247 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge, entgegen, die vorsieht, dass der Auftraggeber, der formell gegen das Verbot des Art. 2 Abs. 2 dieses Gesetzes verstößt, mit einer Geldbuße in Höhe von 2 % des Vertragswerts einschließlich Mehrwertsteuer, jedoch nicht mehr als 10000 BGN bestraft wird, ohne dass die Schwere des Verstoßes und seine tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen auf die Interessen der Union festgestellt werden müssen?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    42

    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der geschätzte Wert des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags in Höhe von 482668 BGN ohne Mehrwertsteuer (etwa 247000 Euro) unterhalb des Schwellenwerts für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/24 liegt, der in deren Art. 4 Buchst. a für öffentliche Bauaufträge auf 5548000 Euro festgesetzt ist, so dass der Auftrag nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

    43

    Wie sich aus einer ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, besteht dennoch, wenn sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung von Sachverhalten, die nicht in den Anwendungsbereich des betreffenden Unionsrechtsakts fallen, unmittelbar und unbedingt nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen richten, ein klares Interesse der Union daran, dass die aus diesem Rechtsakt übernommenen Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden. Dies ermöglich nämlich, künftige Auslegungsunterschiede zu vermeiden und zu gewährleisten, dass diese Sachverhalte und die in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallenden Sachverhalte gleichbehandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Oktober 1990, Dzodzi, C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 36 und 37, vom 5. April 2017, Borta, C‑298/15, EU:C:2017:266, Rn. 33 und 34, sowie vom 10. September 2020, Tax-Fin-Lex, C‑367/19, EU:C:2020:685, Rn. 21).

    44

    Im vorliegenden Fall gilt das Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge, mit dem die Richtlinie 2014/24 in bulgarisches Recht umgesetzt wurde, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 dieses Gesetzes und aus Art. 49 Abs. 2 des Gesetzes über Europäische Fonds ergibt, allgemein – unabhängig vom Wert der Aufträge – für sämtliche Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die durch Europäische Fonds bezuschusst werden.

    45

    Da die Bestimmungen der Richtlinie 2014/24 somit unmittelbar und unbedingt auf Sachverhalte für anwendbar erklärt wurden, die – wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag – normalerweise nicht in deren Anwendungsbereich fallen, sieht sich der Gerichtshof veranlasst, die erste Vorlagefrage zu beantworten.

    46

    Mit dieser möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Auswahlkriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer strengere Anforderungen als die insoweit von den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen aufstellen darf.

    47

    Die eindeutige Antwort auf diese Frage lässt sich dem Wortlaut von Art. 58 der Richtlinie 2014/24 entnehmen.

    48

    Gemäß Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie kann ein öffentlicher Auftraggeber Wirtschaftsteilnehmern nur die in Art. 58 Abs. 2, 3 und 4 der Richtlinie genannten Anforderungen an die Teilnahme auferlegen, die sich auf die Befähigung zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit bzw. die technische und berufliche Leistungsfähigkeit beziehen. Diese Anforderungen sind außerdem auf jene zu beschränken, die zweckmäßig sind, um sicherzustellen, dass ein Bewerber oder Bieter über die rechtlichen und finanziellen Kapazitäten sowie die technischen und beruflichen Fähigkeiten zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags verfügt. Alle Anforderungen müssen zudem mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    49

    Bei der Festlegung der Auswahlkriterien hat ein öffentlicher Auftraggeber auch die in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 genannten Grundprinzipien der Auftragsvergabe zu beachten. Ihm obliegt auch erstens, die Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nicht diskriminierender Weise zu behandeln sowie transparent und verhältnismäßig zu handeln, zweitens darauf zu achten, den Auftrag nicht in der Absicht zu konzipieren, ihn vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb dadurch künstlich einzuschränken, dass der Auftrag in der Absicht konzipiert wird, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

    50

    Da der öffentliche Auftraggeber am besten zur Beurteilung seiner eigenen Bedürfnisse in der Lage ist, hat ihm der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Auswahlkriterien gleichwohl ein weites Ermessen eingeräumt, wie sich u. a. durch die wiederholte Verwendung des Verbs „können“ in Art. 58 der Richtlinie 2014/24 zeigt. So verfügt er gemäß deren Art. 58 Abs. 1 über einen gewissen Spielraum, um diejenigen Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren festzulegen, die seiner Auffassung nach mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen und hierzu verhältnismäßig sowie geeignet sind, die rechtliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter ebenso sicherzustellen, wie ihre technische und berufliche Eignung für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags. Im Einzelnen beurteilt der öffentliche Auftraggeber gemäß Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie in freiem Ermessen die Teilnahmebedingungen, die er u. a. für die Ausführung des Auftrags in angemessener Qualität für geeignet erachtet.

    51

    Folglich kann einem öffentlichen Auftraggeber nicht mit der bloßen Begründung, eine Qualifikationsanforderung gehe über das von den nationalen Rechtsvorschriften verlangte Niveau der Mindestanforderungen hinaus, durch Art. 58 der Richtlinie 2014/24 verwehrt werden, diese Qualifikationsanforderung in der Bekanntmachung zu verlangen, sofern sie durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist, zu diesem verhältnismäßig ist und auch im Einklang mit den weiteren, in den Rn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen steht. Insoweit obliegt es den nationalen Gerichten, ihr nationales Recht so weit wie möglich im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 2019, Popławski, C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 57, und vom 6. Oktober 2021, Sumal, C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 70).

    52

    Im vorliegenden Fall erscheint die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Qualifikationsanforderung im Hinblick auf Art. 58 der Richtlinie 2014/24 gerechtfertigt zu sein, was jedoch das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird. Erstens weist diese Anforderung zweifellos einen Bezug zum Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags auf. Zweitens scheint die Anforderung den Ermessensspielraum, über den der öffentliche Auftraggeber im Stadium der Festlegung der Auswahlkriterien verfügt, nicht überschritten zu haben, zumal drei Angebote eingereicht wurden, obgleich der geschätzte Auftragswert nicht einmal 5 % des Schwellenwerts für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2014/24 erreichte.

    53

    Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 58 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Auswahlkriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer strengere Anforderungen als die insoweit von den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen aufstellen darf, soweit mit den Anforderungen sichergestellt werden kann, dass ein Bewerber oder ein Bieter über die für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags erforderliche technische und berufliche Eignung verfügt, und die Anforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    Zur zweiten und zur vierten Frage

    54

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 4 und 5 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen sind, dass die Auferlegung von gegen Art. 58 der Richtlinie 2014/24 verstoßenden Auswahlkriterien durch einen öffentlichen Auftraggeber nach Maßgabe dessen unterschiedliche Folgen haben darf, ob der Verstoß schuldlos oder vorsätzlich begangen oder durch Fahrlässigkeit verursacht wurde.

    55

    Mit der vierten Frage soll der Sache nach geklärt werden, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen gegen einen öffentlichen Auftraggeber, der gegen die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstößt, eine Geldbuße, die 2 % des Vertragswerts einschließlich Mehrwertsteuer entspricht, aber auf 10000 BGN, d. h. etwa 5100 Euro, begrenzt ist, verhängt werden kann, ohne dass die Schwere des Verstoßes und seine tatsächlichen oder potenziellen Auswirkungen auf die Interessen der Union festgestellt werden müssen.

    56

    Es ist festzustellen, dass die zweite und die vierte Frage auf der Prämisse beruhen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Qualifikationsanforderung vom öffentlichen Auftraggeber unter Verstoß gegen Art. 58 der Richtlinie 2014/24 festgelegt wurde.

    57

    Da sich aus der Beantwortung der ersten Frage aber ergibt, dass eine solche Anforderung mit dieser Bestimmung vereinbar ist, kann eine Prüfung der zweiten und der vierten Frage durch den Gerichtshof unterbleiben.

    Zur dritten Frage

    58

    Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 43 und 122 der Verordnung Nr. 1303/2013 dahin auszulegen ist, dass er in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer unterschiedlichen Beurteilung derselben Tatsachen durch die zum Schutz der finanziellen Interessen der Union berufenen nationalen Behörden entgegensteht.

    59

    Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 enthalten die sektorbezogenen Regelungen die erforderlichen Bestimmungen, um durch die Angleichung der Verfahren und der Kontrollmethoden eine gleichwertige Kontrolle zu gewährleisten.

    60

    Im 43. Erwägungsgrund der im Ausgangsverfahren anwendbaren sektorbezogenen Regelung, d. h. der Verordnung Nr. 1303/2013, heißt es u. a., dass die vorgesehenen Endbegünstigten nicht durch übermäßigen Verwaltungsaufwand abgeschreckt werden sollten, um verhältnismäßige Kontrollvorkehrungen zu gewährleisten und den mit den Finanzinstrumenten verbundenen Mehrwert zu wahren. Im 122. Erwägungsgrund dieser Verordnung wird ausgeführt, dass spezielle Vorschriften eingeführt werden sollten, um den Verwaltungsaufwand für die Begünstigten zu reduzieren, um die Gefahr einer Überschneidung von Prüfungen der gleichen Vorhaben durch verschiedene Organe bzw. Einrichtungen, nämlich den Europäischen Rechnungshof, die Kommission und die Prüfbehörde, zu verringern.

    61

    Ausweislich der Vorlageentscheidung steht allerdings fest, dass das Audit der Verwaltung der Gemeinde Lukovit durch den Rechnungshof durchgeführt wurde, um die Einhaltung des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge sicherzustellen, nicht aber die der Verordnung Nr. 1303/2013, so dass dieses Audit und die auf seiner Grundlage verhängte Sanktion nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.

    62

    Zudem hindert die Verordnung Nr. 1303/2013, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, die Mitgliedstaaten nicht daran, Stellen einzurichten, die mit der Prüfung oder dem Audit der Tätigkeit öffentlicher oder privater Einrichtungen betraut sind, da die Zuständigkeit solcher Stellen nicht durch diese Verordnung geregelt wird.

    63

    Folglich haben die Erwägungsgründe 43 und 122 der Verordnung für die Beantwortung der Vorlagefrage keinerlei Relevanz.

    64

    Es steht somit fest, dass keine der Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 2988/95 und 1303/2013 einer zweifachen Prüfung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge entgegensteht, von denen die eine durch die Verwaltungsbehörde und die andere durch die Prüfbehörde durchgeführt wird. Sowohl die Unabhängigkeit der jeweiligen Behörden als auch die ihnen zugewiesenen unterschiedlichen Zielsetzungen führen zu dem Ergebnis, dass sie nacheinander ein und dasselbe Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge prüfen dürfen.

    65

    Im Übrigen kann der Umstand, dass die Verwaltungsbehörde des operationellen Programms „Umwelt 2014‑2020“ der Ansicht war, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Qualifikationsanforderung nicht gegen die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstoße, beim öffentlichen Auftraggeber keinerlei berechtigtes Vertrauen begründen. Es kann sich nämlich nur derjenige auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem eine nationale Verwaltungsbehörde aufgrund klarer, unbedingter und übereinstimmender, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammender Zusicherungen, die sie ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat. Der einheitliche Staatsbegriff, der sowohl im Völkerrecht als auch im Unionsrecht gilt, schließt es allerdings grundsätzlich aus, dass sich eine nationale Behörde in einem Rechtsstreit, in dem sie einem anderen Teil des Staates gegenübersteht, auf den unionsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann (Urteil vom 20. Mai 2021, Riigi Tugiteenuste Keskus, C‑6/20, EU:C:2021:402, Rn. 69 und 70).

    66

    Somit kann der Umstand, dass die Verwaltungsbehörde des operationellen Programms „Umwelt 2014‑2020“ die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Qualifikationsanforderung – wenn auch nur implizit – bereits gebilligt hat, vom öffentlichen Auftraggeber nicht geltend gemacht werden, um den Rechnungshof an einer Prüfung von deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu hindern.

    67

    Es ist allerdings zum einen darauf hinzuweisen, dass ein kombiniertes Tätigwerden einer Verwaltungsbehörde und einer Kontrollbehörde im Einklang mit den von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechten, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, stehen muss. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 sieht insoweit außerdem vor, dass die Kontrollmaßnahmen so gestaltet werden, dass sich daraus keine übermäßigen Wirtschaftsbeschränkungen und Verwaltungskosten ergeben.

    68

    Im vorliegenden Fall gibt es vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht durchzuführenden Prüfungen keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Empfänger europäischer Mittel im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien wegen eines übermäßigen Verwaltungsaufwands davon abgehalten würden, solche Mittel zu beantragen.

    69

    Zum anderen können nachträglich von einer Verwaltungsbehörde und einer Prüfbehörde durchgeführte Kontrollen die Rechtmäßigkeit einer Vergabeentscheidung, die gegenüber den Ausschreibungsteilnehmern und dem öffentlichen Auftraggeber bestandskräftig geworden ist, nicht berühren, da die insoweit vom öffentlichen Auftraggeber vorgenommenen Beurteilungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) fallen.

    70

    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1303/2013 dahin auszulegen ist, dass er vorbehaltlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer unterschiedlichen Beurteilung derselben Tatsachen durch die zum Schutz der finanziellen Interessen der Union berufenen nationalen Behörden nicht entgegensteht.

    Kosten

    71

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 58 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in der durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags als Auswahlkriterien zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer strengere Anforderungen als die insoweit von den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestanforderungen aufstellen darf, soweit mit den Anforderungen sichergestellt werden kann, dass ein Bewerber oder ein Bieter über die für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags erforderliche technische und berufliche Eignung verfügt, und die Anforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

     

    2.

    Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften ist in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates dahin auszulegen, dass er vorbehaltlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einer unterschiedlichen Beurteilung derselben Tatsachen durch die zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union berufenen nationalen Behörden nicht entgegensteht.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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