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Document 62021CC0606

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 13. Juli 2023.
Doctipharma SAS gegen Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO) und Pictime Coreyre.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour d'appel de Paris.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Art. 85c – Anwendungsbereich – Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz – Nicht verschreibungspflichtige Humanarzneimittel – Personen, die zum Verkauf von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind – Befugnis der Mitgliedstaaten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die online verkauft werden, aufzustellen – Dienste der Informationsgesellschaft – Richtlinie 98/34/EG – Richtlinie (EU) 2015/1535 – Dienst, der in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Online-Verkauf von Arzneimitteln besteht.
Rechtssache C-606/21.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:585

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 13. Juli 2023 ( 1 )

Rechtssache C‑606/21

Doctipharma SAS

gegen

Union des Groupements de pharmaciens d’officine (UDGPO),

Pictime Coreyre

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Paris [Berufungsgericht Paris, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Vertrieb von Arzneimitteln im Fernabsatz an die Öffentlichkeit – Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel – Richtlinie 2000/31/EG – Über eine Website ausgeübte Tätigkeit einer Gesellschaft betreffend solche Arzneimittel ohne Rezept – Tätigkeit in Form von Vermittlerdiensten zwischen Apotheken und der Öffentlichkeit – Beschränkungen solcher Art von Verkäufen durch nationales Recht – Schutz der öffentlichen Gesundheit“

I. Einleitung

1.

Der Online-Vertrieb von Arzneimitteln fällt unter mehrere Rechtsakte der Union und war Gegenstand verschiedener Vorabentscheidungsersuchen. Mit dem hier vorliegenden ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof, sich mit einem Dienst der Informationsgesellschaft zu befassen, der wie bei solchen, die auch in anderen Wirtschaftszweigen verwendet werden, das Zusammenführen von Angehörigen eines Berufsstands und ihren Kunden ermöglicht oder zumindest erleichtert. Konkret betreffen die vom Gericht vorgelegten Fragen das an den Anbieter einer solchen Dienstleistung gerichtete und sich aus der Auslegung der einschlägigen nationalen Vorschriften ergebende Verbot, bestimmte Tätigkeiten auszuüben, und die Vereinbarkeit dieses Verbots mit der Richtlinie 2001/83/EG ( 2 ).

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Richtlinien über die Dienste der Informationsgesellschaft

2.

In Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG heißt es ( 3 ):

„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2.

‚Dienst‘: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck

‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;

‚elektronisch erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird;

‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird.

…“

3.

Mehrere Rechtsakte der Union nehmen Bezug auf diese Definition. Insbesondere definiert die Richtlinie 2000/31/EG ( 4 ) in ihrem Art. 2 Buchst. a den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ durch Verweisung auf Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 98/34.

2. Richtlinie 2001/83

4.

Durch Art. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2011/62 wurde Titel VIIa („Verkauf an die Öffentlichkeit im Fernabsatz“) in die Richtlinie 2001/83 eingefügt, in dem u. a. Art. 85c mit folgendem Wortlaut enthalten ist:

„(1)   Unbeschadet der nationalen Rechtsvorschriften, mit denen das Angebot verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft verboten wird, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft, wie in der Richtlinie [98/34] festgelegt, unter folgenden Bedingungen erfolgt:

a)

Die natürliche oder juristische Person, die ein Arzneimittel anbietet, ist zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem diese Person niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt.

b)

Die unter Buchstabe a genannte Person hat dem Mitgliedstaat, in dem diese Person niedergelassen ist, mindestens folgende Angaben mitgeteilt:

i)

Name oder Firmenname und ständige Anschrift des Ortes der Tätigkeit, von dem aus diese Arzneimittel geliefert werden;

ii)

Datum des Beginns des Anbietens von Arzneimitteln zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit;

iii)

die Adresse der zu diesem Zweck genutzten Website und alle einschlägigen Informationen, die zur Identifizierung dieser Website notwendig sind;

iv)

gegebenenfalls die gemäß Titel VI vorgenommene Klassifizierung des Arzneimittels, das der Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angeboten wird.

Diese Angaben werden gegebenenfalls aktualisiert.

c)

Das Arzneimittel entspricht den nationalen Rechtsvorschriften des Bestimmungsmitgliedstaats gemäß Artikel 6 Absatz 1.

d)

Unbeschadet der in der [Richtlinie 2000/31] festgelegten Informationsanforderungen enthält die Website, auf der Arzneimittel angeboten werden, mindestens Folgendes:

i)

die Kontaktdaten der zuständigen Behörde oder der Behörde, der gemäß Buchstabe b Angaben mitgeteilt wurden;

ii)

einen Hyperlink zu der in Absatz 4 genannten Website des Niederlassungsmitgliedstaates;

iii)

das in Absatz 3 genannte gemeinsame Logo, das auf jeder Seite der Website, die sich auf das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz bezieht, gut sichtbar angezeigt wird. Das gemeinsame Logo enthält einen Hyperlink zu dem Eintrag der Person in der in Absatz 4 Buchstabe c genannten Liste.

(2)   Die Mitgliedstaaten können aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen, die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden.

(6)   Unbeschadet der Richtlinie [2000/31] und der in diesem Titel festgelegten Anforderungen ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass gegen andere als die in Absatz 1 genannten Personen, die der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft anbieten und in ihrem Hoheitsgebiet tätig sind, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden.“

B.   Französisches Recht

5.

Art. L. 5125‑25 des Code de la santé publique (Gesetzbuch über die öffentliche Gesundheit) sieht vor:

„Apothekern oder ihren Angestellten ist es untersagt, in der Öffentlichkeit um Bestellungen zu werben.

Apothekern ist es untersagt, Bestellungen von Arzneimitteln und anderen Erzeugnissen und Gegenständen, die in Art. L. 4211‑1 genannt sind, mit Hilfe dauerhaft tätiger Vermittler entgegenzunehmen und mit den vorbezeichneten Arzneimitteln, Erzeugnissen oder Gegenständen, deren Bestellung auf diese Weise bei ihnen eingegangen sind, Handel zu treiben und sie an Haushalte auszuliefern.

Jede Bestellung, die außerhalb der Apotheke von einer anderen Person geliefert wird, darf nur in einem versiegelten Paket mit dem Namen und der Adresse des Kunden übergeben werden.

Vorbehaltlich der Einhaltung der Bestimmungen des ersten Absatzes von Art. L. 5125‑21 können jedoch Apotheker sowie andere Personen, die gesetzlich befugt sind, sie zu vertreten, ihnen zu assistieren oder sie zu unterstützen, persönlich eine Bestellung in der Wohnung der Patienten abliefern, deren Situation dies erfordert.“

6.

Art. L. 5125‑26 dieses Gesetzbuchs regelt:

„Der Verkauf von in Art. L. 4211‑1 genannten Arzneimitteln, Erzeugnissen und Gegenständen an die Öffentlichkeit über Kommissionshäuser, Einkaufsgemeinschaften oder Einrichtungen, die unter der Inhaberschaft oder der Geschäftsführung von Personen stehen, die nicht Inhaber eines der in Art. L. 4221‑1 genannten Abschlüsse, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise sind, ist verboten.“

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

7.

Die Website www.doctipharma.fr, die von der Gesellschaft Doctipharma SAS betrieben wird, ermöglicht es Internetnutzern, „von Apothekenwebsites“ (oder, wie das vorlegende Gericht mit anderen Worten ausführt, „bei einem Apotheker, der seine Website für den Handel mit Hilfe der technischen Lösung von Doctipharma betreibt“) rezeptfrei erhältliche pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel zu kaufen.

8.

Das vorlegende Gericht beschreibt die Funktionsweise dieser Website wie folgt: Der Internetnutzer muss ein Kundenkonto einrichten und zu diesem Zweck ein Formular ausfüllen und hierbei persönliche Angaben machen, die es ermöglichen, ihn zu identifizieren und ihm den Zugang zu den Websites der Apotheker seiner Wahl zu erleichtern. Zur Einrichtung des Kontos muss der Internetnutzer den Apotheker angeben, bei dem er seine Käufe tätigen wird und mit dem er sein Konto verknüpfen wird. Auf der Website von Doctipharma erscheinen die rezeptfrei erhältlichen Arzneimittel in einem vorgespeicherten Katalog, den der Internetnutzer zur Bestellung „abrufen“ kann. Diese Website listet die von den Apotheken angebotenen Arzneimittel nach Produktpaletten mit Preisangaben auf und leitet die Bestellung an den Apotheker weiter, dessen Website in der Website von Doctipharma integriert ist. Die Zahlung erfolgt über ein einheitliches Zahlungssystem, das für alle beteiligten Apotheken anwendbar ist. Nachdem der Internetnutzer seine Bestellung aufgegeben hat, wird der Abschluss der Bestellung durch eine auf sein Kundenkonto hinterlegte sowie an seine E‑Mail-Adresse gesendete Nachricht bestätigt.

9.

Die Union des groupements de pharmaciens d’officine (Vereinigung der Apothekerverbände, UDGPO) ist eine Dachvereinigung von Apothekenverbänden. Sie ist der Auffassung, die von Doctipharma angebotene Vorgehensweise des Online-Verkaufs für Apotheken setze voraus, dass das Unternehmen als Online-Händler von Arzneimitteln agiere, und diese Tätigkeit sei mangels Apothekereigenschaft von Doctipharma rechtswidrig.

10.

Mit Urteil vom 31. Mai 2016 entschied das Tribunal de commerce de Nanterre (Handelsgericht Nanterre, Frankreich), dass die Website von Doctipharma für den Verkauf von Arzneimitteln rechtswidrig sei; im Wesentlichen verurteilte es Doctipharma, den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf dieser Website einzustellen.

11.

Doctipharma legte bei der Cour d’appel de Versailles (Berufungsgericht Versailles, Frankreich) Berufung ein, die dieses Urteil mit Urteil vom 12. Dezember 2017 aufhob. Dieses Gericht war nämlich der Ansicht, dass die Website von Doctipharma rechtmäßig sei, da die Bestellungen der Internetnutzer, die lediglich über die von Doctipharma als technische Unterstützung der Websites der Apotheker geschaffene Plattform liefen, von den Apothekern selbst entgegengenommen würden, ohne dass Doctipharma anderweitig in ihre Bearbeitung eingreife. Nach Ansicht des genannten Gerichts ermöglicht diese Website, Kunden und Apotheken direkt zusammenzuführen.

12.

Mit Urteil vom 19. Juni 2019 hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) dieses Urteil wegen Verstoßes gegen die Art. L. 5125‑25 und L. 5125‑26 des Code de la santé publique auf und verwies die Rechtssache an die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich), das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache, zurück. Nach Ansicht der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) ergibt sich aus der Tätigkeit von Doctipharma, die insbesondere darin besteht, Apotheker und potenzielle Patienten für den Verkauf von Arzneimitteln zusammenzuführen, dass dieser Gesellschaft eine Vermittlerrolle zukomme und diese somit am elektronischen Handel mit Arzneimitteln beteiligt sei, ohne über die Eigenschaft eines Apothekers zu verfügen, so dass ein Verstoß gegen diese Bestimmungen des Code de la santé publique gegeben sei.

13.

Mit Erklärung vom 19. August 2019 rief Doctipharma die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) an und ersuchte sie in der Folge, dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, die im Wesentlichen die Auslegung von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 und den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs betrafen.

14.

Doctipharma ist der Ansicht, ihre Tätigkeit bestehe in der technischen Gestaltung und Wartung einer gemeinsamen Lösung für Apotheker, um es diesen zu ermöglichen, ihre Website für den elektronischen Handel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß den Bestimmungen über den Online-Verkauf von Arzneimitteln herauszugeben und zu betreiben. Laut Doctipharma müssen die französischen Gerichte Art. L. 5125‑25 Abs. 2 und Art. L. 5125‑26 des Code de la santé publique im Licht von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 auslegen, um zu bestimmen, ob das Verbot einer Vermittlung beim Verkauf von Arzneimitteln, das sich aus diesen nationalen Vorschriften ergebe, auf ihre Tätigkeit anzuwenden sei.

15.

Doctipharma macht außerdem geltend, die im Urteil Asociación Profesional Elite Taxi ( 5 ) entwickelte Lösung beruhe auf besonderen Umständen dieser Rechtssache, die u. a. mit dem entscheidenden Einfluss der Gesellschaft Uber auf die Bedingungen für die Leistungserbringung der Fahrer zusammenhingen, und sei daher nicht auf den Ausgangsrechtsstreit übertragbar. Gleiches gelte für das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 6 ), da die Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, die Frage betreffe, ob die französischen Beschränkungen der Werbung für den Verkauf von Arzneimitteln einem Unternehmen entgegengehalten werden könnten, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als Frankreich habe und das die Arzneimittel über seine Website für die französischen Verbraucher vertreibe, so dass es sich um eine andere Problematik gehandelt habe als die, um die es im Ausgangsverfahren gehe. Gleichwohl stellt Doctipharma fest, dass dieses Urteil im vorliegenden Fall insoweit einschlägig sei, als die in jener Rechtssache in Rede stehende Online-Verkaufsplattform für Arzneimittel ein Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 gewesen sei.

16.

In diesem Zusammenhang hebt das vorlegende Gericht unter Bezugnahme auf das Urteil Asociación Profesional Elite Taxi ( 7 ) hervor, die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung weise zum einen andere Merkmale auf als die, um die es in diesem Urteil gegangen sei, da die Apotheker im Unterschied zu den nicht berufsmäßigen Fahrern von Uber den Arzneimittelverkauf als Berufstätigkeit ausübten. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass Doctipharma in die Festsetzung der Arzneimittelpreise eingreife. Auch das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 8 ) betreffe nicht dieselben Fragen wie die im Ausgangsrechtsstreit aufgeworfenen, da es in diesem Urteil um die Vereinbarkeit der französischen Beschränkungen der Arzneimittelwerbung mit Art. 85c der Richtlinie 2001/83 gehe.

IV. Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

17.

Vor diesem Hintergrund hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) mit Urteil vom 17. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 30. September 2021, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, als „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 einzustufen?

2.

Fällt in diesem Fall die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, in den Anwendungsbereich von Art. 85c der Richtlinie 2001/83?

3.

Ist Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass das sich aus einer Auslegung der Art. L. 5125‑25 und L. 5125‑26 des Code de la santé publique ergebende Verbot der Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, eine durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Beschränkung darstellt?

4.

Ist, falls das nicht der Fall ist, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er die Tätigkeit von Doctipharma, die auf und von ihrer Website www.doctipharma.fr aus ausgeübt wird, zulässt?

5.

Ist in diesem Fall das sich aus der Auslegung der Art. L. 5125‑25 und L. 5125‑26 des Code de la santé publique durch die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) ergebende Verbot der Tätigkeit von Doctipharma durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 gerechtfertigt?

6.

Ist, falls dies nicht der Fall ist, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er die von Doctipharma angebotene Tätigkeit eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ zulässt?

18.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die französische, die tschechische und die italienische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die französische Regierung und die Kommission waren in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2023 vertreten.

V. Analyse

A.   Zur ersten Vorlagefrage

19.

Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tätigkeit, die Doctipharma auf ihrer Website ausübt, einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 darstellt ( 9 ).

20.

Vorab muss ich darauf hinweisen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen kein vollständiges Bild der von Doctipharma erbrachten Dienstleistung liefert und dass die von den Parteien hierzu vorgelegten Informationen nicht immer kohärent sind. Gleichwohl ist die erste Vorlagefrage im Licht der vom vorlegenden Gericht übermittelten Informationen so zu verstehen, dass sie im Wesentlichen die Frage betrifft, ob Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 dahin auszulegen ist, dass eine über eine Website erbrachte Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn die Dienstleistung darin besteht, von Websites der Apotheken aus, die für diese Website ein Abonnement abgeschlossen haben, Apotheker und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zusammenzuführen.

21.

Die Richtlinie 98/34 definiert den „Dienst der Informationsgesellschaft“ als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“.

22.

Erstens enthält hierzu das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich jedoch, dass die Apotheker ihre Websites über die technische Lösung von Doctipharma betrieben haben; ich leite daraus ab, dass sie diese Dienstleistung zunächst abonnieren müssen. In ihren schriftlichen Erklärungen weist Doctipharma darauf hin, dass der Zugang zu ihrer Plattform von den Apothekern auf Grundlage eines Pauschalpreises abonniert werde. Die französische Regierung fügt hinzu, dass für die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung ein Prozentsatz des Verkaufsbetrags durch die Plattform einbehalten werde. Jedenfalls kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob sich die Vergütung aus einem von Doctipharma einbehaltenen Teilbetrag des vom Kunden gezahlten Preises oder aus einer Zahlung durch den Apotheker ergibt. Das Entgelt für einen Dienst der Informationsgesellschaft wird nämlich nicht notwendig von denjenigen gezahlt, denen er zugutekommt ( 10 ).

23.

Wie sich aus den Nrn. 7 und 8 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, weist das vorlegende Gericht zweitens darauf hin, dass Internetnutzer auf der Website von Doctipharma, ausgehend von den Websites der Apotheken, nicht verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel erwerben. Es fügt hinzu, die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) habe das Urteil der Cour d’appel de Versailles (Berufungsgericht Versailles) mit der Begründung aufgehoben, diese habe nicht die Konsequenzen aus ihren eigenen Feststellungen gezogen, wonach die Tätigkeit von Doctipharma auf ihrer Website u. a. darin bestehe, Apotheker und Kunden für den Verkauf von Arzneimitteln zusammenzuführen. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung in rechtlicher Hinsicht, nach den Definitionen und Begriffen des französischen Rechts, eine Form der Vermittlung oder der Maklertätigkeit darstellt, ist somit festzustellen, dass diese Dienstleistung in tatsächlicher Hinsicht das Zusammenführen von Apothekern und Kunden ermöglicht oder zumindest erleichtert.

24.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände und da das Zusammenführen von Kunde und Apotheke mit Hilfe einer Website ohne gleichzeitige Anwesenheit erfolgt, ist davon auszugehen, dass die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung eine elektronisch im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung darstellt ( 11 ). Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der Apotheker und der Kunde zu keinem Zeitpunkt während des Vertragsabschlusses miteinander oder mit Doctipharma auf andere Weise als durch elektronische Geräte in Kontakt treten.

25.

Drittens ergibt sich aus den Ausführungen in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge, dass die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung auf individuellen Abruf erbracht wird, sowohl seitens der Apotheker, die ein Abonnement für die Website von Doctipharma abschließen müssen, um die von dieser Gesellschaft erbrachte Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können, als auch seitens der Kunden, die Arzneimittel von Apothekern erwerben möchten, die ein Abonnement für diese Website abgeschlossen haben.

26.

Folglich ist anzunehmen, dass eine Dienstleistung grundsätzlich einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 darstellt, wenn sie von einem Anbieter auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die für die Website des Anbieters auf der Grundlage eines Pauschalangebots ein Abonnement abgeschlossen haben, ohne dass der Anbieter, der Apotheker und der Kunde beim Abschluss eines Kaufvertrags auf andere Weise als durch elektronische Geräte in Kontakt treten.

27.

Gleichwohl ist nach den Urteilen Asociación Profesional Elite Taxi ( 12 ), Airbnb Ireland ( 13 ) und Star Taxi App ( 14 ), auf die das vorlegende Gericht und die Parteien in ihren Erklärungen Bezug nehmen, eine Dienstleistung, die darin besteht, Kunden und Anbieter zusammenzuführen, und alle Voraussetzungen von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 erfüllt, zwar grundsätzlich von der nachfolgenden, von diesen Anbietern erbrachten Dienstleistung, auf die sie sich bezieht, unabhängig und daher als „Dienst der Informationsgesellschaft“ einzustufen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich diese Dienstleistung des Zusammenführens als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung darstellt, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistung besteht. Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass das der Fall ist, wenn die Dienstleistung der Zusammenführung funktionell und wirtschaftlich untrennbar mit der anderen verbunden ist. Außerdem müsste der Anbieter dieses ersten Dienstes auch die allgemeine Funktionsweise dieses zweiten Dienstes organisieren und kontrollieren ( 15 ).

28.

Insoweit umfassen erstens, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Ker-Optika ( 16 ) unter Bezugnahme auf den 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 und auf die Begründung des Vorschlags für diese Richtlinie ausgeführt hat, die Dienste der Informationsgesellschaft insbesondere den Online-Verkauf von Waren sowie Dienstleistungen, die Online-Transaktionen zum Kauf von Waren wie das interaktive „Teleshopping“ und Online-Warenhäuser ermöglichen.

29.

Vor diesem Hintergrund bezweifle ich, dass die in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung ohne Weiteres auf Fälle übertragbar ist, in denen eine Tätigkeit, die im Online-Verkauf von Waren besteht, durch einen von einem anderen Anbieter erbrachten Dienst der Informationsgesellschaft, der Verkäufer und Kunden zusammenführt, erleichtert oder sogar übernommen wird. In solchen Fällen kann die Dienstleistung der Zusammenführung nicht integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung sein, die hauptsächlich aus einer rechtlich anders einzustufenden Dienstleistung besteht. Wie sich nämlich aus Nr. 28 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, stellt ein Online-Verkaufsdienst als solcher einen Dienst der Informationsgesellschaft dar.

30.

Nimmt man daher an, eine Dienstleistung in Form der Zusammenführung von Verkäufern und Kunden sei integraler Bestandteil einer umfassenden Verkaufsdienstleistung, dann würde das nicht zwingend etwas an der rechtlichen Einordnung dieser Dienstleistung als „Dienst der Informationsgesellschaft“ ändern. Dem steht jedoch gegenüber, dass die Annahme, es seien die Kriterien, die von der in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung herausgearbeitet wurden, erfüllt, zu dem Schluss führen müsste, dass der Dienstleister, der eine Dienstleistung erbringt, die a priori bloß darin besteht, Verkäufer und Kunden zusammenzuführen, selbst Erbringer des Verkaufsdiensts ist.

31.

Jedenfalls erfüllt zweitens die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Dienstleistung, wie das vorlegende Gericht ausführt, nicht die Kriterien, die in der in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung aufgestellt wurden.

32.

Zum einen verkaufen die Apotheker nämlich im Rahmen ihres Berufs Arzneimittel und können sich unabhängig von der von Doctipharma erbrachten Dienstleistung am Fernabsatz beteiligen, so dass diese Dienstleistung vom eigentlichen Verkaufsvorgang getrennt werden kann. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass Doctipharma die allgemeine Funktionsweise der Verkaufsvorgänge organisiert, da die Wahl eines Apothekers durch den Kunden erfolgt und diese Gesellschaft weder in die Preisgestaltung der von Angehörigen dieses Berufsstands verkauften Arzneimittel eingreift noch über diese Verkaufsvorgänge eine Kontrolle ausübt. Außerdem bedeutet der Umstand, dass die Arzneimittel auf der Website von Doctipharma im Rahmen eines vorgespeicherten Katalogs dargeboten werden, nicht zwangsläufig, dass dieses Unternehmen das Angebot der Arzneimittel bestimmt. Aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung scheint sich nämlich zu ergeben, dass dieser Katalog zuvor auf Grundlage einer Liste angefertigt wurde, die alle Arzneimittel umfasst, die in dem Mitgliedstaat zugelassen sind, in dem Doctipharma und die Apotheker als Kunden der Dienstleistung dieser Gesellschaft ihren Sitz haben, und dass diese Liste anschließend mit Daten über die Verfügbarkeit der von den Apothekern als Kunden dieser Dienstleistung gelieferten Arzneimittel gespeist wird.

33.

Nach alledem halte ich an der von mir in Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge vertretenen Auffassung fest. Daher ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass eine Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 darstellt, wenn sie von einem Anbieter auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die für die Website des Anbieters auf der Grundlage eines Pauschalangebots ein Abonnement abgeschlossen haben, ohne dass der Anbieter, der Apotheker und der Kunde beim Abschluss eines Kaufvertrags auf andere Weise als durch elektronische Geräte in Kontakt treten. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, nachzuprüfen, ob in tatsächlicher Hinsicht alle Merkmale bezüglich der Dienstleistung, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, erfüllt waren.

B.   Zur zweiten Vorlagefrage

1. Abgrenzung der Vorlagefrage

34.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 85c Abs. 1 Buchst. a und Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass eine dieser Bestimmungen auf ein Verbot anwendbar ist, das gegenüber dem Anbieter einer wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Dienstleistung ausgesprochen wurde und das sich aus der Auslegung von nationalen Vorschriften ergibt, die die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung durch Personen verbieten, die zur Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind.

35.

Zwar bezieht sich diese zweite Frage, so wie sie das vorlegende Gericht formuliert hat, lediglich darauf, ob die Tätigkeit von Doctipharma in den Anwendungsbereich von Art. 85c der Richtlinie 2001/83 fällt.

36.

Diese Frage stellt jedoch in Wirklichkeit eine Vorfrage zu der dritten, der vierten, der fünften und der sechsten Vorlagefrage dar, mit denen das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 85c der Richtlinie 2001/83 dem Verbot für Doctipharma entgegensteht. Um darauf antworten zu können, muss nicht nur festgestellt werden, ob die Tätigkeit von Doctipharma unter diese Bestimmung fällt, sondern auch, unter welche spezifischeren Teile dieses Artikels das sich aus der Auslegung der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Bestimmungen ergebende Verbot dieser Tätigkeit fällt.

37.

Hierzu ist zum einen festzustellen, dass Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 die Bedingungen aufzählt, denen das Angebot von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft unterliegt („[Bedingungen, unter denen] das Angebot von Arzneimitteln [erfolgt]“). Insbesondere sieht Art. 85c Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie vor, dass „[d]ie natürliche oder juristische Person, die ein Arzneimittel anbietet, … zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem diese Person niedergelassen ist, ermächtigt oder befugt [sein muss]“. Diese Bestimmung wird durch Art. 85c Abs. 6 der genannten Richtlinie ergänzt, wonach die „Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen [ergreifen,] um sicherzustellen, dass gegen andere als die in Absatz 1 genannten Personen, die der Öffentlichkeit Arzneimittel zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft anbieten und in ihrem Hoheitsgebiet tätig sind, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen verhängt werden“.

38.

Zum anderen sieht Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen für den auf ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen [können], die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden“.

39.

Vor diesem Hintergrund veranlasst mich die Bezugnahme auf die Rechtfertigung durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit in der dritten und der fünften Vorlagefrage zu der Annahme, dass das vorlegende Gericht der Ansicht ist, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen in den Anwendungsbereich von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 fallen. Wie jedoch die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zeigen, liegt eine solche Schlussfolgerung keineswegs auf der Hand. Ich schlage daher vor, die zweite Frage in der Weise umzuformulieren, dass der Gerichtshof prüft, ob die Annahme, dass die in Rede stehenden nationalen Bestimmungen in den Anwendungsbereich von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 fallen, einer zutreffenden Auslegung dieser Richtlinie entspricht ( 17 ).

40.

Zu diesem Zweck und um auf die Vorlagefragen sachgerecht antworten zu können, ist auf die Abgrenzung der jeweiligen Anwendungsbereiche von Art. 85c Abs. 1 Buchst. a und Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 einzugehen.

2. Abgrenzung der jeweiligen Anwendungsbereiche der betreffenden Vorschriften

41.

Aus Art. 85c Abs. 1 Buchst. a und Abs. 6 der Richtlinie 2001/83 geht hervor, dass sich eine der Voraussetzungen für das Anbieten von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft auf Personen bezieht, die eine solche Tätigkeit ausüben können. Wie aus dieser ersten Bestimmung hervorgeht, muss es sich um Personen handeln, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, entsprechend den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, ermächtigt oder befugt sind. Man kann, mit anderen Worten, die genannte Bestimmung so verstehen, dass sie die Frage beantwortet, „wer“ den Online-Verkauf von Arzneimitteln durchführen darf. Des Weiteren ergibt sich die in Art. 85c Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie genannte Voraussetzung zwar aus dem Unionsrecht, es ist jedoch Sache des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Person ansässig ist (Herkunftsmitgliedstaat), hierauf eine Antwort zu geben.

42.

Dagegen betrifft Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 die Befugnis eines Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet zum Fernabsatz angebotene Arzneimittel vertrieben werden, „Bedingungen für den auf [dem] Hoheitsgebiet [dieses Mitgliedstaats] durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln auf[zu]stellen“. Es geht also um die Bedingungen, die möglicherweise auf nationaler Ebene vom Bestimmungsmitgliedstaat eingeführt wurden.

43.

Insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, eine im Online-Verkauf von Arzneimitteln tätige Person in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dessen Hoheitsgebiet diese Arzneimittel vertrieben werden, ist somit zu unterscheiden zwischen der in Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Bedingung und den in Art. 85c Abs. 2 dieser Richtlinie aufgestellten Bedingungen, die sich auf Arzneimittel beziehen, die im Online-Einzelhandelsvertrieb verkauft werden.

44.

Angesichts der in diesen beiden Bestimmungen allgemein gehaltenen Formulierungen und insbesondere des in Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 enthaltenen Ausdrucks („Bedingungen für den … Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln …, die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden“) glaube ich jedoch nicht, dass man dieses Rätsel durch eine wörtliche Auslegung dieser Bestimmungen lösen kann. Hingegen finden sich nützliche Hinweise zur Unterscheidung der Bedingungen, die jeweils von den beiden Bestimmungen gesetzt werden, erstens in den Erwägungsgründen 21 bis 24 der Richtlinie 2011/62 und der Rechtsprechung, auf die diese verweisen, und zweitens in der Richtlinie 2000/31, die sich ebenfalls auf die Vermarktung von Online-Produkten bezieht.

a) Zur Richtlinie 2011/62

45.

Im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62, mit der Art. 85c der Richtlinie 2001/83 eingeführt wurde, heißt es, dass „die spezifischen Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit über den Einzelhandel nicht auf Unionsebene harmonisiert sind und dass die Mitgliedstaaten daher innerhalb der vom [AEUV‑]Vertrag … gesetzten Schranken Bedingungen für die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit festlegen können“. Die Erwägungsgründe 22 bis 24 dieser Richtlinie liefern diesbezüglich weitere Klarstellungen.

46.

Zum einen spricht nämlich der 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62 aus: „Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln mit dem Unionsrecht hat der [Gerichtshof] den ganz besonderen Charakter von Arzneimitteln anerkannt, deren therapeutische Wirkungen sie substanziell von anderen Waren unterscheidet. Der Gerichtshof hat auch festgestellt, … dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit auf ihrem Hoheitsgebiet ein Wertungsspielraum zuzuerkennen“. Sodann weist der 23. Erwägungsgrund dieser Richtlinie darauf hin: „Der Gerichtshof hat angesichts der Gefahren für die öffentliche Gesundheit und der den Mitgliedstaaten zugestandenen Befugnis, das Schutzniveau für die öffentliche Gesundheit festzulegen, in seiner Rechtsprechung insbesondere anerkannt, dass die Mitgliedstaaten den Einzelhandelsabsatz von Arzneimitteln grundsätzlich allein Apothekern vorbehalten dürfen.“ Schließlich bestimmt der 24. Erwägungsgrund der vorgenannten Richtlinie: „Daher, und im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sollten die Mitgliedstaaten durch den Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigte Bedingungen in Bezug auf die Abgabe von Arzneimitteln über den Einzelhandel, die durch Dienste der Informationsgesellschaft zum Verkauf im Fernabsatz angeboten werden, festlegen können. Diese Bedingungen sollten das Funktionieren des Binnenmarktes nicht unangemessen beeinträchtigen.“

47.

Wie im Übrigen aus dem Urteil Apothekerkammer des Saarlandes u. a. ( 18 ), auf das sich die Erwägungsgründe 22 und 23 der Richtlinie 2011/62 beziehen, hervorgeht, betreffen die Bedingungen der Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit namentlich die Modalitäten der Vermarktung der Arzneimittel im Einzelhandel und insbesondere die Möglichkeit, den Verkauf von Arzneimitteln im Einzelhandel ausschließlich Apothekern vorzubehalten, die über tatsächliche berufliche Unabhängigkeit verfügen, sowie die Möglichkeit, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, eine Gefahr der Beeinträchtigung dieser Unabhängigkeit zu beseitigen oder zu verringern, da eine derartige Beeinträchtigung geeignet wäre, sich auf das Niveau der Sicherheit und der Qualität der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung auszuwirken.

48.

Hervorzuheben ist jedoch, dass das Urteil Apothekerkammer des Saarlandes u. a. ( 19 ) nicht den Online-Verkauf betrifft und jedenfalls vor Erlass der Richtlinie 2011/62 ergangen ist. Gemäß den durch diese Richtlinie eingeführten Änderungen ist die Frage, „wer“ Arzneimittel online zum Verkauf anbieten darf, in Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 geregelt ( 20 ). Da diese Frage nunmehr von der letztgenannten Vorschrift erfasst wird, kann sie folglich nicht den Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln, die im Online-Handel verkauft werden, unterliegen, die der Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 85c Abs. 2 dieser Richtlinie vorschreibt. Hingegen ist diese Bestimmung für die Bedingungen hinsichtlich der anderen Aspekte einschlägig, die im Urteil Apothekerkammer des Saarlandes u. a. genannt werden ( 21 ), so die Modalitäten der Vermarktung von Arzneimitteln im Einzelhandel und insbesondere die Maßnahmen, die geeignet sind, eine Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind, zu beseitigen oder zu verringern.

49.

Mit Blick auf die vorstehenden Erörterungen lässt sich Folgendes feststellen: Ist davon auszugehen, dass Doctipharma mit dem Dienst der Informationsgesellschaft, den sie erbringt, eine Dienstleistung für den Verkauf von Arzneimitteln im Fernabsatz an die Öffentlichkeit anbietet, dann ist das für diese Gesellschaft ausgesprochene Verbot anhand von Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 und gegebenenfalls anhand von Abs. 6 dieses Artikels zu prüfen. Ist hingegen nicht anzunehmen, dass Doctipharma anbietet, Arzneimittel im Fernabsatz an die Öffentlichkeit zu verkaufen, dann wäre das ihr gegenüber ausgesprochene Verbot als eine unter Art. 85c Abs. 2 dieser Richtlinie fallende Modalität der Vermarktung von Arzneimitteln anzusehen. Ohne der Beurteilung vorgreifen zu wollen, die das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall vorzunehmen haben wird, neige ich zu dieser zweiten Einstufung.

50.

Zum einen bin ich nämlich der Ansicht, dass das Ergebnis der Analyse anhand der Kriterien, die in der in Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind, auch im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen einem unter Art. 85c Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83 fallenden Fall und einem unter Art. 85c Abs. 2 dieser Richtlinie fallenden Fall von Bedeutung ist. Die Heranziehung derselben Kriterien würde es ermöglichen, die Kohärenz der in diesen beiden Bestimmungen gewählten Lösungen zu gewährleisten, und es besteht, wie ich im Folgenden darlegen werde ( 22 ), eine gewisse Parallelität zwischen ihnen in Bezug auf ihr Verständnis von Diensten der Informationsgesellschaft im Zusammenhang mit der Online-Vermarktung von Arzneimitteln.

51.

Jedenfalls und vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen ergibt sich aus meiner Analyse, dass Doctipharma, wie ich in Nr. 32 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, eine eigene Dienstleistung erbringt, die nicht Bestandteil einer Gesamtdienstleistung ist, die hauptsächlich im Anbieten von Arzneimitteln zum Verkauf besteht, so dass diese Gesellschaft nicht als Anbieterin von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit zum Verkauf im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft angesehen werden kann.

52.

Zum anderen ergibt sich das Verbot einer Dienstleistung, wie sie von Doctipharma erbracht wird, entsprechend der Formulierung der dritten und der fünften Vorlagefrage aus einer Auslegung der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Vorschriften. Diese Bestimmungen scheinen jedoch Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit, auch im Fernabsatz, ermächtigt oder befugt sind, bestimmte Verhaltensweisen beim Verkauf dieser Arzneimittel zu verbieten. Tatsächlich scheint sich das Verbot der von Doctipharma erbrachten Dienstleistung selbst aus einem an diese Personen gerichteten Verbot zu ergeben, auf Dienstleistungen zurückzugreifen, wie sie von Doctipharma erbracht werden. Von diesem Standpunkt aus betrachtet ergibt sich das Verbot, auf das diese Vorlagefragen abstellen, aus der Auslegung der nationalen Bestimmungen, die die Modalitäten der Online-Vermarktung von Arzneimitteln festlegen.

53.

Überdies kann das im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehende Verbot im Hinblick auf seinen Zweck als eine Maßnahme angesehen werden, mit der der nationale Gesetzgeber beabsichtigt hat, die Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Personen, die zur Abgabe von Arzneimitteln an die Öffentlichkeit ermächtigt oder befugt sind, zu beseitigen oder zu verringern. Unter Berücksichtigung der von mir vorgenommenen Auslegung des Urteils Apothekerkammer des Saarlandes u. a. ( 23 ) im Zusammenhang mit der Richtlinie 2001/83 ( 24 ) würde eine solche Maßnahme unter Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 fallen.

54.

Nach alledem und vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Überprüfungen, zum einen in Bezug auf die Merkmale der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Dienstleistung und zum anderen in Bezug auf den normativen Inhalt der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Bestimmungen, bin ich der Ansicht, dass das sich aus diesen nationalen Bestimmungen ergebende Verbot unter Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 fällt.

55.

Im Übrigen werden die in den Nrn. 49 bis 54 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Erörterungen durch die Berücksichtigung der grenzüberschreitenden Dimension des Online-Verkaufs von Arzneimitteln untermauert.

b) Zur Richtlinie 2000/31

56.

Auch wenn der Ausgangsrechtsstreit keine grenzüberschreitende Dimension aufweist, stellt diese Dimension einen nicht zu vernachlässigenden Gesichtspunkt des elektronischen Arzneimittelhandels dar. Angesichts der Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Personen, die zum Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel befugt sind, könnte der Verkauf im Fernabsatz, viel eher als der Verkauf in einer klassischen Verkaufsstelle (einer Apotheke), einen vereinfachten Zugang zu bestimmten Arzneimitteln ermöglichen. Außerdem ist in der mündlichen Verhandlung auch hervorgehoben worden, dass es notwendig ist, die in den Vorlagefragen genannten Bestimmungen unter Berücksichtigung der grenzüberschreitenden Dimension des Online-Verkaufs von Arzneimitteln auszulegen. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass andere Mitgliedstaaten als derjenige, in dessen Hoheitsgebiet ein Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft niedergelassen ist, versuchen könnten, den Zugang zu dessen Dienst zu beschränken.

57.

Insoweit wird die grenzüberschreitende Dimension der Online-Vermarktung von Produkten durch Dienste der Informationsgesellschaft teilweise durch die Richtlinie 2000/31 geregelt. Der Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist davon nicht völlig ausgeschlossen, wie die Bezugnahmen auf diese Richtlinie in Art. 85c Abs. 1 Buchst. d und Abs. 6 der Richtlinie 2001/83 zeigen, wonach diese Bestimmungen unbeschadet der erstgenannten Richtlinie gelten ( 25 ).

58.

Nach der Logik, auf der die Richtlinie 2000/31 und insbesondere ihr Art. 3 Abs. 1 und 2 beruht, unterliegt ein Anbieter eines Diensts der Informationsgesellschaft hinsichtlich der Anforderungen, die in den „koordinierten Bereich“ fallen, wie er in Art. 2 Buchst. h dieser Richtlinie definiert ist, in der Regel dem nationalen Recht des Herkunftsmitgliedstaats. Ein anderer Mitgliedstaat als der Herkunftsmitgliedstaat kann den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft „aus Gründen, die in den koordinierten Bereich fallen“, nur durch das Ergreifen von Maßnahmen einschränken, die die in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a und b der Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllen. Anforderungen, die in den koordinierten Bereich fallen, können daher vom Herkunftsmitgliedstaat oder – innerhalb der Grenzen von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie – von anderen Mitgliedstaaten aufgestellt werden.

59.

Insoweit umfasst zum einen der koordinierte Bereich, wie sich aus Art. 2 Buchst. h Ziff. i der Richtlinie 2000/31 ergibt, die Anforderungen, denen der Diensteanbieter genügen muss und die die Aufnahme der Tätigkeit eines Diensts der Informationsgesellschaft sowie die Ausübung derselben betreffen, so die Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters oder seine Verantwortlichkeit ( 26 ).

60.

Zum anderen fallen gemäß Art. 2 Buchst. h Ziff. ii der Richtlinie 2000/31 nationale Vorschriften über Anforderungen betreffend die Waren als solche sowie über die Bedingungen, unter denen eine über das Internet verkaufte Ware im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats geliefert werden kann, nicht in den koordinierten Bereich. Der 21. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergänzt, dass der koordinierte Bereich „keine rechtlichen Anforderungen der Mitgliedstaaten bezüglich Waren, beispielsweise Sicherheitsnormen, Kennzeichnungspflichten oder Haftung für Waren, und auch keine Anforderungen der Mitgliedstaaten bezüglich der Lieferung oder Beförderung von Waren, einschließlich der Lieferung von Humanarzneimitteln [betrifft]“. Solche Anforderungen können daher von einem Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 auferlegt werden, ohne dass auf die Frage des Verhältnisses zwischen dieser Richtlinie und Art. 3 der Richtlinie 2000/31 eingegangen werden muss. Indes scheint sich das Verbot, das Doctipharma auf der Grundlage der Auslegung der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Bestimmungen auferlegt wurde, nicht aus solchen Anforderungen zu ergeben.

61.

Soweit hingegen die Auslegung dieser nationalen Bestimmungen aus der Sicht von Doctipharma darauf hinausläuft, einem Anbieter eines Diensts der Informationsgesellschaft die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zu verbieten, und aus der Sicht der Apotheker, bestimmte Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Ausübung des Online-Verkaufs von Arzneimitteln zu verbieten, betreffen diese nationalen Bestimmungen die Aufnahme der Tätigkeit eines Diensts der Informationsgesellschaft und die Ausübung einer solchen Tätigkeit. Die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Vorschriften stellen somit Anforderungen auf, die in den koordinierten Bereich fallen.

62.

Insoweit scheint das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 27 ) zu bestätigen, dass bestimmte Anforderungen, die in den koordinierten Bereich der Richtlinie 2000/31 fallen, auch Bedingungen im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 darstellen können. Nach Rn. 68 dieses Urteils verfolgte nämlich das in Rede stehende Verbot für Apotheken, ihre Kunden über eine groß angelegte multimediale Werbekampagne für ihren Online-Verkauf anzuwerben, „ein Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 – und im Übrigen auch im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83“.

63.

Der Vollständigkeit halber merke ich an, dass ich nicht restlos davon überzeugt bin, dass das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 28 ) eine endgültige Vorentscheidung dafür trifft, dass jede Bedingung, die in den koordinierten Bereich fällt, mit Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 und mit Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 vereinbar sein muss. Wie ich nämlich bereits in anderen Zusammenhängen festgestellt habe, erfasst die erstgenannte Bestimmung keine generell-abstrakten Maßnahmen; gleichzeitig schließe ich nicht aus, dass solche Maßnahmen unter die zweite Bestimmung fallen können ( 29 ). Gerade aus diesem Grund liegt es nicht auf der Hand, dass dieses Urteil einen allgemeinen Grundsatz aufstellt, der in allen Fällen für das Verhältnis zwischen diesen beiden Bestimmungen gilt ( 30 ).

64.

Unabhängig davon muss ein Bestimmungsmitgliedstaat jedoch die Rechtsvorschriften des Herkunftsmitgliedstaats über die Personen beachten, die ermächtigt sind, den Online-Verkauf von Arzneimitteln anzubieten, ohne sich auf Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 berufen zu können. Wie sich aus Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, beantworten die in der letztgenannten Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen nicht die Frage, „wer“ Arzneimittel online zum Verkauf anbieten darf. Allein Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 kann in einem solchen Fall Anwendung finden. Wie ich in Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, besteht zwischen diesen beiden Richtlinien in Bezug auf ihr Verständnis von Diensten der Informationsgesellschaft und der Bedingungen, denen sie unterliegen, eine gewisse Parallelität.

65.

Nach alledem halte ich an der von mir in Nr. 54 der vorliegenden Schlussanträge vertretenen Auffassung fest. So ist auf die zweite Vorlagefrage wie folgt zu antworten: Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 ist dahin auszulegen, dass er auf ein Verbot anwendbar ist, das gegenüber dem Anbieter einer wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Dienstleistung ausgesprochen wurde und das sich aus der Auslegung von nationalen Vorschriften ergibt, die es Personen, die zur Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind, verbieten, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob alle diese Voraussetzungen in Bezug auf die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Bestimmungen vorlagen.

C.   Zur dritten, zur vierten, zur fünften und zur sechsten Vorlagefrage

1. Einleitende Bemerkungen

66.

Mit seiner dritten, seiner vierten, seiner fünften und seiner sechsten Frage, die zusammen zu untersuchen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dem Verbot einer Dienstleistung wie der in der ersten Vorlagefrage beschriebenen entgegensteht, das sich aus der Auslegung nationaler Vorschriften wie den in der zweiten Vorlagefrage beschriebenen ergibt.

67.

Diese Fragen werden nämlich für den Fall gestellt, dass die von Doctipharma erbrachte Dienstleistung als Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne der Richtlinie 2001/83 angesehen wird (erste Vorlagefrage). Mit Blick auf meine Auslegung der zweiten Vorlagefrage sind die nationalen Bestimmungen, aus denen sich das Verbot dieser Dienstleistung ergibt, als nationale Bestimmungen im Sinne von Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 anzusehen, die Bedingungen für den Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln aufstellen, die im Fernabsatz durch einen Dienst der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden.

68.

Aus Art. 85c Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 geht hervor, dass ein Mitgliedstaat im Gegensatz zum Online-Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht ermächtigt ist, das Angebot nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Diensteanbieter im Online-Handel gänzlich zu verbieten, sofern die in dieser Bestimmung genannten Bedingungen erfüllt sind ( 31 ). In diesem Rahmen ist ein Bestimmungsmitgliedstaat mit Blick auf Art. 85c Abs. 2 dieser Richtlinie ermächtigt, „Bedingungen für den [im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats] durchgeführten Einzelhandelsvertrieb von Arzneimitteln [aufzustellen], die im Fernabsatz durch Dienste der Informationsgesellschaft an die Öffentlichkeit verkauft werden“. Solche Bedingungen müssen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sein.

69.

Wie von der Kommission angemerkt, zieht das vorlegende Gericht nationale Bestimmungen heran, deren Auslegung zum Verbot einer bestimmten Tätigkeit führt, ohne den Zusammenhang zwischen dem sich aus dieser Auslegung ergebenden Verbot und dem in Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 genannten Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu erläutern. Obwohl das Vorabentscheidungsersuchen die Frage betrifft, ob dieses Verbot durch das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist, müssen sich die vorliegenden Schlussanträge daher darauf beschränken, allgemeine Hinweise zu geben, die es dem vorlegenden Gericht ermöglichen, eine Antwort auf diese Frage zu geben.

2. Hinweise betreffend das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit

70.

Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 weist lediglich darauf hin, dass die nach dieser Bestimmung auferlegten Bedingungen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sein müssen.

71.

In dieser Hinsicht ergänzt der 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/62 den normativen Inhalt dieser Bestimmung, indem er darauf hinweist, dass die nach dieser Bestimmung auferlegten Bedingungen „das Funktionieren des Binnenmarktes nicht unangemessen beeinträchtigen [sollten]“. Angesichts der üblichen Terminologie des Unionsrechts, die im Rahmen dieser Klarstellung verwendet wird, bin ich der Ansicht, dass diese den Willen des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, die Ausübung der Befugnis eines Bestimmungsmitgliedstaats einem klassischen Test zu unterziehen, mit dem festgestellt werden soll, ob die von einem Mitgliedstaat auferlegten Bedingungen geeignet sind, das Erreichen des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und ob diese Bedingungen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

72.

Im Übrigen können, wie ich in den Nrn. 62 bis 64 dieser Schlussanträge dargelegt habe, die nach Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 auferlegten Bedingungen auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dimension auf Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft angewendet werden, die in den anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat niedergelassen sind, von dem eine nach dieser Bestimmung auferlegte Bedingung ausgeht. Die Ausübung der Befugnis eines Bestimmungsmitgliedstaats sollte daher Bedingungen unterworfen werden, die sich an die Bedingungen anlehnen, von deren Einhaltung jede Beeinträchtigung der durch die Bestimmungen des AEUV garantierten Grundfreiheiten abhängt.

73.

Ich schlage daher vor, auf die dritte, die vierte, die fünfte und die sechste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass er dem Verbot einer Dienstleistung wie der in der ersten Vorlagefrage beschriebenen, das sich aus der Auslegung von Bestimmungen wie den in der zweiten Vorlagefrage beschriebenen ergibt, entgegensteht, sofern nicht nachgewiesen wird, dass dieses Verbot zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sowohl geeignet als auch erforderlich ist; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen.

74.

Um dem vorlegenden Gericht weitere Hinweise zu liefern, werde ich einige zusätzliche Bemerkungen zu der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung anbringen.

75.

Erstens kann, in Anbetracht der Bedeutung des Vertrauensverhältnisses, das zwischen einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs wie einem Apotheker und seinen Kunden bestehen muss, bereits der Schutz der Würde eines reglementierten Berufs einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der unter den Schutz der öffentlichen Gesundheit fällt, und eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen ( 32 ). Dasselbe gilt für die Sicherheit und Qualität des Einzelhandelsvertriebs der Arzneimittel ( 33 ). Da die Richtlinie 2011/62 im Wesentlichen darauf abzielt, das Eindringen von gefälschten Arzneimitteln in die Lieferkette zu verhindern, muss ich außerdem feststellen, dass das Erfordernis, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, ein Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen darstellt ( 34 ). Schließlich fällt meiner Meinung nach auch die Vorbeugung von unzweckmäßigem und übertriebenem Gebrauch nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel unter das Ziel des Gesundheitsschutzes, das dem wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht ( 35 ).

76.

Zweitens ist in Bezug auf die Eignung einer nationalen Maßnahme zur Erreichung des geltend gemachten Ziels darauf hinzuweisen, dass der Mitgliedstaat, wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Größe von Gefahren für die menschliche Gesundheit bleibt, Schutzmaßnahmen treffen können muss, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. Außerdem kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung weitestmöglich verringern ( 36 ).

77.

Drittens ist bei der Prüfung, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung beachtet worden ist, zu berücksichtigen, dass unter den vom AEU-Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass der Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll ( 37 ).

78.

Der Vollständigkeit halber ist hervorzuheben, dass die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hinweist, dass das Verbot, das sich aus der Auslegung der im Ausgangsrechtsstreit fraglichen nationalen Vorschriften ergibt, auch im Licht von Art. 15 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2006/123/EG ( 38 ) geprüft werden sollte.

79.

In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auf Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie: „Widersprechen Bestimmungen dieser Richtlinie einer Bestimmung eines anderen Gemeinschaftsrechtsaktes, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt, so hat die Bestimmung des anderen Gemeinschaftsrechtsaktes Vorrang und findet auf die betreffenden Bereiche oder Berufe Anwendung.“ Da im vorliegenden Fall offenbar keine Unvereinbarkeit zwischen den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 und den Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 besteht, gibt es keinen Grund, nur die letztgenannten Bestimmungen anzuwenden.

80.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 stellen die Mitgliedstaaten insbesondere sicher, dass die in Abs. 2 Buchst. d dieses Artikels genannten Anforderungen, d. h. diejenigen Anforderungen, die bestimmte Dienstleistungserbringer beachten müssen, um die betreffende Dienstleistungstätigkeit mit Blick auf deren Besonderheiten aufzunehmen, die in Abs. 3 dieses Artikels vorgesehenen Bedingungen der Nicht-Diskriminierung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit erfüllen.

81.

Diese Bedingungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die im Zusammenhang mit meiner Analyse der dritten, der vierten, der fünften und der sechsten Vorlagefrage geprüft wurden. Darüber hinaus gibt es keine Hinweise darauf, dass das Verbot, das sich aus der Auslegung der nationalen Bestimmungen ergibt, an sich diskriminierend ist. Der Umstand, dass, wenn man dem Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 39 ) wörtlich folgt, dieses Verbot vorbehaltlich der Ausnahmeklausel in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 den Anbietern, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, nicht entgegengehalten werden könnte, ändert vom Standpunkt des Unionsrechts aus nichts an der diskriminierungsfreien Natur des genannten Verbots, wie es auf nationaler Ebene festgelegt wurde.

82.

Gleichwohl stellt das vorlegende Gericht keine Frage zur Richtlinie 2006/123, und nur die Kommission hat sich zur möglichen Anwendung dieser Richtlinie im Ausgangsrechtsstreit geäußert. Darüber hinaus macht das vorlegende Gericht, wie ich bereits erwähnt habe, keine detaillierten Angaben zu den Merkmalen der von Doctipharma erbrachten Dienstleistung und den Zielen, die mit dem Verbot dieser Dienstleistung verfolgt werden. Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, das vorlegende Gericht auf diese Richtlinie aufmerksam zu machen, ohne sie jedoch auszulegen.

VI. Ergebnis

83.

Nach all diesen Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) vorgelegten Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

eine Dienstleistung einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ darstellt, wenn sie von einem Anbieter auf einer Website erbracht wird und in der Zusammenführung von Apothekern und Kunden für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Websites von Apotheken besteht, die für die Website des Anbieters auf der Grundlage eines Pauschalangebots ein Abonnement abgeschlossen haben, ohne dass der Anbieter, der Apotheker und der Kunde beim Abschluss eines Kaufvertrags auf andere Weise als durch elektronische Geräte in Kontakt treten. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts nachzuprüfen, ob in tatsächlicher Hinsicht alle Merkmale bezüglich der Dienstleistung, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, erfüllt waren.

2.

Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 geänderten Fassung

ist dahin auszulegen, dass

er auf ein Verbot anwendbar ist, das gegenüber dem Anbieter einer wie in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Dienstleistung ausgesprochen wurde und das sich aus der Auslegung von nationalen Vorschriften ergibt, die es Personen, die zur Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an die Öffentlichkeit im Fernabsatz ermächtigt oder befugt sind, verbieten, diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob alle diese Voraussetzungen in Bezug auf die im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden nationalen Bestimmungen vorlagen.

3.

Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83

ist dahin auszulegen, dass

er dem Verbot einer Dienstleistung wie der in der ersten Vorlagefrage beschriebenen, das sich aus der Auslegung von Bestimmungen wie den in der zweiten Vorlagefrage beschriebenen ergibt, entgegensteht, sofern nicht nachgewiesen wird, dass dieses Verbot zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sowohl geeignet als auch erforderlich ist; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67), in der durch die Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 (ABl. 2011, L 174, S. 74) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37), in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/34).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. 2000, L 178, S. 1).

( 5 ) Urteil vom 20. Dezember 2017 (C‑434/15, EU:C:2017:981).

( 6 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

( 7 ) Urteil vom 20. Dezember 2017 (C‑434/15, EU:C:2017:981).

( 8 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

( 9 ) Insoweit ist nicht auszuschließen, dass zur Beantwortung der ersten Frage nicht nur die Bestimmungen der Richtlinie 98/34, sondern auch die der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) auszulegen sind. Die Richtlinie 98/34 wurde nämlich am 7. Oktober 2015 durch die Richtlinie 2015/1535 aufgehoben, und Doctipharma gibt in ihren schriftlichen Erklärungen an, dass der in Rede stehende Dienst bis 2016 erbracht worden sei. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die zweite Richtlinie die Definition des Begriffs „Dienst der Informationsgesellschaft“ in der ersten Richtlinie übernommen hat, so dass die Anwendung dieser zweiten Richtlinie auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in jedem Fall die Antwort auf die erste Vorlagefrage nicht in Frage stellen würde.

( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 45).

( 11 ) Vgl. in entsprechender Anwendung Urteil vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 47).

( 12 ) Urteil vom 20. Dezember 2017 (C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 37 und 40).

( 13 ) Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 50).

( 14 ) Urteil vom 3. Dezember 2020 (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 49).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 38 und 39); vom 19. Dezember 2019, Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:1112, Rn. 53 bis 56), und vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 50 bis 53).

( 16 ) Urteil vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725).

( 17 ) Siehe Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge.

( 18 ) Urteil vom 19. Mai 2009 (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 34 und 35).

( 19 ) Urteil vom 19. Mai 2009 (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 19, 31, 34 und 35).

( 20 ) Siehe Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.

( 21 ) Urteil vom 19. Mai 2009 (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316).

( 22 ) Siehe Nrn. 56 bis 64 der vorliegenden Schlussanträge.

( 23 ) Urteil vom 19. Mai 2009 (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316).

( 24 ) Siehe Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge.

( 25 ) Vgl. auch in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 32).

( 26 ) Vgl. Art. 2 Buchst. h Ziff. i der Richtlinie 2000/31.

( 27 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

( 28 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

( 29 ) Vgl. meine Schlussanträge in den Rechtssachen Airbnb Ireland (C‑390/18, EU:C:2019:336, Nrn. 123 bis 125), LEA (C‑10/22, EU:C:2023:437, Nr. 51) sowie Google Ireland u. a. (C‑376/22, EU:C:2023:467, Nr. 73).

( 30 ) Tatsächlich bezieht sich der Tenor dieses Urteils zum einen allgemein auf die Richtlinie 2000/31, ohne die Richtlinie 2001/83 und ihren Art. 85c Abs. 2 zu erwähnen. Zum anderen geht aus Rn. 27 ihres Urteils vom 17. September 2021, das im Anschluss an das Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764), ergangen ist, hervor, dass die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) das Urteil so verstanden zu haben scheint, dass Art. 85c Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 die Anforderungen an die Online-Werbung erfasst und insofern Vorrang vor Art. 3 Nr. 4 der Richtlinie 2000/31 hat, als dieser die Voraussetzungen festlegt, unter denen ein Mitgliedstaat von dem in Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie aufgestellten Grundsatz abweichen kann.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:134, Nr. 25).

( 32 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 66).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 39).

( 34 ) Vgl. Urteil vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 68).

( 35 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 22. Dezember 2022, EUROAPTIEKA (C‑530/20, EU:C:2022:1014, Rn. 39, 43 und 44). Siehe auch in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 58 und 59).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2019, VIPA (C‑222/18, EU:C:2019:751, Rn. 72).

( 37 ) Vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Venturini u. a. (C‑159/12 bis C‑161/12, EU:C:2013:791, Rn. 59).

( 38 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).

( 39 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

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