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Document 62021CC0175

Schlussanträge des Generalanwalts G. Pitruzzella vom 16. Juni 2022.
Harman International Industries Inc. gegen AB S.A.
Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 34 und 36 AEUV – Freier Warenverkehr – Geistiges Eigentum – Unionsmarke – Verordnung (EU) 2017/1001 – Art. 15 – Erschöpfung des Rechts aus der Marke – Inverkehrbringen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – Zustimmung des Inhabers der Marke – Ort des ersten Inverkehrbringens der Waren durch den Inhaber der Marke oder mit seiner Zustimmung – Beweis – Richtlinie 2004/48/EG – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Tenor von Gerichtsentscheidungen, in dem die betreffenden Waren nicht bestimmt werden – Durchführungsschwierigkeiten – Beschränkter Rechtsbehelf bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht – Fairer Prozess – Verteidigungsrechte – Grundsatz der Waffengleichheit.
Rechtssache C-175/21.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:481

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 16. Juni 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑175/21

Harman International Industries, Inc.

gegen

AB SA

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie [Regionalgericht Warschau, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 34 und 36 AEUV – Freier Warenverkehr – Unionsmarke – Verordnung (EU) 2017/1001 – Art. 15 – Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke – Beweislast – Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz“

1.

Wie kann man in einem Verfahren, das der Markeninhaber angestrengt hat, um den Vertrieb nicht genehmigter Waren zu blockieren, einen Ausgleich zwischen dem Schutz des Markeninhabers und dem Schutz des Warenhändlers, der in einem Verfahren die Erschöpfung der Marke einwendet, finden? Kann die Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen der Waren in den EWR implizit erfolgen? Ist die allgemeine Formulierung des Urteilstenors und der Verweis auf das Vollstreckungsverfahren für die Bestimmung der im EWR in den Verkehr gebrachten Waren mit dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar? Wie ist die Beweislast verteilt?

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

2.

Art. 9 der Verordnung 2017/1001 ( 2 ) lautet:

„(1)   Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(3)   … [Es] kann insbesondere verboten werden,

b)

unter dem Zeichen Waren anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c)

Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

…“

3.

In Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 heißt es:

„Eine Unionsmarke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.“

4.

Art. 129 („Anwendbares Recht“) Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 bestimmt:

„Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Unionsmarkengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind.“

5.

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 ( 3 ) sieht Folgendes vor:

„Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“

B.   Polnisches Recht

6.

Art. 325 der Ustawa z dnia 17 listopada 1964 r. – Kodeks postępowania cywilnego (Gesetz über die Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964, konsolidierter Text, in geänderter Fassung (Dz. U. 2019, Pos. 1460) (im Folgenden: Zivilprozessordnung) bestimmt:

„Im Tenor des Urteils sind der Name des Gerichts, die Namen der Richter, des Kanzlers und des Staatsanwalts anzugeben, wenn dieser in der Rechtssache tätig geworden ist, der Termin und Ort der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils, die Namen der Parteien und der Gegenstand der Rechtssache sowie die Entscheidung des Gerichts über die Anträge der Parteien.“

7.

Nach Art. 758 der Zivilprozessordnung sind für die Vollstreckung die Sądy Rejonowe (Rayongerichte) und die mit diesen Gerichten verbundenen Gerichtsvollzieher zuständig.

8.

In Art. 767 §§ 1 und 2 der Zivilprozessordnung heißt es:

„§ 1   Sofern in dem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, kann gegen die Handlungen des Gerichtsvollziehers beim Sąd Rejonowy (Rayongericht) Berufung eingelegt werden. Gegen die Unterlassung einer Handlung durch den Gerichtsvollzieher kann ebenfalls Klage erhoben werden. Die Klage wird vom Gericht, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher tätig ist, geprüft.

§ 2   Die Klage kann von einer Partei oder einer anderen Person erhoben werden, deren Rechte durch die Handlung oder Unterlassung des Gerichtsvollziehers verletzt oder bedroht worden sind.

…“

9.

Art. 843 § 3 der Zivilprozessordnung sieht vor:

„In der Rechtsmittelschrift muss der Rechtsmittelführer alle Rechtsmittelgründe darlegen, die in diesem Stadium vorgebracht werden können; andernfalls verliert er das Recht, sich im folgenden Verfahren auf sie zu berufen.“

10.

Art. 1050 §§ 1 und 3 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„§ 1   Ist der Schuldner verpflichtet, eine Handlung vorzunehmen, die von einer anderen Person nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme ausschließlich von seinem Willen abhängt, so setzt das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung vorzunehmen ist, auf Antrag des Gläubigers und nach Anhörung der Parteien dem Schuldner eine Frist zur Vornahme der Handlung, unter Androhung einer Geldbuße, wenn er dies nicht innerhalb der gesetzten Frist tut.

§ 3   Ist die dem Schuldner gesetzte Frist für die Vornahme einer Handlung abgelaufen, ohne dass der Schuldner sie vorgenommen hat, verhängt das Gericht auf Antrag des Gläubigers eine Geldbuße gegen den Schuldner und setzt gleichzeitig eine neue Frist für die Vornahme der Handlung unter Androhung einer erhöhten Geldbuße fest.“

11.

Art. 1051 § 1 der Zivilprozessordnung bestimmt:

„Ist der Schuldner verpflichtet, Handlungen zu unterlassen oder die Handlungen des Gläubigers nicht zu behindern, so hat das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, den Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Zahlung einer Geldbuße zu verurteilen, nachdem es die Parteien angehört und festgestellt hat, dass der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Das Gericht geht in gleicher Weise vor, wenn der Gläubiger einen neuen Antrag stellt.“

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12.

Die Harman International Industries, Inc. (im Folgenden: Klägerin) mit Sitz in Stamford (Vereinigte Staaten) ist Inhaberin von ausschließlichen Rechten aus den unter den Nummern 001830967, 005336755, 015577621, 003191004, 003860665, 0150221652, 001782523, 005133251 und 009097494 eingetragenen Unionsmarken.

13.

Die Waren der Klägerin (audiovisuelle Geräte, u. a. Lautsprecher, Kopfhörer und Audiosysteme) unter den genannten Unionsmarken werden in Polen von nur einem Unternehmen, mit dem die Klägerin einen Vertriebsvertrag geschlossen hat, vertrieben und durch dessen Vermittlung in Verkaufsgeschäften für Elektronik an Endkunden verkauft.

14.

Die Klägerin wendet für ihre Waren ein Kennzeichensystem an, anhand dessen sich nach der Darstellung des vorlegenden Gerichts nicht immer bestimmen lässt, ob das jeweilige Produkt für den Markt des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder für außerhalb dieses Marktes bestimmt war. Die auf einem Teil der klägerischen Waren unter Unionsmarken angebrachten Kennzeichen enthalten nämlich mangels entsprechender Länderkennzeichen keine Angaben über den Ort, an dem die Ware erstmalig mit Zustimmung der Klägerin in Verkehr gebracht werden sollte. Somit befinden sich manche Kennzeichen sowohl auf Verpackungen von Waren, die für das Inverkehrbringen im Gebiet des EWR bestimmt sind, als auch auf Verpackungen von Waren, die außerhalb des EWR in Verkehr gebracht werden sollen. In Bezug auf diese Warenexemplare ist eine Zuordnung des jeweiligen Bestimmungsmarkts nur anhand eines nur der Klägerin zugänglichen IT‑Instruments samt einer Produktdatenbank möglich, in der auch die jeweiligen Bestimmungsmärkte für das konkrete Produktexemplar gespeichert sind.

15.

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die AB SA (im Folgenden: Beklagte) mit Sitz in Magnice (Polen), ist im Vertrieb von elektronischen Geräten tätig. Die Beklagte führte von der Klägerin hergestellte und mit den Unionsmarken der Klägerin gekennzeichnete Waren in den polnischen Markt ein. Die Beklagte bezog diese Waren von einem anderen Verkäufer als dem vertraglichen Vertriebspartner der Klägerin für den polnischen Markt. Die Beklagte bringt vor, sie habe von diesem Verkäufer die Zusicherung erhalten, dass das Inverkehrbringen der genannten Waren auf dem polnischen Markt die ausschließlichen Unionsmarkenrechte der Klägerin nicht verletze, da diese Rechte bereits durch das Inverkehrbringen dieser Waren unter Unionsmarken im EWR durch die Klägerin bzw. mit deren Zustimmung erschöpft seien.

16.

Die Klägerin erhob Klage beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) als erstinstanzliches Gericht und beantragte, der Beklagten die Verletzung der Unionsmarkenrechte der Klägerin zu untersagen, indem ihr verboten werde, Lautsprecher und Kopfhörer und deren Verpackungen, auf denen wenigstens eine Unionsmarke der Klägerin angebracht sei und die nicht bereits durch die Klägerin bzw. mit ihrer Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht worden seien, einzuführen, in Verkehr zu bringen, anzubieten, zu bewerben oder zu lagern. Ferner beantragte die Klägerin, der Beklagten aufzugeben, solche Lautsprecher, Kopfhörer und deren Verpackungen vom Markt zu nehmen oder zu vernichten.

17.

Die Beklagte wandte gegen das Vorbringen der Klägerin den Grundsatz der Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke ein und konzentrierte ihre Verteidigung auf die vom Verkäufer erhaltene Zusicherung, dass die fraglichen Waren bereits im EWR in den Verkehr gebracht worden seien.

18.

Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass anhand der Kennzeichensysteme der Klägerin nicht festgestellt werden könne, ob die Waren für den EWR-Markt bestimmt gewesen seien oder nicht. Ein Beklagter könne daher nicht nachweisen, dass ein Exemplar einer mit der Unionsmarke der Klägerin versehenen Ware von ihr oder mit ihrer Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sei. Der Beklagte könne sich zwar an seinen Lieferanten wenden. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass es dem Beklagten gelinge, sachdienliche Informationen über die Identität der Person zu erhalten, von der der Lieferant die fraglichen Exemplare erhalten habe, oder über die Personen, die Teil der Vertriebskette der Exemplare in Polen seien, da die Lieferanten normalerweise ihre Bezugsquellen nicht offenlegten, um ihre Abnehmer nicht zu verlieren.

19.

In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die polnische Gerichtspraxis, wonach im Entscheidungstenor der den Klagen stattgebenden Urteile die allgemeine Formulierung „Gegenstände unter einer Unionsmarke, die nicht vom Kläger (als Inhaber der Unionsmarke) bzw. mit seiner Zustimmung im [EWR] in Verkehr gebracht worden sind“ verwendet werde, ernsthafte Schwierigkeiten bei der Ausübung der Verteidigungsrechte und Unsicherheiten bei der Anwendung des Rechts mit sich bringe. Diese Art und Weise der Formulierung des Tenors der Entscheidungen hat nach Ansicht des vorlegenden Gerichts unmittelbar zur Folge, dass die Vollstreckung der Entscheidungen auf der Grundlage der darin enthaltenen Informationen praktisch unmöglich sei.

20.

Unabhängig davon, ob die Entscheidung freiwillig durchgeführt oder von der für die Vollstreckung zuständigen Behörde vollstreckt werde, müssten nämlich, damit sie praktisch vollstreckbar sei, zusätzliche Informationen vom Inhaber oder vom Beklagten eingeholt werden, um die bestimmten Artikel von mit der Unionsmarke versehenen Waren zu identifizieren.

21.

Insbesondere müsse der Kläger, der Inhaber der Marke sei, speziell mitwirken, um Zugang zur Datenbank zu erlangen, die die zur Identifizierung der Waren erforderlichen Informationen enthalte.

22.

Außerdem ergibt sich aus der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens, dass die Praxis bei der Vollstreckung von Urteilen, deren Tenor allgemein formuliert sei, nicht einheitlich sei und je nach der Art des zu befolgenden Urteils unterschiedlich ausfalle und in vielen Fällen auch zur Pfändung von Waren führen könne, die sich ohne jede Verletzung eines ausschließlichen Markenrechts im Verkehr befänden. Im Wesentlichen könne es konkret vorkommen, dass das ausschließliche Schutzrecht einer Unionsmarke auf Waren erstreckt werde, für die dieses Recht erschöpft sei.

23.

Ferner wirft die fragliche Praxis weitere Unsicherheiten hinsichtlich der Verfahrensgarantien für die Parteien in Fällen auf, in denen es um den Schutz eines durch eine Unionsmarke verliehenen ausschließlichen Rechts geht. Aus dem Wortlaut des Vorabentscheidungsersuchens geht nämlich hervor, dass für die Beklagte der Nachweis, dass ein bestimmtes Produktexemplar durch die Klägerin bzw. mit ihrer Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sei, im Ausgangsverfahren erheblich erschwert sei.

24.

Nach den Bestimmungen des polnischen Rechts könnten, wie das vorlegende Gericht ausführt, die dem Schuldner in den Sicherungsverfahren und Vollstreckungsverfahren zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe, nämlich das Rechtsmittel gegen die Handlungen des Gerichtsvollziehers und die Vollstreckungsgegenklage, die Art, auf die das Vollstreckungsorgan das Urteil vollstreckt habe, nicht wirksam anfechten, d. h. die Exemplare bestimmen, die von der Zwangsvollstreckung auszuschließen seien.

25.

Aus all diesen Gründen hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Praxis der polnischen Gerichte mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, mit der Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke und mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet ist.

26.

Der Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 36 Satz 2 AEUV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 und mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dahin auszulegen, dass er einer Praxis der nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten entgegensteht, nach der die Gerichte

bei der Prüfung von Ansprüchen eines Markeninhabers auf Untersagung der Einfuhr, des Inverkehrbringens, des Anbietens, der Bewerbung von Waren unter einer Unionsmarke bzw. auf Anordnung der Rücknahme solcher Waren vom Markt oder ihrer Vernichtung,

bei der Entscheidung im Sicherungsverfahren über die Pfändung von Waren unter Unionsmarken,

in ihren Entscheidungen auf „Gegenstände, die nicht vom Inhaber einer Unionsmarke bzw. mit dessen Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind“, abstellen und hierdurch die Bestimmung der Gegenstände unter einer Unionsmarke, die von diesen urteilsgegenständlichen Ge- und Verboten betroffen sind (d. h. die Bestimmung, welche Gegenstände nicht vom Markeninhaber bzw. mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden), angesichts der allgemeinen Formulierung der Entscheidung dem Vollstreckungsorgan überlassen wird, das sich bei der Vollstreckung der Entscheidung auf die Erklärungen des Markeninhabers bzw. auf die von ihm zur Verfügung gestellten Instrumente (darunter IT‑Instrumente und Datenbanken) stützt, während die Zulässigkeit der Anfechtung von solchen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde vor dem erkennenden Gericht aufgrund der Natur der dem Beklagten im Sicherungs- bzw. Vollstreckungsverfahren zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschlossen bzw. beschränkt ist?

III. Rechtliche Würdigung

A.   Vorbemerkungen

27.

Mit der einzigen Vorlagefrage, die den Grad an Genauigkeit betrifft, der bei der Formulierung des Tenors eines Urteils im Bereich der Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 erforderlich ist, äußert das vorlegende Gericht Zweifel sowohl hinsichtlich der Gewährleistung des freien Warenverkehrs als auch hinsichtlich des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes des Händlers, der wegen des angeblich unrechtmäßigen Inverkehrbringens markenrechtlich geschützter Waren im EWR durch den Inhaber einer Unionsmarke verklagt wird.

28.

Insbesondere führe nach der Darstellung des nationalen Gerichts die allgemeine Formulierung des Tenors durch das Gericht im Erkenntnisverfahren dazu, dass die Verteidigung des Warenhändlers, der Beklagter des Rechtsstreits ist, übermäßig erschwert werde. Dies werfe die Frage der Verteilung der Beweislast im Verfahren auf, insbesondere im Stadium der Vollstreckung, auch aufgrund der besonderen Verfahrensregelung des Mitgliedstaats, die, indem sie den Beklagten strengen Voraussetzungen für die Erhebung einer Gegenklage unterwerfe, nach Ansicht des vorlegenden Gerichts nicht geeignet sei, dem Beklagten einen wirksamen Schutz zu bieten.

29.

Die Klägerin, die Beklagte, die polnische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

30.

Nach Ansicht der Klägerin ist die Vorlagefrage zu verneinen, da jede andere Lösung gegen die Regel der Erschöpfung der Rechte aus der Marke verstieße. Sie beanstandet die Sachverhaltsdarstellung und die Auslegung der polnischen Rechtsvorschriften durch das vorlegende Gericht und ist darüber hinaus insbesondere der Ansicht, dass, wenn man den von ihm vorgeschlagenen Lösungen folgte – insbesondere der Verpflichtung des Markeninhabers, auf den Waren „die Marken oder Seriennummern“ genau anzugeben – es zu einer Diskriminierung der Wirtschaftsteilnehmer komme, deren Marke verletzt worden sei, da eine solche Verpflichtung weder im Unionsrecht noch im nationalen Recht vorgesehen sei.

31.

Die Klägerin bestreitet auch, dass Harman auf dem polnischen Markt nur einen einzigen Vertriebspartner ihrer Waren habe, und folglich könne keine Beweislastumkehr zugelassen werden, wie im Urteil Van Doren + Q ( 4 ) entschieden worden sei, da – abgesehen von den Fällen des ausschließlichen Vertriebs – die Beweislast für das Vorliegen der Zustimmung zum Inverkehrbringen der Waren außerhalb des EWR beim Beklagten liege.

32.

Die Beklagte, die polnische Regierung und die Kommission sind dagegen der Ansicht, dass die Vorlagefrage zu bejahen sei.

33.

Die Beklagte und die polnische Regierung stimmen der Darstellung des Sachverhalts durch das vorlegende Gericht zu. Insbesondere ist die Beklagte der Auffassung, jedes Urteil eines Gerichts müsse es dem Beklagten ermöglichen, es freiwillig durchzuführen, ohne auf Informationen zurückzugreifen, die in den Datenbanken der Klägerin enthalten seien, die dem Beklagten nicht zugänglich seien. Dieses praktische Problem könnte ihrer Darstellung nach durch die Einführung eines einheitlichen Kennzeichensystems gelöst werden, das die Pflicht zur Angabe des Bestimmungsmarkts auf den Exemplaren der Waren enthalte.

34.

Die polnische Regierung ist der Ansicht, dass es, da die herkömmlichen Beweislastverteilungsregeln in Verfahren wegen der Verletzung eines ausschließlichen Markenrechts in bestimmten Fällen zu einer faktischen Beschränkung des freien Warenverkehrs führen könnten, gerechtfertigt sein könnte, sie in Anwendung der in Van Doren + Q angegebenen Grundsätze anzupassen. Insbesondere könnte die Einhaltung dieser Grundsätze nur möglich sein, wenn das Beweisverfahren vollständig vom Tatsachengericht durchgeführt werde.

35.

Die Kommission ist im Gegenteil der Auffassung – auch wenn sie der Möglichkeit zustimme, dem Markeninhaber die Beweislast für die Zustimmung zum Inverkehrbringen der Waren außerhalb des EWR zuzuweisen –, dass das Unionsrecht der Möglichkeit grundsätzlich nicht entgegenstehe, dem Vollstreckungsorgan die Feststellung zu überlassen, welche mit der Unionsmarke versehenen Waren gerichtlichen Anordnungen und Verboten unterlägen. Nach dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes setze eine solche Lösung jedoch voraus, dass der Beklagte in Sicherungs- und Vollstreckungsverfahren über alle Mittel verfüge, die erforderlich seien, um sein Recht vor Gericht zu verteidigen.

36.

Wie sich aus den Akten ergibt, betrifft das Ausgangsverfahren u. a. den Parallelimport von „gemischten“ Waren, d. h. von Waren, für die die ausschließlichen Rechte des Inhabers erschöpft sind und die im EWR frei verkehren können, sowie Waren, die dazu bestimmt sind, außerhalb des EWR vermarktet zu werden, deren Vermarktung im EWR die Rechte des Inhabers verletzt.

37.

Im vorliegenden Fall legt das vorlegende Gericht dar, dass es zum Zeitpunkt der Pfändung sehr schwierig sei, die beiden Produktgruppen zu unterscheiden, und daher sehr häufig die einzigen zuverlässigen Informationen, um den Ort zu bestimmen, an dem die Waren in den Verkehr gebracht worden seien, vom Markeninhaber stammten.

38.

Die allgemeine Formulierung des Tenors, die lediglich Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 wiedergibt, führt faktisch dazu, dass die Bestimmung des Ortes, an dem die Waren in den Verkehr gebracht worden sind, auf den Zeitpunkt ihrer Vollstreckung verschoben wird. Das Verschieben auf die Phase der Vollstreckung sei problematisch, da nach polnischem Recht, wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, die Verfahrensrechte des Beklagten während der Zwangsvollstreckung sehr beschränkt seien. Dies sei insbesondere wegen der notwendigen Beteiligung des Inhabers des Unionsmarkenrechts der Fall. Die erforderliche Mitwirkung der Klägerin, die Inhaberin der Marke sei, ermögliche es dem beklagten Warenhändler nicht, seine Stellung vor Gericht wirksam und autonom zu schützen.

39.

Bei meiner Würdigung werde ich mich auf zwei Fragen konzentrieren, die mir für die Beantwortung der Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts wesentlich erscheinen: den Grundsatz der Erschöpfung der Markenrechte im Hinblick auf die Regelung über den freien Warenverkehr und die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes des beklagten Warenhändlers in demselben Verfahren sowohl im Hinblick auf die allgemeine Formulierung des Tenors als auch auf die Verteilung der Beweislast.

B.   Die Erschöpfung des Rechts aus der Unionsmarke und der freie Warenverkehr: der Begriff der Zustimmung

40.

Bekanntlich wurde mit Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 der Grundsatz der Erschöpfung der Marke kodifiziert ( 5 ), wonach sich der Inhaber eines Schutzrechts an einem Zeichen, nachdem er eine von seiner Marke erfasste Ware unmittelbar oder jedenfalls mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht hat, nicht mehr auf die mit der Marke verbundenen Rechte berufen kann, um den späteren Verkauf dieser Waren zu verhindern.

41.

Diese Bestimmung übernimmt im Wesentlichen wortgleich Art. 7 der Richtlinie 89/104/EWG ( 6 ), der die Rechtsprechung zum Grundsatz der Erschöpfung im Bereich der Marken kodifiziert hat, ebenso wie Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 ( 7 ) die Rechtsprechung zur Gemeinschaftsmarke kodifiziert hat. Die Richtlinie 89/104 wurde durch die Richtlinie 2008/95/EG aufgehoben, die ihrerseits durch die Richtlinie (EU) 2015/2436 ( 8 ) aufgehoben wurde. Dagegen wurde die Verordnung Nr. 40/94 durch die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke ( 9 ) aufgehoben, die ihrerseits durch die Verordnung 2017/1001 aufgehoben wurde. Zwar ist Art. 15 der Verordnung 2017/1001 – ebenso wie Art. 15 der Richtlinie 2015/2436 – teilweise anders formuliert als die im Lauf der Zeit aufgehobenen Bestimmungen, doch ist davon auszugehen, dass die Auslegungen des Gerichtshofs zu den früheren Rechtsakten ihre Aktualität behalten können, da die beiden Bestimmungen dasselbe Ziel verfolgen, die Rechte aus der Marke und den Schutz des freien Warenverkehrs im Binnenmarkt gegeneinander abzuwägen.

42.

Die Grundlage der Einrichtung ist die Befugnis des Inhabers, nur das erstmalige Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Waren auf dem betreffenden Markt zu kontrollieren, ohne Hindernisse oder Beschränkungen für den weiteren Verkehr der geschützten Waren zu schaffen, die mit dem Grundsatz der Freiheit des Handels unvereinbar wären ( 10 ).

43.

Diese Bestimmung ist nämlich im Licht von Art. 36 AEUV auszulegen ( 11 ), wobei auch zu berücksichtigen ist, dass sie eine umfassende Harmonisierung ( 12 ) der Regeln über die Erschöpfung der Markenrechte durch die Kodifizierung eines Großteils der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum freien Warenverkehr gewährleistet ( 13 ).

44.

Folglich kann die Anwendung von Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 nicht zur Folge haben, Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu legitimieren oder zu rechtfertigen und faktisch mit dem Gemeinsamen Markt abgeschaffte zwischenstaatliche Schranken und Zollgrenzen wieder einzuführen ( 14 ) oder die Verfahrensgarantien für die Parteien in den Fällen zu verringern, die den Schutz eines durch eine Unionsmarke verliehenen ausschließlichen Rechts betreffen.

45.

Im Licht dieser Erwägungen ist, wie das vorlegende Gericht vorschlägt, zu prüfen, ob die Praxis der polnischen Gerichte, den Tenor des Urteils allgemein zu formulieren, verbunden mit der Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen den Kategorien von Waren offenbar nur auf der Grundlage der Informationen und Datenbanken getroffen werden kann, über die die Klägerin verfügt, ein Mittel zur Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 36 AEUV darstellen kann.

46.

Diese Praxis könnte nach dem vom vorlegenden Gericht dargestellten Rahmen nämlich, wenn auch mittelbar, solche Beschränkungen beibehalten und den Schutz des ausschließlichen Rechts einer Unionsmarke auf Waren erstrecken, für die dieses Recht erschöpft ist.

47.

Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass Art. 36 AEUV ( 15 ) und damit das Verbot von Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung Ausnahmen zum Schutz der Rechte des gewerblichen und kommerziellen Eigentums zulassen können. Da das Verbot jedoch die Ausübung der Rechte beeinträchtigt, nicht aber deren Existenz, ist eine Ausnahme nur zulässig, soweit die Abweichungen „zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums[rechts] ausmachen“ ( 16 ) ( 17 ).

48.

Der Inhaber der Marke muss jede Ware, die mit seiner Marke versehen ist, selbst in den Verkehr bringen ( 18 ) oder seine Zustimmung zum Inverkehrbringen geben ( 19 ). Die Gleichwertigkeit der beiden Fälle – das Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Waren durch den Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung – ist seit den ersten Entscheidungen, mit denen der Grundsatz der Erschöpfung festgestellt wurde, stets bestätigt worden ( 20 ).

49.

Somit stellt das Vorliegen der Zustimmung eine Grenze dar, um zu verstehen, wann der Schutz des Rechts des geistigen Eigentums hinter dem Grundsatz des freien Warenverkehrs zurücktreten muss.

50.

Zur Definition der Zustimmung wurden im Urteil Ideal Standard wichtige Hinweise gegeben, wobei festgestellt worden ist, dass die Zustimmung nicht implizit sein kann ( 21 ).

51.

Im Urteil Sebago hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Richtlinie 89/104 über die Marken festgestellt, dass „eine Zustimmung im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie nur dann vorliegt, wenn sie sich auf jedes Exemplar der Ware erstreckt, für das die Erschöpfung geltend gemacht wird“ ( 22 ).

52.

In den verbundenen Rechtssachen Davidoff und Levi Strauss ( 23 ), die die Richtlinie 89/104 zum Gegenstand haben, hat der Gerichtshof entschieden, dass die Definition der Merkmale der Zustimmung zum Inverkehrbringen im EWR im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 nicht den nationalen Rechtsordnungen überlassen werden darf, weil andernfalls ein unterschiedlicher Schutz je nach anwendbarem Recht bestünde.

53.

Zur Möglichkeit einer „nicht ausdrücklichen“ Zustimmung hat der Gerichtshof klargestellt, dass die verschiedenen Formen der Zustimmung des Markeninhabers zu einem Inverkehrbringen im EWR festgestellt werden sollten, die auf eine Weise geäußert werden muss, die einen Willen zum Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt, doch hat er nicht ausgeschlossen, dass die Zustimmung „konkludent sein kann, wenn sie sich aus Anhaltspunkten und Umständen vor, bei oder nach dem Inverkehrbringen außerhalb des EWR ergibt“ ( 24 ).

54.

Eine konkludente Zustimmung zu einem Inverkehrbringen kann sich nämlich weder aus einem bloßen Schweigen des Markeninhabers noch aus dem Umstand ergeben, dass der Markeninhaber nicht alle nachfolgenden Erwerber über seinen Widerspruch gegen die Einfuhr in den EWR unterrichtet hat oder dass er kein Verbot auf den Waren angegeben hat oder beim Verkauf der Waren keine vertraglichen Beschränkungen auferlegt hat ( 25 ).

55.

Daher kann sich die Zustimmung unter bestimmten besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise auch aus schlüssigen Verhaltensweisen des Markeninhabers ergeben, selbst wenn, wie bereits dargelegt, die ausdrückliche Zustimmung die Regel ist.

56.

Wer hat für diese ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung in einem etwaigen Verfahren den Beweis zu erbringen? Welche Feststellungen hat das Gericht zu treffen, um zu bestimmen, welche in den Verkehr gebrachten Waren noch vom Markenschutz erfasst sind und welche nicht, und müssen diese Feststellungen notwendigerweise im Stadium der Hauptsache getroffen werden oder können sie auch im Stadium der Vollstreckung getroffen werden?

57.

Diese beiden im Vorabentscheidungsersuchen hervorgehobenen Gesichtspunkte haben zwar eine begriffliche Selbständigkeit, doch haben sie ihren gemeinsamen Ursprung in der Praxis der allgemeinen Formulierung des Tenors durch die polnischen Gerichte und werfen eine gemeinsame Rechtsfrage auf, nämlich die des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes des beklagten Warenhändlers, der sich in einem Markenschutzverfahren auf die Erschöpfung des Rechts beruft.

58.

Das vorlegende Gericht möchte nämlich vom Gerichtshof wissen, ob die Praxis der polnischen Gerichte, eine allgemeine Formulierung des Tenors der Entscheidungen zu wählen, die die Verletzung der Markenrechte infolge von Parallelimporten betreffen, mit den Grundprinzipien des freien Warenverkehrs und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar ist. Insbesondere könne die Bezugnahme in den Gründen und im Tenor des Urteils auf „Gegenstände, die nicht vom Inhaber bzw. mit dessen Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht worden sind“, je nach den Umständen nicht angemessen und hinreichend genau sein.

59.

Die Folge dieser Praxis der Abfassung des Tenors der Urteile führt in der Darstellung des vorlegenden Gerichts dazu, dass die Vollstreckung dieser Urteile praktisch unmöglich ist, da für die Vollstreckung erforderliche Informationen fehlen. Unabhängig davon, ob die Entscheidung freiwillig durchgeführt oder von der für die Vollstreckung zuständigen Behörde vollstreckt wird, sind nämlich jedenfalls zusätzliche Informationen erforderlich, um die von dem Urteil betroffenen Waren zu ermitteln.

60.

Nach der Darlegung des vorlegenden Gerichts kann nur der Markeninhaber die Bestimmung der fraglichen Gegenstände angeben, so dass es dem Beklagten sowohl im Sicherungsverfahren als auch im Vollstreckungsverfahren unmöglich sei, diese Feststellungen anzufechten, da er keinen Zugang zu geeigneten Informationen habe.

61.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das polnische Recht mit den Grundsätzen von Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar ist: Kann der beklagte Warenhändler in dem Mitgliedstaat auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zählen?

C.   Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten

62.

Der wirksame Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 EUV ist den Einzelnen in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen durch die erforderlichen Rechtsbehelfe, die die Mitgliedstaaten schaffen, zu gewährleisten ( 26 ).

63.

Der Grundsatz des wirksamen Schutzes der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, von dem in dieser Bestimmung die Rede ist, „stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt; er ist in den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und nun auch in Art. 47 der Charta verankert“ ( 27 ).

64.

Nach Art. 47 Abs. 1 der Charta hat bekanntlich jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Diesem Recht entspricht die Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 EUV, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.

65.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf allein auf der Grundlage von Art. 47 der Charta geltend gemacht werden, ohne dass dessen Inhalt durch andere Bestimmungen des Unionsrechts oder durch Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten konkretisiert werden müsste ( 28 ).

66.

Sodann ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass zum Wesensgehalt des in Art. 47 der Charta verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf u. a. gehört, dass die Person, die Inhaber dieses Rechts ist, Zugang zu einem Gericht erhalten kann, das über die Befugnis verfügt, die Achtung der ihr durch das Unionsrecht garantierten Rechte sicherzustellen und zu diesem Zweck alle für die bei ihm anhängige Streitigkeit relevanten Tatsachen- und Rechtsfragen zu prüfen ( 29 ).

67.

Es ist jedoch das Recht des Mitgliedstaats, gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Rechtsbehelfe festzulegen, die zugunsten der Einzelnen zu schaffen sind, vorausgesetzt, dass diese Modalitäten, wenn sie dem Unionsrecht unterliegende Sachverhalte regeln, „nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)“ ( 30 ).

68.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs „verlangt der Grundsatz der Äquivalenz, dass die in Rede stehende nationale Regelung in gleicher Weise für Rechtsbehelfe gilt, die auf die Verletzung von den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechten gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Rechtsbehelfe einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben“ ( 31 ). Die Beachtung dieses Grundsatzes verlangt daher die Gleichbehandlung von Rechtsbehelfen, die auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützt sind, und entsprechender, auf einen Verstoß gegen das nationale Recht gestützter Rechtsbehelfe ( 32 ).

69.

Dagegen verlangt der Effektivitätsgrundsatz, dass, selbst nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie, die verfahrensrechtlichen Modalitäten die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren ( 33 ).

70.

Allerdings „[zwingt] das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht dazu …, neben den nach innerstaatlichem Recht bereits bestehenden Rechtsbehelfen neue zu schaffen, es sei denn, es gibt nach dem System der betreffenden nationalen Rechtsordnung keinen Rechtsbehelf, mit dem wenigstens inzident die Wahrung der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleistet werden könnte, oder die einzige Möglichkeit für den Einzelnen, Zugang zu einem Gericht zu erlangen, bestünde darin, eine Rechtsverletzung begehen zu müssen“ ( 34 ).

71.

Aus der Abwägung zwischen dem Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und dem der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten sind die Hinweise für die Beurteilung zu entnehmen, ob der vom vorlegenden Gericht beschriebenen Auslegung die oben genannten Grundsätze des Unionsrechts entgegenstehen.

1. Allgemeine Formulierung des Tenors in den Markenschutzurteilen

72.

Die Frage der ordnungsgemäßen Formulierung des Tenors und des Schutzes im Urteil über den Markenschutz richtet sich grundsätzlich nach dem nationalen Verfahrensrecht. Nach Art. 129 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 wendet das Markengericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbar sind, sofern die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden und das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz im Sinne von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewahrt wird ( 35 ).

73.

Wie die Kommission ausgeführt hat ( 36 ), sind eine genaue Formulierung des Tenors und eine angemessene Begründung des Urteils erforderlich, um einen wirksamen Schutz der durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte zu gewährleisten, auch wenn dies nicht ausschließt, dass das Vollstreckungsorgan feststellen kann, welche mit der Unionsmarke versehenen Waren Anordnungen und Verboten unterliegen, sofern die im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe es gestatten, diese Entscheidungen vor einem Gericht anzufechten.

74.

Aus der Darstellung des vorlegenden Gerichts scheint hervorzugehen, dass der Beklagte nicht die Möglichkeit hat, freiwillig den Anordnungen und Verboten nachzukommen, die in einem Urteil enthalten sind, das eine allgemeine Formulierung enthält, und daher automatisch Vollstreckungsverfahren ausgesetzt ist, in denen er außerdem über begrenzte Rechtsbehelfe verfügt.

75.

In diesem Kontext könnte eine Lösung, wie das nationale Gericht offenbar meint, darin bestehen, eine Pflicht einzuführen, im Vorhinein den Bestimmungsmarkt auf den Waren anzugeben.

76.

Die bloße Feststellung, dass es für den Beklagten schwierig ist, Informationen über den ursprünglichen Lieferanten zu erlangen, kann meines Erachtens jedoch nicht die Rechtsgrundlage darstellen, die eine solche Verpflichtung des Inhabers rechtfertigt. Das Unionsrecht enthält nämlich keine Elemente, die nach dem Wortlaut, einer teleologischen Auslegung oder dem Kontext zu einer solchen Lösung führen könnten.

77.

Ich denke daher nicht, dass es einen Spielraum für die Einführung einer Pflicht gibt, auf den Waren ihren Bestimmungsort der Nutzung anzugeben, was neben den zusätzlichen Lasten für den Inhaber tatsächlich nur beschränkt eine Lösung sein könnte. Es lässt sich nämlich nicht ausschließen, dass der tatsächliche Bestimmungsort der Ware in der Praxis ein anderer als der angegebene ist und dass eine solche Verpflichtung daher die Übertragung des Vertriebs einer bestimmten Ware von einem Markt auf den anderen erschweren kann, was im Wesentlichen den freien Warenverkehr nach Art. 36 AEUV erheblich beschränkt. Außerdem könnte eine solche Verpflichtung, indem sie auch zusätzliche finanzielle Belastungen für die Inhaber des Markenrechts mit sich bringt, möglicherweise die Verbreitung von unrechtmäßigen Einfuhrpraktiken bewirken.

78.

Damit jedoch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gewahrt wird, muss sichergestellt sein, dass ein Gericht die Frage prüfen kann, welche Waren im Binnenmarkt in Verkehr gebracht worden sind und welche nicht.

79.

Vorzuziehen wäre es, dass diese Prüfung im Urteil in der Hauptsache vorgenommen wird, so dass das Ergebnis der Feststellung im Tenor des Urteils wiedergegeben wird.

80.

Die Identifizierung der Waren im Urteil des Tatsachengerichts wäre das Ergebnis einer unionsrechtskonformen Auslegung und daher geeignet, die oben angeführten Grundsätze für einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz in vollem Umfang zu beachten.

81.

Ist dies nicht möglich, wie sich aus der Darstellung des vorlegenden Gerichts zu ergeben scheint, weil es die vorherige Angabe des endgültigen Bestimmungsorts der Waren durch den Markeninhaber voraussetzen würde, könnte diese Feststellung auch auf den Zeitpunkt der Vollstreckung verschoben werden, sofern der Beklagte bei dieser Gelegenheit Verfahrensinstrumente nutzen könnte, die das Urteil eines „Gerichts“ über die für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits relevante Tatsachenfrage, d. h. die genaue Identifizierung der im EWR in den Verkehr gebrachten Waren, die von der Marke geschützt sind, bewirken könnten.

82.

Schließlich darf bei der allgemeinen Beurteilung der Angemessenheit des nationalen Verfahrenssystems nicht außer Acht gelassen werden, dass es eventuell eine zivilrechtliche Haftungsregelung für ungerechtfertigte Pfändungen gibt, die zwar ein nachträgliches Schutzsystem darstellt, aber zum einen als ein Rechtsbehelf angesehen werden könnte, der im Fall einer rechtswidrigen Pfändung den entstandenen Schaden ausgleicht, und zum anderen eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Rechtsinhaber haben könnte, der so veranlasst wäre, Anträge auf Sicherungsmaßnahmen nur in offenkundigen Fällen des rechtswidrigen Ursprungs der Waren zu stellen. Wie die Klägerin in ihren Erklärungen ausgeführt hat ( 37 ), gibt es nämlich bereits Beispiele europäischer nationaler Rechtsvorschriften, die ein internes Verfahren vorsehen, das dieses Schema aufgreift und auf eine Abwägung zwischen dem Ziel des freien Warenverkehrs und der Bekämpfung von Zuwiderhandlungen abzielt.

83.

Jede Beurteilung des Einzelfalls obliegt selbstverständlich dem nationalen Gericht, das dann zu prüfen hat, ob das nationale Verfahrensrecht dem Beklagten im Licht der in den vorstehenden Erwägungen dargelegten Grundsätze des Unionsrechts in einem Verfahren über den Schutz der Unionsmarke konkret das Recht auf einen umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz zuerkennt.

2. Die Beweislast für die Zustimmung des Markeninhabers

84.

Die allgemeine Regel besteht darin, dass die Beweislast für die Zustimmung des Markeninhabers der Partei obliegt, die sich auf die Zustimmung beruft. Der Gerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Beweislast für die Zustimmung des Markeninhabers der Partei obliegt, die sich auf diese Zustimmung beruft. ( 38 ).

85.

Es können jedoch Situationen eintreten, in denen eine Anpassung dieser Regel geboten ist. Wie nämlich im Urteil Van Doren + Q entschieden worden ist, obliegt der Nachweis der Einhaltung der Voraussetzungen für die Erschöpfung des Markenrechts dem Inhaber, wenn die Anwendung der allgemeinen Regel – d. h. der Nachweis durch den Beklagten – bewirken könnte, dass der Rechtsinhaber die nationalen Märkte abschotten könnte ( 39 ), eine Gefahr, die, wie der Gerichtshof im angeführten Urteil festgestellt hat, „in Fällen [besteht], in denen der Markeninhaber … seine Waren im EWR über ein ausschließliches Vertriebssystem in den Verkehr bringt“ ( 40 ).

86.

Wäre der Beklagte nämlich nicht in der Lage, die Informationen zu erhalten, die für die Feststellung erforderlich sind, ob der Inhaber der Unionsmarke die in Rede stehende Ware zum Inverkehrbringen im EWR bestimmt hat, könnten negative Auswirkungen wie die Fragmentierung des Binnenmarkts eintreten. So könnte man in solchen Fällen die Beweislast mit der Folge umkehren, dass „dem Markeninhaber der Nachweis obliegt, dass die Waren ursprünglich von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung außerhalb des EWR in den Verkehr gebracht wurden. Gelingt dem Markeninhaber dieser Nachweis, obliegt es wiederum dem Dritten, nachzuweisen, dass der Markeninhaber dem weiteren Vertrieb der Waren im EWR zugestimmt hat“ ( 41 ).

87.

Der Nachweis, dass der Markeninhaber ein ausschließliches Vertriebssystem benutzt, ist daher eine hinreichende Voraussetzung, um die Beweislast unter den angeführten Voraussetzungen umzukehren.

88.

Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts geht jedoch nicht hervor, ob dieses Kriterium im vorliegenden Fall erfüllt ist: Die Klägerin bestreitet vielmehr, ein ausschließliches Vertriebssystem zu benutzen, obwohl sie vorträgt, dass ein einziger Händler in Polen den Status eines Vertragshändlers habe und dass es neben dem von Harman errichteten Vertriebsnetz viele andere Wirtschaftsteilnehmer gebe, die Harman-Waren in Polen vertrieben, und die Beklagte selbst diese Rolle ausgeübt habe ( 42 ).

89.

Es ist daher Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob im streitigen Fall der Vertrieb durch die Klägerin als ausschließlich angesehen werden kann. Wenn ja, könnte man nach dem Urteil Van Doren + Q die Beweislast umkehren, so dass der Klägerin, der Markeninhaberin, der Beweis für die fehlende Erschöpfung des Rechts obliegt.

90.

Für den Fall, dass das Vorliegen eines ausschließlichen Vertriebs nicht festgestellt wird, könnte die Anpassung der traditionellen Beweisregeln in den Verfahren wegen Verletzung eines ausschließlichen Markenrechts im Hinblick auf die besonderen Umstände in Bezug auf die Vermarktung der Gegenstände zugelassen werden. Fehlt auf den in Rede stehenden Gegenständen ein Hinweis auf den Markt des erstmaligen Inverkehrbringens, so wird das Gericht, nachdem es festgestellt hat, dass es keine praktischen Abhilfemaßnahmen gibt, die diese Beweisschwierigkeit beseitigen könnten, eine Anpassung der Beweislast unter Beachtung des oben angeführten Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vornehmen.

91.

Mit der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Prüfung soll geklärt werden, ob der Beklagte nicht eine „probatio diabolica“ vor sich hat, weil die tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, die Erschöpfung des Markenrechts zu belegen, völlig außerhalb seines Einfluss- und Kenntnisbereichs liegen.

92.

Ich weise jedoch darauf hin, dass die bloße Feststellung, dass es für den Beklagten schwierig ist, Informationen von seinem eigenen Lieferanten zu erlangen, nicht der einzige Umstand sein kann, der die Anpassung der Beweislast rechtfertigt.

93.

Für den Fall, dass das Vorliegen eines ausschließlichen Vertriebs durch den Markeninhaber nicht festgestellt wird, ist die Anpassung der Beweislast für die Erschöpfung des Markenrechts nur dann als möglich anzusehen, wenn es dem Beklagten praktisch unmöglich ist, den Nachweis für diesen Umstand zu erbringen, der dem von ihm beanspruchten Recht zugrunde liegt.

IV. Ergebnis

94.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) wie folgt zu antworten:

Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke, ausgelegt im Licht von Art. 36 Satz 2 AEUV, Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta der Grundrechte, ist dahin auszulegen, dass das Unionsrecht der Praxis nicht entgegensteht, nach der das Gericht in einem Urteil über den Schutz der Unionsmarke eine allgemeine Formulierung des Urteilstenors verwendet und es somit dem Vollstreckungsorgan überlässt, die Waren zu bestimmen, die Gegenstand der Entscheidung sind. Das gilt unter der Voraussetzung, dass es dem Beklagten im Rahmen der Vollstreckung erlaubt ist, die Bestimmung der in den Verkehr gebrachten Waren anzufechten, und dass ein Gericht prüfen und entscheiden kann, welche Waren tatsächlich mit der Zustimmung des Markeninhabers im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. In einem Verfahren über den Schutz der Unionsmarke muss das nationale Gericht, wenn sich der Beklagte auf die Erschöpfung der Rechte beruft, aber keinen Zugang zu den erforderlichen Informationen hat, die Möglichkeit einer Änderung der Beweislastverteilung sowohl in dem Fall beurteilen, in dem ein ausschließlicher Vertrieb festgestellt worden ist, als auch in dem Fall, in dem der Nachweis der tatsächlichen Umstände zur Stützung der eigenen Einreden für den Beklagten praktisch unmöglich wäre.


( 1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 2 ) Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1).

( 3 ) Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 61).

( 4 ) Urteil vom 8. April 2003, Van Doren + Q (C‑244/00, EU:C:2003:204).

( 5 ) Bereits vor einer Harmonisierung des Rechts des geistigen Eigentums hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Ausübung des ausschließlichen Rechts des Inhabers dieses Rechts, falls sie nicht unter den durch die Wettbewerbsregeln garantierten Schutz fällt (Art. 101 Abs. 1 AEUV), im Hinblick auf die Regelung über den freien Warenverkehr zu prüfen ist.

( 6 ) Erste Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

( 7 ) ABl. 1994, L 11, S. 1.

( 8 ) ABl. 2015, L 336, S. 1.

( 9 ) ABl. 2009, L 78, S. 1.

( 10 ) Für eine genaue Darstellung dieses Grundsatzes unter einem historischen Blickwinkel: D. Sarti, Diritti esclusivi e circolazione dei beni, Mailand 1996, S. 17 ff. und S. 73 ff.

( 11 ) Urteil vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a. (C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282, Rn. 27).

( 12 ) Vgl. Urteil vom 16. Juli 1998, Silhouette International Schmied (C‑355/96, EU:C:1998:374, Rn. 25 und 29).

( 13 ) Der Gerichtshof hat den freien Warenverkehr gefördert, indem er die Vertragsbestimmungen über den Wettbewerb angewandt hat: Urteil vom 13. Juli 1966, Établissements Consten S.à.R.L. und Grundig-Verkaufs-GmbH/Kommission der EWG (verbundene Rechtssachen56/64 und 58/64, EU:C:1966:41), Urteil vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co./Probel, Reese, Beintema‑Interpharm und Centrafarm (24/67, EU:C:1968:11), Urteil vom 18. Februar 1971, Sirena S.r.l./Eda S.r.l. u. a. (40/70, EU:C:1971:18).

( 14 ) Zur Erreichung dieser Ziele hat der Gerichtshof zuerst das Verbot wettbewerbsbeschränkender Kartelle und sodann die angeführten Regeln über den freien Warenverkehr, damals Art. 85 des Vertrags, jetzt Art. 101 AEUV, herangezogen. Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966, Établissements Consten S.à.R.L. und Grundig-Verkaufs-GmbH/Kommission der EWG (verbundene Rechtssachen56/64 und 58/64, EU:C:1966:41).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm BV und Adriaan de Peijper/Winthrop BV (16/74, EU:C:1974:115), Urteil vom 23. Mai 1978, Hoffmann-La Roche & Co. AG/Centrafarm Vertriebsgesellschaft Pharmazeutischer Erzeugnisse mbH (102/77, EU:C:1978:108), Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League Ltd u. a./QC Leisure u. a. und Karen Murphy/Media Protection Services Ltd (verbundene Rechtssachen C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 94).

( 16 ) Vgl. Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm BV und Adriaan de Peijper/Winthrop BV (16/74, EU:C:1974:115, Rn. 7), Urteil vom 23. Mai 1978, Hoffmann-La Roche & Co. AG/Centrafarm Vertriebsgesellschaft Pharmazeutischer Erzeugnisse mbH (102/77, EU:C:1978:108, Rn. 6). Insoweit verweise ich auf die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 6. April 2006 in der Rechtssache Boehringer Ingelheim u. a. (C‑348/04, EU:C:2006:235, Nr. 9), in denen ausgeführt wird, dass sich der spezifische Gegenstand einer Marke aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: „erstens aus dem Recht zum Gebrauch der Marke, um durch die Marke geschützte Erzeugnisse in der EG in den Verkehr zu bringen, wobei dieses Recht hernach erschöpft ist. Zweitens besteht das Recht zum Widerspruch gegen den Gebrauch der Marke, soweit dieser die Herkunftsgarantie beeinträchtigen kann, die sowohl eine Garantie der Ursprungsidentität als auch eine Garantie der einwandfreien Beschaffenheit des gekennzeichneten Erzeugnisses umfasst.“

( 17 ) Im Urteil vom 8. Juni 1971, Deutsche Grammophon/Metro SB (78/70, EU:C:1971:59), hat sich der Gerichtshof erstmals zu diesem Thema geäußert, im Übrigen gerade im Bereich der dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte.

( 18 ) Der Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne einer Wirkung gehört zum Umfang der Rechte aus der Marke und unterliegt daher einer umfassenden Harmonisierung, auch wenn die Geschäfte und Handlungen, die es bewirken, von jedem einzelnen Mitgliedstaat geregelt werden. Vgl. Urteil vom 3. Juni 2010, Coty Prestige Lancaster Group GmbH/Simex Trading AG (C‑127/09, EU:C:2010:313, Rn. 27 und 28), Urteil vom 23. April 2009, Copad SA/Christian Dior couture SA, Vincent Gladel und Société industrielle lingerie (SIL) (C‑59/08, EU:C:2009:260, Rn. 40), Urteil vom 30. November 2004, Peak Holding AB/Axolin-Elinor AB (C‑16/03, EU:C:2004:759, Rn. 31 und 32).

( 19 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 1999, Sebago und Maison Dubois (C‑173/98, EU:C:1999:347, Rn. 19 und 20).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm BV und Adriaan de Peijper/Winthrop BV (16/74, EU:C:1974:115, Rn. 1).

( 21 ) Vgl. Urteil vom 22. Juni 1994, IHT/Ideal Standard (C‑9/93, EU:C:1994:261, Rn. 43), wonach für die Erschöpfung erforderlich ist, „dass der Zeicheninhaber im Einfuhrstaat unmittelbar oder mittelbar die Befugnis hat, zu bestimmen, auf welchen Erzeugnissen das Warenzeichen im Ausfuhrstaat angebracht werden darf, und die Qualität dieser Erzeugnisse zu kontrollieren“.

( 22 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 1999, Sebago Inc. und Ancienne Maison Dubois & Fils SA/G‑B Unic SA (C‑173/98, EU:C:1999:347, Rn. 22).

( 23 ) Urteil vom 20. November 2001, Zino Davidoff SA und A & G Imports Ltd (verbundene Rechtssachen C‑414/99, C‑415/99, C‑416/99, EU:C:2001:617).

( 24 ) Vgl. Urteil vom 20. November 2001, Zino Davidoff SA und A & G Imports Ltd (verbundene Rechtssachen C‑414/99, C‑415/99, C‑416/99, EU:C:2001:617, Rn. 47).

( 25 ) Vgl. Urteil vom 20. November 2001, Zino Davidoff SA und A & G Imports Ltd (verbundene Rechtssachen C‑414/99, C‑415/99, C‑416/99, EU:C:2001:617, Rn. 60).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Miasto Łowicz und Prokurator Generalny (C‑558/18 und C‑563/18, EU:C:2020:234, Rn. 32).

( 27 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia (C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 57); vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen (Disziplinarordnung für Richter) (C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 52).

( 28 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois (Rechtsschutz gegen Ersuchen um Informationen in Steuersachen) (C‑245/19 und C‑246/19, EU:C:2020:795, Rn. 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 29 ) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2020, État luxembourgeois (Rechtsschutz gegen Ersuchen um Informationen in Steuersachen) (C‑245/19 und C‑246/19, EU:C:2020:795, Rn. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 30 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia (C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 58).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 17. März 2016, Bensada Benallal (C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 29); vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting‑04 (C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 39).

( 32 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Târșia (C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2021, Konsul Rzeczypospolitej Polskiej w N. (C‑949/19, EU:C:2021:186, Rn. 43), Urteil vom 13. Dezember 2017, El Hassani (C‑403/16, EU:C:2017:960, Rn. 26), Urteil vom 15. März 2017, Aquino (C‑3/16, EU:C:2017:209, Rn. 48).

( 34 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2021, Randstad Italia (C‑497/20, EU:C:2021:1037, Rn. 62); vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 14. Mai 2020, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság (C‑924/19 PPU und C‑925/19 PPU, EU:C:2020:367, Rn. 143).

( 35 ) Vgl. Urteil vom 13. Januar 2022, Minister Sprawiedliwości (C‑55/20, EU:C:2022:6, Rn. 104 und 105 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Erklärungen der Kommission, Rn. 39 bis 41.

( 37 ) In Rn. 21 der Erklärungen der Klägerin. Außerdem wird für die Darstellung der in einigen Mitgliedstaaten geltenden Verfahren für einstweilige Maßnahmen und Vollstreckungsmaßnahmen auf die Rn. 54 bis 80 verwiesen.

( 38 ) Vgl. Urteil vom 20. November 2001, Zino Davidoff SA und A & G Imports Ltd (verbundene Rechtssachen C‑414/99, C‑415/99, C‑416/99, EU:C:2001:617, Rn. 54).

( 39 ) Vgl. Urteile vom 20. November 2001, Zino Davidoff SA und A & G Imports Ltd (verbundene Rechtssachen C‑414/99, C‑415/99, C‑416/99, EU:C:2001:617, Rn. 54), vom 8. April 2003, Van Doren + Q (C‑244/00, EU:C:2003:204, Rn. 37 und 38), sowie vom 20. Dezember 2017, Schweppes (C‑291/16, EU:C:2017:990, Rn. 52).

( 40 ) Vgl. Urteil vom 8. April 2003, Van Doren + Q (C‑244/00, EU:C:2003:204, Rn. 39).

( 41 ) Vgl. Urteil vom 8. April 2003, Van Doren + Q (C‑244/00, EU:C:2003:204, Rn. 41).

( 42 ) Erklärungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, Rn. 6.

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