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Document 62021CC0147

Schlussanträge des Generalanwalts N. Emiliou vom 2. Juni 2022.
Comité interprofessionnel des huiles essentielles françaises (CIHEF) u. a. gegen Ministre de la Transition écologique und Premier ministre.
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Biozidprodukte – Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – Art. 72 – Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV – Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, im Bereich der Geschäftspraktiken und der Werbung einschränkende Maßnahmen zu erlassen – Verkaufsmodalitäten, die nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fallen – Rechtfertigung – Art. 36 AEUV – Ziel des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-147/21.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:437

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NICHOLAS EMILIOU

vom 2. Juni 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑147/21

Comité interprofessionnel des huiles essentielles françaises (CIHEF),

Florame,

Hyteck Aroma-Zone,

Laboratoires Gilbert,

Laboratoire Léa Nature,

Laboratoires Oméga Pharma France,

Pierre Fabre Médicament,

Pranarom France,

Puressentiel France

gegen

Ministre de la Transition écologique,

Premier ministre

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Angleichung der Rechtsvorschriften – Biozidprodukte – Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt – Möglichkeit der Mitgliedstaaten, restriktive Maßnahmen gegen Geschäftspraktiken und Werbung zu erlassen“

I. Einleitung

1.

Zur Stärkung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt hat die französische Regulierungsbehörde entschieden, dass Rodentizide und Insektizide, zwei Kategorien von Biozidprodukten, nicht Gegenstand bestimmter Geschäftspraktiken wie Rabatten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sein dürfen. Ferner hat sie die Werbung für diese Produktkategorien sowie für bestimmte Desinfektionsmittel eingeschränkt.

2.

Im Ausgangsverfahren beantragen mehrere Unternehmen die Nichtigerklärung dieser Vorschriften und bestreiten ihre Vereinbarkeit u. a. mit der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ( 2 ).

3.

Der Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich; im Folgenden: Conseil d’État) hat Zweifel, ob mit diesem Rechtsakt eine abschließende Harmonisierung verwirklicht wurde, die den streitigen nationalen Regelungen entgegensteht, und, wenn dies nicht der Fall ist, unter welchen Voraussetzungen diese Regelungen erlassen werden können.

4.

In der vorliegenden Rechtssache geht es also um den Umfang der Autonomie, die den Mitgliedstaaten nach dem Erlass der Biozidprodukte-Verordnung verbleibt. Hilfsweise wird in der vorliegenden Rechtssache im Wesentlichen danach gefragt, unter welchen Voraussetzungen nationale Regelungen der in Rede stehenden Art nach den Vertragsbestimmungen zulässig sind.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

Nach Art. 1 Abs. 1 der Biozidprodukte-Verordnung ist ihr Ziel und Gegenstand, „das Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu verbessern. Die Bestimmungen dieser Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem der Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt sichergestellt werden soll. Dem Schutz gefährdeter Gruppen ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen.“

6.

Nach Art. 1 Abs. 2 der Biozidprodukte-Verordnung regelt sie

„a)

die Erstellung einer auf Unionsebene gültigen Liste von Wirkstoffen, die in Biozidprodukten verwendet werden dürfen;

b)

die Zulassung von Biozidprodukten;

c)

die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen in der Union;

d)

die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder in der Union;

e)

das Inverkehrbringen von behandelten Waren.“

7.

Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung bezieht sich auf die Werbung. Er bestimmt:

„(1)   Jeder Werbung für Biozidprodukte ist zusätzlich zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008[ ( 3 )] folgender Hinweis hinzuzufügen: ‚Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.‘ Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein.

(2)   In der Werbung darf das Wort ‚Biozidprodukte‘ in den vorgeschriebenen Sätzen durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart ersetzt werden.

(3)   In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben ‚Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial‘, ‚ungiftig‘, ‚unschädlich‘, ‚natürlich‘, ‚umweltfreundlich‘, ‚tierfreundlich‘ oder ähnliche Hinweise enthalten.“

B.   Nationales Recht

8.

Der neue Art. L. 522-18 des Code de l’environnement (im Folgenden: Umweltgesetzbuch) ( 4 ) bestimmt:

„Beim Verkauf von Biozidprodukten gemäß Art. L. 522-1 sind Rabatte, Preisnachlässe, Rückvergütungen, eine Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen nach Art. L. 441-1]des Code de commerce [Handelsgesetzbuch], die Ausgabe von kostenlosen Proben und alle vergleichbaren Praktiken untersagt. Jede Geschäftspraktik zur direkten oder indirekten Umgehung dieses Verbots durch die Gewährung von Rabatten, Preisnachlässen oder Rückvergütungen auf ein anderes Sortiment, die an den Kauf von Biozidprodukten gebunden ist, ist untersagt. Die genaue Festlegung der Kategorien der betroffenen Produkte abhängig von ihrem Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt erfolgt durch Dekret nach Anhörung des Conseil d’État.“

9.

Der neue Art. L. 522-5-3 des Umweltgesetzbuchs ( 5 ) bestimmt:

„Jegliche kommerzielle Werbung für bestimmte Kategorien von Biozidprodukten nach der [Biozidprodukte-Verordnung] ist verboten. Abweichend von Abs. 1 dieses Artikels ist an berufsmäßige Verwender gerichtete Werbung an Orten der Ausgabe der Produkte an diese Verwender sowie in an diese gerichteten Publikationen zulässig. Die Festlegung der Kategorien der betroffenen Produkte abhängig vom Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie die Bedingungen, unter denen Werbeanzeigen geschaltet werden können, erfolgt durch Dekret nach Anhörung des Conseil d’État. Diese Werbeanzeigen heben sowohl die gute Praxis zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt beim Gebrauch der Produkte hervor als auch die potenziellen Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt.“

10.

Das Dekret Nr. 2019-642 vom 26. Juni 2019, das in Anwendung des neuen Art. L. 522-18 des Umweltgesetzbuchs erlassen wurde, ergänzt dieses um Art. R. 522-16-1, der bestimmt:

„Die in Art. L. 522‑18 genannten Produktkategorien, für die gewisse Geschäftspraktiken untersagt sind, sind Produkte der Produktarten 14 und 18 gemäß der [Biozidprodukte-Verordnung]. Diese Bestimmungen gelten nicht für Biozidprodukte, die für das vereinfachte Zulassungsverfahren nach Art. 25 der [Biozidprodukte-Verordnung] in Betracht kommen.“

11.

Das Dekret Nr. 2019-643 vom 26. Juni 2019, das in Anwendung von Art. L. 522-5-3 des Umweltgesetzbuchs erlassen wurde, ergänzt dieses um einen neuen Artikel R. 522-16-2, der bestimmt:

„I.‑ Folgende Kategorien zählen zu den in Art. L. 522-5-3 genannten Kategorien von Biozidprodukten, für die kommerzielle Werbung in der Öffentlichkeit verboten ist:

1. Produkte, die zu den Produktarten 14 und 18 gemäß der [Biozidprodukte-Verordnung] gehören;

2. Produkte der Produktarten 2 und 4 gemäß der [Biozidprodukte-Verordnung], die nach den Bestimmungen der [CLP-Verordnung] als gewässergefährdend der Kategorie 1 eingestuft sind: akut gewässergefährdend, Kategorie 1 (H 400), und chronisch gewässergefährdend, Kategorie 1 (H 410).

II.‑ Für die in I. genannten Produkte ist die gesamte an Fachleute gerichtete Werbung in Übereinstimmung mit den Bestimmungen von Art. 72 der [Biozidprodukte-Verordnung] zu erstellen. Darüber hinaus muss sie in klarer und lesbarer Weise folgende Elemente enthalten:

1. Zwei Sätze mit folgendem Wortlaut: ‚Vor jedem Gebrauch die Unerlässlichkeit sicherstellen, insbesondere an von der breiten Öffentlichkeit frequentierten Orten. Nach Möglichkeit alternative Methoden und Produkte mit dem geringsten Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt vorziehen.‘

2. Angabe der Biozidproduktart des Produkts gemäß Anhang V der oben genannten [Biozidprodukte-Verordnung].

III.‑ Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für Biozidprodukte, die für das vereinfachte Zulassungsverfahren gemäß Art. 25 der [Biozidprodukte-Verordnung] in Betracht kommen.“

III. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12.

Mit zwei Klagen haben das Comité interprofessionnel des huiles essentielles françaises (CIHEF) sowie die Unternehmen Florame, Hyteck Aroma-Zone, Laboratoires Gilbert, Laboratoire Léa Nature, Laboratoires Oméga Pharma France, Pierre Fabre Médicament, Pranarom France und Puressentiel France (zusammen im Folgenden: Kläger) beim Conseil d’État beantragt, das Décret no 2019-642 du 26 juin 2019 relatif aux pratiques commerciales prohibées pour certaines catégories de produits biocides (Dekret Nr. 2019-642 vom 26. Juni 2019 über verbotene Geschäftspraktiken für bestimmte Kategorien von Biozidprodukten) (im Folgenden: angefochtenes Dekret Nr. 2019-642) und das Décret no 2019-643 du 26 juin 2019 relatif à la publicité commerciale pour certaines catégories de produits biocides (Dekret Nr. 2019-643 vom 26. Juni 2019 über die kommerzielle Werbung für bestimmte Kategorien von Biozidprodukten) (im Folgenden: angefochtenes Dekret Nr. 2019-643) (zusammen im Folgenden: angefochtene Dekrete) für nichtig zu erklären.

13.

Nach Ansicht der Kläger stellt der Erlass der angefochtenen Dekrete eine Befugnisüberschreitung dar. Somit haben sie beim Conseil d’État beantragt, dem Gerichtshof die Frage nach einer durch die Biozidprodukte-Verordnung herbeigeführten abschließenden Harmonisierung zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Kläger machen geltend, dass die in den angefochtenen Dekreten festgelegten Verbote gegen die Art. L. 522-18 und L. 522-5-3 verstießen, da sie zu allgemein seien. Die angefochtenen Dekrete führten außerdem eine ungerechtfertigte Diskriminierung zugunsten von Erzeugnissen ein, die nicht von diesen Verboten erfasst würden, verstießen gegen das durch Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützte Eigentumsrecht und seien unter Missachtung der Bestimmungen von Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu der am 4. November 1950 unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) erlassen worden. Darüber hinaus verstoße das angefochtene Dekret Nr. 2019-642 gegen die Richtlinie 2000/31/EG ( 6 ), da es einen ungerechtfertigten und unverhältnismäßigen Eingriff in den freien Dienstleistungsverkehr darstelle; das angefochtene Dekret Nr. 2019-643 sei rechtswidrig, weil es einen übermäßigen Eingriff in das durch Art. 10 der EMRK garantierte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung darstelle.

14.

Die Ministre de la Transition écologique (Ministerin für den ökologischen Wandel, Frankreich) beantragt mit ihrer Klagebeantwortung, beide Klagen abzuweisen.

15.

Der Conseil d’État stellt in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Gründe dafür dar, dass alle oben genannten Klagegründe mit Ausnahme des auf die [Biozidprodukte-Verordnung] gestützten Klagegrundes zurückzuweisen seien; diese wiederum enthalte keine Bestimmung, die einen Mitgliedstaat ermächtige oder es ihm untersage, restriktive Maßnahmen wie diejenigen in den Art. L. 522-18 und L. 522-5-3 des Umweltgesetzbuchs vorzusehen. Es sei daher unklar, ob solche Maßnahmen erlassen werden könnten, ohne gegen diese Verordnung zu verstoßen.

16.

Vor diesem Hintergrund hat der Conseil d’État beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

Verstößt es gegen die Biozidprodukte-Verordnung, wenn ein Mitgliedstaat im Interesse der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt restriktive Vorschriften zu Geschäftspraktiken und Werbung erlässt, wie sie in den Art. L. 522-18 und L. 522-5-3 des Umweltgesetzbuchs vorgesehen sind? Unter welchen Bedingungen darf ein Mitgliedstaat gegebenenfalls solche Maßnahmen ergreifen?

17.

Die Kläger, die französische, die italienische und die niederländische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Kläger, die französische Regierung und die Kommission haben in der Sitzung vom 9. März 2022 mündlich verhandelt.

IV. Würdigung

18.

Die vorliegende Rechtssache betrifft die Vereinbarkeit französischer nationaler Regelungen ( 7 ), die zum einen bestimmte Geschäftspraktiken für zwei Kategorien von Biozidprodukten verbieten und zum anderen die Werbung für diese und zwei weitere Kategorien von Biozidprodukten einschränken, mit dem Unionsrecht.

19.

Zu Beginn meiner Würdigung werde ich prüfen, welcher Grad der Harmonisierung mit der Biozidprodukte-Verordnung verwirklicht worden ist, da dies der Unionsrechtsakt ist, nach dem das vorlegende Gericht konkret fragt. Hilfsweise fragt das Gericht ferner allgemeiner nach den Voraussetzungen, unter denen der Erlass nationaler Regelungen der in Rede stehenden Art nach dem Unionsrecht zulässig ist. Ich werde die streitigen Regelungen daher, soweit erforderlich, nach dem einschlägigen Unionsrecht prüfen, bei dem es sich vorliegend um die Bestimmungen über den freien Warenverkehr nach den Art. 34 und 36 AEUV handelt ( 8 ). Diese Bestimmungen werden jedoch nur anwendbar, wenn die Rechtssache des Ausgangsverfahrens einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist ( 9 ); dies festzustellen, ist Sache des vorlegenden Gerichts ( 10 ).

20.

Im Rahmen der oben genannten zweiteiligen Würdigung werde ich zunächst das nationale Verbot bestimmter Geschäftspraktiken prüfen (A) und mich anschließend der Frage der Werbung zuwenden (B).

A.   Das Verbot der streitigen Geschäftspraktiken

21.

Nach den Art. L. 522-18 und R. 522-16-1 des Umweltgesetzbuchs sind Rabatte, Preisnachlässe, Rückvergütungen, eine Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen, die Ausgabe von kostenlosen Proben und alle vergleichbaren Praktiken beim Verkauf bestimmter Biozidprodukte, die in Anhang V der Biozidprodukte-Verordnung (im Folgenden: Anhang V) als Produktarten 14 und 18 definiert sind, mit Ausnahme derjenigen, die für das vereinfachte Zulassungsverfahren nach Art. 25 dieser Verordnung in Betracht kommen, untersagt.

22.

Die Produktart 14 betrifft „Rodentizide“; diese sind in Anhang V näher bezeichnet als „Produkte zur Bekämpfung von Mäusen, Ratten und anderen Nagetieren durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung“. Die Produktart 18 betrifft „Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden“; diese sind näher bezeichnet als „Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden (z. B. Insekten, Spinnentiere und Schalentiere) durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung“. Die Produkttypen 14 und 18 fallen beide unter die breitere Kategorie „Hauptgruppe 3: Schädlingsbekämpfungsmittel“.

23.

In der folgenden Würdigung werde ich zu dem Ergebnis kommen, dass das streitige nationale Verbot nicht gegen die Biozidprodukte-Verordnung verstößt (1). Ich werde weiter zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Verbot nicht gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr verstößt (2).

1. Umfang der harmonisierten Vorschriften

24.

Die Biozidprodukte-Verordnung wurde auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen, der Hauptrechtsgrundlage für den Erlass von für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen unionsrechtlichen Maßnahmen ( 11 ). Dementsprechend harmonisiert diese Verordnung „die Vorschriften für die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt“, wie es in ihrem Art. 1 Abs. 1 heißt ( 12 ). Insoweit sind in Art. 1 Abs. 2 die Kategorien von Vorschriften aufgeführt, die in diesem Rechtsakt vorgesehen sind. Zu dieser Liste gehören nach Buchst. d Vorschriften über „die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten in einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder in der Union“.

25.

Die Rechtssache des Ausgangsverfahrens betrifft Biozidprodukte; die Kategorie der Vorschriften über „die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung“ dürfte auch weit genug sein, um Vorschriften, die bestimmte Preispraktiken verbieten, einzuschließen. In Art. 3 Abs. 1 Buchst. i ist die „Bereitstellung auf dem Markt“ nämlich definiert als „jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Biozidprodukts … zum Vertrieb oder zur Verwendung im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit“.

26.

Ob mit einem Unionsrechtsakt die abschließende Harmonisierung eines bestimmten Bereichs bewirkt wird, darf jedoch nicht anhand von allgemein definierten rechtlichen Kategorien beurteilt werden, sondern ist anhand des konkret betroffenen Bereichs zu prüfen ( 13 ).

27.

Dieser Bereich besteht vorliegend gerade in dem Verbot von „Rabatten, Preisnachlässen, Rückvergütungen, einer Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen …, der Ausgabe von kostenlosen Proben und aller vergleichbaren Praktiken“ beim Verkauf bestimmter Biozidprodukte.

28.

Für die so umschriebenen einschlägigen Geschäftspraktiken stimme ich mit der französischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission darin überein, dass die Biozidprodukte-Verordnung keine Vorschrift enthält, die sie ausdrücklich regeln würde.

29.

Wie von der Kommission vorgetragen, regelt die Biozidprodukte-Verordnung hauptsächlich die Zulassung von Biozidprodukten zu ihrer Bereitstellung auf dem Markt und ihre Verwendung. Die Vorschriften über die Verwendung von Biozidprodukten sind eher begrenzt und beziehen sich hauptsächlich darauf, dass diese Verwendung von der jeweiligen Zulassung und den Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften abhängig ist und diesen entsprechen muss ( 14 ).

30.

Insoweit sind die Bestimmungen, die der vorliegenden Frage materiell am nächsten kommen, in den Art. 69 und 72 der Biozidprodukte-Verordnung zu finden, die Vorschriften für die Verpackung und Kennzeichnung einerseits und für die Werbung andererseits enthalten. Festzustellen ist, dass keine dieser Bestimmungen für das streitige Verbot von Praktiken relevant ist ( 15 ).

31.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass die Biozidprodukte-Verordnung keine Bestimmung über Preispraktiken enthalte. Die streitigen nationalen Regelungen störten indes den harmonisierten Rahmen, den diese Verordnung und die CLP-Verordnung bildeten. Die nationalen Regelungen über Geschäftspraktiken führten eine zusätzliche Regulierungsebene mit einer neuen Produktkategorisierung ein, die für die Hersteller nicht vorhersehbar sei, da sie keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem von dem jeweiligen Produkt ausgehenden Risiko aufweise. Damit störten die streitigen nationalen Regelungen den freien Verkehr von Biozidprodukten und liefen somit dem mit diesen Verordnungen verfolgten Ziel zuwider. Außerdem werde der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten durch die Biozidprodukte-Verordnung auf die nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 dieser Verordnung erforderliche Informationspolitik in Bezug auf die Wirkungen der Biozidprodukte begrenzt. Von dieser Politik sei das streitige Verbot jedoch nicht umfasst.

32.

Insoweit ist in Bezug auf die CLP-Verordnung festzustellen, dass dieser Rechtsakt im Wesentlichen die Kriterien für die Einstufung von Stoffen und Gemischen harmonisiert und die Vorschriften für die Kennzeichnung und Verpackung von gefährlichen Stoffen und Gemischen festlegt ( 16 ). Mit anderen Worten soll mit ihr geregelt werden, „welche Eigenschaften von Stoffen und Gemischen zu einer Einstufung als gefährlich führen sollten, damit die Gefahreneigenschaften von Stoffen und Gemischen korrekt ermittelt und ihre Gefahren entsprechend angegeben werden können“ ( 17 ); ferner sollen mit ihr allgemeine Verpackungsstandards festgelegt werden, damit ihre sichere Lieferung gewährleistet ist ( 18 ).

33.

Die Biozidprodukte-Verordnung verweist auf die CLP-Verordnung, soweit es um die Genehmigung von Wirkstoffen und die Zulassung von Biozidprodukten geht ( 19 ). Ebenso verweist sie auf sie zur Festlegung der Vorschriften für die Kennzeichnung und Verpackung von Biozidprodukten (Art. 69 der Biozidprodukte-Verordnung) und für die Werbung für diese Produkte (Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung), da die CLP-Verordnung für diese beiden Bereiche konkrete Vorschriften enthält, die nach der Biozidprodukte-Verordnung anwendbar bleiben ( 20 ). Auch wenn die CLP-Verordnung die Biozidprodukte-Verordnung somit in diesen Punkten ergänzt und die Letztere nach ihrem Wortlaut allgemein unbeschadet der Ersteren gilt ( 21 ), ist festzustellen, dass die CLP-Verordnung keine weiteren Vorschriften enthält, die für die streitigen Geschäftspraktiken relevant wären.

34.

Was Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Biozidprodukte-Verordnung angeht, auf den die Kläger sich ebenfalls stützen, sind die Mitgliedstaaten danach verpflichtet, „Maßnahmen [zu ergreifen], um der Öffentlichkeit geeignete Informationen über Nutzen und Risiken von Bioziden bereitzustellen sowie über Möglichkeiten zu informieren, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren“. Aus der Bestätigung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die dem zu entnehmen ist, folgt jedoch noch nicht, dass der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten auf diese Informationspolitik begrenzt wäre.

35.

Ließe sich dennoch die Ansicht vertreten, dass das streitige Verbot, obwohl es nominal einen anderen Gegenstand als die Informationspolitik betrifft, den vom Unionsgesetzgeber vorgenommenen regulatorischen Ausgleich zwischen der weiteren Vollendung des Binnenmarkts für Biozidprodukte einerseits und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt andererseits stört? Ließe sich mit anderen Worten die Ansicht vertreten, dass die Verwendung der Biozidprodukte nach ihrem Inverkehrbringen nach dem Willen des Unionsgesetzgebers nur noch im Rahmen der Informationspolitik der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Biozidprodukte-Verordnung betrachtet werden sollte?

36.

Dieser Ansicht bin ich nicht. Die Bestimmung über die mitgliedstaatliche Zuständigkeit für die Informationspolitik ergänzt innerhalb des Aufbaus von Art. 17 der Biozidprodukte-Verordnung allgemeine Vorschriften darüber, wann ein Produkt in Verkehr gebracht und verwendet werden kann. Er ist in Art. 17 Abs. 5 der Biozidprodukte-Verordnung integriert, der im ersten Unterabsatz die Verpflichtung regelt, die Biozidprodukte gemäß der Zulassung sowie der Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften zu verwenden. Im zweiten Unterabsatz wird erläutert, dass zu einer „ordnungsgemäßen Verwendung“ von Biozidprodukten „gehört, dass eine Kombination physikalischer, biologischer, chemischer und sonstiger eventuell gebotener Maßnahmen vernünftig angewandt wird, wodurch der Einsatz von Biozidprodukten auf das notwendige Mindestmaß begrenzt wird und geeignete vorbeugende Maßnahmen getroffen werden“. Hieran schließt sich im dritten Unterabsatz die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ergreifen von Maßnahmen an, um die Öffentlichkeit über Nutzen und Risiken der Verwendung von Bioziden sowie über Möglichkeiten zu informieren, den Einsatz von Biozidprodukten zu minimieren.

37.

Im dritten Unterabsatz von Art. 17 Abs. 5 der Biozidprodukte-Verordnung wird die Frage der Verwendung von Biozidprodukten also nicht unter dem Blickwinkel der Einhaltung verschiedener regulatorischer Vorschriften (die in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung angesprochen werden), sondern vielmehr unter dem weiter gefassten Blickwinkel ihrer nachhaltigen Verwendung betrachtet; dies bestätigt offenbar auch das Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu ihrem Bericht über die Durchführung der Biozidprodukte-Verordnung ( 22 ). In diesem Dokument von 2021 werden im Abschnitt „Nachhaltige Verwendung [Sustainable use]“ die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen dargestellt, wobei anerkannt wird, dass die Richtlinie 2009/128/EG ( 23 ) nicht für Biozidprodukte gilt und dass „die Zweckmäßigkeit einer entsprechenden Ausweitung im Rahmen einer künftigen Bewertung der Biozidprodukte-Verordnung geprüft werden wird“ ( 24 ).

38.

Festzustellen ist, dass Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Biozidprodukte-Verordnung in groben Zügen Art. 7 („Information und Sensibilisierung“) der Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden entspricht. Letztere enthält jedoch auch Vorschriften über nationale Aktionspläne, die Fort- und Weiterbildung beruflicher Verwender, Vertreiber und Berater (einschließlich einer Bescheinigungsregelung), Auflagen für den Verkauf und Vorschriften für spezifische Verfahren.

39.

Unter diesen Umständen und angesichts der sehr begrenzten Zahl und des sehr begrenzten Umfangs der Vorschriften der Biozidprodukte-Verordnung über die Mittel zur Gewährleistung der nachhaltigen Verwendung von Biozidprodukten nach ihrem Inverkehrbringen kann meines Erachtens kaum angenommen werden, dass der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich vorgegriffen worden sei.

40.

Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die Biozidprodukte-Verordnung dem streitigen Verbot nicht entgegensteht. Dieses Verbot unterliegt gleichwohl, in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug und je nach den Umständen des Einzelfalls ( 25 ), weiterhin den Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr, auf die ich nunmehr eingehen werde.

2. Schranken aus den Art. 34 und 36 AEUV

41.

Im vorliegenden Abschnitt werde ich darlegen, warum ich zu dem Ergebnis komme, dass Art. 34 AEUV dem Verbot der streitigen Geschäftspraktiken nicht entgegensteht (a). Für den Fall, dass der Gerichtshof zum gegenteiligen Ergebnis kommen sollte, werde ich darlegen, warum dieses Verbot meines Erachtens jedenfalls gerechtfertigt ist (b).

a) Das Verbot verstößt nicht gegen Art. 34 AEUV

42.

Mit dem Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung bringt Art. 34 AEUV einen elementaren Grundsatz der Gewährleistung des freien Warenverkehrs innerhalb der Union zum Ausdruck ( 26 ).

43.

Nach der bekannten Formel ist jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ( 27 ). Diese Formel wurde in der mit dem Urteil Keck und Mithouard begründeten Rechtsprechung angepasst. Nach dieser Rechtsprechung wird eine nationale Maßnahme von Art. 34 AEUV nicht erfasst, wenn es sich bei ihr um Verkaufsmodalitäten handelt, die „für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben“, und wenn „sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren“ ( 28 ).

44.

In der späteren Rechtsprechung hat der Gerichtshof klargestellt, dass unter den Begriff „Verkaufsmodalitäten“ auch Beschränkungen oder Verbote fallen, die sich nicht auf die Merkmale der Erzeugnisse beziehen, sondern nur die Modalitäten betreffen, unter denen sie verkauft werden dürfen ( 29 ).

45.

Festzustellen ist, dass das streitige Verbot sich nicht auf für Biozidprodukte geltende Anforderungen bezieht, sondern diese Produkte vielmehr von bestimmten Methoden der Verkaufsförderung ausschließt. Daher ist meines Erachtens davon auszugehen, dass es sich im Sinne dieser Rechtsprechung auf „Verkaufsmodalitäten“ bezieht.

46.

Zu der Frage, ob es die oben in Nr. 43 genannten Anforderungen erfüllt, ist zunächst festzustellen, dass das in den Art. L. 522-18 und R. 522-16-1 des Umweltgesetzbuchs ausgesprochene Verbot für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Es ist daher formal nicht diskriminierend.

47.

Was zweitens die Frage angeht, ob dieses Verbot das Inverkehrbringen von Insektiziden und Rodentiziden aus anderen Mitgliedstaaten stärker berührt als das von inländischen, soll dies nach Ansicht der französischen Regierung nicht der Fall sein. Sie hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass das Verbot für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Wirtschaftsteilnehmer, die ihre Biozidprodukte in Frankreich anbieten wollten, keine zusätzlichen Kosten verursache. Ferner betreffe das streitige Verbot nicht alle Methoden des Absatzes.

48.

Die Kommission ist der gegenteiligen Ansicht und meint, dass das streitige Verbot eines der Instrumente beschränke, die den Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung ständen, um sich auf dem französischen Markt bekannt zu machen. Es könne die Produkte aus anderen Mitgliedstaaten daher stärker berühren als die nationalen Produkte.

49.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen dieselbe Ansicht vertreten ( 30 ).

50.

Ich stimme mit der französischen Regierung überein.

51.

Zwar ist der Kommission darin zuzustimmen, dass die Möglichkeit, über die Preise der Produkte in einen Wettbewerb zu treten, ein wichtiges Instrument ist, das den Wirtschaftsteilnehmern zur Verfügung steht, hieraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Beschränkung in dieser Hinsicht automatisch unter Art. 34 AEUV fallen muss. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu ist differenziert.

52.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass Vorschriften, die Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit einer Einflussnahme auf Mindestpreise ( 31 ) oder auf Preise überhaupt ( 32 ) nahmen, vom Verbot des Art. 34 AEUV erfasst sind. Dagegen kam der Gerichtshof im Urteil Etablissements Fr. Colruyt, einer Rechtssache, in der es um eine Regelung ging, die es Einzelhändlern verbot, Tabakwaren zu einem unter dem vom Hersteller oder Importeur angegebenen Preis liegenden Einheitspreis zu verkaufen, unter Verweis darauf, dass die Importeure diesen Preis weiterhin frei bestimmen konnten, zu dem Schluss, dass die betreffende Regelung nicht von Art. 34 AEUV erfasst war ( 33 ).

53.

Meines Erachtens ist auch in der vorliegenden Rechtssache, entsprechend der in jener Rechtssache ergangenen Entscheidung, von Bedeutung, dass die Wirtschaftsteilnehmer die Preise weiterhin frei bestimmen können. Sie können also auf dieser Ebene in den Wettbewerb treten, indem sie sich für einen höheren oder niedrigeren Preis ihrer Produkte (ohne Verkaufsförderung) entscheiden.

54.

Über die Rechtsprechung zu Methoden der Preisgestaltung hinaus hat der Gerichtshof ferner in der die Urteile Ker-Optika, Deutsche Parkinson Vereinigung und A einschließenden Rechtsprechung das Problem des Marktzugangs hervorgehoben, der durch die betreffende nationale Maßnahme (im Wesentlichen das Verbot bestimmter Aspekte der Vermarktung im Internet) besonders erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wurde ( 34 ).

55.

Dies dürfte hier jedoch nicht der Fall sein.

56.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie Biozidprodukte vertrieben, deren Wirkstoffe ätherische Öle seien. Diese Produkte böten eine Alternative zu herkömmlichen chemisch-synthetischen Biozidprodukten, weil sie geringere Umweltauswirkungen hätten. Weiterhin seien sie Marktteilnehmer mit geringem Marktanteil, die daher auf die Geschäftspraktiken (und Werbung) angewiesen seien, die es ihnen ermöglichten, stärker wahrgenommen zu werden.

57.

Meines Erachtens ist zwar einzuräumen, dass es schwieriger sein mag, ein Produkt einzuführen, das eine Alternative zu einem herkömmlichen Produkt darstellt, doch dürfte dies ein in der Natur der Sache liegendes Problem sein, mit dem ausländische und inländische„alternative“ Produkte gleichermaßen konfrontiert sind. Maßgeblich ist in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens, ob das streitige Verbot den Zugang dieser möglicherweise alternativen ausländischen Produkte zum französischen Markt erheblich behindert.

58.

Meines Erachtens ist das nicht der Fall.

59.

Natürlich kann, wie die französische Regierung vorgetragen hat, nicht ausgeschlossen werden, dass das streitige nationale Verbot das Volumen des Absatzes von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten in Frankreich beschränkt, weil es „den Wirtschaftsteilnehmern eine [bestimmte] Methode der Absatzförderung [nimmt]“ ( 35 ).

60.

Maßgeblich ist meines Erachtens an dieser Stelle jedoch, dass die Wirtschaftsteilnehmer, auch wenn das streitige Verbot einige Methoden der Verkaufsförderung einschränkt, die „vollen“ Preise für Insektizide und Rodentizide weiterhin frei bestimmen und sie an jedem beliebigen Ort, sei es online oder in Geschäften, vertreiben können.

61.

Mit anderen Worten kann ich in der streitigen Regelung nichts erkennen, was den Schluss zuließe, dass das Verbot von Rabatten, Preisnachlässen, Rückvergütungen, einer Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen, der Ausgabe von kostenlosen Proben oder ähnlichen Praktiken den Wirtschaftsteilnehmern ein Mittel des Vertriebs und damit letztlich die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs mit lokalen Produkten in einer Weise nähme oder ihnen diesen Wettbewerb in einer Weise besonders erschwerte, die mit dem Verbot eines Vertriebs über das Internet oder der Vorgabe von Fix- oder Mindestpreisen vergleichbar wäre.

62.

Für den Fall jedoch, dass der Gerichtshof mit dieser Würdigung nicht übereinstimmen und zu dem Ergebnis kommen sollte, dass das streitige nationale Verbot von Art. 34 AEUV erfasst ist, lege ich im Folgenden dar, warum es meines Erachtens gerechtfertigt ist.

b) Das streitige Verbot ist jedenfalls gerechtfertigt

63.

Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Beschränkung des freien Warenverkehrs durch die in Art. 36 AEUV aufgezählten Gründe des Allgemeininteresses oder durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein ( 36 ).

64.

Im Vorlagebeschluss wird erläutert, dass das streitige Verbot dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt dient ( 37 ).

65.

Die erste Rechtfertigung stellen die in Art. 36 AEUV anerkannten Belange der Gesundheit dar. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass „unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, ist den Mitgliedstaaten ein Wertungsspielraum zuzuerkennen.“ ( 38 )

66.

Was zweitens die Umwelt angeht, ist ihr Schutz in der Rechtsprechung als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt worden ( 39 ).

67.

Festzustellen ist, dass soweit mit dem streitigen Verbot die Verwendung von Produkten begrenzt werden soll, von denen „aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen kann“ ( 40 ), diese Ziele die damit verbundene Beschränkung des Handels rechtfertigen können.

68.

Die Beschränkung ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn sie der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Das heißt, sie muss zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet sein und darf nicht über das zur Erreichung dieser Ziele Erforderliche hinausgehen, es darf also keine den freien Warenverkehr weniger beeinträchtigenden Maßnahmen dafür geben ( 41 ).

69.

Was die Geeignetheit des streitigen Verbots angeht, dürften mit ihm wohl nicht alle Fälle eines unnötigen Einsatzes von Insektiziden und Rodentiziden unterbunden werden (weil sich schlicht nicht ausschließen lässt, dass diese Produkte auch beim Erwerb zum vollen Preis unnötig eingesetzt werden). Es kann indes meines Erachtens vernünftigerweise angenommen werden, dass dann, wenn ihr Erwerb nicht mit einem finanziellen Vorteil verbunden ist, dieses Risiko in gewissem Maße verringert wird, weil dies von einem unnötigen Erwerb (der dann zu einem unnötigen Einsatz führen kann) abhält.

70.

Was die Erforderlichkeit angeht, hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung der an sie gerichteten Frage des Gerichtshofs die Ansicht vertreten, dass mildere Mittel im Wege der Werbung oder dadurch eingesetzt werden könnten, dass Verkäufer verpflichtet würden, Informationen über die bestehenden Risiken bereitzustellen.

71.

Ich halte diese Ansicht nicht für überzeugend.

72.

Was die erste Option angeht, hält die Kommission in dem entsprechenden Teil ihrer Schriftsätze den von der französischen Regulierungsbehörde als verpflichtenden Bestandteil jeder Werbung für diese Produkte vorgeschriebenen zusätzlichen Hinweis für mit der Biozidprodukte-Verordnung unvereinbar. Dieser zusätzliche Hinweis beinhaltet im Wesentlichen die Aufforderung, Risiken zu berücksichtigen, und wird in Teil B des Abschnitts IV der vorliegenden Schlussanträge eingehend erörtert. Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass dieser zusätzliche Hinweis mit der abschließenden Harmonisierung, die durch die Biozidprodukte-Verordnung in dieser speziellen Frage verwirklicht worden ist, unvereinbar ist. Daher kann die Bereitstellung zusätzlicher Informationen über die Risiken der beworbenen Produkte als Teil der Werbung nicht als mildere Alternative zu dem streitigen Verbot angesehen werden.

73.

Was den zweiten Vorschlag angeht, setzt meines Erachtens eine solche Informationsvermittlung durch den Verkäufer, wenn sie sinnvoll und ebenso wirksam wie das Fehlen eines finanziellen Vorteils sein soll, ein gewisses Maß an Sachkenntnis voraus, die vermutlich durch Schulung erworben werden müsste. Hieraus und auch aus den im Übrigen unklaren Modalitäten der erwogenen Fallgestaltung folgt meines Erachtens, dass diese Option nicht als milderes Mittel angesehen werden kann ( 42 ).

74.

Die Kommission hat selbst eingeräumt, dass diese vorgeschlagenen Alternativen möglicherweise nicht ausreichen, um die angegebenen Ziele zu erreichen, und zu widersprüchlichen Aussagen führen können. Ich stimme in der Tat damit überein, dass ein Verkäufer, der die Kunden über die von den von ihm angebotenen Produkten ausgehenden Risiken informiert, gleichzeitig jedoch einen erheblichen Rabatt anbietet und mehrere kostenlose Proben eines Insektizids abgibt, sich nicht unbedingt als kohärenter Ansatz darstellt.

75.

Ließe sich schließlich die Ansicht vertreten, dass ein milderes Mittel zur Vermeidung des unnötigen Einsatzes von Biozidprodukten über eine Aufklärungskampagne auf der Grundlage der den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Biozidprodukte-Verordnung vorbehaltenen Zuständigkeit zu erreichen wäre ( 43 )? Insoweit ist einzuräumen, dass es für den Gerichtshof nicht einfach ist, die Frage der Austauschbarkeit zweier unterschiedlicher Gestaltungsansätze im Hinblick auf ihre Wirkungen abstrakt zu beurteilen. Meines Erachtens braucht die mit einer öffentlichen Aufklärungskampagne verfolgte edukative Zielsetzung naturgemäß Zeit, um eine Änderung des Denkens und Verhaltens zu bewirken. Insoweit kann ich nachvollziehen, dass sie zur Lösung eines als akut empfundenen Problems möglicherweise nicht als geeignet angesehen wird. Außerdem könnte die Aussicht auf einen unmittelbar verfügbaren finanziellen Vorteil die edukativen Bemühungen schlechterdings überlagern; es erscheint daher nicht fernliegend, die Unterbindung dieses finanziellen Vorteils als erforderlich anzusehen, um das angegebene Ziel sinnvoll verfolgen zu können.

76.

Weiterhin gilt das Verbot nach Art. R. 522-16-1 des Umweltgesetzbuchs nicht, wenn das betreffende Insektizid oder Rodentizid für das vereinfachte Zulassungsverfahren nach Art. 25 der Biozidprodukte-Verordnung in Betracht kommt. Dieses Verfahren gilt generell für Biozidprodukte, die ein geringes Risiko für die Gesundheit und die Umwelt darstellen ( 44 ). Dies zeigt meines Erachtens, dass die französische Regulierungsbehörde eine Überregulierung vermeiden wollte, die sich auch auf nicht als besonders gefährlich anzusehende Produkte auswirken würde, und die daher nicht erforderlich wäre.

77.

Aus diesen Gründen und für den Fall, dass der Gerichtshof entgegen meinem oben genannten Vorschlag zu dem Ergebnis kommen sollte, dass das streitige Verbot von Art. 34 AEUV erfasst ist, ist es meines Erachtens durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Umwelt gerechtfertigt, zur Erreichung dieser Ziele geeignet und geht nicht über das zu ihrer Erreichung Erforderliche hinaus.

B.   Die nationale Regelung über die Werbung

78.

Die Art. L. 522-5-3 und R. 522-16-2 des Umweltgesetzbuchs verbieten die Werbung für vier Kategorien von Biozidprodukten, wenn diese Werbung an die breite Öffentlichkeit gerichtet ist. Die Werbung für diese Produkte bleibt möglich, wenn sie sich an Fachleute richtet und an Orten der Ausgabe der Produkte an diese sowie in an diese gerichteten Publikationen erfolgt. Die Werbung muss dann jedoch einen spezifischen Hinweis enthalten, mit dem im Wesentlichen dazu aufgefordert wird, zu berücksichtigen, ob der Einsatz dieser Biozidprodukte unerlässlich ist.

79.

Diese Regelungen betreffen die Produktarten 14 und 18 (die auch von dem in Teil A des Abschnitts IV der vorliegenden Schlussanträge erörterten Verbot bestimmter Geschäftspraktiken betroffen sind) sowie die Produktarten 2 ( 45 ) und 4 ( 46 ), zwei Unterkategorien von Desinfektionsmitteln, die nach der CLP-Verordnung als akut gewässergefährdend, Kategorie 1 (H400), und chronisch gewässergefährdend, Kategorie 1 (H410), eingestuft sind. Hinzuzufügen ist, dass die nationalen Regelungen über die Werbung nicht gelten, wenn das betreffende Produkt für das vereinfachte Verfahren nach Art. 25 der Biozidprodukte-Verordnung in Betracht kommt, das, wie bereits erwähnt, für Produkte gilt, die ein geringes Risiko für die Gesundheit und die Umwelt darstellen ( 47 ).

80.

Ähnlich wie oben ausgeführt ( 48 ), muss die Würdigung der streitigen Regelungen mit der Prüfung des mit der Biozidprodukte-Verordnung erreichten Grads der Harmonisierung beginnen, an die sich erst danach, gegebenenfalls, die Prüfung der Art. 34 und 36 AEUV anschließt. Ich werde mich insoweit zunächst der Verpflichtung zuwenden, in der an Fachleute gerichteten Werbung einen spezifischen Hinweis zu verwenden (1). Anschließend werde ich das Verbot der an die breite Öffentlichkeit gerichteten Werbung prüfen (2).

1. Die verpflichtende Verwendung eines zusätzlichen Hinweises

81.

Nach Art. R. 522-16-2 II des Umweltgesetzbuchs muss die an Fachleute gerichtete Werbung, die Rodentizide, Insektizide und bestimmte Desinfektionsmittel betrifft, mit dem folgenden Hinweis versehen sein: „Vor jedem Gebrauch die Unerlässlichkeit sicherstellen, insbesondere an von der breiten Öffentlichkeit frequentierten Orten. Nach Möglichkeit alternative Methoden und Produkte mit dem geringsten Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt vorziehen.“

82.

Ferner muss nach dieser Bestimmung dieser Hinweis zusätzlich zu demjenigen verwendet werden, dessen Verwendung nach Art. 72 Abs. 1 der Biozidprodukte-Verordnung vorgeschrieben ist, wonach jede Werbung für Biozidprodukte die Sätze enthalten muss: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“

83.

Die Kläger bringen im Wesentlichen vor, dass die Verwendung des zusätzlichen Hinweises gegen Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung verstoße, weil mit dieser Vorschrift eine abschließende Harmonisierung der Werbung für Biozidprodukte bewirkt werde.

84.

Die Kommission vertritt einen ähnlichen Standpunkt; die französische, die italienische und die niederländische Regierung sind dagegen der gegenteiligen Ansicht.

85.

Um festzustellen, ob die in den werbungsbezogenen Bestimmungen der Biozidprodukte-Verordnung verwirklichte Harmonisierung abschließend ist, sind nicht nur der Wortlaut dieser Bestimmungen, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden ( 49 ).

86.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung die einzige Bestimmung dieser Verordnung ist, die sich auf Werbung bezieht, und dass sie einen eher eng begrenzten Aspekt des Inhalts der Werbung betrifft. Dass der sachliche Anwendungsbereich der Werbungsvorschriften der Biozidprodukte-Verordnung verglichen mit (der abschließenden Werbungsregelung) der Richtlinie 2001/83/EG ( 50 ), die die französische Regierung zur Abgrenzung der Verordnung von der Richtlinie anführt, eher begrenzt ist, schließt jedoch nicht per se aus, dass sie abschließenden Charakter hat. Maßgeblich ist meines Erachtens nicht, ob der Anwendungsbereich der zu prüfenden Vorschriften (vergleichsweise) eng oder weit ist, sondern vielmehr, wie detailliert diese Vorschriften in Bezug auf den mit ihnen geregelten konkreten (und möglicherweise eng gefassten) Gegenstand sind ( 51 ).

87.

Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung betrifft die Angaben, die in der Werbung für Biozidprodukte verwendet werden müssen oder im Gegenteil verboten sind.

88.

Nach seinem Abs. 1, der die Verpflichtung zur Verwendung der beiden oben genannten Sätze enthält, müssen diese „sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein“. Nach seinem Abs. 2 darf das Wort „Biozidprodukte“ in diesen Sätzen „durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart“ ersetzt werden.

89.

Sein Abs. 3 verbietet Werbung, die „hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist“, und führt Angaben auf, die Werbung „auf keinen Fall“ enthalten darf ( 52 ).

90.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Vorschriften des Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung in Bezug auf die Angaben zu den Risiken der Verwendung von Biozidprodukten recht detailliert. In dieser konkreten Hinsicht erscheint sie vergleichbar mit den von der französischen Regierung angeführten abschließenden Werbungsvorschriften der Richtlinie 2001/83 ( 53 ), wenn nicht gar detaillierter. Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie sieht nämlich vor, dass die Arzneimittelwerbung einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern muss, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt, und nicht irreführend sein darf. Die Regelung in Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung ist ähnlich, aber in der Tat insofern detaillierter, als sie eine spezifische Aussage über die sichere Verwendung des Produkts enthält, die in die Werbung integriert werden muss, und den Benutzer auf das Etikett und die Produktinformationen verweist. Sie ist auch insoweit detaillierter, als sie regelt, welche Angaben als irreführend verboten sind.

91.

Richtig ist, dass der aufgrund der streitigen nationalen Regelungen erforderliche zusätzliche Hinweis offenbar dem gleichen Zweck dient wie Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung, nämlich dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt. Somit dürfte kein Widerspruch bestehen. Dies lässt meine bisherige Würdigung jedoch unberührt, da Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung in Bezug auf die Frage des sicherheitsbezogenen Inhalts der Werbung zeigt, dass der Unionsgesetzgeber die verschiedenen betroffenen Belange in einen spezifischen Ausgleich gebracht hat, in der vorliegenden Rechtssache nämlich „die Weiterentwicklung des Binnenmarktes“ mit dem parallel angestrebten „hohen Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt“ ( 54 ). Indem sie ein zusätzliches regulatorisches Erfordernis aufstellen, wird dieser Ausgleich meines Erachtens durch die streitigen nationalen Regelungen gestört.

92.

Aus diesen Gründen hat der Unionsgesetzgeber meines Erachtens den Bereich der Werbung, soweit es um Angaben zu den Risiken der beworbenen Biozidprodukte geht, vorgreiflich geregelt.

2. Verbot der an die breite Öffentlichkeit gerichteten Werbung

a) Umfang der harmonisierten Vorschriften

93.

Mein Ergebnis zur Frage der abschließenden Harmonisierung der in Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung festgelegten Vorschriften bedeutet jedoch nicht, dass alle Aspekte der Werbung für Biozidprodukte durch diesen Rechtsakt harmonisiert wurden, einschließlich der Frage, ob die Mitgliedstaaten für das Verbot bestimmter Arten von Werbung weiter zuständig bleiben.

94.

Was diesen letztgenannten Aspekt angeht, lässt der Wortlaut dieser Vorschrift, der die verpflichtenden und verbotenen Angaben zur sicheren Verwendung und zu Risiken der Biozidprodukte festlegt, meines Erachtens nicht den Schluss zu, dass der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, ein Werbeverbot zu beschließen, vorgegriffen worden wäre.

95.

Zwar ließe sich die Ansicht vertreten, dass das Vorhandensein dieser spezifischen Vorschrift über verpflichtende und verbotene Angaben in der Werbung für Biozidprodukte impliziere, dass der Unionsgesetzgeber die Werbung für diese Produkte habe ermöglichen wollen, und dass eine nationale Regelung, die bestimmte Aspekte der Werbung verbiete, die praktische Wirksamkeit von Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung beeinträchtige, da dieser Vorschrift, wenn es keine Werbung gebe, ihr Sinn genommen werde.

96.

Was den normativen Kontext angeht, erinnere ich daran, dass Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung die einzige einschlägige Bestimmung dieser Verordnung ist ( 55 ).

97.

Dass in die Biozidprodukte-Verordnung allein Art. 72 aufgenommen wurde, steht im Gegensatz zu der Entscheidung, die in der Richtlinie 2001/83 getroffen wurde, deren Titel VIII ausdrücklich der Werbung gewidmet ist und mehrere Bestimmungen (Art. 86 bis 100) enthält, in denen detailliert beschrieben wird, in welchen Fällen die Mitgliedstaaten die Werbung für Humanarzneimittel verbieten müssen oder können oder wann die Werbung zugelassen werden kann ( 56 ).

98.

In geringerem Maße unterscheidet sich die Knappheit der Biozidprodukte-Verordnung in dieser Hinsicht auch von Art. 66 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ( 57 ), der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, die Werbung in bestimmten Medien einzuschränken, und der Vorschriften über verpflichtende oder verbotene Bestandteile der Werbung enthält, wie etwa das Verbot der „visuellen Darstellungen potenziell gefährlicher Praktiken …, wie z. B. Mischen oder Verwendung ohne ausreichende Schutzkleidung, Verwendung in der Nähe von Lebensmitteln oder Verwendung durch oder in der Nähe von Kindern“.

99.

Aus diesen Gründen hätte der Unionsgesetzgeber meines Erachtens dann, wenn er der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für das Verbot bestimmter Arten von Werbung hätte vorgreifen wollen, ausgewogenere Regelungen geschaffen. Bestätigt wird meine Ansicht insoweit weiter auch durch das Vorhandensein der in der Biozidprodukte-Verordnung enthaltenen Ausnahmeregelungen für Produkte, die die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zulassung nicht erfüllen oder die sich auf die Verwendung neuer Wirkstoffe beziehen ( 58 ), oder durch die Aufmerksamkeit, die der Unionsgesetzgeber für den Schutz gefährdeter Gruppen wie Schwangeren und Kindern fordert ( 59 ).

100.

Aus diesen Gründen komme ich somit zu dem Ergebnis, dass die Biozidprodukte-Verordnung dem streitigen Verbot nicht entgegensteht. Ähnlich wie oben bereits ausgeführt ( 60 ), muss dieses Verbot jedoch mit den sich aus den Art. 34 und 36 AEUV ergebenden Schranken im Einklang stehen.

b) Schranken aus den Art. 34 und 36 AEUV

101.

Das streitige Werbeverbot ist meines Erachtens als „Verkaufsmodalität“ anzusehen. Dieses Verbot betrifft nämlich nicht die für die betreffenden Produkte geltenden Anforderungen; festzustellen ist ferner, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass Beschränkungen, die die Werbemöglichkeiten der Wirtschaftsteilnehmer betreffen, unter diese Kategorie fallen ( 61 ).

102.

Mit Blick auf die im vorstehenden Abschnitt genannten Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das streitige Verbot von Art. 34 AEUV nicht erfasst wird ( 62 ), ist festzustellen, dass es für alle in dem relevanten Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gilt.

103.

Die Beurteilung der Frage, ob es aus anderen Mitgliedstaaten stammende Produkte stärker berührt als inländische Produkte, erscheint komplexer.

104.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass nationale Vorschriften, die Wirtschaftsteilnehmer verpflichten, Form oder Inhalt einer Werbekampagne zu ändern, von Art. 34 AEUV erfasst sind ( 63 ).

105.

In der vorliegenden Rechtssache geht es jedoch nicht um die Notwendigkeit, den Inhalt einer Werbekampagne zu ändern, sondern vielmehr um die völlige Unmöglichkeit einer an die breite Öffentlichkeit gerichteten Kampagne für die vier Kategorien von Biozidprodukten.

106.

Der Gerichtshof hat zwar wiederholt anerkannt, dass bestimmte Werbeverbote das Absatzvolumen einschränken können, er hat indes auch entschieden, dass mehrere dieser Verbote von Art. 34 AEUV nicht erfasst werden.

107.

Dies war der Fall bei nationalen Regelungen, die den Sektor des Vertriebs jeweils von der Fernsehwerbung ausschlossen ( 64 ), die Apothekern die Werbung außerhalb ihrer Apotheke für apothekenübliche Waren verboten ( 65 ) oder die einer Versandapotheke verboten, eine Werbeaktion in Form eines Gewinnspiels durchzuführen ( 66 ).

108.

Allerdings hat der Gerichtshof in den Urteilen De Agostini und Gourmet International Products festgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das vollständige Verbot stärkere Auswirkungen auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten haben kann ( 67 ). Die Begründung des Gerichtshofs deutet jedoch eher darauf hin, dass das (mögliche) Vorliegen einer von Art. 34 AEUV erfassten Beschränkung auf spezifische Schwierigkeiten zurückzuführen war, mit denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer beim Zugang zum nationalen Markt konfrontiert sah. Im Urteil De Agostini, einer Rechtssache, in der es um ein Verbot von an Kinder unter zwölf Jahren gerichteter Fernsehwerbung und irreführender Werbung ging, wurde die Einstufung dieser Maßnahme offen gelassen; der Gerichtshof verwies insoweit auf die Aussage von De Agostini, wonach Fernsehwerbung „für sie die einzig wirksame Form der Absatzförderung sei, um in den schwedischen Markt eindringen zu können“ ( 68 ).

109.

In ähnlicher Weise stand die Schlussfolgerung des Gerichtshofs im Urteil Gourmet International Products, wonach das schwedische Verbot der Werbung für alkoholische Getränke ein Hemmnis für den Handelsverkehr darstellte, in Verbindung mit der Aussage, dass der Genuss dieser Getränke „mit herkömmlichen gesellschaftlichen Übungen sowie örtlichen Sitten und Gebräuchen verbunden ist“ ( 69 ). Dass Werbeanzeigen enthaltende Druckschriften an Verkaufsstätten verteilt werden konnten, ließ dieses Ergebnis unberührt, weil in jener Rechtssache die „Aktiengesellschaft, deren Anteile vollständig vom schwedischen Staat gehalten [wurden] und die über das Monopol für den Einzelhandelsverkauf in Schweden verfügt[e], in Wirklichkeit in ihren Verkaufsstätten nur ihre eigene Zeitschrift [vertrieb]“ ( 70 ).

110.

Im Urteil Deutsche Parkinson Vereinigung schließlich stützte der Gerichtshof seine Schlussfolgerung zu den beschränkenden Wirkungen eines Verbots des Versandhandels auf die Feststellung, dass diese Form des Verkaufs für Versandapotheken für den Zugang zu dem betreffenden nationalen Markt ein wichtigeres Mittel bzw. sogar das einzige Mittel war ( 71 ).

111.

Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache, wie er im Vorabentscheidungsersuchen dargestellt wird, weist solche von vornherein bestehenden Schwierigkeiten, mit denen die Kläger konfrontiert wären, wenn sie Produkte aus anderen Mitgliedstaaten in den französischen Markt einführen würden, nicht auf.

112.

Zwar ist das streitige Verbot geeignet, das Absatzvolumen zu beeinträchtigen, festzustellen ist jedoch, dass es nicht jedwede Werbung verbietet.

113.

Die an berufsmäßige Verwender gerichtete Werbung bleibt möglich, so dass den Wirtschaftsteilnehmern ein Vertriebsweg zur Verfügung steht.

114.

Im Gegensatz zum Sachverhalt des Urteils Gourmet International Products ist es offenbar auch nicht so, dass eine vorbestehende Marktstruktur, wie etwa die Kontrolle eines Monopolunternehmens über Vertriebsstellen, die Möglichkeit, die berufsmäßigen Verwender zu erreichen, illusorisch machen würde.

115.

Schließlich dürften Biozidprodukte im Gegensatz zum Sachverhalt der soeben angeführten Rechtssache nicht alkoholischen Getränken gleichgestellt werden können, zu denen die lokalen Konsumenten möglicherweise eine besondere traditionelle gesellschaftliche Verbindung aufgebaut haben.

116.

Aus diesen Gründen komme ich zu dem Ergebnis, dass das Verbot der an die breite Öffentlichkeit gerichteten Werbung für bestimmte Biozidprodukte keine unter Art. 34 AEUV fallende Handelsbeschränkung darstellt.

117.

Für den Fall jedoch, dass der Gerichtshof mit dieser Würdigung nicht übereinstimmen und zu dem Ergebnis kommen sollte, dass das streitige Verbot eine Handelsbeschränkung darstellt, werde ich im Folgenden darlegen, warum es meines Erachtens gerechtfertigt ist.

118.

Mit Blick auf meine Würdigung im vorstehenden Teil der vorliegenden Schlussanträge ( 72 ) ist festzustellen, dass das streitige Verbot durch das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt insofern gerechtfertigt werden kann, als es darauf abzielt, die Verwendung von Produkten zu begrenzen, von denen „aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen [kann]“ ( 73 ). Weiterhin hat die französische Regierung auf die missbräuchliche Verwendung von Insektiziden, insbesondere in privaten Haushalten, auf die Gefahr der Intoxikation anderer Tierarten durch unsachgemäße Verwendung von Rodentiziden und auf die Risiken hingewiesen, die von einer Verschmutzung von Gewässern infolge der Verwendung der streitigen Insektizide für bestimmte Tierarten ausgingen.

119.

Das Verbot der an die breite Öffentlichkeit gerichteten Werbung erscheint auch geeignet, die oben genannten Ziele zu erreichen, da es Werbebotschaften unterbinden kann, die zu einer verstärkten Verwendung der von der nationalen Regulierungsbehörde als besonders besorgniserregend eingestuften Biozidprodukte führen können.

120.

Was seine Erforderlichkeit angeht, ist festzuhalten, dass das streitige Verbot lediglich an private Verwender, nicht aber an Fachleute gerichtete Werbung betrifft, was mit dem Ziel im Einklang stehen dürfte, die unsachgemäße Verwendung der betreffenden Produkte zu begrenzen.

121.

Was die in den Nrn. 70 bis 75 erörterten möglichen Alternativen angeht, weisen diese meines Erachtens auch im vorliegenden Kontext entsprechend dieselben Schwachstellen auf. Schließlich bleibt, ähnlich wie zum Verbot von Rabatten und dergleichen ausgeführt, die an die breite Öffentlichkeit gerichtete Werbung für alle andernfalls von dem Verbot betroffenen Produkte zulässig, wenn sie ein geringes Risiko darstellen, d. h. wenn sie für das vereinfachte Zulassungsverfahren nach Art. 25 der Biozidprodukte-Verordnung in Betracht kommen ( 74 ). Dies zeigt, wie bereits festgestellt, dass der nationale Regulierer eine unnötige Ausdehnung des streitigen Verbots vermeiden wollte.

122.

Aus diesen Gründen ist das streitige Verbot für den Fall, dass der Gerichtshof entgegen meinem oben genannten Vorschlag zu dem Ergebnis kommen sollte, dass es eine von Art. 34 AEUV erfasste Beschränkung des Handels darstellt, meines Erachtens durch das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt gerechtfertigt, zur Erreichung dieser Ziele geeignet und geht nicht über das zu ihrer Erreichung Erforderliche hinaus.

V. Ergebnis

123.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) wie folgt zu antworten:

Weder die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten noch Art. 34 AEUV stehen nationalen Vorschriften wie denjenigen der Art. L. 522-18 und R. 522-16-1 des Umweltgesetzbuchs entgegen, wonach beim Verkauf von Biozidprodukten der Produktarten 14 und 18 gemäß Anhang V der Verordnung Nr. 528/2012 Rabatte, Preisnachlässe, Rückvergütungen, eine Differenzierung der allgemeinen und besonderen Verkaufsbedingungen, die Ausgabe von kostenlosen Proben und alle vergleichbaren Praktiken untersagt sind.

Art. 72 der Verordnung Nr. 528/2012 steht einer nationalen Regelung wie derjenigen der Art. L. 522-5-3 und R. 522-16-2 des Umweltgesetzbuchs entgegen, wonach die Verwendung eines zusätzlichen Hinweises in der Werbung verpflichtend ist, die an berufsmäßige Verwender von Biozidprodukten der Produktarten 14 und 18 gemäß Anhang V der Verordnung Nr. 528/2012 sowie der Produktarten 2 und 4 gemäß dieses Anhangs, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 als akut gewässergefährdend, Kategorie 1 (H400), und chronisch gewässergefährdend, Kategorie 1 (H410), eingestuft sind, gerichtet ist.

Weder die Verordnung Nr. 528/2012 noch Art. 34 AEUV stehen den Art. L. 522-5-3 und R. 522-16-2 des Umweltgesetzbuchs entgegen, wonach eine an die breite Öffentlichkeit gerichtete Werbung für Biozidprodukte der vorgenannten Kategorien verboten ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1, im Folgenden: Biozidprodukte-Verordnung).

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. 2008, L 353, S. 1, im Folgenden: CLP‑Verordnung).

( 4 ) Eingefügt durch Art. 76 der Loi no 2018-938 du 30 octobre 2018 pour l’équilibre des relations commerciales dans le secteur agricole et alimentaire et une alimentation saine, durable et accessible à tous (Gesetz Nr. 2018‑938 vom 30. Oktober 2018 über die Ausgewogenheit der Geschäftsbeziehungen im Agrar- und Lebensmittelsektor und eine gesunde, nachhaltige und für alle zugängliche Ernährung; im Folgenden: Gesetz vom 30. Oktober 2018).

( 5 ) Eingefügt durch das Gesetz vom 30. Oktober 2018.

( 6 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt) (ABl. 2000, L 178, S. 1) („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“).

( 7 ) Auch wenn mit den Vorlagefragen nur nach den Art. L. 522-18 und L. 522-5-3 des Umweltgesetzbuchs gefragt wird, betrifft das Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Dekrete, mit denen die Art. R. 522-16-1 und R. 522-16-2 in das Umweltgesetzbuch aufgenommen wurden. Laut dem Vorabentscheidungsersuchen erfolgt mit Art. R. 522-16-1 eine Konkretisierung von Art. L. 522-18 und mit Art. R. 522-16-2 eine Konkretisierung von Art. L. 522-5-3. Diese beiden Normeinheiten bilden somit zwei Regelungskomplexe, die von den Beteiligten als solche erörtert werden. Daher werde ich die Vorlagefragen in dem Sinne auffassen, dass sie sich nicht nur auf die ausdrücklich genannten Rechtsvorschriften, sondern auch auf die Art. R. 522.16-1 und R. 522.16-2 des Umweltgesetzbuchs bezieht.

( 8 ) Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, „ist eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene vollständig harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts zu beurteilen“. Urteil vom 24. Februar 2022, Viva Telecom Bulgaria (C‑257/20, EU:C:2022:125, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 9 ) Urteil vom 19. Januar 2017, Queisser Pharma (C‑282/15, EU:C:2017:26, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 10 ) Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge haben die Kläger des Ausgangsverfahrens sich in ihrem Vorbringen auf die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr bezogen. Ich beschränke mich auf die Feststellung, dass diese Richtlinie, da sie vom „Herkunftslands“-Grundsatz ausgeht, in der vorliegenden Rechtssache nicht einschlägig ist, da es sich offenbar bei allen Klägern um französische Unternehmen handelt. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, Papasavvas (C‑291/13, EU:C:2014:2209, Rn. 34 und 35).

( 11 ) Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Wahl zum Vertrag von Marrakesch über den Zugang zu veröffentlichten Werken (3/15, EU:C:2016:657, Nr. 71).

( 12 ) Vgl. auch dritter Erwägungsgrund der Biozidprodukte-Verordnung und Urteil vom 14. Oktober 2021, Biofa (C‑29/20, EU:C:2021:843, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Lietuvos Respublikos Seimas (C‑2/18, EU:C:2019:180, Nrn. 27 bis 29) sowie des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Monsanto Technology (C‑428/08, EU:C:2010:128, Nr. 47).

( 14 ) Vgl. Art. 17 Abs. 1 und Abs. 5 Unterabs. 1 oder Art. 22 Abs. 1 der Biozidprodukte-Verordnung.

( 15 ) Art. 72 der Biozidprodukte-Verordnung wird in Teil B der vorliegenden Schlussanträge erörtert, da er für die die Werbung betreffende streitige nationale Regelung unmittelbar relevant ist.

( 16 ) Vgl. Art. 1 der CLP-Verordnung.

( 17 ) Zehnter Erwägungsgrund der CLP‑Verordnung.

( 18 ) 51. Erwägungsgrund der CLP‑Verordnung.

( 19 ) Vgl. Art. 3 Buchst. f, Art. 5 Abs. 1 und 3, Art. 10 Abs. 1 Buchst. b und Art. 28 Abs. 2 Buchst. a der Biozidprodukte-Verordnung, was Wirkstoffe angeht, und Art. 19 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung, was die Zulassung von Biozidprodukten angeht.

( 20 ) Vgl. Art. 48 der CLP-Verordnung zu Werbung und ihre Titel III bis V zu Kennzeichnung und Verpackung.

( 21 ) Vgl. Art. 2 Abs. 3 Buchst. m der Biozidprodukte-Verordnung.

( 22 ) Commission Staff Working Document accompanying the document Report from the Commission to the European Parliament and the Council on the implementation of Regulation No 528/2012 (Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zum Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Durchführung der Verordnung Nr. 528/2012), SWD(2021) 128 final, S. 59 bis 61.

( 23 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. 2009, L 309, S. 71, im Folgenden: Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden).

( 24 ) Commission Staff Working Document, siehe oben, Fn. 22, S. 59. Nach Art. 18 der Biozidprodukte-Verordnung legt die Kommission „gegebenenfalls“ einen Vorschlag für Maßnahmen zur nachhaltigen Verwendung von Biozidprodukten vor.

( 25 ) Siehe oben, meine Anmerkungen in Fn. 10.

( 26 ) Vgl. z. B. Urteil vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, im Folgenden: Urteil DocMorris).

( 27 ) Urteil vom 11. Juli 1974, Dassonville (8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5). Mit einer Bestätigung aus jüngerer Zeit vgl. z. B. Urteil DocMorris, Rn. 34.

( 28 ) Urteil vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, EU:C:1993:905, Rn. 16, im Folgenden: Urteil Keck und Mithouard). Auch wenn das Wesen dieser Kriterien Gegenstand der Diskussion ist, wurde ihre Relevanz z. B. im Urteil DocMorris, Rn. 35, bestätigt. Zur Diskussion vgl. z. B. Schütze, R., „Of types and tests: towards a unitary doctrinal framework for Article 34 TFEU?“, European Law Review, Bd. 41(6), 2016, S. 826, Lianos, I., „In Memoriam Keck: The Reformation of the EU Law on the Free Movement of Goods“, European Law Review, Bd. 40(2), 2015, S. 225, und Purnhagen, K.P., „Keck is dead, long live Keck? How the court of justice tries to avoid a Sunday Trading Saga 2.0“, Liber Amicorum L.W. Gormley, 2019, S. 176.

( 29 ) Vgl. z. B. Urteile vom 21. September 2016, Etablissements Fr. Colruyt (C‑221/15, EU:C:2016:704, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, im Folgenden: Urteil Etablissements Fr. Colruyt), vom 25. März 2004, Karner (C‑71/02, EU:C:2004:181, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, im Folgenden: Urteil Karner), und vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 45, im Folgenden: Urteil Ker-Optika).

( 30 ) Diese Ansicht vertraten sie hilfsweise und in Beantwortung der Frage des Gerichtshofs, während sie vorrangig geltend machten, dass das Verbot gegen die Biozidprodukte-Verordnung verstoße.

( 31 ) Urteil vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 32).

( 32 ) Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 26, im Folgenden: Urteil Deutsche Parkinson Vereinigung).

( 33 ) Urteil Etablissements Fr. Colruyt, Rn. 38 bis 40.

( 34 ) Urteile Ker-Optika, Rn. 54, Deutsche Parkinson Vereinigung, Rn. 25, bzw. Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 76). Im letztgenannten Urteil prüfte der Gerichtshof die betreffende Maßnahme anhand der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Generalanwalt Saugmandsgaard Øe prüfte sie dagegen anhand der Art. 34 und 36 AEUV, vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:134, Nrn. 44 bis 49 und 69 ff., im Folgenden: Schlussanträge in der Rechtssache A). Vgl. auch Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 74 bis 76).

( 35 ) Wie für das Verbot des Weiterverkaufs zum Verlustpreis im Urteil Keck und Mithouard (Rn. 13) entschieden.

( 36 ) Urteil Ker-Optika, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 37 ) Ich erinnere daran, dass nach Art. L. 522-18 des Umweltgesetzbuchs „[d]ie Festlegung der Kategorien der betroffenen Produkte abhängig vom Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt … durch Dekret nach Anhörung des Conseil d’État [erfolgt]“.

( 38 ) Urteil Deutsche Parkinson Vereinigung, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 39 ) Vgl. z. B. Urteil vom 6. Oktober 2015, Capoda Import-Export (C‑354/14, EU:C:2015:658, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 40 ) Erster Erwägungsgrund der Biozidprodukte-Verordnung.

( 41 ) Vgl. z. B. Urteil Ker-Optika, Rn. 65.

( 42 ) Vgl. hierzu die Vorschriften über die Fort- und Weiterbildung „berufliche[r] Verwender sowie … Vertreiber und Berater“ in Art. 5 der Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.

( 43 ) Siehe oben, Nr. 34.

( 44 ) Vgl. Erwägungsgründe 29 und 30 der Biozidprodukte-Verordnung.

( 45 ) Nach Anhang V handelt es sich bei dieser Produktart um „Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind“.

( 46 ) Nach Anhang V handelt es sich bei dieser Produktart um den „Lebens- und Futtermittelbereich“.

( 47 ) Siehe oben, Nr. 76 und Art. R. 522-16-2 III des Umweltgesetzbuchs.

( 48 ) Siehe oben, Nr. 19.

( 49 ) Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 16. Juli 2015, UNIC und Uni.co.pel (C‑95/14, EU:C:2015:492, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 50 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67). Zur Bestätigung der Vollständigkeit der Vorschriften über die Werbung in dieser Richtlinie vgl. Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 33 und 34).

( 51 ) Siehe auch oben, Nr. 26.

( 52 ) Diese Angaben sind: „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder „ähnliche Hinweise“.

( 53 ) Siehe oben, Fn. 50.

( 54 ) Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Biozidprodukte-Verordnung.

( 55 ) Art. 48 in Titel VII („Allgemeine und Schlussvorschriften“) der CLP-Verordnung sieht in Verbindung mit deren 67. Erwägungsgrund eine ähnlich knappe Regelung für die Werbung vor.

( 56 ) Vgl. Art. 87 Abs. 1 und Art. 88 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2001/83.

( 57 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1).

( 58 ) Vgl. Art. 55 der Biozidprodukte-Verordnung.

( 59 ) Dritter Erwägungsgrund der Biozidprodukte-Verordnung.

( 60 ) Siehe oben, Nr. 19.

( 61 ) Vgl. z. B. Urteil DocMorris, Rn. 37, und Urteil vom 9. Februar 1995, Leclerc-Siplec (C‑412/93, EU:C:1995:26, Rn. 22, im Folgenden: Urteil Leclerc-Siplec). Vgl. auch Schlussanträge in der Rechtssache A, Nr. 71.

( 62 ) Siehe oben, Nrn. 42 ff.

( 63 ) Urteil vom 12. Dezember 1990, SARPP (C‑241/89, EU:C:1990:459, Rn. 29 und 30) (noch vor dem Urteil Keck und Mithouard). Vgl. auch Urteil vom 15. Juli 2004, Douwe Egberts (C‑239/02, EU:C:2004:445, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 64 ) Urteil Leclerc-Siplec, Rn. 20 bis 24.

( 65 ) Urteil vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a. (C‑292/92, EU:C:1993:932, Rn. 22 bis 24).

( 66 ) Urteil DocMorris, Rn. 39 bis 45. Vgl. auch – in einem anderen Sachzusammenhang – Urteil Karner, Rn. 42 und 43.

( 67 ) Urteile vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop (C‑34/95 bis C‑36/95, EU:C:1997:344, Rn. 42, im Folgenden: Urteil De Agostini), und vom 8. März 2001, Gourmet International Products (C‑405/98, EU:C:2001:135, Rn. 19, im Folgenden: Urteil Gourmet International Products).

( 68 ) Urteil De Agostini, Rn. 43 und 44.

( 69 ) Urteil Gourmet International Products, Rn. 21.

( 70 ) Ebd., Rn. 23.

( 71 ) Urteil Deutsche Parkinson Vereinigung, Rn. 25.

( 72 ) Siehe oben, Nrn. 63 ff.

( 73 ) Erster Erwägungsgrund der Biozidprodukte-Verordnung und oben, Nr. 67.

( 74 ) Siehe oben, Nr. 76.

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