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Document 62020CO0545

    Beschluss des Vizepräsidenten des Gerichtshofs vom 3. Juni 2022.
    Republik Bulgarien gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union.
    Vorläufiger Rechtsschutz – Art. 263 AEUV – Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung der Union – Art. 278 AEUV – Antrag auf Aussetzung der Durchführung dieser Handlung – Verkehr – Verordnung (EU) 2020/1055 – Verpflichtung eines Unternehmens, seine Fahrzeuge in den Mitgliedstaat seiner Niederlassung zurückkehren zu lassen – Dringlichkeit – Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eines Mitgliedstaats – Umweltschädigung.
    Rechtssache C-545/20 R.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:445

     BESCHLUSS DES VIZEPRÄSIDENTEN DES GERICHTSHOFS

    3. Juni 2022 ( *1 )

    „Vorläufiger Rechtsschutz – Art. 263 AEUV – Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung der Union – Art. 278 AEUV – Antrag auf Aussetzung der Durchführung dieser Handlung – Verkehr – Verordnung (EU) 2020/1055 – Verpflichtung eines Unternehmens, seine Fahrzeuge in den Mitgliedstaat seiner Niederlassung zurückkehren zu lassen – Dringlichkeit – Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage eines Mitgliedstaats – Umweltschädigung“

    In der Rechtssache C‑545/20 R

    betreffend einen Antrag auf Aussetzung der Durchführung gemäß Art. 278 AEUV, eingereicht am 13. Dezember 2021,

    Republik Bulgarien, vertreten durch M. Georgieva und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,

    Antragstellerin,

    unterstützt durch

    Republik Estland, vertreten durch N. Grünberg und M. Kriisa als Bevollmächtigte,

    Republik Lettland, vertreten durch J. Davidoviča, K. Pommere und I. Romanovska als Bevollmächtigte,

    Republik Litauen, vertreten durch K. Dieninis, R. Dzikovič und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte,

    Republik Malta, vertreten durch A. Buhagiar als Bevollmächtigten im Beistand von D. Sarmiento Ramírez-Escudero, Abogado,

    Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

    Rumänien, vertreten durch L.‑E. Baţagoi, E. Gane, L. Liţu und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,

    Streithelfer,

    gegen

    Europäisches Parlament, vertreten durch I. Anagnostopoulou, O. Denkov und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,

    Rat der Europäischen Union, vertreten durch I. Gurov, A. Norberg und L. Vétillard als Bevollmächtigte,

    Antragsgegner,

    unterstützt durch

    Königreich Dänemark, vertreten durch M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,

    Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,

    Hellenische Republik, vertreten durch S. Chala als Bevollmächtigte,

    Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères, A. Ferrand und N. Vincent als Bevollmächtigte,

    Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Lipari, Procuratore dello Stato, und von G. Santini, Avvocato dello Stato,

    Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch A. Germeaux als Bevollmächtigten,

    Königreich der Niederlande, vertreten durch K. Bultermann und J. Langer als Bevollmächtigte,

    Republik Österreich, vertreten durch A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte,

    Königreich Schweden, vertreten durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson als Bevollmächtigte,

    Streithelfer,

    erlässt

    DER VIZEPRÄSIDENT DES GERICHTSHOFS

    nach Anhörung des Generalanwalts M. Szpunar

    folgenden

    Beschluss

    1

    Mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz begehrt die Republik Bulgarien die Aussetzung der Durchführung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (ABl. 2020, L 249, S. 17), soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates (ABl. 2009, L 300, S. 51) erlässt, hilfsweise, die Aussetzung der Durchführung dieses Art. 1 Nr. 3 insgesamt oder, äußerst hilfsweise, die Aussetzung der Durchführung der Verordnung 2020/1055 als Ganzes.

    2

    Dieser Antrag wurde gestellt, nachdem dieser Mitgliedstaat am 23. Oktober 2020 eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise oder gegebenenfalls vollständige Nichtigerklärung der Verordnung 2020/1055 erhoben hatte.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 bestimmt:

    „Artikel 5 [der Verordnung Nr. 1071/2009] erhält folgende Fassung:

    (1) Um die Anforderung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a zu erfüllen, muss ein Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat

    b)

    die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so organisieren, dass sichergestellt ist, dass Fahrzeuge, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen und in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zu einer der Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat zurückkehren;

    …“

    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    4

    Mit Entscheidungen vom 11. Januar und vom 3. Februar 2022 hat der Vizepräsident des Gerichtshofs die Republik Malta und die Republik Polen als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Republik Bulgarien zugelassen.

    5

    Die Republik Bulgarien beantragt,

    die Durchführung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 bis zur Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 auszusetzen, soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 erlässt,

    hilfsweise, die Durchführung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 insgesamt bis zur Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 auszusetzen,

    äußerst hilfsweise, die Durchführung der Verordnung 2020/1055 als Ganzes bis zur Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 auszusetzen, sowie

    dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union die Kosten aufzuerlegen.

    6

    Das Parlament und der Rat beantragen, den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen und der Republik Bulgarien die Kosten aufzuerlegen.

    Zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

    7

    Nach Art. 160 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz „den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie die den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach- und Rechtsgründe anführen“.

    8

    Eine einstweilige Anordnung kann folglich von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter nur getroffen werden, wenn die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wurde (fumus boni iuris) und wenn sie in dem Sinne dringend ist, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten muss. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor. Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss vom 8. April 2020, Kommission/Polen, C‑791/19 R, EU:C:2020:277, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    9

    Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter über ein weites Ermessen; er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 16. Juli 2021, ACER/Aquind, C‑46/21 P‑R, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:633, Rn. 16).

    10

    Im vorliegenden Fall ist zunächst die Voraussetzung der Dringlichkeit zu prüfen.

    Vorbringen

    11

    Die Republik Bulgarien macht geltend, die Anwendung der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung vorgesehenen Verpflichtung eines Unternehmens, seine Fahrzeuge in den Mitgliedstaat seiner Niederlassung zurückkehren zu lassen (im Folgenden: streitige Maßnahme), werde einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden für Fahrer sowohl aus Bulgarien als auch aus anderen osteuropäischen Mitgliedstaaten verursachen.

    12

    Die Vorhersehbarkeit dieses Schadens werde durch einen Bericht, der im Oktober 2019 im Auftrag eines bulgarischen Berufsverbandes der Kraftverkehrsunternehmer erstellt und im Februar 2020 aktualisiert worden sei (im Folgenden: erster Bericht) sowie durch einen im Februar 2021 auf Ersuchen der Europäischen Kommission vorgelegten Bericht (im Folgenden: zweiter Bericht) belegt.

    13

    Allgemein bedeute die Anwendung der streitigen Maßnahme aufgrund der Verteilung von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Güterverkehrsdienstleistungen, dass zusätzliche Fahrten mit Lastkraftwagen ohne Ladung (im Folgenden: Leerfahrten) durchgeführt werden müssten. Konkret macht die Republik Bulgarien geltend, dass 46 % der Fahrzeuge, die in diesen Mitgliedstaat zurückkehren müssten, um der streitigen Maßnahme nachzukommen, ihre Fahrt ohne Ladung durchführen würden.

    14

    Erstens sei diese Situation geeignet, die Umwelt zu schädigen und damit einen Schaden zu verursachen, der naturgemäß nicht wiedergutzumachen sei.

    15

    Diese Situation dürfte nämlich zu einem Ausstoß von zusätzlich 2,9 Mio. Tonnen Kohlendioxid (CO2) führen, was einem Anstieg der Emissionen aus dem grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr um 4,6 % entspreche. Die zusätzlichen Emissionen der bulgarischen Transportunternehmen würden auf 71162 Tonnen CO2 geschätzt, was einem Anstieg der Gesamtemissionen der bulgarischen Fahrzeuge im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr um 2 % entspreche. Diese zusätzlichen CO2‑Emissionen könnten die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Begrenzung dieser Emissionen gefährden.

    16

    Darüber hinaus könne die Anwendung der streitigen Maßnahme zu zusätzlichen Emissionen von Stickoxiden (NOx) in Höhe von 107 Tonnen bis 619 Tonnen führen, was einer Zunahme von 1,35 % bis 7,81 % solcher Emissionen entspreche, sowie zu zusätzlichen Emissionen von Feinstaub (PM2,5) in Höhe von 38 Tonnen bis 221 Tonnen, was einer Zunahme von 0,86 % bis 4,98 % solcher Emissionen entspreche. Die Kosten dieser Luftverschmutzung dürften sich EU-weit zwischen 4,5 Mio. und 25,9 Mio. Euro bewegen.

    17

    Zweitens käme es an den Grenzübergangsstellen außerhalb des Schengen-Raums vermehrt zu Überlastungen, da bulgarische Transportunternehmen aufgrund der Anwendung der streitigen Maßnahme mehr Fahrten durchführen würden. Infolgedessen könnten sich die Einhaltung der Lieferfristen durch diese Transportunternehmen und die Verwaltung ihres Fuhrparks verschlechtern, was zu einer Unzufriedenheit ihrer Kunden und einer Verschlechterung der logistischen Vertriebsnetze führen würde.

    18

    Drittens würde die Anwendung der streitigen Maßnahme negative wirtschaftliche und soziale Folgen nach sich ziehen.

    19

    Die Betriebskosten der in osteuropäischen Mitgliedstaaten ansässigen Transportunternehmen würden mithin voraussichtlich auf drei Mrd. Euro steigen, was durchschnittlich 11000 Euro pro Fahrzeug entspreche. Darüber hinaus würden diese Transportunternehmen aufgrund der Zunahme von Leerfahrten mit Einnahmeverlusten rechnen müssen. Um diesen Auswirkungen der Anwendung der streitigen Maßnahme zu entgehen, könnten sich einige Transportunternehmen dafür entscheiden, ihre Tätigkeit in andere Mitgliedstaaten zu verlagern, was wiederum laufende und einmalige Kosten verursachen würde.

    20

    Mehr als 80 % der Lastkraftwagen, die regelmäßig die europäischen Grenzen überquerten, gehörten jedoch kleinen und mittleren Unternehmen, die besonders gefährdet seien. Infolgedessen würden nach Angaben der Republik Bulgarien in diesem Mitgliedstaat 36 % der für den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr bestimmten Fahrzeuge stillgelegt, was Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt dieses Mitgliedstaats haben und zum Verlust von 14000 Arbeitsplätzen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrssektor Bulgariens führen könne.

    21

    Einige der aufgezeigten wirtschaftlichen Auswirkungen könnten möglicherweise Gegenstand einer Entschädigung sein. Andererseits sei nicht sicher, dass Unternehmen, die gezwungen wären, ihre Tätigkeit einzustellen, sie in einen anderen Mitgliedstaat als Bulgarien zu verlagern oder sie auf andere Wirtschaftszweige auszurichten, ihre Tätigkeit im Transportsektor in Bulgarien zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen könnten. Auch könnten die Verschlechterung des Lebensstandards von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verloren hätten, und die sozialen Folgen der Verschlechterung der Wirtschaftslage nicht im Nachhinein wiedergutgemacht werden.

    22

    Viertens würde die Einstellung der Tätigkeit bestimmter Transportunternehmen die Kapazität der Logistikketten verringern und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen.

    23

    Die Republik Estland, die Republik Malta und die Republik Polen unterstützen das Vorbringen der Republik Bulgarien zur Gefahr des Eintretens von Schäden in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Soziales. Die Republik Malta bezieht sich in diesem Zusammenhang auf einen im November 2020 vorgelegten Bericht über die Situation in diesem Mitgliedstaat.

    24

    Das Parlament und der Rat tragen vor, die Republik Bulgarien habe nicht nachgewiesen, dass bei Anwendung der streitigen Maßnahme vor der Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden drohe.

    25

    Erstens beanstanden sie die bei der Ausarbeitung des von der Republik Bulgarien angeführten ersten und zweiten Berichts angewandte Methodik, unter anderem weil diese Berichte auf unrealistischen Annahmen beruhten, insbesondere in Bezug auf das Volumen der Leerfahrten, und weil sie Extrapolationen auf der Grundlage von Daten enthielten, die aus wenig repräsentativen Stichproben gewonnen worden seien.

    26

    Zweitens seien die Schätzungen hinsichtlich der angeblichen Umweltschädigung unzuverlässig und teilweise widersprüchlich, und die geltend gemachten Kosten seien nicht signifikant. Außerdem habe die Republik Bulgarien nicht berücksichtigt, dass die Mitgliedstaaten Verpflichtungen in Bezug auf CO2-Emissionen gemäß der Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (ABl. 2018, L 156, S. 26) und in Bezug auf Konzentrationen von NOx und von PM2,5 in der Luft gemäß der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) unterlägen.

    27

    Drittens seien die Schätzungen zur Überlastung der Grenzübergangsstellen offensichtlich fehlerhaft.

    28

    Viertens seien die durch die Anwendung der streitigen Maßnahme verursachten Kosten nicht irreparabel und seien zu hoch bemessen, da nicht berücksichtigt worden sei, dass das geltende Unionsrecht eine Verpflichtung zur Einrichtung der Hauptbetriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat vorsehe.

    29

    Darüber hinaus habe die Republik Bulgarien nicht nachweisen können, dass die etwaigen Marktanteilsverluste der bulgarischen Unternehmen angesichts der aus dem zweiten Bericht hervorgehenden Merkmale des Transportsektors von Dauer wären. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass Lkw-Fahrer ihren Arbeitsplatz verlören, da in der Union ein erheblicher Mangel an solchen Fahrern bestehe.

    30

    Das Parlament fügt hinzu, dass die betroffenen Unternehmen bereits mit der Anpassung begonnen hätten, da die Verordnung 2020/1055 vor fast zwei Jahren verabschiedet worden sei, und dass der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz daher zu spät eingereicht worden sei, um zu verhindern, dass die streitige Maßnahme ihre Wirkung entfalte.

    Würdigung

    31

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes darin, die volle Wirksamkeit der künftigen Endentscheidung zu gewährleisten, um eine Lücke in dem vom Gerichtshof gewährten Rechtsschutz zu verhindern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Dringlichkeit im Hinblick darauf zu beurteilen, ob eine einstweilige Anordnung erforderlich ist, um den Eintritt eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens bei der Partei, die den vorläufigen Rechtsschutz beantragt, zu verhindern. Dieser Partei obliegt der Nachweis, dass sie den Ausgang des Verfahrens zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne dass ihr derartiger Schaden entstünde. Für den Nachweis des Bestehens eines solchen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens braucht sein Eintritt nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen zu werden. Es genügt, dass seine Entstehung mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss vom 17. Dezember 2018, Kommission/Polen, C‑619/18 R, EU:C:2018:1021, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    32

    Nach dieser Rechtsprechung obliegt es immer der Partei, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens darzulegen und zu beweisen. Insoweit muss der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter über konkrete und genaue Angaben verfügen, die durch detaillierte Unterlagen belegt sind, die die genauen Auswirkungen zu prüfen erlauben, die ohne die beantragten Maßnahmen wahrscheinlich einträten (vgl. in diesem Sinne Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat, C‑541/20 R, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:264, Rn. 19 und 20).

    33

    Im vorliegenden Fall obliegt es daher der Republik Bulgarien, nachzuweisen, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme in dem Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des vorliegenden Beschlusses und der Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 geeignet ist, in einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbaren Weise einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen.

    34

    Aus dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz geht hervor, dass dieser Mitgliedstaat Schäden geltend macht, die sich aus den Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf die Überlastung der Grenzübergangsstellen, auf die wirtschaftliche und soziale Lage in bestimmten Mitgliedstaaten, auf das Funktionieren des Binnenmarkts sowie auf die Umwelt ergäben.

    35

    Die Republik Bulgarien kann sich auf diese verschiedenen Beeinträchtigungen berufen, um den Erlass einstweiliger Anordnungen zu erwirken, da die Mitgliedstaaten die Interessen zu vertreten haben, die auf nationaler Ebene als allgemeine Interessen gelten, und deren Verteidigung sie im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sicherstellen können (Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat, C‑541/20 R, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:264, Rn. 21).

    36

    Daher ist zu prüfen, ob die von der Republik Bulgarien vorgelegten Beweise den Nachweis ermöglichen, dass zum einen der Eintritt eines oder mehrerer dieser Schäden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist und dass es sich zum anderen bei diesen Schäden um schwere und nicht wiedergutzumachende Schäden handelt.

    37

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht dafür geschaffen ist, das tatsächliche Vorliegen von komplexen und in hohem Maß kontroversen Tatumständen nachzuweisen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter verfügt nicht über die Mittel, die notwendig sind, um die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, und wäre in einer Vielzahl von Fällen nur unter Schwierigkeiten in der Lage, dies in angemessener Zeit zu tun (Beschluss vom 20. November 2017, Kommission/Polen, C‑441/17 R, EU:C:2017:877, Rn. 54).

    Zu den Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf die Überlastung der Grenzübergangsstellen

    38

    Aus dem zweiten Bericht geht hervor, dass das Passieren der Grenzübergangsstellen unabhängig von der Anwendung der streitigen Maßnahme mit erheblichen Wartezeiten verbunden ist. Die daraus resultierende Verlängerung der Fahrzeiten ist daher einer der Faktoren, die von den Kraftverkehrsunternehmen bei der Organisation ihrer Tätigkeiten generell berücksichtigt werden müssen.

    39

    Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme zu einer Verlängerung der Wartezeit an den Grenzübergangsstellen führen kann, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten keine Maßnahmen zur Verkürzung dieser Wartezeit erlassen haben, so dass die betroffenen Güterverkehrsunternehmer zusätzliche Mittel aufwenden müssen, um die Einhaltung der Lieferfristen und die ordnungsgemäße Verwaltung ihrer Fahrzeugflotte sicherzustellen.

    40

    Die so entstehenden Kosten würden jedoch einen finanziellen Schaden darstellen, der, abgesehen von außergewöhnlichen Situationen, nicht als irreparabel anzusehen ist, da in der Regel ein Ersatz in Geld den Geschädigten wieder in die Lage versetzen kann, in der er sich vor Eintritt des Schadens befand (Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat, C‑541/20 R, nicht veröffentlicht, EU:C:2021:264, Rn. 29).

    41

    Da die Republik Bulgarien keine außergewöhnlichen Umstände im Zusammenhang mit dem Risiko der Überlastung der Grenzübergangsstellen geltend gemacht hat, kann das auf dieses Risiko gestützte Vorbringen nicht belegen, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

    Zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der streitigen Maßnahme

    42

    Zunächst ist festzustellen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der streitigen Maßnahme in anderen Mitgliedstaaten als der Republik Bulgarien, auf die sich sowohl dieser Mitgliedstaat als auch die zur Unterstützung seiner Anträge beigetretenen Mitgliedstaaten berufen haben, im vorliegenden Fall nicht ausreichen können, um die Vorhersehbarkeit des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens zu belegen.

    43

    Denn erstens verweist die Republik Bulgarien zwar allgemein auf den von anderen Mitgliedstaaten erlittenen Schaden, doch beziehen sich die genaueren Daten, auf die sie ihr Vorbringen stützt, im Allgemeinen nur auf die Situation der bulgarischen Unternehmen.

    44

    Zwar erwähnt die Republik Bulgarien die zusätzlichen Kosten, die den Transportunternehmen anderer Mitgliedstaaten durch die Anwendung der streitigen Maßnahme entstehen könnten. Diese zusätzlichen Kosten können jedoch als solche in Anbetracht der in Rn. 40 des vorliegenden Beschlusses angeführten Rechtsprechung nicht als schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden angesehen werden.

    45

    Zweitens verweisen die Republik Estland und die Republik Polen zwar auf die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der streitigen Maßnahme in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, legen aber keine Beweise vor, die das tatsächliche Vorliegen dieser Auswirkungen belegen könnten.

    46

    Was drittens die Republik Malta betrifft, so ist dem von diesem Mitgliedstaat vorgelegten Bericht zu entnehmen, dass die Anwendung der in diesem Bericht genannten Maßnahmen möglicherweise Auswirkungen auf den Transportsektor haben wird, die von der Schaffung von 51 neuen Arbeitsplätzen bis zum Abbau von 96 Arbeitsplätzen reichen. Darüber hinaus würde diese Anwendung höchstens eine Einstellung von Tätigkeiten betreffend 43 Lastkraftwagen bedeuten.

    47

    Solche Auswirkungen – unterstellt, sie wären erwiesen – hätten jedoch nicht das erforderliche Ausmaß, um als schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden angesehen zu werden.

    48

    Hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Republik Bulgarien ergibt sich aus den Erwägungen in Rn. 44 des vorliegenden Beschlusses, dass der Kostenanstieg, dem die Transportunternehmen dieses Mitgliedstaats aufgrund der Anwendung der streitigen Maßnahme ausgesetzt wären, als solcher keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden darstellt, was die Republik Bulgarien im Übrigen einräumt.

    49

    Demgegenüber wären diese Kosten für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens relevant, wenn nachgewiesen würde, dass sie so hoch sind, dass sie zwangsläufig eine Umstrukturierung des Transportsektors in Bulgarien nach sich ziehen würden, die in diesem Mitgliedstaat zu einem erheblichen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts oder einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosenquote führen würde.

    50

    Hierzu ist zwar erstens festzustellen, dass, ohne dass über die Verlässlichkeit der von der Republik Bulgarien vorgelegten Schätzungen der potenziellen Erhöhung der den bulgarischen Transportunternehmern entstehenden Kosten befunden zu werden braucht, nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme für diese Transportunternehmer bestimmte zusätzliche Kosten verursacht, da sie notwendigerweise eine regelmäßige Rückkehr ihrer Fahrzeuge in diesen Mitgliedstaat voraussetzt.

    51

    Der bloße Umstand, dass es sich bei vielen Unternehmen des bulgarischen Transportsektors um kleine Unternehmen handelt, reicht jedoch mangels genauerer Angaben zur finanziellen Lage dieser Unternehmen nicht aus, um zu belegen, dass sie nicht in der Lage wären, die mit der Anwendung der streitigen Maßnahme verbundenen Kosten zu tragen, und dass sie daher gezwungen wären, ihre Tätigkeit einzustellen, sie auf andere Geschäftsbereiche auszurichten oder sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen.

    52

    Zweitens beruht das Vorbringen der Republik Bulgarien zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der streitigen Maßnahme offenkundig im Wesentlichen auf den im ersten Bericht aufgestellten Prognosen zu den Einnahmen der Unternehmen des bulgarischen Transportsektors, zur Einstellung der Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen und zur Vernichtung von Arbeitsplätzen in diesem Sektor.

    53

    Zunächst ist jedoch festzustellen, dass dieser Bericht ausdrücklich dahin präsentiert wird, dass er die Auswirkungen der kombinierten Anwendung einer Reihe von Vorschriften bewertet, die namentlich die regelmäßige Rückkehr der Fahrer in den Niederlassungsmitgliedstaat, die Arbeits- und Ruhebedingungen der Fahrer sowie die Durchführung der Kabotage betreffen. Daher lässt sich anhand dieses Berichts nicht feststellen, inwieweit davon ausgegangen wird, dass die in ihm beschriebenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen auf die Anwendung der streitigen Maßnahme zurückzuführen sind und im Falle der Aussetzung allein dieser Maßnahme vermieden werden könnten.

    54

    Sodann wird in diesem Bericht zwar dargelegt, dass die Anwendung der in ihm angesprochenen Maßnahmen zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung des bulgarischen Transportsektors führen wird, doch wird nicht angegeben, in welchem Zeitraum diese Umstrukturierung stattfinden soll.

    55

    Schließlich beruht die in diesem Bericht vorgenommene Einschätzung der Zahl der Fahrzeuge, die ihren Betrieb einstellen werden, und der Zahl der Arbeitsplätze, die in Bulgarien abgebaut werden, woraus sich die von der Republik Bulgarien geltend gemachten wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen ergeben sollen, auf einer Extrapolation der Antworten von 57 bulgarischen Unternehmen auf eine Umfrage, während aus dem Bericht hervorgeht, dass der Güterkraftverkehrssektor in diesem Mitgliedstaat 12700 Unternehmen umfasst, und in dem Bericht in keiner Weise vorgebracht wird, dass die an der Umfrage beteiligten Unternehmen eine für diesen Sektor repräsentative Stichprobe darstellten.

    56

    Nach alledem können die im ersten Bericht enthaltenen Angaben nicht als geeignet angesehen werden, die Vorhersehbarkeit des Eintritts des wirtschaftlichen und sozialen Schadens, auf den sich die Republik Bulgarien für den Fall der Anwendung der streitigen Maßnahme beruft, vor der Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit zu belegen.

    57

    Drittens enthält der zweite Bericht keine Angaben, die das Vorbringen der Republik Bulgarien zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der streitigen Maßnahme stützen.

    58

    Dieser Bericht kommt vielmehr zu dem Schluss, dass die Unternehmen in den osteuropäischen Mitgliedstaaten selbst unter Einbeziehung der zusätzlichen Kosten, die durch die Anwendung der streitigen Maßnahme anfallen würden, weiterhin einen Wettbewerbsvorteil im Güterkraftverkehrssektor haben würden, und folgert daraus, dass dieser Sektor in der Union aller Voraussicht nach nicht umstrukturiert werde.

    59

    Darüber hinaus besagt der genannte Bericht, dass die vorhersehbaren Folgen der Anwendung der streitigen Maßnahme für die Beschäftigungsmöglichkeiten für Fahrer zwangsläufig gering sein würden, da in der Union nicht genügend Fahrer zur Verfügung stünden.

    60

    Nach alledem reichen die von der Republik Bulgarien vorgelegten Beweise nicht aus, um zu belegen, dass die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Anwendung der streitigen Maßnahme in vorhersehbarer Weise zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen können.

    Zu den Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf das Funktionieren des Binnenmarkts

    61

    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die von der Republik Bulgarien geltend gemachten Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf das Funktionieren des Binnenmarkts nach Ansicht dieses Mitgliedstaats aus einer Verringerung des Güterkraftverkehrsangebots in der Union ergeben. Diese Verringerung des Güterkraftverkehrsangebots sei ihrerseits auf die durch die Anwendung dieser Maßnahme bedingte Einstellung der Tätigkeit zahlreicher Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs zurückzuführen.

    62

    Wie jedoch aus den Rn. 42 bis 60 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, hat die Republik Bulgarien nicht nachgewiesen, dass der Eintritt einer solchen Einstellung der Tätigkeit vor der Verkündung des das Verfahren beendenden Urteils in der Rechtssache C‑545/20 vorhersehbar ist.

    63

    Folglich ist auch die Vorhersehbarkeit der behaupteten Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf das Funktionieren des Binnenmarkts von diesem Mitgliedstaat nicht nachgewiesen worden.

    Zu den Umweltauswirkungen der streitigen Maßnahme

    64

    Um die Gefahr des Eintretens eines Umweltschadens nachzuweisen, macht die Republik Bulgarien offenkundig die Gefahr einer Zunahme der Emissionen bestimmter Gase geltend, die für diesen Mitgliedstaat durch die im ersten Bericht enthaltenen Angaben und für die gesamte Union durch die im zweiten Bericht aufgeführten Daten belegt werde.

    65

    Hinsichtlich der Zahlen, die im ersten Bericht angeführt werden, um die Gefahr einer Umweltschädigung durch die bulgarischen Transportunternehmen zu belegen, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese nur auf CO2‑Emissionen beziehen.

    66

    Darüber hinaus erlauben es die in den Rn. 53 und 55 des vorliegenden Beschlusses genannten methodologischen Grenzen dieses Berichts nicht, sich auf diesen Bericht zu stützen, um die möglichen Auswirkungen der streitigen Maßnahme auf diese Emissionen zu beurteilen.

    67

    Zum einen enthält der Bericht nämlich keine näheren Angaben zum voraussichtlichen Beitrag der einzelnen in ihm aufgeführten Maßnahmen zum Anstieg der CO2-Emissionen, auf den er sich bezieht. Zum anderen wird in Bezug auf die Auswirkungen der streitigen Maßnahme davon ausgegangen, dass sich dieser Anstieg aus der Durchführung einer großen Zahl von Leerfahrten ergibt. Die voraussichtliche Häufigkeit der Leerfahrten, auf der die in diesem Bericht enthaltene Schätzung beruht, wurde jedoch auf der Grundlage der Aussagen der Stichprobe von Unternehmen ermittelt, die an der Umfrage teilgenommen hatten, hinsichtlich derer bereits festgestellt worden ist, dass sie nicht repräsentativ ist.

    68

    Darüber hinaus wird der Anstieg der CO2-Emissionen im ersten Bericht berechnet, indem allen im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrssektor Bulgariens verwendeten Lastkraftwagen Leerfahrten zugerechnet werden, obwohl aus diesem Bericht hervorgeht, dass 53 % der Fahrzeuge dieses Sektors für Tätigkeiten mit Transportzyklen von weniger als acht Wochen eingesetzt werden und daher ihre derzeitige Praxis nicht ändern müssen, um der streitigen Maßnahme Folge zu leisten.

    69

    Was die Zahlen betrifft, die die Republik Bulgarien anführt, um die Gefahr einer Umweltschädigung durch die Transportunternehmen der gesamten Union zu belegen, ist festzustellen, dass sich dieser Mitgliedstaat weitgehend auf eine der im zweiten Bericht aufgestellten Hypothesen stützt, wonach die Unternehmen des Transportsektors die streitige Maßnahme einhalten werden, ohne dass es in diesem Sektor zu einer Umstrukturierung kommt.

    70

    Mehrere der von der Republik Bulgarien vorgebrachten Gesichtspunkte sprechen jedoch gegen die Verwirklichung dieser Hypothese, die im Übrigen vom Parlament und vom Rat als rein theoretisch betrachtet wird. So trägt dieser Mitgliedstaat, um den von ihm geltend gemachten Schaden wirtschaftlicher und sozialer Art nachzuweisen, vor, dass der Transportsektor im Fall der Anwendung der streitigen Maßnahme eine erhebliche Umstrukturierung erfahren werde. Ebenso beruhen die Berechnungen im zweiten Bericht im Zusammenhang mit der Hypothese, dass keine Umstrukturierung stattfinde, auf der Annahme, dass 100 % der zur Einhaltung dieser Maßnahme erforderlichen Fahrten Leerfahrten seien, während der Mitgliedstaat vorträgt, dass 46 % der Fahrten, die von bulgarischen Transportunternehmen durchgeführt würden, um dieser Maßnahme nachzukommen, Leerfahrten darstellten.

    71

    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die für die Berechnung der zusätzlichen Emissionen, die sich aus der Anwendung der streitigen Maßnahme ergeben können, ausschlaggebende Einschätzung der Zahl der in Transportzyklen von mehr als acht Wochen eingesetzten Fahrzeuge von einer Extrapolation von Aussagen herrührt, die im Rahmen einer Umfrage unter einer Stichprobe von Transportunternehmen gesammelt wurden, die im zweiten Bericht als im Hinblick auf die Größe des Marktes für grenzüberschreitenden Kraftverkehr unzureichend beschrieben wurde.

    72

    Unter diesen Umständen ist zwar nicht auszuschließen, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme die Emissionen bestimmter Gase erhöhen könnte, doch lassen die von der Republik Bulgarien vorgelegten Dokumente keine genaue Einschätzung des Umfangs dieser Erhöhung zu.

    73

    Hinsichtlich des schweren und nicht wiedergutzumachenden Charakters, den die genannte Erhöhung haben könnte, ist darauf hinzuweisen, dass, wie das Parlament und der Rat betonen, die Emissionen von CO2, NOx und PM2,5 Gegenstand spezifischer Unionsregelungen sind.

    74

    So stellt die Verordnung 2018/842 Verpflichtungen für jeden Mitgliedstaat zur Begrenzung der Emissionen von Treibhausgasen, zu denen auch CO2 gehört, auf; die Richtlinie 2008/50 sieht nationale Ziele für die Verringerung der PM2,5-Exposition sowie Grenzwerte für NOx und PM2,5 vor.

    75

    Daraus folgt, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme, selbst wenn man die höchsten von der Republik Bulgarien vorgelegten Zahlen zugrunde legt, nur einen mäßigen Anstieg der Emissionen von CO2, NOx und PM2,5 bedeuten würde, für den nicht nachgewiesen ist, dass er geeignet wäre, auf mittlere Sicht den Schutz der Luftqualität und die Bekämpfung der globalen Erwärmung in Frage zu stellen (vgl. entsprechend Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Kommission/Österreich, C‑320/03 R, EU:C:2003:543, Rn. 98).

    76

    Im Übrigen können die von der Republik Bulgarien angeführten, sich aus dem Anstieg der NOx‑ und PM2,5‑Emissionen ergebenden Kosten angesichts ihrer Höhe für die gesamte Union nicht die Schwere des von der Republik Bulgarien geltend gemachten Schadens belegen.

    77

    Daher ist festzustellen, dass die von der Republik Bulgarien vorgelegten Beweise nicht ausreichen, um nachzuweisen, dass die Umweltauswirkungen der Anwendung der streitigen Maßnahme in vorhersehbarer Weise zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen können.

    78

    Nach alledem hat die Republik Bulgarien offenkundig nicht nachgewiesen, dass die Anwendung der streitigen Maßnahme in dem Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des vorliegenden Beschlusses und der Verkündung des das Verfahren in der Rechtssache C‑545/20 beendenden Urteils geeignet ist, in einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbaren Weise einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden zu verursachen, und dass daher die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

    79

    Angesichts des kumulativen Charakters der Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist daher der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen, ohne dass die Voraussetzungen betreffend den fumus boni iuris und die Interessenabwägung zu prüfen wären.

    80

    Nach Art. 137 der Verfahrensordnung wird über die Kosten im Endurteil oder in dem das Verfahren beendenden Beschluss entschieden.

     

    Aus diesen Gründen hat der Vizepräsident des Gerichtshofs beschlossen:

     

    1.

    Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

     

    2.

    Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Bulgarisch.

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