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Document 62020CJ0692

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 28. September 2023.
Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird – Nichtdurchführung – Richtlinie 95/60/EG – Steuerliche Kennzeichnung von Gasöl – Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft – Protokoll zu Irland/Nordirland – Fortdauer der Zuwiderhandlung im Hinblick auf Nordirland nach dem Ende des Übergangszeitraums – Art. 260 Abs. 2 AEUV – Finanzielle Sanktionen – Pauschalbetrag – Schwere der Zuwiderhandlung – Zahlungsfähigkeit.
Rechtssache C-692/20.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:707

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

28. September 2023 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Urteil des Gerichtshofs, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wird – Nichtdurchführung – Richtlinie 95/60/EG – Steuerliche Kennzeichnung von Gasöl – Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft – Protokoll zu Irland/Nordirland – Fortdauer der Zuwiderhandlung im Hinblick auf Nordirland nach dem Ende des Übergangszeitraums – Art. 260 Abs. 2 AEUV – Finanzielle Sanktionen – Pauschalbetrag – Schwere der Zuwiderhandlung – Zahlungsfähigkeit“

In der Rechtssache C‑692/20

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 260 Abs. 2 AEUV, eingereicht am 21. Dezember 2020,

Europäische Kommission, vertreten durch A. Armenia und P.‑J. Loewenthal als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch S. McCrory und F. Shibli als Bevollmächtigte im Beistand von O. Thomas, KC, und P. Reynolds, Barrister, dann durch L. Baxter, S. McCrory und F. Shibli als Bevollmächtigte im Beistand von O. Thomas, KC, und P. Reynolds, Barrister, dann durch L. Baxter als Bevollmächtigten im Beistand von O. Thomas, KC, und P. Reynolds, Barrister, und schließlich durch S. Fuller als Bevollmächtigten im Beistand von O. Thomas, KC, und P. Reynolds, Barrister,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2022,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2022

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission,

festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit den Art. 127 und 131 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 2020, L 29, S. 7, im Folgenden: Austrittsabkommen) verstoßen hat, dass es nicht die zur Durchführung des Urteils vom 17. Oktober 2018, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑503/17, im Folgenden: Vertragsverletzungsurteil, EU:C:2018:831), erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat;

das Vereinigte Königreich gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit den Art. 127 und 131 des Austrittsabkommens zu verurteilen, folgende Beträge an die Kommission zu zahlen:

ab dem Tag der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zur vollständigen Durchführung des Vertragsverletzungsurteils ein Zwangsgeld von 268878,50 Euro für jeden Tag des Verzugs bei der Durchführung des Vertragsverletzungsurteils;

einen Pauschalbetrag, dessen Höhe sich aus der Multiplikation eines Tagessatzes von 35873,20 Euro mit der Zahl der Tage ergibt, die zwischen dem Tag der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und entweder dem Tag, an dem das Vereinigte Königreich jenem Urteil nachkommt, oder, wenn es dies vor der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache nicht tut, dem Tag dieser Verkündung, verstrichen sind, mindestens jedoch einen Pauschalbetrag von 8901000 Euro;

dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Austrittsabkommen

2

Das Austrittsabkommen, das mit dem Beschluss (EU) 2020/135 des Rates vom 30. Januar 2020 (ABl. 2020, L 29, S. 1) im Namen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) genehmigt wurde, trat am 1. Februar 2020 in Kraft.

3

Art. 86 („Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängige Rechtssachen“) Abs. 1 und 3 dieses Abkommens bestimmt:

„(1)   Der Gerichtshof der Europäischen Union ist weiterhin für Verfahren zuständig, die vor Ende des Übergangszeitraums durch oder gegen das Vereinigte Königreich eingeleitet werden. …

(3)   Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Zeitpunkt als eingeleitet …, zu dem die Unterlagen zur Einleitung des Verfahrens von der Kanzlei des Gerichtshofs der Europäischen Union registriert wurden.“

4

Nach Art. 126 des Austrittsabkommens begann der Übergangszeitraum am Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens und endete am 31. Dezember 2020.

5

Art. 127 („Anwendungsbereich für den Übergang“) des Austrittsabkommens sieht vor:

„(1)   Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, gilt das Unionsrecht während des Übergangszeitraums für das Vereinigte Königreich sowie im Vereinigten Königreich.

(3)   Während des Übergangszeitraums entfaltet das nach Absatz 1 für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich geltende Unionsrecht die gleichen Rechtswirkungen wie innerhalb der Union und ihrer Mitgliedstaaten und wird nach denselben Methoden und allgemeinen Grundsätzen ausgelegt und angewendet, die auch innerhalb der Union gelten.

(6)   Sofern in diesem Abkommen nichts anderes bestimmt ist, schließen während des Übergangszeitraums alle Bezugnahmen auf Mitgliedstaaten in dem nach Absatz 1 geltenden Unionsrecht, einschließlich der Durchführung und Anwendung durch die Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich ein.

…“

6

Art. 131 („Aufsicht und Durchsetzung“) dieses Abkommens lautet:

„Während des Übergangszeitraums verfügen die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union gegenüber dem Vereinigten Königreich sowie natürlichen und juristischen Personen, die im Vereinigten Königreich wohnhaft oder dort niedergelassen sind, über die ihnen durch das Unionsrecht übertragenen Befugnisse. Insbesondere ist der Gerichtshof der Europäischen Union wie in den Verträgen vorgesehen zuständig.

Absatz 1 gilt während des Übergangszeitraums auch für die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens.“

7

Art. 8 („MwSt. und Verbrauchsteuern“) Abs. 1 des dem Austrittsabkommen angehängten Protokolls zu Irland/Nordirland (im Folgenden: Protokoll zu Irland/Nordirland) sieht vor:

„Die in Anhang 3 dieses Protokolls aufgeführten Bestimmungen des Unionsrechts, die Waren betreffen, gelten für das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich in Bezug auf Nordirland.“

8

Art. 12 („Durchführung, Anwendung, Aufsicht und Durchsetzung“) Abs. 1 des Protokolls zu Irland/Nordirland bestimmt:

„Unbeschadet des Absatzes 4 sind die Behörden des Vereinigten Königreichs für die Durchführung und Anwendung der aufgrund dieses Protokolls anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich in Bezug auf Nordirland zuständig.“

9

Anhang 3 dieses Protokolls nimmt insbesondere auf die Richtlinie 95/60/EG des Rates vom 27. November 1995 über die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl und Kerosin (ABl. 1995, L 291, S. 46) Bezug.

Richtlinie 95/60

10

In den Erwägungsgründen 1 und 3 der Richtlinie 95/60 heißt es:

„Die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen der Gemeinschaft sind nicht nur notwendig, sondern unerlässlich, wenn die Ziele des Binnenmarkts erreicht werden sollen. Diese Ziele können nicht von den Mitgliedstaaten allein erreicht werden. … Dementsprechend steht die vorliegende Richtlinie im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip.

Für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts bedarf es nunmehr gemeinsamer Vorschriften für die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl und Kerosin, die nicht zum normalen Satz versteuert worden sind, der für diese als Treibstoff verwendeten Mineralöle gilt.“

11

Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Unbeschadet der einzelstaatlichen Vorschriften über die steuerliche Kennzeichnung wenden die Mitgliedstaaten für folgende Waren ein System der steuerlichen Kennzeichnung an, das dieser Richtlinie entspricht:

alle Gasöle des KN-Codes 27100069, die in den steuerrechtlich freien Verkehr … übergeführt und entweder von der Steuer befreit oder zu einem anderen als dem in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 92/82/EWG [des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. 1992, L 316, S. 19), aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. 2003, L 283, S. 51)] festgesetzten Verbrauchsteuersatz versteuert worden sind;

…“

12

Art. 3 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass eine missbräuchliche Verwendung der gekennzeichneten Produkte verhindert wird und dass insbesondere die betreffenden Mineralöle nicht zur Verbrennung in Kraftfahrzeugmotoren verwendet oder im Treibstofftank von Kraftfahrzeugen aufbewahrt werden dürfen, es sei denn, eine solche Verwendung ist in besonderen, von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten festgelegten Fällen erlaubt.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Verwendung der betreffenden Mineralöle in den in Absatz 1 genannten Fällen als Zuwiderhandlung gegen das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats gilt. Jeder Mitgliedstaat trifft die geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass diese Richtlinie in vollem Umfang angewandt wird, und legt insbesondere die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die genannten Maßnahmen zu verhängen sind; diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

Richtlinie 2003/96

13

Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 bestimmt:

„Über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG [des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 76, S. 1)] hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung oder Missbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der Steuer:

c)

Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft (einschließlich des Fischfangs), mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt, und an Bord von Schiffen erzeugter elektrischer Strom.

…“

Recht des Vereinigten Königreichs

14

Der Hydrocarbon Oil Duties Act 1979 (Gesetz von 1979 über die Verbrauchsteuern auf Öle aus Kohlenwasserstoff), der die Besteuerung von Kraftstoffen regelt, wurde insbesondere durch den Finance Act 2012 (Haushaltsgesetz von 2012) geändert. Für den vorliegenden Rechtsstreit gilt aufgrund des Zeitpunkts des maßgeblichen Sachverhalts das Gesetz von 1979 in der durch das Haushaltsgesetz von 2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz von 1979).

15

Section 14E des Gesetzes von 1979 regelte die Besteuerung von Kraftstoffen im Rahmen der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt und sah Folgendes vor:

„Schweröl und Biogemische zu einem ermäßigten Steuersatz: Wasserfahrzeuge der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt

1.

Diese Bestimmung ist auf Schweröle oder Biogemische anwendbar, für die ein ermäßigter Steuersatz gilt.

2.

Schweröle oder Biogemische dürfen nicht als Kraftstoff zum Antrieb privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge verwendet werden.

3.

Falls bei der Lieferung einer bestimmten Menge Schweröl oder Biogemisch einer Person (Lieferant) an eine andere Person diese andere Person gegenüber dem Lieferanten eine ordnungsgemäße Erklärung abgibt,

a)

kommt Abs. 2 für dieses Schweröl oder Biogemisch nicht zur Anwendung

und

b)

hat der Lieferant der Steuerbehörde gemäß den entsprechenden Vorschriften den in Abs. 4 vorgesehenen Betrag zu entrichten.

7A)

Eine ordnungsgemäße Erklärung muss eine Bestätigung enthalten, dass kein Teil dieser Gesetzesbestimmung und keine auf dieser Grundlage erfolgte Handlung (einschließlich der Erklärung selbst) gegen die Beschränkungen und Verbote der Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats als des Vereinigten Königreichs über die Verwendung von Schwerölen oder Biogemischen als Kraftstoffe für den Antrieb von Schiffen außerhalb der Hoheitsgewässer des Vereinigten Königreichs verstoßen …

…“

16

Section 14E des Gesetzes von 1979 wurde durch Schedule 11 des Finance Act 2020 (Anhang 11 des Haushaltsgesetzes von 2020) geändert, der am 1. Oktober 2021 in Kraft trat, um im Wesentlichen die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge in Nordirland zu untersagen.

Urteil, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wurde

17

Im Vertragsverletzungsurteil hat der Gerichtshof entschieden, dass „das Vereinigte Königreich dadurch, dass es die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff zum Antrieb in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt erlaubt hat, selbst wenn dieser Kraftstoff weder von der Verbrauchsteuer befreit ist noch zu einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz versteuert wird, gegen seine Verpflichtungen aus der [Richtlinie 95/60] verstoßen hat“.

Vorverfahren

18

Im Anschluss an die Verkündung des Vertragsverletzungsurteils forderte die Kommission das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 auf, ihr binnen zwei Monaten mitzuteilen, welche Maßnahmen es zu ergreifen gedenke, um dem Urteil nachzukommen.

19

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 teilte das Vereinigte Königreich mit, dass es beabsichtige, im Lauf der Jahre 2019 und 2020 seine Gesetzgebung zu ändern, und zwar insbesondere das Gesetz von 1979 und die maßgeblichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften, um die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff zum Antrieb in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt zu untersagen. In diesem Schreiben legte das Vereinigte Königreich auch dar, dass angesichts der erheblichen praktischen Auswirkungen dieser Änderungen eine öffentliche Konsultation durchgeführt werde.

20

Da die Kommission der Ansicht war, dass das Vereinigte Königreich nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um dem Vertragsverletzungsurteil nachzukommen, richtete sie am 15. Mai 2020 gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV ein Aufforderungsschreiben an das Vereinigte Königreich und trug ihm auf, binnen vier Monaten ab Erhalt dieses Schreibens, also bis spätestens 15. September 2020, Stellung zu nehmen.

21

Das Vereinigte Königreich antwortete am 11. September 2020 auf das Aufforderungsschreiben und erläuterte die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertragsverletzungsurteils. Diese ergäben sich insbesondere aufgrund der Parlamentswahlen, die im Dezember 2019 im Vereinigten Königreich stattgefunden hätten. Es legte ferner dar, dass das Haushaltgesetz von 2020 eine gesetzliche Ermächtigung enthalte und diese eine unerlässliche Voraussetzung für den Erlass der untergesetzlichen Rechtsvorschriften darstelle, die erforderlich seien, um dem in Rede stehenden Urteil nachzukommen. Außerdem seien im Hinblick auf die Abschaffung des Rechts der Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff in den meisten Sektoren ab April 2022 weiter gehende Reformen vorgeschlagen worden. Hierzu wies das Vereinigte Königreich darauf hin, dass eine Konsultation zu diesen Reformen am 1. Oktober 2020 ende und dass die Entscheidung über den Zeitpunkt der Abschaffung des Rechts auf Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt nach Ende dieser Konsultation getroffen werde, zusammen mit den endgültigen Entscheidungen über die weiter gehenden Reformen betreffend diesen Kraftstoff.

22

Vor diesem Hintergrund beschloss die Kommission, die vorliegende Klage zu erheben.

Im Lauf des vorliegenden Verfahrens eingetretene Entwicklungen

23

Da der in Art. 126 des Austrittsabkommens vorgesehene Übergangszeitraum am 31. Dezember 2020 geendet hat, gelten die Bestimmungen der Richtlinie 95/60 im Vereinigten Königreich seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr; davon ausgenommen ist Nordirland, wo diese Bestimmungen gemäß Art. 8 des Protokolls zu Irland/Nordirland in Verbindung mit dessen Anhang 3 auch nach diesem Zeitpunkt in Kraft geblieben sind.

24

Am 21. Mai 2021 übermittelte das Vereinigte Königreich ein Schreiben an die Kommission, in dem es ihr mitteilte, dass die endgültigen Rechtsvorschriften zur Untersagung der Verwendung von einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz unterliegenden gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt in Nordirland am 1. Juli 2021 vom Parlament des Vereinigten Königreichs angenommen werden würden. Im Übrigen führte das Vereinigte Königreich aus, dass die privaten Kraftstofflieferanten während der Schifffahrtssaison nicht in der Lage seien, die zusätzliche Infrastruktur zu schaffen, die benötigt werde, um dem normalen Verbrauchsteuersatz unterliegenden Dieselkraftstoff für die private nicht gewerbliche Schifffahrt und einem ermäßigten Verbrauchsteuersatz unterliegenden Dieselkraftstoff für die gewerbliche Schifffahrt bereitzustellen, so dass dieses Verbot am 1. Oktober 2021 in Kraft treten werde.

25

Das Vereinigte Königreich aktualisierte daher am 21. Mai 2021 seine Hinweise zu den Verbrauchsteuersätzen für Kraftstoffe für die private nicht gewerbliche Schifffahrt. Deren Punkt 2.3 lautet nunmehr:

„Ab 1. Oktober 2021 ist die Verwendung von [gekennzeichnetem Kraftstoff] für private nicht gewerbliche Wasserfahrzeuge mit nur einem Kraftstofftank (sowohl für den Antrieb als auch für andere Zwecke) in Nordirland untersagt, es sei denn, dieser Kraftstoff wurde entweder vor dem 1. Oktober 2021 in Nordirland getankt oder er wurde an einem Ort getankt, an dem die Verwendung von [gekennzeichnetem Kraftstoff] für den Antrieb noch zulässig ist.“

26

Die in Rede stehenden untergesetzlichen Rechtsvorschriften wurden am 28. Juni 2021 erlassen und ermöglichten das Inkrafttreten der Bestimmungen des Haushaltsgesetzes von 2020, so dass die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb von privaten, nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen in Nordirland seit dem 1. Oktober 2021 untersagt ist.

27

Mit Schreiben vom 11. Februar 2022 teilte die Kommission dem Gerichtshof mit, dass sie ihre Klage teilweise zurücknehme, und zwar im Hinblick auf das tägliche Zwangsgeld, da dieser Klageantrag mit dem Inkrafttreten der Bestimmungen des Haushaltsgesetzes von 2020 am 1. Oktober 2021 gegenstandslos geworden sei. Den Antrag auf Verurteilung des Vereinigten Königreichs zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 35873,20 Euro für jeden zwischen dem 17. Oktober 2018 und dem 30. September 2021 verstrichenen Tag, also für den Zeitraum zwischen der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und dem Zeitpunkt, zu dem das Vereinigte Königreich diesem Urteil nachgekommen ist, erhielt die Kommission jedoch aufrecht.

Zur Vertragsverletzung

Vorbringen der Parteien

28

Die Kommission macht geltend, dass das Vereinigte Königreich nicht die für die Durchführung des Vertragsverletzungsurteils erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe. Dem Vereinigten Königreich sei eine Frist von vier Monaten ab Erhalt des Aufforderungsschreibens, also bis spätestens 15. September 2020, eingeräumt worden, um eine Stellungnahme abzugeben. Aus der Antwort auf dieses Aufforderungsschreiben gehe klar hervor, dass das Recht auf Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt trotz des Ergreifens einiger vorbereitender gesetzgeberischer Maßnahmen erst im April 2022 abgeschafft werden würde. Hierzu führt die Kommission aus, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf die Langwierigkeit des Gesetzgebungsprozesses oder auf innerstaatliche Schwierigkeiten stützen könne, um die nicht rechtzeitige Durchführung eines Urteils des Gerichtshofs zu rechtfertigen.

29

Das Vereinigte Königreich entgegnet, dass es nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, das Vertragsverletzungsurteil durchzuführen, da das Aufforderungsschreiben und die gegenständliche Klage der Kommission verfrüht erfolgt seien. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus den Urteilen vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland (C‑387/97, EU:C:2000:356, Rn. 82), und vom 25. Juni 2013, Kommission/Tschechische Republik (C‑241/11, EU:C:2013:423, Rn. 44), wonach die Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils möglichst rasch abzuschließen sei, könne nämlich abgeleitet werden, dass der Gerichtshof die praktischen Schwierigkeiten, mit denen sich der betroffene Mitgliedstaat konfrontiert sehe, prüfen müsse. Aus dem Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien (C‑278/01, EU:C:2003:635, Rn. 30), ergebe sich außerdem, dass der Gerichtshof nur dann eine gegen Art. 260 Abs. 2 AEUV verstoßende Nichtdurchführung eines Urteils feststellen könne, wenn er zu dem Schluss komme, dass die Durchführung des in Rede stehenden Vertragsverletzungsurteils schon vor der tatsächlichen Durchführung möglich gewesen wäre.

30

Vor diesem Hintergrund sei es Sache der Kommission, die praktischen Schwierigkeiten zu prüfen, die der betroffene Mitgliedstaat bewältigen müsse, um einem Vertragsverletzungsurteil nachkommen zu können. Die Kommission müsse aufzeigen, dass es diesem Mitgliedstaat trotz dieser Schwierigkeiten nach vernünftigen Ermessen möglich gewesen sei, dem Urteil innerhalb der im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist nachzukommen. Unter Berücksichtigung der Komplexität und des Umfangs der Aufgabe, dem Vertragsverletzungsurteil nachzukommen, sei der Zeitraum von 23 Monaten zwischen der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und dem Ablauf der im Aufforderungsschreiben festgesetzten Frist für die Durchführung des Urteils durch das Vereinigte Königreich augenscheinlich zu kurz gewesen.

31

Im Übrigen könne der Ansatz, der auf einer verschuldensunabhängigen Haftung beruhe, in Verfahren nach Art. 260 AEUV nicht angewandt werden. Die Kommission hätte gegebenenfalls zusammen mit der von ihr nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage beantragen müssen, gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV finanzielle Sanktionen gegen das Vereinigte Königreich zu verhängen, was sie nicht getan habe. Schließlich verwechsle die Kommission die praktischen Schwierigkeiten, mit denen sich die Mitgliedstaaten konfrontiert sähen und die der Gerichtshof zu berücksichtigen habe, mit den innerstaatlichen rechtlichen und politischen Problemstellungen dieser Staaten, die nicht berücksichtigt werden könnten.

32

Im vorliegenden Fall legt das Vereinigte Königreich Nachdruck auf die Feststellung, dass es sich bei der Umsetzung der Richtlinie 95/60 und der Durchführung des Vertragsverletzungsurteils mit einzigartigen praktischen Schwierigkeiten konfrontiert gesehen habe, wovon es die Kommission in Kenntnis gesetzt habe. Es sei nämlich in mehrfacher Hinsicht zu Schwierigkeiten gekommen, und zwar erstens im Zusammenhang mit besonderen geografischen Gegebenheiten im Vereinigten Königreich in Bezug auf die Länge der Küsten und die Anzahl an Häfen und Anlegeplätzen, zweitens im Zusammenhang mit der sehr unterschiedlichen Größe der Häfen, in denen sich Schiffe mit Kraftstoff versorgen könnten, drittens im Zusammenhang mit sachlichen Zwängen, die für kleine Häfen hinsichtlich der gleichzeitigen Bereitstellung von nicht gekennzeichnetem und gekennzeichnetem Kraftstoff bestünden, viertens im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Bedenken und Sicherheitsbedenken, insbesondere im Hinblick auf Steuerbetrug, das Risiko der Verschlechterung des Diesels, die Errichtung von temporären Zweittanks, die Beeinträchtigung von Einnahmen aus dem Tourismus und die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff zu anderen Zwecken als dem Antrieb, sowie fünftens im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie.

33

In ihrer Erwiderung macht die Kommission als Erstes geltend, dass das Vereinigte Königreich nicht bestreite, dass es das Vertragsverletzungsurteil am 15. September 2020 nicht durchgeführt habe.

34

Als Zweites werde die Behauptung des Vereinigten Königreichs, dass die Kommission aufzuzeigen habe, dass dieses das Vertragsverletzungsurteil nach vernünftigem Ermessen vor diesem Zeitpunkt hätte durchführen können, durch die Rechtsprechung nicht gedeckt.

35

Als Drittes beschränke sich die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach sich ein Mitgliedstaat nicht auf praktische Schwierigkeiten berufen könne, um die Nichtbeachtung von Art. 260 Abs. 1 AEUV zu rechtfertigen, nicht auf politische und rechtliche Schwierigkeiten. Mit dem Vorbringen, dass der Ansatz der verschuldensunabhängigen Haftung nicht auf Verfahren nach Art. 260 AEUV anwendbar sei, habe das Vereinigte Königreich zudem die ihm gemäß Art. 260 Abs. 1 AEUV obliegende Verpflichtung mit der Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung gemäß Art. 260 Abs. 2 AEUV verwechselt.

36

Jedenfalls stellten die Umstände, auf die sich das Vereinigte Königreich stütze, keine praktischen Schwierigkeiten dar, die die Nichtdurchführung des Vertragsverletzungsurteils rechtfertigen könnten. Erstens könne nämlich, was die angeblichen Verzögerungen bei der Gesetzgebung betreffe, die Verpflichtung dieses Staats, alle Anlegeplätze und Handelshäfen zu evaluieren, um festzustellen, welche Korrekturmaßnahmen erforderlich sein könnten, um das betreffende Urteil durchzuführen, nicht erklären, warum das Vereinigte Königreich über zweieinhalb Jahre nach der Verkündung des in Rede stehenden Urteils die für dessen Durchführung erforderlichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften noch nicht erlassen habe. Im Hinblick auf die Probleme im Zusammenhang mit der Infrastruktur – etwa den Umstand, dass manche Häfen abgelegen seien oder so klein, dass sie nicht über ausreichend Platz verfügten, um gekennzeichneten und nicht gekennzeichneten Kraftstoff bereitzustellen – vertritt die Kommission zweitens die Ansicht, dass diese potenziellen Schwierigkeiten eher die Ausnahme darzustellen scheinen als die Regel. Im Übrigen hätten andere Mitgliedstaaten derartige Schwierigkeiten bereits überwunden. Was die Covid‑19-Pandemie betreffe, habe die Kommission dem Vereinigten Königreich drittens eine außergewöhnliche Frist von vier Monaten für die Beantwortung des Aufforderungsschreibens eingeräumt, obwohl diese Frist normalerweise nur zwei Monate betrage. Außerdem hätten sich die Covid‑19-Fälle im Vereinigten Königreich im Sommer 2020 auf einem sehr niedrigen Niveau befunden.

37

Als Viertes gehe aus dem Schreiben des Vereinigten Königreichs vom 11. September 2020 entgegen dessen Vorbringen klar hervor, dass das Recht auf Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff in den meisten Sektoren erst ab April 2022 abgeschafft werden würde. Die Diskrepanz zwischen den Maßnahmen, die das Vereinigte Königreich ergriffen habe, um das Vertragsverletzungsurteil rechtzeitig durchzuführen, und konkreten Ergebnissen in absehbarer Zukunft, habe die Kommission veranlasst, das Verfahren nach Art. 260 Abs. 2 AEUV einzuleiten. Erst nachdem die Kommission gemäß dieser Bestimmung Klage eingereicht habe, habe das Vereinigte Königreich den Erlass der erforderlichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften in die Wege geleitet.

38

Als Fünftes stütze sich das Vereinigte Königreich zu Unrecht auf Art. 260 Abs. 3 AEUV, da das Vertragsverletzungsverfahren, das zum Erlass des Vertragsverletzungsurteils geführt habe, die nicht ordnungsgemäße Umsetzung einer Richtlinie zum Gegenstand gehabt habe, nicht die unterlassene Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie.

39

In seiner Gegenerwiderung führt das Vereinigte Königreich als Erstes aus, dass es ihm seit Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes von 2020 am 1. Oktober 2021 möglich sei, der Richtlinie 95/60 nachzukommen.

40

Als Zweites macht es geltend, dass ein Verstoß gegen Art. 260 Abs. 1 AEUV nicht allein darin bestehen könne, dass es die erforderlichen Maßnahmen nicht vor Ablauf der im Aufforderungsschreiben festgesetzten Frist ergriffen habe. Andernfalls würde der Kommission die Befugnis eingeräumt, eine Frist für die Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils des Gerichtshofs festzulegen, die ihr durch diese Bestimmung aber nicht übertragen werde. Im Übrigen verstoße die Kommission gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit, wenn sie im Rahmen ihres Ermessensspielraums nach Art. 260 Abs. 2 AEUV zu einem beliebigen Zeitpunkt den Gerichtshof anrufe, ohne zu prüfen, ob die Durchführung des Urteils des Gerichtshofs „möglich“ gewesen sei. Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor, da die Fristen, die die Kommission anderen Mitgliedstaaten für die Durchführung von Vertragsverletzungsurteilen des Gerichtshofs eingeräumt habe, in manchen Fällen erheblich länger gewesen seien als im vorliegenden Fall.

41

Als Drittes und Letztes habe die Kommission das Vorbringen des Vereinigten Königreichs zu den in Rede stehenden praktischen Schwierigkeiten verfälscht und sei nicht angemessen auf diese Schwierigkeiten eingegangen. Außerdem beruhe die Anrufung des Gerichtshofs auf einem falschen Verständnis des Schreibens vom 11. September 2020. Dieses besage nämlich entgegen der Auffassung der Kommission nicht, dass das Verbot der Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt erst ab April 2022 gelten würde, sondern stelle klar, dass zu diesem Zeitpunkt Änderungen in Kraft träten, die über die Erfordernisse des Vertragsverletzungsurteils hinausgingen.

Würdigung durch den Gerichtshof

42

Nach Art. 260 Abs. 2 AEUV kann die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben, nicht getroffen hat, den Gerichtshof anrufen, nachdem sie diesem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Hierbei benennt sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgelds, die sie den Umständen nach für angemessen hält.

43

Was das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 260 Abs. 2 AEUV betrifft, ist als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Vertragsverletzung auf den des Ablaufs der Frist abzustellen, die in dem nach dieser Bestimmung versandten Aufforderungsschreiben gesetzt wurde (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Vertragsverletzungsverfahren auf der objektiven Feststellung des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag oder einem sekundären Rechtsakt beruht (Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 92).

45

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie aus Rn. 20 dieses Urteils hervorgeht, am 15. Mai 2020 im Rahmen des in Art. 260 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Verfahrens ein Aufforderungsschreiben an das Vereinigte Königreich geschickt. Der maßgebliche Zeitpunkt, auf den in Rn. 43 dieses Urteils Bezug genommen wird, ist somit der Ablauf der in diesem Schreiben gesetzten Frist, also der 15. September 2020.

46

Es ist offensichtlich, dass das Vereinigte Königreich an diesem Tag nicht alle für die Durchführung des Vertragsverletzungsurteils erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war das Haushaltsgesetz von 2020, das die notwendige gesetzgeberische Ermächtigung schuf, um das in Rede stehende Urteil durchzuführen, zwar erlassen worden, es trat aber erst am 1. Oktober 2021 in Kraft, so dass vor diesem Tag die Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb von privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen im gesamten Gebiet des Vereinigten Königreichs zulässig war.

47

Das Vorbringen des Vereinigten Königreichs vermag diese Feststellung nicht zu entkräften. Was als Erstes sein Vorbringen betrifft, dass die Kommission nachweisen müsse, dass es ihm nach vernünftigem Ermessen möglich gewesen wäre, das Vertragsverletzungsurteil vor Ablauf der im Aufforderungsschreiben gesetzten Frist durchzuführen, ist darauf hinzuweisen, dass es zwar Sache der Kommission ist, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 260 Abs. 2 AEUV dem Gerichtshof die Angaben zu liefern, die erforderlich sind, um zu bestimmen, welchen Stand der Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils ein Mitgliedstaat erreicht hat (Urteil vom 2. Dezember 2014, Kommission/Italien, C‑196/13, EU:C:2014:2407, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), sie aber nicht verpflichtet ist, zu beweisen, dass die Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist, die im von ihr an den betroffenen Mitgliedstaat übermittelten Aufforderungsschreiben festgesetzt ist, möglich ist.

48

Als Zweites ist zum Vorbringen des Vereinigten Königreichs, wonach das Aufforderungsschreiben und die gegenständliche Klage verfrüht gewesen seien, und zwar insbesondere, weil es dem Vereinigten Königreich aufgrund praktischer Schwierigkeiten nicht möglich gewesen sei, dem Vertragsverletzungsurteil vor Ablauf der in diesem Schreiben festgelegten Frist vollständig nachzukommen, festzustellen, dass erstens, obwohl Art. 260 Abs. 1 AEUV die Frist, innerhalb deren die Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils erfolgen muss, nicht präzisiert, das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Unionsrechts nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen sein muss (Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 123 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Zweitens kann entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs aus der Rechtsprechung nicht abgeleitet werden, dass sich der betroffene Mitgliedstaat auf praktische Schwierigkeiten stützen kann, um die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Mitgliedstaat nämlich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 18 und 20 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann diese Rechtsprechung nicht so verstanden werden, dass sie sich nur auf rechtliche und politische Schwierigkeiten bezieht, und folglich praktische Schwierigkeiten die Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs, mit dem gemäß Art. 258 AEUV eine Vertragsverletzung festgestellt wurde, rechtfertigen könnten.

51

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden Fall die Nichtdurchführung des Vertragsverletzungsurteils weder durch interne oder praktische Schwierigkeiten noch durch die besonderen Umstände gerechtfertigt werden, die das Vereinigte Königreich im Vorverfahren und im gegenständlichen Verfahren heranzieht und die insbesondere mit dem Gesetzgebungsverfahren, den Parlamentswahlen, den öffentlichen Konsultationen, den geografischen Gegebenheiten, der unterschiedlichen Größe der Häfen, den Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von gekennzeichnetem und nicht gekennzeichnetem Kraftstoff, wirtschaftlichen Bedenken und Sicherheitsbedenken und der Covid‑19-Pandemie zusammenhängen.

52

Außerdem ist das Argument des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen, dass die Kommission zum einen sein Vorbringen zu den praktischen Schwierigkeiten verfälscht habe, mit denen es im Rahmen der Durchführung des in Rede stehenden Urteils konfrontiert gewesen sei, und zum anderen nicht angemessen auf diese Schwierigkeiten eingegangen sei.

53

Was als Drittes das Vorbringen des Vereinigten Königreichs betrifft, wonach die viermonatige Frist, die die Kommission in ihrem Aufforderungsschreiben für die Abgabe einer Stellungnahme zur Durchführung des Vertragsverletzungsurteils festgelegt habe, unzumutbar und nicht ausreichend gewesen sei, ist festzustellen, dass sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass die Ziele des Vorverfahrens, nämlich dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen, der Kommission gebieten, den Mitgliedstaaten eine angemessene Frist einzuräumen, um auf das Aufforderungsschreiben zu antworten und dem in Rede stehenden, nach Art. 258 AEUV ergangenen Vertragsverletzungsurteil nachzukommen oder gegebenenfalls ihre Verteidigung vorzubereiten, wobei die Angemessenheit der festgesetzten Frist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien [Bekämpfung der Geldwäsche], C‑549/18, EU:C:2020:563, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frist von vier Monaten, die die Kommission in ihrem Aufforderungsschreiben festgelegt hat, weder unangemessen noch unzulänglich war, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass zwischen der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und dem Ablauf dieser Frist insgesamt fast 23 Monate lagen.

55

Soweit das Vereinigte Königreich geltend macht, dass die gegenständliche Klage verfrüht gewesen sei, genügt als Viertes der Hinweis, dass die Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EUV gemäß der Rechtsprechung über das Ermessen verfügt, zu beurteilen, ob ein Einschreiten gegen einen Mitgliedstaat zweckmäßig ist und den Zeitpunkt für die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen diesen Mitgliedstaat zu bestimmen, wobei die für diese Wahl maßgebenden Erwägungen keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Klage haben können und nicht der gerichtlichen Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien [MiFID II], C‑628/18, EU:C:2021:1, Rn. 47 und 48, sowie vom 8. März 2022, Kommission/Vereinigtes Königreich [Bekämpfung von Betrug durch Unterbewertung], C‑213/19, EU:C:2022:167, Rn. 203 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

In Anbetracht dieses Ermessens ist auch das Argument des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, dass sie anderen Mitgliedstaaten erheblich längere Fristen gewährt habe als jene, die ihm für die Durchführung des Vertragsverletzungsurteils gesetzt worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien [MiFID II], C‑628/18, EU:C:2021:1, Rn. 53).

57

Als Fünftes ist das Argument des Vereinigten Königreichs, wonach die vorliegende Klage auf eine Fehlinterpretation der Kommission zurückgehe, die das Schreiben vom 11. September 2020 verfälscht habe, selbst unter der Annahme, dass dieses Schreiben entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht impliziert, dass das Verbot der Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff für die private nicht gewerbliche Schifffahrt erst ab April 2022 gelten würde, für die Beurteilung der Begründetheit dieser Klage nicht von Bedeutung und vermag die Feststellung in Rn. 46 des vorliegenden Urteils, wonach das Vereinigte Königreich am 15. September 2020 nicht alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung des Vertragsverletzungsurteils ergriffen hatte, nicht in Frage zu stellen.

58

Als Sechstes und Letztes konnte die Kommission entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs im Rahmen der Klage, die sie in der Rechtssache erhoben hat, in der das Vertragsverletzungsurteil ergangen ist, nicht beantragen, dass der Gerichtshof nach Art. 260 Abs. 3 AEUV finanzielle Sanktionen gegen diesen Staat verhängt. Die genannte Klage basierte nämlich nicht auf einer Verletzung der Verpflichtung dieses Staats zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 95/60, sondern auf einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie. Es ist nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des in Anwendung von Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat eine Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

59

Nach alledem ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass es bei Ablauf der im Aufforderungsschreiben der Kommission gesetzten Frist, dem 15. September 2020, nicht alle zur Durchführung des Vertragsverletzungsurteils erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte.

Zum Pauschalbetrag

Vorbringen der Parteien

60

Wenn ein Mitgliedstaat längere Zeit einem Urteil des Gerichtshofs nicht nachkommt, ist dies nach Auffassung der Kommission an sich bereits ein schwerer Verstoß gegen das Legalitätsprinzip und die Rechtssicherheit, weshalb sie unter Bezugnahme auf die Rn. 10 ff. ihrer Mitteilung SEK(2005) 1658 vom 12. Dezember 2005 („Anwendung von Artikel [260 AEUV]“) (ABl. 2007, C 126, S. 15, im Folgenden: Mitteilung von 2005) die Verhängung eines Pauschalbetrags gegen das Vereinigte Königreichs beantragt.

61

Die Kommission stützt sich auf die Mitteilung von 2005 sowie auf ihre Mitteilung „Aktualisierung der Daten für die Berechnung der Pauschalbeträge und Zwangsgelder, die die Kommission dem Gerichtshof der Europäischen Union bei Vertragsverletzungsverfahren vorschlägt“ (ABl. 2020, C 301, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2020) und beantragt, dass der Pauschalbetrag berechnet wird, indem der Tagessatz von 35873,20 Euro mit der Anzahl der Tage multipliziert wird, die zwischen dem Tag der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und dem Tag verstrichen sind, an dem das Vereinigte Königreich diesem Urteil nachgekommen ist. Dieser Betrag ergibt sich aus einer Multiplikation eines einheitlichen Grundbetrags mit einem Schwerekoeffizienten und einem Faktor „n“. Die Kommission legt dar, dass der so ermittelte Pauschalbetrag nicht unter 8901000 Euro betragen dürfe.

62

Als Erstes führt sie aus, dass sich aus der Mitteilung von 2020 ergebe, dass zum einen der einheitliche Grundbetrag auf 1052 Euro festgesetzt sei und zum anderen der Faktor „n“, der der Gewährleistung der abschreckenden Wirkung der Sanktion diene, für das Vereinigte Königreich 3,41 betrage.

63

Zur Schwere der Zuwiderhandlung tut die Kommission als Zweites dar, dass das Ziel der Richtlinie 95/60 darin bestehe, die Richtlinie 2003/96 zu ergänzen sowie die Vollendung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu fördern, indem sie eine einfache und schnelle Identifizierung von Gasöl ermögliche, das nicht der Besteuerung zum Normalsatz unterliege. Dadurch, dass es nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um die missbräuchliche Verwendung gekennzeichneter Kraftstoffe zu vermeiden, habe es das Vereinigte Königreich den Behörden der anderen Mitgliedstaaten, insbesondere solchen mit benachbarten Gewässern, erschwert oder sogar unmöglich gemacht, zu ermitteln, ob ein privates nicht gewerbliches Wasserfahrzeug, das sich in Häfen des Vereinigten Königreichs mit gekennzeichnetem Kraftstoff versorge und anschließend in den Gewässern dieser anderen Mitgliedstaaten unterwegs sei, Kraftstoff mitführe, der im Vereinigten Königreich rechtmäßig zum Normalsatz versteuert worden sei. Außerdem ergebe sich aus einem Dokument der Regierung des Vereinigten Königreichs vom 15. Juli 2019 („Implementation of the Court of Justice of the European Union [CJEU] judgment on diesel fuel used in private pleasure craft“ [Durchführung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Verwendung von Gasöl in der privaten nicht gewerblichen Schifffahrt]), mit dem im Vereinigten Königreich eine öffentliche Konsultation lanciert worden sei, dass das Nichtergreifen der erforderlichen Maßnahmen eine erhebliche Anzahl von privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen betroffen habe. Aus diesem Grund sei ein Schwerekoeffizient von 10 auf einer Skala bis 20 anzuwenden.

64

Das Vereinigte Königreich erwidert, dass ihm sogar für den Fall, dass der Gerichtshof die Nichtdurchführung des Vertragsverletzungsurteils feststelle, keine finanzielle Sanktion auferlegt werden dürfe. Hilfsweise müsse eine solche Sanktion auf einen Pauschalbetrag von maximal 250000 Euro beschränkt werden.

65

Hinsichtlich des Schweregrads des Verstoßes und der Zahlungsfähigkeit des Mitgliedstaats sei nach ständiger Rechtsprechung zum einen zu berücksichtigen, welche Folgen die Nichtdurchführung des in Rede stehenden Vertragsverletzungsurteils für die privaten und öffentlichen Interessen habe, und zum anderen, wie dringend es sei, den betreffenden Mitgliedstaat zu veranlassen, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, EU:C:2005:444, Rn. 104, vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich, C‑177/04, EU:C:2006:173, Rn. 62, und vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal, C‑70/06, EU:C:2008:3, Rn. 39).

66

Was als Erstes die Schwere der Nichtdurchführung betreffe, könne es sich nur um einen begrenzten Verstoß von sehr geringer Schwere handeln, so dass ein ähnlicher Ansatz zu wählen sei wie im Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 2008, Kommission/Portugal (C‑70/06, EU:C:2008:3), und ein Schwerekoeffizient anzuwenden sei, der einen Wert von 3 nicht übersteige.

67

Das Vereinigte Königreich macht erstens geltend, dass die Klage der Kommission keine Analyse der Bedeutung der unionsrechtlichen Bestimmung umfasse, die im vorliegenden Fall verletzt worden sei.

68

Zweitens müsse die Kommission nicht nur darlegen, dass ein Vertragsverletzungsurteil nicht durchgeführt worden sei, sondern auch die Folgen dieser Nichtdurchführung für den Binnenmarkt und für die privaten und öffentlichen Interessen aufzeigen. Dem Vereinigten Königreich zufolge haben die Verstöße gegen die Richtlinie 95/60 nur sehr beschränkte Auswirkungen auf diese Interessen, da es ein umfassendes System geschaffen habe, um zu prüfen, ob die Nutzer privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge den richtigen Steuerbetrag entrichtet hätten. Es gebe daher weder Steuerausfälle noch Schäden für den Binnenmarkt. Zudem seien die von der Kommission angeführten Schwierigkeiten bei der Prüfung durch andere Mitgliedstaaten, ob die Steuer im Vereinigten Königreich ordnungsgemäß entrichtet worden sei, zum einen durch nichts belegt und zum anderen könne das vom Vereinigten Königreich eingerichtete Prüfsystem von den Behörden dieser anderen Mitgliedstaaten verwendet werden.

69

Im Übrigen sei der Umfang der Nichterfüllung minimal, da im Vereinigten Königreich im Zeitraum von 2017 bis 2019 weniger als 0,2 % des gekennzeichneten Kraftstoffs für den Antrieb privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge verwendet worden sei.

70

Vor diesem Hintergrund sei außerdem zu berücksichtigen, dass seit dem Ablauf des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 die Verpflichtung des Vereinigten Königreichs, dem Vertragsverletzungsurteil nachzukommen, nur noch in Bezug auf Nordirland bestehe. Das Vereinigte Königreich macht hierzu geltend, dass die Anzahl der privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeuge in Nordirland auf etwa 1500 geschätzt werde und dass den Nutzern dieser Wasserfahrzeuge zwischen dem 1. Januar und dem 22. März 2021 lediglich 132 l an gekennzeichnetem Kraftstoff bereitgestellt worden seien.

71

Drittens ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dieser bei der Bestimmung der Schwere der Verletzung berücksichtige, wie schwer sich die Durchführung gestalte. Im Übrigen habe das Vereinigte Königreich durch die Durchführung einer öffentlichen Konsultation im Jahr 2019 und den Erlass der in Rede stehenden gesetzlichen Vorschriften seit der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils erhebliche Fortschritte gemacht. Außerdem habe es guten Willen bewiesen, da es die Kommission regelmäßig über die getroffenen Maßnahmen informiert habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass dies das erste Mal sei, dass gegen das Vereinigte Königreich eine Klage wegen Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs erhoben worden sei.

72

Was als Zweites die Dauer der Verletzung betreffe, so beginne die Nichtdurchführung erst zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Ansicht des Gerichtshofs die Durchführung des Vertragsverletzungsurteils praktisch möglich gewesen sei. Aus dem Urteil vom 28. November 2013, Kommission/Luxemburg (C‑576/11, EU:C:2013:773), ergebe sich nämlich, dass die praktischen Schwierigkeiten bei der Beurteilung dieser Dauer zu berücksichtigen seien.

73

Als Drittes führt das Vereinigte Königreich aus, dass ein Faktor „n“ von 3,41, wie in der Mitteilung von 2020 festgelegt, überzogen sei.

74

Erstens könne die Zahlungsfähigkeit nicht mehr auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des gesamten Vereinigten Königreichs gestützt werden, da die Verpflichtungen aus der Richtlinie 95/60 und Art. 260 AEUV seit Ablauf des Übergangszeitraums im Vereinigten Königreich nur noch in Bezug auf Nordirland gälten. Der Anteil der nordirischen Wirtschaft an der Wirtschaft des Vereinigten Königreichs habe im Jahr 2018 etwa 2,28 % betragen, so dass der Faktor „n“ proportional anzupassen sei. In dieser Hinsicht sei die vorliegende Rechtssache von jener zu unterscheiden, in der das Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien (C‑610/10, EU:C:2012:781), ergangen sei, in dem der Gerichtshof das Argument des Königreichs Spanien zurückgewiesen habe, wonach nur das BIP des Baskenlands berücksichtigt werden dürfe, da der Verstoß gegen das Unionsrecht nur diesen Teil des Königreichs Spanien betreffe. In jener Rechtssache hätten die Bestimmungen des Unionsrechts nämlich den gesamten Mitgliedstaat betroffen, während die Richtlinie 95/60 im vorliegenden Fall nicht mehr im gesamten Vereinigte Königreich gelte, sondern nur noch in Bezug auf Nordirland. Da die Kommission die Ansicht vertreten habe, dass der Faktor „n“ nach dem Ende des Übergangszeitraums neu zu berechnen sei, wäre es im Übrigen widersprüchlich, nach diesem Zeitraum weiterhin das Gesamt‑BIP des Vereinigten Königreichs heranzuziehen.

75

Zweitens sei zu berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich im Europäischen Parlament über keine Sitze mehr verfüge.

76

Drittens müsse der Gerichtshof den neuesten Informationen zum BIP Rechnung tragen. Hierzu hat der Vertreter des Vereinigten Königreichs im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläutert, dass im Jahr 2020 das BIP des Vereinigten Königreichs 2156073 Mio. britische Pfund (GBP) betragen habe (etwa 2423426 Mio. Euro).

77

In ihrer Erwiderung weist die Kommission darauf hin, dass der Gerichtshof eine höhere Sanktion gegen das Vereinigte Königreich verhängen könne als von ihr vorgeschlagen.

78

Als Erstes führt die Kommission zur Schwere der Vertragsverletzung aus, dass die Klarheit der Verpflichtung, die nicht erfüllt worden sei, für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes von großer Bedeutung sei. Die Frage bestehe nicht darin, ob das Vereinigte Königreich den Zweck der Richtlinie 2003/96 gewahrt habe, sondern darin, ob es die in der Richtlinie 95/60 vorgesehene klare und unabdingbare Verpflichtung erfüllt habe, das Recht privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge auf Nutzung von gekennzeichnetem Kraftstoff abzuschaffen. Im Übrigen sei es nicht Sache der Kommission, aufzuzeigen, dass die Folgen des Verstoßes tatsächlich eingetreten seien.

79

Außerdem zähle nur, dass die privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeuge mit gekennzeichnetem Kraftstoff Zugang zu den Gewässern mehrerer Mitgliedstaaten gehabt hätten und die Behörden der Mitgliedstaaten berechtigterweise annehmen konnten, dass dieser Kraftstoff nicht besteuert worden sei.

80

Im Übrigen habe das Vereinigte Königreich zweimal den Erlass einschlägiger untergesetzlicher Rechtsvorschriften verschoben. Der Erlass dieser Rechtsvorschriften sei auch erst nach Erhebung der vorliegenden Klage vorgezogen worden. Die Kommission habe außerdem berücksichtigt, dass es sich um das erste Mal handele, dass gegen das Vereinigte Königreich ein Verfahren wegen Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofs geführt werde.

81

In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission geltend gemacht, dass der Schwerekoeffizient nicht aufgrund des geringeren räumlichen Umfangs der Verletzung herabgesetzt werden könne, da der geringere Umfang auf das Austrittsabkommen zurückzuführen sei, nicht auf vom Vereinigten Königreich ergriffene Maßnahmen zur Durchführung des Vertragsverletzungsurteils.

82

Hinsichtlich der Dauer der Verletzung seien als Zweites weder die praktischen Schwierigkeiten noch der Umstand zu berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich redliche Anstrengungen unternommen habe.

83

Als Drittes macht die Kommission zum Faktor „n“ geltend, dass erstens das vorliegende Verfahren vor dem Ende des Übergangszeitraums eingeleitet worden sei und dass nach den Art. 127 und 131 des Austrittsabkommens das Vereinigte Königreich in seiner Gesamtheit für die Anwendung und die Einhaltung des Unionsrechts während dieses Zeitraums verantwortlich geblieben sei.

84

Zweitens diene die Anzahl der Sitze eines Mitgliedstaats im Europäischen Parlament bei der Bestimmung des Faktors „n“ als Variable, da sie einen nützlichen Hinweis auf die Größe dieses Mitgliedstaats darstelle, so dass der Umstand, dass das Vereinigte Königreich im Parlament über keine Sitze mehr verfüge, ohne Bedeutung sei; dies sei im Übrigen eine direkte Folge des vom Vereinigten Königreichs unterzeichneten Austrittsabkommens. Die Kommission macht jedenfalls geltend, dass das Vereinigte Königreich zum Zeitpunkt der Feststellung der Vertragsverletzung im Jahr 2018 im Parlament vertreten gewesen sei.

85

Was das Vorbringen des Vereinigten Königreichs betrifft, dass der Faktor „n“ aus wirtschaftlichen Gründen herabzusetzen sei, hat die Kommission drittens in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die vom Vereinigten Königreich übermittelten Zahlen zum Jahr 2020 als zuverlässig betrachtet werden könnten. Gemäß der Mitteilung „Anpassung der Berechnung der von der Kommission im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgeschlagenen Pauschalbeträge und Zwangsgelder nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs“ (ABl. 2021, C 129, S. 1, im Folgenden: Mitteilung von 2021) der Kommission müsste der Faktor „n“ für Zuwiderhandlungen dieses Staats zukünftig außerdem 3,70 und der Pauschalbetrag mindestens 8215000 Euro betragen.

86

In seiner Gegenerwiderung führt das Vereinigte Königreich aus, dass es der Richtlinie 95/60 am 1. Oktober 2021 nachgekommen sein werde. Die Kommission könne also keine finanziellen Sanktionen verhängen, da sich aus dem Urteil vom 7. September 2016, Kommission/Griechenland (C‑584/14, EU:C:2016:636, Rn. 70), ergebe, dass finanzielle Sanktionen auf die schnelle Umsetzung eines Vertragsverletzungsurteils des Gerichtshofs abzielten, wenn die Verletzung andauere.

87

Soweit es als Erstes um die Schwere der Verletzung geht, wendet sich das Vereinigte Königreich gegen das Vorbringen der Kommission, wonach sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/60 ergebe, dass die Verpflichtungen dieser Richtlinie als bedeutend anzusehen seien. Zum einen gehe nämlich aus dem Urteil vom 25. Juni 2013, Kommission/Tschechische Republik (C‑241/11, EU:C:2013:423, Rn. 54), hervor, dass der analytische Wert der Angaben in einem Erwägungsgrund für die Beurteilung der relativen Bedeutung einer Bestimmung im Verhältnis zu anderen Bestimmungen des Unionsrechts gering sei, und zum anderen enthielten zahlreiche Richtlinien ähnliche Formulierungen.

88

Außerdem sei das letztendliche Ziel der Richtlinie 95/60 zu berücksichtigen, das in der Schaffung eines harmonisierten Systems zur Erhebung von Gasölverbrauchsteuern bestehe. Die Kommission verwechsle auch die Frage der Einhaltung dieser Richtlinie mit jener der maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung der Schwere einer Nichteinhaltung.

89

Im Übrigen sei maßgeblich, dass der den Nutzern privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge im Vereinigten Königreich bereitgestellte gekennzeichnete Kraftstoff 0,2 % des in diesem Staat vertriebenen gekennzeichneten Kraftstoffs ausgemacht habe und dass der diesen Nutzern in Nordirland bereitgestellte Kraftstoff 0,02 % des Marktes des Vereinigten Königreichs in der Zeit von Juni bis August 2019 betragen habe.

90

Dass die Kommission ausschließlich auf unsubstantiierte Presseauszüge zu Geldbußen Bezug nehme, die in einem einzelnen Mitgliedstaat gegen Nutzer der privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeuge des Vereinigten Königreichs verhängt worden seien, und dass sie keinen Nachweis erbracht habe, dass seit Mai 2018 eine solche Geldbuße verhängt worden sei, zeige, welch geringfügige Auswirkung die Nichteinhaltung der Richtlinie 95/60 gehabt habe. Aus dem Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Portugal (C‑457/07, EU:C:2009:531, Rn. 98), gehe nämlich hervor, dass, wenn ein Mitgliedstaat – wie im vorliegenden Fall – umfassende Angaben gemacht habe, die die beschränkten oder fehlenden Auswirkungen einer Verletzung belegten, es Sache der Kommission sei, die Gründe darzutun, aus denen der Gerichtshof ihren Standpunkt bestätigen solle. Die Kommission könne sich nicht auf die ursprüngliche Verletzung stützen, um seinen guten Willen anzuzweifeln.

91

Als Zweites sei hinsichtlich des Faktors „n“ zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht im Vereinigten Königreich nur noch in Bezug auf Nordirland anwendbar sei, auf das – wie vom Vereinigten Königreich in der mündlichen Verhandlung bestätigt – im Jahr 2020 2,25 % des BIP des Vereinigten Königreichs entfallen seien. Der Gerichtshof müsse sich nämlich auf die Größe der Wirtschaft des Gebiets stützen, auf das das Unionsrecht zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils in dieser Rechtssache anwendbar sei.

92

In der mündlichen Verhandlung hat das Vereinigte Königreich außerdem geltend gemacht, dass es sich seit seinem Austritt aus der Union in einer anderen Situation befinde als die Mitgliedstaaten, so dass es anders zu behandeln sei, insbesondere im Hinblick auf den Faktor „n“, und dass der Pauschalbetrag herabzusetzen sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

93

Vorab ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich die Verletzung seiner Verpflichtung zur vollständigen Durchführung des Vertragsverletzungsurteils zwar am 1. Oktober 2021 beendet hat und die Verletzung im gegenständlichen Fall folglich nicht bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof andauert, die Kommission aber, wie es sich aus Rn. 27 oben ergibt, ihren Antrag, das Vereinigte Königreich zur Zahlung eines Pauschalbetrags zu verurteilen, aufrechterhalten hat.

94

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass eine Klage, mit der die Kommission die Verhängung eines Pauschalbetrags beantragt, nicht allein deshalb abgewiesen werden kann, weil sie eine Vertragsverletzung zum Gegenstand hat, die zwar zeitlich fortbestanden hat, aber zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof beendet war (Urteil vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien [MiFID II], C‑628/18, EU:C:2021:1, Rn. 70).

95

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichtshofs ist, in jeder Rechtssache und anhand der Umstände des Einzelfalls, mit dem er befasst ist, sowie nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugungs- und Abschreckungswirkung die angemessenen finanziellen Sanktionen zu bestimmen, um insbesondere die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

Die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags und die gegebenenfalls erfolgende Festsetzung seiner Höhe muss in jedem Einzelfall von der Gesamtheit der maßgebenden Aspekte abhängig gemacht werden, die sich sowohl auf die Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung als auch auf die Haltung beziehen, die der Mitgliedstaat eingenommen hat, der von dem auf der Grundlage von Art. 260 AEUV eingeleiteten Verfahren betroffen ist. Insoweit gewährt diese Bestimmung dem Gerichtshof ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob es einen Grund für die Verhängung einer derartigen Sanktion gibt, und gegebenenfalls bei der Bemessung ihrer Höhe. Außerdem ist es Sache des Gerichtshofs, in Ausübung seines Ermessens diesen Pauschalbetrag so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst ist und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß steht. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählen u. a. Aspekte wie die Schwere des festgestellten Verstoßes und der Zeitraum, in dem er seit der Verkündung des Urteils, mit dem er festgestellt wurde, fortbestanden hat sowie die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 113 und 114 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

97

Als Erstes ist zur Schwere der Verletzung auf die Bedeutung der verletzten Bestimmung für die Errichtung des Binnenmarkts hinzuweisen, die gemäß dem Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland (Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel) (C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 98), eine der wesentlichen Aufgaben der Union gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV darstellt.

98

Hierzu ergibt sich aus den Rn. 44 und 46 des Vertragsverletzungsurteils zum einen, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 1 in Verbindung mit dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/60 ein System der steuerlichen Kennzeichnung anwenden müssen wie in dieser Richtlinie vorgesehen, insbesondere für Gasöl, das nicht zum normalen Satz versteuert wird, und zum anderen, dass das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel, die Richtlinie 2003/96 zu ergänzen und die Vollendung und das Funktionieren des Binnenmarkts zu fördern, indem sie eine einfache und schnelle Identifizierung von Gasöl ermöglicht, das nicht der Besteuerung zum Normalsatz unterliegt, nicht erreicht werden könnte, wenn die Mitgliedstaaten die Nutzung der steuerlichen Kennzeichnung auch für Gasöl erlauben dürften, das dem Normalsteuersatz unterliegenden Nutzungszwecken dient.

99

Im Übrigen sind die in der Richtlinie 95/60 vorgesehenen Maßnahmen entsprechend deren ersten Erwägungsgrund nicht nur notwendig, sondern unerlässlich, wenn die Ziele des Binnenmarkts erreicht werden sollen.

100

Das Vereinigte Königreich macht zwar geltend, dass es ein umfassendes System eingerichtet habe, das es ermögliche, zu prüfen, ob die Nutzer privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge den richtigen Steuerbetrag entrichtet hätten, und dass dieses System anlässlich späterer Überprüfungen, die aber jedenfalls nicht das Hauptziel der Richtlinie 95/60 darstellen, auch von den Behörden der Mitgliedstaaten genutzt werden könne.

101

Hierzu genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof in den Rn. 52 und 53 des Vertragsverletzungsurteils ausgeführt hat, dass die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl, das wie in der Richtlinie 95/60 vorgesehen von der Steuer befreit ist oder einem reduzierten Steuersatz unterliegt, darauf abzielt, die Überprüfung der tatsächlichen Zahlung der entsprechenden Verbrauchsteuern, die in dem Mitgliedstaat anfallen, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet, durch die Steuerbehörden eines anderen Mitgliedstaats zu erleichtern, und dass unerheblich ist, dass andere Prüfmöglichkeiten bestehen, wie etwa die Vorlage einer Quittung über die Zahlung der Differenz zwischen den Verbrauchsteuern, wie vom Vereinigten Königreich vorgeschlagen.

102

Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass die Pflicht, nationale Maßnahmen zu erlassen, um die vollständige Umsetzung einer Richtlinie sicherzustellen, eine wesentliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts ist und dass der Verletzung dieser Pflicht daher eine gewisse Schwere beizumessen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Februar 2021, Kommission/Spanien [Richtlinie über personenbezogene Daten – Strafrechtlicher Bereich], C‑658/19, EU:C:2021:138, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103

Soweit das Vereinigte Königreich geltend macht, dass die Schwere der Verletzung minimal sei, da der gekennzeichnete Kraftstoff, der den Nutzern von privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen im Vereinigten Königreich bereitgestellt werde, 0,2 % des in diesem Staat vertriebenen gekennzeichneten Kraftstoffs ausgemacht habe, ist der Kommission darin beizupflichten, dass die in Rede stehende Vertragsverletzung geeignet war, eine erhebliche Anzahl von Nutzern privater nicht gewerblicher Wasserfahrzeuge zu benachteiligen und folglich die betroffenen privaten und öffentlichen Interessen zu beeinträchtigen. Sowohl britische Staatsbürger, die sich in die Gewässer der benachbarten Mitgliedstaaten des Vereinigten Königreichs begeben wollten, als auch Staatsbürger dieser Nachbarmitgliedstaaten, die sich in die Gewässer des Vereinigten Königreichs begeben wollten und vor der Rückkehr in die Gewässer der genannten Mitgliedstaaten gekennzeichneten Kraftstoff tanken mussten, riskierten nämlich Schwierigkeiten bei einer Kontrolle durch die Behörden dieser Mitgliedstaaten und insbesondere die Verhängung von Geldbußen durch diese Behörden.

104

Außerdem hat das Vereinigte Königreich in seinen schriftlichen Erklärungen selbst darauf hingewiesen, dass ein Verbot von gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb dieser Wasserfahrzeuge erhebliche praktische Auswirkungen hätte. Dieser Hinweis wäre sinnlos, wenn die Menge des zu diesem Zweck bereitgestellten gekennzeichneten Kraftstoffs vernachlässigbar gewesen wäre. Im Übrigen ergibt sich aus dem Dokument vom 15. Juli 2019 („Implementation of the Court of Justice of the European Union [CJEU] judgment on diesel fuel used in private pleasure craft“), mit dem im Vereinigten Königreich eine öffentliche Konsultation lanciert wurde, dass dieser Staat über eine erhebliche Anzahl an privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen verfügte und dass eine große Menge an gekennzeichnetem Kraftstoff für den Antrieb dieser Wasserfahrzeuge verwendet wurde.

105

In Bezug auf die vom Vereinigten Königreich angeführten etwaigen mildernden Umstände ist erstens dessen Vorbringen, wonach die Vertragsverletzung aufgrund der in Rede stehenden praktischen Schwierigkeiten von sehr geringer Schwere sei, im Hinblick auf die Rn. 49 bis 51 dieses Urteils zurückzuweisen. Der Gerichtshof hat nämlich mehrfach darauf hingewiesen, dass sich ein Mitgliedstaat bei der Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen kann, um die Nichteinhaltung der aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Dezember 2014, Kommission/Schweden, C‑243/13, EU:C:2014:2413, Rn. 53, vom 13. Juli 2017, Kommission/Spanien, C‑388/16, EU:C:2017:548, Rn. 41, und vom 25. Juli 2018, Kommission/Spanien, C‑205/17, EU:C:2018:606, Rn. 62).

106

Zweitens ist zu dem Umstand, dass das Vereinigte Königreich im Rahmen des Vorverfahrens der Kommission regelmäßig mitgeteilt hat, welche Maßnahmen es zu ergreifen gedenke, um dem Vertragsverletzungsurteil nachzukommen, darauf hinzuweisen, dass die Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit der Kommission, die für die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV besteht, impliziert, dass jeder Mitgliedstaat ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtern muss, die nach Art. 17 EUV darin besteht, als Hüterin der Verträge unter der Kontrolle des Gerichtshofs für die Anwendung des Unionsrechts Sorge zu tragen (Urteil vom 8. März 2022, Kommission/Vereinigtes Königreich [Bekämpfung von Betrug durch Unterbewertung], C‑213/19, EU:C:2022:167, Rn. 527).

107

Folglich kann nur eine Zusammenarbeit mit der Kommission, die sich durch Schritte auszeichnet, die die Intention belegen, das in Rede stehende, nach Art. 258 AEUV ergangene Vertragsverletzungsurteil schnellstmöglich umzusetzen, im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Verletzung als mildernder Umstand berücksichtigt werden.

108

Im gegenständlichen Fall hat das Vereinigte Königreich jedoch entgegen seinen Ankündigungen im Schreiben vom 19. Dezember 2018 an die Kommission im Lauf der Jahre 2019 und 2020 nicht die Gesetzesänderungen vorgenommen, die für die Durchführung des Vertragsverletzungsurteils erforderlich gewesen wären. Im Übrigen hat das Vereinigte Königreich eingeräumt, dass die Umsetzung dieses Urteils schneller hätte erfolgen können, indem es in seinem Schreiben vom 11. September 2020 ausgeführt hat, dass die Entscheidung, wann das Recht auf Verwendung von gekennzeichnetem Kraftstoff zum Antrieb von privaten nicht gewerblichen Wasserfahrzeugen abgeschafft werde, erst nach einer öffentlichen Konsultation zur Abschaffung dieses Rechts für andere Sektoren als den Antrieb dieser Wasserfahrzeuge erfolgen werde.

109

Vor diesem Hintergrund kann die Zusammenarbeit des Vereinigten Königreichs mit der Kommission während des Vorverfahrens nicht als mildernder Umstand berücksichtigt werden.

110

Drittens ist als mildernder Umstand aber zu berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich sowohl vor Erhebung der gegenständlichen Klage als auch im Verlauf des Verfahrens einige Maßnahmen ergriffen hat, um das Vertragsverletzungsurteil durchzuführen, sowie insbesondere, dass es die ihm zur Last gelegte Vertragsverletzung mit Inkrafttreten der Bestimmungen des Haushaltsgesetzes von 2020 am 1. Oktober 2021 abgestellt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland, C‑407/09, EU:C:2011:196, Rn. 41).

111

Viertens ist zwar auch die Größe des betroffenen Mitgliedstaats für sich allein für die Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung nicht maßgeblich, jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 95/60 seit dem 1. Januar 2021 im Vereinigten Königreich nur noch in Bezug auf Nordirland anwendbar ist, so dass die Folgen dieser Vertragsverletzung seit diesem Zeitpunkt geringer sind.

112

Fünftens ist als mildernder Umstand schließlich zu berücksichtigen, dass das Vereinigte Königreich zuvor noch nie versäumt hat, ein nach Art. 258 AEUV ergangenes Urteil des Gerichtshofs durchzuführen (vgl. Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Schweden, C‑270/11, EU:C:2013:339, Rn. 55).

113

Was als Zweites die Dauer der Vertragsverletzung betrifft, genügt es, darauf hinzuweisen, dass diese unter Berücksichtigung der Zeit zu bemessen ist, die zwischen dem Tag der Verkündung des in Rede stehenden, nach Art. 258 AEUV ergangenen Vertragsverletzungsurteils und dem Zeitpunkt vergangen ist, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt prüft, oder dem Zeitpunkt, zu dem der betroffene Mitgliedstaat dem Urteil nachkommt, wenn dies früher der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 2011, Kommission/Griechenland, C‑407/09, EU:C:2011:196, Rn. 35, und vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windfarm Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 122).

114

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass zwischen der Verkündung des Vertragsverletzungsurteils und seiner Durchführung durch das Vereinigte Königreich 1079 Tage, also fast drei Jahre, vergangen sind.

115

Als Drittes ergibt sich zur Zahlungsfähigkeit aus der Rechtsprechung, dass für die Festsetzung hinreichend abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit auf das BIP des betroffenen Mitgliedstaats als vorrangigen Faktor abzustellen ist, um zukünftigen ähnlichen Verstößen gegen das Unionsrecht wirksam vorzubeugen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 116 und 130).

116

Hierzu macht das Vereinigte Königreich erstens geltend, dass für den gesamten Zeitraum der Vertragsverletzung ausschließlich auf das BIP von Nordirland abzustellen sei, während die Kommission die Ansicht vertritt, dass das BIP des gesamten Vereinigten Königreichs für diesen Zeitraum zu berücksichtigen sei.

117

Im vorliegenden Fall gilt das Unionsrecht nach Art. 127 Abs. 1 des Austrittsabkommens zwar während des Übergangszeitraums, also bis zum 31. Dezember 2020, für das gesamte Vereinigte Königreich, die in Rede stehende Vertragsverletzung besteht seit dem 1. Januar 2021 aber nur noch in Bezug auf Nordirland.

118

Art. 12 Abs. 1 des Protokolls zu Irland/Nordirland ist jedoch zu entnehmen, dass die Behörden des Vereinigten Königreichs und nicht jene von Nordirland für die Durchführung und Anwendung der aufgrund dieses Protokolls anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts auf das Vereinigte Königreich und im Vereinigten Königreich in Bezug auf Nordirland zuständig sind. Vor diesem Hintergrund ist entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs der Umstand, dass dieses seit dem 1. Februar 2020 kein Mitgliedstaat mehr ist, ohne Bedeutung für die Beurteilung seiner Zahlungsfähigkeit, so dass es in dieser Hinsicht nicht anders zu behandeln ist als andere Mitgliedstaaten.

119

Im Übrigen wird, wie in Rn. 115 des vorliegenden Urteils dargelegt, die Zahlungsfähigkeit für die Festsetzung hinreichend abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen berücksichtigt, um zukünftigen ähnlichen Verstößen gegen das Unionsrecht wirksam vorzubeugen. Eine Sanktion gegen das Vereinigte Königreich, bei deren Berechnung in Bezug auf die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit hinsichtlich der Fortdauer der Vertragsverletzung nach Ende des Übergangszeitraums nur auf das BIP von Nordirland abgestellt wird, wäre nicht hinreichend abschreckend und würde folglich die Erreichung dieses Ziels nicht ermöglichen.

120

Da – wie es sich aus Rn. 111 des vorliegenden Urteils ergibt – der Umstand, dass das Unionsrecht im Vereinigten Königreich seit dem Ende des Übergangszeitraums nur noch in Bezug auf Nordirland anwendbar ist, einen mildernden Umstand darstellt, der bei der Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung eine Rolle spielt, ist es im Übrigen nicht gerechtfertigt, diesem Umstand bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit des Vereinigten Königreichs erneut Rechnung zu tragen.

121

Nach alledem ist das BIP des gesamten Vereinigten Königreichs für den gesamten Zeitraum der Vertragsverletzung zu berücksichtigen, um dessen Zahlungsfähigkeit zu bestimmen.

122

Diese Schlussfolgerung wird durch das Vorbringen des Vereinigten Königreichs nicht in Frage gestellt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zwar die jüngste Entwicklung des BIP zu berücksichtigen (Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windpark Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung), doch kann aus dieser Rechtsprechung entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs nicht abgeleitet werden, dass der Gerichtshof ausschließlich das BIP des Gebiets berücksichtigen darf, in dem das Unionsrecht zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof gilt.

123

Soweit zum einen die Kommission geltend macht, dass gemäß der Mitteilung von 2021 der Faktor „n“ für Verstöße des Vereinigten Königreichs 3,70 und der Mindestpauschalbetrag 8215000 Euro betragen müssten, und zum anderen das Vereinigte Königreich ausführt, dass sich das Vorbringen der Kommission zu seiner Zahlungsfähigkeit und die Mitteilung von 2021 widersprächen, genügt im Übrigen der Hinweis, dass Leitlinien wie die in den Mitteilungen der Kommission enthaltenen den Gerichtshof nicht binden, jedoch dazu beitragen, die Transparenz, die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten, wenn dieses Organ dem Gerichtshof Vorschläge unterbreitet (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

124

Zweitens hat der Gerichtshof hinsichtlich des Arguments des Vereinigten Königreichs, dass der von der Kommission vorgeschlagene Faktor „n“ auf der Anzahl der Sitze eines Mitgliedstaats im Europäischen Parlament beruhe, das Vereinigte Königreich dort aber über keine Sitze mehr verfüge, bereits entschieden, dass die Berücksichtigung des institutionellen Gewichts des betreffenden Mitgliedstaats nicht unerlässlich erscheint, um eine hinreichende Abschreckung zu gewährleisten und diesen Mitgliedstaat zu einer Änderung seines gegenwärtigen oder zukünftigen Verhaltens zu veranlassen (Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Griechenland [Rückforderung von staatlichen Beihilfen – Ferronickel], C‑51/20, EU:C:2022:36, Rn. 115).

125

Drittens ergibt sich – wie in Rn. 122 des vorliegenden Urteils ausgeführt – aus der Rechtsprechung, dass die jüngste Entwicklung des BIP dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof darstellt (Urteil vom 12. November 2019, Kommission/Irland [Windpark Derrybrien], C‑261/18, EU:C:2019:955, Rn. 124 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126

Nach alledem ist bei angemessener Würdigung der Umstände des vorliegenden Falls der Pauschalbetrag, den das Vereinigte Königreich für den Zeitraum vom 17. Oktober 2018 bis zum 30. September 2021 zu zahlen hat, auf 32000000 Euro festzusetzen.

127

Folglich ist das Vereinigte Königreich zu verurteilen, einen Pauschalbetrag von 32000000 Euro an die Kommission zu zahlen.

Kosten

128

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Vereinigten Königreichs beantragt hat und die Vertragsverletzung festgestellt worden ist, sind dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 260 Abs. 1 AEUV verstoßen, dass es bei Ablauf der im Aufforderungsschreiben der Europäischen Kommission gesetzten Frist, dem 15. September 2020, nicht alle zur Durchführung des Urteils vom 17. Oktober 2018, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑503/17, EU:C:2018:831), erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte.

 

2.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland wird verurteilt, an die Europäische Kommission einen Pauschalbetrag von 32000000 Euro zu zahlen.

 

3.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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