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Document 62020CJ0416

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 17. Dezember 2020.
    TR.
    Vorabentscheidungsersuchen des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Art. 4a Abs. 1 – Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten – Vollstreckungsvoraussetzungen – Gründe, aus denen die Vollstreckung abgelehnt werden kann – Ausnahmen – Pflicht zur Vollstreckung – In Abwesenheit verhängte Strafe – Flucht der verfolgten Person – Richtlinie (EU) 2016/343 – Art. 8 und 9 – Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung – Erfordernisse im Fall der Verurteilung in Abwesenheit – Prüfung bei der Übergabe der verurteilten Person.
    Rechtssache C-416/20 PPU.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:1042

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    17. Dezember 2020 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Rahmenbeschluss 2002/584/JI – Europäischer Haftbefehl – Art. 4a Abs. 1 – Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten – Vollstreckungsvoraussetzungen – Gründe, aus denen die Vollstreckung abgelehnt werden kann – Ausnahmen – Pflicht zur Vollstreckung – In Abwesenheit verhängte Strafe – Flucht der verfolgten Person – Richtlinie (EU) 2016/343 – Art. 8 und 9 – Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung – Erfordernisse im Fall der Verurteilung in Abwesenheit – Prüfung bei der Übergabe der verurteilten Person“

    In der Rechtssache C‑416/20 PPU

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 4. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 7. September 2020, in dem Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gegen

    TR,

    Beteiligte:

    Generalstaatsanwaltschaft Hamburg,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin K. Jürimäe,

    Generalanwalt: E. Tanchev,

    Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2020,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg, vertreten durch J. Fröhlich als Bevollmächtigten,

    der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und F. Halabi als Bevollmächtigte,

    der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, L.‑E. Batagoi und A. Wellman als Bevollmächtigte,

    der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und J. Sawicka als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Ladenburger, M. Wasmeier und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Dezember 2020

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafsachen (ABl. 2016, L 65, S. 1).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens zur Vollstreckung Europäischer Haftbefehle, die am 7. Oktober 2019 von der Judecătoria Deva (Gericht erster Instanz Deva, Rumänien) und am 4. Februar 2020 vom Tribunalul Hunedoara (Landgericht Hunedoara, Rumänien) ausgestellt wurden, in Deutschland zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen, zu denen TR von rumänischen Gerichten in seiner Abwesenheit verurteilt wurde.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Rahmenbeschluss 2002/584/JI

    3

    In den Erwägungsgründen 1, 5 bis 7, 10 und 12 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss 2002/584) heißt es:

    „(1)

    Nach den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15. und 16. Oktober 1999, insbesondere in Nummer 35 dieser Schlussfolgerungen, sollten im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander die förmlichen Verfahren zur Auslieferung von Personen, die sich nach einer rechtskräftigen Verurteilung der Justiz zu entziehen suchen, abgeschafft und die Verfahren zur Auslieferung von Personen, die der Begehung einer Straftat verdächtig sind, beschleunigt werden.

    (5)

    Aus dem der [Europäischen] Union gesetzten Ziel, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, ergibt sich die Abschaffung der Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten und deren Ersetzung durch ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden. Die Einführung eines neuen, vereinfachten Systems der Übergabe von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder wegen einer Straftat verurteilt worden sind, für die Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung strafrechtlicher Urteile ermöglicht zudem die Beseitigung der Komplexität und der Verzögerungsrisiken, die den derzeitigen Auslieferungsverfahren innewohnen. Die bislang von klassischer Kooperation geprägten Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten sind durch ein System des freien Verkehrs strafrechtlicher justizieller Entscheidungen – und zwar sowohl in der Phase vor der Urteilsverkündung als auch in der Phase danach – innerhalb des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu ersetzen.

    (6)

    Der Europäische Haftbefehl im Sinne des vorliegenden Rahmenbeschlusses stellt im strafrechtlichen Bereich die erste konkrete Verwirklichung des vom Europäischen Rat als ,Eckstein‘ der justiziellen Zusammenarbeit qualifizierten Prinzips der gegenseitigen Anerkennung dar.

    (7)

    Da das Ziel der Ersetzung des auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 beruhenden multilateralen Auslieferungssystems von den Mitgliedstaaten durch einseitiges Vorgehen nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen besser auf Unionsebene zu erreichen ist, kann der Rat gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 5 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Maßnahmen erlassen. Entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nach dem letztgenannten Artikel geht der vorliegende Rahmenbeschluss nicht über das für die Erreichung des genannten Ziels erforderliche Maß hinaus.

    (10)

    Grundlage für den Mechanismus des Europäischen Haftbefehls ist ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Anwendung dieses Mechanismus darf nur ausgesetzt werden, wenn eine schwere und anhaltende Verletzung der in Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union enthaltenen Grundsätze durch einen Mitgliedstaat vorliegt und diese vom Rat gemäß Artikel 7 Absatz 1 des genannten Vertrags mit den Folgen von Artikel 7 Absatz 2 festgestellt wird.

    (12)

    Der vorliegende Rahmenbeschluss achtet die Grundrechte und wahrt die in Artikel 6 [EU] anerkannten Grundsätze, die auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere in deren Kapitel VI, zum Ausdruck kommen. …“

    4

    Art. 1 („Definition des Europäischen Haftbefehls und Verpflichtung zu seiner Vollstreckung“) des Rahmenbeschlusses bestimmt:

    „(1)   Bei dem Europäischen Haftbefehl handelt es sich um eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bezweckt.

    (2)   Die Mitgliedstaaten vollstrecken jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses.

    (3)   Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 [EU] niedergelegt sind, zu achten.“

    5

    Art. 4a („Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die Person nicht persönlich erschienen ist“) des Rahmenbeschlusses sieht vor:

    „(1)   Die vollstreckende Justizbehörde kann die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten Europäischen Haftbefehls auch verweigern, wenn die Person nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Entscheidung geführt hat, es sei denn, aus dem Europäischen Haftbefehl geht hervor, dass die Person im Einklang mit den weiteren verfahrensrechtlichen Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts des Ausstellungsmitgliedstaats

    a)

    rechtzeitig

    i)

    entweder persönlich vorgeladen wurde und dabei von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung in Kenntnis gesetzt wurde, die zu der Entscheidung geführt hat, oder auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort dieser Verhandlung in Kenntnis gesetzt wurde, und zwar auf eine Weise, dass zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass sie von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte,

    und

    ii)

    davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass eine Entscheidung auch dann ergehen kann, wenn sie zu der Verhandlung nicht erscheint,

    oder

    b)

    in Kenntnis der anberaumten Verhandlung ein Mandat an einen Rechtsbeistand, der entweder von der betroffenen Person oder vom Staat bestellt wurde, erteilt hat, sie bei der Verhandlung zu verteidigen, und bei der Verhandlung von diesem Rechtsbeistand tatsächlich verteidigt worden ist;

    oder

    c)

    nachdem ihr die Entscheidung zugestellt und sie ausdrücklich von ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren in Kenntnis gesetzt worden ist, an dem die Person teilnehmen kann und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft werden und die ursprünglich ergangene Entscheidung aufgehoben werden kann:

    i)

    ausdrücklich erklärt hat, dass sie die Entscheidung nicht anficht;

    oder

    ii)

    innerhalb der geltenden Frist keine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. kein Berufungsverfahren beantragt hat;

    oder

    d)

    die Entscheidung nicht persönlich zugestellt erhalten hat, aber

    i)

    sie unverzüglich nach der Übergabe persönlich zugestellt erhalten wird und ausdrücklich von ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf ein Berufungsverfahren in Kenntnis gesetzt werden wird, an dem die Person teilnehmen kann und bei dem der Sachverhalt, einschließlich neuer Beweismittel, erneut geprüft werden und die ursprünglich ergangene Entscheidung aufgehoben werden kann;

    und

    ii)

    von der Frist in Kenntnis gesetzt werden wird, über die sie gemäß dem einschlägigen Europäischen Haftbefehl verfügt, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens bzw. ein Berufungsverfahren zu beantragen.

    (2)   Wird der Europäische Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung nach Maßgabe des Absatzes 1 Buchstabe d ausgestellt und ist die betroffene Person zuvor nicht offiziell davon in Kenntnis gesetzt worden, dass gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet wurde, so kann die Person, wenn sie von dem Inhalt des Europäischen Haftbefehls in Kenntnis gesetzt wird, beantragen, dass sie vor ihrer Übergabe eine Abschrift des Urteils erhält. Die Ausstellungsbehörde leitet der gesuchten Person die Abschrift des Urteils unverzüglich über die Vollstreckungsbehörde zu, sobald sie Kenntnis von dem Antrag erhalten hat. Der Antrag der gesuchten Person darf weder das Übergabeverfahren noch die Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls verzögern. Das Urteil wird der betroffenen Person ausschließlich informationshalber zur Verfügung gestellt; die Zurverfügungstellung gilt weder als förmliche Zustellung des Urteils noch wirkt sie sich auf Fristen aus, die für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder für ein Berufungsverfahren gelten.

    (3)   Wird eine Person nach Maßgabe des Absatzes 1 Buchstabe d übergeben und hat diese Person eine Wiederaufnahme des Verfahrens oder ein Berufungsverfahren beantragt, so wird die Haft der auf das entsprechende Verfahren wartenden Person bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss im Einklang mit dem Recht des Ausstellungsmitgliedstaates entweder regelmäßig oder auf Antrag der betroffenen Person einer Überprüfung unterzogen. Eine solche Überprüfung umfasst insbesondere die Prüfung der Frage, ob die Haft aufgehoben oder ausgesetzt werden kann. Das Wiederaufnahmeverfahren oder Berufungsverfahren beginnt ohne unnötige Verzögerung nach der Übergabe.“

    Rahmenbeschluss 2009/299

    6

    Der erste Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist (ABl. 2009, L 81, S. 24), lautet:

    „Das Recht eines Angeklagten, persönlich zur Verhandlung zu erscheinen, ist Teil des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Gerichtshof hat aber auch darauf hingewiesen, dass das Recht des Angeklagten, persönlich zu der Verhandlung zu erscheinen, nicht absolut ist und dass der Angeklagte unter bestimmten Bedingungen aus freiem Willen ausdrücklich oder stillschweigend, aber eindeutig auf das besagte Recht verzichten kann.“

    Richtlinie 2016/343

    7

    Die Erwägungsgründe 33 und 35 der Richtlinie 2016/343 lauten:

    „(33)

    Das Recht auf ein faires Verfahren ist eines der Grundprinzipien einer demokratischen Gesellschaft. Das Recht von Verdächtigen und beschuldigten Personen, in der Verhandlung anwesend zu sein, beruht auf diesem Recht und sollte in der gesamten Union sichergestellt werden.

    (35)

    Das Recht von Verdächtigen und beschuldigten Personen auf Anwesenheit in der Verhandlung gilt nicht absolut. Unter bestimmten Voraussetzungen sollten Verdächtige und beschuldigte Personen ausdrücklich oder stillschweigend, aber unmissverständlich erklären können, auf dieses Recht zu verzichten.“

    8

    Art. 8 („Recht auf Anwesenheit in der Verhandlung“) der Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verdächtige und beschuldigte Personen das Recht haben, in der sie betreffenden Verhandlung anwesend zu sein.

    (2)   Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass eine Verhandlung, die zu einer Entscheidung über die Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person führen kann, in seiner bzw. ihrer Abwesenheit durchgeführt werden kann, sofern

    a)

    der Verdächtige oder die beschuldigte Person rechtzeitig über die Verhandlung und über die Folgen des Nichterscheinens unterrichtet wurde oder

    b)

    der Verdächtige oder die beschuldigte Person, nachdem er bzw. sie über die Verhandlung unterrichtet wurde, von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten wird, der entweder von dem Verdächtigen oder der beschuldigten Person oder vom Staat bestellt wurde.

    (3)   Eine Entscheidung, die im Einklang mit Absatz 2 getroffen wurde, kann gegen die betreffende Person vollstreckt werden.

    (4)   Wenn Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorsehen, Verhandlungen in Abwesenheit des Verdächtigen oder der beschuldigten Person zu führen, es jedoch nicht möglich ist, die in Absatz 2 dieses Artikels genannten Voraussetzungen zu erfüllen, weil der Verdächtige oder die beschuldigte Person trotz angemessener Bemühungen nicht aufgefunden werden kann, so können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass gleichwohl eine Entscheidung ergehen und vollstreckt werden kann. In einem solchen Fall stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen, wenn sie über die Entscheidung unterrichtet werden, insbesondere wenn sie festgenommen werden, auch über die Möglichkeit, die Entscheidung anzufechten, sowie über das Recht, gemäß Artikel 9 eine neue Verhandlung zu verlangen oder einen sonstigen Rechtsbehelf einzulegen, unterrichtet werden.

    (5)   Dieser Artikel gilt unbeschadet nationaler Vorschriften, die vorsehen, dass der Richter oder das zuständige Gericht einen Verdächtigen oder eine beschuldigte Person zeitweise von der Verhandlung ausschließen kann, wenn dies für die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs des Strafverfahrens erforderlich ist, vorausgesetzt, dass die Verteidigungsrechte gewahrt werden.

    (6)   Dieser Artikel gilt unbeschadet der nationalen Vorschriften, die vorsehen, dass das Verfahren oder bestimmte Verfahrensabschnitte schriftlich durchgeführt werden, vorausgesetzt, dass das Recht auf ein faires Verfahren gewahrt bleibt.“

    9

    Art. 9 („Recht auf eine neue Verhandlung“) der Richtlinie lautet:

    „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen, wenn sie bei der sie betreffenden Verhandlung nicht anwesend waren und die in Artikel 8 Absatz 2 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt wurden, das Recht auf eine neue Verhandlung oder auf Einlegung eines sonstigen Rechtsbehelfs haben, die bzw. der eine neue Prüfung des Sachverhalts, einschließlich neuer Beweismittel, ermöglicht und zur Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung führen kann. In diesem Zusammenhang stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese Verdächtigen und beschuldigten Personen das Recht haben, anwesend zu sein, im Einklang mit den Verfahren des nationalen Rechts effektiv mitzuwirken und ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen.“

    Deutsches Recht

    10

    § 83 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23. Dezember 1982 (BGBl. 1982 I S. 2071) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1994 (BGBl. 1994 I S. 1537) (im Folgenden: IRG) sieht vor:

    „(1)   Die Auslieferung ist nicht zulässig, wenn

    3.

    bei Ersuchen zum Zweck der Strafvollstreckung die verurteilte Person zu der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen ist …

    (2)   Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 jedoch zulässig, wenn

    1.

    die verurteilte Person

    a)

    rechtzeitig

    aa)

    persönlich zu der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, geladen wurde oder

    bb)

    auf andere Weise tatsächlich offiziell von dem vorgesehenen Termin und Ort der Verhandlung, die zu dem Urteil geführt hat, in Kenntnis gesetzt wurde, so dass zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass die verurteilte Person von der anberaumten Verhandlung Kenntnis hatte, und

    b)

    dabei darauf hingewiesen wurde, dass ein Urteil auch in ihrer Abwesenheit ergehen kann,

    2.   die verurteilte Person in Kenntnis des gegen sie gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat oder

    3.   die verurteilte Person in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen Verteidiger bevollmächtigt hat, sie in der Verhandlung zu verteidigen, und sie durch diesen in der Verhandlung tatsächlich verteidigt wurde.

    (4)   Die Auslieferung ist abweichend von Absatz 1 Nummer 3 ferner zulässig, wenn der verurteilten Person unverzüglich nach ihrer Übergabe an den ersuchenden Mitgliedstaat das Urteil persönlich zugestellt werden wird und die verurteilte Person über ihr in Absatz 3 Satz 2 genanntes Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder ein Berufungsverfahren sowie über die hierfür geltenden Fristen belehrt werden wird.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

    11

    Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, ist das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Deutschland) mit zwei Europäischen Haftbefehlen befasst, die von den rumänischen Behörden am 7. Oktober 2019 und am 4. Februar 2020 ausgestellt wurden und auf die Übergabe von TR, einem rumänischen Staatsangehörigen, zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen gerichtet sind, zu denen er von rumänischen Gerichten in Abwesenheit verurteilt wurde. TR befindet sich derzeit, seit dem 31. März 2020, in Hamburg in Auslieferungshaft.

    12

    Gegen TR sind folgende Urteile ergangen:

    Erstens wurde er von den rumänischen Gerichten in Abwesenheit rechtskräftig wegen dreier Bedrohungsdelikte und eines Brandstiftungsdelikts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie 1832 Tagen wegen Begehung der Straftaten der Erpressung und der Sachbeschädigung (im Wiederholungsfall) verurteilt; diese Strafe muss er – abzüglich der in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 14. April 2017 bereits verbüßten Strafhaft sowie weiteren 48 Tagen Strafhaft – noch verbüßen.

    Zweitens wurde er in Abwesenheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, im Zusammenhang damit begangener Betäubungsmitteldelikte sowie zweier Verkehrsdelikte und einer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, von der er noch zwei Jahre und vier Monate zuzüglich eines Strafrests von 1786 Tagen aus einer anderen Verurteilung zu verbüßen hat.

    13

    Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung entzog sich TR im Oktober 2018 durch Flucht der in Rumänien gegen ihn eingeleiteten Strafverfolgung, die zu den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils aufgeführten Verurteilungen führte, und begab sich nach Deutschland.

    14

    Im Anschluss an ein Auskunftsersuchen teilten die rumänischen Behörden der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilungen, die Gegenstand der Europäischen Haftbefehle vom 7. Oktober 2019 und vom 4. Februar 2020 sind, mit, dass der Verfolgte nicht unter seiner bekannten rumänischen Wohnanschrift persönlich habe geladen werden können. Deshalb sei im Einklang mit dem rumänischen Recht jeweils an der Wohnanschrift des Verfolgten eine amtliche Mitteilung hinterlassen worden, so dass die Ladungen nach rumänischem Recht nach Ablauf von zehn Tagen als zugestellt gegolten hätten.

    15

    Ferner teilten die rumänischen Behörden mit, der Verfolgte sei in den beiden Verfahren, die zu den genannten Verurteilungen geführt hätten, in der ersten Instanz durch von ihm beauftragte Wahlverteidiger und in der Berufung durch gerichtlich bestellte Pflichtverteidiger vertreten worden.

    16

    Aus dem Europäischen Haftbefehl der Judecătoria Deva (Gericht erster Instanz Deva, Rumänien) sowie den ergänzenden Informationen vom 20. Mai 2020 ergibt sich, dass TR, obwohl er Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren hatte, weder zu der erstinstanzlichen Verhandlung vor diesem Gericht noch zu der Berufungsverhandlung vor der Curtea de Apel Alba lulia (Berufungsgericht Alba lulia, Rumänien) erschien, aber in Kenntnis der anberaumten Verhandlung vor der Judecătoria Deva (Gericht erster Instanz Deva) eine von ihm ausgewählte Anwältin bevollmächtigt hatte, von der er in erster Instanz tatsächlich verteidigt wurde. In der Berufungsverhandlung wurde TR durch eine Pflichtverteidigerin vertreten.

    17

    Die rumänischen Behörden weigerten sich jedoch, dem Ersuchen der deutschen Behörden, Zusicherungen hinsichtlich der Wiedereröffnung der genannten Strafverfahren zu geben, Folge zu leisten. Da TR ordnungsgemäß geladen worden sei, könnten die strafrechtlichen Verurteilungen nach der rumänischen Strafprozessordnung nicht Gegenstand einer Überprüfung sein.

    18

    Mit Beschluss vom 28. Mai 2020 hat das vorlegende Gericht im Einklang mit der einschlägigen deutschen Regelung die Übergabe von TR an Rumänien in Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle vom 7. Oktober 2019 und vom 4. Februar 2020 für zulässig erklärt. Dazu hat es ausgeführt, die Übergabe einer Person zur Strafvollstreckung sei zwar grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sie zu der ihrer Verurteilung zugrunde liegenden Verhandlung nicht persönlich erschienen sei, doch TR habe sich seiner persönlichen Ladung in Rumänien durch Flucht nach Deutschland entzogen. Außerdem habe er Kenntnis von den ihn betreffenden Verfahren gehabt, in denen er anwaltlich vertreten worden sei.

    19

    TR hat Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben und sich nicht mit der vereinfachten Auslieferung nach § 41 IRG einverstanden erklärt.

    20

    Er tritt dem Beschluss vom 28. Mai 2020, mit dem seine Auslieferung angeordnet wurde, mit der Begründung entgegen, dass seine Übergabe an Rumänien unzulässig sei, weil es keine Zusicherung der rumänischen Behörden hinsichtlich seines Anspruchs auf Wiedereröffnung der genannten Strafverfahren gebe; dies sei nicht mit den Art. 8 und 9 der Richtlinie 2016/343 vereinbar.

    21

    Unter diesen Umständen hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Sind bei Entscheidungen über die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung einer in Abwesenheit verurteilten Person aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union an einen anderen Mitgliedstaat die Bestimmungen der Richtlinie 2016/343, insbesondere in deren Art. 8 und 9, in dem Sinne auszulegen, dass die Zulässigkeit der Auslieferung – insbesondere in einem sogenannten Fluchtfall – von der Erfüllung der in der Richtlinie genannten Voraussetzungen durch den ersuchenden Staat abhängt?

    Zum Eilverfahren

    22

    Das vorlegende Gericht hat beantragt, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem in Art. 107 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs vorgesehenen Eilverfahren zu unterwerfen.

    23

    Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Frage des vorlegenden Gerichts die Auslegung sowohl des Rahmenbeschlusses 2002/584 als auch der Richtlinie 2016/343 betrifft, die zu den von Titel V („Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“) des Dritten Teils des AEU-Vertrags erfassten Bereichen gehören. Das Ersuchen kommt daher für ein Eilvorabentscheidungsverfahren in Betracht.

    24

    Zweitens ist hinsichtlich des Kriteriums der Dringlichkeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen, dass dem im Ausgangsverfahren Betroffenen derzeit seine Freiheit entzogen ist und dass seine weitere Inhaftierung von der Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits abhängt (Urteil vom 28. November 2019, Spetsializirana prokuratura, C‑653/19 PPU, EU:C:2019:1024, Rn. 22).

    25

    Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten hervor, dass sich die Dringlichkeit im Sinne von Art. 107 Abs. 2 der Verfahrensordnung aus den unter Umständen schwerwiegenden Konsequenzen ergibt, die eine zu späte Entscheidung für die Person, auf die sich die vom vorlegenden Gericht zu vollstreckenden Europäischen Haftbefehle beziehen, haben könnte, insbesondere wegen des Freiheitsentzugs, dem sie unterworfen ist, weil sie sich seit dem 31. März 2020 in Hamburg in Auslieferungshaft befindet, und aufgrund dessen, dass es von der Antwort auf die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage abhängt, ob sie Rumänien zu übergeben oder freizulassen ist.

    26

    Unter diesen Umständen hat die Vierte Kammer des Gerichtshofs am 23. September 2020 auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts entschieden, dem Antrag des vorlegenden Gerichts, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen dem Eilvorabentscheidungsverfahren zu unterwerfen, stattzugeben.

    Zur Vorlagefrage

    27

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 2. April 2020, Ruska Federacija, C‑897/19 PPU, EU:C:2020:262, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    28

    Im vorliegenden Fall ist dem Vorabentscheidungsersuchen zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht darüber zu entscheiden hat, ob es auf der Grundlage der Bestimmungen von § 83 IRG, mit dem Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 in deutsches Recht umgesetzt wird, zulässig ist, TR den rumänischen Behörden zu übergeben.

    29

    Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind die für eine solche Übergabe erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, da TR sich zum einen in Kenntnis der Sachlage den Verfahren, die zu den vom vorlegenden Gericht zu vollstreckenden Europäischen Haftbefehlen geführt hätten, durch die Flucht nach Deutschland entzogen und damit seine persönliche Ladung verhindert habe und da er zum anderen im Rahmen dieser Verfahren in erster Instanz durch eine von ihm ausgewählte Anwältin und in der Berufungsinstanz durch eine gerichtlich bestellte Anwältin vertreten worden sei. TR hat geltend gemacht, die Übergabe sei angesichts der Anforderungen in den Art. 8 und 9 der Richtlinie 2016/343 unzulässig, da es keine Zusicherung hinsichtlich der Wiedereröffnung seiner Strafverfahren in Rumänien gebe.

    30

    Unter diesen Umständen ist die Frage des vorlegenden Gerichts so zu verstehen, dass sie darauf abzielt, ob Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen ist, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten Europäischen Haftbefehls in einem Fall, in dem die betroffene Person ihre persönliche Ladung verhindert hat und aufgrund ihrer Flucht in den Vollstreckungsmitgliedstaat nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, allein deshalb verweigern kann, weil sie keine Zusicherung erhalten hat, dass bei einer Übergabe dieser Person an den Ausstellungsmitgliedstaat ihr Recht auf eine neue Verhandlung im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2016/343 gewahrt wird.

    31

    Mit dem Rahmenbeschluss 2002/584 soll, wie sich insbesondere aus seinem Art. 1 Abs. 1 und 2 sowie seinen Erwägungsgründen 5 und 7 ergibt, das multilaterale, auf dem am 13. Dezember 1957 in Paris unterzeichneten Europäischen Auslieferungsübereinkommen beruhende Auslieferungssystem durch ein auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhendes System der Übergabe verurteilter oder verdächtiger Personen zwischen Justizbehörden zur Vollstreckung von Urteilen oder zur Strafverfolgung ersetzt werden (Urteile vom 29. Januar 2013, Radu, C‑396/11, EU:C:2013:39, Rn. 33, und vom 11. März 2020, SF [Europäischer Haftbefehl – Garantie der Rücküberstellung in den Vollstreckungsstaat], C‑314/18, EU:C:2020:191, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    32

    Der Rahmenbeschluss 2002/584 ist daher darauf gerichtet, durch die Einführung eines neuen vereinfachten und wirksameren Systems der Übergabe von Personen, die wegen einer Straftat verurteilt worden sind oder einer Straftat verdächtigt werden, die justizielle Zusammenarbeit zu erleichtern und zu beschleunigen, um zur Verwirklichung des der Union gesteckten Ziels beizutragen, zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu werden, und setzt ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus (Urteile vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 37, und vom 24. September 2020, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof [Grundsatz der Spezialität], C‑195/20 PPU, EU:C:2020:749, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    33

    Im Regelungsbereich des Rahmenbeschlusses 2002/584 kommt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der, wie sich namentlich aus dem sechsten Erwägungsgrund des Rahmenbeschlusses ergibt, den „Eckstein“ der justiziellen Zusammenarbeit im strafrechtlichen Bereich bildet, in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses zur Anwendung, der die Regel aufstellt, dass die Mitgliedstaaten jeden Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses vollstrecken müssen. Nach den Bestimmungen des Rahmenbeschlusses ist die Ablehnung der Vollstreckung eines solchen Haftbefehls durch die Mitgliedstaaten nämlich nur in den Fällen möglich, in denen sie nach seinem Art. 3 abzulehnen ist oder nach seinen Art. 4 und 4a abgelehnt werden kann. Außerdem kann die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nur an die in Art. 5 des Rahmenbeschlusses angeführten Bedingungen knüpfen (Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    34

    Folglich stellt die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls den Grundsatz dar, während die Ablehnung der Vollstreckung als eine eng auszulegende Ausnahme ausgestaltet ist (Urteil vom 25. Juli 2018, Minister for Justice and Equality [Mängel des Justizsystems], C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    35

    Speziell für den Fall, dass der Europäische Haftbefehl die Vollstreckung einer in Abwesenheit verhängten Strafe betrifft, wurde in Art. 5 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in seiner ursprünglichen Fassung die Regel aufgestellt, dass der Vollstreckungsmitgliedstaat die Übergabe des Betroffenen in diesem Fall an die Bedingung knüpfen konnte, dass im Ausstellungsmitgliedstaat eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Anwesenheit des Betroffenen gewährleistet ist (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 52).

    36

    Diese Bestimmung wurde durch den Rahmenbeschluss 2009/299 aufgehoben und im Rahmenbeschluss 2002/584 durch einen neuen Art. 4a ersetzt, der die Möglichkeit, die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls abzulehnen, einschränkt, indem er genau und einheitlich die Bedingungen aufzählt, unter denen die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen ist, zu der die betroffene Person nicht persönlich erschienen war, nicht verweigert werden dürfen (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    37

    Art. 4a bewirkt eine Harmonisierung der Voraussetzungen für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls bei einer Verurteilung in Abwesenheit, die den Konsens widerspiegelt, zu dem alle Mitgliedstaaten gemeinsam in Bezug auf die Tragweite gelangt sind, die nach dem Unionsrecht den Verfahrensrechten der in Abwesenheit verurteilten Personen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist, zuzumessen ist (Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 62).

    38

    Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 ergibt, kann die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten Europäischen Haftbefehls verweigern, wenn die betroffene Person nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Entscheidung geführt hat, es sei denn, aus dem Europäischen Haftbefehl geht hervor, dass die in Art. 4a Abs. 1 Buchst. a bis d genannten Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    39

    Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 zielt darauf ab, ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und es der vollstreckenden Justizbehörde zu ermöglichen, den Betroffenen trotz seiner Abwesenheit bei der Verhandlung, die zu seiner Verurteilung geführt hat, unter uneingeschränkter Achtung seiner Verteidigungsrechte zu übergeben (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 58).

    40

    Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, hat der Unionsgesetzgeber damit eine Lösung gewählt, die darin besteht, abschließend die Fälle vorzusehen, in denen die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, der zur Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung erlassen wurde, nicht als Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 44).

    41

    Folglich ist die vollstreckende Justizbehörde verpflichtet, einen Europäischen Haftbefehl ungeachtet der Abwesenheit des Betroffenen in der Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat, zu vollstrecken, wenn nachweislich einer der in Art. 4a Abs. 1 Buchst. a, b, c oder d des Rahmenbeschlusses 2002/584 genannten Fälle vorliegt (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 55).

    42

    Überdies hat der Gerichtshof festgestellt, dass durch Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 weder das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren noch die durch Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 der Charta der Grundrechte garantierten Verteidigungsrechte verletzt werden, so dass er mit den Erfordernissen, die sich aus ihr ergeben, vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 53 und 54).

    43

    Hinsichtlich der vom vorlegenden Gericht angesprochenen Richtlinie 2016/343 ist festzustellen, dass in ihrem Art. 8 Abs. 1 das Recht Verdächtiger und beschuldigter Personen verankert ist, in der sie betreffenden Verhandlung anwesend zu sein. Nach Art. 8 Abs. 2 können die Mitgliedstaaten jedoch vorsehen, dass eine Verhandlung, die zu einer Entscheidung über die Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person führen kann, in seiner bzw. ihrer Abwesenheit durchgeführt werden kann, sofern die in diesem Absatz aufgeführten Voraussetzungen eingehalten werden.

    44

    Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 9 der Richtlinie 2016/343 sicherstellen, dass Verdächtige oder beschuldigte Personen, wenn sie bei der sie betreffenden Verhandlung nicht anwesend waren und die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Voraussetzungen nicht erfüllt wurden, das Recht auf eine neue Verhandlung oder auf Einlegung eines sonstigen Rechtsbehelfs haben, die bzw. der eine neue Prüfung des Sachverhalts, einschließlich neuer Beweismittel, ermöglicht und zur Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung führen kann.

    45

    Der Rahmenbeschluss 2002/584 enthält aber mit Art. 4a eine spezielle Bestimmung, die gerade den Fall betrifft, in dem ein Europäischer Haftbefehl zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung gegen einen Betroffenen ausgestellt wird, der nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, die zu der Entscheidung geführt hat, mit der diese Strafe oder Maßregel verhängt wurde.

    46

    In diesem Kontext kann eine etwaige Unvereinbarkeit des nationalen Rechts des Ausstellungsmitgliedstaats mit den Bestimmungen der Richtlinie 2016/343 keinen Grund für die Verweigerung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls darstellen.

    47

    Die Berufung auf die Bestimmungen einer Richtlinie, um die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zu verhindern, würde es nämlich ermöglichen, das durch den Rahmenbeschluss 2002/584, in dem die Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung abschließend aufgezählt werden, geschaffene System zu umgehen. Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie 2016/343 keine für die Ausstellung und die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle geltenden Bestimmungen enthält, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 62 und 63 seiner Schlussanträge festgestellt hat.

    48

    Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Wendung „Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat“ im Sinne von Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584, wenn das Strafverfahren im ausstellenden Mitgliedstaat mehrere Rechtszüge umfasst und somit zu aufeinanderfolgenden justiziellen Entscheidungen führen kann, von denen mindestens eine in Abwesenheit ergangen ist, dahin auszulegen ist, dass sie nur die Instanz erfasst, an deren Ende die Entscheidung erlassen wurde, durch die der Betroffene nach einer erneuten Prüfung des Sachverhalts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht rechtskräftig für schuldig befunden und zu einer Strafe wie einer freiheitsentziehenden Maßregel verurteilt wurde (Urteil vom 10. August 2017, Tupikas, C‑270/17 PPU, EU:C:2017:628, Rn. 98).

    49

    Im vorliegenden Fall sind durch die in Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 aufgestellten Voraussetzungen Zweifel aufgeworfen worden, die mit den Antworten auf die vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellten Fragen nicht ausgeräumt werden konnten, und zwar durch die Voraussetzung, dass TR tatsächlich offiziell von seiner Verhandlung in Kenntnis gesetzt wurde, und die Voraussetzung, dass er den von den rumänischen Gerichten bestellten Pflichtverteidigern ein Mandat erteilt hatte. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurden die in Rn. 12 des vorliegenden Urteils erwähnten Europäischen Haftbefehle im Anschluss an zwei Berufungsurteile erlassen. TR sei zu den Berufungsverhandlungen nicht erschienen und durch eine Pflichtverteidigerin vertreten worden. Wie aus diesen Angaben hervorgeht, hatte TR hingegen bei mindestens einem der erstinstanzlichen Verfahren Kenntnis von der anberaumten Verhandlung, hatte einem von ihm selbst bestellten Rechtsbeistand ein Mandat erteilt, ihn bei der Verhandlung zu verteidigen, und wurde bei der Verhandlung tatsächlich von diesem Rechtsbeistand verteidigt.

    50

    Folglich muss das vorlegende Gericht, dem die Prüfung obliegt, ob in der Rechtssache, mit der es befasst ist, die Voraussetzungen für eine etwaige Anwendung von Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 erfüllt sind, zunächst klären, ob unter die Wendung „Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat“ im Sinne von Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof die erstinstanzlichen Verfahren von TR oder seine Berufungsverfahren fallen, und dann prüfen, ob die genannten Voraussetzungen hinsichtlich jedes dieser Verfahren erfüllt sind.

    51

    Sollte die vollstreckende Justizbehörde zu dem Ergebnis kommen, dass die in Art. 4a Abs. 1 Buchst. a oder b aufgestellten Voraussetzungen, die der Befugnis zur Verweigerung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls entgegenstehen, nicht erfüllt sind, kann sie jedenfalls, da nach Art. 4a die Verweigerung der Vollstreckung des Haftbefehls fakultativ ist, andere Umstände berücksichtigen, die es ihr erlauben, sich zu vergewissern, dass die Übergabe des Betroffenen keine Verletzung seiner Verteidigungsrechte impliziert, und ihn dem Ausstellungsmitgliedstaat zu übergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2016, Dworzecki, C‑108/16 PPU, EU:C:2016:346, Rn. 50).

    52

    Im Rahmen einer solchen Beurteilung kann die vollstreckende Justizbehörde somit das Verhalten des Betroffenen berücksichtigen. In diesem Stadium des Übergabeverfahrens könnte nämlich besonderes Augenmerk u. a. darauf gerichtet werden, dass der Betroffene versucht hat, sich der Zustellung der an ihn gerichteten Informationen zu entziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2016, Dworzecki, C‑108/16 PPU, EU:C:2016:346, Rn. 51), oder dass er versucht hat, jeden Kontakt mit den Pflichtverteidigern, die von den rumänischen Gerichten bestellt worden waren, zu vermeiden.

    53

    Desgleichen kann die vollstreckende Justizbehörde auch den im Vorabentscheidungsersuchen angesprochenen Umstand berücksichtigen, dass TR Berufung gegen die erstinstanzlichen Entscheidungen eingelegt haben soll, was bestätigen würde, dass er ein nach rumänischem Recht gültiges Anwaltsmandat erteilt hatte.

    54

    Für den Fall, dass unter die Wendung „Verhandlung, die zu der Entscheidung geführt hat“ im Sinne von Art. 4a Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584 die erstinstanzlichen Verfahren und nicht die Berufungsverfahren fallen, geht aus den in Rn. 49 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Angaben hervor, dass die in Art. 4a Abs. 1 Buchst. b des Rahmenbeschlusses aufgestellten Voraussetzungen offenbar, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, bei mindestens einer Entscheidung, die einem der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Europäischen Haftbefehle zugrunde liegt, erfüllt sind, so dass das vorlegende Gericht nicht befugt wäre, auf der Grundlage von Art. 4a des Rahmenbeschlusses die Vollstreckung dieses Haftbefehls zu verweigern.

    55

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Fehlen der Möglichkeit, sich auf die Richtlinie 2016/343 zu berufen, um die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls über die im Rahmenbeschluss 2002/584 vorgesehenen Ablehnungsgründe hinaus zu verhindern, die unbedingte Verpflichtung des Ausstellungsmitgliedstaats, in seiner Rechtsordnung sämtliche Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich der Richtlinie 2016/343, zu beachten, völlig unberührt lässt. Da die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie abgelaufen ist, kann sich der Betroffene, sofern er dem Ausstellungsmitgliedstaat übergeben wird, gegebenenfalls vor dessen Gerichten auf die inhaltlich unbedingten und hinreichend genauen Bestimmungen der Richtlinie berufen, falls dieser Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 2017, British Film Institute, C‑592/15, EU:C:2017:117, Rn. 13, und vom 4. Oktober 2018, Link Logistik N&N, C‑384/17, EU:C:2018:810, Rn. 47).

    56

    Nach alledem ist Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584 dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten Europäischen Haftbefehls in einem Fall, in dem die betroffene Person ihre persönliche Ladung verhindert hat und aufgrund ihrer Flucht in den Vollstreckungsmitgliedstaat nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, nicht allein deshalb verweigern kann, weil sie keine Zusicherung erhalten hat, dass bei einer Übergabe dieser Person an den Ausstellungsmitgliedstaat ihr Recht auf eine neue Verhandlung im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2016/343 gewahrt wird.

    Kosten

    57

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde die Vollstreckung eines zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung ausgestellten Europäischen Haftbefehls in einem Fall, in dem die betroffene Person ihre persönliche Ladung verhindert hat und aufgrund ihrer Flucht in den Vollstreckungsmitgliedstaat nicht persönlich zu der Verhandlung erschienen ist, nicht allein deshalb verweigern kann, weil sie keine Zusicherung erhalten hat, dass bei einer Übergabe dieser Person an den Ausstellungsmitgliedstaat ihr Recht auf eine neue Verhandlung im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafsachen gewahrt wird.

     

    Vilaras

    Piçarra

    Šváby

    Rodin

    Jürimäe

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2020.

    Der Kanzler

    A. Calot Escobar

    Der Präsident der Vierten Kammer

    M. Vilaras


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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