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Document 62020CJ0295

    Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 8. Juli 2021.
    „Sanresa“ UAB gegen Aplinkos apsaugos departamentas prie Aplinkos ministerijos.
    Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Dienstleistungen der Behandlung von Abfällen – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 58 und 70 – Einstufung der Pflicht des Wirtschaftsteilnehmers, über eine vorherige schriftliche Zustimmung zu grenzüberschreitenden Verbringungen von Abfällen zu verfügen – Bedingung für die Auftragsausführung.
    Rechtssache C-295/20.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:556

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

    8. Juli 2021 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Dienstleistungen der Behandlung von Abfällen – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 58 und 70 – Einstufung der Pflicht des Wirtschaftsteilnehmers, über eine vorherige schriftliche Zustimmung zu grenzüberschreitenden Verbringungen von Abfällen zu verfügen – Bedingung für die Auftragsausführung“

    In der Rechtssache C‑295/20

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof von Litauen) mit Entscheidung vom 2. Juli 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2020, in dem Verfahren

    „Sanresa“ UAB

    gegen

    Aplinkos apsaugos departamentas prie Aplinkos ministerijos,

    Beteiligte:

    „Toksika“ UAB,

    „Žalvaris“ UAB,

    „Palemono keramikos gamykla“ AB,

    „Ekometrija“ UAB,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra, des Richters D. Šváby (Berichterstatter) und der Richterin K. Jürimäe,

    Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

    Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der „Žalvaris“ UAB, vertreten durch K. Kačerauskas, advokatas,

    der litauischen Regierung, vertreten durch K. Dieninis und R. Dzikovič als Bevollmächtigte,

    der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Haasbeek, A. Steiblytė, K. Talabér-Ritz und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 42, 56, 58 und 70 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) sowie von Art. 2 Nr. 35 und der Art. 3 bis 7, 9 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. 2006, L 190, S. 1).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Sanresa“ UAB und dem Aplinkos apsaugos departamentas prie Aplinkos ministerijos (Umweltschutzamt beim Umweltministerium, Litauen) (im Folgenden: öffentlicher Auftraggeber) wegen dessen Entscheidung, Sanresa von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszuschließen.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2014/24

    3

    Art. 18 („Grundsätze der Auftragsvergabe“) der Richtlinie 2014/24 bestimmt:

    „(1)   Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer in gleicher und nichtdiskriminierender Weise und handeln transparent und verhältnismäßig.

    Das Vergabeverfahren darf nicht mit der Absicht konzipiert werden, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

    (2)   Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass die Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten, die durch Rechtsvorschriften der Union, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder die in Anhang X aufgeführten internationalen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften festgelegt sind.“

    4

    Art. 42 dieser Richtlinie regelt, auf welche Art und Weise öffentliche Auftraggeber „technische Spezifikationen“ formulieren und bei der Auswahl der Angebote berücksichtigen können.

    5

    Art. 49 („Auftragsbekanntmachungen“) der Richtlinie sieht vor:

    „Auftragsbekanntmachungen werden unbeschadet des Artikels 26 Absatz 5 Unterabsatz 2 und des Artikels 32 als Mittel für den Aufruf zum Wettbewerb für alle Verfahren verwendet. Auftragsbekanntmachungen enthalten die Informationen nach Anhang V Teil C und werden gemäß Artikel 51 veröffentlicht.“

    6

    Art. 56 der Richtlinie, der die „[a]llgemeinen Grundsätze“ für die Auswahl der Teilnehmer und die Auftragsvergabe festlegt, bestimmt in Abs. 1:

    „Die Aufträge werden auf der Grundlage von in Einklang mit den Artikeln 67 bis 69 festgelegten Kriterien vergeben, sofern der öffentliche Auftraggeber gemäß den Artikeln 59 bis 61 überprüft hat, dass sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

    b)

    das Angebot kommt von einem Bieter, der nicht gemäß Artikel 57 ausgeschlossen ist und die vom öffentlichen Auftraggeber gemäß Artikel 58 genannten Eignungskriterien sowie gegebenenfalls die in Artikel 65 genannten Nichtdiskriminierungsregeln und ‑kriterien erfüllt.

    Die öffentlichen Auftraggeber können entscheiden, einen Auftrag nicht an den Bieter mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu vergeben, wenn sie festgestellt haben, dass das Angebot nicht den anwendbaren Verpflichtungen gemäß Artikel 18 Absatz 2 genügt.“

    7

    Art. 58 („Eignungskriterien“) der Richtlinie 2014/24 sieht vor:

    „(1)   Die Eignungskriterien können Folgendes betreffen:

    a)

    Befähigung zur Berufsausübung;

    b)

    wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit;

    c)

    technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

    Die öffentlichen Auftraggeber können Wirtschaftsteilnehmern nur die in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Anforderungen an die Teilnahme auferlegen. Sie beschränken die Anforderungen auf jene, die zweckmäßig sind, um sicherzustellen, dass ein Bewerber oder Bieter über die rechtlichen und finanziellen Kapazitäten sowie die technischen und beruflichen Fähigkeiten zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags verfügt. Alle Anforderungen müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    (2)   Im Hinblick auf die Befähigung zur Berufsausübung können die öffentlichen Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmern vorschreiben, in einem Berufs- oder Handelsregister ihres Niederlassungsmitgliedstaats gemäß Anhang XI verzeichnet zu sein oder jedwede andere in dem Anhang genannte Anforderungen zu erfüllen.

    Müssen Wirtschaftsteilnehmer eine bestimmte Berechtigung besitzen oder Mitglieder einer bestimmten Organisation sein, um die betreffende Dienstleistung in ihrem Herkunftsmitgliedstaat erbringen zu können, so kann der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge den Nachweis ihrer Berechtigung oder Mitgliedschaft verlangen.

    (3)   Im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit können die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. Zu diesem Zweck können die öffentlichen Auftraggeber von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, einen bestimmten Mindestjahresumsatz, einschließlich eines bestimmten Mindestumsatzes in dem vom Auftrag abgedeckten Bereich, nachzuweisen. Zusätzlich können die öffentlichen Auftraggeber verlangen, dass die Wirtschaftsteilnehmer Informationen über ihre Jahresabschlüsse mit Angabe des Verhältnisses z. B. zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten bereitstellen. Sie können auch eine Berufshaftpflichtversicherung in geeigneter Höhe verlangen.

    Der Mindestjahresumsatz, der von Wirtschaftsteilnehmern verlangt wird, darf nicht das Zweifache des geschätzten Auftragswerts übersteigen, außer in hinreichend begründeten Fällen, die spezielle, mit der Wesensart der Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen einhergehende Risiken betreffen. Der öffentliche Auftraggeber muss die wichtigsten Gründe für eine solche Anforderung in den Auftragsunterlagen oder in dem Vergabevermerk gemäß Artikel 84 angeben.

    Das Verhältnis z. B. zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten kann berücksichtigt werden, wenn der öffentliche Auftraggeber die Methoden und Kriterien für diese Berücksichtigung in den Auftragsunterlagen spezifiziert. Diese Methoden und Kriterien müssen transparent, objektiv und nichtdiskriminierend sein.

    Ist ein Auftrag in Lose unterteilt, findet dieser Artikel auf jedes einzelne Los Anwendung. Der öffentliche Auftraggeber kann jedoch den Mindestjahresumsatz, der von Wirtschaftsteilnehmern verlangt wird, unter Bezugnahme auf eine Gruppe von Losen in dem Fall festlegen, dass der erfolgreiche Bieter den Zuschlag für mehrere Lose erhält, die gleichzeitig auszuführen sind.

    Sind auf einer Rahmenvereinbarung basierende Aufträge infolge eines erneuten Aufrufs zum Wettbewerb zu vergeben, wird der in Unterabsatz 2 genannte Höchstjahresumsatz aufgrund des erwarteten maximalen Umfangs spezifischer Aufträge berechnet, die gleichzeitig ausgeführt werden, oder – wenn dieser nicht bekannt ist – aufgrund des geschätzten Werts der Rahmenvereinbarung. Bei dynamischen Beschaffungssystemen wird der in Unterabsatz 2 genannte Höchstjahresumsatz auf der Basis des erwarteten Höchstumfangs konkreter Aufträge berechnet, die nach diesem System vergeben werden sollen.

    (4)   Im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit können die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen sowie Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.

    Die öffentlichen Auftraggeber können von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, ausreichende Erfahrung durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachzuweisen. Ein öffentlicher Auftraggeber kann davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügt, wenn der öffentliche Auftraggeber festgestellt hat, dass der Wirtschaftsteilnehmer kollidierende Interessen hat, die die Auftragsausführung negativ beeinflussen können.

    …“

    8

    Anhang XII („Nachweise über die Erfüllung der Eignungskriterien“) der Richtlinie 2014/24 nennt in Teil II Buchst. g als Möglichkeit des Nachweises der technischen Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmers gemäß Art. 58 der Richtlinie die „Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen, die der Wirtschaftsteilnehmer während der Auftragsausführung anwenden kann“.

    9

    Art. 70 („Bedingungen für die Auftragsausführung“) der Richtlinie 2014/24 lautet:

    „Öffentliche Auftraggeber können besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags festlegen, sofern diese gemäß Artikel 67 Absatz 3 mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und im Aufruf zum Wettbewerb oder in den Auftragsunterlagen angegeben werden. Diese Bedingungen können wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange umfassen.“

    10

    Anhang V („In Bekanntmachungen aufzuführende Angaben“) der Richtlinie enthält einen Teil C („In der Auftragsbekanntmachung aufzuführende Angaben [siehe Artikel 49]“), in dessen Nr. 17 es heißt:

    „Gegebenenfalls zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags.“

    Verordnung Nr. 1013/2006

    11

    Art. 2 der Verordnung Nr. 1013/2006 definiert in Nr. 35 die „illegale Verbringung“ von Abfällen folgendermaßen:

    „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

    35.

    ‚illegale Verbringung‘ jede Verbringung von Abfällen, die

    a)

    ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt oder

    b)

    ohne die Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung erfolgt oder

    c)

    mit einer durch Fälschung, falsche Angaben oder Betrug erlangten Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden erfolgt oder

    d)

    in einer Weise erfolgt, die den Notifizierungs- oder Begleitformularen sachlich nicht entspricht, oder

    …“

    12

    Titel II („Verbringung innerhalb der [Union] mit oder ohne Durchfuhr durch Drittstaaten“) dieser Verordnung enthält die Art. 3 bis 32. Art. 3 („Allgemeiner Verfahrensrahmen“) Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

    „Die Verbringung folgender Abfälle unterliegt dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung im Sinne der Bestimmungen dieses Titels:

    a)

    falls zur Beseitigung bestimmt:

    alle Abfälle;

    b)

    falls zur Verwertung bestimmt:

    i)

    in Anhang IV aufgeführte Abfälle, einschließlich u. a. der in den Anhängen II und VIII des Basler Übereinkommens aufgeführten Abfälle;

    ii)

    in Anhang IVA aufgeführte Abfälle;

    iii)

    nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle;

    iv)

    nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, sofern sie nicht in Anhang IIIA aufgeführt sind.“

    13

    Art. 4 („Notifizierung“) der Verordnung lautet:

    „Beabsichtigt der Notifizierende die Verbringung von Abfällen gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b, so muss er bei und über die zuständige Behörde am Versandort eine vorherige schriftliche Notifizierung einreichen und im Falle einer Sammelnotifizierung Artikel 13 beachten.

    Bei der Einreichung einer Notifizierung sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

    1.

    Notifizierungs- und Begleitformulare:

    Die Notifizierung erfolgt anhand folgender Unterlagen:

    a)

    Notifizierungsformular gemäß Anhang IA und

    b)

    Begleitformular gemäß Anhang IB.

    Bei der Einreichung einer Notifizierung füllt der Notifizierende das Notifizierungsformular und – soweit relevant – das Begleitformular aus.

    Ist der Notifizierende nicht der Ersterzeuger gemäß Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer i, so sorgt der Notifizierende dafür, dass auch dieser Erzeuger oder eine der in Artikel 2 Nummer 15 Buchstabe a Ziffer ii oder iii genannten Personen, sofern dies durchführbar ist, das Notifizierungsformular gemäß Anhang IA unterzeichnet.

    Das Notifizierungsformular und das Begleitformular werden an den Notifizierenden von der zuständigen Behörde am Versandort herausgegeben.

    2.

    Informationen und Unterlagen im Notifizierungs- und Begleitformular:

    Der Notifizierende gibt die in Anhang II Teil 1 aufgeführten Informationen und Unterlagen im Notifizierungsformular an oder fügt sie diesem bei. Der Notifizierende gibt die in Anhang II Teil 2 aufgeführten Informationen und Unterlagen im Begleitformular an oder fügt sie diesem soweit möglich bei der Notifizierung bei.

    Eine Notifizierung gilt als ordnungsgemäß ausgeführt, wenn die zuständige Behörde am Versandort der Auffassung ist, dass das Notifizierungs- und das Begleitformular gemäß Unterabsatz 1 ausgefüllt worden sind.

    3.

    Zusätzliche Informationen und Unterlagen:

    Ersucht eine der betroffenen zuständigen Behörden um zusätzliche Informationen und Unterlagen, so werden diese vom Notifizierenden zur Verfügung gestellt. In Anhang II Teil 3 sind zusätzliche Informationen und Unterlagen aufgeführt, die verlangt werden können.

    Eine Notifizierung gilt als ordnungsgemäß abgeschlossen, wenn die zuständige Behörde am Bestimmungsort der Auffassung ist, dass das Notifizierungs- und das Begleitformular ausgefüllt und die in Anhang II Teil 1 und Teil 2 aufgeführten Informationen und Unterlagen sowie etwaige nach diesem Absatz verlangte zusätzliche Informationen und Unterlagen gemäß Anhang II Teil 3 vom Notifizierenden bereitgestellt wurden.

    4.

    Abschluss eines Vertrags zwischen Notifizierendem und Empfänger:

    Der Notifizierende schließt mit dem Empfänger gemäß Artikel 5 einen Vertrag über die Verwertung oder Beseitigung der notifizierten Abfälle.

    Den beteiligten zuständigen Behörden ist bei der Notifizierung der Nachweis über den Abschluss dieses Vertrages oder eine Erklärung zur Bestätigung seines Bestehens nach Anhang IA vorzulegen. Der Notifizierende oder der Empfänger hat der zuständigen Behörde auf Ersuchen eine Kopie dieses Vertrages oder den für die betroffene zuständige Behörde als zufrieden stellend geltenden Nachweis zu übermitteln.

    5.

    Hinterlegung von Sicherheitsleistungen oder Abschluss entsprechender Versicherungen:

    Gemäß Artikel 6 werden Sicherheitsleistungen hinterlegt oder entsprechende Versicherungen abgeschlossen. Der Notifizierende gibt zu diesem Zweck durch Ausfüllen des entsprechenden Teils des Notifizierungsformulars nach Anhang IA eine entsprechende Erklärung ab.

    Die Sicherheitsleistungen oder entsprechenden Versicherungen (oder sofern die zuständige Behörde dies gestattet, der Nachweis über diese Sicherheitsleistungen oder entsprechenden Versicherungen oder eine Erklärung zur Bestätigung ihres Bestehens) sind bei der Notifizierung als Teil des Notifizierungsformulars oder, falls die zuständige Behörde dies auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften erlaubt, vor Beginn der Verbringung vorzulegen.

    6.

    Geltungsbereich der Notifizierung:

    Eine Notifizierung muss die Verbringung der Abfälle vom ursprünglichen Versandort einschließlich ihrer vorläufigen und nicht vorläufigen Verwertung oder Beseitigung umfassen.

    Erfolgen die anschließenden vorläufigen oder nicht vorläufigen Verfahren in einem anderen Staat als dem ersten Empfängerstaat, so sind das nicht vorläufige Verfahren und sein Bestimmungsort in der Notifizierung anzugeben und Artikel 15 Buchstabe f einzuhalten.

    Jede Notifizierung betrifft nur einen einzigen Abfallidentifizierungscode, mit Ausnahme von:

    a)

    nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle. In diesem Fall ist nur eine Abfallart anzugeben;

    b)

    nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfallgemische, es sei denn, sie sind in Anhang IIIA aufgeführt. In diesem Fall ist der Code jedes Abfallanteils in der Reihenfolge seiner Bedeutung anzugeben.“

    14

    Art. 11 („Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1013/2006 bestimmt:

    „Bei der Notifizierung einer geplanten Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen können die zuständigen Behörden am Bestimmungsort und am Versandort innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Übermittlung der Empfangsbestätigung durch die zuständige Behörde am Bestimmungsort gemäß Artikel 8 im Einklang mit dem [AEU-]Vertrag begründete Einwände erheben, die sich auf einen oder mehrere der folgenden Gründe stützen:

    a)

    Die geplante Verbringung oder Beseitigung würde nicht im Einklang mit Maßnahmen stehen, die zur Umsetzung der Grundsätze der Nähe, des Vorrangs der Verwertung und der Entsorgungsautarkie auf gemeinschaftlicher und nationaler Ebene gemäß der Richtlinie 2006/12/EG ergriffen wurden, um die Verbringung von Abfällen allgemein oder teilweise zu verbieten oder um gegen jegliche Verbringungen Einwände zu erheben; oder

    b)

    die geplante Verbringung oder Beseitigung würde nicht im Einklang mit nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit stehen, die in dem Einwände erhebenden Staat vorgenommene Handlungen betreffen; oder

    …“

    15

    Art. 17 („Änderungen der Verbringung nach der Zustimmung“) der Verordnung sieht vor:

    „(1)   Bei erheblichen Änderungen der Einzelheiten und/oder Bedingungen einer Verbringung mit Zustimmung, einschließlich Änderungen der vorgesehenen Menge, des Transportwegs, der Beförderung, des Zeitpunkts der Verbringung oder des Transportunternehmens, unterrichtet der Notifizierende die betroffenen zuständigen Behörden und den Empfänger unverzüglich und, sofern möglich, vor Beginn der Verbringung.

    (2)   In solchen Fällen ist eine erneute Notifizierung einzureichen, es sei denn, alle betroffenen zuständigen Behörden sind der Ansicht, dass die beabsichtigten Änderungen keine erneute Notifizierung erfordern.

    (3)   Berühren derartige Änderungen andere zuständige Behörden als die von der ursprünglichen Notifizierung betroffenen, so ist eine erneute Notifizierung einzureichen.“

    Litauisches Recht

    16

    Das Lietuvos Respublikos viešųjų pirkimų įstatymas (Gesetz über das öffentliche Auftragswesen der Republik Litauen) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über das öffentliche Auftragswesen) bestimmt in Art. 35 („Inhalt der Auftragsunterlagen“):

    „1.   Der öffentliche Auftraggeber gibt in den Auftragsunterlagen alle Informationen über die Auftragsbedingungen und den Verfahrensablauf an.

    2.   Die Auftragsunterlagen müssen Folgendes enthalten:

    1)

    die Anforderungen an die Formulierung der Angebote;

    2)

    die Gründe für den Ausschluss von Anbietern, die Bedingungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und gegebenenfalls die erforderlichen Qualitätsmanagement- und Umweltmanagementnormen; diese Anforderungen können auch für einzelne Mitglieder einer Gruppe von Anbietern gelten, die einen gemeinsamen Teilnahmeantrag oder ein gemeinsames Angebot abgegeben haben;

    3)

    die Information, dass sich der Anbieter, wenn seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit nicht oder nicht vollständig geprüft worden ist, gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, dass nur Personen, die über diese Berechtigung verfügen, den Auftrag ausführen;

    5)

    die Liste der Nachweise, dass keine Gründe für den Ausschluss von Anbietern vorliegen und die Anbieter den Bedingungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit und gegebenenfalls bestimmten Qualitätsmanagement- und Umweltmanagementnormen genügen, die Information, dass gemäß Art. 50 dieses Gesetzes der Anbieter die Europäische Einheitliche Eigenerklärung (EEE) vorlegen muss, und – bei offenen Verfahren – der Hinweis, dass die in Art. 59 Abs. 4 dieses Gesetzes vorgesehene Möglichkeit Anwendung findet, zunächst das von einem Anbieter eingereichte Angebot zu beurteilen und in einem späteren Stadium zu prüfen, ob der Anbieter die Bedingungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit erfüllt;

    8)

    die Art der anzubietenden Güter, Dienstleistungen oder Bauleistungen, ihre Menge (Ausmaß), die Art der zusammen mit den Gütern anzubietenden Dienstleistungen, die Fristen für die Lieferung der Güter, die Erbringung der Dienstleistungen oder die Ausführung der Bauleistungen;

    13)

    die vom öffentlichen Auftraggeber vorgeschlagenen Vertragsbedingungen und/oder der Auftragsentwurf gemäß Art. 87 dieses Gesetzes, falls er bereits abgefasst worden ist. Wenn ein Rahmenvertrag abgeschlossen werden soll, müssen die Auftragsunterlagen auch die Bedingungen des Rahmenvertrags und/oder des Rahmenvertragsentwurfs enthalten, falls er bereits abgefasst worden ist;

    19)

    Zeit, Ort und Art der Einreichung der Angebote;

    4.   Der öffentliche Auftraggeber erstellt die Auftragsunterlagen gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes. Die Auftragsunterlagen müssen genau, klar und eindeutig sein, damit die Anbieter Angebote abgeben können und der öffentliche Auftraggeber das beschaffen kann, was er benötigt.“

    17

    Art. 40 („Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten“) des Gesetzes sieht vor:

    „1.   Der öffentliche Auftraggeber setzt eine ausreichend lange Frist für die Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten fest, um es den Anbietern zu ermöglichen, ihre Teilnahmeanträge und Angebote angemessen und rechtzeitig vorzubereiten und abzugeben. Diese Frist darf nicht kürzer sein als die in den Art. 60, 62, 65, 69 und 74 dieses Gesetzes vorgesehenen kürzesten Fristen für die Abgabe von Teilnahmeanträgen und Angeboten. Der öffentliche Auftraggeber legt diese Frist unter Berücksichtigung der Komplexität des Auftrags und der für die Formulierung der Teilnahmeanträge und der Angebote erforderlichen Zeit fest.

    3.   Können Angebote nur nach einer Besichtigung des Ortes, an dem die Dienstleistungen zu erbringen oder die Bauarbeiten auszuführen sind, oder nach Kenntnisnahme vor Ort der in den Auftragsunterlagen vorgesehenen Bedingungen abgegeben werden, setzt der öffentliche Auftraggeber eine längere als die in den Art. 60, 62, 65, 69 und 74 dieses Gesetzes vorgesehene Frist für die Abgabe der Angebote fest, damit alle interessierten Anbieter die Möglichkeit haben, von allen für die Erstellung ihrer Angebote erforderlichen Informationen Kenntnis zu nehmen.

    4.   In folgenden Fällen muss der öffentliche Auftraggeber die Frist für die Abgabe der Angebote verlängern, damit alle Anbieter, die am Verfahren teilnehmen möchten, die Möglichkeit haben, von allen für die Erstellung ihrer Angebote erforderlichen Informationen Kenntnis zu nehmen:

    1)

    wenn ergänzende Informationen trotz rechtzeitiger Anforderung durch den Anbieter aus irgendeinem Grunde weniger als sechs Tage – bzw. weniger als vier Tage bei einem vereinfachten Verfahren – vor der für die Abgabe der Angebote festgesetzten Frist zur Verfügung gestellt werden. Bei einem offenen, nicht offenen oder wettbewerbsorientierten Verfahren mit beschleunigter Verhandlung gemäß Art. 60 Abs. 3 und Art. 62 Abs. 7 dieses Gesetzes beträgt diese Frist vier Tage, bei einem beschleunigten vereinfachten Verfahren drei Tage;

    2)

    wenn an den Auftragsunterlagen wesentliche Änderungen vorgenommen werden.

    5.   Der öffentliche Auftraggeber verlängert die Frist für die Abgabe der Angebote in den in Abs. 4 dieses Artikels vorgesehenen Fällen unter Berücksichtigung der Bedeutung der Informationen oder der Änderung der Auftragsunterlagen. Wurden die zusätzlichen Informationen nicht rechtzeitig angefordert oder haben sie keinen entscheidenden Einfluss auf die Erstellung der Angebote, ist der öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet, die Frist zu verlängern.

    …“

    18

    In Art. 47 („Kontrolle der Leistungsfähigkeit des Anbieters“) des Gesetzes heißt es:

    „1.   Der öffentliche Auftraggeber muss feststellen, ob der Anbieter die für die Erfüllung der Ausschreibungsbedingungen erforderliche Kompetenz, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit besitzt, und darf daher in der Auftragsbekanntmachung oder in anderen Auftragsunterlagen die Anforderungen an die Bewerber oder Bieter sowie die zur Bescheinigung dieser Leistungsfähigkeit geeigneten Dokumente und Informationen festlegen. Die vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter dürfen den Wettbewerb nicht künstlich einschränken, müssen verhältnismäßig sein, einen Zusammenhang zum Auftragsgegenstand aufweisen und eindeutig und klar sein. Zur Prüfung der Leistungsfähigkeit der Anbieter berücksichtigt der öffentliche Auftraggeber fakultativ folgende Kriterien:

    1)

    ihre Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit;

    2)

    ihre finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit;

    3)

    ihre technische und berufliche Leistungsfähigkeit.

    2.   Der öffentliche Auftraggeber darf in den Auftragsunterlagen verlangen, dass der Anbieter berechtigt ist, die zur Ausführung des Auftrags erforderliche Tätigkeit auszuüben. Bei Dienstleistungsaufträgen kann er verlangen, dass die Anbieter spezielle Genehmigungen besitzen oder Mitglied in bestimmten Organisationen sind, falls dies in ihrem Herkunftsland für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen vorgeschrieben ist.

    …“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    19

    Am 7. Oktober 2018 veröffentlichte der öffentliche Auftraggeber eine internationale offene Ausschreibung eines Auftrags über Dienstleistungen der Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle.

    20

    Der öffentliche Auftraggeber führte in Nr. 9 der Ausschreibung aus, dass zur Verhinderung einer Umweltkatastrophe der Betrieb einer Hochrisikoanlage, in der gefährliche Abfälle gelagert würden, zügig beendet werden müsse und diese Abfälle schnell entsorgt werden müssten. In Nr. 11 der Ausschreibung wies er darauf hin, dass diese Abfälle im Freien in verrottenden, auf dem Boden übereinander gestapelten, schweren Containern aufbewahrt würden. Ferner enthielten diese Abfälle gefährliche Chemikalien, die für Unbefugte zugänglich seien. Diese Umstände rechtfertigten die Anwendung des beschleunigten Verfahrens und die Verkürzung der Frist für die Abgabe der Angebote.

    21

    In Nr. 23 der Ausschreibung waren die Bedingungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit festgelegt, die die Bieter zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Abgabe der Angebote zu erfüllen hatten. Der öffentliche Auftraggeber wies darauf hin, dass nur der erstplatzierte Bieter die in der Tabelle in dieser Nr. 23 aufgeführten Belege für seine Leistungsfähigkeit vorlegen müsse. Zudem müsse sich der Bieter, wenn seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit nicht oder nicht vollständig geprüft worden sei, gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichten, dass nur berechtigte Personen den Auftrag ausführten.

    22

    Nach der Ausschreibung war es außerdem den Bietern gestattet, vor Abgabe ihres Angebots das betreffende Gelände zu besichtigen. Allerdings war die tatsächliche Menge an gefährlichen Abfällen unbekannt, weil zahlreiche Container nicht zugänglich waren und ihr Füllgrad nicht bestimmt werden konnte.

    23

    Der öffentliche Auftraggeber erhielt vier Angebote. Eines wurde von Sanresa als federführendem Unternehmen einer Bietergemeinschaft litauischer Unternehmen eingereicht. In dem Angebot wurden zwei Subunternehmer angegeben, die in Dänemark bzw. der Tschechischen Republik ansässig waren.

    24

    Am 22. November 2018 forderte der öffentliche Auftraggeber Sanresa auf, binnen fünf Werktagen zur Klärung ihres Angebots zusätzliche Angaben zu machen, und zwar insbesondere dazu, wie die verschiedenen Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen unter ihren Partnern und Subunternehmern aufgeteilt würden und welcher ihrer Subunternehmer über eine Genehmigung zur internationalen Verbringung von Abfällen verfüge.

    25

    Am 7. Dezember 2018 teilte der öffentliche Auftraggeber Sanresa zum einen mit, dass die internationale Verbringung von Abfällen gemäß der Verordnung Nr. 1013/2006 die vorherige Einholung einer Genehmigung der Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten voraussetze, und zum anderen, dass keiner der von ihr genannten Wirtschaftsteilnehmer darüber verfüge. Deshalb gestattete es der öffentliche Auftraggeber Sanresa, diese Mängel bis zum 17. Dezember 2018 zu beheben, indem er ihr die Gelegenheit gab, ihr Angebot zu vervollständigen oder eine neue Liste von Subunternehmern vorzulegen.

    26

    Am 26. Februar 2019 entschied der öffentliche Auftraggeber allerdings, das Ausschreibungsverfahren zu beenden, weil die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ausschreibung unklar sei, machte diese Entscheidung jedoch am 18. März 2019 wieder rückgängig. Am folgenden Tag teilte er Sanresa schriftlich mit, dass sie binnen 40 Tagen eine Genehmigung zur internationalen Verbringung von Abfällen vorzulegen oder Subunternehmer auszutauschen habe.

    27

    Am 21. Mai 2019 lehnte der öffentliche Auftraggeber das Angebot von Sanresa u. a. mit der Begründung ab, dass sie ihre Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit nicht nachgewiesen habe, da sie nicht über die nach der Verordnung Nr. 1013/2006 erforderliche Genehmigung zur internationalen Verbringung von Abfällen verfüge.

    28

    Am 30. Mai 2019 legte Sanresa eine Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Angebots ein und machte geltend, sie erfülle die Bedingung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Anbieter, wie sie in den Ausschreibungsbedingungen vorgesehen sei. Dort werde nicht verlangt, dass dem Angebot die Zustimmung der nationalen Behörden zu einer internationalen Verbringung von Abfällen beizufügen sei. Auf die Zurückweisung ihrer Beschwerde hin wandte sie sich an die Gerichte, blieb aber sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtszug erfolglos. Daraufhin legte sie beim Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof von Litauen) Kassationsbeschwerde ein.

    29

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich in erster Linie die Frage stelle, wie die Ausschreibungsklausel einzustufen sei, nach der der Bieter im Vergabeverfahren die Zustimmung der zuständigen Behörden zur internationalen Verbringung von Abfällen gemäß der Verordnung Nr. 1013/2006 vorzulegen habe. Die Parteien seien darüber uneinig, ob diese Klausel eine Bedingung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Bieter oder eine Bedingung für die Ausführung des zu vergebenden Auftrags darstelle.

    30

    Die Parteien des Ausgangsverfahrens seien der Ansicht, dass diese Klausel nicht ausdrücklich verlange, dass dem Angebot die Zustimmung der zuständigen Behörden zur internationalen Verbringung von Abfällen beizufügen sei.

    31

    Wie von Sanresa geltend gemacht, beziehe sich die Pflicht zur Vorlage dieser Zustimmung nicht auf die Leistungsfähigkeit des Bieters, sondern auf die Ausführung des Auftrags. Obwohl die technischen Spezifikationen so genau sein müssten, dass die Bieter den Auftragsgegenstand bestimmen könnten und der öffentliche Auftraggeber ihn vergeben könne, habe der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstand, nämlich die Zusammensetzung der abzutransportierenden gefährlichen Abfälle und ihren Code, ungenau angegeben. Daher sei es zwangsläufig unmöglich gewesen, bei der Abgabe des Angebots all diese Auskünfte zu erteilen.

    32

    Des Weiteren könne es auch mit der Verordnung Nr. 1013/2006 unvereinbar sein, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstand nicht vollständig beschreibe, da die Rechtmäßigkeit einer Verbringung von Abfällen u. a. davon abhänge, dass die ursprünglichen Bedingungen, unter denen die Zustimmung zur Verbringung erteilt worden sei, eingehalten würden. Insbesondere sei nach Art. 17 der Verordnung das Notifizierungsverfahren zu wiederholen, wenn sich die tatsächliche Zusammensetzung und Menge der gefährlichen Abfälle erst während der Ausführung des Auftrags herausstellten.

    33

    Im Übrigen räume die Verordnung Nr. 1013/2006 – insbesondere Art. 11 Abs. 1 Buchst. b – den zuständigen Behörden des Versandstaats, des Bestimmungsstaats und des Durchfuhrstaats ein weites Ermessen ein, um u. a. aufgrund nationaler Rechtsvorschriften oder der öffentlichen Ordnung Einwände gegen die Verbringung von zur Beseitigung oder zur Verwertung bestimmten Abfällen zu erheben. Es bestehe daher ein nicht unerhebliches Risiko, dass es dem Zuschlagsempfänger des Auftrags der Verbringung von Abfällen rechtlich unmöglich werde, den Auftrag auszuführen. Daher lasse sich bezweifeln, dass das Risiko einer Zustimmungsverweigerung von den öffentlichen Auftraggebern zu tragen sei, die einen Zuschlagsempfänger ausgewählt und den Auftrag an ihn vergeben hätten.

    34

    Schließlich habe der im Ausgangsverfahren in Rede stehende öffentliche Auftraggeber dadurch, dass er in Nr. 23.1.2 der Ausschreibungsbedingungen, die Art. 35 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über das öffentliche Auftragswesen entspreche, vorgesehen habe, dass „sich der Bieter, wenn seine Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit nicht oder nicht vollständig geprüft worden ist, gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, den Auftrag nur von Personen ausführen zu lassen, die über eine solche Berechtigung verfügen“, eine Bedingung aufgestellt, die die Leistungsfähigkeit der Bieter zur Ausführung des Auftrags betreffe.

    35

    Bis 2017 hätten Ausschreibungen keine Anforderungen in Bezug auf die Berechtigung der Bieter zur Ausübung der von dem Auftrag betroffenen Tätigkeit enthalten, so dass es den Bietern oblegen habe, in Anbetracht der Bestimmung des Auftragsgegenstands und der technischen Spezifikationen festzustellen, welche Zertifikate, Genehmigungen und Bescheinigungen erforderlich seien, um nachzuweisen, dass sie über die nötige spezifische Berechtigung verfügten.

    36

    Das vorlegende Gericht stellt klar, dass es seit einem richtungsweisenden Urteil vom 14. Februar 2017 die Ansicht vertrete, dass öffentliche Auftraggeber Angebote nicht mit der Begründung ablehnen könnten, dass sie Anforderungen, die nicht veröffentlicht worden seien, nicht erfüllten, selbst wenn sich diese Anforderungen aus zwingenden Rechtsnormen ergäben. Zudem müsse es Bietern, wenn sie in besonderen Gesetzen vorgesehene Anforderungen hinsichtlich der Berechtigung zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit, die in den Auftragsbedingungen nicht klar angegeben seien, nicht erfüllten, gestattet sein, die Mängel ihres Angebots zu beheben, was die Möglichkeit einschließe, selbst nach Ablauf der Frist für die Abgabe der Angebote einen neuen Partner oder Subunternehmer für die Auftragsausführung zu benennen.

    37

    Mit dem Gesetz über das öffentliche Auftragswesen, mit dem die Richtlinie 2014/24 umgesetzt worden sei, habe der litauische Gesetzgeber verhindern wollen, dass öffentliche Auftraggeber Angebote wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Bieter ablehnen könnten, wenn die Bedingungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit in den Auftragsunterlagen nicht klar angegeben gewesen seien. In Art. 35 Abs. 2 Nr. 3 dieses Gesetzes sei nunmehr ausdrücklich geregelt, dass öffentliche Auftraggeber berechtigt seien, die fragliche Leistungsfähigkeit der Anbieter nicht oder nicht vollständig zu prüfen.

    38

    Fraglich sei allerdings, ob die den öffentlichen Auftraggebern dadurch eingeräumte unbeschränkte Befugnis, nicht zu prüfen, ob die Bieter tatsächlich zur Ausübung der betreffenden Tätigkeit berechtigt seien, mit den Grundsätzen der Transparenz und des Vertrauensschutzes sowie mit einer sachgerechten Organisation der Vergabeverfahren vereinbar sei.

    39

    Unter diesen Umständen hat der Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof von Litauen) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind Art. 18 Abs. 2, Art. 56 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b, Art. 56 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24 sowie die Art. 3 bis 6 und andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 1013/2006 (zusammen oder einzeln, aber ohne Beschränkung hierauf) dahin auszulegen, dass die einem Wirtschaftsteilnehmer erteilte Zustimmung, die für die Verbringung von Abfällen von einem Mitgliedstaat in einen anderen erforderlich ist, als Anforderung an die Ausführung eines Dienstleistungsauftrags und nicht als Anforderung hinsichtlich der Berechtigung zur Ausübung einer Tätigkeit anzusehen ist?

    2.

    Sind, falls diese Zustimmung zur Verbringung von Abfällen als Kriterium für die Auswahl des Bieters (Befähigung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit) anzusehen ist, die in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/24, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie normierten Grundsätze der Transparenz und des fairen Wettbewerbs, der in Art. 26 Abs. 2 AEUV verankerte freie Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen sowie die Art. 7 bis 9 der Verordnung Nr. 1013/2006 (zusammen oder einzeln, aber ohne Beschränkung hierauf) dahin auszulegen und anzuwenden, dass die Bedingungen für die Vergabe von Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen, insbesondere im Hinblick auf die Festlegung der Angebotsfristen, so beschaffen sein müssen, dass sie inländischen und ausländischen Bietern, die Abfall über die Grenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union befördern wollen, die uneingeschränkte Teilnahme an solchen Vergabeverfahren ermöglichen, und muss es ihnen u. a. gestattet sein, die genannte Zustimmung vorzulegen, wenn sie erst nach dem Ablauf der Angebotsfrist erteilt wurde?

    3.

    Sind, falls diese Zustimmung zur Verbringung von Abfällen gemäß Art. 49 und Anhang V Teil C Nr. 17 sowie Art. 70 der Richtlinie 2014/24 als Anforderung an die Ausführung eines öffentlichen Auftrags anzusehen ist, die Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe, wie sie in Art. 18 dieser Richtlinie festgelegt sind, und das in deren Art. 56 geregelte allgemeine Vergabeverfahren dahin auszulegen, dass in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge das Angebot eines Teilnehmers, der diese Zustimmung nicht vorgelegt hat, nicht ausgeschlossen werden darf?

    4.

    Sind Art. 18, Art. 56 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die öffentlichen Auftraggeber berechtigt sind, in den Auftragsunterlagen im Voraus ein Verfahren der Angebotsbewertung festzulegen, bei dem die Berechtigung des Bieters zur Ausübung einer Tätigkeit (Befähigung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit) nur teilweise oder überhaupt nicht geprüft wird, obgleich diese Berechtigung eine Bedingung für die rechtmäßige Ausführung des Auftrags ist und die öffentlichen Auftraggeber unter Umständen im Voraus wissen, dass es dieser Berechtigung bedarf?

    5.

    Sind Art. 18 und Art. 42 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 und Art. 2 Nr. 35, Art. 5 und Art. 17 der Verordnung Nr. 1013/2006 sowie die anderen Bestimmungen dieser Verordnung dahin auszulegen, dass die öffentlichen Auftraggeber bei der Beschaffung von Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen diese nur dann rechtmäßig beschaffen können, wenn sie in den Auftragsunterlagen die Menge und Zusammensetzung der Abfälle und andere wichtige Bedingungen für die Ausführung des Auftrags (z. B. hinsichtlich der Verpackung) klar und präzise festlegen?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    40

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 Abs. 2, Art. 58 und Art. 70 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen die sich insbesondere aus Art. 2 Nr. 35 und Art. 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 ergebende Pflicht eines Wirtschaftsteilnehmers, der Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen will, über die Zustimmung der zuständigen Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten zu verfügen, eine Bedingung in Bezug auf die Befähigung zur Berufsausübung oder eine Bedingung für die Ausführung dieses Auftrags darstellt.

    41

    Erstens ergibt sich aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. b, Art. 57 und Art. 58 der Richtlinie 2014/24, dass öffentliche Auftraggeber nur qualitative Eignungskriterien als Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren vorschreiben dürfen. Wie sich aus Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie ergibt, handelt es sich dabei um die in den Abs. 2 bis 4 dieses Artikels genannten Kriterien, die die Befähigung zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und die technische und berufliche Leistungsfähigkeit betreffen.

    42

    Im vorliegenden Fall ist zu ermitteln, ob sich die in dem im Ausgangsverfahren fraglichen Vergabeverfahren bestehende Pflicht, die Zustimmung der zuständigen Behörden einzuholen, um gefährliche Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen zu können, einer der drei in Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie 2014/24 genannten und in den Abs. 2 bis 4 dieses Artikels konkretisierten Kategorien qualitativer Eignungskriterien zuordnen lassen.

    43

    Art. 58 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24, der die Befähigung eines Wirtschaftsteilnehmers zur Ausübung des von einem öffentlichen Auftrag betroffenen Berufs betrifft, gestattet es den öffentlichen Auftraggebern, insoweit vorzuschreiben, dass die Wirtschaftsteilnehmer in einem Berufs- oder Handelsregister ihres Niederlassungsmitgliedstaats verzeichnet sind. Desgleichen kann der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, wenn Wirtschaftsteilnehmer eine bestimmte Berechtigung besitzen oder Mitglieder einer bestimmten Organisation sein müssen, um die betreffende Dienstleistung in ihrem Herkunftsmitgliedstaat erbringen zu können, den Nachweis ihrer Berechtigung oder Mitgliedschaft verlangen.

    44

    Die Pflicht, die Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden einzuholen, um Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen zu können, lässt sich jedoch nicht mit der Pflicht gleichsetzen, in einem Berufs- oder Handelsregister verzeichnet zu sein oder eine bestimmte Berechtigung zu besitzen oder Mitglied einer bestimmten Organisation zu sein.

    45

    Somit wird die Pflicht zur Einholung einer solchen Zustimmung nicht von der Befähigung zur Berufsausübung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 erfasst.

    46

    Diese Pflicht weist auch keinen Bezug zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers im Sinne von Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Richtlinie auf.

    47

    Bleibt noch zu klären, ob diese Pflicht von der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit im Sinne von Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 erfasst wird. Nach Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie können die öffentlichen Auftraggeber die Teilnahme der Wirtschaftsteilnehmer an einem Vergabeverfahren davon abhängig machen, dass diese über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen sowie Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können. Sie können von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, ausreichende Erfahrung durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachzuweisen.

    48

    Die Beurteilung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eines Bewerbers oder Bieters beruht somit, wie die beiden Bezugnahmen auf die Erfahrung in Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie zeigen, insbesondere auf einer rückblickenden Beurteilung der Erfahrung, die die Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung früherer Aufträge gewonnen haben.

    49

    Somit wird die Pflicht, die Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden einzuholen, um Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen zu können, auch nicht vom Begriff der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit eines Bewerbers oder Bieters im Sinne von Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie erfasst.

    50

    Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass Anhang XII Teil II Buchst. g der Richtlinie 2014/24 es den Wirtschaftsteilnehmern ermöglicht, ihre technische Leistungsfähigkeit durch Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen zu belegen, die sie während der Auftragsausführung anwenden können. Bei den in dieser Bestimmung gemeinten Umweltmanagementmaßnahmen handelt es sich nämlich um Maßnahmen, die ein Wirtschaftsteilnehmer spontan anzuwenden gedenkt.

    51

    Zweitens bestimmt Art. 70 („Bedingungen für die Auftragsausführung“) der Richtlinie, dass öffentliche Auftraggeber besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags festlegen können, sofern diese gemäß Art. 67 Abs. 3 der Richtlinie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Diese Bedingungen können wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange umfassen.

    52

    Insoweit zeigt sich, dass die in den Art. 3 bis 6 der Verordnung Nr. 1013/2006 vorgesehene Pflicht, vor der Verbringung von Abfällen die Zustimmung der zuständigen Behörden des Versandstaats, des Durchfuhrstaats und des Bestimmungsstaats einzuholen, der Auftragsausführung zuzuordnen ist. Mit ihr sollen nämlich die besonderen Bedingungen festgelegt werden, die Umweltbelange umfassen und für die Ausfuhr von Abfällen in einen anderen Staat gelten. Daher kann diese Anforderung nur den Wirtschaftsteilnehmern entgegengehalten werden, die Abfälle in einen anderen Staat verbringen wollen.

    53

    Zudem erfüllt der öffentliche Auftraggeber mit dieser Pflicht die Vorgaben des Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24, wonach die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um dafür zu sorgen, dass die Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge insbesondere die geltenden umweltrechtlichen Verpflichtungen einhalten, die durch Rechtsvorschriften der Union festgelegt sind.

    54

    Schließlich erscheint die Einstufung der genannten Pflicht als „Bedingung für die Auftragsausführung“ nicht geeignet, die Ausführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrags zu beeinträchtigen. Denn die Tatsache, dass ein Wirtschaftsteilnehmer bereits Tätigkeiten ausgeübt hat, die den vom fraglichen Auftrag betroffenen Tätigkeiten weitgehend entsprechen, lässt darauf schließen, dass er in der Lage sein wird, den Auftrag auszuführen. Zudem hätte sich der öffentliche Auftraggeber – wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen hat – gegen das Risiko der Nichtausführung des Auftrags dadurch schützen können, dass er Eignungskriterien festlegt, mit denen sich die Gefahr einer Nichterteilung der Zustimmung verringern lässt, indem insbesondere der Wert früherer Erfahrungen auf dem Gebiet der Verbringung gefährlicher Abfälle anerkannt wird.

    55

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 2, Art. 58 und Art. 70 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen die sich insbesondere aus Art. 2 Nr. 35 und Art. 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 ergebende Pflicht eines Wirtschaftsteilnehmers, der Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen will, über die Zustimmung der zuständigen Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten zu verfügen, eine Bedingung für die Ausführung dieses Auftrags darstellt.

    Zur zweiten Frage

    56

    In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

    Zur dritten Frage

    57

    Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 70 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, das Angebot eines Bieters allein deshalb abzulehnen, weil dieser zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots nicht nachweist, dass er eine Bedingung für die Ausführung des betreffenden Auftrags erfüllt.

    58

    Art. 70 der Richtlinie 2014/24 sieht vor, dass die Bedingungen für die Auftragsausführung im Aufruf zum Wettbewerb oder in den Auftragsunterlagen angegeben werden.

    59

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung jedoch zum einen, dass der öffentliche Auftraggeber nicht imstande war, die genaue Menge der zu behandelnden gefährlichen Abfälle zu beurteilen, und zum anderen, dass zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig ist, dass in den Auftragsunterlagen nicht ausdrücklich verlangt wurde, dass dem Angebot die Zustimmung der für die internationale Verbringung von Abfällen zuständigen Behörden beigefügt wird.

    60

    Allerdings kann trotz der grundsätzlichen Pflicht eines öffentlichen Auftraggebers, im Aufruf zum Wettbewerb oder in den Auftragsunterlagen eine Bedingung für die Auftragsausführung anzugeben, die Unterlassung dieser Angabe nicht zur Ordnungswidrigkeit des Vergabeverfahrens führen, wenn sich die Bedingung für die Ausführung des betreffenden Auftrags eindeutig aus einer unionsrechtlichen Regelung, die für die von dem Auftrag betroffene Tätigkeit gilt, und aus der Entscheidung eines Wirtschaftsteilnehmers ergibt, den Auftrag nicht im Hoheitsgebiet des Staates auszuführen, in dem sich der öffentliche Auftraggeber befindet.

    61

    Insoweit muss nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1013/2006 der Wirtschaftsteilnehmer, der die Verbringung von Abfällen gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a oder b der Verordnung beabsichtigt, der zuständigen Behörde am Versandort u. a. die Notifizierungs- und Begleitformulare, den Vertrag, den er mit dem Empfänger geschlossen hat, der mit der Verwertung oder der Beseitigung der notifizierten Abfälle betraut ist, und eine Sicherheitsleistung oder entsprechende Versicherung vorlegen. Damit setzen diese Bestimmungen voraus, dass der Bieter über detaillierte Informationen über die Menge und Zusammensetzung der Abfälle, die Verbringungsstrecke und die zur Verbringung benutzten Transportmittel verfügt.

    62

    Nach Art. 58 der Richtlinie 2014/24 muss ein Bieter für seine Zulassung zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren nachweisen, dass er zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots die in Art. 58 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie genannten qualitativen Eignungskriterien erfüllt. Allerdings kann er mit dem Nachweis, dass er die Bedingungen für die Auftragsausführung erfüllt, warten, bis er den Zuschlag des Auftrags erhalten hat. Die qualitativen Eignungskriterien ermöglichen es dem öffentlichen Auftraggeber nämlich, nur diejenigen Wirtschaftsteilnehmer zur Abgabe eines Angebots zuzulassen, deren technische und berufliche Leistungsfähigkeit, gestützt auf ihre Erfahrungen aus jüngerer Zeit, darauf schließen lassen, dass sie in der Lage sein werden, den betreffenden Auftrag auszuführen, indem sie bei Bedarf die erforderlichen Genehmigungen und die erforderliche Logistik besorgen. Zudem stellt eine Verpflichtung der Bieter, zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Angebots alle Bedingungen für die Auftragsausführung zu erfüllen, eine übertriebene Anforderung dar, die diese Wirtschaftsteilnehmer mithin davon abhalten könnte, an Vergabeverfahren teilzunehmen, und damit gegen die in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie verbürgten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz verstößt.

    63

    Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 70 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass er es verbietet, das Angebot eines Bieters allein deshalb abzulehnen, weil dieser zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots nicht nachweist, dass er eine Bedingung für die Ausführung des betreffenden Auftrags erfüllt.

    Zur vierten Frage

    64

    Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18, Art. 56 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b, Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der die öffentlichen Auftraggeber berechtigt sind, in den Auftragsunterlagen ein Verfahren der Angebotsbewertung festzulegen, bei dem die Befähigung der Bieter zur Ausübung des von dem Auftrag betroffenen Berufs geprüft oder nicht geprüft wird, obgleich die Befähigung eine Bedingung für die rechtmäßige Ausführung des Auftrags ist und der öffentliche Auftraggeber dies vor Erstellung der Auftragsunterlagen wissen müsste.

    65

    Diese Frage beruht auf der Prämisse, dass die für Wirtschaftsteilnehmer, die Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen wollen, gemäß u. a. Art. 2 Nr. 35 und Art. 3 der Verordnung Nr. 1013/2006 bestehende Pflicht, über die Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden zu verfügen, ein qualitatives Eignungskriterium im Sinne von Art. 58 der Richtlinie 2014/24 darstellt.

    66

    Da diese Pflicht jedoch, wie aus der Antwort auf die erste Frage hervorgeht, als Bedingung für die Auftragsausführung im Sinne von Art. 70 der Richtlinie 2014/24 eingestuft werden muss, ist die vierte Frage nicht zu beantworten.

    Zur fünften Frage

    67

    Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 und Art. 42 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen sind, dass die öffentlichen Auftraggeber bei einem öffentlichen Auftrag über die Bewirtschaftung von Abfällen diese Dienstleistungen nur dann rechtmäßig beschaffen können, wenn sie in den Auftragsunterlagen die Menge und Zusammensetzung der Abfälle und andere wichtige Bedingungen für die Ausführung des Auftrags klar und präzise festlegen.

    68

    Für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen, die das nationale Gericht im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 267 AEUV nach der Auslegung des Unionsrechts stellt, spricht eine Vermutung. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind. Die dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens übertragene Aufgabe besteht nämlich darin, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Archus und Gama, C‑131/16, EU:C:2017:358, Rn. 41 bis 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    69

    Abgesehen davon, dass diese Frage abstrakt und allgemein formuliert ist, enthält die Vorlageentscheidung nicht das Mindestmaß an Erläuterungen, das erforderlich ist, um einen Zusammenhang zwischen der Frage und dem Ausgangsrechtsstreit herstellen zu können.

    70

    Daher ist diese Frage rein hypothetisch und damit unzulässig.

    Kosten

    71

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 18 Abs. 2, Art. 58 und Art. 70 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG sind dahin auszulegen, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Abfallbewirtschaftungsdienstleistungen die sich insbesondere aus Art. 2 Nr. 35 und Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen ergebende Pflicht eines Wirtschaftsteilnehmers, der Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Staat verbringen will, über die Zustimmung der zuständigen Behörden der von der Verbringung betroffenen Mitgliedstaaten zu verfügen, eine Bedingung für die Ausführung dieses Auftrags darstellt.

     

    2.

    Art. 70 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass er es verbietet, das Angebot eines Bieters allein deshalb abzulehnen, weil dieser zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots nicht nachweist, dass er eine Bedingung für die Ausführung des betreffenden Auftrags erfüllt.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Litauisch.

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