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Document 62020CJ0120

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 8. Juli 2021.
    Koleje Mazowieckie – KM Sp. z o.o. gegen Skarb Państwa – Minister Infrastruktury i Budownictwa obecnie Minister Infrastruktury i Prezes Urzędu Transportu Kolejowego und PKP Polskie Linie Kolejowe S.A.
    Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Najwyższy.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Eisenbahnverkehr – Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur – Richtlinie 2001/14/EG – Art. 4 Abs. 5 – Erhebung von Entgelten – Art. 30 – Nationale Regulierungsstelle, die zu gewährleisten hat, dass die Wegeentgelte mit dieser Richtlinie im Einklang stehen – Zwischen dem Betreiber einer Infrastruktur und einem Eisenbahnunternehmen geschlossener Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur – Fehlerhafte Umsetzung – Staatshaftung – Schadensersatzklage – Vorherige Befassung der nationalen Regulierungsstelle.
    Rechtssache C-120/20.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:553

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    8. Juli 2021 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Eisenbahnverkehr – Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur – Richtlinie 2001/14/EG – Art. 4 Abs. 5 – Erhebung von Entgelten – Art. 30 – Nationale Regulierungsstelle, die zu gewährleisten hat, dass die Wegeentgelte mit dieser Richtlinie im Einklang stehen – Zwischen dem Betreiber einer Infrastruktur und einem Eisenbahnunternehmen geschlossener Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur – Fehlerhafte Umsetzung – Staatshaftung – Schadensersatzklage – Vorherige Befassung der nationalen Regulierungsstelle“

    In der Rechtssache C-120/20

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 28. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 3. März 2020, in dem Verfahren

    Koleje Mazowieckie – KM sp. z o.o.

    gegen

    Skarb Państwa – Minister Infrastruktury i Budownictwa, jetzt Minister Infrastruktury, und Prezes Urzędu Transportu Kolejowego,

    PKP Polskie Linie Kolejowe S.A.,

    Beteiligter:

    Rzecznik Praw Obywatelskich (RPO),

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

    Generalanwalt: E. Tanchev,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Koleje Mazowieckie – KM sp. z o.o., vertreten durch P. Duda, adwokat,

    des Skarb Państwa – Minister Infrastruktury i Budownictwa, jetzt Minister Infrastruktury, und Prezes Urzędu Transportu Kolejowego, vertreten durch P. Dobroczek,

    der PKP Polskie Linie Kolejowe S.A., vertreten durch J. Kowalczyk, adwokat, sowie C. Wiśniewski und M. Szrajer, radcowie prawni,

    der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

    der spanischen Regierung, vertreten durch J. Rodríguez de la Rúa Puig als Bevollmächtigten,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, P. J. O. Van Nuffel, C. Vrignon und B. Sasinowska als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 5 und Art. 30 Abs. 1 bis 3, 5 und 6 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. 2001, L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 (ABl. 2007, L 315, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Koleje Mazowieckie – KM sp. z o.o. (im Folgenden: KM) und dem Skarb Państwa – Minister Infrastruktury i Budownictwa, jetzt Minister Infrastruktury, und Prezes Urzędu Transportu Kolejowego (Fiskus, in der Person des Ministers für Infrastruktur und Bauwesen, jetzt Minister für Infrastruktur, und des Präsidenten des Eisenbahnverkehrsamts, Polen) (im Folgenden: UTK) sowie der PKP Polskie Linie Kolejowe S.A. (im Folgenden: PKP PLK) wegen einer Schadensersatzklage von KM wegen einer fehlerhaften Umsetzung der Richtlinie 2001/14.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Die Erwägungsgründe 11, 16 und 46 der Richtlinie 2001/14 lauten:

    „(11)

    Bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollte allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten werden und so weit wie möglich angestrebt werden, den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten gerecht und in nichtdiskriminierender Weise zu entsprechen.

    (16)

    Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollten einen fairen Wettbewerb bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen ermöglichen.

    (46)

    Die effiziente Verwaltung und gerechte und nichtdiskriminierende Nutzung von Eisenbahnfahrwegen erfordert die Einrichtung einer Regulierungsstelle, die über die Anwendung dieser gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften wacht und ungeachtet der gerichtlichen Nachprüfbarkeit als Beschwerdestelle fungieren kann.“

    4

    Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    b)

    ‚Antragsteller‘ ein zugelassenes Eisenbahnunternehmen und/oder eine internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen und – in Mitgliedstaaten, die eine solche Möglichkeit vorsehen – andere natürliche und/oder juristische Personen, die ein einzelwirtschaftliches oder gemeinwirtschaftliches Interesse am Erwerb von Fahrwegkapazität für die Durchführung eines Eisenbahnverkehrsdienstes in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet haben, wie Behörden im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 [des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. 1969, L 156, S. 1)], Verlader, Spediteure und Unternehmen im Rahmen des kombinierten Verkehrs;

    f)

    ‚Rahmenvertrag‘ eine rechtsverbindliche allgemeine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vereinbarung über die Rechte und Pflichten eines Antragstellers und des Betreibers der Infrastruktur oder der Zuweisungsstelle in Bezug auf die zuzuweisende Fahrwegkapazität und die zu erhebenden Entgelte über einen längeren Zeitraum als eine Netzfahrplanperiode;

    h)

    ‚Betreiber der Infrastruktur‘ eine Einrichtung oder ein Unternehmen, die bzw. das insbesondere für die Einrichtung und Unterhaltung der Fahrwege der Eisenbahn zuständig ist. Dies kann auch den Betrieb der Steuerungs- und Sicherheitssysteme der Fahrwege einschließen. Mit den bei einem Netz oder einem Teilnetz wahrzunehmenden Aufgaben des Betreibers der Infrastruktur können verschiedene Einrichtungen oder Unternehmen betraut werden;

    i)

    ‚Netz‘ bzw. ‚Schienennetz‘ die Gesamtheit der Eisenbahnfahrwege, die sich im Eigentum eines Betreibers der Infrastruktur befinden und/oder von diesem verwaltet werden;

    k)

    ‚Eisenbahnunternehmen‘ jedes nach geltendem Gemeinschaftsrecht zugelassene öffentlich-rechtliche oder private Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern und/oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen die Traktion sicherstellen muss; dies schließt auch Unternehmen ein, die ausschließlich die Traktionsleistung erbringen;

    l)

    ‚Zugtrasse‘ die Fahrwegkapazität, die erforderlich ist, damit ein Zug zu einer bestimmten Zeit zwischen zwei Orten verkehren kann;

    …“

    5

    Kapitel II („Wegeentgelte“) der Richtlinie 2001/14 umfasst die Art. 4 bis 12 dieser Richtlinie.

    6

    Art. 4 („Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten“) der Richtlinie 2001/14 sieht vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten schaffen eine Entgeltrahmenregelung, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/440/EWG zu wahren ist.

    Vorbehaltlich der genannten Bedingung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Betreiber der Infrastruktur. Die Berechnung des Wegeentgeltes und die Erhebung dieses Entgelts nimmt der Betreiber der Infrastruktur vor.

    (5)   Die Betreiber der Infrastruktur tragen dafür Sorge, dass die Anwendung der Entgeltregelung zu gleichwertigen und nichtdiskriminierenden Entgelten für unterschiedliche Eisenbahnunternehmen führ[t], die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen[,] und dass die tatsächlich erhobenen Entgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Regeln entsprechen.

    …“

    7

    Art. 6 („Fahrwegkosten und Rechnungsführung“) Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

    „Den Betreibern der Infrastruktur sind unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.“

    8

    Art. 7 („Entgeltgrundsätze“) Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/14 lautet:

    „(2)   Die Mitgliedstaaten können dem Betreiber der Infrastruktur die Vorlage aller erforderlichen Informationen zu den erhobenen Entgelten vorschreiben. Diesbezüglich muss der Betreiber der Infrastruktur belegen können, dass die jedem Verkehrsunternehmen gemäß den Artikeln 4 bis 12 tatsächlich berechneten Wegeentgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen entsprechen.

    (3)   Unbeschadet der Absätze 4 und 5 und des Artikels 8 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.“

    9

    Art. 9 („Entgeltnachlässe“) der Richtlinie 2001/14 bestimmt:

    „(1)   Unbeschadet der Artikel 81, 82, 86 und 87 des Vertrags und ungeachtet des Artikels 7 Absatz 3 dieser Richtlinie müssen alle Nachlässe auf Entgelte, die der Betreiber der Infrastruktur von einem Eisenbahnunternehmen für einen Dienst erhebt, den in diesem Artikel genannten Kriterien entsprechen.

    (4)   Nachlässe dürfen sich nur auf Entgelte beziehen, die für einen bestimmten Fahrwegabschnitt erhoben werden.

    (5)   Auf ähnliche Verkehrsdienste sind ähnliche Nachlassregelungen anzuwenden.“

    10

    Art. 30 („Regulierungsstelle“) der Richtlinie 2001/14 lautet:

    „(1)   Unbeschadet des Artikels 21 Absatz 6 richten die Mitgliedstaaten eine Regulierungsstelle ein. Diese Stelle, bei der es sich um das für Verkehrsfragen zuständige Ministerium oder eine andere Behörde handeln kann, ist organisatorisch, bei ihren Finanzierungsbeschlüssen, rechtlich und in ihrer Entscheidungsfindung von Betreibern der Infrastruktur, entgelterhebenden Stellen, Zuweisungsstellen und Antragstellern unabhängig. Darüber hinaus ist die Regulierungsstelle funktionell unabhängig von allen zuständigen Behörden, die bei der Vergabe von Verträgen über öffentliche Dienstleistungen mitwirken. Für die Tätigkeit der Regulierungsstelle gelten die Grundsätze dieses Artikels; Rechtsbehelfs- und Regulierungsfunktionen können gesonderten Stellen übertragen werden.

    (2)   Ist ein Antragsteller der Auffassung, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein, so kann er die Regulierungsstelle befassen, und zwar insbesondere mit Entscheidungen des Betreibers der Infrastruktur oder gegebenenfalls des Eisenbahnunternehmens betreffend

    d)

    die Entgeltregelung,

    e)

    die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die er zu zahlen hat oder hätte,

    (3)   Die Regulierungsstelle gewährleistet, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte dem Kapitel II entsprechen und nichtdiskriminierend sind. Verhandlungen zwischen Antragstellern und einem Betreiber der Infrastruktur über die Höhe von Wegeentgelten sind nur zulässig, sofern sie unter Aufsicht der Regulierungsstelle erfolgen. Die Regulierungsstelle hat einzugreifen, wenn bei den Verhandlungen ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie droht.

    (5)   Die Regulierungsstelle hat über Beschwerden zu entscheiden und binnen zwei Monaten ab Erhalt aller Auskünfte Abhilfemaßnahmen zu treffen.

    Ungeachtet des Absatzes 6 sind Entscheidungen der Regulierungsstelle für alle davon Betroffenen verbindlich.

    Wird die Regulierungsstelle mit einer Beschwerde wegen der Verweigerung der Zuweisung von Fahrwegkapazität oder wegen der Bedingungen eines Angebots an Fahrwegkapazität befasst, entscheidet die Regulierungsstelle entweder, dass keine Änderung der Entscheidung des Betreibers der Infrastruktur erforderlich ist, oder schreibt eine Änderung dieser Entscheidung gemäß den Vorgaben der Regulierungsstelle vor.

    (6)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle zu gewährleisten.“

    Polnisches Recht

    11

    Art. 417 des Kodeks cywilny (Zivilgesetzbuch) (Dz. U. 1964, Nr. 16, Position 93) bestimmt:

    „§ 1.   Für den Schaden, der durch eine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung bei der Ausübung der öffentlichen Gewalt verursacht wurde, haftet der Fiskus oder die Gebietskörperschaft oder die andere juristische Person, die diese Gewalt kraft Gesetzes ausübt.

    § 2.   Ist mit der Ausübung von Aufgaben im Bereich der öffentlichen Gewalt vertraglich eine Gebietskörperschaft oder eine andere juristische Person beauftragt worden, so haften der beauftragte Vertragspartner und die beauftragende Gebietskörperschaft oder der Fiskus gesamtschuldnerisch für den verursachten Schaden.“

    12

    Art. 4171 dieses Gesetzbuchs sieht vor:

    „§ 1.   Der Ersatz eines Schadens, der durch den Erlass eines normativen Rechtsakts verursacht wurde, kann verlangt werden, nachdem die Unvereinbarkeit dieses Rechtsakts mit der Verfassung, einem ratifizierten völkerrechtlichen Vertrag oder einem Gesetz in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wurde.

    § 2.   Der Ersatz eines Schadens, der durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung oder eine bestandskräftige Entscheidung verursacht wurde, kann verlangt werden, nachdem deren Rechtswidrigkeit in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wurde, soweit nichts anderes bestimmt ist. Das Gleiche gilt, wenn die rechtskräftige Gerichtsentscheidung oder die bestandskräftige Entscheidung auf der Grundlage eines mit der Verfassung, einem ratifizierten völkerrechtlichen Vertrag oder einem Gesetz unvereinbaren normativen Rechtsakts erlassen wurde.

    § 3.   Der Ersatz eines Schadens, der durch den Nichterlass einer Gerichtsentscheidung oder einer Entscheidung, deren Erlass durch eine Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist, verursacht wurde, kann verlangt werden, wenn in dem dafür vorgesehenen Verfahren die Rechtswidrigkeit dieses Unterlassens festgestellt worden ist, soweit nichts anderes bestimmt ist.

    § 4.   Ist der Schaden durch den Nichterlass eines normativen Rechtsakts verursacht worden, dessen Erlass durch eine Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist, so wird die Rechtswidrigkeit dieses Unterlassens von dem Gericht festgestellt, bei dem die Schadensersatzklage anhängig ist.“

    13

    Art. 33 der Ustawa o transporcie kolejowym (Gesetz über den Eisenbahnverkehr) vom 28. März 2003 (Dz. U. Nr. 86, Position 789) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Fassung bestimmt:

    „1.   Der Betreiber setzt die Höhe des Entgelts für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur durch die Eisenbahnunternehmen fest.

    2.   Das Basisentgelt für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur wird unter Berücksichtigung der Kosten des Betreibers, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs des Eisenbahnunternehmens anfallen, festgesetzt.

    3.   Das Nutzungsentgelt für die Eisenbahninfrastruktur setzt sich aus dem Basisentgelt und den Zusatzentgelten zusammen.

    3a.   Im Rahmen des Basisentgelts erhebt der Betreiber ein gesondert festgesetztes Entgelt für

    1)

    den Mindestzugang zur Eisenbahninfrastruktur, der die in Teil I Abs. 1 des Anhangs des Gesetzes genannten Leistungen umfasst;

    2)

    den Zugang zu den Einrichtungen für die Wartung von Zügen, der die in Teil I Abs. 2 des Anhangs des Gesetzes genannten Leistungen umfasst.“

    14

    Mit Art. 35 des Gesetzes über den Eisenbahnverkehr wird der für Verkehrsangelegenheiten zuständige Minister gesetzlich zum Erlass von Verordnungen ermächtigt.

    15

    § 8 des Rozporządzenie Ministra Infrastruktury w sprawie warunków dostępu i korzystania z infrastruktury kolejowej (Verordnung des Ministers für Infrastruktur über die Bedingungen für den Zugang zur und die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur) vom 27. Februar 2009 (Dz. U. Nr. 35, Position 274) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:

    „1.   Bei der Berechnung der Sätze für die Bereitstellung der Eisenbahninfrastruktur berücksichtigt der Betreiber:

    1)

    die direkten Kosten, die Folgendes umfassen:

    a)

    die Unterhaltskosten,

    b)

    die Kosten des Bahnverkehrs,

    c)

    die Abschreibung;

    2)

    die indirekten Kosten der Tätigkeiten, die andere gerechtfertigte Kosten des Betreibers als die in den Nrn. 1 und 3 genannten umfassen;

    3)

    die Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Rückzahlung von Krediten, die der Betreiber aufgenommen hat, um die bereitgestellte Infrastruktur auszubauen und zu modernisieren;

    4)

    die mit dem Betrieb zusammenhängende Arbeit, die für die einzelnen Kategorien von Linien und Zügen im Sinne von § 7 festgelegt ist.

    2.   Die Sätze unterscheiden sich je nach Kategorie der Eisenbahnlinie und dem Bruttogesamtgewicht des Zugs und steigen mit dem Anwachsen dieser Parameter.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    16

    PKP PLK ist in Polen Betreiber der Infrastruktur im Sinne von Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2001/14. Sie wurde von der Polskie Koleje Państwowe S.A. gegründet, die – mit dem Fiskus – ihr Anteilseigner ist.

    17

    KM ist ein öffentliches Eisenbahnverkehrsunternehmen, dessen Anteile vom Województwo Mazowieckie (Woiwodschaft Masowien, Polen) gehalten werden.

    18

    Am 19. Mai 2009 schloss KM mit der Woiwodschaft Masowien einen Rahmenvertrag über die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen im Bereich der Durchführung der regionalen Beförderung von Personen mit dem Zug im Gebiet dieser Gebietskörperschaft. Dieser Rahmenvertrag sah u. a. vor, dass die gesamten Kosten in Verbindung mit der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung, die die Einnahmen des Eisenbahnunternehmens überstiegen, durch eine Ausgleichszahlung der Woiwodschaft Masowien zuzüglich eines ebenfalls von dieser gezahlten angemessenen Gewinns gedeckt würden.

    19

    Für die Zeiträume 2009/2010 und 2010/2011 schlossen PKP PLK und KM Verträge über die Nutzung von Zugtrassen, mit denen die Erstgenannte der Zweitgenannten Zugang zur Eisenbahninfrastruktur gewährte. Die von PKP PLK festgelegten Sätze pro Einheit des von KM zu zahlenden Entgelts wurden durch Entscheidung des UTK genehmigt.

    20

    Da PKP PLK und KM für die Zeiträume 2011/2012 und 2012/2013 keine Vereinbarung schlossen, legte der UTK die Bedingungen für die Bereitstellung der Eisenbahninfrastruktur fest.

    21

    Mit Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Polen (C‑512/10, EU:C:2013:338), entschied der Gerichtshof, dass die Republik Polen dadurch, dass sie keine Maßnahmen erlassen hat, die dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zusatzentgelte geben sollen, und dass sie es erlaubt, in die Berechnung des Entgelts für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen Kosten einzubeziehen, die nicht als unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallend angesehen werden können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 verstoßen hat.

    22

    Nach der Verkündung dieses Urteils erhob KM beim Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen) Klage auf Verurteilung des Fiskus – in der Person des Ministers für Infrastruktur und des Präsidenten des UTK – sowie von PKP PLK als Gesamtschuldner zur Zahlung des Betrags von 220204408,72 polnischen Zloty (PLN) (ungefähr 48 Mio. Euro) zuzüglich Zinsen für den Schaden, der ihr aufgrund der unberechtigten Berechnung von Basisentgelten für den Mindestzugang zur Eisenbahninfrastruktur während der Geltung der Fahrpläne in den Zeiträumen 2009/2010 bis 2012/2013 entstanden sein soll.

    23

    Zur Stützung ihrer Klage machte KM geltend, dass die Verordnung des Ministers für Infrastruktur über die Bedingungen für den Zugang zur und die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur mit der Richtlinie 2001/14 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Polen (C‑512/10, EU:C:2013:338), unvereinbar sei, da diese Ministerialverordnung es erlaubt habe, in die Berechnung des Entgelts für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen Kosten einzubeziehen, die nicht als unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallend angesehen werden könnten. KM berief sich ferner auf die Vorschriften über nicht geschuldete Leistungen.

    24

    Mit Urteil vom 24. März 2016 wies der Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau) die Klage ab und begründete dies u. a. wie folgt: Zunächst habe die Richtlinie 2001/14 den Eisenbahnunternehmen kein subjektives Recht auf Zahlung des Entgelts für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur in einer bestimmten maximalen Höhe verliehen, sodann bedeute das Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Polen (C‑512/10, EU:C:2013:338), nicht, dass die öffentliche Verwaltung rechtswidrig gehandelt habe, da die angeblich verletzten Bestimmungen der Richtlinie 2001/14 nicht hinreichend genau seien, damit der Staat hafte, und schließlich habe KM nicht geltend gemacht, dass die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen des UTK in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt worden sei.

    25

    Mit Urteil vom 18. Dezember 2017 wies der Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau, Polen) die Berufung von KM zurück.

    26

    Hierzu stellte er u. a. fest, dass die Richtlinie 2001/14 keine bestimmte Entgelthöhe vorsehe und dass aus dem Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Polen (C-512/10, EU:C:2013:338), jedenfalls nicht hervorgehe, dass die von KM entrichteten Entgelte überhöht gewesen seien.

    27

    KM legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) ein.

    28

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich hinsichtlich der Entgelte für die Nutzung der Infrastruktur aus dem Urteil vom 30. Mai 2013, Kommission/Polen (C‑512/10, EU:C:2013:338), ergebe, dass die Republik Polen die Richtlinie 2001/14, insbesondere Art. 7 Abs. 3, nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, mit der zu Unrecht erfolgten Zahlung eines Teils dieses Entgelts als möglicher nachteiliger Folge.

    29

    Allerdings sei es nach Art. 30 dieser Richtlinie u. a. Aufgabe der Regulierungsstelle, zu gewährleisten, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte dem Kapitel II dieser Richtlinie entsprächen und nicht diskriminierend seien.

    30

    Das Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics (C‑489/15, EU:C:2017:834), insbesondere dessen Rn. 97, habe eine wichtige Klarstellung zur Anwendung der Richtlinie 2001/14 bewirkt, da der Gerichtshof in Bezug auf die Erstattung von Entgelten nach dem Zivilrecht davon ausgegangen sei, dass eine solche Erstattung nur dann in Betracht kommen könne, wenn die Rechtswidrigkeit des betreffenden Entgelts zuvor von der Regulierungsstelle oder von einem Gericht, das zur Überprüfung der Entscheidung dieser Stelle befugt sei, im Einklang mit den Vorschriften des nationalen Rechts festgestellt worden sei. Die Beteiligung anderer Gerichte an der Kontrolle der Erhebung von Entgelten würde nämlich zu einer Beeinträchtigung der allein von dieser Regulierungsstelle ausgeübten Kontrolle führen.

    31

    Das vorlegende Gericht stellt sich daher die Frage, ob ein Eisenbahnunternehmen im Rahmen einer Klage wegen zivilrechtlicher Haftung auf Ersatz des Schadens in Form eines zu viel gezahlten Entgelts für die Nutzung von Einbahninfrastruktur, der durch eine nicht ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie 2001/14 entstanden ist, den Betreiber der Infrastruktur und den Staat unmittelbar vor den ordentlichen Zivilgerichten verklagen kann, ohne dass die Entscheidung der Regulierungsstelle zuvor gerichtlich überprüft worden wäre.

    32

    Was ferner die Haftung des Staates wegen fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie 2001/14 betrifft, weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die sich insbesondere aus dem Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79), ergebe, es zu erlauben scheine, dass eine solche Haftung nach nationalem Recht begründet werden könne, wenn die darin festgelegten Voraussetzungen weniger streng als die des Unionsrechts seien.

    33

    Nach polnischem Recht sei die außervertragliche Haftung des Staates nicht auf Fälle offenkundiger Rechtswidrigkeit beschränkt, sondern könne nach Art. 4171 §§ 1 und 4 des Zivilgesetzbuchs im Fall der Unvereinbarkeit eines nationalen Rechtsakts mit der polnischen Verfassung, einem völkerrechtlichen Vertrag oder einem Gesetz und, wenn ein Schaden durch den Nichterlass eines normativen Rechtsakts verursacht worden sei, dessen Erlass durch eine Rechtsvorschrift vorgeschrieben sei, durch die Feststellung dieses Nichterlasses begründet werden.

    34

    Zudem könne die Haftung des Staates im Unterschied zur Rechtsprechung des Gerichtshofs nach Art. 361 § 1 des Zivilgesetzbuchs auch dann begründet werden, wenn zwischen dem Fehlverhalten des Staates und dem erlittenen Schaden ein mittelbarer Kausalzusammenhang bestehe.

    35

    Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob das Unionsrecht dem entgegensteht, dass das nationale Recht über die zivilrechtliche Haftung den Anspruch Einzelner auf Ersatz des Schadens, der durch einen Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht entstanden ist, von weniger strengen Voraussetzungen abhängig macht, als sie im Unionsrecht vorgesehen sind.

    36

    Unter diesen Umständen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind die Vorschriften der Richtlinie 2001/14 und insbesondere Art. 4 Abs. 5 sowie Art. 30 Abs. 1, 3, 5 und 6 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass sie es einem Eisenbahnunternehmen verwehren, Schadensersatzansprüche gegen einen Mitgliedstaat wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie geltend zu machen, ohne dass ein Gericht die Entscheidung der Aufsichtsbehörde geprüft hat, wenn der Schaden in einem zu viel gezahlten Entgelt für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur bestehen soll?

    2.

    Wenn das Recht auf Schadensersatz auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts wegen fehlerhafter Anwendung des Rechts der Europäischen Union und insbesondere wegen fehlerhafter oder fehlender Umsetzung einer Richtlinie nur dann besteht, wenn die Norm, gegen die verstoßen wurde, für die Einzelnen Rechte erzeugt, der Rechtsverstoß qualifiziert ist (insbesondere in Form einer offensichtlichen und schweren Überschreitung des Ermessens des Mitgliedstaats bei der Umsetzung einer Richtlinie) und ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß und dem Schaden besteht, steht dies dann der Regelung im Recht eines Mitgliedstaats entgegen, die in solchen Fällen ein Recht auf Schadensersatz bei Erfüllung weniger strenger Voraussetzungen zuerkennt?

    Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

    37

    Mit am 1. Juli 2021 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingereichtem Schriftsatz hat der Rzecznik Praw Obywatelskich (Bürgerrechtsbeauftragter, Polen) gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs einen mit Gründen versehenen Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens gestellt.

    38

    Der Gerichtshof befindet nach Anhörung des Generalanwalts, dass dieser Antrag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestellt werden konnte. Demzufolge ist der Antrag zurückzuweisen.

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    39

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 2001/14, insbesondere Art. 4 Abs. 5 und Art. 30, dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass ein ordentliches Gericht eines Mitgliedstaats über eine Staatshaftungsklage entscheidet, die ein Eisenbahnunternehmen wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie erhoben hat, die zur Zahlung eines angeblich zu hohen Entgelts an den Betreiber der Infrastruktur geführt hat, wenn die Regulierungsstelle und gegebenenfalls das für die Entscheidung über Klagen gegen Entscheidungen dieser Stelle zuständige Gericht noch nicht über die Rechtmäßigkeit dieses Entgelts entschieden haben.

    40

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 der Richtlinie 2001/14 in Abs. 1 Unterabs. 2 vorsieht, dass der Betreiber der Infrastruktur die Berechnung des Wegeentgelts und die Erhebung dieses Entgelts vornimmt, und in Abs. 5 klarstellt, dass dieser dafür Sorge zu tragen hat, dass die Anwendung der Entgeltregelung zu gleichwertigen und nicht diskriminierenden Entgelten für unterschiedliche Eisenbahnunternehmen führt, die Dienste gleichwertiger Art in ähnlichen Teilen des Markts erbringen, und dass die tatsächlich erhobenen Entgelte den in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorgesehenen Regeln entsprechen.

    41

    Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 setzt die in den Erwägungsgründen 11 und 16 dieser Richtlinie genannten Grundsätze um, dass bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen allen Unternehmen ein gleicher und nicht diskriminierender Zugang geboten und den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten so weit wie möglich gerecht und in nicht diskriminierender Weise entsprochen werden sollte, um einen fairen Wettbewerb bei der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen zu ermöglichen.

    42

    Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung von Eisenbahnunternehmen, der u. a. durch Art. 9 Abs. 5 dieser Richtlinie umgesetzt wurde, wonach auf ähnliche Verkehrsdienste ähnliche Nachlassregelungen anzuwenden sind, stellt das zentrale Kriterium für die Berechnung und Erhebung des Wegeentgelts dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 47).

    43

    Es ist daher Sache der Betreiber der Infrastruktur, die die Entgelte ohne Diskriminierung berechnen und erheben müssen, nicht nur die Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf alle Fahrwegnutzer gleich anzuwenden, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass die tatsächlich erhobenen Entgelte diesen Bedingungen entsprechen (Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 50).

    44

    In Bezug auf die Regulierungsstelle ist darauf hinzuweisen, dass nach dem 46. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14 die effiziente Verwaltung und die gerechte und nicht diskriminierende Nutzung von Eisenbahnfahrwegen die Einrichtung einer Regulierungsstelle erfordern, die über die Anwendung dieser Rechtsvorschriften der Union wacht und ungeachtet der gerichtlichen Nachprüfbarkeit als Beschwerdestelle fungieren kann.

    45

    Gemäß Art. 30 Abs. 1 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten eine solche Stelle einzurichten, die von einem Antragsteller, der der Auffassung ist, „ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein“, nach Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie mit einer Beschwerde befasst werden kann. Die insoweit erhobene Beschwerde betrifft nach der letztgenannten Bestimmung insbesondere die Entscheidungen des Betreibers der Infrastruktur über die Entgeltregelung oder die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die der Antragsteller zu zahlen hat oder hätte.

    46

    Außerdem gewährleistet die Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte dem Kapitel II entsprechen und nicht diskriminierend sind.

    47

    Schließlich hat die Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 über Beschwerden zu entscheiden, mit denen sie befasst wird, und ihre Entscheidungen sind für alle davon Betroffenen verbindlich, während die Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs. 6 dieser Richtlinie sicherstellen müssen, dass diese Entscheidungen gerichtlich nachprüfbar sind.

    48

    Im Kontext eines Rechtsstreits, in dem der Nutzer einer Eisenbahninfrastruktur vor einem nationalen ordentlichen Gericht Klage erhoben hatte, um die Rückzahlung eines Teils der an den Betreiber der betreffenden Infrastruktur gezahlten Entgelte zu erlangen, hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Bestimmungen dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die Wegeentgelte im Eisenbahnverkehr von den ordentlichen Gerichten im Einzelfall auf Billigkeit überprüft und gegebenenfalls unabhängig von der in Art. 30 der Richtlinie vorgesehenen Überwachung durch die Regulierungsstelle abgeändert werden können (Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 103).

    49

    Eine solche nationale Regelung hätte nämlich zur Folge, dass an die Stelle der einen Kontrolle durch die zuständige Stelle verschiedene, unter Umständen nicht durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung harmonisierte Entscheidungen unabhängiger Gerichte treten würden, so dass in offenkundigem Widerspruch zu dem mit Art. 30 der Richtlinie 2001/14 verfolgten Ziel zwei unkoordinierte Rechtswege nebeneinander bestünden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 87).

    50

    Zudem entfalten die Entscheidungen der Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 Wirkungen für alle davon Betroffenen des Eisenbahnsektors, sowohl für die Verkehrsunternehmen als auch für die Betreiber der Infrastruktur. Die Wirkungen der Urteile der Zivilgerichte, in denen gegebenenfalls die in den Vorschriften über die Berechnung der Entgelte aufgestellten Kriterien herangezogen werden, sind hingegen auf die Parteien des jeweiligen Rechtsstreits begrenzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 94).

    51

    Dadurch könnte ein Zugangsberechtigter, der gegen den Betreiber der Infrastruktur Klage vor den ordentlichen Gerichten erhebt, um die Höhe des Entgelts anzufechten, gegenüber seinen Wettbewerbern, die keine solche Klage erhoben haben, begünstigt werden, was das Ziel, einen fairen Wettbewerb im Sektor der Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen zu gewährleisten, gefährden würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, CTL Logistics, C‑489/15, EU:C:2017:834, Rn. 95 und 96).

    52

    Die in den Rn. 48 bis 51 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung ist auf das Ausgangsverfahren in vollem Umfang anwendbar.

    53

    Da KM nämlich wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 2001/14, insbesondere von Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie über die Entgeltgrundsätze, die Rückzahlung von – ihrem Vorbringen nach – zu viel gezahlten Entgelten an die PKP PLK, die Betreiberin der Infrastruktur in Polen, begehrt, ist ihre Klage vor den ordentlichen Zivilgerichten als unmittelbar mit der Anfechtung der Höhe des zuvor vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten individuellen Entgelts verbunden anzusehen.

    54

    Ließe man zu, dass ordentliche Gerichte über einen solchen Rechtsstreit entscheiden können, ohne dass sich die Regulierungsstelle und gegebenenfalls das für die Entscheidung über Klagen gegen Entscheidungen dieser Stelle zuständige Gericht gemäß Art. 30 Abs. 3, 5 und 6 der Richtlinie 2001/14 zur Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Entgelte geäußert und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen getroffen haben, um deren etwaiger Rechtswidrigkeit abzuhelfen, würde die Aufgabe der Regulierungsstelle und damit auch die praktische Wirksamkeit von Art. 30 dieser Richtlinie in Frage gestellt.

    55

    Daraus folgt, dass ein ordentliches Gericht nicht über die Anträge im Zusammenhang mit einer Haftungsklage wegen angeblich fehlerhafter Umsetzung der Richtlinie 2001/14 entscheiden kann, ohne dass die Regulierungsstelle oder das für die Entscheidung über Klagen gegen ihre Entscheidungen zuständige Gericht zuvor über die Rechtmäßigkeit der vor diesem ordentlichen Gericht angegriffenen Entscheidungen des Netzbetreibers entschieden hat. Diese Verfahrensmodalität, die für Klagen gilt, mit denen sichergestellt werden soll, dass Einzelne auf der Grundlage des Unionsrechts den Ersatz des Schadens erlangen können, der ihnen infolge eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie entstanden ist, fällt somit unter diese Richtlinie und nicht unter die Verfahrensautonomie des betreffenden Mitgliedstaats.

    56

    KM macht jedoch in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass es ihr in der Praxis unmöglich gewesen sei, die Höhe ihres individuellen Entgelts vor der nationalen Regulierungsstelle anzufechten. Wie der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) entschieden habe, könnte eine bei dieser Stelle eingelegte Beschwerde nämlich allenfalls zu einer Prüfung durch diese Stelle führen, nicht aber zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens, in dem das betreffende Eisenbahnunternehmen Parteistellung hätte und die Regulierungsstelle für die Entscheidung des Streits zwischen ihm und dem Betreiber der Infrastruktur zuständig wäre. Daher wären die Eisenbahnunternehmen, die nur gegen das Ergebnis einer solchen Prüfung vorgehen könnten, gezwungen, vor den ordentlichen Zivilgerichten auf Schadensersatz zu klagen.

    57

    Selbst wenn ein solcher Umstand erwiesen sein sollte, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, ist in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen darauf hinzuweisen, dass in Art. 30 Abs. 2, 5 und 6 der Richtlinie 2001/14 das Recht des Eisenbahnunternehmens verankert ist, die Höhe der vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten individuellen Entgelte bei der Regulierungsstelle anzufechten und gegebenenfalls die von dieser Stelle getroffene Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen, indem es dazu das zuständige Gericht anruft.

    58

    Insoweit ist noch hervorzuheben, dass die Bestimmungen von Art. 30 Abs. 2, 5 und 6 der Richtlinie 2001/14 unbedingt und hinreichend genau sind und damit unmittelbare Wirkung haben (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Mai 2020, Országos Idegenrendészeti Főigazgatóság Dél-alföldi Regionális Igazgatóság, C‑924/19 PPU und C‑925/19 PPU, EU:C:2020:367, Rn. 288). Diese Bestimmungen gelten daher für alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, d. h. nicht nur für die nationalen Gerichte, sondern auch für alle Träger der Verwaltung, einschließlich der dezentralen Stellen, und diese Stellen sind verpflichtet, sie anzuwenden (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 90).

    59

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2001/14, insbesondere Art. 4 Abs. 5 und Art. 30, dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass ein ordentliches Gericht eines Mitgliedstaats über eine Staatshaftungsklage entscheidet, die ein Eisenbahnunternehmen wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie erhoben hat, die zur Zahlung eines angeblich zu hohen Entgelts an den Betreiber der Infrastruktur geführt hat, wenn die Regulierungsstelle und gegebenenfalls das für die Entscheidung über Klagen gegen Entscheidungen dieser Stelle zuständige Gericht noch nicht über die Rechtmäßigkeit dieses Entgelts entschieden haben. Art. 30 Abs. 2, 5 und 6 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er vorschreibt, dass ein über eine Zugangsberechtigung verfügendes Eisenbahnunternehmen berechtigt ist, die Höhe der vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten individuellen Entgelte vor der Regulierungsstelle anzufechten, dass diese Stelle eine Entscheidung über eine solche Anfechtung trifft und dass diese Entscheidung vom hierfür zuständigen Gericht überprüft werden kann.

    Zur zweiten Frage

    60

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es dem entgegensteht, dass das nationale Recht über die zivilrechtliche Haftung den Anspruch der Einzelnen auf Ersatz des Schadens, der ihnen wegen des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht entstanden ist, von weniger strengen Voraussetzungen abhängig macht, als sie das Unionsrecht vorsieht.

    61

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass im Unionsrecht ein Ersatzanspruch anerkannt ist, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, soll den Einzelnen Rechte verleihen, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert, und schließlich besteht zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Zusammenhang (Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 51, und vom 29. Juli 2019, Hochtief Solutions Magyarországi Fióktelepe, C‑620/17, EU:C:2019:630, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    62

    Ebenso hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die drei in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen es nicht ausschließen, dass ein Staat nach nationalem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen haftet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 66, vom 12. September 2006, Eman und Sevinger, C‑300/04, EU:C:2006:545, Rn. 69, und vom 29. Juli 2019, Hochtief Solutions Magyarországi Fióktelepe, C‑620/17, EU:C:2019:630, Rn. 37 und 38 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    63

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es dem nicht entgegensteht, dass das nationale Recht über die zivilrechtliche Haftung den Anspruch der Einzelnen auf Ersatz des Schadens, der ihnen wegen des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht entstanden ist, von weniger strengen Voraussetzungen abhängig macht, als sie das Unionsrecht vorsieht.

    Kosten

    64

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Die Bestimmungen der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 geänderten Fassung, insbesondere Art. 4 Abs. 5 und Art. 30, sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass ein ordentliches Gericht eines Mitgliedstaats über eine Staatshaftungsklage entscheidet, die ein Eisenbahnunternehmen wegen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie erhoben hat, die zur Zahlung eines angeblich zu hohen Entgelts an den Betreiber der Infrastruktur geführt hat, wenn die Regulierungsstelle und gegebenenfalls das für die Entscheidung über Klagen gegen Entscheidungen dieser Stelle zuständige Gericht noch nicht über die Rechtmäßigkeit dieses Entgelts entschieden haben.

    Art. 30 Abs. 2, 5 und 6 der Richtlinie 2001/14 in der durch die Richtlinie 2007/58 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er vorschreibt, dass ein über eine Zugangsberechtigung verfügendes Eisenbahnunternehmen berechtigt ist, die Höhe der vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten individuellen Entgelte vor der Regulierungsstelle anzufechten, dass diese Stelle eine Entscheidung über eine solche Anfechtung trifft und dass diese Entscheidung vom hierfür zuständigen Gericht überprüft werden kann.

     

    2.

    Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es dem nicht entgegensteht, dass das nationale Recht über die zivilrechtliche Haftung den Anspruch der Einzelnen auf Ersatz des Schadens, der ihnen wegen des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht entstanden ist, von weniger strengen Voraussetzungen abhängig macht, als sie das Unionsrecht vorsieht.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.

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