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Document 62020CJ0077

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 11. Februar 2021.
Strafverfahren gegen K. M.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Fischereipolitik – Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 – Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik – Einsatz einer Vorrichtung an Bord eines Fischereifahrzeugs, mit der Fische automatisch nach Größe sortiert werden können – Art. 89 – Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften – Art. 90 – Strafrechtliche Sanktionen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-77/20.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:112

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

11. Februar 2021 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Fischereipolitik – Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 – Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik – Einsatz einer Vorrichtung an Bord eines Fischereifahrzeugs, mit der Fische automatisch nach Größe sortiert werden können – Art. 89 – Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften – Art. 90 – Strafrechtliche Sanktionen – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑77/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) mit Entscheidung vom 21. Januar 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Februar 2020, in dem Strafverfahren gegen

K. M.,

Beteiligter:

Director of Public Prosecutions,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von K. M., vertreten durch E. Sweetman, BL, D. C. Smyth, SC, und D. F. Conway, Solicitor,

des Director of Public Prosecutions, vertreten durch H. Kiely und A. Collins als Bevollmächtigte im Beistand von F. McDonagh, SC, und T. Rice, BL,

von Irland, vertreten durch A. Joyce, J. Quaney und M. Browne als Bevollmächtigte im Beistand von B. Doherty, BL,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Moro, K. Walkerová und A. Dawes als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, von Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie der Art. 89 und 90 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. 2009, L 343, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens, das vom Director of Public Prosecutions (Generalstaatsanwalt, Irland) gegen K. M., den Kapitän eines Fischereifahrzeugs, wegen Mitführens einer Vorrichtung an Bord eingeleitet wurde, mit der Heringe, Makrelen oder Stöcker automatisch nach Größe sortiert werden können, ohne dass diese Vorrichtung so installiert oder angeordnet war, dass das sofortige Einfrieren sichergestellt war oder Rückwürfe nicht möglich waren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 850/98

3

Art. 19a („Verbot der Fangaufwertung [‚Highgrading‘]“) der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren (ABl. 1998, L 125, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 (ABl. 2013, L 78, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 850/98) bestimmt:

„(1)   In den Regionen 1, 2, 3 und 4 sind Rückwürfe quotengebundener Arten, die bei Fischereieinsätzen rechtmäßig angelandet werden können, verboten.

(2)   Die Bestimmungen von Absatz 1 gelten unbeschadet der Verpflichtungen, die in dieser Verordnung oder jedwedem anderen Rechtsakt der Union auf dem Gebiet der Fischerei festgelegt sind.“

4

Art. 32 („Einschränkung des Einsatzes von automatischen Sortiermaschinen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Vorrichtungen, mit denen Heringe, Makrelen oder Stöcker automatisch nach Größe oder Geschlecht sortiert werden können, dürfen nicht an Bord eines Fischereifahrzeugs mitgeführt oder eingesetzt werden.

(2)   Das Mitführen und der Einsatz solcher Vorrichtungen sind jedoch unter folgenden Bedingungen erlaubt:

a)

Von dem betreffenden Schiff werden nicht gleichzeitig Schleppnetze mit einer Maschenöffnung von weniger als 70 mm oder eine oder mehrere Ringwaden oder ähnliche Fanggeräte an Bord mitgeführt oder verwendet,

oder

b)

i)

der gesamte Fang, der nach den geltenden Vorschriften an Bord behalten werden darf, wird in tiefgefrorenem Zustand aufbewahrt, die sortierten Fische werden sofort nach dem Sortieren tiefgefroren und sortierte Fische werden nicht ins Meer zurückgeworfen, es sei denn, dies ist nach Artikel 19 erforderlich,

und

ii)

die Vorrichtung ist auf dem Schiff so installiert und angeordnet, dass das sofortige Tiefgefrieren sichergestellt ist und Rückwürfe nicht möglich sind.

(3)   Schiffe, die zur Fischerei in der Ostsee, den Belten oder dem Öresund zugelassen sind, dürfen in anderen Gemeinschaftsgewässern automatische Sortiermaschinen an Bord mitführen, sofern ihnen hierfür eine spezielle Fangerlaubnis erteilt wurde.

In der speziellen Fangerlaubnis sind die Arten, Gebiete, Zeiten und sonstigen Bedingungen für die Verwendung der Sortiermaschinen und ihr Mitführen an Bord festgelegt.“

Verordnung (EG) Nr. 1005/2008

5

Art. 3 („Schiffe, die an [illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter] Fischerei beteiligt sind“) der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 des Rates vom 29. September 2008 über ein Gemeinschaftssystem zur Verhinderung, Bekämpfung und Unterbindung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei, zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1936/2001 und (EG) Nr. 601/2004 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 1093/94 und (EG) Nr. 1447/1999 (ABl. 2008, L 286, S. 1) lautet:

„(1)   Von einer Beteiligung eines Fischereifahrzeugs an [illegaler, nicht gemeldeter und unregulierter] Fischerei wird ausgegangen, wenn nachgewiesen wird, dass es im Widerspruch zu den Erhaltungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen, die in dem betreffende[n] Gebiet gelten,

e)

verbotenes oder vorschriftswidriges Fanggerät verwendet hat oder

(2)   Die Tätigkeiten nach Absatz 1 gelten je nach der Schwere des betreffenden Verstoßes, über die, anhand von Kriterien wie dem entstandenen Schaden, dem Schadenswert, dem Ausmaß des Verstoßes oder der Frage, ob der Verstoß wiederholt begangen wurde, die zuständige Behörde des Mitgliedstaats befindet, als schwere Verstöße im Sinne des Artikels 42.“

6

Art. 42 („Schwere Verstöße“) der Verordnung Nr. 1005/2008 bestimmt:

„(1)   Für die Zwecke der vorliegenden Verordnung gelten als ‚schwere Verstöße‘

a)

die Tätigkeiten, die nach den Kriterien in Artikel 3 den Tatbestand der [illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten] Fischerei erfüllen,

(2)   Die Schwere des Verstoßes wird von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats unter Berücksichtigung der in Artikel 3 Absatz 2 genannten Kriterien festgestellt.“

7

Art. 44 („Sanktionen für schwere Verstöße“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass gegen eine natürliche Person, die einen schweren Verstoß begangen hat, oder gegen eine juristische Person, die für einen schweren Verstoß verantwortlich ist, wirksame, angemessene und abschreckende administrative Sanktionen verhängt werden.

(2)   Die Mitgliedstaaten schreiben eine Höchstsanktion von mindestens dem Fünffachen des Wertes der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse vor.

Für den Fall eines wiederholten schweren Verstoßes binnen fünf Jahren schreiben die Mitgliedstaaten eine Höchstsanktion von mindestens dem Achtfachen des Wertes der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse vor.

Bei der Anwendung dieser Sanktionen berücksichtigen die Mitgliedstaaten auch den Wert des Schadens an den entsprechenden Fischereiressourcen und der entsprechenden Meeresumwelt.

(3)   Die Mitgliedstaaten können außerdem oder alternativ dazu wirksame, angemessene und abschreckende strafrechtliche Sanktionen verhängen.“

8

Art. 45 („Begleitsanktionen“) Nr. 3 der Verordnung sieht vor:

„Zusätzlich zu den in diesem Kapitel vorgesehenen Sanktionen können weitere Sanktionen verhängt oder Maßnahmen getroffen werden, insbesondere

3.

die Beschlagnahme von verbotenem Fanggerät, Fängen oder Fischereierzeugnissen,

…“

Verordnung Nr. 1224/2009

9

Die Erwägungsgründe 2, 38 und 39 der Verordnung Nr. 1224/2009 lauten wie folgt:

„(2)

Da der Erfolg der gemeinsamen Fischereipolitik von der Durchführung einer wirksamen Kontrollregelung abhängt, soll mit dieser Verordnung im Rahmen eines umfassenden und integrierten Ansatzes eine gemeinschaftliche Regelung zur Kontrolle, Inspektion und Durchsetzung im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip festgelegt werden, um die Einhaltung aller Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik zu gewährleisten und durch Einbeziehung aller Aspekte für die nachhaltige Bewirtschaftung der lebenden aquatischen Ressourcen zu sorgen.

(38)

Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sollten von Verstößen gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik abgeschreckt werden. Da gegen Verstöße gegen diese Vorschriften je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich vorgegangen wird, was zu Diskriminierung und unlauterem Wettbewerb zwischen den Fischern führt, und da das Fehlen abschreckender, verhältnismäßiger und wirksamer Sanktionen in bestimmten Mitgliedstaaten die Wirksamkeit der Kontrollen schwächt, sollten zur effektiven Abschreckung Verwaltungssanktionen in Verbindung mit einem Punktesystem für schwere Verstöße eingeführt werden.

(39)

Die anhaltend große Zahl schwerer Verstöße gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik in Gemeinschaftsgewässern oder durch Gemeinschaftsakteure ist zum großen Teil auf die mangelnde Abschreckungswirkung der für schwere Verstöße gegen diese Vorschriften in den nationalen Rechtsvorschriften festgesetzten Sanktionen zurückzuführen. Hinzu kommt, dass zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede zwischen der Höhe der Sanktionen bestehen, was für illegal operierende Marktteilnehmer einen Anreiz darstellt, in den Gewässern oder Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten mit den mildesten Sanktionen tätig zu sein. Deshalb sollte das Höchstmaß für Sanktionen bei schweren Verstößen gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik im Sinne des Artikels 44 der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 durch abschreckende Sanktionen ergänzt und dabei die Art des Schadens, der Wert der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse, die wirtschaftliche Lage des Täters und die Tatsache wiederholter Verstöße berücksichtigt werden. Ebenso sollten sofortige Durchsetzungsmaßnahmen und ergänzende Maßnahmen festgelegt werden.“

10

Art. 1 dieser Verordnung sieht vor, dass mit ihr „eine gemeinschaftliche Kontroll‑, Inspektions- und Durchsetzungsregelung … erlassen [wird], mit der die Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik sichergestellt werden soll.“

11

Art. 89 („Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften“) Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1224/2009 lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass gegen natürliche oder juristische Personen, die verdächtigt werden, gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik verstoßen zu haben, systematisch geeignete Maßnahmen einschließlich der Einleitung von Verwaltungs- oder Strafverfahren nach nationalem Recht ergriffen werden.

(2)   Die Gesamthöhe der Sanktionen und Begleitsanktionen wird in Übereinstimmung mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften so berechnet, dass den Verantwortlichen unbeschadet des ihnen zustehenden Rechts der Berufsausübung wirksam der wirtschaftliche Gewinn aus den Verstößen entzogen wird. Die Sanktionen müssen ferner so beschaffen sein, dass ein der Schwere des Verstoßes entsprechendes Ergebnis erzielt werden kann, um wirksam von weiteren Verstößen dieser Art abzuschrecken.

(3)   Die Mitgliedstaaten können die Höhe ihrer Bußgelder proportional zum Geschäftsumsatz der juristischen Person festsetzen oder proportional zu dem finanziellen Vorteil, der mit dem Verstoß erzielt oder beabsichtigt wurde.“

12

Art. 90 („Sanktionen bei schweren Verstößen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Zusätzlich zu Artikel 42 der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 gelten … auch die folgenden Handlungsweisen … als schwere Verstöße …:

c)

die Nichtanlandung von Fängen quotengebundener Arten, die während eines Fangeinsatzes im Rahmen von Fischereien oder in Fanggebieten, für die die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik gelten, getätigt wurden, es sei denn die Anlandung würde gegen Verpflichtungen im Rahmen der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik verstoßen.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine natürliche Person, die einen schweren Verstoß begangen hat, oder eine juristische Person, die für einen schweren Verstoß haftbar gemacht wird, nach Maßgabe der in Kapitel IX der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 vorgesehenen Sanktionen und Maßnahmen mit einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Verwaltungsstrafe belegt wird.

(3)   Unbeschadet des Artikels 44 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 schreiben die Mitgliedstaaten eine Sanktion vor, die tatsächlich abschreckend ist und gegebenenfalls nach dem Wert der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse berechnet wird.

(4)   Bei der Festsetzung der Sanktion tragen die Mitgliedstaaten auch dem Schaden Rechnung, der den betreffenden Fischereiressourcen und der Meeresumwelt zugefügt wurde.

(5)   Die Mitgliedstaaten können außerdem oder anstelle des Bußgeldes auch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende strafrechtliche Sanktionen verhängen.

(6)   Begleitend zu den Strafen nach diesem Kapitel können weitere, insbesondere die in Artikel 45 der Verordnung (EG) Nr. 1005/2008 beschriebenen Sanktionen oder Maßnahmen verhängt werden.“

Irisches Recht

13

Gemäß Art. 14 Abs. 3 des Sea Fisheries and Maritime Jurisdiction Act 2006 (Gesetz von 2006 über die Seefischerei und die Seegerichtsbarkeit, im Folgenden: Gesetz von 2006) kann der Kapitän im Fall eines Verstoßes gegen die nach diesem Artikel erlassenen Verordnungen, die Seefischereifahrzeuge oder das sich an Bord befindende Fanggerät oder Fanggeschirr betreffen, belangt werden. Art. 14 Abs. 4 des Gesetzes von 2006 sieht vor, dass der Angeklagte im Fall einer strafrechtlichen Verfolgung nachzuweisen hat, dass er die von ihm geltend gemachten Ausnahmetatbestände in Anspruch nehmen kann.

14

Art. 28 des Gesetzes von 2006 befasst sich mit Geldbußen für bestimmte Verstöße. Diese Geldbußen sind abhängig von der Art des Verstoßes sowie davon, ob es sich um ein vereinfachtes Verfahren handelt oder ob Anklage erhoben wird. Ein vereinfachtes Strafverfahren ist im irischen Rechtssystem ein Verfahren ohne Jury, das vor einem Einzelrichter stattfindet. Dieses Verfahren kommt nur bei geringfügigen Verstößen zur Anwendung. Über die schwerwiegenderen Verstöße wird nach Anklageerhebung entschieden und das Verfahren findet unter Beteiligung einer Jury statt.

15

Im Fall einer Verurteilung nach Anklageerhebung legen Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes von 2006 und die darin enthaltene Tabelle 1 den Höchstbetrag der Geldbuße fest, das Gericht kann aber eine geringere Geldbuße verhängen. Der Höchstbetrag der Geldbuße wird nach der Größe des betreffenden Schiffs festgesetzt. Zusätzlich zu einer nach diesem Artikel verhängten Geldbuße darf keine verwaltungsrechtliche Geldbuße oder Haftstrafe verhängt werden.

16

Art. 28 Abs. 5 des Gesetzes von 2006 sieht vor, dass die an Bord des betreffenden Schiffs vorgefundenen verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge sowie Fanggeräte als gesetzliche Folge einer Verurteilung beschlagnahmt werden können, wenn eine Person nach Anklageerhebung wegen einer nach diesem Gesetz vorgesehenen Straftat verurteilt wurde. Nach Art. 28 Abs. 5 Buchst. b dieses Gesetzes ist diese Beschlagnahme bei Verurteilung aufgrund des Großteils der im Gesetz von 2006 festgelegten Straftaten zwingend, darunter auch jene, derentwegen der Kläger im Ausgangsverfahren für schuldig befunden wurde. Das Gericht kann jedoch entscheiden, die Beschlagnahme im Fall einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die Art. 8 und 9 dieses Gesetzes, die die verbotene Anwesenheit eines Schiffs in der ausschließlichen Wirtschaftszone Irlands betreffen, nicht anzuordnen.

17

Art. 28 Abs. 6 des Gesetzes von 2006 legt die Vorschriften über die Beschlagnahme im Fall einer Verurteilung im vereinfachten Verfahren fest. Im Fall einer erstmaligen Straftat oder im Fall einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die Art. 8 oder 9 dieses Gesetzes liegt die Beschlagnahme im Ermessen des Gerichts. Im Fall einer zweiten oder weiteren Verurteilung ist die Beschlagnahme hingegen – mit Ausnahme einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen die Art. 8 oder 9 – zwingend.

18

Art. 28 Abs. 7 des Gesetzes von 2006 sieht vor, dass das Gericht zusätzlich zu einer Geldbuße und der Beschlagnahme dem betreffenden Schiff die Lizenz entziehen oder diese aussetzen kann.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

19

Am 11. Februar 2015 wurde ein im Vereinigten Königreich registriertes Fischereifahrzeug, dessen Kapitän K. M. war, auf See innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone Irlands von einem Schiff der irischen Marine, das im Rahmen der Sicherstellung des Schutzes der Seefischerei patrouillierte, angehalten.

20

Bei einer Inspektion des Fischereifahrzeugs wurde festgestellt, dass eine Vorrichtung an Bord mitgeführt wurde, mit der Heringe, Makrelen und Stöcker nach Größe sortiert werden können, ohne dass diese jedoch so installiert oder angeordnet war, dass das sofortige Einfrieren gewährleistet war oder Rückwürfe unmöglich waren. Die irische Marine war der Ansicht, dass die Art und Weise, wie diese Vorrichtung konstruiert war, die Vermutung nahelege, dass das betreffende Fischereifahrzeug einer verbotenen Fischereitätigkeit nachgehe, die „Fangaufwertung“ (highgrading) genannt wird und bei der die besten Fische aus dem Fang ausgewählt und die übrigen Fische wieder zurück ins Meer geworfen werden.

21

Da das Mitführen an Bord und der Einsatz solcher Vorrichtungen sowohl nach Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 850/98 als auch nach irischem Recht, nämlich den Sea Fisheries (Technical Measures) Regulations 2013 (Fischereiverordnung 2013 [Technische Maßnahmen]) und Art. 14 des Gesetzes von 2006, verboten ist, wurde K. M., nachdem er von einer Jury am 16. Juni 2015 wegen Mitführens dieser Vorrichtung für schuldig befunden worden war, am 27. Juli 2015 vom Cork Circuit Criminal Court (erstinstanzliches Strafgericht von Cork, Irland) gemäß der Anklage des Director of Public Prosecutions (Generalstaatsanwalt) verurteilt. Gegen ihn wurde eine Geldbuße von 500 Euro verhängt, nebst Beschlagnahme von Fang im Wert von 344000 Euro sowie Beschlagnahme der vorschriftswidrigen Fanggeräte im Wert von 55000 Euro.

22

K. M. legte gegen diese Verurteilung Berufung beim vorlegenden Gericht ein und beanstandete das Strafmaß, insbesondere die Beschlagnahme des Fangs sowie der vorschriftswidrigen Fanggeräte.

23

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob eine nationale Bestimmung, die im Fall eines schweren Verstoßes gegen die Vorschriften über die gemeinsame Fischereipolitik wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die zwingende Beschlagnahme der sich an Bord befindenden verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge und Fanggeräte als Sanktion vorsieht, mit der Verordnung Nr. 1224/2009 und dem in Art. 49 Abs. 3 der Charta verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

24

Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist im Zusammenhang mit der Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Anwendung der Bestimmungen von Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 und im Rahmen der Strafverfolgung zur Durchsetzung der Bestimmungen dieser Verordnung eine Vorschrift des nationalen Rechts, die im Falle eines Schuldspruchs neben einer Geldbuße auch die zwingende Beschlagnahme sämtlicher Fische und Fanggeräte vorsieht, die sich an Bord des Schiffs befinden, auf das sich die Straftat bezieht, mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1224/2009, insbesondere mit den Art. 89 und 90 dieser Verordnung, und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß den Verträgen und Art. 49 Abs. 3 der Charta vereinbar?

Zur Vorlagefrage

25

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 89 und 90 der Verordnung Nr. 1224/2009 im Licht des in Art. 49 Abs. 3 der Charta verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die als Sanktion für einen Verstoß gegen Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 nicht nur die Verhängung einer Geldbuße, sondern auch die zwingende Beschlagnahme der an Bord des betreffenden Schiffs vorgefundenen verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge und Fanggeräte vorsieht.

26

Zunächst ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 850/98, auf die in der Vorlageentscheidung Bezug genommen wird, zum 14. August 2019 durch die Verordnung (EU) 2019/1241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 mit technischen Maßnahmen für die Erhaltung der Fischereiressourcen und den Schutz von Meeresökosystemen, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1967/2006, (EG) Nr. 1224/2009 des Rates und (EU) Nr. 1380/2013, (EU) 2016/1139, (EU) 2018/973, (EU) 2019/472 und (EU) 2019/1022 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 894/97, (EG) Nr. 850/98, (EG) Nr. 2549/2000, (EG) Nr. 254/2002, (EG) Nr. 812/2004 und (EG) Nr. 2187/2005 des Rates (ABl. 2019, L 198, S. 105, berichtigt im ABl. 2019, L 231, S. 31) aufgehoben wurde. Da die Verordnung Nr. 850/98 jedoch zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft war, ist sie folglich auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar.

27

Aus Art. 1 der Verordnung Nr. 1224/2009 im Licht des zweiten Erwägungsgrundes dieser Verordnung geht hervor, dass angesichts der Abhängigkeit des Erfolgs der gemeinsamen Fischereipolitik von der Durchführung einer wirksamen Kontrollregelung mit dieser Verordnung im Rahmen eines umfassenden und integrierten Ansatzes eine Regelung zur Kontrolle, Inspektion und Durchsetzung im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip festgelegt werden soll, um die Einhaltung aller Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik zu gewährleisten und durch Einbeziehung aller Aspekte für die nachhaltige Bewirtschaftung der lebenden aquatischen Ressourcen zu sorgen.

28

Hierzu wird im 38. Erwägungsgrund dieser Verordnung näher ausgeführt, dass das Fehlen abschreckender, verhältnismäßiger und wirksamer Sanktionen in bestimmten Mitgliedstaaten die Wirksamkeit der Kontrollen schwächt.

29

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Verstöße gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden, ist nämlich von grundlegender Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Oktober 2009, Kommission/Italien, C‑249/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:672, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

In diesem Zusammenhang betrauen die Art. 89 und 90 der Verordnung Nr. 1224/2009 die Mitgliedstaaten mit der Aufgabe, zu gewährleisten, dass geeignete Maßnahmen zur Sanktionierung von Verstößen gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik ergriffen werden. Diese Artikel schreiben keine konkreten Sanktionen vor, legen aber bestimmte Kriterien fest, die von den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, und verankern den Grundsatz, dass diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

31

Insbesondere sieht Art. 89 Abs. 1 dieser Verordnung für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung vor, gegen natürliche oder juristische Personen, die verdächtigt werden, gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik verstoßen zu haben, systematisch geeignete Maßnahmen einschließlich der Einleitung von Verwaltungs- oder Strafverfahren nach nationalem Recht zu ergreifen.

32

Art. 89 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1224/2009 legt fest, dass die Gesamthöhe der Sanktionen und Begleitsanktionen in Übereinstimmung mit den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften so berechnet wird, dass den Verantwortlichen unbeschadet des ihnen zustehenden Rechts der Berufsausübung wirksam der wirtschaftliche Gewinn aus den Verstößen entzogen wird, und dass die Sanktionen so beschaffen sein müssen, dass ein der Schwere des Verstoßes entsprechendes Ergebnis erzielt werden kann, um wirksam von weiteren Verstößen dieser Art abzuschrecken. Wie aus Art. 89 Abs. 3 dieser Verordnung hervorgeht, können die Mitgliedstaaten zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit der Geldbuße bestimmte Gesichtspunkte berücksichtigen, darunter der Geschäftsumsatz der juristischen Person oder der finanzielle Vorteil, der mit dem Verstoß erzielt oder beabsichtigt wurde.

33

Art. 90 der Verordnung Nr. 1224/2009 betrifft schwere Verstöße. Gemäß Art. 90 Abs. 1 dieser Verordnung im Licht des 39. Erwägungsgrundes berücksichtigt die zuständige Behörde des Mitgliedstaats zur Bestimmung der Schwere der Verstöße Kriterien wie die Art des Schadens, den Schadenswert, die wirtschaftliche Lage des Täters, das Ausmaß oder die Wiederholung des Verstoßes. Diese Bestimmung verweist auch auf die in Art. 42 der Verordnung Nr. 1005/2008 in Verbindung mit deren Art. 3 genannten Tätigkeiten, die schwere Verstöße darstellen können und zu denen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verwendung von verbotenem oder vorschriftswidrigem Fanggerät gehört.

34

Hinsichtlich der Sanktionen ergibt sich aus Art. 90 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1224/2009, dass die Mitgliedstaaten eine Sanktion vorschreiben müssen, die tatsächlich abschreckend ist und gegebenenfalls nach dem Wert der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse berechnet wird. Hierzu wird in Art. 90 Abs. 4 dieser Verordnung klargestellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Sanktion auch dem Schaden Rechnung tragen müssen, der den betreffenden Fischereiressourcen und der Meeresumwelt zugefügt wurde. Im Übrigen können die Mitgliedstaaten nach Art. 90 Abs. 5 dieser Verordnung außerdem oder anstelle des Bußgeldes auch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende strafrechtliche Sanktionen verhängen.

35

Daraus folgt, dass die Wahl der Sanktionen unter Beachtung dieser sich aus den Art. 89 und 90 der Verordnung Nr. 1224/2009 ergebenden Grenzen den Mitgliedstaaten überlassen bleibt.

36

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene auf dem Gebiet der Sanktionen befugt bleiben, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind allerdings verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten (Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Insbesondere dürfen die administrativen oder repressiven Maßnahmen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften gestattet sind, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele erforderlich ist (Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Im Übrigen muss die Härte der Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im vorliegenden Fall die zwingende Beschlagnahme von verbotenen oder vorschriftswidrigen Fängen und Fanggeräten zusätzlich zur Geldbuße im Hinblick auf den von K. M. begangenen Verstoß verhältnismäßig zur Erreichung des legitimen Ziels ist, das mit dem in Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 850/98 vorgesehenen Verbot von Sortiermaschinen verfolgt wird; der Gerichtshof kann dem vorlegenden Gericht aber gleichwohl alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts geben, die ihm die Feststellung ermöglichen können, ob dies der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2016, Laezza, C‑375/14, EU:C:2016:60, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Hierzu ist zu prüfen, ob die Härte der durch die nationale Rechtsvorschrift vorgesehenen Sanktion nicht die Grenzen dessen überschreitet, was zur Erreichung der mit den fraglichen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2010, ERG u. a., C‑379/08 und C‑380/08, EU:C:2010:127, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Zudem ist, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, u. a. sicherzustellen, dass für die Personen, die Fischfang betreiben oder eine hiermit verbundene Tätigkeit ausüben, eine ernsthafte Gefahr besteht, dass Verstöße gegen die Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik entdeckt und die Täter mit angemessenen Sanktionen belegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, EU:C:2005:444, Rn. 37).

42

Was das mit dem in Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 vorgesehenen Verbot von Sortiermaschinen verfolgte Ziel betrifft, ist festzustellen, dass diese Bestimmung, die auf die Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren abzielt, das Mitführen und den Einsatz einer solchen Vorrichtung an Bord verbietet, außer wenn sie das sofortige Tiefgefrieren von Fängen gewährleistet und Rückwürfe nicht möglich sind. Das in dieser Bestimmung vorgesehene Verbot soll u. a. die Praxis unterbinden, die rentabelsten Arten zu behalten und andere Arten ins Meer zurückzuwerfen, um den Fang aufzuwerten, was nach Art. 19a dieser Verordnung verboten ist.

43

Auf diese Weise wird mit Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 auch das Ziel verfolgt, zum einen der Gefahr vorzubeugen, dass bestimmte Mengen zurückgeworfenen bzw. toten Fischs nicht gemeldet und folglich bei der Quotenausschöpfung nicht berücksichtigt werden, was die Gefahr der Überfischung birgt, und zum anderen, Rückwürfe unerwünschter Fänge nach und nach zu unterbinden, um langfristig die ökologische Nachhaltigkeit der Fischereitätigkeit zu gewährleisten.

44

Die zwingende Beschlagnahme von verbotenen oder vorschriftswidrigen Fängen und Fanggeräten erscheint aber geeignet, die betreffenden Personen von einem Verstoß gegen das in Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 850/98 vorgesehene Verbot von Sortiermaschinen abzuschrecken, indem ihnen rechtswidrig erworbene Gewinne, in deren Genuss sie sonst kämen, und die Möglichkeit entzogen werden, solche Maschinen weiterhin einzusetzen.

45

Die Beschlagnahme von Fängen führt nämlich, wie die Europäische Kommission in ihren Erklärungen ausgeführt hat, dazu, dass den Tätern der ungerechtfertigte wirtschaftliche Gewinn aus dem begangenen Verstoß entzogen wird, was allein durch eine Geldbuße nicht gewährleistet ist. Was die Beschlagnahme des verbotenen oder vorschriftswidrigen Fanggeräts betrifft, das sich wie die nach Art. 32 Abs. 1 der Verordnung Nr. 850/98 verbotene Maschine zur Begehung eines Verstoßes an Bord eines Fischreifahrzeugs befindet, ist festzustellen, dass diese zwingende Beschlagnahme eine wirksame und im Hinblick auf den mit der verletzten Rechtsvorschrift verfolgten Zweck verhältnismäßige Sanktion darstellt.

46

Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 90 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1224/2009 begleitend zu den dort vorgesehenen Strafen weitere, insbesondere die in Art. 45 der Verordnung Nr. 1005/2008 beschriebenen Sanktionen oder Maßnahmen verhängt werden können. Art. 45 Nr. 3 sieht aber gerade eine Begleitsanktion wie die Beschlagnahme von verbotenem Fanggerät, Fängen oder Fischereierzeugnissen vor.

47

Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass sich die gegen K. M. verhängte Geldbuße auf 500 Euro beläuft, während die Fänge an Bord des Fischereifahrzeugs einen Wert von 344000 Euro hatten und das vorschriftswidrige Fanggerät mit 55000 Euro veranschlagt wurde. Aus den schriftlichen Erklärungen Irlands geht außerdem hervor, dass sich der Höchstbetrag der Geldbußen, die die Gerichte bei einem Verstoß wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verhängen können, nach irischem Recht je nach Größe des betreffenden Schiffs auf 10000 Euro, 20000 Euro oder 35000 Euro beläuft.

48

Würden diese Geldbußen aber als einzige Sanktion für diese Art von Verstößen verhängt, würden den Verantwortlichen die wirtschaftlichen Gewinne aus den begangenen Verstößen nicht wirksam entzogen. Daher wäre eine solche Sanktion weder wirksam noch abschreckend.

49

Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktion ist auch das Verhältnis zwischen der Höhe der möglichen Geldbuße und dem wirtschaftlichen Gewinn aus dem begangenen Verstoß zu berücksichtigen, um die Verantwortlichen von der Begehung eines solchen Verstoßes abzuschrecken, sowie gemäß Art. 90 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1224/2009 der Wert der durch den schweren Verstoß gewonnenen Fischereierzeugnisse.

50

Wenn wie im Ausgangsverfahren eine Geldbuße gegen den Kapitän des Fischereifahrzeugs verhängt wird, der nicht dessen Eigentümer ist, könnte diese Sanktion außerdem zum einen keine abschreckende Wirkung für Letzteren haben, und er zum anderen weiterhin in den Genuss wirtschaftlicher Gewinne aus den unter Verstoß gegen Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 erzielten Fängen kommen sowie die nach dieser Bestimmung verbotene Maschine weiterhin zum möglichen Einsatz behalten.

51

Zudem wird die Sanktion vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen gemäß Art. 28 des Gesetzes von 2006 im Verhältnis zur von den irischen Behörden festgestellten Schwere des Verstoßes festgesetzt. Wie Irland in seinen Erklärungen ausführt, hängen die Sanktionen nämlich von der Art des Verstoßes ab, was die Frage einschließt, ob er im vereinfachten Verfahren verfolgt wird, das bei geringfügigen Verstößen als Verfahren ohne Jury vor einem Einzelrichter geführt wird, oder in einem Verfahren nach Anklageerhebung mit einer Jury bei schwerwiegenderen Verstößen. Wenn eine Person für schuldig befunden wird, ist die Beschlagnahme von verbotenen oder vorschriftswidrigen Fängen und Fanggeräten bei bestimmten Verstößen gegen dieses Gesetz zwingend; das Gericht kann jedoch entscheiden, die Beschlagnahme bei bestimmten Verstößen oder bei einem erstmaligen Verstoß nicht anzuordnen. Das Gericht kann auch eine strengere Sanktion verhängen und dem betreffenden Schiff die Lizenz entziehen oder diese aussetzen.

52

Somit ist angesichts der Schwere des Verstoßes sowie des mit Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 verfolgten Zwecks und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht nach irischem Recht vorzunehmenden Prüfung der Gesamthöhe der Sanktionen sowie der Begleitsanktionen die zwingende Beschlagnahme der verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge oder Fanggeräte erforderlich, um den Verantwortlichen den wirtschaftlichen Gewinn aus dem Verstoß zu entziehen. Diese Sanktion erweist sich außerdem als abschreckend.

53

Eine solche Sanktion entspricht folglich den in Art. 89 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1224/2009 aufgestellten Kriterien, wonach den Verantwortlichen die wirtschaftlichen Gewinne aus den Verstößen wirksam entzogen werden und die Sanktionen so beschaffen sein müssen, dass ein der Schwere des Verstoßes entsprechendes Ergebnis erzielt werden kann, um wirksam von weiteren Verstößen dieser Art abzuschrecken.

54

Außerdem hat das nationale Gericht gemäß Art. 89 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1224/2009 die etwaigen Auswirkungen der Sanktion auf das dem Verantwortlichen zustehende Recht der Berufsausübung zu beurteilen. Hierzu macht K. M. in seinen schriftlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof geltend, dass die Beschlagnahme verbotener oder vorschriftswidriger Fänge oder Fanggeräte sehr schwerwiegende Auswirkungen auf seinen Ruf und seine berufliche Zukunft hätte, dass er nicht vorsätzlich gegen die fraglichen Vorschriften verstoßen habe, um Gewinne zu erzielen, und dass er zuvor keine anderen Verstöße begangen habe. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, diese Gesichtspunkte zu prüfen.

55

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in Art. 90 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1224/2009 zwar bestimmte Kriterien aufgeführt sind, die die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes berücksichtigen können, diese Bestimmung aber in Verbindung mit dem 39. Erwägungsgrund dieser Verordnung zu lesen ist, in dem klargestellt wird, dass diese Kriterien auf die Festlegung von Sanktionen mit abschreckender Wirkung abzielen. Hingegen ist zur Art der fraglichen Sanktionen und mangels entsprechender Hinweise in dieser Verordnung festzustellen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem die von den Mitgliedstaaten eingeführten Sanktionen genügen müssen, nicht erfordert, dass die zuständigen Behörden bei der Durchführung dieses Art. 90 Abs. 1 die konkreten und besonderen Umstände jedes Einzelfalls oder zwangsläufig den Vorsatz oder eine Wiederholungstat berücksichtigen müssen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Chmielewski, C‑255/14, EU:C:2015:475, Rn. 28 und 29).

56

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 89 und 90 der Verordnung Nr. 1224/2009 im Licht des in Art. 49 Abs. 3 der Charta verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung einer nationalen Bestimmung nicht entgegenstehen, die als Sanktion für einen Verstoß gegen Art. 32 der Verordnung Nr. 850/98 nicht nur die Verhängung einer Geldbuße, sondern auch die zwingende Beschlagnahme der an Bord des betreffenden Schiffs vorgefundenen verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge und Fanggeräte vorsieht.

Kosten

57

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Art. 89 und 90 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 847/96, (EG) Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 im Licht des in Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung einer nationalen Bestimmung nicht entgegenstehen, die als Sanktion für einen Verstoß gegen Art. 32 der Verordnung (EG) Nr. 850/98 des Rates vom 30. März 1998 zur Erhaltung der Fischereiressourcen durch technische Maßnahmen zum Schutz von jungen Meerestieren in der durch die Verordnung (EU) Nr. 227/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2013 geänderten Fassung nicht nur die Verhängung einer Geldbuße, sondern auch die zwingende Beschlagnahme der an Bord des betreffenden Schiffs vorgefundenen verbotenen oder vorschriftswidrigen Fänge und Fanggeräte vorsieht.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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