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Document 62020CC0530

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 9. Juni 2022.
    „ EUROAPTIEKA” SIA.
    Vorabentscheidungsersuchen der Latvijas Republikas Satversmes tiesa.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Richtlinie 2001/83/EG – Art. 86 Abs. 1 – Begriff ‚Werbung für Arzneimittel‘ – Art. 87 Abs. 3 – Zweckmäßiger Einsatz von Arzneimitteln – Art. 90 – Verbotene Werbeelemente – Werbung für Arzneimittel, die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind – Preisbezogene Werbung – Werbung für Sonderangebote – Werbung für kombinierte Verkäufe – Verbot.
    Rechtssache C-530/20.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:993

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 9. Dezember 2021 ( 1 )

    Rechtssache C‑530/20

    SIA „EUROAPTIEKA“,

    Beteiligter:

    Ministru kabinets

    (Vorabentscheidungsersuchen der Latvijas Republikas Satversmes tiesa [Verfassungsgerichtshof, Lettland])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Humanarzneimittel – Werbung für Arzneimittel – Werbung, die den Kauf von Arzneimitteln durch den Hinweis auf ihren Preis fördert – Sonderverkäufe oder Verkäufe zusammen mit anderen Arzneimitteln, einschließlich zu einem reduzierten Preis, oder anderen Waren“

    I. Einleitung

    1.

    In der vorliegenden Rechtssache ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG ( 2 ), um zu klären, ob ein Mitgliedstaat in Anbetracht des Charakters und des Umfangs der mit dieser Richtlinie bewirkten Harmonisierung die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, nicht nur dann verbieten kann, wenn sie ein bestimmtes Arzneimittel betreffen, sondern auch dann, wenn sie nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen betreffen.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    2.

    Die Art. 86 bis 100 der Richtlinie 2001/83, die die Arzneimittelwerbung betreffen, stehen in den Titeln VIII („Werbung“) und VIIIa („Information und Werbung“) dieser Richtlinie.

    3.

    Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

    „Im Sinne dieses Titels gelten als ‚Werbung für Arzneimittel‘ alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern; sie umfasst insbesondere:

    die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel,

    …“

    4.

    Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie bestimmt u. a., dass „[d]ie Arzneimittelwerbung … einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern [muss], indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt“.

    5.

    Art. 90 der Richtlinie enthält eine Liste der Elemente, die die Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel nicht enthalten darf.

    B.   Lettisches Recht

    6.

    Ziff. 18.12 des Ministru kabineta noteikumi Nr. 378 „Zāļu reklamēšanas kārtība un kārtība, kādā zāļu ražotājs ir tiesīgs nodot ārstiem bezmaksas zāļu paraugus“ (Verordnung Nr. 378 des Ministerrats über Modalitäten der Werbung für Arzneimittel und Modalitäten, nach denen Arzneimittelhersteller berechtigt sind, Gratismuster von Arzneimitteln an Ärzte abzugeben) vom 17. Mai 2011 (Latvijas Vēstnesis, 2011, Nr. 78) (im Folgenden: streitige Vorschrift) bestimmt:

    „An die Öffentlichkeit gerichtete Werbung für Arzneimittel darf keine Informationen enthalten, die … den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird.“

    III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorlagefragen

    7.

    Die SIA „EUROAPTIEKA“ ist eine Gesellschaft mit Sitz in Lettland, die eine pharmazeutische Tätigkeit ausübt und Teil einer Unternehmensgruppe ist, der in diesem Mitgliedstaat eine Apothekenkette und Gesellschaften für den Arzneimittel-Einzelhandel gehören. Nach lettischem Recht sind Apotheken berechtigt, auch andere Waren als Arzneimittel zu vertreiben.

    8.

    Im März 2016 kündigte EUROAPTIEKA auf ihrer Website und in ihrer Monatszeitung eine Werbeaktion an, die einen Preisnachlass von 15 % für den Kauf eines beliebigen Arzneimittels vorsah, wenn mindestens drei Artikel gekauft würden.

    9.

    Die Veselības inspekcijas Zāļu kontroles nodaļa (Arzneimittelkontrollabteilung der Gesundheitsaufsichtsbehörde, Lettland) untersagte EUROAPTIEKA auf der Grundlage der streitigen Vorschrift mit Entscheidung vom 1. April 2016 die Verbreitung der mit dieser Aktion in Zusammenhang stehenden Werbung (im Folgenden: Entscheidung vom 1. April 2016).

    10.

    EUROAPTIEKA erhob beim vorlegenden Gericht Verfassungsbeschwerde betreffend die Frage der Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit den Art. 100 und 105 der lettischen Verfassung, in denen die Freiheit der Meinungsäußerung bzw. das Eigentumsrecht verankert sind, und mit Art. 288 Abs. 3 AEUV, worauf im Jahr 2020 ein Verfahren eröffnet wurde.

    11.

    Zur Stützung ihrer Beschwerde machte EUROAPTIEKA zum einen geltend, dass die streitige Vorschrift nicht nur für die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel gelte, sondern für die Werbung für Arzneimittel im Allgemeinen. Folglich beschränke diese Vorschrift ihr Recht, Öffentlichkeitswerbung zu betreiben, um ihre Marke bekannt zu machen und ihre Popularität zu fördern, und verbiete es ihr, die Verbraucher über die Vertragsbedingungen für den Kauf der ihnen angebotenen Waren zu informieren. Diese Vorschrift habe daher den Kreis der Stammkunden ihrer Apotheken verengt und dadurch ihr Eigentumsrecht verletzt, da der Kundenstamm als Eigentum im Sinne von Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten anzusehen sei.

    12.

    Zum anderen vertrat EUROAPTIEKA in dem den Vorlagefragen zugrunde liegenden Teil ihrer Beschwerde die Auffassung, dass der Gesetzgeber den Ministerrat nicht ermächtigt habe, Vorschriften wie die streitige Vorschrift zu erlassen, um die Richtlinie 2001/83 umzusetzen. Diese Richtlinie betreffe nämlich nicht jegliche Werbung für den pharmazeutischen Bereich oder für Arzneimittel im Allgemeinen, sondern nur die Werbung für bestimmte Arzneimittel. Außerdem werde mit dieser Richtlinie im Bereich der Arzneimittelwerbung eine vollständige Harmonisierung vorgenommen, und die Mitgliedstaaten seien nicht berechtigt, in ihren Rechtsvorschriften zusätzliche Anforderungen aufzustellen. Der Ministerrat habe mit der streitigen Vorschrift die Liste der verbotenen Werbemethoden in Art. 90 der Richtlinie ergänzt und damit gegen Art. 288 Abs. 3 AEUV verstoßen.

    13.

    Der Ministerrat machte geltend, dass der Umstand, dass die streitige Vorschrift strengere Anforderungen an die Arzneimittelwerbung stelle, nicht bedeute, dass er die Befugnisse überschritten habe, die ihm der Gesetzgeber zur Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 übertragen habe. Der in dieser Richtlinie verwendete Begriff „Werbung für Arzneimittel“ sei nämlich weit gefasst. Außerdem sei nach Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie eine Werbung, die einen nicht zweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördere, unzulässig, und dieses Verbot gelte für den Einsatz eines jeden Arzneimittels.

    14.

    Das vorlegende Gericht führt unter Bezugnahme auf das Urteil Gintec ( 3 ) aus, dass der Gerichtshof festgestellt habe, dass mit der Richtlinie 2001/83 eine vollständige Harmonisierung des Bereichs der Arzneimittelwerbung erfolgt sei, wobei die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten befugt seien, abweichende Bestimmungen zu erlassen, ausdrücklich aufgeführt seien. Das vorlegende Gericht sieht die streitige Vorschrift als Regelung der „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Richtlinie an. Außerdem stehe die Richtlinie der streitigen Vorschrift nicht entgegen, da das dort aufgestellte Verbot mit den Zielen der Richtlinie 2001/83 im Einklang stehe.

    15.

    In diesem Kontext hat das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 86 Abs. 1 sowie der Art. 87 und 90 der Richtlinie 2001/83.

    16.

    Erstens weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83 Arzneimittelwerbung die Angabe des Namens und gegebenenfalls der gebräuchlichen Bezeichnung des Arzneimittels enthalten müsse. Dies könne bedeuten, dass nur die Werbung für bestimmte identifizierbare Arzneimittel als „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sei.

    17.

    Die streitige Vorschrift verlange nicht, dass Informationen über bestimmte Arzneimittel, wie ihr Name, in einer Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel enthalten sein müssten, sondern verbiete die Aufnahme bestimmter Informationen in die Werbung für diese Arzneimittel, u. a. betreffend ihren Preis. Da diese Vorschrift folglich nicht die Informationen über die Arzneimittel selbst und ihren Namen regele, sondern die Informationen über ihren Preis, könnten die in dieser Vorschrift genannten Tätigkeiten nicht als Werbung im Sinne der Richtlinie 2001/83 angesehen werden, sondern als Bereitstellung von Information, so dass die Vorschrift nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie falle.

    18.

    Zweitens gibt das vorlegende Gericht an, dass das in der streitigen Vorschrift enthaltene Verbot keiner der nach Art. 90 der Richtlinie 2001/83 verbotenen Werbemethoden entspreche. Daher stelle sich die Frage nach der Berechtigung der Mitgliedstaaten, die in dieser Bestimmung enthaltene Liste der verbotenen Werbemethoden zu erweitern. Insbesondere könnte Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie im Licht ihres 45. Erwägungsgrundes dahin ausgelegt werden, dass er die Mitgliedstaaten berechtige, jede offensichtlich übertriebene und unvernünftige Arzneimittelwerbung zu verbieten, die sich als solche auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte.

    19.

    Vor diesem Hintergrund hat die Latvijas Republikas Satversmes tiesa (Verfassungsgerichtshof, Lettland) mit Beschluss vom 6. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2020, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind die Tätigkeiten, die unter die in der streitigen Vorschrift enthaltene Regelung fallen, als Werbung für Arzneimittel im Sinne von Titel VIII („Werbung“) der Richtlinie 2001/83 anzusehen?

    2.

    Ist Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, mit der die Liste der verbotenen Werbemethoden erweitert wird und strengere Beschränkungen vorgesehen werden, die nicht ausdrücklich in Art. 90 der Richtlinie enthalten sind?

    3.

    Ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung dahin zu verstehen, dass sie eine Beschränkung der Werbung für Arzneimittel mit dem Ziel vorsieht, deren zweckmäßigen Einsatz im Sinne von Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 zu fördern?

    20.

    EUROAPTIEKA, die lettische, die griechische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

    IV. Prüfung der Fragen

    A.   Zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits

    21.

    Die Lektüre bestimmter Passagen in den Erklärungen der Beteiligten könnte annehmen lassen, dass das Ausgangsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 1. April 2016, mit der es EUROAPTIEKA untersagt wurde, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Werbung zu verbreiten, im Hinblick auf die lettische Verfassung und das Unionsrecht betrifft.

    22.

    Die Beschwerde von EUROAPTIEKA vor dem vorlegenden Gericht scheint jedoch nicht die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu betreffen.

    23.

    EUROAPTIEKA stellt nämlich im Rahmen dieser Beschwerde, die mehrere Jahre nach dem auf der Grundlage der streitigen Vorschrift erfolgten Erlass der Entscheidung vom 1. April 2016 erhoben wurde, die Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit der lettischen Verfassung und dem Unionsrecht in Frage ( 4 ).

    24.

    Folglich ist die Richtlinie 2001/83 nicht im Hinblick auf die Handlungen von EUROAPTIEKA, sondern im Hinblick auf den normativen Inhalt der streitigen Vorschrift auszulegen.

    25.

    Was die Hinweise betrifft, die dem vorlegenden Gericht zu geben sind, damit es über die Vereinbarkeit der streitigen Vorschrift mit dem Unionsrecht entscheiden kann, ist im Licht der Darlegung der Gründe, aus denen dieses Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung der Richtlinie 2001/83 hat, und unter Berücksichtigung des Vorbringens von EUROAPTIEKA in ihrer Beschwerde vor dem vorlegenden Gericht in einem ersten Schritt festzustellen, ob die von der streitigen Vorschrift erfassten Tätigkeiten unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 fallen (erste Vorlagefrage). Falls dies zu bejahen ist, sind in einem zweiten Schritt dem vorlegenden Gericht Hinweise zu geben, die es ihm ermöglichen, zu überprüfen, ob der lettische Gesetzgeber diese Richtlinie unter Berücksichtigung des Spielraums, über den der Mitgliedstaat bei der Umsetzung dieser Richtlinie verfügt, ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat (zweite und dritte Vorlagefrage).

    B.   Zur ersten Vorlagefrage

    26.

    Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen ist, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen beziehen.

    27.

    Erstens bezieht sich nämlich die erste Vorlagefrage zwar auf Titel VIII („Werbung“) der Richtlinie 2001/83, doch gilt die Definition des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ in Art. 86 Abs. 1 dieser Richtlinie für alle Bestimmungen dieses Titels („Im Sinne dieses Titels gelten …“). Zur Beantwortung dieser Frage ist daher in erster Linie diese Bestimmung auszulegen.

    28.

    Zwar betrifft Titel VIIIa der Richtlinie 2001/83 ebenfalls den Bereich der Werbung für Arzneimittel. Dieser Titel enthält u. a., in den Art. 88a bis 90, spezielle Vorschriften für die Öffentlichkeitswerbung ( 5 ). Die Öffentlichkeitswerbung stellt jedoch eine Kategorie der „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 dieser Richtlinie dar.

    29.

    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die streitige Vorschrift auf die drei in Nr. 26 der vorliegenden Schlussanträge genannten Fallgestaltungen Bezug nimmt, dass sich das vorlegende Gericht aber fragt, ob diese unter Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 fallen oder aus Gründen, die für alle drei Fallgestaltungen gelten, von dieser Bestimmung ausgenommen sind.

    30.

    Auch wenn diese drei Fallgestaltungen meines Erachtens eventuell gesondert im Kontext der zweiten und der dritten Vorlagefrage geprüft werden können, geht es doch im Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage darum, zu klären, ob die Tätigkeiten, die von der streitigen Vorschrift erfasst sind, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83 ausgeschlossen sind, wenn sie nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen betreffen.

    31.

    In Anbetracht des Inhalts des Vorabentscheidungsersuchens und der von der lettischen Regierung vorgelegten Informationen stelle ich weiter fest, dass sich die von der streitigen Vorschrift erfassten Tätigkeiten auf Arzneimittel beziehen, die in Lettland genehmigt und in diesem Mitgliedstaat nicht verschreibungspflichtig sind. Die Werbung für nicht genehmigte Arzneimittel ( 6 ) und für solche, die verschreibungspflichtig sind ( 7 ), ist nämlich auf unionsrechtlicher Ebene verboten.

    32.

    Ich werde daher die erste Vorlagefrage zunächst unter dem Gesichtspunkt der wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 prüfen und anschließend das Ergebnis meiner Analyse mit den Erkenntnissen vergleichen, die aus den jüngeren Urteilen des Gerichtshofs gezogen werden können, insbesondere den Urteilen A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 8 ) und DocMorris ( 9 ), auf die sich die Beteiligten in ihren schriftlichen Erklärungen und in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs beziehen.

    1. Wörtliche Auslegung

    33.

    Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 definiert den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ als „alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern“.

    34.

    Erstens ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung zum einen auf Arzneimittel im Plural bezieht und zum anderen „alle Maßnahmen“ der Werbung erfasst.

    35.

    Zweitens ist angesichts des Regelungsgehalts der streitigen Vorschrift darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ insbesondere die „Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel“ umfasst. Auf den ersten Blick scheinen sich die von dieser Vorschrift erfassten Tätigkeiten voll und ganz unter diese Definition subsumieren zu lassen.

    36.

    Drittens hat der Gerichtshof im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 bereits festgestellt, dass das Ziel der Botschaft das grundlegende Definitionsmerkmal der Werbung im Sinne dieser Bestimmung und das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung der Werbung von der einfachen Information darstellt ( 10 ).

    37.

    Wie das vorlegende Gericht anerkennt, ist es Sache der nationalen Gerichte, durch eine konkrete Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, ob die Verbreitung von Informationen ein Werbeziel beinhaltet ( 11 ). Der Gerichtshof hat jedoch eine nicht erschöpfende Liste von Kriterien und Umständen aufgestellt, die für die Beurteilung relevant sind, ob eine Mitteilung als „Werbung“ einzustufen ist, wie etwa die Identität des Urhebers der Mitteilung, deren Gegenstand und Inhalt sowie der Kreis ihrer Adressaten und die Eigenschaften des verwendeten Mediums ( 12 ).

    38.

    Im Rahmen seiner ersten Frage ersucht das vorlegende Gericht lediglich um Hinweise, anhand deren es feststellen kann, ob der Umstand, dass die Verbreitung der Informationen nicht bestimmte Arzneimittel, sondern Arzneimittel im Allgemeinen betrifft, diese Verbreitung vom Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ausschließt.

    39.

    Wie aus Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, ist eine Mitteilung, die „die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln“ fördern soll, als unter diesen Begriff fallend anzusehen.

    40.

    Da in der Definition des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ das Wort „oder“ verwendet wird, um die Zwecke anzugeben, für die eine Werbung bestimmt ist („Verschreibung, … Abgabe, … Verkauf oder … Verbrauch von Arzneimitteln“), reicht der bloße Umstand, dass die Verbreitung der Informationen den Verkauf von Arzneimitteln – und nicht notwendigerweise ihren Verbrauch, der mitunter schwer zu erkennen ist – fördern soll, für die Feststellung aus, dass diese Verbreitung unter diesen Begriff fällt.

    41.

    Wie alle Beteiligten mit Ausnahme von EUROAPTIEKA bin ich der Ansicht, dass die Verbreitung von Informationen über nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich geeignet ist, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Entscheidend ist nicht das Arzneimittel, das der Verbraucher kauft, sondern der Umstand, dass die Verbreitung der Informationen den Verbraucher dazu veranlasst, ein Erzeugnis zu kaufen, das unter die weite Kategorie der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel fällt. Außerdem würde die Annahme, dass eine Verbreitung von Informationen, die Arzneimittel im Allgemeinen betreffen, keine Werbung darstellt, dazu führen, dass auch die Verbreitung von Informationen über eine bestimmte Kategorie von Arzneimitteln, die zur Behandlung eines bestimmten Leidens bestimmt sind, vom Anwendungsbereich der Titel VIII und VIIIa der Richtlinie 2001/83 ausgenommen würde. Darüber hinaus lässt sich nicht ausschließen, dass eine solche Kategorie von Arzneimitteln von den Verbrauchern automatisch mit einem bestimmten Arzneimittel in Verbindung gebracht wird, auch wenn sein Name in diesen Informationen nicht genannt wird.

    42.

    Vor allem aber verbietet die streitige Vorschrift, wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern. Eine solche Verbreitung muss also offenbar, um unter das in dieser Vorschrift aufgestellte Verbot zu fallen, den Verkauf („den Kauf“) von Arzneimitteln fördern. Vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht stellt der Werbezweck somit eine Voraussetzung für die Anwendung der streitigen Vorschrift dar und bezeichnet deren Anwendungsbereich. Diese Vorschrift fällt daher ihrerseits in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83, soweit diese in ihren Titeln VIII und VIIIa den Bereich der Werbung für Arzneimittel harmonisiert ( 13 ).

    43.

    Diese Feststellung wird durch die systematische Auslegung der Richtlinie 2001/83 bestätigt.

    2. Systematische Auslegung

    44.

    Im Rahmen der Auslegung des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 eine allgemeine Regel enthält, die in allen Fällen Anwendung findet, in denen bestimmt werden muss, ob eine Tätigkeit die Merkmale einer Werbung für ein Arzneimittel aufweist ( 14 ). Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass Art. 87 dieser Richtlinie allgemeine Grundsätze enthält, die auf alle Arten und Elemente von Arzneimittelwerbung Anwendung finden ( 15 ). Was insbesondere die Öffentlichkeitswerbung betrifft, stellt auch Art. 88 der Richtlinie im Wesentlichen solche allgemeinen Grundsätze auf.

    45.

    So ist erstens der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ weit zu definieren, um auch Situationen zu erfassen, bei denen weniger offensichtlich ist, dass sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83 fallen.

    46.

    In diesem Zusammenhang erscheint mir der Umstand, dass Art. 89 Abs. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Richtlinie 2001/83 in deren Titel VIIIa vorsieht, dass jede Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel dessen Namen enthalten muss, nicht entscheidend, da es sich nur um eine der Kategorien von Werbung für Arzneimittel handelt, die unter den allgemeinen Begriff in Art. 86 Abs. 1 dieser Richtlinie fallen. Wenn sich eine Arzneimittelwerbung, wie die polnische Regierung geltend macht, nur auf ein bestimmtes Erzeugnis beziehen könnte, stünde im Übrigen die Verpflichtung, es eindeutig zu bezeichnen, nicht in den speziellen Bestimmungen über bestimmte Formen der Werbung, sondern in den allgemeinen Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 über diese Werbung.

    47.

    Zweitens verstehe ich die Erwägung des Gerichtshofs, wonach Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in allen Fällen Anwendung findet, in denen bestimmt werden muss, ob eine Tätigkeit die Merkmale einer Werbung für ein Arzneimittel aufweist, in dem Sinne, dass der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf den Rahmen, in dem die Vereinbarkeit der Arzneimittel betreffenden Werbemaßnahmen mit dem Unionsrecht zu beurteilen ist, nicht den Bestimmungen des Primärrechts, sondern denen dieser Richtlinie den Vorzug geben wollte.

    48.

    Die Annahme, dass eine Vorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht in den Anwendungsbereich von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 fällt, würde nämlich zumindest im Fall eines grenzüberschreitenden Sachverhalts bedeuten, dass der normative Inhalt dieser Vorschrift und ihre Auswirkungen auf den Binnenmarkt im Licht des Primärrechts und insbesondere der im AEU‑Vertrag verankerten Grundfreiheiten zu prüfen wären.

    49.

    Wie die Diskussion zwischen den Beteiligten zeigt, in deren Rahmen EUROAPTIEKA geltend macht, dass die streitige Vorschrift nicht die von einer Apotheke verkauften Arzneimittel betreffe, sondern deren Tätigkeit, lässt sich nicht ausschließen, dass eine nationale Vorschrift, mit der Verbote der Arzneimittelwerbung im Allgemeinen eingeführt werden, bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt sowohl mit dem freien Warenverkehr als auch mit dem freien Dienstleistungsverkehr in Zusammenhang stehen kann. Der Gerichtshof prüft eine solche nationale Vorschrift grundsätzlich nur im Hinblick auf eine dieser beiden Grundfreiheiten, wenn sich herausstellt, dass die eine von ihnen gegenüber der anderen zweitrangig ist und ihr zugeordnet werden kann.

    50.

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die streitige Vorschrift nicht die Ausübung der Tätigkeit des Apothekers oder die Verkaufsdienstleistung als solche betrifft, sondern eine bestimmte Form der Werbeaktion für die zum Verkauf angebotenen Arzneimittel regelt ( 16 ).

    51.

    In Bezug auf den freien Warenverkehr könnte die streitige Vorschrift als „Bestimmung über Verkaufsmodalitäten“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs angesehen werden, die die beiden sich aus der Rechtsprechung Keck und Mithouard ( 17 ) ergebenden Voraussetzungen erfüllt und daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fiele ( 18 ).

    52.

    Folglich stünde es den Mitgliedstaaten frei, Tätigkeiten wie die von der streitigen Vorschrift erfassten zu verbieten, und solche Verbote unterlägen grundsätzlich keiner Kontrolle hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2001/83 und/oder den im AEU‑Vertrag verankerten Grundfreiheiten. Zugleich wären die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, solche Verbote zu erlassen, auch wenn diese Tätigkeiten geeignet wären, das Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen ( 19 ). Ich bin der Ansicht, dass sich der Gesetzgeber aus diesen Gründen, wie ich in Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, für die Richtlinie 2001/83 als Rahmen entschieden hat, anhand dessen die Vereinbarkeit von Werbemaßnahmen für Arzneimittel mit dem Unionsrecht zu beurteilen ist.

    53.

    Unter diesen Umständen spricht der Charakter von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 als allgemeine Regelung für die Auslegung, dass eine Werbung für Arzneimittel im Allgemeinen, wie sie von der streitigen Vorschrift erfasst ist, ebenfalls unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung fällt. Diese Feststellung wird durch die teleologische Auslegung dieser Richtlinie bestätigt.

    3. Teleologische Auslegung

    54.

    Die Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt den Schluss zu, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 der Richtlinie 2001/83 unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung so zu definieren ist, dass er alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung oder zur Schaffung von Anreizen einschließt, die geeignet sind, die öffentliche Gesundheit zu schädigen.

    55.

    Der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist nämlich das wesentliche Ziel der Richtlinie 2001/83. Arzneimittel unterscheiden sich aufgrund ihrer therapeutischen Wirkungen substanziell von anderen Waren. Aufgrund dieser therapeutischen Wirkungen können Arzneimittel, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann ( 20 ).

    56.

    Wie der Gerichtshof festgestellt hat, lässt sich nicht ausschließen, dass auch mit der Verwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gewisse Risiken verbunden sind ( 21 ). Solche Gefahren betreffen nach Ansicht der lettischen Regierung insbesondere die Personen, die verschiedene Arzneimittel einnehmen, ohne einen Arzt zu konsultieren. Selbst a priori unschädliche Arzneimittel könnten unerwünschte Nebenwirkungen haben, wenn sie in Verbindung mit anderen Arzneimitteln verwendet würden. Außerdem könne die Einnahme mehrerer frei verkäuflicher Arzneimittel mit demselben Bestandteil zu einer erheblichen Überdosierung führen.

    57.

    Unter Berücksichtigung dieser Risiken hat der Unionsgesetzgeber in Art. 88 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83 sowie in den zu ihrem Titel VIIIa gehörenden Art. 89 und 90 in Verbindung mit ihrem 45. Erwägungsgrund vorgesehen, dass die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verboten, sondern vorbehaltlich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen und Beschränkungen erlaubt ist ( 22 ).

    58.

    Zu diesen Beschränkungen gehört die allgemeine Beschränkung nach Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83, wonach die Arzneimittelwerbung einen zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern muss, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt. Nach meinem Verständnis soll diese Bestimmung nicht die Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel verhindern, sondern die Werbung, die zum unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln führen kann.

    59.

    Im Übrigen ergibt sich meines Erachtens aus der Rechtsprechung, dass der Gerichtshof bei der Auslegung des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ die Bedeutung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit berücksichtigt hat, da seine Auslegung es ermöglicht, dieses Ziel zu erreichen ( 23 ).

    60.

    Insoweit kann, wie ich erwähnt habe, eine Werbung für Arzneimittel im Allgemeinen das Verhalten der Verbraucher beeinflussen ( 24 ), was diesem Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zuwiderläuft und Risiken für ihre Gesundheit hervorrufen kann ( 25 ).

    61.

    Daraus folgt, dass die teleologische Auslegung des Begriffs „Werbung für Arzneimittel“ ebenso wie die wörtliche Auslegung und die systematische Auslegung für eine Bejahung der ersten Vorlagefrage spricht. Die auf diesen Auslegungen beruhenden Erwägungen werden nicht durch die Erkenntnisse in Frage gestellt, die aus den Urteilen A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 26 ) und DocMorris ( 27 ) gewonnen werden können, da diese nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind.

    4. Zum Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln)

    62.

    Der Gerichtshof hat in Rn. 50 des Urteils A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 28 ) festgestellt, dass die Art. 86 bis 100 der Richtlinie 2001/83, die in deren Titel VIII und VIIIa enthalten sind, den Inhalt der Werbebotschaft und die Ausgestaltung der Werbung für bestimmte Arzneimittel regeln, nicht aber die Werbung für Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln. Daher dürfen diese Bestimmungen nach Ansicht des Gerichtshofs insbesondere bei der Prüfung der Frage nicht berücksichtigt werden, ob das Unionsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, die es Apotheken verbietet, Angebote zu machen, nach denen ab einem bestimmten Betrag ein Rabatt auf den Gesamtpreis der Arzneimittelbestellung gewährt wird.

    63.

    Die Werbeaktion, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 29 ) ergangen ist, scheint daher auf den ersten Blick mit den Maßnahmen vergleichbar zu sein, die nach der in der vorliegenden Rechtssache streitigen Vorschrift verboten sind. Diese Vergleichbarkeit könnte zu der Annahme führen, dass dieses Urteil auf die vorliegende Rechtssache übertragbar ist, so dass die Richtlinie 2001/83 für die Beantwortung der ersten Vorlagefrage nicht relevant wäre.

    64.

    Der Kontext der Rechtssache, in der das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 30 ) ergangen ist, unterscheidet sich jedoch deutlich von dem der vorliegenden Rechtssache.

    65.

    Die in dieser ersten Rechtssache in Rede stehende nationale Regelung, die es Apotheken u. a. verbot, Angebote zur Gewährung eines Rabatts auf den Gesamtpreis zu machen, betraf nämlich nur mittelbar Arzneimittel und die Werbung dafür ( 31 ), während die streitige Vorschrift ausdrücklich und unmittelbar die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel betrifft.

    66.

    Noch wichtiger ist, dass es bei der Vorlagefrage in der Rechtssache, in der das Urteil A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) ( 32 ) ergangen ist, wie sich aus ihrem Wortlaut und aus Rn. 28 dieses Urteils ergibt, im Kern um die Unionsrechtmäßigkeit einer innerstaatlichen Regelung ging, die der Mitgliedstaat, für den eine Dienstleistung des Online-Verkaufs nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bestimmt war, auf den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Diensteanbieter anwandte. Genauer gesagt wollte das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache diese nationale Regelung an Art. 34 AEUV, Art. 85c der Richtlinie 2001/83 und/oder Art. 3 der Richtlinie 2000/31/EG ( 33 ) messen.

    67.

    Nachdem der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Dienste des Online-Verkaufs von Arzneimitteln nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 ausgenommen sind ( 34 ) und dass Art. 85c der Richtlinie 2001/83 u. a. auf die Bestimmungen der erstgenannten Richtlinie verweist, hat er die Vorlagefrage im Licht der Richtlinie 2000/31 geprüft. Nach der Logik, auf der die Richtlinie 2000/31 beruht, unterliegt nämlich ein Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft im Allgemeinen der nationalen Regelung des Mitgliedstaats, in dem er ansässig ist (Herkunftsmitgliedstaat). Die Anforderungen an die Dienste der Informationsgesellschaft, die in den koordinierten Bereich fallen, können daher vom Herkunftsmitgliedstaat oder – in den durch Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 gezogenen Grenzen – von anderen Mitgliedstaaten gestellt werden. In der vorliegenden Rechtssache geht es aber um die Regelung des Mitgliedstaats, in dem der Anbieter ansässig ist.

    5. Zum Urteil DocMorris

    68.

    Im Urteil DocMorris ( 35 ), das nach der Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens in der vorliegenden Rechtssache verkündet wurde, war der Gerichtshof mit der Frage befasst, ob die Bestimmungen des Titels VIII der Richtlinie 2001/83, insbesondere Art. 87 Abs. 3, einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es einer Apotheke, die Arzneimittel im Versandhandel verkauft, verbietet, eine Werbeaktion in Form eines Gewinnspiels durchzuführen, bei dem die Teilnehmer Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die keine Arzneimittel sind, gewinnen können und die Teilnahme die Einsendung der Bestellung eines verschreibungspflichtigen Humanarzneimittels und des entsprechenden Rezepts voraussetzt.

    69.

    Der Gerichtshof ist in diesem Urteil zu der Auffassung gelangt, dass eine solche Werbeaktion nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Titels VIII der Richtlinie 2001/83 fällt.

    70.

    Konkret hat der Gerichtshof festgestellt, dass die fragliche Werbung kein bestimmtes Arzneimittel betraf, sondern das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel, das von der betreffenden Apotheke angeboten wurde. Vor dieser Feststellung hat der Gerichtshof in Rn. 21 dieses Urteils ausgeführt, dass diese Werbeaktion nicht darauf abzielte, den Kunden in der Entscheidung für ein bestimmtes Arzneimittel zu beeinflussen, sondern in der nachgelagerten Entscheidung für die Apotheke, bei der er das Arzneimittel kauft.

    71.

    Unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Auslegung kommt es nämlich darauf an, dass diese Werbeaktion im Gegensatz zu den Tätigkeiten, auf die sich die streitige Vorschrift bezieht, nicht geeignet war, einen unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln zu fördern. Der Kauf der Arzneimittel setzte eine vorherige ärztliche Verschreibung unter der Aufsicht der zu ihrer Verschreibung berechtigten Personen voraus.

    72.

    Dagegen sind die Tätigkeiten, auf die sich die streitige Vorschrift bezieht, aus den bereits in Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge genannten Gründen geeignet, die Verbraucher zu veranlassen, mehr Arzneimittel zu kaufen, auch wenn diese Tätigkeiten nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen betreffen. Wird nämlich, wie im vorliegenden Fall, in der betreffenden nationalen Regelung klar angegeben, dass die Werbung sich auf Arzneimittel bezieht, müssen die Vorschriften über die Werbung auch dann Anwendung finden, wenn in der Werbung kein bestimmtes Arzneimittel ausdrücklich genannt wird.

    6. Ergebnis zur ersten Vorlagefrage

    73.

    Unter Berücksichtigung der eindeutigen Schlussfolgerungen, die sich aus der wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ergeben, ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fallen kann, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen beziehen.

    C.   Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

    74.

    Mit seiner zweiten und seiner dritten Vorlagefrage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen erstens wissen, ob Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass diese Bestimmungen einen Mitgliedstaat daran hindern, Verbote aufzustellen, die nicht denen des Art. 90 dieser Richtlinie entsprechen, wenn diese Verbote Werbung betreffen, die den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert (erster Teil dieser Vorlagefragen), und zweitens, ob die streitige Vorschrift solche Verbote aufstellt (zweiter Teil dieser Vorlagefragen).

    75.

    Ich stelle zum einen fest, dass die zweite Vorlagefrage, so wie sie das vorlegende Gericht formuliert hat, auf der Prämisse zu beruhen scheint, dass Art. 90 der Richtlinie 2001/83 die verbotenen Werbemethoden betrifft, dass diese Bestimmung jedoch Verbote in Bezug auf den Inhalt der Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel aufstellt ( 36 ). Zum anderen gibt das vorlegende Gericht an, dass die in der streitigen Vorschrift enthaltenen Verbote jedenfalls nicht denen des Art. 90 der Richtlinie 2001/83 entsprächen.

    1. Zur Zulässigkeit

    76.

    Bevor ich zur Prüfung dieser Fragen übergehe, stelle ich fest, dass EUROAPTIEKA in ihren schriftlichen Erklärungen, wenn auch nur implizit, die Unzulässigkeit der zweiten und der dritten Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts geltend macht. Diese Fragen seien für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich, da sie die Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 beträfen und die streitige Vorschrift nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle.

    77.

    Es ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Vorlagefrage im Wesentlichen klären möchte, ob die streitige Vorschrift in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83 fällt, und dass die zweite und die dritte Vorlagefrage nur zu prüfen sind, wenn die erste Frage zu bejahen ist. Da ich diese erste Frage bejaht habe, sehe ich keine Anhaltspunkte, die die Annahme erlauben würden, dass die zweite und die dritte Frage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens offensichtlich nicht erheblich sind. Meines Erachtens sind diese Fragen daher zulässig.

    2. Zur Beantwortung der Fragen

    78.

    Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der erste Teil der zweiten und der dritten Vorlagefrage zu verneinen.

    79.

    Diese beiden Fragen beruhen nämlich zusammen genommen auf einer Auslegung der Richtlinie 2001/83, wonach deren Art. 90 eine abschließende Liste der Verbote enthält, die den Inhalt einer Öffentlichkeitswerbung für ein Arzneimittel betreffen, während Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie es den Mitgliedstaaten gestattet, weitere Verbote zu erlassen, wenn diese den zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern.

    80.

    Eine solche Auslegung der Richtlinie 2001/83 ist vom Gerichtshof im Urteil Gintec ( 37 ) vorgenommen worden, auf das das vorlegende Gericht Bezug nimmt.

    81.

    In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof u. a. zu der Frage geäußert, ob die Arzneimittelwerbung mit Auslosungen in Ermangelung eines ausdrücklichen Verbots in der Richtlinie 2001/83 nach Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie zulässig oder aber untersagt ist ( 38 ).

    82.

    Insoweit hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass die Richtlinie 2001/83 zwar keine besonderen Vorschriften über Arzneimittelwerbung in Form von Auslosungen enthält, eine solche Werbung jedoch u. a. nach Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie verboten ist, da sie einen unzweckmäßigen Einsatz des betreffenden Arzneimittels fördert und zu seiner direkten Abgabe an die Öffentlichkeit sowie zur Abgabe von Gratismustern führt.

    83.

    Um zu diesem Schluss zu gelangen, hat der Gerichtshof zunächst festgestellt, dass eine solche Werbung im Hinblick auf die Notwendigkeit, übertriebene und unvernünftige Werbung, die sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken könnte, zu verhindern, kaum hinnehmbar ist. Sodann hat der Gerichtshof ausgeführt, dass Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 diese Notwendigkeit bekräftigt, wenn er fordert, dass die Werbung für Arzneimittel deren zweckmäßigen Einsatz fördert ( 39 ). Schließlich hat der Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem von verschiedenen Regierungen zum Ausdruck gebrachten Standpunkt festgestellt, dass bei der Werbung für ein Arzneimittel in Form von Verlosungen der unzweckmäßigen und übermäßigen Verwendung dieses Arzneimittels Vorschub geleistet wird, indem es als Preis oder Geschenk dargestellt wird und der Verbraucher so von einer sachlichen Prüfung der Frage, ob die Einnahme des Arzneimittels erforderlich ist, abgelenkt wird ( 40 ).

    84.

    Daraus folgt hinsichtlich des ersten Teils der zweiten und der dritten Vorlagefrage, dass Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 dahin auszulegen sind, dass diese Bestimmungen einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, Verbote aufzustellen, die nicht denen des Art. 90 dieser Richtlinie entsprechen, wenn diese Verbote Werbung betreffen, die den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert.

    85.

    Zum zweiten Teil dieser Vorlagefragen ist hervorzuheben, dass die streitige Vorschrift die Verbreitung einer bloßen Information über den Preis von Arzneimitteln nicht verbietet. Sie betrifft auch keine Verpflichtung zur Festsetzung eines bestimmten Preises für Arzneimittel. Dagegen verbietet diese Vorschrift die Verbreitung von Informationen, die den Kauf eines Arzneimittels fördern, indem sie auf seinen Preis, den Charakter des Verkaufs als Sonderverkauf oder den Verkauf des Arzneimittels zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren, einschließlich zu einem reduzierten Preis, hinweisen.

    86.

    Wie ich in Nr. 72 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, bezieht sich die streitige Vorschrift also auf Tätigkeiten, die den Verbraucher dazu veranlassen können, mehr Arzneimittel zu kaufen, ohne diesen Kauf zwangsläufig mit dem Interesse für ihre Gesundheit zu verknüpfen.

    87.

    Wie die Kommission in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs ausgeführt hat, werden die Verbraucher stets durch den Preis beeinflusst und können dazu veranlasst werden, mehr als nötig zu kaufen, wenn es ein Sonderangebot oder einen Sonderrabatt gibt. Beim Kauf von Arzneimitteln durch die Verbraucher muss das Interesse an deren Gesundheit (Vorbeugung oder Behandlung) im Vordergrund stehen und nicht etwaige wirtschaftliche Interessen oder finanzielle Vorteile im Zusammenhang mit Sonderverkäufen oder einem Kauf zusammen mit anderen Arzneimitteln oder Waren.

    88.

    Der Kauf von Arzneimitteln, der nicht vom Interesse an der Gesundheit der Verbraucher geleitet ist, kann zum Konsum von Arzneimitteln ohne Berücksichtigung dieses Interesses führen, was, auch ohne von den von der lettischen Regierung festgestellten Risiken ( 41 ) zu sprechen, einen Fall des unzweckmäßigen Einsatzes von Arzneimitteln schlechthin darstellt.

    89.

    Außerdem darf der Umstand, dass der wirksame Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen es u. a. erfordert, dass Arzneimittel zu angemessenen Preisen verkauft werden ( 42 ), die im 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 anerkannte Notwendigkeit, übertriebene und unvernünftige Werbung zu verhindern, die die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen könnte, nicht überlagern. Wie der Gerichtshof im Urteil Gintec ( 43 ) ausgeführt hat, spiegelt sich dieses Gebot in Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie wider, nach dem die Arzneimittelwerbung einen zweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördern muss.

    90.

    Folglich ist auf den zweiten Teil der zweiten und der dritten Vorlagefrage zu antworten, dass die Verbote in Bezug auf Werbung, die den Kauf von Arzneimitteln fördert, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird, Werbung betreffen, die den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert.

    V. Ergebnis

    91.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Latvijas Republikas Satversmes tiesa (Verfassungsgerichtshof, Lettland) wie folgt zu beantworten:

    1.

    Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Verbreitung von Informationen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird, auch dann unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung fallen kann, wenn sich diese Informationen nicht auf ein bestimmtes Arzneimittel, sondern auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Allgemeinen beziehen.

    2.

    Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83 in der durch die Richtlinie 2004/27 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, Verbote aufzustellen, die nicht denen des Art. 90 dieser Richtlinie entsprechen, wenn diese Verbote Werbung betreffen, die den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert.

    Die Verbote in Bezug auf Werbung, die den Kauf von Arzneimitteln fördert, indem die Notwendigkeit des Kaufs von Arzneimitteln anhand des Preises des Arzneimittels gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass das Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder Waren verkauft wird, betreffen Werbung, die den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. 2004, L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

    ( 3 ) Urteil vom 8. November 2007 (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 20 und 37).

    ( 4 ) Zwar könnte im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen die Passage, wonach „[i]n der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Werbung … der Name des Arzneimittels nicht erwähnt [wird]“, darauf hindeuten, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 1. April 2016 Gegenstand des Verfahrens vor dem vorlegenden Gericht ist. Es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass es sich bei dieser Passage nur um eine Wiedergabe des Vorbringens in der Verfassungsbeschwerde von EUROAPTIEKA handelt. Außerdem wird in dem auf diese Passage folgenden Satz ausgeführt, dass zu prüfen sei, ob die von der streitigen Vorschrift erfassten Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/83 fallen könnten. Darüber hinaus macht EUROAPTIEKA in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, dass das Gericht, wenn es über eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden habe, den Umständen des Falls, unter denen die angefochtene Bestimmung die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt habe, erhebliche Bedeutung beimesse. Dass den Umständen des Falls eine bestimmte Bedeutung beigemessen wird, scheint jedoch den Gegenstand des Ausgangsverfahrens nicht in Frage zu stellen. Außerdem bezieht sich EUROAPTIEKA in ihren schriftlichen Erklärungen auf eine endgültige Entscheidung der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland), die in dem sie betreffenden Verwaltungsverfahren ergangen ist. Diese Bezugnahme lässt darauf schließen, dass dieses höchste Gericht über den Rechtsbehelf gegen die Entscheidung vom 1. April 2016 endgültig entschieden hat. In diesem Sinne hat sich im Übrigen die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen geäußert.

    ( 5 ) Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk (C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 22).

    ( 6 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, EU:C:2003:664, Rn. 146).

    ( 7 ) Vgl. Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83.

    ( 8 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 9 ) Urteil vom 15. Juli 2021 (C‑190/20, EU:C:2021:609).

    ( 10 ) Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme (C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 31).

    ( 11 ) Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme (C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 33).

    ( 12 ) Vgl. Urteil vom 5. Mai 2011, MSD Sharp & Dohme (C‑316/09, EU:C:2011:275, Rn. 34, 36, 40 und 45).

    ( 13 ) Zum Umfang der durch die Richtlinie 2001/83 bewirkten Harmonisierung vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 20).

    ( 14 ) Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk (C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 24).

    ( 15 ) Urteil vom 5. Mai 2011, Novo Nordisk (C‑249/09, EU:C:2011:272, Rn. 25).

    ( 16 ) In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof zwar im Urteil DocMorris festgestellt, dass die Werbeaktion, um die es in diesem Urteil ging, nämlich die eines Werbegewinnspiels, bei dem die Teilnehmer Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die keine Arzneimittel sind, gewinnen konnten, nicht unter den Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 fällt. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil aber auch festgestellt, dass die Verbreitung von Werbeaussagen über die Dienstleistung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, auch wenn sie nicht dazu dient, den Verkauf bestimmter Arzneimittel zu fördern, gegenüber der Förderung des Verkaufs der Arzneimittel, auf die die Werbeaktion letztlich abzielt, zweitrangig ist. Vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609, Rn. 31).

    ( 17 ) Urteil vom 24. November 1993 (C‑267/91 und C‑268/91, EU:C:1993:905).

    ( 18 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 15. Juli 2021, DocMorris (C‑190/20, EU:C:2021:609, Rn. 35).

    ( 19 ) Siehe hierzu Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 20 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Mai 2009, Apothekerkammer des Saarlandes u. a. (C‑171/07 und C‑172/07, EU:C:2009:316, Rn. 31 und 32).

    ( 21 ) Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 94).

    ( 22 ) Vgl. Urteil vom 11. Juni 2020, ratiopharm (C‑786/18, EU:C:2020:459, Rn. 40).

    ( 23 ) Zur Veranschaulichung: Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 2. April 2009, Damgaard (C‑421/07, EU:C:2009:222), klargestellt, dass die Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel durch einen Dritten als „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 anzusehen ist. Nach der Feststellung, dass der Wortlaut dieser Richtlinie keine Angaben zu den Urhebern der Werbung enthält (Rn. 20 und 21), hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass die Werbung für Arzneimittel der öffentlichen Gesundheit, deren Schutz das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist, auch dann schaden kann, wenn sie von einem unabhängigen Dritten vorgenommen wird (Rn. 22).

    ( 24 ) Vgl. Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 25 ) Vgl. Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 26 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 27 ) Urteil vom 15. Juli 2021 (C‑190/20, EU:C:2021:609).

    ( 28 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 29 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 30 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 31 ) Sie betraf die Tätigkeit eines Apothekers, der nach dieser Regelung weder mit berufsunwürdigen Maßnahmen und Mitteln Werbung treiben noch Patienten zu einem Fehl- oder Mehrgebrauch von Arzneimitteln verleiten durfte.

    ( 32 ) Urteil vom 1. Oktober 2020 (C‑649/18, EU:C:2020:764).

    ( 33 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).

    ( 34 ) Urteil vom 1. Oktober 2020, A (Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln) (C‑649/18, EU:C:2020:764, Rn. 32).

    ( 35 ) Urteil vom 15. Juli 2021 (C‑190/20, EU:C:2021:609).

    ( 36 ) Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654), in dem der Gerichtshof in Rn. 36 klargestellt hat, dass Art. 90 der Richtlinie 2001/83 spezifische Vorgaben zum Inhalt der Arzneimittelwerbung enthält und konkret die Verwendung bestimmter Elemente untersagt.

    ( 37 ) Urteil vom 8. November 2007 (C‑374/05, EU:C:2007:654).

    ( 38 ) Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 53).

    ( 39 ) Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 55).

    ( 40 ) Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Gintec (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 56).

    ( 41 ) Vgl. Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 42 ) Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2016, Deutsche Parkinson Vereinigung (C‑148/15, EU:C:2016:776, Rn. 43).

    ( 43 ) Urteil vom 8. November 2007 (C‑374/05, EU:C:2007:654, Rn. 51).

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