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Document 62020CC0267

Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 28. Oktober 2021.
Volvo AB (publ.) und DAF Trucks NV gegen RM.
Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de León.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Kartelle – Art. 101 AEUV – Richtlinie 2014/104/EU – Art. 10, 17 und 22 – Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Europäischen Union – Verjährungsfrist – Widerlegbare Schadensvermutung – Ermittlung des Schadensumfangs – Verspätete Umsetzung der Richtlinie – Zeitliche Geltung – Materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Vorschriften.
Rechtssache C-267/20.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:884

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 28. Oktober 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑267/20

AB Volvo,

DAF TRUCKS NV

gegen

RM

(Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Provincial de León [Provinzgericht León, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 101 AEUV – Richtlinie 2014/104/EU – Schadensersatzklage nach nationalem Recht wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union – Nationale Bestimmung, mit der der für die Rückwirkung maßgebende Zeitpunkt auf den Zeitpunkt der Sanktionsentscheidung und nicht den der Klageerhebung festgesetzt wird – Verjährungsfrist für Ansprüche aus außervertraglicher Haftung – Bemessung des erlittenen Schadens – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität“

I. Einleitung

1.

Dies ist eine weitere Rechtssache in der Reihe der Vorabentscheidungsersuchen nationaler Gerichte an den Gerichtshof zur Auslegung der Richtlinie 2014/104/EU ( 2 ) betreffend Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht.

2.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV sowie der Art. 10, 17 und 22 der Richtlinie 2014/104.

3.

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der AB Volvo und der DAF Trucks NV (im Folgenden: Beklagte) und RM (im Folgenden: Kläger) wegen einer von Letzterem erhobenen Klage auf Ersatz des Schadens, der durch eine von der Europäischen Kommission festgestellte Zuwiderhandlung einer Reihe von Unternehmen, darunter die Beklagten, gegen Art. 101 AEUV entstanden sein soll.

4.

Diese Rechtssache wird dem Gerichtshof Anlass zu einer weiteren Klärung des zeitlichen Geltungsbereichs der Richtlinie 2014/104 geben, nachdem er dies erstmals mit den Urteilen Cogeco Communications ( 3 ) und Skanska Industrial Solutions u. a. ( 4 ) unternommen hat. Damit können die Antworten, die der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache geben wird, Einfluss auf Rechtsstreitigkeiten haben, die unionsweit bei nationalen Gerichten wegen der Problematik der zeitlichen Geltung der Bestimmungen dieser Richtlinie, insbesondere im Rahmen von Schadensersatzklagen wegen Sachverhalten aus der Zeit vor Inkrafttreten der Richtlinie, anhängig sind.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

1.   Verordnung (EG) Nr. 1/2003

5.

Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 5 ) lautet:

„Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist. Bei dauernden oder fortgesetzten Zuwiderhandlungen beginnt die Verjährung jedoch erst mit dem Tag, an dem die Zuwiderhandlung beendet ist.“

6.

Art. 30 („Veröffentlichung von Entscheidungen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Die Kommission veröffentlicht die Entscheidungen, die sie nach den Artikeln 7 bis 10 sowie den Artikeln 23 und 24 erlässt.

(2)   Die Veröffentlichung erfolgt unter Angabe der Beteiligten und des wesentlichen Inhalts der Entscheidung einschließlich der verhängten Sanktionen. Sie muss dem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung tragen.“

2.   Richtlinie 2014/104

7.

Art. 10 („Verjährung“) der Richtlinie 2014/104 lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten legen die Vorschriften über die Verjährungsfristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen im Einklang mit diesem Artikel fest. In diesen Vorschriften wird festgelegt, wann die Verjährungsfrist beginnt, ihre Dauer und unter welchen Umständen eine Unterbrechung oder Hemmung der Frist eintritt.

(2)   Die Verjährungsfrist beginnt nicht, bevor die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beendet wurde und der Kläger von Folgendem Kenntnis erlangt hat oder diese Kenntnis vernünftigerweise erwartet werden kann:

a)

dem Verhalten und der Tatsache, dass dieses eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellt,

b)

der Tatsache, dass ihm durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ein Schaden entstanden ist, und

c)

der Identität des Rechtsverletzers.

(3)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Verjährungsfristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen mindestens fünf Jahre betragen.

(4)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass eine Verjährungsfrist gehemmt oder – je nach nationalem Recht – unterbrochen wird, wenn eine Wettbewerbsbehörde Maßnahmen im Hinblick auf eine Untersuchung oder ihr Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht trifft, auf die sich die Schadensersatzklage bezieht. Die Hemmung endet frühestens ein Jahr, nachdem die Zuwiderhandlungsentscheidung bestandskräftig geworden oder das Verfahren auf andere Weise beendet worden ist.“

8.

Art. 17 („Ermittlung des Schadensumfangs“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass weder die Beweislast noch das Beweismaß für die Ermittlung des Schadensumfangs die Ausübung des Rechts auf Schadensersatz praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Gerichte gemäß den nationalen Verfahren befugt sind, die Höhe des Schadens zu schätzen, wenn erwiesen ist, dass ein Kläger einen Schaden erlitten hat, es jedoch praktisch unmöglich oder übermäßig schwierig ist, die Höhe des erlittenen Schadens aufgrund der vorhandenen Beweismittel genau zu beziffern.

(2)   Es wird vermutet, dass Zuwiderhandlungen in Form von Kartellen einen Schaden verursachen. Der Rechtsverletzer hat das Recht, diese Vermutung zu widerlegen.

(3)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten bei Verfahren über Schadensersatzklagen, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde auf Antrag eines nationalen Gerichts diesem nationalen Gericht bei der Festlegung der Höhe des Schadensersatzes behilflich sein kann, wenn die nationale Wettbewerbsbehörde dies für angebracht hält.“

9.

Art. 21 („Umsetzung“) Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 27. Dezember 2016 nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.“

10.

Art. 22 („Zeitliche Geltung“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Vorschriften, die nach Artikel 21 erlassen werden, um den materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie zu entsprechen, nicht rückwirkend gelten.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Vorschriften, die nach Artikel 21 erlassen werden und die nicht unter Absatz 1 fallen, nicht für Schadensersatzklagen gelten, die vor dem 26. Dezember 2014 bei einem nationalen Gericht erhoben wurden.“

B. Spanisches Recht

11.

Art. 74 Abs. 1 der Ley 15/2007 de Defensa de la Competencia (Gesetz 15/2007 zum Schutz des Wettbewerbs) vom 3. Juli 2007 ( 6 ) (im Folgenden: Gesetz 15/2007) lautet:

„Die Verjährungsfrist für Klagen auf Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht beträgt fünf Jahre.“

12.

Art. 76 Abs. 2 des Gesetzes 15/2007 sieht vor:

„Hat ein Kläger nachweislich einen Schaden erlitten, der auf der Grundlage der verfügbaren Beweise praktisch nicht oder nur äußerst schwer genau zu ermitteln ist, sind die Gerichte zur Schätzung der Schadenshöhe befugt.“

13.

Die Erste Übergangsbestimmung des Real Decreto-ley 9/2017 (Königliches Gesetzesdekret 9/2017) ist mit „Übergangsregelung für Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten oder der Europäischen Union“ überschrieben und sieht vor:

„(1) Die Bestimmungen des Art. 3 dieses Gesetzesdekrets finden keine rückwirkende Anwendung.

(2) Die Bestimmungen des Art. 4 dieses Gesetzesdekrets finden ausschließlich auf nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzesdekrets eingeleitete Verfahren Anwendung.“

14.

Art. 1902 des Código Civil (Bürgerliches Gesetzbuch) lautet:

„Wer durch sein Handeln oder Unterlassen einem anderen einen Schaden zufügt, ist zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet.“

III. Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

15.

In den Jahren 2006 und 2007 kaufte der Kläger drei von den Beklagten hergestellte Lastkraftwagen.

16.

Am 19. Juli 2016 erließ die Kommission den Beschluss C(2016) 4673 final in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39824 – Lkw) (im Folgenden: Beschluss der Kommission) ( 7 ) und veröffentlichte dazu eine Pressemitteilung (im Folgenden: Pressemitteilung).

17.

Mit diesem Beschluss stellte die Kommission fest, dass mehrere internationale Lastkraftwagenhersteller, darunter die Beklagten, Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zuwidergehandelt haben, indem sie sich zum einen über die Preisfestsetzung und Bruttolistenpreiserhöhungen für Lastkraftwagen zwischen 6 und 16 Tonnen („mittelschwere Lkw“) und über 16 Tonnen („schwere Lkw“) im EWR und zum anderen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 abgesprochen haben. Die Zuwiderhandlung der Beklagten bestand vom 17. Januar 1997 bis 18. Januar 2011.

18.

Am 1. April 2018 erhob der Kläger beim Juzgado de lo Mercantil de León (Handelsgericht León, Spanien) Klage gegen die Beklagten. Mit dieser Klage begehrt er Ersatz des Schadens, den er wegen der wettbewerbswidrigen Praktiken dieser beiden Unternehmen erlitten zu haben behauptet. Die Klage wird auf die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes 15/2007 in der Fassung nach Umsetzung der Richtlinie 2014/104, hilfsweise auf Art. 1902 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der allgemeinen Bestimmung über die außervertragliche Haftung, gestützt. Gegenüber den Beklagten ist die Klage eine Schadensersatzklage nach Ergehen eines bestandskräftigen Beschlusses der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt worden ist (sogenannte „Follow-on“-Haftungsklage).

19.

Mit Urteil vom 15. Oktober 2019 gab das erstinstanzliche Gericht, der Juzgado de lo Mercantil de León (Handelsgericht León), der Schadensersatzklage teilweise statt und verurteilte die Beklagten zur Leistung einer Entschädigungszahlung in Höhe von 15 % des Erwerbspreises der Fahrzeuge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen, ohne allerdings den Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Dieses Gericht wies die Verjährungseinrede der Beklagten mit der Begründung zurück, anwendbar sei die fünfjährige Verjährungsfrist nach Art. 74 Abs. 1 des Gesetzes 15/2007, mit dem Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2014/104 umgesetzt werde. Zudem wandte das Gericht die in Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie, umgesetzt mit Art. 76 Art. 3 des Gesetzes 15/2007, vorgesehene Vermutung an, dass Zuwiderhandlungen in Form von Kartellen einen Schaden verursachen, und machte von der Befugnis zur richterlichen Schätzung des Schadens nach Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie, umgesetzt mit Art. 76 Abs. 2 des Gesetzes 15/2007, Gebrauch, da diese beiden Bestimmungen im Rahmen der Regelung über die Beweislastverteilung verfahrensrechtlicher Natur seien.

20.

Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung bei der Audiencia Provincial de León (Provinzgericht León, Spanien) eingelegt und machen geltend, die Klage unterliege der allgemeinen Regelung der außervertraglichen Haftung in Art. 1902 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, wonach für Klagen gemäß diesem Artikel die einjährige Verjährungsfrist nach Art. 1968 Abs. 2 dieses Gesetzbuchs gelte. Nach Ansicht der Beklagten hat diese Frist mit dem 19. Juli 2016, dem Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung, begonnen und ist somit abgelaufen, da die Schadensersatzklage am 1. April 2018 erhoben worden sei. Zudem gebe es keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem im Beschluss der Kommission beschriebenen Verhalten und der Erhöhung des Preises der vom Kläger erworbenen Fahrzeuge, und da auf die Klage Art. 1902 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden sei, müsse sie, wenn dem Kläger der Nachweis des geltend gemachten Schadens nicht gelinge, abgewiesen werden.

21.

Unter diesen Umständen hat die Audiencia Provincial de León (Provinzgericht León) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind Art. 101 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass sie einer Auslegung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach der die in Art. 10 der Richtlinie 2014/104 vorgesehene fünfjährige Verjährungsfrist für die Klageerhebung sowie Art. 17 dieser Richtlinie über die gerichtliche Schadensermittlung nicht rückwirkend anwendbar sind und der für die Rückwirkung maßgebende Zeitpunkt nicht jener der Klageerhebung, sondern der der Sanktionsentscheidung ist?

2.

Sind Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 und der Begriff „rückwirkend“ dahin auszulegen, dass Art. 10 dieser Richtlinie auf eine Klage wie jene im Ausgangsverfahren anwendbar ist, die zwar nach dem Inkrafttreten der Richtlinie und ihrer Umsetzungsbestimmungen erhoben wurde, sich aber auf frühere Sachverhalte bzw. Sanktionen bezieht?

3.

Ist Art. 17 der Richtlinie 2014/104 über die gerichtliche Schadensschätzung im Rahmen der Anwendung einer Bestimmung wie Art. 76 des Gesetzes 15/2007 dahin auszulegen, dass es sich um eine prozessuale Vorschrift handelt, die auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, in dem die Klage nach dem Inkrafttreten der innerstaatlichen Umsetzungsbestimmungen erhoben wurde?

22.

Im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof haben der Kläger, die Beklagten, die spanische und die estnische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen vorgelegt. Mit Ausnahme der estnischen Regierung haben diese Verfahrensbeteiligten auch nach Art. 61 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gestellte Fragen des Gerichtshofs fristgemäß beantwortet.

IV. Würdigung

A. Vorbemerkungen

23.

Die vorliegende Rechtssache (auch bekannt als die Lkw-Kartell-Sache) wirft komplexe und heikle Rechtsfragen der zeitlichen Geltung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 2014/104 für eine Schadensersatzklage auf, die zwar nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie und der nationalen Umsetzungsbestimmungen erhoben wurde, sich jedoch auf eine Zuwiderhandlung bezieht, die vor dem Inkrafttreten sowohl dieser Richtlinie als auch dieser nationalen Bestimmungen beendet war.

24.

Wie dargelegt, bestand die der Schadensersatzklage zugrunde liegende Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV von 1997 bis 2011. Sie war Gegenstand eines am 19. Juli 2016 erlassenen Beschlusses der Kommission. Die nicht vertrauliche Fassung und die Zusammenfassung dieses Beschlusses wurden am 6. April 2017 veröffentlicht.

25.

Die Richtlinie 2014/104 trat am 26. Dezember 2014 in Kraft, und die Frist für ihre Umsetzung lief am 31. Dezember 2016 ab. Sie wurde am 26. Mai 2017 in spanisches Recht umgesetzt.

26.

Die Schadensersatzklage wiederum ist nach dem Inkrafttreten der auf die Richtlinie 2014/104 zurückgehenden nationalen Bestimmungen, nämlich am 1. April 2018, erhoben worden.

27.

Zur Umsetzung der Richtlinie 2014/104 erließ das Königreich Spanien das Königliche Gesetzesdekret 9/2017. Mit dessen Art. 3 und 4 wurde die Unterscheidung zwischen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen beibehalten. Mit Art. 3 dieses Königlichen Gesetzesdekrets werden die materiellen Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 (einschließlich derjenigen über die Verjährung und die Ermittlung des Schadensumfangs, nämlich Art. 10 und Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie) unter Änderung des Gesetzes 15/2007 (neue Art. 74 und 76 dieses Gesetzes) umgesetzt. Mit Art. 4 des Königlichen Gesetzesdekrets 9/2017 werden die Verfahrensbestimmungen der Richtlinie 2014/104 unter Änderung der Ley de Enjuiciamiento Civil (Zivilprozessordnung) umgesetzt.

28.

Der Streit in der vorliegenden Rechtssache betrifft somit die Frage, welche rechtliche Regelung zum einen für die Verjährung der vom Kläger erhobenen Klage (Länge und Beginn der Verjährungsfrist) und zum anderen für die Ermittlung des Schadensumfangs gilt.

29.

Ich schlage vor, als Erstes die zweite und die dritte Frage zu beantworten, da diese die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Richtlinie 2014/104 betreffen, die im vorliegenden Zusammenhang als lex specialis angesehen werden können, und als Zweites die erste Frage, die sich auf die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach primärrechtlichen Grundsätzen beziehen, deren Klärung nur dann relevant wird, wenn sich die fragliche Verpflichtung nicht aus den spezielleren Bestimmungen dieser Richtlinie ableiten lässt.

B. Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

30.

Die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts betreffen die zeitliche Geltung der Art. 10 und 17 der Richtlinie 2014/104 im Sinne ihres Art. 22 für die vom Kläger gegen die Beklagten erhobene Schadensersatzklage und die Einstufung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Regeln als materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Natur.

31.

Da diese beiden Fragen eng miteinander zusammenhängen, halte ich ihre gemeinsame Prüfung für geboten. Erst nachdem diese beiden Fragen gemeinsam untersucht worden sind, kann nämlich auf jede von ihnen eine sachdienliche Antwort gegeben werden.

1.   Zur Auslegung des Rückwirkungsbegriffs in Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 und zur zeitlichen Geltung der „materiell-rechtlichen“ Bestimmungen dieser Richtlinie

32.

Nach Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die nationalen Vorschriften, die nach deren Art. 21 erlassen werden, um den materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie zu entsprechen, nicht rückwirkend gelten.

33.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Auslegung des in dieser Bestimmung verwendeten Adverbs „rückwirkend“. Im Einzelnen fragt es, ob sich dieser Begriff auf erstens den Zeitpunkt der wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung durch die Kartellabsprache oder zweitens den Zeitpunkt der Verhängung der Sanktion durch die Kommission oder gegebenenfalls drittens den Zeitpunkt der Erhebung der Schadensersatzklage bezieht.

34.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine neue Rechtsnorm grundsätzlich ab Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar, in dem sie enthalten ist; sie ist zwar nicht auf unter dem alten Recht entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar, findet jedoch auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung (Verbot der Rückwirkung von Rechtsakten) ( 8 ). Etwas anderes gilt nur, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften erlassen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln ( 9 ).

35.

Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung sind die Vorschriften des materiellen Unionsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau klar hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist ( 10 ).

36.

Die Richtlinie 2014/104 enthält indes spezielle Regeln betreffend die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung. So wird ihr zeitlicher Geltungsbereich in Art. 22 begrenzt, in dem unterschieden wird zwischen den „materiell-rechtlichen Vorschriften“, die nicht rückwirkend gelten ( 11 ), und den „Vorschriften, … die nicht unter Absatz 1 [dieses Art. 22] fallen“ (im Folgenden: verfahrensrechtliche Bestimmungen) und die für Klagen gelten, die nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie (d. h. nach dem 26. Dezember 2014) erhoben wurden ( 12 ).

37.

Damit spiegelt der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 den vom Gerichtshof aufgestellten allgemeinen Grundsatz wider, dass materiell-rechtliche Bestimmungen – im Gegensatz zu verfahrensrechtlichen Bestimmungen, bei denen im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass sie auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar sind – gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten „entstandene Sachverhalte“ grundsätzlich nicht gelten ( 13 ).

38.

Daher ist nunmehr zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt der Sachverhalt in der Lkw-Kartell-Sache entstanden ist, ob also vor oder nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/104 und dem Ablauf der Frist für ihre Umsetzung.

39.

Dazu weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof in den Urteilen Cogeco und Skanska Industrial Solutions u. a. ( 14 ) befunden hat, dass die Richtlinie 2014/104 zeitlich nicht für einen vor Erlass und Inkrafttreten dieser Richtlinie entstandenen Sachverhalt gilt, ohne indes zu erläutern, ob diese Aussage nur für die Zuwiderhandlung gilt oder auch die von den Wettbewerbsbehörden erlassene Entscheidung und die Schadensersatzklage umfasst. Im Unterschied zu den vorgenannten Rechtssachen, in denen die Schadensersatzklagen vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/104 erhoben worden waren, wurde die Schadensersatzklage in der vorliegenden Rechtssache nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie und auf der Grundlage des zu ihrer Umsetzung ergangenen Gesetzes 15/2007 erhoben ( 15 ).

40.

Nach Ansicht der Beklagten ist für die Frage, welche materiell-rechtlichen Bestimmungen für den wegen der wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung geltend gemachten Schaden gelten, wann also der Sachverhalt entstanden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem dieser Schaden verursacht worden ist, d. h. den Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Lastkraftwagen erworben hat.

41.

Der Kläger meint demgegenüber, der Sachverhalt sei zum Zeitpunkt der Erhebung der Schadensersatzklage entstanden. Somit sei die Richtlinie 2014/104 in vollem Umfang anwendbar, ohne dass sich die Frage der Rückwirkung stelle.

42.

Das vorlegende Gericht wiederum zieht noch eine dritte Möglichkeit für die Bestimmung des Zeitpunkts in Betracht, zu dem der Sachverhalt entstanden ist, nämlich den Zeitpunkt der wegen der wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung verhängten Sanktion.

43.

Zunächst stelle ich fest, dass der Wortlaut von Art. 22 der Richtlinie 2014/104 Fragen hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereichs einiger ihrer Bestimmungen aufwirft. So wird in diesem Artikel nicht definiert, welche der Bestimmungen dieser Richtlinie „materiell-rechtlicher“ und welche „verfahrensrechtlicher“ Natur sind. Zudem ist die Tragweite des Rückwirkungsverbots für materiell-rechtliche Bestimmungen nicht hinreichend klar festgelegt. Dies hat zu unterschiedlichen Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Richtlinie geführt, was die Gefahr einer Beeinträchtigung sowohl des Ziels einer konsequenten Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union ( 16 ) als auch des Gebots der Rechtssicherheit ( 17 ) mit sich bringt.

44.

Zudem bin ich der Auffassung, dass es, folgte man der vom Kläger vertretenen Auslegung, zu einer rückwirkenden Anwendung materiell-rechtlicher Bestimmungen käme, für die der Unionsgesetzgeber eine Rückwirkung nicht vorgesehen hat. Damit entstünde eine Situation, die den mit Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 verfolgten Zielen der Vorhersehbarkeit und der Einheitlichkeit abträglich wäre. Eine solche Auslegung brächte die Gefahr mit sich, vor Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsnorm bereits verjährte Ansprüche „wiederaufleben“ zu lassen ( 18 ).

45.

Was das Kriterium des Zeitpunkts der von der Kommission verhängten Sanktion angeht, könnte zwar angesichts dessen, dass die vorliegende Rechtssache in den Bereich der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auf Betreiben Privater („private enforcement“, im Folgenden: privatrechtliche Durchsetzung) fällt und, genauer gesagt, eine Schadensersatzklage betrifft, die im Anschluss an eine von einer Wettbewerbsbehörde festgestellten wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung erhoben wurde („Follow-on“-Haftungsklage), die Frage gestellt werden, ob zur Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem der Sachverhalt entstanden ist, nicht eher auf den Erlass des Beschlusses abzustellen ist, mit dem die Kommission die Zuwiderhandlung festgestellt hat. Im Rahmen von „Follow-on“-Haftungsklagen ist die Rechtsstellung des Geschädigten nämlich nicht nur mit der Feststellung der Zuwiderhandlung durch eine Wettbewerbsbehörde verknüpft, sondern hängt ganz grundlegend von dieser ab, da diese Feststellung eine unerlässliche Vorstufe dafür ist, dass der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch geltend machen kann.

46.

Dazu gebe ich zu bedenken, dass zur Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem der Sachverhalt entstanden ist, eine Anknüpfung allein auf den Zeitpunkt der Schädigung oder den der Zuwiderhandlung gewiss richtig ist im Rahmen der hoheitlichen Durchsetzung von Art. 101 AEUV („public enforcement“), wie Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 zeigt, oder im Rahmen von Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten, unabhängig vom Vorliegen einer Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird („stand-alone actions“), dass diese Anknüpfung aber möglicherweise außerhalb des begrifflichen und kontextuellen Rahmens von „Follow-on“-Haftungsklagen liegt, die das Vorliegen einer Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde voraussetzen und auf diese gegründet sind.

47.

Gleichwohl kann dieser Sichtweise, so sinnvoll sie auch erscheinen mag, nicht gefolgt werden.

48.

Als Erstes ist festzustellen, dass das allgemeine Rückwirkungsverbot aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt. Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll insbesondere sicherstellen, dass die dem Unionsrecht unterliegenden Personen nicht von Rechtsvorschriften betroffen sind, die nicht „klar und … vorhersehbar“ sind ( 19 ). Wie mit den zur hoheitlichen Durchsetzung von Art. 101 AEUV verhängten Sanktionen des Wettbewerbsrechts der Union soll durch das Verbot der Rückwirkung neuer materiell-rechtlicher Bestimmungen für Schadensersatzklagen sichergestellt werden, dass der Urheber einer Zuwiderhandlung die Folgen der Begehung der unerlaubten Handlung und insbesondere den Umfang seiner Haftung gemäß den Bestimmungen vorhersehen kann, die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung in Kraft sind. Damit spiegelt Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 die Rechtsprechung des Gerichtshofs wider, die die Vorhersehbarkeit der materiell-rechtlichen Bestimmungen garantiert, nach denen sich die Haftung für Schäden infolge von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht bestimmt, und verbietet sonach deren rückwirkende Anwendung ( 20 ).

49.

Demgemäß ist im Bereich der Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Sachverhalt, auf den für die Frage der zeitlichen Geltung der nationalen Bestimmungen, die zur Umsetzung der materiell-rechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 über die Entstehung der außervertraglichen Haftung erlassen worden sind, abzustellen ist, der Eintritt der haftungsauslösenden Tatsachen, der im vorliegenden Fall vor dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen liegt. Im Rahmen von „Follow-on“-Haftungsklagen konnten zwar die Unternehmen, die an einem Kartell wie dem hier in Rede stehenden beteiligt waren, vorhersehen, dass ihr eigenes Verhalten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellte, der von einer Wettbewerbsbehörde geahndet werden und zu Schadensersatzforderungen der Geschädigten führen konnte, doch gelten für solche Klagen gleichwohl die materiell-rechtlichen Bestimmungen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung in Kraft waren. Bestätigt wird dies im Übrigen sowohl durch die Richtlinie 2014/104 ( 21 ) als auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der in Ermangelung unionsrechtlicher Bestimmungen für Schadensersatzklagen die nationalen Bestimmungen und Verfahren der Mitgliedstaaten gelten ( 22 ). Zu betonen ist jedoch, dass dies nicht das Recht der Geschädigten auf Schadensersatz in Frage stellt. Wie in den Nrn. 93 und 94 der vorliegenden Schlussanträge erläutert, wird dieses Recht durch das Primärrecht der Union und namentlich den Effektivitätsgrundsatz des Art. 101 AEUV gewährleistet.

50.

Als Zweites könnte auch mit der Anknüpfung an den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung – ein klares, objektives und nachprüfbares Kriterium – eine einheitliche Anwendung der materiell-rechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 gewährleistet werden, die eines der grundlegenden Ziele dieser Richtlinie ist ( 23 ).

51.

Als Drittes ist auch darauf hinzuweisen, dass viele Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/104 mehr oder weniger ausdrücklich davon ausgegangen sind, dass deren materiell-rechtliche Bestimmungen nicht für Sachverhalte wie den des Ausgangsverfahrens gelten, bei denen der durch die Zuwiderhandlung entstandene Schaden vor Ablauf der Umsetzungsfrist oder vor Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmung eingetreten ist. Auch der spanische Gesetzgeber scheint sich so entschieden zu haben, indem er vorgesehen hat, dass die Verfahrensbestimmungen nur für nach Inkrafttreten des Königlichen Gesetzesdekrets zur Umsetzung der Richtlinie 2014/104 (d. h. ab dem 27. Mai 2017) eingeleitete Verfahren gelten, während die materiell-rechtlichen Bestimmungen nicht „rückwirkend“ Anwendung finden, d. h. nicht auf Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie entstanden sind. Diese Vorgehensweise hat die Kommission im Übrigen in ihrem Bericht über die Umsetzung dieser Richtlinie ( 24 ) nicht beanstandet.

52.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass zwar die „verfahrensrechtlichen“ Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 im Ausgangsverfahren Anwendung finden, nicht aber deren als „materiell-rechtlich“ eingestufte Bestimmungen, da diesen keine Rückwirkung zukommt.

2.   Zur Bestimmung der materiell-rechtlichen und der verfahrensrechtlichen Vorschriften im Sinne von Art. 22 der Richtlinie 2014/104

53.

Wie dargelegt, betreffen die zweite und die dritte Frage die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Art. 22 der Richtlinie 2014/104 in Bezug auf die zeitliche Geltung der Bestimmungen dieser Richtlinie über die Verjährungsfrist (Art. 10), die Befugnis der nationalen Gerichte zur Schätzung des Schadens (Art. 17 Abs. 1) und die widerlegliche Vermutung der Verursachung eines Schadens durch Kartelle (Art. 17 Abs. 2).

54.

So möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die vorgenannten Bestimmungen materiell-rechtliche Vorschriften im Sinne von Art. 22 dieser Richtlinie sind oder nicht und ob sie für eine Schadensersatzklage wie die im Ausgangsrechtsstreit erhobene gelten.

a)   Zum Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der materiell-rechtlichen und der verfahrensrechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2014/104

55.

Zunächst ist zu prüfen, ob es den Mitgliedstaaten freisteht, die zur Umsetzung der Richtlinie 2014/104 erlassenen Bestimmungen als solche materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Natur einzustufen.

56.

Nach Ansicht der spanischen und der estnischen Regierung ist diese Frage zu bejahen. Solange die Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen auf der Ebene des Unionsrechts nicht abschließend harmonisiert sei, bleibe es den einzelnen nationalen Rechtsordnungen überlassen, die Verjährungsbestimmungen als materiell-rechtliche oder als verfahrensrechtliche Bestimmungen einzustufen.

57.

Die estnische Regierung führt zudem aus, die Mitgliedstaaten verfügten über eine Verfahrensautonomie, die ihnen einen weiten Handlungsspielraum bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/104 einräume, den der Gerichtshof zu achten habe, solange der Mitgliedstaat seinerseits die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahre. Die Einstufung einer Norm als „materiell-rechtlicher“ oder „verfahrensrechtlicher“ Natur nach Inkrafttreten dieser Richtlinie stelle einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dar.

58.

Nach Auffassung der Kommission und einer der Beklagten ist dagegen die Frage, welche der Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 materiell-rechtlicher und welche verfahrensrechtlicher Natur sind, nach Unionsrecht und nicht nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.

59.

Ich teile diese Auffassung.

60.

Als Erstes ist festzustellen, dass Art. 22 der Richtlinie 2014/104, obwohl er nicht definiert, welche Bestimmungen materiell-rechtlicher und welche verfahrensrechtlicher Natur sind, doch ausdrücklich auf die „materiell-rechtlichen Vorschriften dieser Richtlinie“ Bezug nimmt, was darauf hinzudeuten scheint, dass die Natur dieser Vorschriften eine Frage des Unionsrechts ist.

61.

Als Zweites weise ich darauf hin, dass es zu den Zielen der Richtlinie 2014/104 gehört, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, die Wirksamkeit von Schadensersatzklagen zu erhöhen sowie die Wirksamkeit und Kohärenz der Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV zu gewährleisten ( 25 ). Den Mitgliedstaaten ein solches Ermessen zu belassen, könnte aber zu einer inkohärenten und uneinheitlichen Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie in den verschiedenen Rechtsordnungen führen, was den genannten Zielen zuwiderliefe. Würde hingegen davon ausgegangen, dass sich nach Unionsrechts bestimmt, welche der Vorschriften dieser Richtlinie materiell-rechtlicher und welche verfahrensrechtlicher Natur sind, so würde dies zu mehr Rechtssicherheit führen und die durch eine wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung Geschädigten davon abhalten, für die Erhebung einer Schadensersatzklage ein Gericht zu wählen, das ihren Interessen günstigere materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Bestimmungen anwendet, als sie ein anderes nationales Gericht anwenden könnte. So ließe sich mit anderen Worten „Forum shopping“ verhindern.

62.

Als Drittes stelle ich fest, dass selbst unterstellt, der Unionsgesetzgeber hätte den Mitgliedstaaten die Entscheidung überlassen, welche Bestimmungen materiell-rechtlicher und welche verfahrensrechtlicher Natur sind, diese Entscheidung dennoch im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und dem Grundsatz der Effektivität des Wettbewerbsrechts getroffen werden muss, um ein wirksames Sanktionssystem für Zuwiderhandlungen zu gewährleisten, die auf Betreiben Privater verfolgt werden.

63.

Daher sind meines Erachtens die zweite und die dritte Frage ausgehend von der Prämisse zu prüfen, dass die Rechtsnatur der Vorschriften der Richtlinie 2014/104 nach Unionsrecht zu bestimmen ist.

b)   Die Regelung der Verjährungsfristen gemäß Art. 10 der Richtlinie 2014/104

64.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der spanische Gesetzgeber Art. 10 der Richtlinie 2014/104 wie deren Art. 17 als materiell-rechtliche Bestimmungen ohne Rückwirkung in spanisches Recht umgesetzt hat.

65.

Generalanwältin Kokott hat sich in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Cogeco zur Einstufung von Art. 10 der Richtlinie 2014/104 geäußert und ausgeführt, dass es sich bei diesem nicht um eine reine Verfahrensvorschrift handle ( 26 ).

66.

Auch der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich im Unterschied zu den Verfahrensfristen die Verjährungsfrist auf das materielle Recht bezieht, da sie sowohl den Geschädigten schützen soll, der über genügend Zeit verfügen muss, um im Hinblick auf eine mögliche Klage sachdienliche Informationen zusammenzutragen, als auch den für den Schaden Haftenden, indem verhindert wird, dass der Geschädigte die Ausübung seines Rechts auf Schadensersatz auf unbegrenzte Zeit hinausschieben kann ( 27 ).

67.

Weiter stelle ich fest, dass die Frage der Verjährungsfrist in den meisten nationalen Rechtsordnungen dem materiellen Recht zugeordnet wird und Art. 10 der Richtlinie 2014/104 deshalb in den meisten Mitgliedstaaten als materiell-rechtliche Bestimmung umgesetzt worden ist ( 28 ).

68.

Insoweit ist zu beachten, dass der spanische Gesetzgeber, anders als andere Mitgliedstaaten ( 29 ), keine besonderen Übergangsbestimmungen für die zeitliche Geltung der neuen Verjährungsregeln vorgesehen zu haben scheint.

69.

Nach alledem schlage ich vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 dahin auszulegen ist, dass er nicht für eine Schadensersatzklage gilt, die zwar nach Inkrafttreten dieser Richtlinie und der nationalen Umsetzungsbestimmungen erhoben worden ist, sich jedoch auf Sachverhalte und Sanktionen bezieht, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eingetreten bzw. verhängt worden sind.

c)   Die Befugnis zur richterlichen Bewertung und zur Ermittlung des Schadensumfangs gemäß Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104

70.

Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 betrifft, wie aus seinem Wortlaut hervorgeht, vor allem das Beweismaß für die Ermittlung des dem Geschädigten entstandenen Schadens und die Bewertung der Beweise der vom Kläger zum Nachweis des Ausmaßes des erlittenen Schadens durch den jeweiligen nationalen Richter.

71.

Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2014/104 müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass weder die Beweislast noch das Beweismaß für die Ermittlung des Schadensumfangs die Ausübung des Rechts auf Schadensersatz praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

72.

Zunächst stelle ich fest, dass diese Bestimmung ein Ausdruck des vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsatzes der Effektivität des Wettbewerbsrechts ist ( 30 ).

73.

Gleiches gilt meines Erachtens für Satz 2 von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104, der den Parteien des Verfahrens keine neue materiell-rechtliche Verpflichtung auferlegt.

74.

Mit der Verringerung des Beweismaßes für die Bestimmung der Schadenshöhe soll diese Vorschrift somit dem zum Nachteil des Klägers bestehenden Informationsgefälle und dem Umstand abhelfen, dass zur Ermittlung des Schadens zumal in Kartellsachen geprüft werden muss, wie sich der betreffende Markt ohne Wettbewerbsverstoß entwickelt hätte, eine für einen Geschädigten nahezu unlösbare Aufgabe.

75.

Ich stelle auch fest, dass Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 im Gegensatz zu Abs. 2 dieses Artikels den Kläger nicht von der Beweislast und von seiner grundsätzlichen Verpflichtung befreit, die Höhe des erlittenen Schadens zu beziffern und zu beweisen. Diese Bestimmung gibt lediglich den nationalen Gerichten eine Methode zur Ermittlung der Schadenshöhe an die Hand, indem sie ihnen einen Beurteilungsspielraum einräumt, der es ihnen erlaubt, das Beweismaß für die Festsetzung der Schadenshöhe anzupassen und so ein geringeres als das normalerweise geforderte Beweismaß genügen zu lassen, wenn die Kläger Schwierigkeiten haben, den Schaden genau zu quantifizieren.

76.

Damit stärkt meines Erachtens dieses Instrument nur den Richter bei der Erfüllung seiner natürlichen Aufgabe im Rahmen einer Schadensersatzklage, nämlich der Bestimmung der Höhe des entstandenen Schadens.

77.

Demgemäß bin ich der Ansicht, dass Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 als eine „verfahrensrechtliche“ Vorschrift im Sinne von Art. 22 dieser Richtlinie angesehen werden könnte und als solche auf eine Schadensersatzklage wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung findet, die zwar nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie und der nationalen Umsetzungsbestimmungen erhoben worden ist, sich jedoch auf eine Zuwiderhandlung bezieht, die vor dem Inkrafttreten sowohl dieser Richtlinie als auch dieser nationalen Bestimmungen beendet war.

d)   Die nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 geltende Schadensvermutung bei einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht

78.

Zu der Frage, ob Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 eine materiell-rechtliche Vorschrift im Sinne von Art. 22 dieser Richtlinie ist oder nicht, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß dieser Bestimmung vermutet wird, dass Zuwiderhandlungen in Form von Kartellen einen Schaden verursachen. Der Rechtsverletzer hat jedoch das Recht, diese Vermutung zu widerlegen.

79.

Zunächst stelle ich fest, dass diese Bestimmung sich nicht auf die Verteilung der Beweislast für das Vorliegen des Schadens (was eine verfahrensrechtliche Frage ist) beschränkt, sondern eine widerlegliche Vermutung aufstellt, dass das betreffende Kartell einen Schaden verursacht hat, was unmittelbar die außervertragliche Haftung der Urheber von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht betrifft.

80.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht ( 31 ). Das Vorliegen eines Schadens und der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem und der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht gehören unzweifelhaft zu den Tatbestandsmerkmalen der zivilrechtlichen außervertraglichen Haftung.

81.

In diesem Zusammenhang bin ich der Ansicht, dass die in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 aufgestellte Vermutung keinem bloßen Beweiszweck dient. Indem die Beweislast dem Urheber der Zuwiderhandlung zugewiesen und der Geschädigte von der Pflicht zum Nachweis des Vorliegens eines Schadens aufgrund dieses Kartells oder eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen diesem Kartell und diesem Schaden befreit wird, knüpft die Zuweisung der zivilrechtlichen außervertraglichen Haftung an den Urheber der Zuwiderhandlung vielmehr unmittelbar an diese Vermutung an, die damit dessen Rechtsstellung unmittelbar berührt. Daher ist Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 und insbesondere dessen Satz 1 eine Rechtsnorm, die eng mit dem Entstehen, der Zuweisung und dem Umfang der außervertraglichen Haftung von Unternehmen zusammenhängt, die durch ihre Beteiligung an einem Kartell gegen Art. 101 AEUV verstoßen haben. Nach der Rechtsprechung sind derartige Normen als „materiell-rechtliche“ Bestimmung einzustufen ( 32 ).

82.

Hinzu kommt, dass der Gerichtshof anderen Bestimmungen der Richtlinie 2014/104, die ebenfalls eng mit der Feststellung der Haftung der Urheber einer Zuwiderhandlung zusammenhängen, keine Rückwirkung zuerkannt hat. Beispielsweise befand er im Urteil Skanska Industrial Solutions u. a., dass Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie, der die Feststellung der solidarischen Haftung von Unternehmen betrifft, die durch gemeinschaftliches Handeln gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben, in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar war, in dem es um eine nach dem Kartell erhobene und durch dieses ausgelöste Schadensersatzklage ging ( 33 ).

83.

Zudem sprechen, wie die Kommission ausgeführt hat, Hinweise aus dem internationalen Privatrecht dafür, dass Bestimmungen, mit denen Vermutungen wie die nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 aufgestellt werden, als materiell-rechtliche Vorschriften eingestuft werden können ( 34 ).

84.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, dass Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104, anders als ihr Art. 17 Abs. 1, als „materiell-rechtliche“ Vorschrift im Sinne von Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie eingestuft werden kann und dass folglich die zu seiner Umsetzung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften nicht auf haftungsbegründende Sachverhalte angewandt werden dürfen, die vor dem Inkrafttreten dieser nationalen Umsetzungsnormen entstanden sind.

85.

Gleichwohl hindert diese Auslegung, wie in den Nrn. 139 bis 141 der vorliegenden Schlussanträge erläutert wird, die nationalen Gerichte keineswegs daran, Beweislastvermutungen für das Vorliegen eines Schadens anzuwenden, die bereits vor Erlass der jeweiligen nationalen Umsetzungsnormen galten und deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht u. a. unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz zu beurteilen ist.

86.

Unter diesen Umständen schlage ich vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung von zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie erlassenen nationalen Bestimmungen über die Befugnis der nationalen Gerichte zur Schätzung der Höhe des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstanden ist, die vor dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen beendet worden ist, im Rahmen einer nach dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmung erhobenen Schadensersatzklage nicht entgegensteht. Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung der nationalen Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie, der eine widerlegliche Schadensvermutung bei Kartellen aufstellt, auf Zuwiderhandlungen, die vor dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen begangen worden sind, im Rahmen einer nach dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmung erhobenen Schadensersatzklage entgegensteht.

C. Zur ersten Vorlagefrage

87.

Angesichts meiner Vorschläge zur Beantwortung der zweiten und der dritten Frage bedarf es meines Erachtens einer Antwort auf die erste Vorlagefrage.

88.

Die erste Vorlagefrage besteht aus zwei Teilen.

89.

Zum einen fragt das vorlegende Gericht nach den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem Primärrecht, d. h. nach der Bedeutung von Art. 101 AEUV und des Effektivitätsgrundsatzes für die Frage, ob Art. 10 Abs. 3, Art. 17 Abs. 1 Satz 2 und Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 auf eine Situation wie die im Ausgangsverfahren bestehende Anwendung finden. Damit stellt sich die Frage, ob Art. 101 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz es gebieten, die Erste Übergangsbestimmung des Königlichen Gesetzesdekrets 9/2017 dahin auszulegen, dass die Änderungen des Gesetzes zum Schutz des Wettbewerbs bezüglich der Verjährungsfristen, der widerleglichen Schadensvermutung bei Kartellen und der Ermittlung des Schadensumfangs auf Klagen Anwendung finden, die wie die den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits bildende Klage nach dem Inkrafttreten dieses Königlichen Gesetzesdekrets erhoben worden sind, einschließlich des Falles, dass sich die Klage auf vor dem Inkrafttreten dieses Königlichen Gesetzesdekrets liegende Sachverhalte und Sanktionen bezieht.

90.

Zum anderen ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der spanischen Rechtsvorschriften – und insbesondere der Bestimmung über die außervertragliche Haftung als alternative Rechtsgrundlage für die im Ausgangsverfahren erhobene Schadensersatzklage – mit Art. 101 AEUV und dem Effektivitätsgrundsatz für den Fall, dass die Art. 10 und 17 der Richtlinie 2014/104 in zeitlicher Hinsicht nicht gelten.

91.

Zum ersten Teil der ersten Vorlagefrage stelle ich fest, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht zur rückwirkenden Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften der Richtlinie 2014/104 verpflichten kann. Dies liefe allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwider. Daher steht meines Erachtens die Entscheidung des spanischen Gesetzgebers, dass die Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 10 und Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie materiell-rechtliche Vorschriften ohne Rückwirkung sind – eine Einstufung, die im Übrigen, wie im Rahmen der Untersuchung der zweiten und der dritten Frage dargelegt, dem Unionsrecht entspricht –, im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz. Gleiches gilt jedoch nicht für Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie, bei dem es sich um eine Verfahrensbestimmung handelt und der auf die den Gegenstand der vorliegenden Rechtssache bildende Schadensersatzklage Anwendung finden kann.

92.

Zum zweiten Teil dieser Frage stelle ich zunächst fest, dass das Rückwirkungsverbot für die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der materiell-rechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 2014/104 gemäß deren Art. 22 Abs. 1 in Bezug auf den vor Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen entstandenen haftungsbegründenden Sachverhalt nicht ausschließt, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalen Bestimmungen im Einklang mit ihren kraft des Effektivitätsgrundsatzes bereits bestehenden primärrechtlichen Verpflichtungen anwenden ( 35 ).

93.

Damit steht fest, dass es in Ermangelung einer zeitlich anwendbaren einschlägigen Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaats ist, die Modalitäten für die Ausübung des Rechts zur Forderung von Ersatz des sich aus einem Verstoß gegen die Art. 101 und 102 AEUV ergebenden Schadens zu regeln, um den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte zu gewährleisten, wobei diese nationalen Bestimmungen nicht weniger günstig sein dürfen als die für entsprechende Rechtsbehelfe, die nur innerstaatliches Recht betreffen, geltenden (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) ( 36 ).

94.

In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass Art. 101 AEUV unmittelbare Wirkungen in den Beziehungen zwischen Einzelnen erzeugt und in deren Person Rechte entstehen lässt, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben. Somit gebietet es die volle Wirksamkeit von Art. 101 AEUV, dass ein Geschädigter nicht nur Ersatz des Vermögensschadens (damnum emergens), sondern auch des entgangenen Gewinns (lucrum cessans) sowie die Zahlung von Zinsen verlangen können muss ( 37 ).

95.

Der Gerichtshof hat Inhalt und Tragweite dieser Rechtsprechung hinsichtlich besonderer Aspekte von Schadensersatzklagen erläutert. So hat er erklärt, dass der Effektivitätsgrundsatz einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Ausübung des Rechts auf Schadensersatz in voller Höhe „praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert“ ( 38 ).

96.

Zudem ist festzustellen, dass die hoheitliche und die privatrechtliche Durchsetzung des Wettbewerbsrechts als Instrumente anzusehen sind, die dem gemeinsamen Ziel der Beachtung des Wettbewerbsrechts dienen. Hierzu weise ich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursacht worden ist, die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union erhöht und geeignet ist, von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. So gesehen können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union beitragen ( 39 ). Wenn sich somit im Rahmen der hoheitlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts die abschreckende Wirkung in den von den Wettbewerbsbehörden verhängten Sanktionen zeigt, so wird sie im Rahmen der privatrechtlichen Durchsetzung dadurch sichergestellt, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen eine Vielzahl von Schadensersatzklagen möglicher Geschädigter vor verschiedenen Gerichten zu gewärtigen haben (insbesondere, wenn der Wettbewerbsverstoß grenzüberschreitenden Charakter hat und sich wie im vorliegenden Fall auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt).

1.   Prüfung der Verjährungsregelung des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs anhand des Effektivitätsgrundsatzes

97.

Der Gerichtshof hat klargestellt, welche Gesichtspunkte für die Frage zu berücksichtigen sind, ob eine bestimmte Verjährungsregelung im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz steht. Im Einzelnen hat er entschieden, dass die Elemente der Verjährung in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden müssen, und zwar erstens die Länge der Verjährungsfrist ( 40 ), zweitens die Frage, ob die Frist beginnt, bevor der Geschädigte Kenntnis von dem erlittenen Schaden erlangt hat ( 41 ), und drittens die Frage, ob die Frist gehemmt oder unterbrochen werden kann ( 42 ).

98.

Die Vereinbarkeit der Regelung der außervertraglichen Haftung im spanischen Bürgerlichen Gesetzbuch ist mithin anhand dieser Kriterien zu prüfen.

a)   Die Länge der Verjährungsfrist

99.

Wie der Gerichtshof entschieden hat, darf die Verjährungsfrist „nicht so kurz sein …, dass sie in Verbindung mit den sonstigen Verjährungsregel[n] die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert“ ( 43 ).

100.

Ich stelle fest, dass die in der Regelung der außervertraglichen Haftung im spanischen Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Frist von einem Jahr erheblich kürzer ist als die in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 vorgesehene Frist von fünf Jahren.

101.

Allerdings sind nach den im Urteil Cogeco herausgearbeiteten Kriterien die Elemente der Verjährungsregelung in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen ( 44 ). Somit genügt es bei der Effektivitätsprüfung nicht, einzelne Elemente der nationalen Verjährungsregelung isoliert zu betrachten ( 45 ).

102.

Vor der Untersuchung des Beginns der Verjährungsfrist und des deren Lauf auslösenden Ereignisses weise ich darauf hin, dass sich die Frage der Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist (trotz ihrer Bedeutung für die Frage, ob die Einjahresfrist den vom Gerichtshof im Urteil Cogeco aufgestellten Kriterien genügt) in der vorliegenden Rechtssache nicht stellt. Wegen der Elemente, die zur Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes unter diesem Gesichtspunkt zu berücksichtigen sind, verweise ich auf die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Cogeco ( 46 ).

b)   Der dies a quo für die Berechnung der Verjährungsfrist

103.

Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass Art. 10 der Richtlinie 2014/104 auf eine Schadensersatzklage wie die im Ausgangsverfahren keine Anwendung findet, wäre das nationale Gericht grundsätzlich gehalten, die Verjährungsfrist von einem Jahr gemäß der allgemeinen Regelung der außervertraglichen Haftung in Art. 1902 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden und den dies a quo für die Berechnung der Verjährungsfrist zu bestimmen.

104.

Hierzu vertreten die Beklagten die Ansicht, dass die Verjährungsfrist des Art. 1902 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs mit dem Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung, d. h. am 19. Juli 2016, begonnen habe. Der Anspruch, den der Kläger mit der am 1. April 2018 erhobenen Klage geltend mache, sei somit verjährt.

105.

Demgegenüber machen der Kläger, die spanische Regierung und die Kommission geltend, als dies a quo sei der Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union, d. h. der 6. April 2017, zu berücksichtigen, so dass im vorliegenden Fall keine Verjährung eingetreten sei.

106.

Zunächst weise ich darauf hin, dass es der Effektivitätsgrundsatz dem Gerichtshof zufolge gebietet, dass eine nationale Regelung, die den Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist, deren Dauer und die Modalitäten ihrer Hemmung oder Unterbrechung festlegt, den wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten und den Zielen der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die betroffenen Personen angepasst sein muss ( 47 ). Zu dem die Verjährungsfrist in Lauf setzenden Ereignis hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es für den Geschädigten unerlässlich ist, zu wissen, wer Urheber der wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung ist, um eine Schadensersatzklage erheben zu können ( 48 ).

107.

Diese Kriterien finden sich auch in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104, wonach die Verjährungsfrist erst beginnt, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich zum einen die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beendet wurde und zum anderen der Kläger von bestimmten, für die Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässlichen Informationen Kenntnis erlangt hat ( 49 ).

108.

Im vorliegenden Fall fragt sich das vorlegende Gericht, welcher Vorgang – die Veröffentlichung der Pressemitteilung oder die Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union (und seiner nicht vertraulichen Fassung auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission) – als das Ereignis angesehen werden kann, ab dem vernünftigerweise die Kenntnis des Klägers von den für die Erhebung der Schadensersatzklage unerlässlichen Informationen erwartet werden kann.

109.

Zur Beantwortung dieser Frage sind der Gegenstand, die Natur und insbesondere der Inhalt der Pressemitteilung zu untersuchen und mit denen der im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Zusammenfassung des Beschlusses in der Lkw-Kartell-Sache zu vergleichen. Ebenfalls zu prüfen ist, ob für die Geschädigten eine besondere Sorgfaltspflicht im Rahmen der privatrechtlichen Durchsetzung von Art. 101 AEUV besteht.

1) Zur Veröffentlichung der Pressemitteilungen und der Beschlüsse der Kommission

110.

Nach Art. 30 der Verordnung Nr. 1/2003 veröffentlicht die Kommission die Entscheidungen, die sie nach den Art. 7, 9, 10 und 24 dieser Verordnung erlässt.

111.

Dieser Verpflichtung kommt die Kommission dadurch nach, dass sie „[k]urz nach“ Erlass der Beschlüsse gemäß den Art. 101 und/oder 102 AEUV eine Zusammenfassung von diesen in allen Amtssprachen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht ( 50 ).

112.

Die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission veröffentlicht zudem auf ihrer Website gewöhnlich „so rasch wie möglich“ nicht vertrauliche Fassungen der Beschlüsse nach den Art. 101 und 102 AEUV, allerdings anders als die Zusammenfassungen nur in den verbindlichen Sprachen. Wegen der Verpflichtung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und vertraulichen Informationen der Parteien werden diese öffentlich zugänglichen Fassungen in der Regel eine gewisse Zeit nach dem Erlass dieser Beschlüsse veröffentlicht ( 51 ).

113.

In der vorliegenden Rechtssache erließ die Kommission den Beschluss am 19. Juli 2016. Am selben Tag gab sie den Erlass dieses Beschlusses in einer auf ihrer Website verfügbaren Pressemitteilung bekannt ( 52 ). Am 6. April 2017 veröffentlichte die Kommission eine Zusammenfassung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union. Am selben Tag veröffentlichte sie eine vorläufige nicht vertrauliche Fassung des Beschlusses auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb.

2) Zum Bestehen einer Verpflichtung des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten, sich zu informieren

114.

Nach alledem stellt sich die Frage, ob für die potenziell Geschädigten eine bestimmte Pflicht zur Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten besteht, um die für die Erhebung einer Schadensersatzklage nötigen Informationen zu erlangen, und, wenn ja, ob sie zur Erfüllung dieser Sorgfaltspflicht die Veröffentlichungen der Pressemitteilungen der Kommission über Beschlüsse nach Art. 101 AEUV verfolgen müssen.

115.

Die Beklagten scheinen der Ansicht zu sein, dass für die Beschwerdeführer eine solche Sorgfaltspflicht zu fordern sei, da sie erfahrene Unternehmen und Geschäftsleute seien. Eine Reihe von Anhaltspunkten – wie die mediale Behandlung des Erlasses des Beschlusses am Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung oder der Umstand, dass mit ähnlichen Schadensersatzforderungen befasste Anwaltskanzleien, Anlagefonds und andere Fachleute die Möglichkeit eines Vorgehens gegen die Lkw-Hersteller angekündigt hätten – sprächen dafür, dass die Lkw-Käufer nicht behaupten könnten, von dem Beschluss der Kommission nichts gewusst zu haben.

116.

Daher müsse sich der Kläger so behandeln lassen, als hätte er durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung Kenntnis von der Zuwiderhandlung erlangt und eine Schadensersatzklage erheben oder zumindest den Lauf der Verjährungsfrist durch Übersendung eines Schreibens am Tag dieser Veröffentlichung unterbrechen können, was andere Lkw-Käufer, die gegenwärtig vor den spanischen Gerichten gegen die Hersteller vorgingen, offenbar getan hätten.

117.

Ich bestreite nicht, dass am Tag der Veröffentlichung der Pressemitteilung eine Reihe von Wirtschaftsbeteiligten auf dem vom Kartell betroffenen Markt Kenntnis davon erlangt hat, dass die Kommission einen solchen Beschluss erlassen hatte. Klar ist auch, dass angesichts der Ermittlung und der von der Kommission im Lauf der Untersuchung herausgegebenen Pressemitteilungen (die wahrscheinlich in mehreren Mitgliedstaaten in der Presse wiedergegeben worden sind) ( 53 ) sowie der für die Käufer dieser Erzeugnisse auf dem Spiel stehenden Interessen angenommen werden darf, dass ein Teil des Marktes Kenntnis von der von der Kommission geführten Ermittlung und erst recht von dem von dieser erlassen Beschluss hatte.

118.

Dennoch denke ich nicht, dass für die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten eine allgemeine Sorgfaltspflicht besteht, die Veröffentlichung derartiger Pressemitteilungen zu verfolgen.

119.

Gewiss ist nicht auszuschließen, dass bei den Gerichten mancher Mitgliedstaaten nach oder sogar vor der Veröffentlichung von Pressemitteilungen Schadensersatzklagen erhoben werden ( 54 ). Gleichwohl wird durch diese Praxis (die im Übrigen u. a. angesichts der unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Zeitpunkts des Beginns der Verjährungsfrist keine einhellige Billigung erfährt ( 55 )) meines Erachtens keine „Sorgfaltspflicht“ zulasten der durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht Geschädigten geschaffen, auf der Grundlage dieser Pressemitteilungen Schadensersatzklagen zu erheben.

120.

Nach alledem kann nicht vermutet werden, dass auf die bloße Veröffentlichung einer Pressemitteilung der Kommission auf ihrer Website hin der betroffene Geschädigte Kenntnis von allen Informationen erlangt hat, die für die Ausübung seines Rechts auf Erhebung einer Schadensersatzklage unerlässlich sind. Mit der Kommission bin ich der Auffassung, dass es das Recht eines potenziell Geschädigten auf Forderung von Ersatz des durch eine wettbewerbswidrige Praktik verursachten Schadens beeinträchtigen würde, wenn von ihm der Nachweis eines zu hohen Sorgfaltsgrads verlangt würde. Somit dürften nach dem Grundsatz der vollen Wirksamkeit der Art. 101 und 102 AEUV sowie dem hinter dem Institut der Verjährung stehenden Grundsatz der Rechtssicherheit an diese Sorgfaltspflicht der Person, die Schadensersatz fordert, nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden ( 56 ).

121.

Schließlich weise ich darauf hin, dass hinsichtlich dieser vermeintlichen Sorgfaltspflicht in der Rechtsprechungspraxis mancher Mitgliedstaaten anscheinend zwischen „professionellen“ Verbrauchern oder Großunternehmen und „gewöhnlichen“ Verbrauchern unterschieden wird. Danach sollen Erstere so behandelt werden, als hätten sie eine höhere Sorgfaltspflicht als Letztere, aufgrund deren sie die Veröffentlichung der Pressemitteilung der Kommission verfolgen müssten.

122.

Obwohl es letztlich Sache des nationalen Gerichts ist, im Einzelfall zu prüfen, ob der Geschädigte aufgrund seiner Sorgfaltspflicht die Entwicklungen in einer Wettbewerbssache zur Ausübung seiner Rechte verfolgen muss, bestünde die Gefahr, dass eine solche Unterscheidung zwischen den Geschädigten die (bereits bestehende) Unsicherheit im Bereich der privatrechtlichen Durchsetzung von Art. 101 AEUV erhöht. Da sich die möglichen Geschädigten nicht in einem homogenen Umfeld bewegen, hinge der im Einzelfall verlangte Sorgfaltsgrad zwangsläufig von einer Fülle von Kriterien ab, die auf die konkreten Umstände des möglichen Geschädigten verweisen, wie etwa Größe des betreffenden Erwerbers, Zahl oder Menge der erworbenen Erzeugnisse, Struktur des Marktes, Bedingungen dieses Erwerbs und andere Kriterien, die zeigen, wie schwierig eine solche Unterscheidung in der Praxis ist. Daher bedarf es meines Erachtens zumindest für die Pressemitteilungen und die Beschlüsse der Kommission im Bereich der wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlungen klarer und vorhersehbarer Kriterien für die „Kenntniserlangung“, wie die Anknüpfung (z. B. im Wege der Vermutung) an die Veröffentlichung der Zusammenfassung eines Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union.

123.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass sich im Rahmen von „Follow-on“-Haftungsklagen mit der Anknüpfung an einen objektiven Umstand wie die Veröffentlichung eines diese Zuwiderhandlung feststellenden Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union – die letzte Phase der hoheitsrechtlichen Durchsetzung von Art. 101 AEUV – klar, genau und transparent der Zeitpunkt bestimmen lässt, zu dem sowohl für die an einem Kartell beteiligten Unternehmen als auch für die Geschädigten die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Somit entsteht für einen Geschädigten das Recht zur Erhebung einer Schadensersatzklage wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens mit dem Erlass des Beschlusses, mit dem die Kommission dieses Verhalten feststellt, und zwar zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union.

124.

Im Übrigen fällt es mir angesichts des Inhalts der Zusammenfassung des Beschlusses schwer, zu verstehen, warum diese nicht ebenfalls am Tag des Erlasses des Beschlusses durch die Kommission und der Veröffentlichung der Pressemitteilung veröffentlicht werden könnte. Denn anders als bei der nicht vertraulichen Fassung, für die ein zeitlicher Abstand zum Tag des Erlasses des Beschlusses durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, die Geschäftsgeheimnisse und vertraulichen Informationen der Parteien zu schützen, erscheint dies für die Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union nicht erforderlich ( 57 ).

3) Der Inhalt der Pressemitteilung und der des Beschlusses der Kommission in der Lkw-Sache

125.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Pressemitteilungen im Allgemeinen weniger detaillierte Informationen über die wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen und die Gründe für ihre Einstufung als Zuwiderhandlung enthalten als die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Zusammenfassungen der Beschlüsse.

126.

Zudem richten sich Pressemitteilungen nicht direkt an die Parteien, für die die veröffentlichten Informationen von besonderem Interesse sein können, und sind daher nicht dazu bestimmt, Rechtswirkungen gegenüber Dritten zu entfalten. Ein entsprechender rechtlicher Hinweis findet sich auf der Website der Kommission ( 58 ).

127.

Im vorliegenden Fall wurde die Pressemitteilung anders als die Zusammenfassung des Beschlusses in der Lkw-Kartell-Sache, die in sämtlichen Amtssprachen der Union veröffentlicht wurde, nur in sechs Amtssprachen veröffentlicht ( 59 ). Ferner hebe ich hervor, dass sie nicht auf Spanisch, der Sprache des Klägers der Ausgangsverfahren, veröffentlicht wurde. Zudem wird in der Pressemitteilung auf die Möglichkeit für die durch die wettbewerbswidrigen Praktiken der beschriebenen Art geschädigten Personen oder Unternehmen verwiesen, die Gerichte der Mitgliedstaaten anzurufen und Schadensersatz zu fordern ( 60 ).

128.

Nunmehr ist zu prüfen, welches die wesentlichen Bestandteile einer Pressemitteilung sind, die einem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage ermöglichen.

129.

Erstens werden in der Pressemitteilung nicht die einzelnen Adressaten des Beschlusses genannt (die Muttergesellschaft und die eventuell von dem Beschluss betroffenen Tochtergesellschaften sind nicht sämtlich aufgeführt), und die juristischen Einheiten, an die der Beschluss gerichtet ist, sind nicht mit ihrer Firma bezeichnet, sondern nur mit den Handelsnamen der betroffenen Unternehmen ( 61 ). Demgegenüber sind in der Zusammenfassung die Urheber der Zuwiderhandlung genannt.

130.

Zweitens enthält die Pressemitteilung keine hinreichend detaillierte Beschreibung der Zuwiderhandlung und insbesondere der von dieser betroffenen Lkw-Typen. Es heißt dort lediglich, dass die Zuwiderhandlung „mittelschwere“ (zwischen 6 und 16 Tonnen) und „schwere“ Lastkraftwagen (über 16 Tonnen) betrifft (zusammen als Lkw bezeichnet), während in der Zusammenfassung des Beschlusses ausgeführt wird, dass es sich bei den Lkw sowohl um Solofahrzeuge als auch um Sattelzugmaschinen handelt und dass der Beschluss nicht den Kundendienst, andere Dienstleistungen und Garantien für Lkw, den Verkauf von gebrauchten Lkw und jegliche anderen Waren oder Dienstleistungen betrifft.

131.

Drittens ist in der Pressemitteilung weder die genaue Dauer der Zuwiderhandlung noch die jedem einzelnen Adressaten des Beschlusses zur Last gelegte Dauer angegeben. Es heißt dort nur, dass das „1997 gegründete Kartell … 14 Jahre, bis … 2011 [hielt]“, während in der Zusammenfassung des Beschlusses die genaue Dauer (vom 17. Januar 1997 bis 18. Januar 2011) und die jedem einzelnen betroffenen Unternehmen nach Maßgabe seiner Beteiligung an dem festgestellten Kartell zur Last gelegte Dauer angegeben sind.

132.

Diese Informationen stellen aber meines Erachtens entscheidende Hinweise für die Geschädigten dar, anhand deren sie erkennen können, ob die Zuwiderhandlung auf einem sie betreffenden räumlichen Markt und während eines Zeitraums stattgefunden hat, in dem sie tatsächlich den Lkw-Typ und das Lkw-Modell, die Gegenstand des Kartells waren, erworben hatten.

133.

Nach alledem und unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Natur von Pressemitteilungen und insbesondere ihres Inhalts liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass der Geschädigte erst ab dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union über die Informationen verfügen konnte, die ihm die Erhebung einer Schadensersatzklage ermöglichten.

134.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass nach den Erklärungen der spanischen Regierung und vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht die spanischen Gerichte anscheinend die Verjährungsregelung im Rahmen von auf Art. 1902 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuchs gestützten Klagen so auslegen, dass die einjährige Verjährungsfrist erst ab der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union zu laufen beginnt.

135.

Meines Erachtens ist somit in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens keine Verjährung eingetreten.

2.   Die Schadensvermutung im Licht des Grundsatzes der Effektivität des Wettbewerbsrechts

136.

Das Vorliegen des Schadens muss der Kläger angesichts der bei der Prüfung der dritten Vorlagefrage festgestellten Unanwendbarkeit von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie der Richtlinie 2014/104 gemäß der allgemeinen Regelung beweisen.

137.

Als Erstes stelle ich fest, dass nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, mit dem die Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere das Urteil Masterfoods und HB ( 62 ) kodifiziert wird, die Gerichte der Mitgliedstaaten, wenn sie nach den Art. 101 oder Art. 102 AEUV über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand eines Beschlusses der Kommission sind, keine Entscheidungen erlassen dürfen, die dem Beschluss der Kommission zuwiderlaufen.

138.

Dies würde meines Erachtens den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der (mit dem Beschluss der Kommission bereits festgestellten) Zuwiderhandlung und dem erlittenen Schaden erleichtern, ohne dass auf eine rückwirkende Geltung von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 zurückgegriffen werden müsste.

139.

Als Zweites sind, wie in Nr. 85 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, die nationalen Gerichte durch nichts daran gehindert, Beweislastvermutungen für das Vorliegen eines Schadens anzuwenden, die bereits vor Erlass der jeweiligen nationalen Umsetzungsnormen galten und deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht u. a. unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz zu beurteilen ist ( 63 ).

140.

Hierzu weise ich darauf hin, dass nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104 in Ermangelung entsprechender unionsrechtlicher Bestimmungen (und somit außerhalb des Geltungsbereich dieser Richtlinie) die nationalen Bestimmungen, die die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz eines durch eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV entstandenen Schadens einschließlich der in dieser Richtlinie nicht behandelten Aspekte (wie den Begriff des „ursächlichen Zusammenhangs“ zwischen der Zuwiderhandlung und dem Schaden) betreffen, dem Effektivitäts- und dem Äquivalenzgrundsatz entsprechen müssen.

141.

Das bedeutet, dass die nationalen Bestimmungen „nicht so formuliert sein oder angewandt werden [sollten], dass sie die Geltendmachung des durch den AEU[-Vertrag] garantierten Rechts auf Schadensersatz übermäßig erschweren oder praktisch unmöglich machen“, so dass dem nationalen Richter ein Beurteilungs- und Auslegungsspielraum bei seiner Schätzung des erlittenen Schadens bleibt ( 64 ).

142.

Nach alledem schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Auslegung der nationalen Bestimmung, nach der die rückwirkende Anwendung der in Art. 10 Abs. 3 und in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 vorgesehenen fünfjährigen Verjährungsfrist und der widerleglichen Schadensvermutung bei Kartellen ausgeschlossen ist, nicht entgegensteht. Art. 101 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz gebieten es jedoch, dass die nach der nationalen Regelung geltende Verjährungsfrist erst mit dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union zu laufen beginnt.

V. Ergebnis

143.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Audiencia Provincial de León (Provinzgericht León, Spanien) wie folgt zu antworten:

1.

Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung der nationalen Bestimmung, nach der die rückwirkende Anwendung der in Art. 10 Abs. 3 und in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union vorgesehenen fünfjährigen Verjährungsfrist und der widerleglichen Schadensvermutung bei Kartellen ausgeschlossen ist, nicht entgegensteht. Art. 101 AEUV und der Effektivitätsgrundsatz gebieten es jedoch, dass die nach der nationalen Regelung geltende Verjährungsfrist erst mit dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union zu laufen beginnt.

2.

Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104 ist dahin auszulegen, dass Art. 10 dieser Richtlinie nicht für eine Schadensersatzklage gilt, die zwar nach Inkrafttreten dieser Richtlinie und der nationalen Umsetzungsbestimmungen erhoben worden ist, sich jedoch auf Sachverhalte und Sanktionen bezieht, die vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eingetreten bzw. verhängt worden sind.

3.

Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104 ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung von zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie erlassenen nationalen Bestimmungen über die Befugnis der nationalen Gerichte zur Schätzung der Höhe des Schadens, der durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht entstanden ist, die vor dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen beendet worden ist, im Rahmen einer nach dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmung erhobenen Schadensersatzklage nicht entgegensteht. Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung der nationalen Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 dieser Richtlinie, der eine widerlegliche Schadensvermutung bei Kartellen aufstellt, auf Zuwiderhandlungen, die vor dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmungen begangen worden sind, im Rahmen einer nach dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsbestimmung erhobenen Schadensersatzklage entgegensteht.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1).

( 3 ) Urteil vom 28. März 2019 (C‑637/17, im Folgenden: Urteil Cogeco, EU:C:2019:263).

( 4 ) Urteil vom 14. März 2019 (C‑724/17, EU:C:2019:204).

( 5 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

( 6 ) BOE Nr. 159 vom 4. Juli 2007, S. 28848.

( 7 ) Die von der Kommission verhängte Sanktion ist für eins der Unternehmen, das sie mit einer am 11. Dezember 2017 beim Gericht erhobenen und noch anhängigen Klage anficht (Scania u. a./Kommission, T‑799/17), nicht bestandskräftig.

( 8 ) Vgl. Urteile vom 14. April 1970, Brock (68/69, EU:C:1970:24, Rn. 7), und vom 10. Juli 1986, Licata/WSA (270/84, EU:C:1986:304, Rn. 31).

( 9 ) Urteile vom 16. Dezember 2010, Stichting Natuur en Milieu u. a. (C‑266/09, EU:C:2010:779, Rn. 32), vom 26. März 2015, Kommission/Moravia Gas Storage (C‑596/13 P, EU:C:2015:203, Rn. 32), und vom 15. Januar 2019, E.B. (C‑258/17, EU:C:2019:17, Rn. 50).

( 10 ) Vgl. Urteile vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission (C‑369/09 P, EU:C:2011:175, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen (C‑334/07 P, EU:C:2008:709, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Vgl. Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2014/104.

( 12 ) Vgl. Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2014/104.

( 13 ) Vgl. Urteile vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission (C‑369/09 P, EU:C:2011:175, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen (C‑334/07 P, EU:C:2008:709, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 14 ) Urteil vom 14. März 2019 (C‑724/17, EU:C:2019:204).

( 15 ) Wie in Nr. 24 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, hat die Kommission den Beschluss in der Lkw-Sache nach Inkrafttreten der Richtlinie 2014/104, aber vor Ablauf der Frist für ihre Umsetzung erlassen, während die Veröffentlichung der Zusammenfassung dieses Beschlusses im Amtsblatt der Europäischen Union und die seiner nicht vertraulichen Fassung im Internet nach dieser Frist, aber vor der Umsetzung dieser Richtlinie im spanischen Recht durch das Gesetz 15/2007 erfolgt ist.

( 16 ) Vgl. den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104 [in dessen französischer Sprachfassung von einer „application uniforme“, also einheitlichen Anwendung die Rede ist].

( 17 ) Hierzu weise ich darauf hin, dass die Frage der zeitlichen Geltung der neuen, in Art. 10 der Richtlinie 2014/104 vorgesehen Verjährungsregelung diese Problematik angesichts des unterschiedlichen Vorgehens der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung sehr deutlich werden lässt.

( 18 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Cogeco Communications (C‑637/17, EU:C:2019:32, Nr. 63).

( 19 ) Urteil vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a. (verbundene Rechtssache212/80 bis 217/80, EU:C:1981:270, Rn. 10).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 14. Februar 2012, Toshiba Corporation u. a. (C‑17/10, EU:C:2012:72, Rn. 50 und 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 21 ) Vgl. den elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

( 22 ) Vgl. Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 31).

( 23 ) Vgl. den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

( 24 ) Vgl. den „Bericht über die Umsetzung der Richtlinie betreffend Schadensersatzklagen“ vom 14. Dezember 2020.

( 25 ) Vgl. den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

( 26 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Cogeco Communications (C‑637/17, EU:C:2019:32, Rn. 61).

( 27 ) Urteil vom 8. November 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission (C‑469/11 P, EU:C:2012:705, Rn. 52 und 53).

( 28 ) Thomas, B., und Aubin, F., in Amaro, R. (Hrsg.), Private Enforcement of Competition Law in Europe, 1. Aufl., Brüssel, Bruylant, 2021, „Chapter 7 – Limitation period“, S. 165.

( 29 ) Vgl. z. B. das von Frankreich mit Art. 12 Abs. 2 der Ordonnance no 2017-303 relative aux actions en dommages et intérêts du fait des pratiques anticoncurrentielles (Verordnung Nr. 2017-303 über Schadensersatzklagen wegen wettbewerbswidriger Praktiken) vom 9. März 2017 (JORF Nr. 59 vom 10. März 2017) gewählte Vorgehen.

( 30 ) Vgl. Urteile Cogeco und vom 12. Dezember 2019, Otis u. a. (C‑435/18, EU:C:2019:1069).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli, Tsapalos und Diamantakis (C‑361/02 und C‑362/02, EU:C:2004:401, Rn. 20).

( 33 ) Vgl. Urteil vom 14. März 2019 (C‑724/17, EU:C:2019:204, Rn. 34).

( 34 ) Vgl. Art. 15 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. 2007, L 199, S. 40) und Art. 12 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6).

( 35 ) Vgl. den elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

( 36 ) Vgl. Urteile vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 29), und vom 5. Juni 2014, Kone u. a. (C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 24), sowie Urteil Cogeco (Rn. 42).

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 95).

( 38 ) Vgl. Urteil Cogeco (Rn. 38 bis 55), und Urteil vom 12. Dezember 2019, Otis Gesellschaft u. a. (C‑435/18, EU:C:2019:1069, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 39 ) Vgl. Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer (C‑360/09, EU:C:2011:389, Rn. 29).

( 40 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 48.

( 41 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 49.

( 42 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 51.

( 43 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 48.

( 44 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 45.

( 45 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Cogeco Communications (C‑637/17, EU:C:2019:32, Nr. 81).

( 46 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 44 bis 55.

( 47 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 47.

( 48 ) Vgl. Urteil Cogeco, Rn. 48, 49 und 50.

( 49 ) Meines Erachtens gilt die folgende Untersuchung somit ebenso für die Feststellung des dies a quo in einem Fall, in dem Art. 10 dieser Richtlinie anwendbar wäre.

( 50 ) Vgl. Rn. 148 der Bekanntmachung der Kommission über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach den Artikeln 101 und 102 AEUV (ABl. 2011, C 308, S. 6).

( 51 ) Vgl. Rn. 149 der Bekanntmachung der Kommission über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach den Artikeln 101 und 102 AEUV.

( 52 ) Vgl. https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_16_2582.

( 53 ) Die Kommission hat 2011 bestätigt, dass sie im Rahmen ihrer Untersuchung im Lkw-Sektor unangekündigte Nachprüfungen vorgenommen hat (vgl. Informationsblatt vom 18. Januar 2011„Antritrust: Commission confirms unannounced inspections in the truck sector“, verfügbar auf der Website https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/MEMO_11_29). 2014 hat die Kommission durch eine Pressemitteilung ebenfalls bestätigt, dass sie an der Beteiligung an einem Kartell verdächtige Lkw-Hersteller eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat (vgl. Pressemitteilung vom 20. November 2014„Kartellrecht: Kommission übermittelt mutmaßlichen Beteiligten eines Lkw-Kartells Mitteilung der Beschwerdepunkte“, in deutscher, englischer und französischer Sprache verfügbar auf der Website https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_14_2002). In diesen beiden Dokumenten sind jedoch weder die von der Untersuchung betroffenen Unternehmen noch die räumlichen Märkte, noch die betroffenen Erzeugnisse oder die Dauer der zu dieser Zeit untersuchten Zuwiderhandlung genannt.

( 54 ) Thomas, B., und Aubin, F., in Amaro, R. (Hrsg.), Private Enforcement of Competition Law in Europe, 1. Aufl., Brüssel, Bruylant, 2021, „Chapter 7 – Limitation period“, S. 170 bis 172.

( 55 ) Van Bael & Bellis, Competition Law of the European Union, 6. Aufl., Kluwer Law International, 2021, „Chapter 11: Private Enforcement“, S. 1322.

( 56 ) Vgl. Urteil vom 20. September 2001, Courage und Crehan (C‑453/99, EU:C:2001:465, Rn. 26).

( 57 ) Ich weise darauf hin, dass der zeitliche Abstand zwischen der Veröffentlichung der Pressemitteilung am Tag des Erlasses eines Beschlusses und der Veröffentlichung seiner Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union mehrere Monate später eine Rechtsunsicherheit entstehen lassen kann, die in Anbetracht der unterschiedlichen Ansätze der Mitgliedstaaten in der Frage des dies a quo die wirksame Anwendung des Wettbewerbsrechts innerhalb der Union gefährdet.

( 58 ) Vgl. in diesem Sinne: https://ec.europa.eu/info/legal-notice_de.

( 59 ) Die Pressemitteilung wurde in deutscher, englischer, französischer, italienischer, niederländischer und schwedischer Sprache veröffentlicht.

( 60 ) Die Pressemitteilung enthält Links zur Richtlinie 2014/104 sowie zur Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission mit weiteren Informationen über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen sowie einen praktischen Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs.

( 61 ) Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Hochladen mehrere Tage nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung (am 25. Juli 2016) in der Sektion betreffend die Lkw-Kartell-Sache auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission oben auf der diese Sache betreffenden Seite bereits die Firmennamen der Unternehmen, an die der Beschluss gerichtet ist, genannt waren (vgl. https://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=1_39824). Somit ist nicht auszuschließen, dass die Leser der Pressemitteilung die Identität der Adressaten des Beschlusses kannten.

( 62 ) Urteil vom 14. Dezember 2000 (C‑344/98, EU:C:2000:689).

( 63 ) Vgl. den elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

( 64 ) Vgl. den elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/104.

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