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Document 62019CJ0796

Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 12. November 2020.
Europäische Kommission gegen Republik Österreich.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2007/59/EG – Zertifizierung von Triebfahrzeugführern – Art. 3 Buchst. a – Zuständige nationale Behörde – Richtlinie 2004/49/EG – Art. 16 Abs. 1 – Sicherheitsbehörde – Benennung mehrerer Behörden.
Rechtssache C-796/19.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:920

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

12. November 2020 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2007/59/EG – Zertifizierung von Triebfahrzeugführern – Art. 3 Buchst. a – Zuständige nationale Behörde – Richtlinie 2004/49/EG – Art. 16 Abs. 1 – Sicherheitsbehörde – Benennung mehrerer Behörden“

In der Rechtssache C‑796/19

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 29. Oktober 2019,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und C. Vrignon als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch J. Schmoll und A. Posch als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen (ABl. 2007, L 315, S. 51), verstoßen hat, indem sie als „zuständige Behörde“ im Sinne der Richtlinie 2007/59 eine andere Behörde bestimmt hat als die Sicherheitsbehörde gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit) (ABl. 2004, L 164, S. 44, Berichtigungen in ABl. 2004, L 220, S. 16, und ABl. 2015, L 103, S. 11).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2004/49

2

In den Erwägungsgründen 13 und 22 der Richtlinie 2004/49 heißt es:

„(13)

Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten sollten die Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen ein Sicherheitsmanagementsystem umsetzen, das gemeinschaftliche Anforderungen erfüllt und gemeinsame Elemente enthält. Die Sicherheit sowie die Umsetzung des Sicherheitsmanagementsystems betreffende Informationen sollten der Sicherheitsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats übermittelt werden.

...

(22)

Als Bestandteil des neuen gemeinsamen Regelungsrahmens für die Eisenbahnsicherheit sollten in allen Mitgliedstaaten nationale Behörden für die Regelung und Überwachung der Eisenbahnsicherheit eingerichtet werden. Zur Erleichterung ihrer Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene sollte ihnen derselbe Mindestumfang an Aufgaben und Zuständigkeiten übertragen werden. Den nationalen Sicherheitsbehörden sollte ein hohes Maß an Unabhängigkeit zukommen. Sie sollten ihre Aufgaben auf offene und nichtdiskriminierende Weise wahrnehmen, um so die Schaffung eines einheitlichen Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft zu unterstützen; sie sollten ferner ihre Entscheidungskriterien miteinander abstimmen, insbesondere in Bezug auf die Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen für Eisenbahnunternehmen im grenzüberschreitenden Verkehr.“

3

Mit der Richtlinie 2004/49 „sollen“ ihrem Art. 1 zufolge „die Entwicklung und Verbesserung der Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und ein besserer Marktzugang für Dienstleistungen auf dem Schienenweg durch folgende Maßnahmen gewährleistet werden:

...

d)

Erfordernis der Einrichtung einer Sicherheitsbehörde und einer Stelle für die Untersuchung von Unfällen und Störungen in allen Mitgliedstaaten;

...“

4

Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

...

g)

‚Sicherheitsbehörde‘ die nationale Stelle, die mit den Aufgaben in Bezug auf die Eisenbahnsicherheit im Sinne dieser Richtlinie betraut ist, oder eine binationale Stelle, die von Mitgliedstaaten mit diesen Aufgaben betraut ist, um eine einheitliche Sicherheitsordnung für spezialisierte grenzüberschreitende Infrastrukturen zu gewährleisten;

...“

5

Art. 9 Abs. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Alle Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen legen der Sicherheitsbehörde jedes Jahr vor dem 30. Juni einen Sicherheitsbericht vor, der sich auf das vorangegangene Kalenderjahr bezieht. Dieser Sicherheitsbericht beinhaltet Folgendes:

a)

Angaben darüber, wie die unternehmensbezogenen Sicherheitsziele erreicht werden, sowie die Ergebnisse der Sicherheitspläne;

b)

die Entwicklung von nationalen Sicherheitsindikatoren und den in Anhang I festgelegten [gemeinsamen Sicherheitsindikatoren (common safety indicators – CSI)], sofern dies für die berichtende Organisation von Belang ist;

c)

die Ergebnisse interner Sicherheitsprüfungen;

d)

Angaben über Mängel und Störungen des Eisenbahn- bzw. des Infrastrukturbetriebs, die für die Sicherheitsbehörde von Bedeutung sein können.“

6

Art. 10 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie lautet:

„(3)   Die Sicherheitsbehörde des Mitgliedstaats, in dem das Eisenbahnunternehmen seinen Betrieb zuerst aufnimmt, erteilt die Bescheinigung gemäß Absatz 2.

In der gemäß Absatz 2 erteilten Bescheinigung müssen die Art und der Umfang der erfassten Eisenbahnverkehrsdienste angegeben werden. Die gemäß Absatz 2 Buchstabe a) erteilte Bescheinigung ist für gleichwertige Eisenbahnverkehrsdienste in der gesamten Gemeinschaft gültig.

(4)   Die Sicherheitsbehörde des Mitgliedstaats, in dem das Eisenbahnunternehmen die Aufnahme zusätzlicher Eisenbahnverkehrsdienste beabsichtigt, erteilt die gemäß Absatz 2 Buchstabe b) erforderliche zusätzliche nationale Bescheinigung.“

7

Art. 16 („Aufgaben“) Abs. 1 der Richtlinie 2004/49 bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat richtet eine Sicherheitsbehörde ein. Diese Behörde, bei der es sich um das für Verkehr zuständige Ministerium handeln kann, ist organisatorisch, rechtlich und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnunternehmen, Fahrwegbetreibern, Antragstellern und Beschaffungsstellen unabhängig.“

8

In Art. 16 Abs. 2 dieser Richtlinie sind die Aufgaben aufgezählt, mit denen die in Abs. 1 genannte Sicherheitsbehörde mindestens zu betrauen ist.

9

In Art. 18 („Jahresbericht“) dieser Richtlinie heißt es:

„Die Sicherheitsbehörde veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht über ihre Tätigkeiten des Vorjahres und übermittelt ihn der Agentur spätestens bis zum 30. September. Der Bericht enthält Angaben über:

a)

die Entwicklung der Eisenbahnsicherheit einschließlich einer auf den Mitgliedstaat bezogenen Zusammenstellung der CSI gemäß Anhang I;

...“

10

Art. 25 („Sicherheitsempfehlungen“) Abs. 2 und 3 der Richtlinie bestimmt:

„(2)   Die Empfehlungen werden an die Sicherheitsbehörde und, sofern es die Art der Empfehlung erfordert, an andere Stellen oder Behörden in dem Mitgliedstaat oder an andere Mitgliedstaaten gerichtet. Die Mitgliedstaaten und ihre Sicherheitsbehörden ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Sicherheitsempfehlungen der Untersuchungsstellen angemessen berücksichtigt und gegebenenfalls umgesetzt werden.

(3)   Die Sicherheitsbehörde und andere Behörden oder Stellen sowie gegebenenfalls andere Mitgliedstaaten, an die die Empfehlungen gerichtet sind, unterrichten die Untersuchungsstelle mindestens jährlich über Maßnahmen, die als Reaktion auf die Empfehlung ergriffen wurden oder geplant sind.“

11

Anhang I dieser Richtlinie enthält die gemeinsamen Sicherheitsindikatoren, die die Sicherheitsbehörden der Kommission mitzuteilen haben.

Richtlinie 2007/59

12

In den Erwägungsgründen 17 und 19 der Richtlinie 2007/59 heißt es:

„(17)

Damit die erforderliche Einheitlichkeit und Transparenz gewährleistet ist, sollte die Gemeinschaft ein einheitliches, von allen Mitgliedstaaten gegenseitig anerkanntes Modell für die Zertifizierung festlegen, durch die sowohl die Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen durch die Triebfahrzeugführer als auch ihre Fachkenntnisse und Sprachkenntnisse bescheinigt werden, wobei die Erteilung der Fahrerlaubnisse den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die Ausstellung der harmonisierten Zusatzbescheinigungen den Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern überlassen sein sollte.

...

(19)

Die Sicherheitsbehörden sollten sämtliche in der Fahrerlaubnis, der harmonisierten Zusatzbescheinigung und den Registern der Fahrerlaubnisse und harmonisierten Zusatzbescheinigungen enthaltenen Informationen nutzen, um die Bewertung des Verfahrens zur Zertifizierung des Personals gemäß den Artikeln 10 und 11 der Richtlinie 2004/49/EG zu erleichtern und die in jenen Artikeln vorgesehene Erteilung von Sicherheitsbescheinigungen zu beschleunigen.“

13

Art. 1 der Richtlinie 2007/59 lautet:

„In dieser Richtlinie werden die Voraussetzungen und Verfahren für die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, festgelegt. In ihr wird geregelt, welche Aufgaben den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, den Triebfahrzeugführern und anderen Betroffenen des Sektors, insbesondere Eisenbahnunternehmen, Infrastrukturbetreibern und Ausbildungszentren, zukommen.“

14

In Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

‚zuständige Behörde‘ die Sicherheitsbehörde gemäß Artikel 16 der Richtlinie 2004/49/EG;

...“

15

Art. 5 („Maßnahmen gegen Betrug“) der Richtlinie lautet:

„Die zuständigen Behörden und die ausstellenden Stellen ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um der Fälschung von Fahrerlaubnissen und Bescheinigungen und der Manipulation der in Artikel 22 vorgesehenen Register vorzubeugen.“

16

Art. 19 („Aufgaben der zuständigen Behörde“) Abs. 1 der Richtlinie 2007/59 sieht vor:

„Die zuständige Behörde nimmt in transparenter und nicht diskriminierender Weise folgende Aufgaben wahr:

a)

Erteilung und Aktualisierung von Fahrerlaubnissen und Ausstellung von Duplikaten gemäß den Artikeln 6 und 14;

b)

Durchführung regelmäßiger Überprüfungen und bzw. oder Kontrollen gemäß Artikel 16 Absatz 1;

c)

Aussetzung und Entziehung von Fahrerlaubnissen und – an die ausstellende Stelle gerichtete – begründete Aufforderungen zur Aussetzung von Bescheinigungen gemäß Artikel 29;

...“

17

Art. 22 dieser Richtlinie enthält verschiedene Verpflichtungen, die u. a. von den zuständigen Behörden im Bereich der Register und des Datenaustauschs zu erfüllen sind.

Österreichisches Recht

18

Durch das Bundesgesetz über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (BGBl. Nr. 60/1957) in geänderter Fassung (im Folgenden: Eisenbahngesetz 1957) wurde der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (im Folgenden: Minister) im Prinzip mit den Aufgaben der Sicherheitsbehörde im Sinne von Art. 16 der Richtlinie 2004/49 betraut.

19

§ 130 des Eisenbahngesetzes 1957, der in dessen 9. Teil („Triebfahrzeugführer“) steht, schafft für Triebfahrzeugführer eine abweichende Zuständigkeit. Darin heißt es:

„(1)   Zuständig für die Ausstellung einer Fahrerlaubnis, für die Aktualisierung von Einzelangaben einer Fahrerlaubnis, für die Erneuerung einer Fahrerlaubnis oder für die Ausstellung eines Duplikates der Fahrerlaubnis sowie für die Entziehung einer Fahrerlaubnis und die Aussetzung einer Fahrerlaubnis ist die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH. Diese hat im Verwaltungsverfahren das [Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (BGBl. Nr. 51/1991) in geänderter Fassung (im Folgenden: AVG)] anzuwenden.

(2)   Der [Minister] kann der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH Weisungen zur Ausübung ihrer Zuständigkeit erteilen. In den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 ist der [Minister] sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der §§ 5 und 68 AVG.“

20

In den §§ 3, 4, 6 und 10 des Bundesgesetzes über die Errichtung einer Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft (BGBl. Nr. 201/1996) heißt es:

„Aufgaben

§ 3

(1)   Der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH obliegt insbesondere:

...

3.

die Besorgung aller Geschäfte und Tätigkeiten, die der diskriminierungsfreien Entwicklung und Verbesserung des Eisenbahnwesens sowie neuer Eisenbahntechnologien auf dem Schienennetz dienen, sowie alle damit zusammenhängenden Geschäfte und Tätigkeiten, die das Ergebnis der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH verbessern helfen sowie die Mitwirkung bei der Koordinierung aller Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen für den Schienenbereich;

4.

[d]ie Besorgung aller Geschäfte und Tätigkeiten einer akkreditierten Prüfstelle (benannten Stelle) auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens;

5.

nach Übertragung durch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Aufgabe einer Zuweisungsstelle gemäß dem 6. Teil des Eisenbahngesetzes 1957;

6.

die Geschäftsführung der Sachverständigenkommission gemäß § 48 Abs. 4 Eisenbahngesetz 1957;

7.

die Wahrnehmung der Zuständigkeit gemäß § 130 des Eisenbahngesetzes 1957;

8.

die Wahrnehmung der Aufgaben zur Errichtung und Verwaltung von Registern, wie sie der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH gemäß dem Eisenbahngesetz 1957 oder in einer in Durchführung des Eisenbahngesetzes 1957 ergehenden Verordnung übertragen sind;

...

Verwaltung der Anteilsrechte

§ 4

Die Verwaltung der Anteilsrechte an der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH namens des Bundes obliegt dem [Minister]. Dieser ist berechtigt, der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH allgemeine Anweisungen über die Durchführung ihrer Aufgaben im Sinne dieses Bundesgesetzes zu erteilen und Auskünfte über ihre Tätigkeit zu verlangen. Der Gesellschaftsvertrag hat die Organe zur Durchführung solcher Anweisungen und zur Auskunftserteilung zu verpflichten.

...

Aufwand der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH

§ 6

Die Geschäftsführung der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH hat wirtschaftlich, zweckmäßig und sparsam zu erfolgen. Der Bund hat die Kosten des Personal- und Sachaufwandes der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH zu tragen, soweit sich diese Kosten aus der Erfüllung der ihr durch dieses Bundesgesetz übertragenen Aufgaben ergeben und nicht durch Dritte aufgebracht werden können. Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH hat hiefür einen jährlichen Finanzplan zu erstellen und hiefür das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen und dem [Minister] herzustellen.

...

Befreiung von Abgaben

§ 10

(1)   Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH ist von bundesgesetzlichen Abgaben mit Ausnahme der Umsatzsteuer und der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren sowie von den Bundesverwaltungsabgaben befreit, soweit sich diese Abgaben und Gebühren aus der Erfüllung der in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Aufgaben dieser Gesellschaft ergeben.

...“

21

§ 20 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (RGBl. Nr. 58/1906) bestimmt:

„(1)   Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, alle Beschränkungen einzuhalten, die in dem Gesellschaftsvertrage, durch Beschluss der Gesellschafter oder in einer für die Geschäftsführer verbindlichen Anordnung des Aufsichtsrates für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, festgesetzt sind.

...“

Vorverfahren

22

Mit Aufforderungsschreiben vom 20. November 2015 teilte die Kommission der Republik Österreich mit, dass sie Zweifel habe, ob es mit der Richtlinie 2007/59, insbesondere mit ihrem Art. 3 Buchst. a, vereinbar sei, dass als zuständige Behörde im Sinne dieser Richtlinie eine andere Stelle als die zuständige Behörde gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/49 bestimmt worden sei.

23

In ihrer Antwort vom 22. Januar 2016 auf dieses Aufforderungsschreiben machte die Republik Österreich geltend, dass die fragliche Regelung mit dem Unionsrecht im Einklang stehe. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die Richtlinie 2007/59 sie entsprechend dem Grundsatz der institutionellen Autonomie der Mitgliedstaaten nicht daran hindern könne, eine Bundeseinrichtung wie die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH mit der Erfüllung bestimmter Aufgaben, die der zuständigen Behörde im Sinne dieser Richtlinie unter der Aufsicht des Ministers oblägen, zu betrauen.

24

Da die Kommission die Antworten der Republik Österreich für unbefriedigend hielt, übermittelte sie ihr am 28. April 2017 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie die in ihrem Aufforderungsschreiben dargelegte Rüge aufrechterhielt.

25

Die Republik Österreich antwortete auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 21. Juni 2017. Darin wiederholte sie im Wesentlichen den in ihrer Antwort vom 22. Januar 2016 auf das Aufforderungsschreiben der Kommission dargelegten Standpunkt.

26

Da die Antworten der Republik Österreich die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

27

Die Kommission weist darauf hin, dass Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 die zuständige Behörde für die Zwecke dieser Richtlinie als „die Sicherheitsbehörde gemäß Artikel 16 der Richtlinie 2004/49/EG“ definiere. Sie schließt daraus, dass die Mitgliedstaaten nur diese Behörde mit den Aufgaben der zuständigen Behörde für die Zwecke der Richtlinie 2007/59 betrauen könnten, da es dem nationalen Gesetzgeber nicht freistehe, eine andere Stelle für diese Zwecke zu bestimmen.

28

Während die Republik Österreich den Minister als „Sicherheitsbehörde“ im Sinne der Richtlinie 2004/49 bestimmt habe, sei die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH die „zuständige Behörde“ im Sinne der Richtlinie 2007/59, insbesondere für die Erfüllung der dieser Behörde übertragenen und in Art. 19 Abs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie 2007/59 aufgezählten Aufgaben.

29

Unter diesen Umständen vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2007/59 verstoßen habe.

30

Die Argumente, die die Republik Österreich als Beleg dafür herangezogen habe, dass die von ihr vorgenommene Umsetzung mit der Richtlinie 2007/59 im Einklang stehe, seien zurückzuweisen.

31

Als Erstes könne dem Argument, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/49 nicht zwingend vorschreibe, dass die Aufgaben der Sicherheitsbehörde einer einzigen Behörde übertragen würden, nicht gefolgt werden.

32

Erstens habe der Unionsgesetzgeber in Art. 1 Buchst. d und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/49 zur Bezeichnung der Sicherheitsbehörde die Einzahl verwendet. Desgleichen definiere Art. 3 Buchst. g dieser Richtlinie, unter Verwendung der Einzahl, die „Sicherheitsbehörde“ als die „nationale Stelle“, die mit den Aufgaben in Bezug auf die Eisenbahnsicherheit im Sinne dieser Richtlinie betraut sei. Art. 16 Abs. 2 dieser Richtlinie gehe in dieselbe Richtung, da er vorsehe, dass die „Sicherheitsbehörde“ mit den dort aufgezählten Aufgaben betraut werden müsse. Zwar beziehe sich die Richtlinie 2004/49 in einigen ihrer Bestimmungen unter Verwendung der Mehrzahl auf „Sicherheitsbehörden“. Damit seien jedoch die Sicherheitsbehörden aller Mitgliedstaaten kollektiv gemeint.

33

Zweitens bestätige der Zusammenhang, in dem diese Bestimmungen stünden, dass der Singular vom Unionsgesetzgeber absichtlich gewählt worden sei und kein Raum für eine Verteilung der Aufgaben auf mehrere Behörden bestehe. So werde in Art. 10 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2004/49 ein Mitgliedstaat systematisch mit einer Aufsichtsbehörde assoziiert. Desgleichen unterscheide Art. 25 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie in Bezug auf jeden Mitgliedstaat „die Sicherheitsbehörde“ von „andere[n] Behörden oder Stellen“. Ebenso sehe Art. 18 dieser Richtlinie vor, dass „die Sicherheitsbehörde“ jedes Jahr „einen Bericht“ über „ihre“ Tätigkeiten des Vorjahrs veröffentliche und ihn der Eisenbahnagentur der Europäischen Union übermittle. Dieser Bericht müsse ein einschlägiges Gesamtbild der Situation in dem betreffenden Mitgliedstaat enthalten.

34

Drittens müsse die wörtliche und kontextuelle Auslegung der betreffenden Bestimmungen vor allem den Wortlaut von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 berücksichtigen, nach dem die „zuständige Behörde“ im Sinne dieser Richtlinie „die Sicherheitsbehörde gemäß Artikel 16 der Richtlinie 2004/49/EG“ sein müsse, und daher zwangsläufig davon ausgehen, dass die in dem genannten Art. 16 aufgeführten Aufgaben von einer einzigen Behörde wahrgenommen würden, die auch die Aufgaben der Sicherheitsbehörde für die Zwecke der Richtlinie 2007/59 wahrzunehmen habe.

35

Was als Zweites das Argument der Republik Österreich anbelange, dass Art. 35 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55) und Art. 55 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32) den Mitgliedstaaten aufgäben, „eine einzige nationale Regulierungsbehörde“ zu benennen bzw. „eine einzige nationale Regulierungsstelle“ einzurichten, so dass im Umkehrschluss anzunehmen sei, dass die Richtlinie 2004/49, die keine derartigen Beschreibungen enthalte, die Benennung mehrerer Behörden zulasse, so hält die Kommission diesem Argument entgegen, dass diese Bestimmungen frühere Bestimmungen, die die Benennung mehrerer gesonderter Stellen vorgesehen hätten, ersetzt hätten, weshalb es notwendig gewesen sei, diese Unterschiede gegenüber den geänderten Rechtsakten deutlich zu machen.

36

Was als Drittes das Argument der Republik Österreich betreffe, wonach die Mitgliedstaaten mangels spezifischer Vorgaben im Unionsrecht die Möglichkeit hätten, bei der Durchführung des Unionsrechts ihre nationalen Regeln anzuwenden, macht die Kommission geltend, dass die Richtlinie 2007/59 tatsächlich solche spezifischen Vorgaben enthalte. Außerdem bestätige der Umstand, dass die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH eine unmittelbar durch Bundesgesetz eingerichtete Gesellschaft sei, deren Anteilsrechte vom Minister verwaltet würden und die Aufgaben für den Bund in enger Zusammenarbeit mit dem Minister und unter der Aufsicht des Ministers als zentral zuständiger Sicherheitsbehörde erfülle, das Bestehen zweier unterschiedlicher Behörden. Demnach sei der Minister nicht die Behörde selbst, sondern die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne der §§ 5 und 68 AVG, d. h. diejenige, die zum einen über „Zuständigkeitsstreite zwischen Behörden“ entscheide und zum anderen die Bescheide der ihr unterstehenden Behörden in sehr eng begrenzten Fällen aufheben, abändern oder für nichtig erklären könne. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass es sich bei diesen Behörden um „andere Behörden“ handle.

37

Die Republik Österreich bestreitet die angebliche Vertragsverletzung.

38

Als Erstes führt sie aus, dass die Richtlinien 2004/49 und 2007/59 von den „Sicherheitsbehörden“ bzw. „zuständigen Behörden“ der Mitgliedstaaten in der Mehrzahl sprächen. Insoweit schließe es Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2004/49 nicht aus, mehrere Behörden jeweils mit mehreren Aufgaben zu betrauen, da mit diesem Artikel lediglich geregelt werde, dass eine „Sicherheitsbehörde“ eine Gesamtheit an Aufgaben im Zusammenhang mit der Eisenbahnsicherheit wahrzunehmen habe. Außerdem schließe die in Art. 18 der Richtlinie 2004/49 vorgesehene Verpflichtung der Sicherheitsbehörde, einen Jahresbericht über ihre Tätigkeiten zu veröffentlichen, nicht aus, dass mehrere Behörden in entsprechender Abstimmung einen einheitlichen Jahresbericht erstellten.

39

Als Zweites beruft sich die Republik Österreich auf terminologische Unterschiede zwischen der Richtlinie 2004/49 auf der einen Seite und den Richtlinien 2009/72 und 2012/34 auf der anderen Seite. Da die Richtlinien 2009/72 und 2012/34 die Einrichtung „eine[r] einzige[n] nationale[n] Regulierungsbehörde“ bzw. „eine[r] einzige[n] nationale[n] Regulierungsstelle“ vorsähen, sei die Richtlinie 2004/49 im Umkehrschluss dahin auszulegen, dass sie die Benennung mehrerer Behörden erlaube.

40

Als Drittes könne es in Mitgliedstaaten mit föderaler Struktur aus Gründen der Staatsorganisation bzw. der innerstaatlichen Kompetenzverteilung geboten sein, bestimmte Aufgaben dezentral wahrzunehmen. Insoweit seien die Grundsätze der institutionellen Autonomie der Mitgliedstaaten, der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität zu beachten, nach denen die Kommission bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten zu achten habe.

41

Die von der Republik Österreich im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinien 2004/49 und 2007/59 gewählte organisatorische Lösung, den Minister mit den Aufgaben als österreichweit zentral zuständige Sicherheitsbehörde zu betrauen und mit der Wahrnehmung der operativen Aufgaben im Zusammenhang mit der Zertifizierung von Triebfahrzeugführern die dem Minister unterstellte Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH zu betrauen, sei somit nicht zu beanstanden. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH um eine unmittelbar durch Bundesgesetz eingerichtete Gesellschaft handele, deren Anteilsrechte vom Minister verwaltet würden, deren Personal- und Sachaufwandskosten vom Bund zu tragen seien und deren Aufgabenbereich gesetzlich geregelt sei. Die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH sei überdies in mehrfacher Hinsicht an die Weisungen des Ministers gebunden.

Würdigung durch den Gerichtshof

42

Die Kommission wirft der Republik Österreich vor, dadurch gegen Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 verstoßen zu haben, dass sie für die Zwecke der Anwendung dieser Richtlinie eine andere Behörde als die in Art. 16 der Richtlinie 2004/49 genannte „Sicherheitsbehörde“ als „zuständige Behörde“ bestimmt habe.

43

Im vorliegenden Fall steht fest, dass in der Republik Österreich die in Art. 16 der Richtlinie 2004/49 genannte Sicherheitsbehörde der Minister ist, während die „zuständige Behörde“, die mit der Durchführung bestimmter, insbesondere in Art. 19 Abs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie 2007/59 genannter, Aufgaben betraut ist, die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH – eine durch Bundesgesetz errichtete Gesellschaft – ist.

44

Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 definiert die „zuständige Behörde“ als „die Sicherheitsbehörde gemäß Artikel 16 der Richtlinie 2004/49/EG“.

45

Für die Prüfung der Frage, ob diese Bestimmungen – wie die Republik Österreich geltend macht – es einem Mitgliedstaat erlauben, die Aufgaben, die nach diesen Richtlinien der „zuständigen Behörde“ bzw. der „Sicherheitsbehörde“ zugewiesen sind, unterschiedlichen Behörden zu übertragen, sind nicht nur der Wortlaut der fraglichen Bestimmungen, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden, sowie gegebenenfalls ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46

Was zunächst den Wortlaut der fraglichen Bestimmungen betrifft, wird in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 erwähnt, dass die zuständige Behörde im Sinne dieser Richtlinie die Sicherheitsbehörde gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/49 ist.

47

Dieser Art. 16 sieht vor, dass jeder Mitgliedstaat „eine Sicherheitsbehörde“ einrichtet, bei der es sich diesem Artikel zufolge um das für Verkehr zuständige Ministerium handeln kann. Der Begriff „Sicherheitsbehörde“ im Sinne dieser Richtlinie wird in deren Art. 3 Buchst. g spezifisch definiert als „die nationale Stelle, die mit den Aufgaben in Bezug auf die Eisenbahnsicherheit im Sinne dieser Richtlinie betraut ist, oder eine binationale Stelle, die von Mitgliedstaaten mit diesen Aufgaben betraut ist, um eine einheitliche Sicherheitsordnung für spezialisierte grenzüberschreitende Infrastrukturen zu gewährleisten“.

48

Somit ergibt sich aus Art. 3 Buchst. g in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/49 – insbesondere daraus, dass der Unionsgesetzgeber zum einen die Sicherheitsbehörde im Singular nennt und zum anderen in diesem Zusammenhang das Adjektiv „national“ verwendet –, dass diese Bestimmungen in jedem Mitgliedstaat die Benennung einer einzigen nationalen Stelle vorsehen, die mit den Aufgaben in Bezug auf die Eisenbahnsicherheit betraut ist, wobei jedoch zwei Mitgliedstaaten gegebenenfalls eine binationale Stelle mit diesen Aufgaben betrauen können.

49

Diese Auslegung wird durch die Systematik der Richtlinie 2004/49 bestätigt, aus der sich ergibt, dass die Informationen über die Eisenbahnsicherheit in der Union in jedem Mitgliedstaat zentral einer einzigen Sicherheitsbehörde übermittelt werden müssen, die für die Ausstellung der erforderlichen Bescheinigungen oder für die Erarbeitung und Veröffentlichung von Sicherheitsindikatoren für den betreffenden Mitgliedstaat zuständig ist.

50

So ergibt sich zunächst aus Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2004/49 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund, dass alle Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen der „Sicherheitsbehörde des betreffenden Mitgliedstaats“ einen Jahresbericht mit Informationen über die Sicherheit und die Umsetzung des Sicherheitsmanagementsystems übermitteln müssen, wobei dieser Sicherheitsbericht insbesondere die Entwicklung von „nationalen“ Sicherheitsindikatoren beinhalten muss.

51

Sodann werden nach Art. 10 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie die erforderlichen Bescheinigungen von der „Sicherheitsbehörde des Mitgliedstaats“ erteilt, in dem das Eisenbahnunternehmen seinen Betrieb zuerst aufnimmt bzw. die Aufnahme zusätzlicher Eisenbahnverkehrsdienste beabsichtigt.

52

Schließlich veröffentlicht die Sicherheitsbehörde gemäß Art. 18 der Richtlinie 2004/49 jedes Jahr einen Bericht über ihre Tätigkeiten des Vorjahrs, der nach Buchst. a dieses Artikels u. a. eine „auf den Mitgliedstaat [bezogene] Zusammenstellung“ der gemeinsamen Sicherheitsindikatoren gemäß Anhang I dieser Richtlinie enthält.

53

Es ist ferner noch darauf hinzuweisen, dass die in Rn. 48 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Auslegung, die auf dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen beruht, auch durch die jeweiligen Vorarbeiten im Gesetzgebungsverfahren vor dem Erlass der Richtlinien 2004/49 und 2007/59 untermauert wird.

54

So bestimmte zum einen die Begründung des dem Erlass der Richtlinie 2004/49 vorausgegangenen Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (KOM[2002] 21 endgültig) im Abschnitt über die nationalen Sicherheitsbehörden Folgendes: „Die zur Zeit geltenden Richtlinien erlauben es einer Vielzahl von Stellen, sich mit der Sicherheitsregelung zu befassen. ... Dies ist auf längere Sicht mit den Funktionen einer sicherheitsregelnden Stelle unvereinbar. Faire und transparente Regelungen erfordern eine Gleichbehandlung aller im Sektor tätigen Akteure unter der Aufsicht einer öffentlichen Behörde ... Um die Koordinierung der Sicherheitsregelung auf europäischer Ebene zu vereinfachen, müssen in allen Mitgliedstaaten die bestehenden Strukturen harmonisiert werden. ... Aus demselben Grund müssen alle wichtigen Funktionen im Zusammenhang mit der Sicherheitsregelung, z. B. der Beschluss verbindlicher Sicherheitsvorschriften, in einer einzigen Stelle zusammengeführt werden.“

55

Zum anderen heißt es in der Begründung des dem Erlass der Richtlinie 2007/59 vorausgegangenen Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zertifizierung von mit dem Führen von Triebfahrzeugen und Lokomotiven im Eisenbahnnetz der Gemeinschaft betrautem Zugpersonal (KOM[2004] 142 endgültig), dass die Entscheidung, die Sicherheitsbehörde als für die Erteilung der Fahrerlaubnis zuständige Behörde zu bestimmen, getroffen wurde, „[u]m größtmögliche Schlüssigkeit des auf Gemeinschaftsebene geschaffenen Rechtsrahmens für die Sicherheit im Schienenverkehr sicherzustellen“.

56

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die in Rn. 48 des vorliegenden Urteils herangezogene Auslegung offensichtlich mit dem von der Richtlinie 2004/49 verfolgten Ziel in Einklang steht. Wie in Rn. 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, zielt nämlich diese Richtlinie insbesondere darauf ab, die wesentlichen Überwachungsfunktionen im Zusammenhang mit der Eisenbahnsicherheitsregelung in einer einzigen Stelle zusammenzuführen, wodurch gemäß Art. 1 der genannten Richtlinie die Entwicklung und Verbesserung der Eisenbahnsicherheit gewährleistet wird.

57

Den Argumenten, mit denen die Republik Österreich der in den Rn. 44 bis 55 des vorliegenden Urteils dargestellten Auslegung der in Rede stehenden Bestimmungen entgegentritt, kann nicht gefolgt werden.

58

Erstens ist festzustellen, dass der von der Republik Österreich angeführte Umstand, dass in mehreren Bestimmungen der Richtlinien 2004/49 und 2007/59 im Plural von den „Sicherheitsbehörden“ und den „zuständigen Behörden“ der Mitgliedstaaten die Rede ist, nicht ausschlaggebend sein kann, da sich solche Bestimmungen offensichtlich kollektiv auf diese Behörden in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Union beziehen. Dies trifft zum einen auf den 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/49 zu, der auf die Notwendigkeit verweist, „in allen Mitgliedstaaten nationale Behörden für die Regelung und Überwachung der Eisenbahnsicherheit [einzurichten]“, und auch auf den Anhang I dieser Richtlinie, nach dem „[d]ie Sicherheitsbehörden ... über ... gemeinsame Sicherheitsindikatoren Bericht [erstatten]“, die gemäß Art. 18 dieser Richtlinie Gegenstand einer „auf den Mitgliedstaat bezogenen“ Zusammenstellung sind. Was zum anderen die Bestimmungen der Richtlinie 2007/59 betrifft, bezieht sich deren 17. Erwägungsgrund auf die „zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten“, während ihr 19. Erwägungsgrund allgemein auf die durch die Richtlinie 2004/49 geschaffenen Sicherheitsbehörden verweist. Desgleichen beschränken sich die Art. 1, 5 und 22 der Richtlinie 2007/59 auf die Erwähnung der Aufgaben, die den „zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten“ und den „zuständigen Behörden“ zukommen.

59

Zweitens ist der von der Republik Österreich geltend gemachte Umstand, dass der Unionsgesetzgeber in anderen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts jeweils klargestellt habe, dass nur eine „einzige“ Behörde einzurichten sei, für die Auslegung der Richtlinien 2004/49 und 2007/59 nicht relevant.

60

Was drittens das auf die Grundsätze der institutionellen Autonomie der Mitgliedstaaten, der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität gestützte Argument anbelangt, so genügt der Hinweis, dass sich zwar aus Art. 288 AEUV ergibt, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer Richtlinie über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel und Wege zu ihrer Durchführung verfügen, dass diese Freiheit aber die Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten unberührt lässt, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihrer Zielsetzung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Fashion ID, C‑40/17, EU:C:2019:629, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Demnach muss die institutionelle Autonomie, über die die Mitgliedstaaten bei der Organisation und Strukturierung der aufgrund einer Richtlinie eingerichteten Regulierungsbehörden verfügen, unter vollständiger Beachtung der in dieser Richtlinie festgelegten Ziele und Pflichten ausgeübt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Oktober 2016, Ormaetxea Garai und Lorenzo Almendros, C‑424/15, EU:C:2016:780, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Wie aus den Rn. 44 bis 55 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ergibt sich die Verpflichtung jedes Mitgliedstaats, für die Zwecke der Richtlinie 2004/49 eine einzige Sicherheitsbehörde zu bestimmen, die als „zuständige Behörde“ im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 anzusehen ist, aus den in Rede stehenden Bestimmungen dieser Richtlinien.

63

Angesichts dieser Verpflichtung ist es im vorliegenden Fall ohne Belang, dass die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH, wie die Republik Österreich geltend macht, dem Minister unterstellt ist. Durch ein solches Unterordnungsverhältnis zwischen zwei Stellen mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit – sofern man es als gegeben annimmt – kann nämlich die ordnungsgemäße Umsetzung der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Verpflichtung nicht gewährleistet werden.

64

Nach alledem ist der Klage der Kommission stattzugeben und festzustellen, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59 verstoßen hat, indem sie als „zuständige Behörde“ im Sinne der Richtlinie 2007/59 eine andere Behörde als die Sicherheitsbehörde gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/49 bestimmt hat.

Kosten

65

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

66

Da die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, verstoßen, indem sie als „zuständige Behörde“ im Sinne der Richtlinie 2007/59 eine andere Behörde bestimmt hat als die Sicherheitsbehörde gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit).

 

2.

Die Republik Österreich trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

 

Ilešič

Lycourgos

Jarukaitis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. November 2020.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Zehnten Kammer

M. Ilešič


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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