EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62019CJ0616

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 10. Dezember 2020.
M.S. u. a. gegen Minister for Justice and Equality.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Asylpolitik – Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85/EG – Art. 25 Abs. 2 – Unzulässigkeitsgründe – Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig durch einen Mitgliedstaat aufgrund der früheren Gewährung subsidiären Schutzes an den Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat – Verordnung (EG) Nr. 343/2003 – Verordnung (EU) Nr. 604/2013.
Rechtssache C-616/19.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:1010

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

10. Dezember 2020 ( *1 )

[Text berichtigt mit Beschluss vom 24. März 2021]

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Asylpolitik – Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft – Richtlinie 2005/85/EG – Art. 25 Abs. 2 – Unzulässigkeitsgründe – Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz als unzulässig durch einen Mitgliedstaat aufgrund der früheren Gewährung subsidiären Schutzes an den Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat – Verordnung (EG) Nr. 343/2003 – Verordnung (EU) Nr. 604/2013“

In der Rechtssache C‑616/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hohes Gericht, Irland) mit Entscheidung vom 2. Juli 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 16. August 2019, in dem Verfahren

M. S.,

M. W.,

G. S.

gegen

Minister for Justice and Equality

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

[berichtigt mit Beschluss vom 24. März 2021] von M. S., vertreten durch C. O’Dwyer, SC, J. Buckley, Barrister, und J. Brick, Barrister,

[berichtigt mit Beschluss vom 24. März 2021] von M. W., vertreten durch C. O’Dwyer, SC, J. Buckley, Barrister, und J. Watters, Solicitor,

[berichtigt mit Beschluss vom 24. März 2021] von G. S., vertreten durch M. Conlon, QC, D. Leonard, Barrister, und C. Ó Briain, Solicitor,

[berichtigt mit Beschluss vom 24. März 2021] des Minister for Justice and Equality und von Irland, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte, im Beistand von R. Barron, SC, S. Kingston, Barrister,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Tomkin, A. Azéma und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. September 2020

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. 2005, L 326, S. 13).

2

Es ergeht im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen M. S., M. W. bzw. G. S. und dem Minister for Justice and Equality (Minister für Justiz und Gleichberechtigung, Irland) über dessen Entscheidung, ihre Anträge auf internationalen Schutz abzulehnen, weil sie subsidiären Schutz in einem anderen Mitgliedstaat genießen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2005/85

3

Die Erwägungsgründe 1, 6 und 22 der Richtlinie 2005/85 lauten:

„(1)

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines gemeinsamen europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der denen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig um Schutz in der Gemeinschaft nachsuchen.

(6)

Die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft sollte dazu beitragen, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie auf Unterschiede der rechtlichen Rahmen zurückzuführen ist, einzudämmen.

(22)

Die Mitgliedstaaten sollten alle Anträge in der Sache prüfen, d. h. beurteilen, ob der betreffende Antragsteller gemäß der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [(ABl. 2004, L 304, S. 12)] als Flüchtling anerkannt werden kann, sofern die vorliegende Richtlinie nichts anderes vorsieht, insbesondere dann, wenn aus gutem Grund davon ausgegangen werden kann, dass ein anderer Staat den Antrag prüfen oder für einen ausreichenden Schutz sorgen würde. Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere nicht verpflichtet sein, einen Asylantrag in der Sache zu prüfen, wenn der erste Asylstaat dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat oder ihm anderweitig ausreichenden Schutz gewährt und die Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist.“

4

Nach ihrem Art. 1 legt die Richtlinie 2005/85 Mindestnormen für die Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft fest.

5

In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

k)

‚Verbleib im Mitgliedstaat‘ den Verbleib im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen – des Mitgliedstaats, in dem der Asylantrag gestellt wurde oder geprüft wird.“

6

Art. 25 („Unzulässige Anträge“) der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 [des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1)] nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob der Antragsteller als Flüchtling im Sinne der … Richtlinie [2004/83] anzuerkennen ist, wenn ein Antrag gemäß dem vorliegenden Artikel als unzulässig betrachtet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können einen Asylantrag gemäß diesem Artikel als unzulässig betrachten, wenn

a)

ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat;

b)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als erster Asylstaat des Asylbewerbers gemäß Artikel 26 betrachtet wird;

c)

ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, als für den Asylbewerber sicherer Drittstaat gemäß Artikel 27 betrachtet wird;

d)

der Asylbewerber aus einem anderen Grund weiterhin in dem betreffenden Mitgliedstaat verbleiben darf und ihm infolgedessen ein Status zuerkannt worden ist, der den Rechten und Vergünstigungen aufgrund der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe der Richtlinie [2004/83] entspricht;

e)

der Asylbewerber aus anderen Gründen, die ihn vor einer Zurückweisung schützen, bis zur Entscheidung in einem Verfahren über die Zuerkennung eines Status nach Buchstabe d im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verbleiben darf;

…“

Richtlinie 2013/32/EU

7

Durch die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) wurde die Richtlinie 2005/85 neu gefasst.

8

Der 58. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 lautet:

„Nach den Artikeln 1, 2 und 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligen sich diese Mitgliedstaaten nicht an der Annahme dieser Richtlinie und sind weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.“

9

Nach Art. 1 werden mit dieser Richtlinie gemeinsame Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9) eingeführt.

10

Art. 33 („Unzulässige Anträge“) der Richtlinie 2013/32 bestimmt:

„(1)   Zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31)] ein Antrag nicht geprüft wird, müssen die Mitgliedstaaten nicht prüfen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie [2011/95] zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf internationalen Schutz nur dann als unzulässig betrachten, wenn

a)

ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat;

…“

11

Art. 53 („Aufhebung“) Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 sieht vor:

„Die Richtlinie [2005/85] wird im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die durch diese Richtlinie gebunden sind, unbeschadet der Verpflichtungen dieser Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang II Teil B genannten Frist für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht mit Wirkung vom 21. Juli 2015 aufgehoben.“

Dublin‑III-Verordnung

12

Die Erwägungsgründe 2 und 41 der Verordnung Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin‑III-Verordnung), mit der die Verordnung Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin‑II-Verordnung) aufgehoben und ersetzt wurde, lauten:

„(2)

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der … Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen.

(41)

Gemäß Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.“

13

Die Dublin‑III-Verordnung soll – wie aus ihrem Art. 1 hervorgeht -Kriterien und Verfahren für Anträge auf internationalen Schutz festlegen, bei denen es sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. h der Richtlinie 2011/95, auf die Art. 2 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung verweist, um Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Gewährung des subsidiären Schutzstatus handelt.

14

Art. 18 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung sieht vor:

„Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

d)

einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.“

15

Art. 48 der Verordnung bestimmt:

„Die [Dublin‑II‑]Verordnung … wird aufgehoben.

Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung oder auf aufgehobene Artikel gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen.“

Irisches Recht

16

Nach Section 21(2)(a) des International Protection Act 2015 (Gesetz über den internationalen Schutz von 2015) ist ein Antrag auf internationalen Schutz unzulässig, wenn dem Antragsteller von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17

M. S., M. W. und G. S. sind Drittstaatsangehörige, die, nachdem ihnen in Italien subsidiärer Schutzstatus zuerkannt worden war, im Jahr 2017 nach Irland einreisten und dort beim International Protection Office (Amt für internationalen Schutz, Irland) einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

18

Mit Entscheidungen vom 1. Dezember 2017, 2. Februar und 29. Juni 2018 wies das Amt für internationalen Schutz diese Anträge mit der Begründung ab, dass den Antragstellern bereits in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich in Italien, subsidiärer Schutz gewährt worden sei.

19

M. S., M. W. und G. S. legten dagegen einen Rechtsbehelf beim International Protection Appeals Tribunal (Gericht für Rechtsbehelfe in Sachen des internationalen Schutzes, Irland) ein, das die Rechtsbehelfe mit Entscheidungen vom 23. Mai, 28. September und 18. Oktober 2018 abwies.

20

Die Kläger des Ausgangsverfahrens erhoben beim High Court (Hohes Gericht, Irland) Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidungen.

21

Unter Bezugnahme auf die Rn. 58 und 71 des Urteils vom 19. März 2019, Ibrahim u. a. (C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219), weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 es einem Mitgliedstaat erlaube, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, ob es sich nun um die Flüchtlingseigenschaft oder um den subsidiären Schutzstatus handele. Nach der Regelung von Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 beschränke sich diese Befugnis auf Fälle, in denen dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei.

22

Daher sei nach der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit der Dublin‑III-Verordnung kein Mitgliedstaat verpflichtet, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden sei.

23

Allerdings habe Irland, wenngleich es sich an der Annahme und Anwendung der Dublin‑III-Verordnung beteiligt habe, beschlossen, sich nicht an der Annahme und Anwendung der Richtlinie 2013/32 zu beteiligen, so dass Irland weiterhin durch die Richtlinie 2005/85 gebunden bleibe.

24

In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 25 der Richtlinie 2005/85 in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat durch die Anwendung der Richtlinie 2005/85 in Verbindung mit der Dublin‑III-Verordnung gebunden ist, dahin auszulegen ist, dass er der Regelung dieses Mitgliedstaats entgegensteht, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig anzusehen ist, wenn dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Das Gericht fragt sich insbesondere, welche Tragweite die Unzulässigkeitsgründe des Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e dieser Richtlinie haben, vor allem was die Auslegung des in diesen Vorschriften verwendeten Begriffs „betreffender Mitgliedstaat“ anbelangt.

25

Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es einen Rechtsmissbrauch darstellt, wenn ein Drittstaatsangehöriger, dem in einem ersten Mitgliedstaat subsidiärer Schutzstatus zuerkannt wurde, in einem zweiten Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, und ob der zweite Mitgliedstaat einen solchen Antrag deshalb als unzulässig erachten kann.

26

Vor diesem Hintergrund hat der High Court (Hohes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Meint der Verweis auf den „betreffenden Mitgliedstaat“ in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie 2005/85 einen ersten Mitgliedstaat, der einer internationalen Schutz beantragenden Person einen dem Asyl entsprechenden Schutz gewährt hat, oder einen zweiten Mitgliedstaat, in dem ein Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt wird, oder beide dieser Mitgliedstaaten?

2.

Ist einem Drittstaatsangehörigen in einem ersten Mitgliedstaat internationaler Schutz in der Form des subsidiären Schutzes gewährt worden und begibt er sich in das Hoheitsgebiet eines zweiten Mitgliedstaats, stellt dann die Stellung eines weiteren Antrags auf internationalen Schutz im zweiten Mitgliedstaat einen Rechtsmissbrauch dar, so dass der zweite Mitgliedstaat eine Maßnahme erlassen darf, die die Unzulässigkeit eines solchen Folgeantrags vorsieht?

3.

Ist Art. 25 der Richtlinie 2005/85 dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat, der an die Dublin‑III-Verordnung, nicht jedoch an die Richtlinie 2013/32 gebunden ist, verwehrt, Rechtsvorschriften wie die in der vorliegenden Rechtssache fraglichen zu erlassen, nach denen der Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen, dem zuvor von einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist, als unzulässig erachtet wird?

Zu den Vorlagefragen

Zu den Fragen 1 und 3

27

Mit der ersten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85 dahin auszulegen ist, dass er der in einem Mitgliedstaat, für den die Dublin‑III-Verordnung gilt, der aber nicht durch die Richtlinie 2013/32 gebunden ist, geltenden Regelung, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig anzusehen ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde, entgegensteht.

28

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus den Rn. 8, 11 und 12 des vorliegenden Urteils hervorgeht, Irland zum einen beschlossen hat, sich nicht an der Annahme und Anwendung der Richtlinie 2013/32 zu beteiligen, mit der die Richtlinie 2005/85 im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, die durch sie gebunden sind, aufgehoben wurde, und zum anderen sich an der Annahme und Anwendung der Dublin‑III-Verordnung, mit der die Dublin‑II-Verordnung aufgehoben und ersetzt wurde, zu beteiligen.

29

Daher sind für Irland im Bereich der Asylverfahrensvorschriften die Richtlinie 2005/85 in Verbindung mit der Dublin‑III-Verordnung anwendbar.

30

Nach Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85 können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in den in dieser Bestimmung genannten Fällen als unzulässig betrachten.

31

Wie aus Rn. 24 des vorliegenden Urteils hervorgeht, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie 2005/85 genannten Unzulässigkeitsgründe es einem Mitgliedstaat erlauben, einen Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen, dem zuvor in einem anderen Mitgliedstaat der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, als unzulässig abzulehnen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts wäre dies dann der Fall, wenn der Begriff „betreffender Mitgliedstaat“ in diesen Bestimmungen dahin auszulegen ist, dass er sich auf den Mitgliedstaat beziehen kann, in dem diesem Drittstaatsangehörigen bereits zuvor subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

32

Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/85 können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten, wenn der Asylbewerber aus einem anderen Grund weiterhin in dem „betreffenden Mitgliedstaat“ verbleiben darf und ihm infolgedessen ein Status zuerkannt worden ist, der den Rechten und Vergünstigungen aufgrund der Flüchtlingseigenschaft nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83 entspricht.

33

Gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. e dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten, wenn der Asylbewerber aus anderen Gründen, die ihn vor einer Zurückweisung schützen, bis zur Entscheidung in einem Verfahren über die Zuerkennung eines Status nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie im Hoheitsgebiet des „betreffenden Mitgliedstaats“ verbleiben darf.

34

Während der Begriff „ein anderer Mitgliedstaat“ in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 den Mitgliedstaat bezeichnet, in dem dem Asylbewerber zuvor die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, nimmt der Begriff „betreffender Mitgliedstaat“ in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e dieser Richtlinie seinerseits auf den Mitgliedstaat Bezug, in dem der Asylbewerber aus den anderen in diesen Bestimmungen genannten Gründen verbleiben darf.

35

Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erklärt sich die Anwendung verschiedener Begriffe in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a einerseits und in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie 2005/85 andererseits dadurch, dass der Unionsgesetzgeber auf zwei verschiedene Fälle abstellen wollte, so dass der Begriff „betreffender Mitgliedstaat“ nicht als gleichbedeutend mit dem Begriff „ein anderer Mitgliedstaat“ angesehen werden kann.

36

Daraus folgt, dass der „betreffende Mitgliedstaat“ in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie 2005/85 nicht den Mitgliedstaat bezeichnen kann, der dem betreffenden Asylbewerber zuvor den subsidiären Schutzstatus gewährt hat.

37

Diese Auslegung wird durch den Kontext bestätigt, in dem diese Bestimmungen stehen. Art. 2 Buchst. k dieser Richtlinie definiert nämlich die Wendung „Verbleib im Mitgliedstaat“ als Verbleib im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem der Asylantrag gestellt wurde oder geprüft wird. Die Bestimmungen von Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie beziehen sich aber speziell auf den Fall, dass der Asylbewerber weiterhin in dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verbleiben darf.

38

Folglich ist – wie der Generalanwalt im Wesentlichen in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – mit dem in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e der Richtlinie 2005/85 verwendeten Begriff „betreffender Mitgliedstaat“ der Mitgliedstaat gemeint, in dem der Drittstaatsangehörige einen Asylantrag gestellt hat und in dessen Hoheitsgebiet er weiterhin verbleiben darf, sei es, weil ihm dieser Mitgliedstaat bereits einen Status zuerkannt hat, der den Rechten und Vergünstigungen aufgrund der Flüchtlingseigenschaft entspricht, sei es, weil das Verfahren über die Zuerkennung eines solchen Status noch nicht abgeschlossen ist.

39

Daraus folgt, dass die in Art. 25 Abs. 2 Buchst. d und e dieser Richtlinie genannten Unzulässigkeitsgründe es einem Mitgliedstaat nicht erlauben, einen Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen, dem zuvor in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, als unzulässig abzulehnen.

40

Zwar stellt Art. 25 der Richtlinie 2005/85 in Abs. 1 klar, dass die in Abs. 2 aufgeführten Unzulässigkeitsgründe zu den „Fällen, in denen ein Asylantrag nach Maßgabe der [Dublin‑II‑]Verordnung … nicht geprüft wird“, hinzutreten und dass nach einem dieser Gründe für eine Nichtprüfung, der in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e dieser Verordnung vorgesehen ist, der Mitgliedstaat, der nach der Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten ist, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, wieder aufzunehmen.

41

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2005/85 in Verbindung mit der Dublin‑II-Verordnung entschieden, dass Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 es nur dann gestattet, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 58 und 71). Ein Mitgliedstaat, in dem ein Drittstaatsangehöriger, dem in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt wurde, einen Asylantrag gestellt hat, kann daher diesen Antrag auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 als unzulässig ablehnen. Der erste Mitgliedstaat kann jedoch stets ein Wiederaufnahmeverfahren auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Dublin‑II-Verordnung einleiten.

42

Wie aus Rn. 28 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hat Irland, für das weiterhin die Richtlinie 2005/85, die durch die Richtlinie 2013/32 aufgehoben wurde, anwendbar ist, jedoch beschlossen, sich an der Annahme und Anwendung der Dublin‑III-Verordnung, durch die die Dublin‑II-Verordnung aufgehoben wurde, zu beteiligen. Dieser Mitgliedstaat kann daher weder als durch die Richtlinie 2013/32 noch durch die Dublin‑II-Verordnung gebunden angesehen werden.

43

Die Bezugnahme auf die Dublin‑II-Verordnung in Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85 muss daher gemäß Art. 48 der Dublin‑III-Verordnung als Bezugnahme auf Letztere gelten. Im Übrigen ist nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II der Dublin‑III-Verordnung der Grund für eine Nichtprüfung, der in Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Dublin‑II-Verordnung vorgesehen war, nunmehr in Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin‑III-Verordnung vorgesehen.

44

Zur Anwendung des Grundes für eine Nichtprüfung in Art. 18 Abs. 1 Buchst. d der Dublin‑III-Verordnung im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit der Dublin‑III-Verordnung hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat nicht im Rahmen der durch diese Verordnung festgelegten Verfahren wirksam darum ersuchen kann, einen Angehörigen eines Drittstaats aufzunehmen oder wieder aufzunehmen, der im ersten Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem ihm im zweiten Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Für diese Situation hat der Unionsgesetzgeber nämlich die Auffassung vertreten, dass die Ablehnung eines solchen Antrags auf internationalen Schutz durch eine Unzulässigkeitsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32 und nicht durch eine Überstellungsentscheidung ohne Prüfung gemäß Art. 26 der Dublin‑III-Verordnung sicherzustellen sei (Beschluss vom 5. April 2017, Ahmed, C‑36/17, EU:C:2017:273, Rn. 39 und 41, sowie Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 78 und 79).

45

Da Irland weder durch die Richtlinie 2013/32 noch durch die Dublin‑II-Verordnung gebunden ist, können die zuständigen irischen Behörden in einer Situation, in der dem Asylbewerber subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wurde, weder eine Unzulässigkeitsentscheidung nach der Richtlinie 2013/32 erlassen noch ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverfahren auf der Grundlage der Dublin‑II-Verordnung einleiten, so dass sie grundsätzlich verpflichtet wären, den Asylantrag zu prüfen.

46

Eine solche Lösung widerspräche jedoch, selbst wenn sie sich aus der Entscheidung Irlands, bestimmte Maßnahmen des gemeinsamen europäischen Asylsystems nicht anzuwenden, ergeben sollte, nicht nur der Logik dieses Systems, sondern auch den mit der Richtlinie 2005/85 und der Dublin‑III-Verordnung verfolgten Zielen.

47

Wie aus den Rn. 41 und 44 des vorliegenden Urteils hervorgeht, war der Unionsgesetzgeber sowohl im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2005/85 und der Dublin‑II-Verordnung als auch der der Richtlinie 2013/32 und der Dublin‑III-Verordnung der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, einen Asylantrag zu prüfen, wenn dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist. Dies spiegelt sich insbesondere im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/85 wider, wonach die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sein sollten, einen Asylantrag in der Sache zu prüfen, wenn der erste Asylstaat dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat oder ihm anderweitig ausreichenden Schutz gewährt und die Rückübernahme des Antragstellers in diesen Staat gewährleistet ist.

48

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, der dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zugrunde liegt, im Unionsrecht fundamentale Bedeutung hat, da er die Schaffung und Aufrechterhaltung eines Raums ohne Binnengrenzen ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim u. a., C‑297/17, C‑318/17, C‑319/17 und C‑438/17, EU:C:2019:219, Rn. 84).

49

Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2005/85 kann ein Mitgliedstaat aber einen Antrag auf internationalen Schutz eines Drittstaatsangehörigen, dem von einem Drittstaat ein als hinreichend erachteter Schutz gewährt wurde, als unzulässig ablehnen.

50

Deshalb stünde es, wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, mit der Tatsache, dass Irland, das sich an der Dublin‑III-Verordnung beteiligt, einen Antrag auf internationalen Schutz eines Drittstaatsangehörigen, dem von einem Drittstaat ein als hinreichend erachteter Schutz gewährt wurde, als unzulässig ablehnen könnte, nicht im Einklang, wenn es gezwungen würde, einen solchen Antrag eines Drittstaatsangehörigen zu prüfen, dem zuvor in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

51

Zudem legt die Richtlinie 2005/85, wie sich aus ihrem sechsten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 ergibt, Mindestnormen für die Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft fest, insbesondere um die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie auf Unterschiede der rechtlichen Rahmen zurückzuführen ist, einzudämmen. Zur Dublin‑III-Verordnung hat der Gerichtshof entschieden, dass diese eine solche Migration gerade verhindern will, indem sie einheitliche Mechanismen und Kriterien für die Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats einführt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. April 2019, H. und R., C‑582/17 und C‑583/17, EU:C:2019:280, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Wäre aber ein Mitgliedstaat wie Irland, der durch die Richtlinie 2005/85 und die Dublin‑III-Verordnung gebunden ist, verpflichtet, Asylanträge von Drittstaatsangehörigen zu prüfen, denen bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt wurde, könnte dies Drittstaatsangehörige dazu veranlassen, sich in andere Mitgliedstaaten zu begeben, und damit zu Sekundärmigration führen, die mit dieser Richtlinie und dieser Verordnung gerade verhindert werden soll (vgl. entsprechend zur Dublin‑III-Verordnung Urteil vom 17. März 2016, Mirza, C‑695/15 PPU, EU:C:2016:188, Rn. 52).

53

Können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig ablehnen, wenn dem Antragsteller ausreichender Schutz in einem Drittstaat gewährt wurde, müssen sie dies in Anbetracht des Kontexts und der mit dem gemeinsamen europäischen Asylsystem verfolgten Ziele demnach erst recht tun können, wenn dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist.

54

Nach alledem ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85 dahin auszulegen ist, dass er der in einem Mitgliedstaat, für den die Dublin‑III-Verordnung gilt, der aber nicht durch die Richtlinie 2013/32 gebunden ist, geltenden Regelung, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig anzusehen ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde, nicht entgegensteht.

Zur zweiten Frage

55

In Anbetracht der Antwort auf die erste und die dritte Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Kosten

56

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 25 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ist dahin auszulegen, dass er der in einem Mitgliedstaat, für den die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, gilt, der aber nicht durch die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes gebunden ist, geltenden Regelung, wonach ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig anzusehen ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat der subsidiäre Schutzstatus gewährt wurde, nicht entgegensteht.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

Top