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Document 62019CC0911

Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 15. April 2021.
Fédération bancaire française (FBF) gegen Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR).
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 263 und 267 AEUV – Rechtlich nicht verbindliche Handlung der Union – Gerichtliche Überprüfung – Von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) herausgegebene Leitlinien – Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft – Gültigkeit – Zuständigkeit der EBA.
Rechtssache C-911/19.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:294

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 15. April 2021 ( 1 )

Rechtssache C-911/19

Fédération bancaire française (FBF)

gegen

Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (ACPR)

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Bankrecht – Von der European Banking Authority herausgegebene Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft – Soft Law – Nicht verbindliche EU-Maßnahmen mit Rechtswirkungen – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Gerichtliche Überprüfung – Verhältnis zwischen den Art. 263 und 267 AEUV – Fehlende Befugnis der European Banking Authority“

I. Einleitung

1.

„Was tot ist, kann niemals sterben“, lautet ein Spruch aus Game of Thrones. Also kann, vielleicht mit Ausnahme der Weißen Wanderer, was tot ist, auch nicht getötet werden. Kann aber gleichwohl, was niemals lebendig war (oder nie als verbindlicher Unionsrechtsakt ins Leben getreten ist), vom Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung für nichtig (oder für ungültig) erklärt werden? Oder kann der Gerichtshof eine (verbindliche) Auslegung einer nicht verbindlichen Maßnahme der Union vornehmen?

2.

2017 gab die European Banking Authority (EBA) Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft ( 2 ) heraus. Danach erklärte die französische Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (Aufsichts- und Abwicklungsbehörde) in einer Bekanntmachung, dass sie diese Leitlinien einhalte, womit sie für alle ihrer Kontrolle unterstellten Finanzinstitute galten. Die Fédération bancaire française (Französischer Bankenverband) hat vor dem vorlegenden Gericht beantragt, diese Bekanntmachung für nichtig zu erklären, weil die EBA nicht zum Erlass dieser Leitlinien befugt gewesen sei.

3.

Der vorliegende Fall ist vielschichtig. Zum einen stellt sich die Frage, ob die EBA mit dem Erlass der strittigen Leitlinien ihre Befugnisse nach der Verordnung Nr. 1093/2010 ( 3 ) überschritten hat. So komplex es auch sein mag, das Dickicht des eher technischen Sekundärrechts zu durchdringen, ist dies doch tatsächlich die einfachere Frage.

4.

Die weitaus schwierigeren Fragen ergeben sich erst später: Welche Folgen soll eine solche Feststellung fehlender Zuständigkeit für den Erlass einer nicht verbindlichen Maßnahme (oder von Soft Law) im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens haben? Kann der Gerichtshof eine nicht verbindliche Maßnahme für ungültig erklären? Kann es – systematisch gesehen – eine völlige Trennung zwischen den Verfahren nach Art. 263 AEUV und nach Art. 267 AEUV hinsichtlich nicht verbindlicher Maßnahmen geben? Wie lassen sich die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Grimaldi ( 4 ), Foto-Frost ( 5 ) und Belgien/Kommission ( 6 ) miteinander in Einklang bringen, soweit es um echte Soft-Law-Instrumente geht? Unterliegen nicht verbindliche Maßnahmen der Union der Kontrolle durch den Gerichtshof nach Art. 267 AEUV, wie aus dem Urteil Grimaldi folgt, während ihre (unmittelbare) gerichtliche Überprüfung nach Art. 263 AEUV nicht möglich ist, wie vor Kurzem im Urteil Belgien/Kommission bestätigt worden ist?

5.

Ein letzter, aber durchaus wichtiger Aspekt ist, dass sich diese Fragen in dem besonderen Kontext stellen, dass nach nationalem Recht – anders als auf Unionsebene – Soft-Law-Maßnahmen, einschließlich nationaler Maßnahmen zur „Umsetzung“ nicht verbindlicher Unionsrechtsakte, einer direkten gerichtlichen Kontrolle anscheinend viel leichter zugänglich sind. Damit stellt sich die Frage, ob nationale Gerichte in Anbetracht des Urteils Foto-Frost auch verpflichtet sind, Fragen betreffend die Gültigkeit nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen vorzulegen. Oder könnte ein nationales Gericht einfach die nationale Umsetzungsmaßnahme als solche für nichtig erklären, weil doch, was (von vornherein) nicht verbindlich ist, gewiss bedenkenlos unbeachtet bleiben kann?

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Verordnung Nr. 1093/2010

6.

Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 wird mit dieser eine Europäische Bankenaufsichtsbehörde eingerichtet. In der bei Erlass der strittigen Leitlinien anwendbaren Fassung war der Tätigkeitsbereich der EBA in dieser Bestimmung wie folgt beschrieben:

„(2)   Die [EBA] handelt im Rahmen der ihr durch diese Verordnung übertragenen Befugnisse und innerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2002/87/EG[ ( 7 )], der Richtlinie 2009/110/EG[ ( 8 )], der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 9 )], der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 10 )], der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 11 )], der Verordnung (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 12 )], der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 13 )] und, soweit diese Rechtsvorschriften sich auf Kredit- und Finanzinstitute sowie die zuständigen Behörden, die diese beaufsichtigen, beziehen, der einschlägigen Teile der Richtlinie 2002/65/EG[ ( 14 )] und der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates[ ( 15 )], einschließlich sämtlicher Richtlinien, Verordnungen und Beschlüsse, die auf der Grundlage dieser Rechtsakte angenommen wurden, sowie aller weiteren verbindlichen Rechtsakte der Union, die der [EBA] Aufgaben übertragen. Die [EBA] handelt ferner im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates[ ( 16 )].

(3)   Die [EBA] wird auch in den Tätigkeitsbereichen von Kreditinstituten, Finanzkonglomeraten, Wertpapierfirmen, Zahlungsinstituten und E-Geld-Instituten im Zusammenhang mit Fragen tätig, die nicht unmittelbar von den in Absatz 2 genannten Rechtsakten abgedeckt werden, einschließlich Fragen der Unternehmensführung sowie der Rechnungsprüfung und Rechnungslegung, vorausgesetzt solche Maßnahmen der [EBA] sind erforderlich, um die wirksame und kohärente Anwendung dieser Rechtsakte sicherzustellen.

(5)   Das Ziel der [EBA] besteht darin, das öffentliche Interesse zu schützen, indem sie für die Wirtschaft der Union, ihre Bürger und Unternehmen zur kurz-, mittel- und langfristigen Stabilität und Effektivität des Finanzsystems beiträgt. Die [EBA] trägt zu Folgendem bei:

a)

Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts, insbesondere mittels einer soliden, wirksamen und kohärenten Regulierung und Überwachung;

b)

Gewährleistung der Integrität, Transparenz, Effizienz und des ordnungsgemäßen Funktionierens der Finanzmärkte;

c)

Ausbau der internationalen Koordinierung der Aufsicht;

d)

Verhinderung von Aufsichtsarbitrage und Förderung gleicher Wettbewerbsbedingungen;

e)

Gewährleistung, dass die Übernahme von Kredit- und anderen Risiken angemessen reguliert und beaufsichtigt wird und

f)

Verbesserung des Verbraucherschutzes.

Zu diesen Zwecken leistet die [EBA] einen Beitrag zur kohärenten, effizienten und wirksamen Anwendung der in Absatz 2 genannten Rechtsakte, fördert die Angleichung der Aufsicht, gibt Stellungnahmen für das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission ab und führt wirtschaftliche Analysen der Märkte durch, die das Erreichen des Ziels der [EBA] fördern sollen.“

7.

In Art. 8 („Aufgaben und Befugnisse der [EBA]“) dieser Verordnung heißt es:

(1)   Die [EBA] hat folgende Aufgaben:

a)

Sie leistet einen Beitrag zur Festlegung qualitativ hochwertiger gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsstandards und ‑praktiken, indem sie insbesondere Stellungnahmen für die Organe der Union abgibt und Leitlinien, Empfehlungen, Entwürfe für technische Regulierungs- und Durchführungsstandards sowie sonstige Maßnahmen ausarbeitet, die sich auf die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Gesetzgebungsakte stützen;

b)

sie trägt zur kohärenten Anwendung der verbindlichen Rechtsakte der Union bei, indem sie eine gemeinsame Aufsichtskultur schafft, die kohärente, effiziente und wirksame Anwendung der in Artikel 1 Absatz 2 genannten Rechtsakte sicherstellt, eine Aufsichtsarbitrage verhindert, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den zuständigen Behörden vermittelt und diese beilegt, eine wirksame und einheitliche Beaufsichtigung der Finanzinstitute sowie ein kohärentes Funktionieren der Aufsichtskollegien sicherstellt, unter anderem in Krisensituationen;

(2)   Um die in Absatz 1 festgelegten Aufgaben ausführen zu können, wird die [EBA] mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Befugnissen ausgestattet; dazu zählen insbesondere die Befugnisse

c)

zur Herausgabe von Leitlinien und Empfehlungen gemäß Artikel 16;

…“

8.

In Art. 9 („Aufgaben im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz und mit Finanztätigkeiten“) der Verordnung Nr. 1093/2010 heißt es:

„(1)   Die [EBA] übernimmt eine Führungsrolle bei der Förderung von Transparenz, Einfachheit und Fairness auf dem Markt für Finanzprodukte beziehungsweise -dienstleistungen für Verbraucher im Binnenmarkt, und zwar unter anderem durch

a)

die Erfassung und Analyse von Verbrauchertrends und die Berichterstattung über diese Trends;

b)

die Überprüfung und Koordinierung von Initiativen der zuständigen Behörden zur Vermittlung von Wissen und Bildung über Finanzfragen;

c)

die Entwicklung von Ausbildungsstandards für die Wirtschaft und

d)

die Mitwirkung an der Entwicklung allgemeiner Offenlegungsvorschriften.

(2)   Die [EBA] überwacht neue und bereits bekannte Finanztätigkeiten und kann Leitlinien und Empfehlungen annehmen, um die Sicherheit und Solidität der Märkte und die Angleichung im Bereich der Regulierungspraxis zu fördern.

…“

9.

Art. 16 („Leitlinien und Empfehlungen“) dieser Verordnung sieht vor:

„(1)   Um innerhalb des ESFS [(Europäisches Finanzsaufsichtssystem)] kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken zu schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, gibt die [EBA] Leitlinien und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und die Finanzinstitute heraus.

(2)   Die [EBA] führt gegebenenfalls offene öffentliche Anhörungen zu den Leitlinien und Empfehlungen durch und analysiert die damit verbundenen potenziellen Kosten und den damit verbundenen potenziellen Nutzen. Diese Anhörungen und Analysen müssen im Verhältnis zu Umfang, Natur und Folgen der Leitlinien oder Empfehlungen angemessen sein. Die [EBA] holt gegebenenfalls auch die Stellungnahme oder den Rat der in Artikel 37 genannten Interessengruppe Bankensektor ein.

(3)   Die zuständigen Behörden und Finanzinstitute unternehmen alle erforderlichen Anstrengungen, um diesen Leitlinien und Empfehlungen nachzukommen.

Binnen zwei Monaten nach der Herausgabe einer Leitlinie oder Empfehlung bestätigt jede zuständige Behörde, ob sie dieser Leitlinie oder Empfehlung nachkommt oder nachzukommen beabsichtigt. Kommt eine zuständige Behörde der Leitlinie oder Empfehlung nicht nach oder beabsichtigt sie nicht, dieser nachzukommen, teilt sie dies der [EBA] unter Angabe der Gründe mit.

Die [EBA] veröffentlicht die Tatsache, dass eine zuständige Behörde dieser Leitlinie oder Empfehlung nicht nachkommt oder nicht nachzukommen beabsichtigt. Die [EBA] kann zudem von Fall zu Fall die Veröffentlichung der von einer zuständigen Behörde angegebenen Gründe für die Nichteinhaltung einer Leitlinie oder Empfehlung beschließen. Die zuständige Behörde wird im Voraus über eine solche Veröffentlichung informiert.

Wenn dies gemäß dieser Leitlinie oder Empfehlung erforderlich ist, erstatten die Finanzinstitute auf klare und ausführliche Weise Bericht darüber, ob sie dieser Leitlinie oder Empfehlung nachkommen.

…“

2. Die Leitlinien der EBA

10.

Nach Abschnitt 1 Nr. 1 der EBA-Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft enthält „[d]as vorliegende Dokument ... Leitlinien, die gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 herausgegeben wurden. Gemäß Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 müssen die zuständigen Behörden und Finanzinstitute alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um diesen Leitlinien nachzukommen.“

11.

Nr. 2 der EBA-Leitlinien lautet:

„Die Leitlinien legen fest, was nach Ansicht der EBA angemessene Aufsichtspraktiken innerhalb des Europäischen Finanzaufsichtssystems sind oder wie das Unionsrecht in einem bestimmten Bereich anzuwenden ist. Dazu sollten die zuständigen Behörden gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 die an sie gerichteten Leitlinien in geeigneter Weise in ihre Aufsichtspraktiken (z. B. durch Änderung ihres Rechtsrahmens oder ihrer Aufsichtsverfahren) integrieren, einschließlich der Leitlinien in diesem Dokument, die in erster Linie an Institute gerichtet sind.“

12.

In Nr. 3 („Meldepflichten“) der EBA-Leitlinien heißt es:

„Nach Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 müssen die zuständigen Behörden der EBA bis zum 23.05.2016 mitteilen, ob sie diesen Leitlinien nachkommen oder nachzukommen beabsichtigen, oder die Gründe nennen, warum sie dies nicht tun. Geht innerhalb der genannten Frist keine Mitteilung ein, geht die EBA davon aus, dass die zuständige Behörde den Anforderungen nicht nachkommt. ...“

13.

In Nr. 5 am Anfang von Abschnitt 2 der EBA-Leitlinien wird deren Gegenstand definiert:

„Die vorliegenden Leitlinien betreffen die Einführung von Regelungen für die Überwachung und Governance von Bankprodukten als wesentliches Element der allgemeinen organisatorischen Anforderungen an die internen Kontrollsysteme von Unternehmen und richten sich sowohl an Produkthersteller als auch an Produktvertreiber. Sie beziehen sich auf die internen Prozesse, Funktionen und Strategien für die Konzeption, Markteinführung und Überprüfung dieser Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus. In diesen Leitlinien werden die relevanten Verfahren beschrieben, mit denen sichergestellt werden soll, dass den Interessen, Zielen und Eigenschaften des Zielmarkts entsprochen wird. Die Eignung von Produkten für einzelne Verbraucher ist jedoch nicht Gegenstand dieser Leitlinien.“

14.

Nr. 6 dieser Leitlinien legt deren Anwendungsbereich fest:

„Diese Leitlinien gelten für Hersteller und Vertreiber von Produkten, die Verbrauchern angeboten und verkauft werden, und beschreiben im Einzelnen Regelungen für die Produktüberwachung und -Governance in Bezug auf:

Artikel 74 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU (,Kapitaladäquanz-Richtlinie IV, CRD IV‘), Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie 2007/64/EG[ ( 17 )] (,Richtlinie über Zahlungsdienste‘) und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 2009/110/EG (,E-Geld-Richtlinie‘) in Verbindung mit Artikel 10 Absatz 4 der Richtlinie über Zahlungsdienste sowie

Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2014/17/EU[ ( 18 )] (,Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher oder Hypothekarkredit-Richtlinie‘).“

15.

Nr. 7 der Leitlinien lautet:

„Die zuständigen Behörden können in Erwägung ziehen, diese Leitlinien an sonstige ihrer Zuständigkeit unterstehenden Unternehmen zu richten, die nicht in den Anwendungsbereich der angegebenen Rechtsakte fallen, jedoch der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliegen. Insbesondere können sie die Anwendung dieser Leitlinien auf andere Vermittler als die in der Hypothekarkredit-Richtlinie genannten Kreditvermittler, z. B. auf Verbraucherkreditvermittler, in Erwägung ziehen.“

16.

Nr. 8 der Leitlinien lautet:

„Die zuständigen Behörden können die Ausweitung des in diesen Leitlinien festgelegten Schutzumfangs auf andere Personen als Verbraucher z. B. Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Erwägung ziehen.“

17.

Nr. 11 der Leitlinien lautet:

„Die vorliegenden Leitlinien gelten für zuständige Behörden im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie für Finanzinstitute im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (EBA-Verordnung‘).“

18.

Nr. 16 („Umsetzungsfrist“) schließt die „einleitenden“ Abschnitte 1 bis 3 ab und sieht vor, dass „[d]iese Leitlinien ... ab dem 3. Januar 2017 [gelten]“.

19.

Die eigentlichen Leitlinien sind in den beiden folgenden Abschnitten enthalten: Abschnitt 4 über „Regelungen für die Produktüberwachung und ‑Governance für Produkthersteller“ und Abschnitt 5 über „Regelungen für die Produktüberwachung und ‑Governance für Produktvertreiber“. Beide Abschnitte enthalten insgesamt zwölf Leitlinien, die meisten von ihnen unterteilt in weitere Regeln.

B.   Nationales Recht

20.

Die Bekanntmachung der Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (Aufsichts- und Abwicklungsbehörde) vom 8. September 2017 mit der Bezeichnung „Umsetzung der Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft der European Banking Authority (EBA/GL/2015/18)“ hat folgenden Wortlaut:

„Die Autorité de contrôle prudentiel et de résolution [(Aufsichts- und Abwicklungsbehörde, im Folgenden: ACPR)] hat erklärt, dass sie die Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft der European Banking Authority (EBA/GL/2015/18), die dieser Bekanntmachung beigefügt sind, einhält.

Diese Leitlinien gelten für die der Aufsicht der ACPR unterstehenden Kreditinstitute, Zahlungsinstitute und E‑Geld-Institute, die alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen müssen, um diesen Leitlinien nachzukommen und nach Nr. 14 der Leitlinien deren Einhaltung durch die Produktvertreiber gemäß Art. 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde sicherzustellen.“

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

21.

Am 22. März 2016 erließ die EBA gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 1093/2010 Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft. Diese Leitlinien sind an die zuständigen Behörden und die Finanzinstitute gerichtet.

22.

Am 8. September 2017 veröffentlichte die ACPR, die in diesem Bereich zuständige französische Aufsichtsbehörde, auf ihrer Website eine Bekanntmachung. Darin erklärte die ACPR, dass sie diese Leitlinien einhalte und dass diese für die ihrer Aufsicht unterstehenden Kreditinstitute, Zahlungsinstitute und E‑Geld-Institute gelten, die alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen müssten, um diesen Leitlinien nachzukommen und deren Einhaltung durch die Produktvertreiber sicherzustellen.

23.

Am 8. November 2017 erhob die FBF beim Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich), dem vorlegenden Gericht, eine Klage mit dem Antrag, die Bekanntmachung der ACPR für nichtig zu erklären. Sie macht geltend, die mit der Bekanntmachung für anwendbar erklärten EBA-Leitlinien seien ungültig, da die EBA für den Erlass solcher Leitlinien nicht zuständig sei.

24.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit und der Begründetheit des Klagegrundes der Ungültigkeit der strittigen Leitlinien.

25.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt die Zulässigkeit eines solchen Klagegrundes der Ungültigkeit für den Zweck eines Vorabentscheidungsersuchens davon ab, ob die strittigen Leitlinien mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV angefochten werden könnten und ob ein Fachverband wie die FBF zur Erhebung einer solchen Klage befugt sei.

26.

Zur Begründetheit des Klagegrundes weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass in den EBA-Leitlinien auf mehrere Unionsrechtsakte Bezug genommen werde, von denen jedoch, mit Ausnahme der Richtlinie 2014/17, keiner eine ausdrückliche Bestimmung über die Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft, den von diesen Leitlinien erfassten Bereich, enthalte. Zudem enthalte keiner dieser Gesetzgebungsakte eine Bestimmung, die die EBA ermächtige, Leitlinien für die Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft zu erlassen. Nach der Verordnung Nr. 1093/2010 trage die EBA jedoch dazu bei, dass die angemessene Regulierung und Beaufsichtigung der Übernahme von Kredit- und anderen Risiken gewährleistet und der Verbraucherschutz verbessert würden. Zur Erreichung ebendieser Ziele trage indes die Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft bei.

27.

Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hat der Conseil d’État (Staatsrat) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Können die von einer europäischen Aufsichtsbehörde herausgegebenen Leitlinien Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein? Falls ja, kann ein Fachverband die Gültigkeit von Leitlinien, die für die Mitglieder bestimmt sind, deren Interessen er vertritt, und die ihn weder unmittelbar noch individuell betreffen, mit einer Nichtigkeitsklage anfechten?

2.

Für den Fall der Verneinung einer der beiden unter 1. gestellten Fragen: Können die von einer europäischen Aufsichtsbehörde herausgegebenen Leitlinien Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV sein? Falls ja, kann ein Fachverband die Gültigkeit von Leitlinien, die für die Mitglieder bestimmt sind, deren Interessen er vertritt, und die ihn weder unmittelbar noch individuell betreffen, mit einer Einrede anfechten?

3.

Für den Fall, dass die Fédération bancaire française die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde vom 22. März 2016 mit einer Einrede anfechten kann: Überschreitet diese Behörde mit der Herausgabe der Leitlinien ihre Zuständigkeiten aus der Verordnung Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde)?

28.

Die FBF, die ACPR, die französische und die polnische Regierung, die Europäische Kommission sowie die EBA haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der polnischen Regierung haben diese Verfahrensbeteiligten in der Sitzung vom 20. Oktober 2020 mündliche Ausführungen gemacht.

IV. Würdigung

29.

Diese Schlussanträge sind wie folgt aufgebaut. Beginnen werde ich mit einleitenden Bemerkungen zu den Fragen des vorlegenden Gerichts und zum (nicht) verbindlichen Charakter der strittigen Leitlinien (A). Sodann werde ich die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen in umgekehrter Reihenfolge behandeln, beginnend mit der Frage 3 und der Prüfung, ob die EBA die strittigen Leitlinien im Rahmen ihrer Befugnisse erlassen hat (B). Nach der Feststellung, dass die EBA tatsächlich ihre Zuständigkeit überschritten hat, werde ich mich dann den Fragen 1 und 2 sowie verschiedenen anderen Aspekten des allgemeinen Verhältnisses zwischen den Art. 263 und 267 AEUV hinsichtlich nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen zuwenden (C).

A.   Vorbemerkungen

1. Eine scheinbar unkomplizierte Rechtssache?

30.

Aus einer bestimmten Sicht ist diese Rechtssache eher einfach gelagert. Betrachtet man die Vorlagefragen isoliert vom vorliegenden Fall und beantwortet sie in der Reihenfolge, in der sie gestellt sind, wäre die Antwort nicht allzu schwierig

31.

Die Frage 1 ist unzulässig. Bei der vorliegenden Rechtssache handelt es sich um ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV. In diesem verfahrensrechtlichen Kontext ist es eine rein hypothetische Frage, ob die im Ausgangsverfahren erhobene Klage auch als Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV erhoben werden könnte. Ebenso wenig relevant für die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits ist die Frage, ob ein Fachverband die strittigen Leitlinien in einem solchen Verfahren anfechten könnte.

32.

Auch die Frage 2 ist unkompliziert. Sie ist zwar zulässig, ihre Antwort kann aber leicht aus der Rechtsprechung abgeleitet werden. Seit dem Urteil Grimaldi entscheidet der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass er nach Art. 267 AEUV befugt ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Unionsorgane zu entscheiden, und zwar „ohne jede Ausnahme“ ( 19 ). Nicht verbindliche Maßnahmen können somit eindeutig Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens sein ( 20 ).

33.

Ferner ist die den Fragen 1 und 2 gemeinsame Teilfrage zur Klagebefugnis von Fachverbänden im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nicht relevant. Die Entscheidung, eine Rechtssache gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof vorzulegen, ist allein Sache des nationalen Gerichts ( 21 ). Dem Gerichtshof zufolge kann jede Partei im Rahmen eines nationalen Verfahrens vor dem angerufenen Gericht die Ungültigkeit einer Handlung der Union geltend machen und dieses Gericht, das nicht befugt ist, selbst die Ungültigkeit festzustellen, veranlassen, dem Gerichtshof insoweit eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen ( 22 ).

34.

Im Übrigen jedoch regelt das Unionsrecht nicht die Frage, wer die Partei in dem Verfahren vor dem nationalen Gericht sein muss. Ist nach nationalem Recht die Geltendmachung solcher Klagegründe zulässig, ist wiederum ausschließlich das nationale Gericht für die Entscheidung darüber zuständig, ob es eine Vorlage an den Gerichtshof für erforderlich (oder sich dazu für verpflichtet) hält oder nicht. Somit ist die Frage, ob die FBF zur Geltendmachung eines Klagegrundes der Unzulässigkeit gegenüber einer Unionsmaßnahme befugt ist, Sache des nationalen Rechts.

35.

Daher könnte man bei einer Beantwortung der Fragen in der Reihenfolge, in der sie gestellt worden sind, und einer Behandlung der ersten beiden Fragen in abstrakter Form, losgelöst vom Sachverhalt des vorliegenden Falles, leicht und sofort zur Frage 3 kommen und meinen, dass die einzige wirkliche Frage in diesem Fall das Problem der Befugnis der EBA zum Erlass der strittigen Leitlinien sei.

36.

Indes halte ich eine solche Abkürzung nicht für angebracht. Erst wenn man versucht, die Frage 3 zu beantworten und die Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, versteht man nämlich ganz, welche Tragweite die Fragen 1 und 2 haben, wenn man sich ihnen nicht abstrakt, sondern vielmehr im besonderen Kontext des vorliegenden Falles nähert.

37.

Überdies würde ein derart vereinfachtes Verständnis der drei Fragen dem Anliegen des vorlegenden Gerichts offenkundig nicht gerecht. Aus der Vorlageentscheidung geht, zumal vor dem Hintergrund der erhellenden Schlussanträge der Öffentlichen Berichterstatterin in dieser Sache ( 23 ), klar hervor, dass dem vorlegenden Gericht die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs bekannt ist. Diese Dokumente lassen erkennen, dass sich für dieses Gericht die Frage stellt, wohin genau diese Rechtsprechung in einem konkreten Fall wie dem bei ihm anhängigen führt.

38.

In diesem Kontext fragt das vorlegende Gericht insbesondere nach dem Verhältnis zwischen den Art. 263 und 267 AEUV, wenn es um Soft Law geht, und zwar insbesondere dann, wenn das nationale Gericht nicht verbindliche nationale Maßnahmen einer Überprüfung unterzieht, während der Gerichtshof eine Überprüfung nicht verbindlicher Maßnahmen der Union im Rahmen von Nichtigkeitsklagen ablehnt. Dieses Problem ist der Kern der Frage nach dem Bestehen (oder dem Fehlen) von Parallelen zwischen den beiden Arten von Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Stellung von Fachverbänden in diesen Verfahren. An dieses Problem schließt sich ein weiteres an, das das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung ebenfalls benannt hat und das den Umstand betrifft, dass nach den für das Vorabentscheidungsverfahren geltenden Regeln die Ebene der nationalen und die der unionsrechtlichen gerichtlichen Überprüfung miteinander verknüpft sind: Sind die nationalen Gerichte gemäß dem Urteil Foto-Frost verpflichtet, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer nicht verbindlichen Unionsmaßnahme zu ersuchen, wenn sie eine nationale Maßnahme überprüfen, mit der diese Unionsmaßnahme auf nationaler Ebene für auf individuelle Adressaten anwendbar erklärt worden ist?

39.

Da die Beantwortung der Frage 3 zur Klärung der mit den Fragen 1 und 2 aufgeworfenen allgemeineren Probleme beitragen wird, ziehe ich es vor diesem Hintergrund vor, mit der dritten Frage zu beginnen, bevor ich mich diesen strukturellen Problemen zuwende. Auf diese Weise lässt sich das strukturelle Problem der gerichtlichen Überprüfung von Soft-Law-Maßnahmen vor dem Gerichtshof gut anhand des konkreten Beispiels der von der EBA erlassenen Leitlinien veranschaulichen.

2. Sind die strittigen Leitlinien eine (echte) nicht verbindliche Maßnahme?

40.

Vor der Prüfung der Frage 3 muss jedoch eine weitere Vorfrage behandelt werden: Sind die strittigen Leitlinien eine echte nicht verbindliche Maßnahme, die keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt, wie alle Verfahrensbeteiligten geltend machen? Was wie eine banale Feststellung erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine wichtige Ausgangsannahme für die folgende Erörterung. Denn dieses Problem versteckt sich im ersten Teil der Frage 1, da nach ständiger Rechtsprechung echte Soft-Law-Maßnahmen von gerichtlicher Kontrolle nach Art. 263 AEUV ausgeschlossen sind. Dagegen wäre eine solche Handlung, hätte sie verbindliche Rechtswirkungen (und wäre damit ein „unechtes“ Soft-Law-Instrument), einer Überprüfung nach Art. 263 AEUV zugänglich (zumindest unter der Voraussetzung, dass der Kläger unmittelbar und individuell von ihr betroffen ist).

41.

Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Form –, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen. Um festzustellen, ob die beanstandete Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen und sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Kontext ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung erlassenden Organs zu berücksichtigen sind ( 24 ).

42.

Erzeugen die strittigen Leitlinien verbindliche Rechtswirkungen im Sinne dieser herkömmlichen Kriterien?

43.

Einerseits trifft es erstens zu, dass diese Leitlinien ihrem Wortlaut nach nicht als Vorschriften abgefasst sind. In den eigentlichen materiellen Leitlinien, die an Hersteller und Vertreiber von Bankprodukten gerichtet und in den Abschnitten 4 und 5 der Leitlinien enthalten sind, wird das Verb „sollen“ im Gegensatz zu „müssen“ verwendet. Zweitens sind die zuständigen Behörden ( 25 ) nicht zu ihrer Einhaltung verpflichtet. Nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 muss jede zuständige Behörde bestätigen, ob sie von der EBA erlassenen Leitlinien nachkommt oder nachzukommen beabsichtigt. Kommt eine zuständige Behörde ihnen nicht nach oder beabsichtigt sie nicht, ihnen nachzukommen, teilt sie dies der EBA unter Angabe von Gründen mit ( 26 ). Drittens bleibt das Argument bei der Beurteilung des Kontexts und der Befugnisse der betreffenden Behörde unweigerlich in einem ähnlichen Zirkelschluss stecken, wie ich ihn bereits an anderer Stelle ( 27 ) beschrieben habe: i) Da die EBA sicherlich wusste, dass ihre Leitlinien nicht verbindlich sind, ii) konnte sie nicht die Absicht haben, irgendetwas Verbindliches zu erlassen, so dass es iii) offenkundig ist, dass die diese Maßnahme erlassende Stelle keinerlei Absicht hatte, einen verbindlichen Rechtsakt zu erlassen.

44.

Auf dieser Grundlage ist zweifellos der Schluss möglich, dass die strittigen Leitlinien als solche keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen.

45.

Andererseits werden diese Leitlinien in einem Kontext und unter Beifügung einer Reihe von Mechanismen erlassen, die sie im Licht der Verordnung Nr. 1093/2010 als ihrer Rechtsgrundlage zu Handlungen machen, zu deren Einhaltung sich ihre Adressaten durchaus für verpflichtet halten können.

46.

Erstens sieht Abschnitt 1 Nr. 1 der strittigen Leitlinien im Einklang mit Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 vor, dass die zuständigen Behörden und Finanzinstitute „alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen [müssen], um diesen Leitlinien nachzukommen“. Ohne eingehend zu prüfen, was genau „alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen“ im Einzelnen bedeutet, kann davon ausgegangen werden, dass die strittigen Leitlinien nicht in der Absicht erlassen werden, dass ihre Adressaten sie schlicht unbeachtet lassen können, zumal wenn sie dazu verpflichtet werden, solche Anstrengungen zu unternehmen.

47.

Wer genau ist, zweitens, der Adressat? Auch wenn die strittigen Leitlinien ihrer Nr. 11 zufolge förmlich an zuständige Behörden und Finanzinstitute ( 28 ) gerichtet sind, sind es offenkundig die Finanzinstitute, die letztlich den Verpflichtungen nachkommen müssen und als solche die eigentlichen Adressaten sind. Diese Logik ergibt sich aus dem Inhalt der Abschnitte 4 und 5 der Leitlinien, die ausschließlich an Hersteller und Vertreiber von Bankprodukten gerichtet sind.

48.

Systematisch gesehen ähneln die Leitlinien stark den Richtlinien: Obwohl formal an den Mitgliedstaat gerichtet, sollen deren Bestimmungen zu gegebener Zeit das Verhalten Einzelner regeln, die diese dann unweigerlich anwenden müssen. Die zuständigen Behörden sind nicht die wahren Adressaten dieser Verpflichtungen; ihre Aufgabe besteht nur darin, sich für oder gegen ihre Einhaltung zu entscheiden. Ist die Entscheidung allerdings gefallen, wandelt sich der ursprünglich nicht verbindliche zu einem sehr wohl verbindlichen Charakter, da der „nominelle Adressat“ (die zuständige Aufsichtsbehörde) zu einem „Durchsetzungsorgan“ wird. Damit haben die wahren Adressaten der Leitlinien, die Finanzinstitute, sehr wenig oder gar keinen Spielraum bei der Entscheidung, ob sie die Leitlinien einhalten.

49.

Zudem geht aus den Nrn. 6, 7 und 8 der strittigen Leitlinien zusammengenommen ( 29 ) nicht einmal hervor, ob die förmliche Entscheidung einer zuständigen Behörde, die Leitlinien nicht einzuhalten, die Finanzinstitute tatsächlich von der Verpflichtung freistellt, „alle erforderlichen Anstrengungen [zu] unternehmen, um diesen Leitlinien nachzukommen“. Nichteinhaltung durch die zuständigen Behörden könnte auch lediglich bedeuten, dass diese die Leitlinien nicht durchsetzen werden, ohne dass die Verpflichtung der Finanzinstitute selbst berührt wird. Mit anderen Worten können diese Leitlinien ein Eigenleben gegenüber den Finanzinstituten unabhängig davon entfalten, welche Haltung die zuständigen Behörden zu ihnen eingenommen haben.

50.

Drittens und im Zusammenhang mit dem vorstehenden Punkt werden die Finanzinstitute, wenn die zuständigen Behörden die Einhaltung beschlossen haben, auf nationaler Ebene durch die strittigen Leitlinien infolge ihrer „Umsetzung“ oder „Integration“ durch die zuständige nationale Behörde gebunden. Im vorliegenden Fall hat die ACPR dadurch, dass sie in ihrer Bekanntmachung erklärt hat, sie halte die Leitlinien ein, deren Inhalt für die Finanzinstitute in Frankreich de facto für verbindlich erklärt. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass im Gegensatz zu einer Richtlinie, deren Inhalt zunächst in eine nationale Rechtsvorschrift umgesetzt werden muss, der Inhalt der Leitlinien durch die Bekanntmachung der ACPR auf alle „der Aufsicht der ACPR unterstehenden Kreditinstitute, Zahlungsinstitute und E‑Geld-Institute“ anwendbar gemacht worden ist ( 30 ).

51.

Der letztgenannte Punkt der tatsächlichen Durchsetzung auf nationaler Ebene bedarf genauer Erklärung. Hat sich die zuständige Behörde einmal für die Einhaltung der Leitlinien entschieden, sind diese in dem betreffenden Mitgliedstaat durchsetzbar. Der Öffentlichen Berichterstatterin des Conseil d’État (Staatsrat) im Ausgangsrechtsstreit zufolge kann die Nichteinhaltung der Leitlinien nichtunmittelbar zur Verhängung einer Sanktion führen. Der Inhalt der Leitlinien gibt aber die Best Practices wieder, die von den Finanzinstituten einzuhalten sind. Gehen diese Institute nicht nach diesen Best Practices vor, kann das als Bad Practice ihrerseits angesehen werden. Auf dieser Grundlage könnte die ACPR individuelle Warnungen aussprechen, durch deren Nichtbeachtung sich diese Finanzinstitute letztlich aufsichtsrechtlichen Verfahren aussetzen würden ( 31 ).

52.

Kurz gesagt teile ich im Einklang mit der im Rahmen von Art. 263 AEUV geltenden herkömmlichen Definition eines Unionsrechtsakts, der verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die Auffassung, dass die Leitlinien, insbesondere, wenn sie nur auf Unionsebene betrachtet werden, als ein nicht verbindliches, echtes Soft-Law-Instrument angesehen werden können. Angewandt auf einen Fall wie den vorliegenden liefert dieser herkömmliche Ansatz nicht wirklich eine Antwort, sondern beschreibt eher eloquent die Natur des Problems.

53.

Für die Prüfung, ob ein Unionsrechtsakt gerichtlich überprüfbar ist, sollte darauf abgestellt werden, ob ein verständiger Adressat annehmen kann, dass er durch diesen Rechtsakt zu dessen Einhaltung veranlasst oder sogar verpflichtet wird. Das Ergebnis sollte abgestuft sein und dem Kontinuum der Rechtswirkungen Rechnung tragen, aber dann folgerichtig eng darauf fokussiert sein, wie genau sich der angefochtene Rechtsakt auf die rechtliche Situation der Adressaten auswirkt. Liegt das Problem in hybriden Formen von Governance, kommt auch eine hybride Abhilfe in Betracht, die folgerichtig genau auf die für problematisch erachteten Wirkungen zugeschnitten ist. Wie jedoch das Urteil Belgien/Kommission kürzlich gezeigt hat, bleibt der Gerichtshof auf den Rechtsakt und dessen Urheber fokussiert, losgelöst vom realen Leben des Rechtsakts und seiner Adressaten, und bewegt sich so im Kreis, indem die Natur des Rechtsakts anhand der Absicht seines Urhebers bestimmt wird und umgekehrt. Letztlich ist in einer solchen binären Welt nur eins von zwei Ergebnissen denkbar: Entweder bestehen volle verbindliche Rechtswirkungen oder gar keine.

54.

Ich möchte keine Argumente wiederholen, die den Gerichtshof schon in der Vergangenheit nicht überzeugt haben ( 32 ). Es geht vielmehr darum, zu erläutern, wie diese Weichenstellungen sich auf den vorliegenden Fall auswirken. Die Regulierungs- und Rechtsprechungsebenen der Union und der Mitgliedstaaten sind miteinander verbunden, zumindest im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens. Dieser Umstand fügt dem vorliegenden Fall eine weitere Komplexitätsstufe hinzu, auf der der herkömmliche Ansatz, einzig und allein auf den Unionsrechtsakt auf Unionsebene abzustellen, problematisch wird: Was bei alleiniger und ausschließlicher Betrachtung der EBA und der zuständigen Behörden vielleicht noch als Soft Law verstanden werden kann, wird auf der Ebene darunter in den Mitgliedstaaten zu etwas ganz anderem. „Soft Law“ ist auf dieser Ebene „nicht mehr ganz so soft“ oder kann sich sogar in „Hard Law“ verwandeln. Es sei darauf hingewiesen, dass das Unionsrecht dies keineswegs ausschließt. Ganz im Gegenteil: Das gesamte System ist so gestaltet, dass es in genau dieser Weise funktioniert.

55.

Zusammengefasst sind die Leitlinien für ihre eigentlichen Adressaten, die Finanzinstitute auf nationaler Ebene, deutlich weitaus weniger „soft“, als wenn der Fokus auf der Ebene der zuständigen nationalen Behörden läge. Gleichwohl kann aber in Anbetracht des Standardansatzes des Gerichtshofs bei Unionsmaßnahmen, die keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen, davon ausgegangen werden, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Gerichtshof die strittigen Leitlinien als verbindlich und damit einer gerichtlichen Kontrolle nach Art. 263 AEUV zugänglich ansehen wird.

B.   Frage 3: Hat die EBA ihre Zuständigkeiten nach der Verordnung Nr. 1093/2010 überschritten?

56.

Nach Ansicht der FBF regeln die strittigen Leitlinien die Produkt-Governance. Sie entbehrten jeder Rechtsgrundlage, da sie nicht als Umsetzung der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 genannten Gesetzgebungsakte angesehen werden könnten, denn diese regelten nur die Unternehmensführung. Mit dem Erlass der strittigen Leitlinien habe sich die EBA eher an die Richtlinie 2014/65/EU ( 33 ) angelehnt, mit der die Governance von Finanzprodukten geregelt werde und in der der Begriff „Zielmarkt“ und die Unterscheidung zwischen Herstellern und Vertreibern zentral seien.

57.

Die Kommission teilt weitgehend die Auffassung der FBF. Allerdings führt sie aus, die strittigen Leitlinien lägen nicht völlig, und zwar insoweit nicht außerhalb der Zuständigkeit der EBA, als sie sich auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 bezögen. Diese Bestimmung erlaube die Regelung der Produkt-Governance, die Bestimmung von Zielmärkten und die Unterscheidung zwischen Herstellern und Vertreibern. Im Übrigen lägen die Leitlinien jedoch außerhalb der Zuständigkeit der EBA und sollten daher für ungültig erklärt werden.

58.

Die ACPR, die französische und die polnische Regierung sowie die EBA sind gegenteiliger Ansicht. Nach Auffassung der ACPR, der französischen Regierung und der EBA ist Letztere zum Erlass von Leitlinien über den strikten Anwendungsbereich der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 genannten Gesetzgebungsakte hinaus befugt, da deren Art. 1 Abs. 3 die Befugnisse der EBA auf Bereiche erstrecke, die von diesen nicht erfasst seien. Jedenfalls hingen Produkt-Governance und Unternehmensführung miteinander zusammen, so dass die strittigen Leitlinien nicht als außerhalb der Zuständigkeit der EBA liegend angesehen werden könnten. Diese Verfahrensbeteiligten und die polnische Regierung halten das Vorgehen der EBA auch deshalb für rechtmäßig, weil die Verordnung Nr. 1093/2010 ausdrücklich auf den Schutz der Verbraucher abziele. Soweit die strittigen Leitlinien diesem Ziel dienten, sei die EBA zu ihrem Erlass befugt gewesen. Nach Ansicht der ACPR und der EBA sollte daher nur eine allgemeine Prüfung der Befugnis der EBA zum Erlass von Leitlinien erfolgen. Eine solche allgemeine Prüfung würde zu dem Ergebnis führen, dass die EBA zum Erlass der strittigen Leitlinien befugt gewesen sei.

59.

Im folgenden Abschnitt werde ich darlegen, dass ich den Standpunkt der ACPR, der französischen und der polnischen Regierung sowie der EBA nicht teile. Obwohl sich die strittigen Leitlinien bei allgemeiner Prüfung ungefähr im Rahmen der Verordnung Nr. 1093/2010 bewegen (1), werde ich erläutern, warum ich eine so wenig dichte oder so großzügige Prüfung im Kontext nicht verbindlicher Maßnahmen nicht für angebracht halte (2). Angesichts der Unvereinbarkeit der strittigen Leitlinien mit der Verordnung Nr. 1093/2010 bleibt dann die Frage nach dem förmlichen Ergebnis einer solchen Feststellung (3).

1. Vereinbarkeit der strittigen Leitlinien mit der Verordnung Nr. 1093/2010 hinsichtlich der Zuständigkeiten der EBA

60.

Die strittigen Leitlinien betreffen die Einrichtung von Produkt-Governance für Bankprodukte im Privatkundengeschäft. Im Einzelnen wird in den Leitlinien empfohlen, dass die Produkthersteller die relevanten Zielmärkte bestimmen und sicherstellen sollten, dass die Produkte für diese Märkte geeignet sind ( 34 ). Zudem werden in den Leitlinien Produkttests empfohlen, um zu bewerten, inwieweit sich das Produkt in einer großen Vielzahl von Szenarien auf seine Verbraucher auswirken würde ( 35 ). Darüber hinaus sollten die Produkthersteller Vertreiber auswählen, die für den betreffenden Zielmarkt geeignet sind, und in der Lage sein, für diese Vertreiber Informationen mit Erläuterungen zu den Produkteigenschaften und -risiken für die Verbraucher bereitzustellen ( 36 ). Die Vertreiber von Bankprodukten ihrerseits sollten dem Verbraucher eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale des Produkts und Angaben zu den damit verbundenen Risiken zur Verfügung stellen ( 37 ).

61.

Nach Abschnitt 2 Nr. 6 der strittigen Leitlinien gelten diese für Hersteller und Vertreiber von Produkten, die Verbrauchern angeboten und verkauft werden, in Bezug auf vier Gesetzgebungsakte, und zwar Art. 74 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36, Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2007/64, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/110 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17. Die zuständigen Behörden können auch „in Erwägung ziehen, diese Leitlinien an sonstige ihrer Zuständigkeit unterstehenden Unternehmen zu richten, die nicht in den Anwendungsbereich der angegebenen Rechtsakte fallen, jedoch der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliegen“ ( 38 ).

62.

Ein Vergleich des angegebenen Anwendungsbereichs mit dem tatsächlichen Inhalt der strittigen Leitlinien zeigt, wie die FBF und die Kommission hinsichtlich ihrer Rechtsgrundlage der Sache nach geltend machen, ziemlich klar, dass diese über das hinausgehen, was die Verordnung Nr. 1093/2010 zulässt.

63.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 gibt die EBA, „[u]m innerhalb des ESFS kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken zu schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, ... Leitlinien und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und die Finanzinstitute heraus“.

64.

Nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 handelt die Behörde im Rahmen der ihr durch diese Verordnung übertragenen Befugnisse und innerhalb des Anwendungsbereichs einer Reihe von dort genannten Gesetzgebungsakten sowie aller weiteren verbindlichen Rechtsakte der Union, die der Behörde Aufgaben übertragen. Gemäß Art. 1 Abs. 3 wird die Behörde auch in den Tätigkeitsbereichen verschiedener dort genannter Finanzinstitute „im Zusammenhang mit Fragen tätig, die nicht unmittelbar von den in Absatz 2 genannten Rechtsakten abgedeckt werden ..., vorausgesetzt solche Maßnahmen der [EBA] sind erforderlich, um die wirksame und kohärente Anwendung dieser Rechtsakte sicherzustellen“ ( 39 ).

65.

Aus diesem Wortlaut geht recht klar hervor, dass die EBA unabhängig von der Art der getroffenen Maßnahmen nur innerhalb der (materiellen) Grenzen dieser Gesetzgebungsakte handeln darf. Eine Reihe weiterer Bestimmungen der Verordnung Nr. 1093/2010 betreffend die Aufgaben und Befugnisse der EBA bestätigt, dass diese Akte den äußersten Handlungshorizont für die EBA bilden ( 40 ). Somit sollten die strittigen Leitlinien anhand des Inhalts und des Anwendungsbereichs dieser Akte beurteilt werden.

66.

Was die Richtlinien 2013/36, 2007/64 und 2009/110 angeht, die in den strittigen Leitlinien bei der Bestimmung ihres Anwendungsbereichs ausdrücklich genannt sind ( 41 ), so sind sie alle Gesetzgebungsakte im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 ( 42 ). Somit ist die EBA grundsätzlich befugt, diese Regelungen durch den Erlass von Leitlinien mit Leben zu füllen.

67.

Es besteht jedoch eine klare Diskrepanz zwischen dem Gegenstand dieser Gesetzgebungsakte und dem der Leitlinien. Während mit Letzteren konkrete „Regeln“ für die Produkt-Governance aufgestellt wurden, betreffen Erstere sämtlich die Unternehmensführung, indem sie insbesondere interne Verfahren für Finanzinstitute, klare Organisationsstrukturen mit konsistenten Verantwortlichkeiten und Verfahren im Zusammenhang mit Risikomanagement und Kapitalanforderungen vorsehen. Es ist nicht ersichtlich, wie Leitlinien über Produkt-Governance – zumindest auf kurze Sicht – zur wirksamen und effektiven Anwendung von Gesetzgebungsakten betreffend Unternehmensführung beitragen sollen. Während diese Gesetzgebungsakte langfristige Risiken im Zusammenhang mit fehlerhafter Unternehmensführung (und damit ein strukturelles Problem) betreffen, sollen mit den strittigen Leitlinien interne Verfahren der Produkt-Governance reguliert werden, die sich auf die kurzfristigen Ergebnisse auswirken. Daher sind Art (und Grad) des Risikos, das mit den strittigen Leitlinien auf der einen Seite und den in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 genannten Gesetzgebungsakten auf der anderen reguliert wird, verschieden.

68.

Der Unterschied zwischen Produkt-Governance und Unternehmensführung als Regelungsgegenstand ist nicht nur akademischer Natur. Ein ähnliches Beispiel aus einem anderen Bereich wie dem der Automobilindustrie mag diesen Unterschied veranschaulichen. Unternehmensführung verlangt von den Fahrzeugherstellern die Anwendung von Kontrollmechanismen auf jeder Produktionsstufe, eine transparente Organisationsstruktur, eine klare Regelung, wer für was verantwortlich ist, das Bestehen von Systemen zur Bewältigung möglicher Probleme usw. Alle diese Regeln sind mit dem reibungslosen Funktionieren des Unternehmens verknüpft. Dagegen verlangt Produkt-Governance von den Herstellern, die relevanten Zielmärkte für ein neues Modell zu bestimmen und zu prüfen, wie sich dieses Modell in die bestehende Fahrzeugpalette einfügt und ob eine zu große Auswahl von Fahrzeugen den Verbraucher von einer fundierten Kaufentscheidung abhalten kann. Solche „Regeln“ haben wenig mit dem internen Funktionieren des Unternehmens zu tun. Mit ihnen soll die geschäftliche Entscheidungsfindung in Bezug auf die Qualität der Produkte reguliert werden, die den Verbrauchern angeboten werden sollen. Mit anderen Worten beziehen sich die Regeln der Unternehmensführung auf die Qualität der internen Verfahren und Abläufe, mit denen das reibungslose Funktionieren des Unternehmens sichergestellt werden soll. Regeln der Produkt-Governance betreffen geschäftliche Entscheidungen, die im Wesentlichen dem Absatz von Autos dienen.

69.

Darüber hinaus teile ich die Auffassung der FBF, dass der Gegenstand dieser Gesetzgebungsakte nicht derselbe ist wie der der Richtlinie 2014/65, die speziell und ausdrücklich die Governance von Finanzinstrumenten regelt, die von Wertpapierdienstleistern vertrieben werden ( 43 ). Mithin war die EBA nicht zum Erlass von Leitlinien für die Governance von Bankprodukten befugt.

70.

Dagegen betrifft, wie die Kommission und bis zu einem gewissen Grad das vorlegende Gericht eingeräumt haben, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17, der ebenfalls in Abschnitt 2 Nr. 6 der strittigen Leitlinien genannt ist, zugegebenermaßen Produkte, und zwar Kreditprodukte. Damit könnte er vielleicht, zumindest teilweise, als eine geeignete Rechtsgrundlage für die strittigen Leitlinien dienen.

71.

Die Richtlinie 2014/17 behandelt jedoch Produkt-Governance nicht in demselben Sinn wie die strittigen Leitlinien. Sie regelt vielmehr das Verhalten von Kreditgebern in individuellen Fällen und die Methodik für die Entscheidung, ob einem bestimmten Kunden ein Kredit gewährt wird oder nicht. Zudem geben zwar einige Bestimmungen der Richtlinie 2014/17 der EBA die Befugnis zum Erlass bestimmter Regeln ( 44 ), doch betrifft keine dieser Bestimmungen speziell Regeln für die Produkt-Governance oder bezieht sich auf den Erlass von Leitlinien in den betreffenden Bereichen.

72.

Daher fällt es mir schwer, der Richtlinie 2014/17 Gewicht für die Frage der Zuständigkeit der EBA für den Erlass der strittigen Leitlinien beizumessen. Selbst wenn diese Richtlinie nämlich im vorliegenden Fall tatsächlich als eine Rechtsgrundlage anerkannt würde, quod non, frage ich mich, wohin das Erreichen eines der vier Ziele praktisch führt. Das Vorbringen der Kommission verdeutlicht dieses Problem recht gut.

73.

Die Kommission hat vorgeschlagen, der Gerichtshof solle die strittigen Leitlinien für ungültig erklären, soweit sie sich auf i) Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2007/64, ii) Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/110 und iii) Art. 74 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36 beziehen. Gleichzeitig solle er diese Leitlinien aber auch für gültig erklären, soweit sie sich auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17 beziehen (bzw., um den Vorschlag der Kommission vollständig wiederzugeben, feststellen, dass die Prüfung insoweit nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Leitlinien berühren könnte).

74.

Ich muss gestehen, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, was der Tenor eines solchen Urteils praktisch bedeuten würde. Würde er bedeuten, dass die Leitlinien „gültig“ blieben, ihr Anwendungsbereich jedoch durch Richterspruch auf Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher beschränkt wäre? Würden die Leitlinien für die Finanzinstitute dann nur noch gelten, wenn sie speziell solche Produkte anbieten? Oder müsste man auf dieser Grundlage sogar noch mehr ins Detail gehen und jede Leitlinie einzeln prüfen?

75.

Angesichts solcher Überlegungen scheint die einzig sinnvolle Option zu sein, dass die Leitlinien als Ganzes entweder Bestand haben oder nicht. Meines Erachtens fallen die strittigen Leitlinien als Ganzes nicht in den Anwendungsbereich der in der Verordnung Nr. 1093/2010 genannten Gesetzgebungsakte oder solcher, mit denen der EBA besondere Aufgaben übertragen werden. Die EBA hat demnach mit dem Erlass von Leitlinien, deren Gegenstand nicht von diesen Gesetzgebungsakten erfasst ist, ihre Zuständigkeiten überschritten.

2. Mit welcher Kontrolldichte ist bei nicht verbindlichen Unionsmaßnahmen vorzugehen?

76.

Bei Anlegung eines normalen Prüfungsmaßstabs würde man in diesem Fall zu vorstehendem Zwischenergebnis gelangen. Mit „normal“ meine ich die Art der Überprüfung, die der Gerichtshof gewöhnlich und mit derselben Kontrolldichte vornimmt, wenn er die Gültigkeit von Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen prüft ( 45 )

77.

Indes ist die Frage angebracht, ob Maßnahmen, die vorgeblich keinerlei verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, überhaupt einer solchen gewöhnlichen Kontrolle unterzogen werden sollten. Kurz gesagt, wenn sie nicht verbindlich sind, warum sollte sich irgendjemand, der Gerichtshof eingeschlossen, Gedanken über sie machen? Warum muss überwacht werden, ob eine Einrichtung der Union sich innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gehalten hat, wenn ohnehin niemand zu beachten braucht, was sie befürwortet? Diese Überlegungen sollten, zumindest in Bezug auf echte Soft-Law-Maßnahmen, wenn überhaupt, zu einer eher großzügigen Überprüfung führen.

78.

Es ist im Grunde folgerichtig, dass die ACPR und die EBA in der Sitzung die Auffassung vertreten haben, dass nicht verbindliche Unionsmaßnahmen einer Kontrolle geringeren Grades unterzogen werden sollten als verbindliche Rechtsakte, die nur in einer allgemeinen Prüfung nicht verbindlicher Maßnahmen bestünde. Mit diesem Argument wird im Grunde geltend gemacht, selbst wenn nicht verbindliche Maßnahmen streng genommen nicht in den Zuständigkeitsbereich der EBA fielen, genüge doch die Tatsache, dass sie ungefähr von deren Zuständigkeiten gedeckt sein könnten, für die Feststellung, dass die EBA-Leitlinien rechtmäßig seien. Was insbesondere die Zuständigkeitsverteilung angeht, hätten die Urheber nicht verbindlicher Maßnahmen einen gewissen Spielraum, statt strengen Grenzen zu unterliegen. In der Praxis würden solche Maßnahmen dann nur aufgehoben, wenn ihre Urheber mit ihnen die Grenzen der ihnen übertragenen Befugnisse offenkundig überschritten hätten.

79.

Tatsächlich unterscheidet sich Produkt-Governance unter einem bestimmten Blickwinkel nicht so sehr von Unternehmensführung, betrachtet man beide abstrakt und im Hinblick auf ihren Zweck. Beide wirken sich auf die Stabilität des Finanzsystems aus. Wie die EBA in der Sitzung ausgeführt hat, zielen die Leitlinien insgesamt darauf ab, interne Prozesse zu empfehlen, mit denen sich übermäßige Risiken ausschließen lassen, da unvorsichtige Risikoübernahme 2008 die Finanzkrise ausgelöst hat. Eine effektive Produktüberwachung und Vorkehrungen, mit denen sichergestellt wird, dass Finanzprodukte den Anforderungen der Zielmärkte entsprechen, können die wirtschaftliche Leistung der Finanzinstitute steigern und das Insolvenzrisiko verringern.

80.

Ebenso könnten, so die ACPR, die französische und die polnische Regierung sowie die EBA, die Leitlinien der EBA noch als vom Mandat der EBA gedeckt angesehen werden, weil die Verordnung Nr. 1093/2010 ausdrücklich dem Verbraucherschutz dienen solle. Richtig ist, dass der Verbraucherschutz ein wichtiges Ziel der Verordnung Nr. 1093/2010 ist. Dieses Ziel wird in Art. 1 Abs. 5 Buchst. f ( 46 ) und vor allem in Art. 9 erwähnt, der „Aufgaben im Zusammenhang mit dem Verbraucherschutz und mit Finanztätigkeiten“ betrifft. Dieses umfassende Ziel könnte vielleicht herangezogen werden, um die Tätigkeit der EBA in einer größeren Zahl von Bereichen zu rechtfertigen.

81.

Ich nehme diese Argumente natürlich zur Kenntnis. Allerdings kann ich ihnen weder in diesem konkreten Fall noch allgemein folgen.

82.

Was die hier strittigen Leitlinien angeht, denke ich nicht, dass ein großzügiges zweckorientiertes Verständnis des Tätigkeitsbereichs der EBA, das auf vage definierte „Gesamtziele“ abstellt, zur Rechtfertigung der strittigen Leitlinien herangezogen werden sollte. Eine so weitreichende Regelungsbefugnis der EBA auf weit definierte Ziele zu stützen, ist angesichts von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 selbst nicht haltbar. Diese Bestimmung zeigt, dass die Rolle der EBA eher begrenzt ist – sie soll Verbrauchertrends erfassen und analysieren, Initiativen zur Vermittlung von Bildung in Finanzfragen überprüfen und koordinieren sowie Ausbildungsstandards entwickeln. Diese Liste ist zwar nicht erschöpfend, sie deutet jedoch darauf hin, dass für die EBA unter der Überschrift „Verbraucherschutz“ an Maßnahmen und Aktionen ganz anderer Art gedacht ist.

83.

Zudem ist übermäßiges Risiko natürlich gefährlich. Indes ist jede Geschäftstätigkeit risikobehaftet. Die Möglichkeit, dass sich solche Risiken verwirklichen, ist keine hinreichende Rechtfertigung für die Ermächtigung einer Einrichtung der Union, sie alle zu regeln, insbesondere durch „bloße“ Leitlinien. Wären Produkt-Governance und Unternehmensführung als so ineinander verwoben anzusehen, dass dies das Handeln der EBA in Bezug auf Erstere auf der Grundlage von Gesetzgebungsakten betreffend Letztere rechtfertigen würde, wäre die EBA – möglicherweise unbegrenzt – zum Erlass von Regeln in einem weiten Bereich von Sachverhalten befugt, die mit Unternehmensführung im eigentlichen Sinn wenig zu tun haben. Sollte die EBA nicht auch die Befugnis zum Erlass von Leitlinien für die Auswahl und Beförderung von Beschäftigten, die Wahl von Softwareanbietern, den Betrieb einer Helpline oder die Verfahren zum Kauf von Mobiliar haben? Oder vielleicht sollte die EBA auch die Verlässlichkeit der Sicherheitsgurte in den vom Spitzenpersonal eines Finanzinstituts genutzten Unternehmensfahrzeugen regeln können. Wenn solche für die Stabilität des Finanzsektors entscheidenden Personen bei einem Autounfall nicht angemessen geschützt wären, würde das in gewisser Weise ebenfalls die Stabilität des Sektors bedrohen.

84.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche ziemlich gewichtige Argumente dafür, dass die gerichtliche Kontrolle von nicht verbindlichen Rechtsakten, wenn sie denn im Rahmen von Art. 267 AEUV möglich ist (was der Gerichtshof bejaht), eine normale, dem üblichen Muster folgende Kontrolle sein sollte.

85.

Erstens würde es nur eine weitere Ausbreitung von „Krypto-Gesetzgebung“ in der Form von Soft Law in der Union fördern, würde den Organen und im weiteren Sinn den zahlreichen Unionseinrichtungen erlaubt, rechtlich nicht verbindliche Maßnahmen zu erlassen, die begrenzter gerichtlicher Kontrolle (etwa ohne Zuständigkeitsprüfung) unterliegen. Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Belgien/Kommission ( 47 ) dargelegt habe, können Unionseinrichtungen mittels Soft Law parallele Normgruppen schaffen, mit denen das Gesetzgebungsverfahren umgangen wird und die sich auf das institutionelle Gleichgewicht auswirken können.

86.

Zweitens kann nicht nur das (horizontale) institutionelle Gleichgewicht durch solche Praktiken berührt werden, sondern vor allem die gesamte Legitimität der abgeleiteten Regeln. Die Vervielfachung der Unionsagenturen hat Legitimitätszweifel bezüglich der Ausübung delegierter Verwaltungsbefugnisse hervorgerufen. Es muss daher sichergestellt werden, dass diese Ausübung nicht unkontrolliert bleibt, und zwar auch, soweit es um nominell nicht verbindliche Handlungen der Union geht ( 48 ).

87.

Drittens gewinnen diese Argumente besonderes Gewicht unter Umständen, unter denen es in einer Reihe neuer Politikfelder bereits eine „deutliche Flucht in Soft-Law-Instrumente“ gibt, ein Phänomen, für das die Bankenunion und die Finanzaufsicht anschauliche Beispiele sind. In diesem Kontext erscheint es paradox, dass einerseits dem Gerichtshof im Vertrag von Lissabon mit der Abschaffung der – unter Rechtsschutzgesichtspunkten unvollständigen – Säulenstruktur ( 49 ) die uneingeschränkte Regelzuständigkeit für die Kontrolle aller von den Unionseinrichtungen und -organe erlassenen Handlungen übertragen wurde, dass aber andererseits dasselbe Problem nun intern wieder auftreten kann, weil Bereiche des Unionshandelns zur Regelung des Verhaltens Einzelner erneut tatsächlich von jeder gerichtlichen Kontrolle ausgenommen werden, diesmal aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs selbst.

88.

Viertens gibt es ein zusätzliches Argument, das speziell Agenturen der Union im Unterschied zu Unionsorganen betrifft. Während nämlich für alle Unionseinrichtungen der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gilt, wird Unionsagenturen zusätzlich ein spezialisiertes und eher enges Mandat zugewiesen. Abgesehen von dem verfassungsrechtlichen Argument, dass bei einer derartigen Struktur eine nur großzügige Kontrolle nicht angebracht ist, gibt es auch das mehr pragmatische Argument der Gefahr eines „überfüllten Soft-Law-Hauses“. Wenn mehrere Agenturen oder Einrichtungen einander überlappende Mandate haben, die dazu führen, dass sie ähnliche oder nahe beieinanderliegende Fragen regeln (wiederum wie im Banken- und im Finanzbereich), würde eine Auslegung dieser Mandate auf einer relativ hohen Abstraktionsebene und im Hinblick auf das Erreichen abstrakter Ziele nur das Entstehen einander überlappender oder gar miteinander kollidierender Soft-Law-Instrumente fördern.

89.

Mir ist sehr wohl bewusst, wie eigenartig eine solche Überlegung ist: Wie kann es begrifflich eine Kollision zwischen rechtlich nicht verbindlichen Maßnahmen geben? Was rechtlich nicht verbindlich ist, kann auch nicht miteinander kollidieren, da es keinerlei rechtliche Verpflichtung begründen kann. Wovon kann überhaupt eine Kollision ausgehen?

90.

Fünftens schließlich haben wir es mit dem Problem zu tun, dass der Gerichtshof dieser Logik offensichtlich nicht gefolgt ist, wie durch das Urteil Belgien/Kommission vor Kurzem bestätigt worden ist. In meinen Schlussanträgen in jener Rechtssache ( 50 ) hatte ich nämlich vorgeschlagen, dass auf die Form einer rechtlichen Maßnahme der Union abgestellt werden könnte, nach der sich dann die Betrachtung ihres Inhalts bestimmen würde. So wird davon ausgegangen, dass etwas, das die Bezeichnung „Leitlinie“ trägt, keinerlei Rechtswirkungen erzeugt und von niemandem beachtet zu werden braucht, da es eine Leitlinie ist.

91.

Der Gerichtshof beharrte jedoch auf dem früheren Ansatz, wonach zunächst in jedem Einzelfall unabhängig vom formalen Etikett einer Handlung zu bestimmen ist, ob es sich um eine „echte“ oder um eine „unechte“ Soft-Law-Maßnahme handelt ( 51 ). Die notwendige Folge dieses Ansatzes ist jedoch, dass bis zu der Feststellung, ob eine bestimmte Maßnahme eine echte Soft-Law-Maßnahme ist, nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie tatsächlich verbindliche Rechtswirkungen erzeugt. Daher ist es sicher möglich, dass Adressaten von Unionsregeln gleich welcher Art in eine Lage geraten, in der sie nicht sagen können, was förmlich verbindlich ist und, soweit es ihre materiellen Verpflichtungen angeht, welche der möglicherweise miteinander kollidierenden Leitlinien sie befolgen sollen.

92.

Zum Abschluss sei, um wieder auf das konkrete Beispiel der EBA zurückzukommen, darauf hingewiesen, dass der Unionsgesetzgeber selbst sich der möglichen Probleme bewusst zu werden beginnt und eine Bereitschaft gezeigt hat, die Tätigkeit der EBA stärker zu überwachen. So ist die Verordnung Nr. 1093/2010 inzwischen durch die Verordnung 2019/2175 geändert worden. Nach dieser Änderung sieht ein neuer, allerdings im vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbarer Art. 60a („Befugnisüberschreitung durch die [EBA]“) der Verordnung Nr. 1093/2010 vor, dass „[j]ede natürliche oder juristische Person ... mit Gründen versehenen Rat an die Kommission richten [kann], wenn diese Person der Auffassung ist, dass die [EBA] bei ihren Handlungen im Rahmen [von] Artikel 16 ... ihre Befugnisse überschritten hat ... und diese Person davon unmittelbar und individuell betroffen ist“ ( 52 ).

93.

Wiederum ist all das in Bezug auf echtes Soft Law schlicht frappierend. In Kapitel V („Rechtsbehelf“) der Verordnung Nr. 1093/2010 wird eine Bestimmung eingefügt, der die Annahme zugrunde liegt, dass die EBA bei der Herausgabe von – als nicht verbindlich gedachten – Leitlinien und Empfehlungen nach Art. 16 der Verordnung oder von nicht verbindlichen Stellungnahmen nach Art. 16a ihre Befugnisse überschreiten könnte, so dass es eines Rechtsbehelfs bedarf. Welche systematische Überlegung auch immer hinter einer solchen Bestimmung stehen mag, darf doch angenommen werden, dass sie nicht eingefügt worden wäre, wenn der Unionsgesetzgeber nicht zu dem Schluss gelangt wäre, dass vielleicht ein Problem besteht. Als einzige Gewissheit bleibt, dass die Mailbox der Kommission wahrscheinlich kaum überschwemmt werden wird, wenn sich eine Person nur unter der Voraussetzung an die Kommission wenden kann, dass sie von der problematischen Maßnahme „individuell und unmittelbar betroffen“ ist, zumal wenn man sich für die Auslegung dieser Begriffe an der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 263 Abs. 4 AEUV orientiert.

94.

In Anbetracht aller dieser Argumente kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass es geboten ist, von Unionsagenturen erlassene nicht verbindliche Handlungen einer normalen gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, zumindest in Bezug auf deren Zuständigkeiten, damit diese Agenturen nicht in unrechtmäßiger Weise in die Zuständigkeiten anderer Unionseinrichtungen oder -organe eingreifen.

3. Was sollte das (formale) Ergebnis einer solchen Kontrolle sein?

95.

Als Letztes stellt sich im Zusammenhang mit der gerichtlichen Kontrolle rechtlich nicht verbindlicher Maßnahmen die Frage, zu welchem Ergebnis sie führen sollte, wenn um Vorabentscheidung über die Gültigkeit einer solchen Maßnahme ersucht worden ist. Wie kann das Ergebnis aussehen in einem Fall, in dem i) die beanstandete Handlung der Union rechtlich nicht verbindlich und deshalb nicht mit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV anfechtbar ist, so dass sie nicht in diesem Verfahren förmlich für nichtig erklärt werden kann, aber ii) der Gerichtshof auf ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV hin festgestellt hat, dass der erlassenden Stelle die Zuständigkeit fehlt?

96.

Plausibel sind zwei Ergebnisse. Erstens könnte die rechtlich nicht verbindliche Unionsmaßnahme als ungültig erklärt werden, wie es dem normalen Ergebnis bei anderen Arten von (verbindlichen) unionsrechtlichen Maßnahmen entspricht, die nach Art. 267 AEUV für fehlerhaft befunden werden. Zweitens könnte eine Frage nach der Gültigkeit einer solchen Maßnahme in ein Auslegungsproblem nach Art. 267 AEUV umgedeutet werden, das entweder die Auslegung der nicht verbindlichen Handlung der Union selbst betrifft oder die Auslegung der (verbindlichen) Rechtsgrundlage, auf der diese Handlung erlassen wurde (im vorliegenden Fall die Verordnung Nr. 1093/2010).

97.

Was sich vielleicht sofort ausschließen lässt, ist die erste Alternative im zweiten Szenario: Sollte der Gerichtshof feststellen, dass eine Stelle eine nicht verbindliche unionsrechtliche Maßnahme unter Überschreitung ihrer Zuständigkeiten erlassen hat, kann ich nicht erkennen, wie es dann Sache des Gerichtshofs sein sollte, sich hinzusetzen und diese Maßnahme als Richter im Wege der „Auslegung“ von etwas, das es gar nicht geben sollte, umzuschreiben.

98.

Wenn mich mein Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht täuscht, hat dieser bis vor Kurzem ( 53 ) noch nie eine nicht verbindliche Unionsmaßnahme für ungültig erklärt. Das liegt zum Teil daran, dass die nationalen Gerichte gewöhnlich Fragen nach der Auslegung solcher Handlungen vorgelegt haben ( 54 ). Einzuräumen ist aber auch, dass der Gerichtshof (bisher) Gültigkeitsfragen stets zu Auslegungsfragen umformuliert hat ( 55 )

99.

Eine solche „Transformation“ war vielleicht am deutlichsten erkennbar in dem von der Großen Kammer erlassenen Urteil Kotnik u. a., in dem der Gerichtshof mehrere Fragen nach der Gültigkeit so behandelt hat, als wären sie solche nach der Auslegung ( 56 ). Zudem hat der Gerichtshof bei zwei früheren Gelegenheiten sogar ausdrücklich die Möglichkeit ausgeschlossen, die Gültigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen zu prüfen, nachdem er festgestellt hatte, dass diese keine verbindlichen Wirkungen hatten ( 57 ).

100.

Somit könnte die Rechtsprechung des Gerichtshofs in gewisser Weise so verstanden werden, dass sie eine Antwort auf die etwas krasse Eingangsüberlegung dieser Schlussanträge bietet: Was nie gelebt hat (als Rechtsvorschrift), kann vom Gerichtshof nicht beerdigt werden. Alles, was der Gerichtshof tun kann, ist, autoritativ festzustellen, dass dieses Tier nie geboren wurde, weil die Physionogmie der Mutter die Möglichkeit ausschließt, dass diese je ein solches Geschöpf zur Welt bringt.

101.

In gewisser Weise beugt diese Lösung einigen der Probleme vor, die entstehen könnten, wenn der Gerichtshof eine Handlung nach Art. 267 AEUV für ungültig erklärt, die wegen des Fehlens verbindlicher Rechtswirkungen nicht nach Art. 263 AEUV für nichtig erklärt werden kann. Der Gerichtshof könnte bei diesem Ansatz bleiben und im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis kommen, dass die Art. 1, 8 und 16 der Verordnung Nr. 1093/2010 in Verbindung miteinander der EBA die Herausgabe der strittigen Leitlinien verwehrten, weil sie hierzu nicht befugt war.

102.

Zudem könnte eine solche Antwort angemessener erscheinen als eine Antwort zur Gültigkeit im Rahmen der Frage 3, da das vorlegende Gericht ganz formal gesprochen keine Frage nach der Gültigkeit gestellt hat. Es hat lediglich gefragt, ob die EBA mit der Herausgabe der strittigen Leitlinien ihre Befugnisse überschritten hat.

103.

Insgesamt ist ein solches Ergebnis daher möglich ( 58 ). Praktisch gesehen unterscheidet sich die Feststellung, dass das Tier nicht existiert, nicht sehr von der, dass seine Mutter es überhaupt nicht hätte zur Welt bringen können ( 59 ). Diese Feststellung hat indes ihre Kosten, denn sie schafft Probleme eigener Art. Aus diesem Grund möchte ich dem Gerichtshof immer noch vorschlagen, eine ausdrückliche Antwort zur Gültigkeit der strittigen Leitlinien zu geben.

104.

Erstens führt, obwohl das vorlegende Gericht die Frage 3 als Zuständigkeitsfrage formuliert hat, eine Feststellung des Fehlens von Befugnissen folgerichtig zur Nichtigerklärung oder zur Feststellung der Ungültigkeit ( 60 ). Es ist kaum zu erkennen, wie eine Befugnisüberschreitung festgestellt werden und die Handlung irgendwie in der Luft hängen bleiben könnte.

105.

Zweitens und grundlegender stellt sich die Frage, ob es dann Sache des vorlegenden Gerichts wäre, der Antwort des Gerichtshofs entsprechend zu handeln. Könnte das nationale Gericht, wenn es die Folgerungen aus einer solchen Feststellung des Gerichtshofs zieht, dann die Leitlinien selbst für ungültig erklären? Oder wäre es aufgrund der Feststellung einer Befugnisüberschreitung auf Unionsebene berechtigt, das nationale Soft-Law-Instrument zur „Umsetzung“ für nichtig zu erklären?

106.

Jedenfalls ist systematisch betrachtet jede der vorstehend dargestellten hypothetischen Optionen für das nationale Gericht unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher – unionsrechtlicher und nationaler – Normgruppen unbefriedigend und hat das Potenzial, die Rechtsprechungslinie Foto-Frost zu untergraben. Grundsätzlich sind Fragen der (Un-)Gültigkeit von Rechtsvorschriften der Union ausschließlich Sache des Gerichtshofs. Nationale Gerichte dagegen dürfen nur Rechtsakte nationalen Ursprungs für nichtig erklären. Im Allgemeinen ist eine Antwort dahin gehend, dass eine „Unionsbestimmung so auszulegen ist, dass sie einer anderen Maßnahme entgegensteht“, für nationale Maßnahmen geeignet, nicht für Unionsmaßnahmen, seien sie nun verbindlich oder nicht. Dieser Umweg ist gegenüber nationalen Rechtsvorschriften notwendig, da der Gerichtshof für die Auslegung von Unionsrecht zuständig ist, nicht aber für die Prüfung nationalen Rechts. Demgegenüber ist eine solche Struktur bei Leitlinien, die eine Maßnahme der Union darstellen, ungeeignet, da grundsätzlich der Gerichtshof nicht nur befugt ist, diese Maßnahme zu kontrollieren, sondern auch, sie für nichtig oder für ungültig zu erklären.

107.

Drittens läuft die Umformulierung einer Gültigkeits- in eine Auslegungsfrage auf eine erhebliche Revision (oder zumindest Relativierung) der Rechtsprechungslinie Grimaldi hinaus. Entgegen dem, was im Urteil Grimaldi festgestellt und seither oft wiederholt worden ist ( 61 ), wäre der Gerichtshof tatsächlich nicht befugt, über „die Gültigkeit ... der Handlungen der Organe der [Union] ohne jede Ausnahme zu entscheiden“. Dem Gerichtshof wäre so die Möglichkeit genommen, nach Art. 267 AEUV über die Gültigkeit nicht verbindlicher Handlungen der Union zu entscheiden. Es bestünde also eine weitreichende und mit der Vervielfachung von Soft-Law-Instrumenten immer ausgedehntere Ausnahme von der Zuständigkeit des Gerichtshofs sowohl nach Art. 267 als auch nach Art. 263 AEUV.

108.

Viertens schließlich würde eine Relativierung des Urteils Grimaldi zwar bedeuten, dass zwischen den Art. 263 und 267 AEUV in gewisser Hinsicht wieder etwas Kohärenz hergestellt würde. Diese Kohärenz würde jedoch auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner und auf Kosten jedes wirksamen unionsrechtlichen Rechtsschutzes erreicht. Sie würde bedeuten, dass es, weil keine effektive gerichtliche Kontrolle von Soft-Law-Maßnahmen nach Art. 263 AEUV zur Verfügung steht, am besten auch keine nach Art. 267 AEUV geben sollte.

109.

Im letzten Abschnitt dieser Schlussanträge (C) werde ich darlegen, warum und inwieweit diese Logik unter strukturellen Gesichtspunkten unrichtig wäre. Zur Beantwortung der Frage 3 schlage ich dem Gerichtshof jedoch vor, die einfachste, klarste und im Grunde ehrlichste Antwort zu geben: Die strittigen Leitlinien sollten insofern für ungültig erklärt werden, als die EBA die ihr mit der Verordnung Nr. 1093/2010 übertragenen Befugnisse überschritten hat.

C.   Fragen 1 und 2: das Verhältnis zwischen den Art. 263 und 267 AEUV

110.

Erst jetzt lassen sich die mit den Fragen 1 und 2 aufgeworfenen weiter reichenden Probleme in vollem Umfang beurteilen. Im Folgenden werde ich diese beiden Fragen der Reihe nach behandeln. Beginnen werde ich mit der jeweils zweiten Teilfrage der Fragen 1 und 2, die die Klagebefugnis der FBF vor dem nationalen Gericht betrifft (1). Sodann werde ich mich dem Urteil Foto-Frost und der Frage zuwenden, ob ein nationales Gericht zu einer Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet ist, wenn das, was es zu tun in Erwägung zieht, stark einem „Blockieren“ der Anwendung einer nicht verbindlichen Handlung der Union auf nationaler Ebene ähnelt (2). Schließlich werde ich mich mit dem allgemeinen Verhältnis zwischen den Art. 263 und 267 AEUV in Bezug auf nicht verbindliche unionsrechtliche Maßnahmen befassen, das der jeweils ersten Teilfrage der Fragen 1 und 2 zugrunde liegt (3). Diese Vorgehensweise wird mich am Ende zu einer eher unbefriedigenden Schlussfolgerung hinsichtlich des Stands des Unionsrechts in diesem Bereich und zu der Frage bringen, wie sich (wenn überhaupt) die Urteile Grimaldi, Foto-Frost, und Belgien/Kommission in Bezug auf Soft-Law-Instrumente miteinander vereinbaren lassen (4).

1. Locus standi im Rahmen von Art. 263 AEUV und von Art. 267 AEUV (jeweils zweite Teilfrage der Fragen 1 und 2)

111.

Ihrem Wortlaut nach und isoliert gesehen ( 62 ) ist die zweite Teilfrage der Frage 1 unzulässig, da die vorliegende Rechtssache keine Nichtigkeitsklage ist. Die zweite Teilfrage der Frage 2 sollte dahin beantwortet werden, dass sich nach nationalem Recht und nicht nach Unionsrecht bestimmt, wann und wie eine Partei in einem nationalen Verfahren einen Klagegrund der Rechtswidrigkeit geltend machen kann.

112.

Betrachtet man jedoch die Fragen 1 und 2 in Verbindung miteinander und im Kontext des vorliegenden Falles, zeigt sich, dass es das vorlegende Gericht in Wirklichkeit mit dem „TWD-Szenario“ zu tun hat, also einer Situation, in der ein Kläger, der eine Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung der Union beim Gerichtshof hätte erheben können, es aber nicht getan hat, die Gültigkeit einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung dieser Handlung nicht vor einem nationalen Gericht in Frage stellen kann.

113.

Nach der Rechtsprechungslinie TWD ( 63 ), wie sie vor Kurzem im Urteil Georgsmarienhütte u. a. ( 64 ) fortentwickelt worden ist, muss eine Person, die eine Unionsmaßnahme in Frage stellen will und insoweit unzweifelhaft nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt ist, von dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechtsbehelf durch Erhebung einer Klage vor dem Gericht der Europäischen Union Gebrauch machen. Somit kann ein Kläger vor dem mit seiner Klage befassten nationalen Gericht die Ungültigkeit unionsrechtlicher Bestimmungen nur geltend machen, wenn er nicht zur Erhebung einer Klage gegen diese Bestimmungen nach Art. 263 AEUV befugt war.

114.

Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht zunächst wissen, ob ein Fachverband wie die FBF die Leitlinien der EBA mit einer Nichtigkeitsklage hätte anfechten können, um festzustellen, ob dieser Verband unter den Umständen des vorliegenden Falles noch befugt ist, die Rechtmäßigkeit einer nationalen Maßnahme (der Bekanntmachung der ACPR), mit der diese Leitlinien für anwendbar erklärt werden, in Frage zu stellen.

115.

Im Kontext eines Falles, der eine echte Soft-Law-Maßnahme betrifft, sind solche Überlegungen meines Erachtens in keiner Weise relevant. Aber selbst wenn sie es wären, sind sie nicht berechtigt.

116.

Erstens wäre, da die Leitlinien der EBA nach dem herkömmlichen Ansatz des Gerichtshofs nicht verbindlich sind ( 65 ), eine Nichtigkeitsklage vor dem Gerichtshof auf jeden Fall wegen der Natur der in Rede stehenden Unionsmaßnahme unzulässig, unabhängig davon, ob der Kläger unmittelbar und individuell betroffen ist. Nach dem bisherigen Ansatz des Gerichtshofs liegt im Fall einer echten Soft-Law-Maßnahme nämlich überhaupt keine anfechtbare Handlung vor. In der Praxis geht eine solche (objektive) Prüfung sogar jeder (eher subjektiven) Prüfung der Klagebefugnis einer bestimmten Person voraus. Somit kann, wenn keine anfechtbare Handlung vorliegt, niemand um die gerichtliche Kontrolle einer solchen Maßnahme gemäß Art. 263 AEUV nachsuchen.

117.

Zweitens könnte im vorliegenden Fall – und im Übrigen in jedem Soft-Law-Maßnahmen betreffenden Fall – ohnehin nicht nach der Rechtsprechungslinie TWD vorgegangen werden.

118.

Der Grund dafür ist einfach: Aus dem Urteil TWD und seinen Nachfolgern ergibt sich, dass ein Kläger nur dann nicht auf eine gerichtliche Kontrolle nach Art. 267 AEUV hinwirken kann, wenn er „ohne jeden Zweifel ... befugt“ ist, eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV zu erheben ( 66 ). Es lässt sich aber kaum sagen, dass ein die Interessen seiner Mitglieder vertretender Fachverband wie die FBF ohne jeden Zweifel zur Erhebung einer Klage nach Art. 263 AEUV gegen nicht verbindliche Unionsmaßnahmen wie die strittigen Leitlinien befugt ist. In Bezug auf Soft-Law-Maßnahmen muss nämlich stets zuerst geprüft werden, ob eine solche Maßnahme ein echter oder ein unechter nicht verbindlicher Rechtsakt ist, was an sich schon eine recht komplexe Prüfung ist. Sodann wäre zu fragen, ob eine Vereinigung oder sonstige Einrichtung zur Verteidigung der Interessen ihrer Mitglieder individuell und unmittelbar betroffen und damit klagebefugt ist ( 67 ).

119.

All das summiert sich zu einer Art von komplexer Prüfung, die sich stark von Logik und Zweck der Ausnahme nach dem Urteil TWD unterscheidet ( 68 ). Diese Ausnahme muss sauber auf offenkundige Zulässigkeit beschränkt werden. Sie kann nicht auf potenzielle Zulässigkeit erstreckt werden, indem die Beurteilung der eigentlich im Rahmen von Art. 263 AEUV geltenden Voraussetzungen in Art. 267 AEUV verlegt und dann den nationalen Gerichten aufgegeben wird, diese Voraussetzungen parallel zu prüfen. Ebenso wenig kann sie auf den Kopf gestellt werden, indem man sie in offenkundige Unzulässigkeit umdeutet.

120.

Folglich kann nach Unionsrecht ein Fachverband Leitlinien der Union, die für seine Mitglieder bestimmt sind, deren Interessen er schützt, sicherlich mittels einer Ungültigkeitsrüge in Frage stellen, selbst wenn er von ihnen nicht unmittelbar und individuell betroffen ist. Wann und wie er dies nach nationalem Recht und im Rahmen des nationalen Verfahrens tun kann, ist eine völlig andere Frage und vom vorlegenden Gericht zu bestimmen.

2. Ist das Urteil Foto-Frost auf nicht verbindliche Maßnahmen übertragbar?

121.

Bevor ich mich dem vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen übergreifenden strukturellen Problem zuwende, inwieweit hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle von Soft-Law-Maßnahmen eine Verbindung zwischen den Art. 263 und 267 AEUV besteht (oder nicht), muss ein weiteres Puzzleteil erörtert werden: das Urteil Foto-Frost.

122.

Das vorlegende Gericht hat das Urteil Foto-Frost und seine Implikationen für die Kontrolle nicht verbindlicher Maßnahmen durch nationale Gerichte in seiner Vorlageentscheidung angesprochen, auch wenn dies nicht zu einer gesonderten Frage an den Gerichtshof geführt hat. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ist nämlich das Ergebnis der Heranziehung der beiden Urteile Grimaldi und Foto-Frost im spezifischen Kontext nicht verbindlicher Maßnahmen, in dem eine gerichtliche Kontrolle von Soft-Law-Maßnahmen nach nationalem Recht möglich ist, nach Unionsrecht jedoch nicht. Besteht in einem solchen Fall für die nationalen Gerichte nach dem Urteil Foto-Frost eine Verpflichtung, den Gerichtshof zur Gültigkeit der strittigen Leitlinien zu befragen? Oder sollte dieses Urteil im Sinn einer bloßen, mit der Rechtsprechungslinie Grimaldi eröffneten Möglichkeit verstanden werden ( 69 )?

123.

Im Urteil Foto-Frost wurde festgestellt, dass ein nationales Gericht die Frage der Gültigkeit einer Handlung der Union dem Gerichtshof vorlegen muss, es sei denn, es hält die für die Ungültigkeit vorgebrachten Gründe für nicht zutreffend ( 70 ). Diese Verpflichtung, die im Vertrag keine Grundlage hat ( 71 ), wird zweifach begründet: erstens mit der dann besonders gebotenen Einheitlichkeit, wenn die Gültigkeit einer Unionshandlung in Frage steht, damit es hierüber keine Meinungsverschiedenheiten zwischen den nationalen Gerichten gibt, und zweitens mit der Kohärenz des Rechtsschutzsystems und des vollständigen Rechtsbehelfssystems der Union (insbesondere der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Nichtigerklärung einer Unionshandlung), die es verlangt, dass die Befugnis zur Feststellung der Ungültigkeit dieser Handlung, wenn sie vor einem nationalen Gericht geltend gemacht wird, dem Gerichtshof vorbehalten bleibt ( 72 ).

124.

Im Gegensatz zur Kommission kann ich nicht erkennen, wie diese Logik und die beiden angeführten Gründe auch für Soft-Law-Maßnahmen gelten sollen.

125.

Was erstens das Erfordernis der Einheitlichkeit angeht, ist zwar richtig, dass die zuständigen nationalen Behörden, die sich für die Einhaltung der strittigen Leitlinien entscheiden, dies in der gesamten Union in der gleichen Weise tun sollten. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 ermächtigt die EBA zur Herausgabe solcher Leitlinien, um „eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen“. Somit wäre die angestrebte Einheitlichkeit keine solche innerhalb der Union und des Binnenmarkts als Ganzem, sondern eine Einheitlichkeit innerhalb individueller und eher zufälliger normativer Cluster beschränkt auf die Mitgliedstaaten, deren zuständige Behörden sich für die Einhaltung der Leitlinien entschieden haben.

126.

War aber diese Art von Einheitlichkeit mit dem Urteil Foto-Frost angestrebt? Sollte diese Einheitlichkeit auch kategorisch in Bezug auf Maßnahmen verlangt werden, bei denen es per definitionem keine solche Einheitlichkeit gibt, weil sie lediglich angewandt werden können (aber nicht müssen)? Zu den Leitlinien und Empfehlungen der EBA im Besonderen geht aus Art. 16 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1093/2010 klar hervor, dass die zuständigen nationalen Behörden sich gegen deren Einhaltung entscheiden können. Außerdem hätte eine Entscheidung eines nationalen Gerichts, mit der die nationale Maßnahme zur Umsetzung einer nicht verbindlichen Unionsmaßnahme für nichtig erklärt würde, praktisch dieselbe Wirkung wie die Entscheidung der zuständigen Behörde, die Unionsmaßnahme nicht einzuhalten.

127.

Zweitens wirft das Argument der Kohärenz des Rechtsschutzsystems und des umfassenden Rechtsbehelfssystems der Union möglicherweise noch mehr Fragen auf. Im Urteil Foto-Frost hat der Gerichtshof der Sache nach befunden, dass die Pflicht zur Vorlage einer Gültigkeitsfrage dadurch gerechtfertigt ist, dass der Gerichtshof selbst in Bezug auf Unionsrechtsakte eine wirksame gerichtliche Kontrolle vornimmt, die mit der durch die nationalen Gerichte gewährleisteten Kontrolle vergleichbar ist.

128.

Gegenwärtig besteht jedoch auf horizontaler Ebene schlicht kein Zugang zu gerichtlicher Kontrolle nach Art. 263 AEUV, da es schon an einer anfechtbaren Handlung fehlt, so dass Nichtigkeitsklagen als unzulässig angesehen werden. Vertikal betrachtet zeigt sich das Fehlen von Gleichwertigkeit beim Rechtsschutz sogar noch deutlicher, wenn man auf (einige) nationale Gerichte – wie das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache – blickt, die tatsächlich einen (gewissen) wirksamen Rechtsschutz sicherstellen, soweit es um nicht verbindliche Maßnahmen geht ( 73 ).

129.

Somit verlangt Kohärenz in Bezug auf wirksamen Rechtsschutz gegenüber nicht verbindlichen Unionsmaßnahmen, wenn überhaupt etwas, dann genau das gegenteilige Ergebnis, nämlich dass das Urteil Foto-Frost auf solche Maßnahmen klar nicht übertragbar ist. Ich kann kaum Sinn in dem Argument erkennen, dass, weil die Unionsgerichte keinen wirksamen Schutz gegen echte Soft-Law-Maßnahmen gewähren, dieser nicht bestehende Schutz zentral beim Gerichtshof angesiedelt sein muss.

130.

Wenn dem so wäre, hätten wir es meines Erachtens mit einem der seltenen Fälle zu tun, in denen die Anwendung von Art. 53 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) durchaus ins Spiel kommen könnte. Es bestünden meiner Ansicht nach kaum Zweifel, dass ein nationales Rechtssystem, das dem Einzelnen Zugang zu wirksamem gerichtlichen Rechtsschutz gegen nicht verbindliche Handlungen gewährt, die ihre rechtliche Situation berühren, in der Tat ein hohes (oder höheres) Rechtsschutzniveau im Vergleich zu dem sicherstellen, das der Gerichtshof gewährleistet.

131.

Im Ergebnis ist das Urteil Foto-Frost nach seiner Logik und seinem Zweck auf nicht verbindliche Unionsmaßnahmen nicht übertragbar. Praktisch bedeutet das, dass ein nationales Gericht, das nach nationalem Recht zur Nichtigerklärung der nationalen „Übernahme-“ oder „Umsetzungs-“Maßnahme befugt ist, mit der eine Soft-Law-Maßnahme der Union im nationalen Hoheitsgebiet anwendbar gemacht wurde, diese Nichtigerklärung aussprechen kann, ohne verpflichtet zu sein, zunächst den Gerichtshof um Vorabentscheidung über diese Frage zu ersuchen. Gleichermaßen gilt der „Parallelismus der Beanstandungsgründe“, den der Gerichtshof im Urteil Melki und Abdeli ( 74 ) dargelegt hat und nach dem eine Vorlagepflicht besteht, nicht für nicht verbindliche Unionsmaßnahmen. Das hindert natürlich die nationalen Gerichte nicht daran, ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung eines nicht verbindlichen Rechtsinstruments oder der diesem zugrunde liegenden Regelung vorzulegen. Jedoch ist die im Urteil Foto-Frost enthaltene Logik der Zentralisierung von Gültigkeitsfragen schlicht nicht übertragbar auf nicht verbindliche Unionsmaßnahmen.

132.

Eine solche Schlussfolgerung mag radikal erscheinen, allerdings nur für jene, die innerlich etwas anderes glauben, als sie nach außen hin sagen. Wenn man wirklich glaubt, dass Soft Law der Union nicht verbindlich ist und keinerlei Rechtswirkungen erzeugt, warum sollte einen dann der Gedanke verstören, dass nationale Gerichte mit nationalen Maßnahmen zur Umsetzung solcher bloßen Orientierungen nach Belieben verfahren können? Kohärenz ist hier der Schlüssel. Entweder man glaubt, dass solche Maßnahmen doch Wirkungen erzeugen (in diesem Fall müsste dann aber Zugang zu den Unionsgerichten gewährt werden), oder man glaubt, dass es keinerlei Rechtswirkungen gibt. Dann aber stellt sich die Frage, warum es ein Problem wäre, wenn ein nationales Gericht sie für nichtig erklärt. Bestenfalls würde sich der Gerichtshof auf eine völlig nutzlose Übung einlassen, indem er etwas umbringt, was schon immer tot war.

133.

Die einzig problematische Option ist die, wonach, soweit es um den Zugang zu den Unionsgerichten nach Art. 263 AEUV geht, eine Handlung keinerlei verbindliche Rechtswirkung hat mit der Folge, dass es überhaupt keinen Zugang zu den Unionsgerichten gibt. Wird dasselbe Problem jedoch im Rahmen von Art. 267 AEUV aufgeworfen, würde dieselbe Handlung auf wundersame Weise wiederauferstehen und zu vollem Leben erwachen, was sogar die Verpflichtung nach dem Urteil Foto-Frost auslösen würde. Aus einer derartigen Dissonanz entsteht das sehr beunruhigende Bild, dass die Natur eines Unionsrechtsakts davon abhängen würde, ob es um den Zugang zum Gerichtshof auf der einen Seite oder um die Verpflichtungen der nationalen Gerichte auf der anderen geht.

3. Zugang zum Gerichtshof nach Art. 267 AEUV und Zugang nach Art. 263 AEUV: ein vollständiges System von Rechtsbehelfen? (jeweils erste Teilfrage der Fragen 1 und 2)

134.

Als allgemeine, strukturelle Frage hat sich in den vorstehenden Teilen dieses Abschnitts allmählich folgende Frage herausgeschält: Inwieweit lässt sich sagen, dass eine Unionshandlung, die nicht verbindlich (also einer gerichtlichen Kontrolle nach Art. 263 AEUV nicht zugänglich) ist, immer noch nach Art. 267 AEUV überprüft und gegebenenfalls für ungültig erklärt werden kann? Denn die beiden vorstehenden Punkte, nämlich die Frage der Ausnahme nach dem Urteil TWD und die dem Urteil Foto-Frost zugrunde liegende Logik, beruhen auf der Annahme, dass es ein einheitliches unionsrechtliches System des Rechtsschutzes gibt, dass als ein Ganzes funktionieren muss.

135.

Es gibt indes auch eine Reihe von Argumenten dafür, dass eine gewisse Trennung der beiden Verfahrensarten voneinander möglich ist, insbesondere in Bezug auf nicht verbindliche unionsrechtliche Maßnahmen.

136.

Erstens besteht ein klarer textlicher Unterschied. So ist der Anwendungsbereich von Art. 263 Abs. 1 AEUV auf Handlungen mit Rechtswirkungen gegenüber Dritten beschränkt, wobei es sich, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung hinzugefügt hat, um verbindliche Rechtswirkungen handeln muss. Nur solche Handlungen sind nach Art. 263 AEUV anfechtbar ( 75 ). Dagegen gibt es im Wortlaut von Art. 267 AEUV oder in der ständigen Rechtsprechung zu dessen Anwendungsbereich keine solche Beschränkung. Wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechungslinie Grimaldi mehrfach bekräftigt hat, verleiht Art. 267 AEUV ihm die Befugnis, im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Unionsorgane ohne jede Ausnahme zu entscheiden ( 76 ).

137.

Zweitens hat der Gerichtshof bei der Betonung der Kohärenz des Systems auch hervorgehoben, dass das Unionsrecht ein „vollständiges System von Rechtsbehelfen“ vorsieht. Dem Gerichtshof zufolge hat der AEU-Vertrag mit den Art. 263 und 277 einerseits und Art. 267 andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, das die Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen gewährleisten soll, und mit dieser Kontrolle die Unionsgerichte betraut ( 77 ). Seit dem Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat ( 78 ) erlaubt es der Gedanke des „vollständigen Systems von Rechtsbehelfen“ nicht privilegierten Klägern, sich auf dem Weg über Art. 267 AEUV an den Gerichtshof zu wenden, wenn ihnen das nach Art. 263 AEUV wegen der hohen Zugangsschwelle der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit nicht möglich ist.

138.

Mit anderen Worten müssen die individuellen Verfahren komplementär sein, um vollständig zu sein. Das ist der Grundstein, auf dem ein großer Teil der Rechtsprechung der letzten 30 Jahre in diesem Bereich aufbaut, seit die Tür (im Sinne eines direkten Zugangs) mit dem Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat (wieder) geschlossen wurde. Im Rahmen dieser Logik wurden Voraussetzungen und Zugang nach den Art. 263 und 267 AEUV nämlich gerade voneinander getrennt: Der relativ beschränkte Zugang nach Art. 263 AEUV sollte durch einen sehr offenen Zugang nach Art. 267 AEUV ergänzt werden, wodurch die nationalen Gerichte praktisch zu den Türhütern wurden.

139.

Im vorliegenden Fall hat sich die französische Regierung, aber auch das vorlegende Gericht, das ausführlich die Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich angeführt hat, auf diese Logik gestützt, um darzutun, dass Vorlagen zur Vorabentscheidung über die Gültigkeit nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen möglich seien, wenn Nichtigkeitsklagen nicht erhoben werden könnten.

140.

Drittens wären diese Komplementarität und die daraus folgende Trennung auch nötig, um einen gewissen Grad des Zugangs zu einem wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, der mit Art. 47 der Charta vereinbar wäre. Denn es wäre mit den strengen Anforderungen, die der Gerichtshof vor Kurzem im Zusammenhang mit dieser Bestimmung ( 79 ) oder sogar mit Art. 19 EUV ( 80 ) aufgestellt hat, völlig unvereinbar, wenn Unionsmaßnahmen, die sich auf die rechtliche Situation eines Einzelnen auswirken, aus strukturellen Gründen nie vor den Gerichtshof gelangen könnten.

141.

Eine solche Trennung zwischen den Art. 263 und 267 AEUV in Bezug auf die gerichtliche Kontrolle nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen bringt freilich intellektuelle Herausforderungen mit sich, von denen einige strukturell ziemlich anspruchsvoll sind.

142.

Erstens erschließt sich auf konzeptueller Ebene angesichts der Natur nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen nur schwer, wie eine Vorlage zur Vorabentscheidung über die Gültigkeit solcher Maßnahmen zulässig sein kann, eine entsprechende Nichtigkeitsklage aber nicht. Eine Handlung, die von niemandem nach Art. 263 AEUV angefochten werden kann, wird plötzlich zu einer Handlung, die von jedermann im Rahmen von Art. 267 AEUV in Frage gestellt werden kann.

143.

Außerdem sind nach ständiger Rechtsprechung Vorabentscheidungsersuchen zur Beurteilung der Gültigkeit einer Maßnahme in gleicher Weise wie Nichtigkeitsklagen eine Form der Rechtmäßigkeitskontrolle von Unionshandlungen ( 81 ). Während sich beide in ihrem formalen Ergebnis bei Feststellung der Unvereinbarkeit der geprüften Unionsmaßnahme mit höherrangigem Unionsrecht leicht voneinander unterscheiden (Nichtigerklärung nach Art. 263 AEUV im Gegensatz zu Ungültigerklärung nach Art. 267 AEUV), haben sie dieselben Rechtswirkungen erga omnes und in der Regel ex tunc: Die fragliche Unionshandlung ist als unwirksam anzusehen und gilt nicht mehr ( 82 ).

144.

Somit sind nach den Gesetzen der Logik Unionshandlungen entweder verbindlich und können folglich entweder nach Art. 263 AEUV für nichtig oder nach Art. 267 AEUV für ungültig erklärt werden, oder sie sind nicht verbindlich und somit gerichtlich nicht überprüfbar, so dass sie erst recht nach keiner dieser beiden Bestimmungen für nichtig oder für ungültig erklärt werden können.

145.

Zweitens leuchtet, wenn es schon an einer überprüfbaren Handlung fehlt, nicht ohne Weiteres ein, warum dann die dem Gedanken des „vollständigen Systems von Rechtsbehelfen“ zugrunde liegende Logik gelten sollte. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu ist im Kern ein Werkzeug zur Überwindung des Fehlens von (subjektiver) individueller Klagebefugnis in dem einen Verfahren (Art. 263 AEUV) durch die Verweisung auf ein anderes Verfahren, in dem diese Voraussetzung nicht besteht (Art. 267 AEUV). Ziel war es, wieder eine Art Gleichgewicht zwischen privilegierten und nicht privilegierten Klägern herzustellen; sie ist nicht wirklich ein Werkzeug, um Zugang zum Gerichtshof nach Art. 267 AEUV zu schaffen, wenn dieser Zugang nach Art. 263 AEUV jedermann, privilegierte Kläger eingeschlossen, versperrt ist.

146.

Zudem würde damit die Unterscheidung – die einen großen Teil der Rechtsprechung zu Art. 263 AEUV geprägt hat, im Rahmen von Art. 267 AEUV aber keine Rolle spielt – zwischen privilegierten und nicht privilegierten Klägern in Bezug auf die gerichtliche Kontrolle nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen auf den Kopf gestellt. Während im Urteil Belgien/Kommission einem privilegierten Kläger (einem Mitgliedstaat) die Möglichkeit verwehrt wurde, eine nicht verbindliche Unionsmaßnahme mit dem Klagegrund fehlender Zuständigkeit der Union für den Erlass dieser Maßnahme anzufechten ( 83 ), stünde dieselbe Rüge dagegen dann jedem individuellen Kläger auf dem Weg über Art. 267 AEUV offen, ohne dass er eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit darzutun brauchte.

147.

All das würde praktisch bedeuten, dass privilegierte Kläger, die eine nicht verbindliche Unionsmaßnahme überprüfen lassen möchten, am Ende individuellen Klägern gleichgestellt oder manchmal sogar schlechter als diese gestellt wären. Z. B. müsste ein Mitgliedstaat mittelbar die Umsetzung einer (vermutlich seiner eigenen) nationalen Maßnahme vor einem nationalen Gericht anfechten. Alternativ könnten, da unklar ist, ob das nationale Verfahrensrecht ein solches Vorgehen überhaupt zuließe, die Behörden des Mitgliedstaats nur hoffen, dass a) ein individueller Kläger die Umsetzungsmaßnahme anficht, b) das nationale Gericht die staatlichen Behörden als Streithelfer zum Verfahren zulässt und c) dieses Gericht dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung (über die Auslegung oder die Gültigkeit) vorlegt, so dass die staatlichen Behörden ihre Sache vor dem Gerichtshof vertreten könnten. Die Situation wäre sogar noch befremdlicher für eine andere Gruppe privilegierter Kläger, nämlich die Unionsorgane.

148.

Drittens schließlich gibt es noch ein weiteres, eher pragmatisches Argument dafür, dass es wenig sinnvoll ist, für einen weiten Zugang zu gerichtlicher Kontrolle nicht verbindlicher Maßnahmen nach Art. 267 AEUV einzutreten, während der Zugang nach Art. 263 AEUV effektiv versperrt bleibt: eine sachgerechte Steuerung der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieses Argument ist nicht Soft-Law-spezifisch, sondern gilt allgemein für die Justizpolitik der letzten 30 Jahre, mit der – in allen Bereichen – der Zugang nach Art. 263 AEUV beschränkt und zugleich der Zugang nach Art. 267 AEUV großzügig zugelassen wurde ( 84 ). Dies hatte zur Folge, dass Fragen, die sonst auf derjenigen gerichtlichen Ebene behandelt worden wären, auf der gegenwärtig sowohl die relevante Sachkenntnis als auch die Rechtsprechungskapazität vorhanden sind, nämlich beim Gericht der Europäischen Union, stattdessen im Wege von Vorabentscheidungsersuchen direkt vor den Gerichtshof gelangt sind.

4. Eine (strukturell) unbefriedigende (aber notwendige) Schlussfolgerung

149.

Ich erachte es für ziemlich schwierig oder gar unmöglich, alle drei Urteile Grimaldi, Foto-Frost und Belgien/Kommission gleichzeitig im Kontext eines Falles wie des vorliegenden heranzuziehen. Das Nachdenken darüber, wie diese drei Urteile in Bezug auf nicht verbindliche Unionsmaßnahmen miteinander in Einklang zu bringen sind, erinnert an eine festgefahrene Schachpartie, in der jeder denkbare Zug unvermeidlich zum Verlust mindestens einer Figur führt.

150.

Für mich liegt auf der Hand, welches dieser drei Urteile überdacht werden sollte. Das kann indes nicht im Wege einer Vorabentscheidung geschehen. Meines Erachtens verdeutlicht das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen nur als ein sehr nützliches Beispiel, was bevorsteht, wenn der Gerichtshof in jahrzehntealten Dichotomien gefangen bleibt, dass Recht entweder zu 100 % verbindlich ist oder nicht existiert. Letztlich könnte sich vielleicht jemand anderes zum Einschreiten verpflichtet sehen und den notwendigen Rechtsschutz sicherstellen, den der Gerichtshof nicht nach Art. 263 AEUV zu gewähren bereit ist.

151.

Hinsichtlich der Entscheidung im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof allerdings zumindest theoretisch drei Optionen.

152.

Erstens könnte er das Erfordernis, dass ein rechtlich verbindlicher Unionsrechtsakt (d. h. eine anfechtbare Handlung) vorliegt, aus Art. 263 AEUV einfach als Voraussetzung für die Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit nach Art. 267 AEUV übernehmen. In einem solchen Fall würde der Gerichtshof jedoch den Wortlaut von Art. 267 Abs. 1 AEUV außer Acht lassen und sich damit über das Urteil Grimaldi hinwegsetzen und das Urteil Foto-Frost klar für auf solche Nichthandlungen nicht übertragbar erklären. Im Übrigen ließe sich zum Erfordernis von „Kohärenz“ der Rechtsbehelfe manches sagen, wenn es dazu führt, dass im Interesse dieser Kohärenz überhaupt kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Freilich ist es formal gesehen in der Tat kohärent, jedermann gleich schlecht zu behandeln.

153.

Zweitens könnte der Gerichtshof die dritte Vorlagefrage in eine Frage nach der Auslegung der Rechtsgrundlage der strittigen Leitlinien und nicht nach deren Gültigkeit umformulieren ( 85 ). Das würde darauf hinauslaufen, sich teilweise über das Urteil Grimaldi hinwegzusetzen, es sei denn, es könnte vielleicht als eine „Klarstellung“ zu diesem Urteil ausgegeben werden: Wenn im Urteil Grimaldi und der gesamten darauffolgenden Rechtsprechung ständig betont wird, dass Gültigkeitsfragen hinsichtlich „der Unionshandlungen ohne jede Ausnahme“ vorgelegt werden können, waren damit eigentlich immer die „rechtlich verbindlichen Unionsrechtsakte ohne jede Ausnahme“ gemeint ( 86 ). Folglich ließe sich das Urteil Foto-Frost auch auf solche Handlungen nicht übertragen.

154.

Drittens könnte der Gerichtshof, sollte er feststellen, dass die EBA ihre Befugnisse überschritten hat, die strittigen Leitlinien natürlich für ungültig erklären. Damit würde das Urteil Grimaldi aufrechterhalten und übertragen, indirekt aber das Urteil Belgien/Kommission überdacht. Selbstverständlich blieben Letzteres und die zu ihm hinführende Rechtsprechungslinie, die mit diesem Urteil bezüglich der Natur einer anfechtbaren Handlung im Rahmen von Art. 263 AEUV in Stein gemeißelt wurde, formal unberührt. Aus allen im vorstehenden Abschnitt dargelegten Gründen betreffend den Grad einer möglichen Dissonanz zwischen den Art. 263 und 267 AEUV ( 87 ) frage ich mich jedoch, wie lange es vertretbar wäre, diese Differenzierung aufrechtzuerhalten.

155.

Gleichwohl bleibt auch trotz aller dieser Bedenken, so lange es an einem wirksamen Rechtsschutz gegen potenziell nachteilige rechtliche Wirkungen nicht verbindlicher Unionsmaßnahmen nach Art. 263 AEUV fehlt, die Vorlage eines Ersuchens um Vorabentscheidung über die Gültigkeit ebendieser Maßnahmen nach Art. 267 AEUV der einzige Weg, auf dem der Gerichtshof sicherstellen kann, dass das Unionsrecht zumindest etwas Ähnliches wie ein vollständiges System von Rechtsbehelfen vorsieht. Tatsächlich ist das die strukturell unbefriedigende, aber einzig mögliche Schlussfolgerung im Hinblick auf einen wirksamen Rechtsschutz.

V. Ergebnis

156.

Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Art. 267 AEUV lässt die Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens zur Prüfung der Gültigkeit nicht verbindlicher Unionshandlungen wie der von der European Banking Authority am 22. März 2016 herausgegebenen Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft zu.

Art. 267 AEUV verwehrt es einem Fachverband nicht, gestützt auf einen vor einem nationalen Gericht gemäß den Bestimmungen des nationalen Rechts über die Klagebefugnis geltend gemachten Klagegrund der Rechtswidrigkeit Leitlinien anzufechten, die für die Mitglieder bestimmt sind, deren Interessen er schützt, und die ihn möglicherweise nicht unmittelbar und individuell betreffen.

Gegenstand und Inhalt der Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft, herausgegeben von der European Banking Authority am 22. März 2016, fallen nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission genannten Gesetzgebungsakte. Diese Leitlinien sind daher ungültig.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Leitlinien vom 22. März 2016 (EBA/GL/2015/18) (die deutsche Sprachfassung trägt das Datum 15. Juli 2015).

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. 2010, L 331, S. 12).

( 4 ) Urteil vom 13. Dezember 1989, Grimaldi (C‑322/88, EU:C:1989:646: im Folgenden: Urteil Grimaldi).

( 5 ) Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost (314/85, EU:C:1987:452; im Folgenden: Urteil Foto-Frost).

( 6 ) Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2018:79; im Folgenden: Urteil Belgien/Kommission).

( 7 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2003, L 35, S. 1).

( 8 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. 2009, L 267, S. 7).

( 9 ) Verordnung vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1).

( 10 ) Richtlinie vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338).

( 11 ) Richtlinie vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149).

( 12 ) Verordnung vom 20. Mai 2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1781/2006 (ABl. 2015, L 141, S. 1).

( 13 ) Richtlinie vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. 2015, L 337, S. 35).

( 14 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16).

( 15 ) Richtlinie vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73).

( 16 ) Verordnung vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63).

( 17 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. 2007, L 319, S. 1).

( 18 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34).

( 19 ) Vgl. Urteile Grimaldi (Rn. 8), vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448, Rn. 30), Belgien/Kommission (Rn. 44), und vom 27. Februar 2018, Western Sahara Campaign UK (C‑266/16, EU:C:2018:118, Rn. 44). Vgl. auch, im Kontext von Empfehlungen der EBA, Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Balgarska Narodna Banka (C‑501/18, EU:C:2020:729, Nrn. 95 bis 102).

( 20 ) Vgl. zu Empfehlungen der Union Urteile Grimaldi (Rn. 8 bis 18) und Belgien/Kommission (Rn. 44).

( 21 ) Vgl. Urteil vom 18. Juli 2013, Consiglio Nazionale dei Geologi (C‑136/12, EU:C:2013:489, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 22 ) Vgl. z. B. Urteil vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 23 ) Schlussanträge der Öffentlichen Berichterstatterin Bokdam vom 4. Dezember 2019 in der Rechtssache Nr. 415550 – Fédération bancaire française (zugänglich unter: https://www.conseil-etat.fr).

( 24 ) Vgl. z. B. Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat (22/70, EU:C:1971:32, Rn. 39 und 42), vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission (C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47 und 48), und Belgien/Kommission (Rn. 31 und 32).

( 25 ) Im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 (der Sache nach die nationalen Regulierungsbehörden).

( 26 ) In Nr. 3 des Abschnitts 1 der Leitlinien heißt es allerdings: „Geht innerhalb der genannten Frist keine Mitteilung ein, geht die EBA davon aus, dass die zuständige Behörde den Anforderungen nicht nachkommt.“ Konzeptuell gesehen ist eher befremdlich, dass eine klar aus dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1093/2010 hervorgehende Verpflichtung durch einen Punkt in nicht verbindlichen Leitlinien geändert (oder von ihr abgewichen) werden soll. Da aber mit dieser Nr. 3 keine zusätzliche Verpflichtung aufgestellt, sondern vielmehr durch Aufstellen der Vermutung eines „silencio negativo“ von einer Verpflichtung freigestellt wird, liegt technisch gesehen keine neue rechtliche Verpflichtung vor. Es bleibt nur verwunderlich, wie nicht verbindliche Leitlinien den Inhalt einer in einer Verordnung enthaltenen gesetzlichen Verpflichtung sollen ändern können.

( 27 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2017:959, Nrn. 76 bis 79).

( 28 ) Während Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1093/2010 (in der englischen Sprachfassung) vorsieht, dass die EBA Leitlinien für die zuständigen Behörden oder („or“) die Finanzinstitute herausgibt (in der deutschen Fassung wird auch hier „und“ verwendet).

( 29 ) Da nach Nr. 7 der strittigen Leitlinien die zuständigen Behörden „in Erwägung ziehen [können]“, diese an andere Unternehmen als die Hersteller und die Vertreiber von Finanzprodukten in Bezug auf die dort genannten Rechtsakte zu richten, könnte angenommen werden, dass die Leitlinien in Ermangelung einer anderen Regelung für Letztere gelten, unabhängig von der Entscheidung der zuständigen Behörden.

( 30 ) Siehe Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge. Wie es in dieser Bekanntmachung heißt, waren ihr die strittigen Leitlinien in der vorliegenden Form schlicht „beigefügt“.

( 31 ) Vgl. Schlussanträge von Frau Bokdam, S. 5 (siehe oben, Fn. 23).

( 32 ) In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2017:959).

( 33 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349).

( 34 ) Leitlinie 3.

( 35 ) Leitlinie 4.

( 36 ) Leitlinien 7 und 8.

( 37 ) Leitlinie 12.

( 38 ) Vgl. Nr. 7 der strittigen Leitlinien.

( 39 ) Hervorhebung nur hier.

( 40 ) Vgl. in Kapitel II u. a. Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 9 Abs. 5, Art. 10 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 sowie Art. 17 Abs. 1 und 6 der Verordnung Nr. 1093/2010.

( 41 ) Und zwar jeweils Art. 74 Abs. 1, Art. 10 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1, aufgeführt in Abschnitt 2 Nr. 6 der Leitlinien.

( 42 ) In der zeitlich anwendbaren Fassung von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 wird nicht auf die Richtlinie 2010/64, sondern auf die Richtlinie 2015/2366 Bezug genommen, die an die Stelle der Erstgenannten getreten ist.

( 43 ) Worauf sich Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010 nicht bezieht, da die Richtlinie 2014/65 die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und nicht die EBA zum Erlass von Leitlinien zur Produkt-Governance ermächtigt. Vgl. hierzu die Leitlinien der ESMA vom 5. Februar 2018 zu den Produktüberwachungsanforderungen der MiFID II (ESMA35-43-620).

( 44 ) Wie die Art. 29, 34 und 37 sowie Anhang II der Richtlinie 2014/17.

( 45 ) Vgl. allgemein zur Anerkennung einer unterschiedlichen Kontrolldichte bei der gerichtlichen Prüfung nach Art. 263 AEUV z. B. Urteile vom 18. März 2014, Kommission/Parlament und Rat (C‑427/12, EU:C:2014:170, Rn. 40), oder vom 30. April 2019, Italien/Rat (Fangquoten für Mittelmeerschwertfisch) (C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 57 und 120).

( 46 ) Es sei auf einen Unterschied hingewiesen zwischen der englischen Fassung von Art. 1 Abs. 5 Buchst. f, in der ursprünglich von „customer protection“ (Kundenschutz) die Rede war, und den anderen Sprachfassungen (wie der französischen, der deutschen, der italienischen, der spanischen, der niederländischen und der tschechischen Fassung), die sich auf Verbraucherschutz bezogen. Nach der letzten Änderung der Verordnung Nr. 1093/2010 durch die Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2019 (ABl. 2019, L 334, S. 1) ist in dieser Bestimmung nun von „Verbesserung des Kunden- und Verbraucherschutzes“ die Rede. Ich beabsichtige nicht, aus diesem Unterschied irgendetwas abzuleiten. Interessant ist allerdings die Gesetzgebungstechnik, sprachliche Abweichungen durch die Einbeziehung sämtlicher unterschiedlicher Begriffe zu klären.

( 47 ) C-16/16 P, EU:C:2017:959, Nrn. 93 bis 95.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde (9/56, EU:C:1958:7), vom 14. Mai 1981, Romano (98/80, EU:C:1981:104), und vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat (C‑270/12, EU:C:2014:18).

( 49 ) Zu Näherem vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Ungarn/Parlament (C‑650/18, EU:C:2020:985, Rn. 33 bis 37).

( 50 ) Schlussanträge in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2017:959, Nrn. 144 bis 171).

( 51 ) Urteil Belgien/Kommission (Rn. 29 und 32).

( 52 ) Vgl. auch fünfter Erwägungsgrund der Verordnung 2019/2175: „Inhalt und Form der Tätigkeiten und Maßnahmen der ESA, einschließlich von Instrumenten wie Leitlinien ..., sollten stets auf der Grundlage und in den Grenzen der Rechtsakte gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Gründungsverordnungen beziehungsweise im Rahmen ihrer Befugnisse festgelegt werden.“ Vgl. zudem in demselben Sinn den neuen Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1093/2010: „Die Leitlinien und Empfehlungen stehen im Einklang mit den Befugnissen, die in den in Artikel 1 Absatz 2 genannten Gesetzgebungsakten oder in diesem Artikel übertragen werden.“

( 53 ) Im Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka (C‑501/18, EU:C:2021:249), in dem der Gerichtshof eine Empfehlung der EBA für ungültig erklärt hat. Der Umstand, dass die strittige Empfehlung ein echtes Soft-Law-Instrument, d. h. klar nicht verbindlich (Rn. 79 des Urteils) und damit ausdrücklich von gerichtlicher Kontrolle nach Art. 263 AEUV ausgenommen war (Rn. 82), stand nach Auffassung des Gerichtshofs der umfassenden Überprüfung der Gültigkeit dieser nicht verbindlichen Maßnahme gemäß dem Urteil Grimaldi im Rahmen von Art. 267 AEUV nicht entgegen.

( 54 ) Vgl. neben dem Urteil Grimaldi Urteil vom 13. Juni 2017, Florescu u. a. (C‑258/14, EU:C:2017:448).

( 55 ) Vgl. u. a. Urteile vom 8. April 1992, Wagner (C‑94/91, EU:C:1992:181, Rn. 17), vom 11. Mai 2006, Friesland Coberco Dairy Foods (C‑11/05, EU:C:2006:312), und vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 31 bis 34 und 46 bis 94).

( 56 ) Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a. (C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 31 bis 34 und 46 bis 94), bezüglich der Vorlagefragen 2 bis 5.

( 57 ) Vgl. z. B. zu einem Merkblatt der Kommission über Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen Urteil vom 8. April 1992, Wagner (C‑94/91, EU:C:1992:181, Rn. 16 und 17), und zu den Ergebnissen eines Zollkodex-Ausschusses, obwohl diese Ergebnisse von den Mitgliedstaaten „zu berücksichtigen“ waren, Urteil vom 11. Mai 2006, Friesland Coberco Dairy Foods (C‑11/05, EU:C:2006:312, Rn. 40 und 41), in Verbindung mit Nr. 24 der Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in dieser Rechtssache (EU:C:2006:78): „Nur eine Bestimmung mit rechtlich bindender Wirkung kann einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen werden.“ Vgl. aber wiederum die jüngst erfolgte Abkehr von dieser Linie im Urteil Balgarska Narodna Banka (C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 79, 82 und 83).

( 58 ) Sicherlich in diesem konkreten Fall. Dagegen mag es in anderen Fällen nicht immer eine allgemeine Rechtsvorschrift wie Art. 16 der Verordnung Nr. 1093/2010 geben, die formal in dieser Weise „ausgelegt“ werden könnte.

( 59 ) Zumindest für Dritte, die einfach nur wollen, dass es das Tier nicht gibt. Anders mag das aus der Sicht dieses Tieres sein, das sich durch die letztgenannte Feststellung stärker gekränkt fühlen könnte.

( 60 ) Vgl. z. B. Urteil vom 24. Mai 2007, Kommission/Portugal (C‑376/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:308, Rn. 47).

( 61 ) Vgl. die oben in Fn. 19 angeführte Rechtsprechung.

( 62 ) Siehe Nrn. 30 bis 34 der vorliegenden Schlussanträge.

( 63 ) Urteile vom 9. März 1994, TWD Textilwerke Deggendorf (C‑188/92, EU:C:1994:90; im Folgenden: Urteil TWD), vom 23. Februar 2006, Atzeni u. a. (C‑346/03 und C‑529/03, EU:C:2006:130, Rn. 31), vom 27. November 2012, Pringle (C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 41), und vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C-295/14, C‑389/14 und C-391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 46).

( 64 ) Urteil vom 25. Juli 2018, Georgsmarienhütte u. a. (C‑135/16, EU:C:2018:582).

( 65 ) Wie in Nrn. 40 bis 55 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt.

( 66 ) Vgl. Urteile TWD (Rn. 24) und vom 25. Juli 2018, Georgsmarienhütte u. a. (C‑135/16, EU:C:2018:582, Rn. 17).

( 67 ) Zur Veranschaulichung dieser Komplexität und der Bandbreite der Ergebnisse dieser Prüfung vgl. z. B. Urteile vom 16. März 1978, Unicme u. a./Rat (123/77, EU:C:1978:73), vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat (C‑50/00 P, EU:C:2002:462), und vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C‑344/04, EU:C:2006:10).

( 68 ) Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Georgsmarienhütte u. a. (C‑135/16, EU:C:2018:120, Nr. 40).

( 69 ) Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass der Gerichtshof dem Ansatz folgen sollte, wonach Fragen der Gültigkeit von Soft Law im Rahmen von Art. 267 AEUV in Wirklichkeit solche der Auslegung der „Stammregelung“ sind (wie oben in den Nrn. 98 bis 103 erörtert), das Urteil Foto-Frost logisch ohnehin nicht auf Soft Law übertragbar wäre. Das würde indes bedeuten, sich teilweise über das Urteil Grimaldi hinwegzusetzen (oder dieses, euphemistisch gesprochen, erheblich zu „relativieren“) (Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge).

( 70 ) Urteile Foto-Frost (Rn. 14 bis 20), vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli (C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363, Rn. 54 bis 56), vom 6. Oktober 2015, Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 62), und vom 28. März 2017, Rosneft (C-72/15, EU:C:2017:236, Rn. 78).

( 71 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Consorzio Italian Management (C‑561/19, Rn. 47 und 48).

( 72 ) Urteil Foto-Frost (Rn. 15 bis 17).

( 73 ) Vgl. z. B. Urteile des Conseil d’État (Staatsrat) vom 21. März 2016, Société Fairvesta International GmhB u. a. (Nr. 368082), und vom 21. März 2016, Société Numéricable (Nr. 390023). Vgl. für Beispiele aus anderen nationalen Rechtsordnungen meine Schlussanträge in der Rechtssache Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2017:959, Rn. 84 und 85).

( 74 ) Im Urteil vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli (C‑188/10 und C‑189/10, EU:C:2010:363, Rn. 55 und 56), wird eine klare Folgerung aus der nach dem Urteil Foto-Frost bestehenden Verpflichtung gezogen mit der Feststellung, dass ein nationales Gericht, vor dem die Ungültigkeit einer nationalen Umsetzungsmaßnahme hinsichtlich derselben Elemente geltend gemacht wird, die auch die ursprüngliche Unionsregelung enthält, dem Gerichtshof durch die Vorlage einer Frage nach der Gültigkeit dieser Unionsregelung die Gelegenheit geben muss, sich zu denselben Bedenken gegenüber Letzterer zu äußern.

( 75 ) Vgl. z. B. Urteile vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656, Rn. 36), vom 13. Februar 2014, Ungarn/Kommission (C‑31/13 P, EU:C:2014:70, Rn. 54), vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission (C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47), Belgien/Kommission (Rn. 31), und vom 26. März 2019, Kommission/Italien (C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 44).

( 76 ) Vgl. die oben in Fn. 19 angeführte Rechtsprechung.

( 77 ) Vgl. z. B. Urteile vom 23. April 1986, Les Vers/Parlament (294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23), vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 92), und vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 66).

( 78 ) Urteil vom 25. Juli 2002 (C-50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 40).

( 79 ) Vgl. z. B. Urteile vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 43 bis 59), und vom 29. Juli 2019, Torubarov (C‑556/17, EU:C:2019:626).

( 80 ) Vgl. z. B. Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 29 bis 40), vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531), und vom 19. November 2019, A. K. u. a. (Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts) (C‑585/18, C-624/18 und C‑625/18, EU:C:2019:982, Rn. 82 bis 86).

( 81 ) Vgl. z. B. Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C-72/15, EU:C:2017:236, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 82 ) Vgl. z. B. Urteile vom 26. April 1994, Roquette Frères (C-228/92, EU:C:1994:168, Rn. 17), vom 5. Oktober 2004, Kommission/Griechenland (C-475/01, EU:C:2004:585, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 6. Oktober 2015, Schrems (C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 52).

( 83 ) Vgl. insbesondere den ersten Rechtsmittelgrund (Urteil Belgien/Kommission, Rn. 39).

( 84 ) Vgl. allgemein meine Schlussanträge in der Rechtssache Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:588, Nr. 142).

( 85 ) Wie oben (Nrn. 102 bis 108 der vorliegenden Schlussanträge) dargelegt, könnte sich der Gerichtshof auf den formalen Umstand stützen, dass sich die Frage 3 des vorlegenden Gerichts ihrem genauen Wortlaut nach als Auslegungsfrage verstehen lässt. Das bedeutet jedoch auch, es dem nationalen Gericht zu überlassen, die endgültigen Konsequenzen aus der Feststellung einer Befugnisüberschreitung durch eine Einrichtung der Union zu ziehen.

( 86 ) Vgl. aber wiederum Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka (C‑501/18, EU:C:2021:249, Rn. 83).

( 87 ) Siehe Nrn. 135 bis 148 der vorliegenden Schlussanträge.

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