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Document 62019CC0786

    Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 27. Januar 2021.
    The North of England P & I Association Ltd. gegen Bundeszentralamt für Steuern.
    Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung – Zweite Richtlinie 88/357/EWG – Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich – Richtlinie 92/49/EWG – Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 – Steuer auf Versicherungsprämien – Begriff ‚Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist‘ – Fahrzeuge aller Art – Begriff ‚Zulassungsmitgliedstaat‘ – Versicherung von Seeschiffen – In das Schiffsregister eines Mitgliedstaats eingetragene Schiffe, die jedoch aufgrund einer befristet genehmigten Ausflaggung die Flagge eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats führen.
    Rechtssache C-786/19.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:67

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    ATHANASIOS RANTOS

    vom 27. Januar 2021 ( 1 )

    Rechtssache C‑786/19

    The North of England P & I Association Ltd, zugleich handelnd als Rechtsnachfolgerin der Marine Shipping Mutual Insurance Company

    gegen

    Bundeszentralamt für Steuern

    (Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Köln [Deutschland])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung – Richtlinie 88/357/EWG – Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich – Richtlinie 92/49/EWG – Art. 46 Abs. 2 – Steuer auf Versicherungsprämien – Begriff ‚Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist‘ – Fahrzeuge aller Art – Begriff ‚Mitgliedstaat der Zulassung‘ – Betrieb eines Seeschiffs – In das Schiffsregister eines Mitgliedstaats eingetragenes Schiff, das jedoch die Flagge eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats führt“

    I. Einleitung

    1.

    Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einer Versicherungsgesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich (im Folgenden: Klägerin) und dem Bundeszentralamt für Steuern (Deutschland) als zuständiger Finanzbehörde für die Versicherungsteuer (im Folgenden: Beklagter) über die Frage, ob die von der Klägerin vereinnahmten Seeversicherungsprämien der deutschen Versicherungsteuer unterliegen.

    2.

    Der Ausgangsrechtsstreit betrifft Richtlinien des Unionsrechts im Bereich des Versicherungswesens und insbesondere bestimmte Vorschriften über die Erhebung von Steuern auf Versicherungsprämien. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357/EWG ( 2 ) in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1 erster Halbsatz dieser Richtlinie und von Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/49/EWG ( 3 ), um im Rahmen der Versicherung der Risiken des Betriebs von Seeschiffen den Mitgliedstaat zu bestimmen, in dem das Risiko belegen ist.

    3.

    Nach den Kriterien, die zum Zeitpunkt der Erhebung der Steuer auf die Versicherungsprämien galten, konnte nur der „Mitgliedstaat der Zulassung“ diese Steuer auf die Versicherung von Fahrzeugen aller Art, einschließlich Schiffen, erheben. Die Schiffe, um die es im vorliegenden Fall geht, waren in ein Eigentumsregister in Deutschland eingetragen, führten aber aufgrund einer Sondergenehmigung der deutschen Behörden die Flagge anderer Staaten. Das vorlegende Gericht fragt sich, wie der Begriff „Mitgliedstaat der Zulassung“ in einem solchen Kontext zu verstehen ist.

    4.

    Konkret möchte das Finanzgericht Köln (Deutschland) mit seinem Vorabentscheidungsersuchen vom Gerichtshof wissen, ob das Risiko als in dem Mitgliedstaat belegen anzusehen ist, in dessen Hoheitsgebiet das Schiff in ein amtliches Register zum Zweck des Eigentumsnachweises eingetragen ist, oder in dem Staat, dessen Flagge das Schiff führt.

    5.

    Die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere durch das Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner ( 4 ), teilweise geklärt worden. Die konkrete Anwendung der Lehren aus dieser Rechtsprechung erfordert jedoch eine eingehendere Prüfung im besonderen Kontext des vorliegenden Falles, der durch eine vorübergehende Umflaggung gekennzeichnet ist, die zu einer doppelten Eintragung in verschiedene Schiffsregister geführt hat und so die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, erschwert.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Völkerrecht

    6.

    Das am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichnete Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (im Folgenden: Übereinkommen von Montego Bay) ( 5 ), das am 16. November 1994 in Kraft trat, wurde durch den Beschluss 98/392/EG im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt ( 6 ).

    7.

    Art. 91 Abs. 1 dieses Abkommens sieht vor:

    „Jeder Staat legt die Bedingungen fest, zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, sie in seinem Hoheitsgebiet in das Schiffsregister einträgt und ihnen das Recht einräumt, seine Flagge zu führen. Schiffe besitzen die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge zu führen sie berechtigt sind. Zwischen dem Staat und dem Schiff muss eine echte Verbindung bestehen.“

    8.

    Art. 92 („Rechtsstellung der Schiffe“) dieses Übereinkommens bestimmt in Abs. 1:

    „Schiffe fahren unter der Flagge eines einzigen Staates und unterstehen auf Hoher See seiner ausschließlichen Hoheitsgewalt, mit Ausnahme der besonderen Fälle, die ausdrücklich in internationalen Verträgen oder in diesem Übereinkommen vorgegeben sind. …“

    9.

    Art. 94 („Pflichten des Flaggenstaats“) des Übereinkommens von Montego Bay bestimmt:

    „(1)   Jeder Staat übt seine Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten über die seine Flagge führenden Schiffe wirksam aus.

    (2)   Insbesondere hat jeder Staat

    a)

    ein Schiffsregister zu führen, das die Namen und Einzelheiten der seine Flagge führenden Schiffe enthält, mit Ausnahme derjenigen Schiffe, die wegen ihrer geringen Größe nicht unter die allgemein anerkannten internationalen Vorschriften fallen;

    b)

    die Hoheitsgewalt nach seinem innerstaatlichen Recht über jedes seine Flagge führende Schiff sowie dessen Kapitän, Offiziere und Besatzung in Bezug auf die das Schiff betreffenden verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten auszuüben.

    (3)   Jeder Staat ergreift für die seine Flagge führenden Schiffe die Maßnahmen, die zur Gewährleistung der Sicherheit auf See erforderlich sind …“

    B.   Unionsrecht

    10.

    Gemäß Art. 310 der Richtlinie 2009/138/EG ( 7 ) wurden die Richtlinien 88/357 und 92/49 mit Wirkung vom 1. November 2012 aufgehoben. Aufgrund des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits gelten für diesen jedoch weiterhin diese beiden Richtlinien.

    1. Richtlinie 88/357

    11.

    Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 bestimmte:

    „Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

    d)

    Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist:

    bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch die gleiche Versicherungspolice gedeckt ist, der Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände belegen sind,

    bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der Zulassungsmitgliedstaat,

    bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- und Ferienrisiken, ungeachtet des betreffenden Zweigs der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat,

    in allen Fällen, die nicht ausdrücklich unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichnet sind, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht“.

    2. Richtlinie 92/49

    12.

    Die Erwägungsgründe 1, 2 und 30 der Richtlinie 92/49 lauteten:

    „(1)

    Der Binnenmarkt in der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) muss unter dem doppelten Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vollendet werden, um es den Versicherungsunternehmen mit Sitz in der Gemeinschaft zu erleichtern, in der Gemeinschaft belegene Risiken zu decken.

    (2)

    Die … Richtlinie 88/357… hat dadurch in hohem Maße zur Verwirklichung des Binnenmarktes in der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) beigetragen, dass sie Versicherungsnehmern, die aufgrund ihrer Eigenschaft, ihrer Bedeutung oder der Art des zu deckenden Risikos keinen besonderen Schutz in dem Mitgliedstaat benötigen, in dem das Risiko belegen ist, die uneingeschränkte Wahlfreiheit auf einem größtmöglichen Versicherungsmarkt einräumte.

    (30)

    In einigen Mitgliedstaaten werden Versicherungsverträge keiner indirekten Steuer unterworfen, während die Mehrheit der Mitgliedstaaten auf Versicherungsverträge besondere Steuern oder andere Abgaben einschließlich Zuschlägen für Kompensationsfonds erhebt. Zwischen den Mitgliedstaaten, die diese Steuern und Abgaben erheben, bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Gestaltung und der Sätze der Steuern und Abgaben. Diese Unterschiede dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen beim Angebot von Versicherungen zwischen den Mitgliedstaaten führen. Vorbehaltlich einer späteren Harmonisierung kann dem dadurch begegnet werden, dass man das Steuersystem und andere Abgabensysteme des Mitgliedstaats anwendet, in dem das Risiko belegen ist. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Modalitäten festzulegen, nach denen die Erhebung dieser Steuern und Abgaben sichergestellt werden kann.“

    13.

    Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/49 bestimmte:

    „Unbeschadet einer späteren Harmonisierung unterliegen alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben, die in dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d) der Richtlinie 88/357… belegen ist, auf Versicherungsprämien erhoben werden …“

    3. Richtlinie 2009/138

    14.

    Die Definition des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, findet sich nunmehr in Art. 13 Nr. 13 der Richtlinie 2009/138. Art. 13 Nr. 13 Buchst. b dieser Richtlinie hat den gleichen Wortlaut wie Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357.

    15.

    Art. 157 („Besteuerung von Prämien“) der Richtlinie 2009/138 sieht vor, dass „[u]nbeschadet einer späteren Harmonisierung … alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben [unterliegen], die in dem Mitgliedstaat des Risikos bzw. dem Mitgliedstaat der Verpflichtung auf Versicherungsprämien erhoben werden“.

    16.

    Die Richtlinie 2009/138 ist jedoch in zeitlicher Hinsicht auf den Ausgangsrechtsstreit nicht anwendbar.

    C.   Deutsches Recht

    17.

    § 1 des Versicherungsteuergesetzes in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: VersStG) ( 8 ) sieht vor:

    „(1)   Der Steuer unterliegt die Zahlung des Versicherungsentgelts auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses.

    (2)   Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem im Gebiet der Mitgliedstaaten der [Europäischen Union] oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum[ ( 9 )] niedergelassenen Versicherer, so entsteht die Steuerpflicht, wenn der Versicherungsnehmer eine natürliche Person ist, nur, sofern er bei Zahlung des Versicherungsentgelts seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, oder, wenn er keine natürliche Person ist, sich bei Zahlung des Versicherungsentgelts das Unternehmen, die Betriebsstätte oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindet. Voraussetzung der Steuerpflicht ist außerdem bei der Versicherung von

    2.

    Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge aller Art, dass das Fahrzeug im Geltungsbereich dieses Gesetzes in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register einzutragen ist und ein Unterscheidungskennzeichen erhält;

    …“

    18.

    § 1 Abs. 1 der Schiffsregisterordnung in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: SchRegO) ( 10 ) sieht vor, dass die Schiffsregister von den Amtsgerichten (Deutschland) geführt werden.

    19.

    Gemäß § 3 Abs. 2 SchRegO werden in das Seeschiffsregister die Kauffahrteischiffe und andere zur Seefahrt bestimmten Schiffe (Seeschiffe) eingetragen, die nach § 1 oder § 2 des Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz, im Folgenden: FlaggRG) die deutsche Bundesflagge zu führen haben oder führen dürfen ( 11 ).

    20.

    Gemäß § 9 Satz 1 SchRegO wird ein Schiff, das nach § 3 Abs. 2 und 3 SchRegO in das Schiffsregister eingetragen werden kann, eingetragen, wenn der Eigentümer es ordnungsmäßig zur Eintragung anmeldet.

    21.

    Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SchRegO ist der Eigentümer zur Anmeldung eines Seeschiffs verpflichtet, wenn das Schiff nach § 1 FlaggRG die deutsche Bundesflagge zu führen hat ( 12 ).

    22.

    Gemäß § 14 Abs. 1 SchRegO darf ein Schiff nicht in das deutsche Schiffsregister eingetragen werden, solange es in einem ausländischen Schiffsregister eingetragen ist. Im Fall der genehmigten Ausflaggung ist die Aussetzung des Rechts, die deutsche Bundesflagge zu führen, und die Dauer der Aussetzung in das Schiffsregister einzutragen. Gemäß § 17 Abs. 2 SchRegO muss im Schiffsregister vermerkt werden, dass und wie lange das Recht zur Führung der Bundesflagge nicht ausgeübt werden darf.

    23.

    Gemäß § 1 Abs. 1 FlaggRG haben alle Kauffahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt bestimmten Schiffe (Seeschiffe), deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, die Bundesflagge zu führen.

    24.

    Gemäß § 6 Abs. 1 FlaggRG dürfen Seeschiffe, welche die Bundesflagge nach § 1 dieses Gesetzes zu führen haben, als Nationalflagge andere Flaggen nicht führen.

    25.

    Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 FlaggRG kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (Deutschland) dem Reeder oder Ausrüster eines im Schiffsregister eingetragenen Seeschiffs auf seinen Antrag für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren widerruflich genehmigen, dass das Schiff anstelle der Bundesflagge eine andere Nationalflagge führt (Ausflaggungsgenehmigung). Gemäß § 7a Abs. 3 FlaggRG darf das Recht zur Führung der Bundesflagge nicht ausgeübt werden, solange die Ausflaggungsgenehmigung wirksam ist.

    III. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

    26.

    Die Klägerin ist ein im Vereinigten Königreich ansässiger Versicherer, der weltweit Seeversicherungen anbietet und seit dem 2. November 2011 Rechtsnachfolgerin eines Unternehmens ist, das die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Versicherungsverträge abgeschlossen hat.

    27.

    Die in Rede stehenden Versicherungsverträge wurden mit vierzehn Schiffsgesellschaften zur Deckung von Haftpflicht‑, Rechtsschutz‑, Kasko- (Deckung verschiedener Schäden an Schiffen) sowie Kriegsrisiken für die von diesen Gesellschaften betriebenen Schiffe geschlossen. Diese Schiffsgesellschaften haben ihren Sitz in Deutschland und sind als Gesellschaften mit beschränkter Haftung deutschen Rechts (GmbH) im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg (Deutschland) eingetragen. Ihr Geschäftsgegenstand ist jeweils der Betrieb eines Seeschiffs. Die Schiffe dieser Schiffsgesellschaften sind im Seeschiffsregister des Amtsgerichts Hamburg eingetragen.

    28.

    An den Versicherungsverträgen zwischen der Klägerin und den 14 Schiffsgesellschaften sind als Versicherungsnehmer bzw. Mitversicherte auch die für die Schiffsgesellschaften als Manager agierende Reederei, zu deren Flotte alle in Rede stehenden Seeschiffe gehören, sowie in Liberia und in Malta ansässige Bareboat-Charterer beteiligt.

    29.

    Nach § 7 Abs. 1 FlaggRG wurde den im Eigentum der Schiffsgesellschaften stehenden Schiffen die Genehmigung erteilt, anstelle der (deutschen) Bundesflagge eine andere Nationalflagge zu führen (im Folgenden: Ausflaggung), nämlich die Flagge von Liberia bzw. Malta. Während des Zeitraums der Ausflaggung blieben diese Schiffe im deutschen Seeschiffsregister eingetragen.

    30.

    Aufgrund der in Rede stehenden Versicherungsverträge vereinnahmte die Klägerin Entgelte in Form von Versicherungsprämien, für die sie keine Versicherungsteuer entrichtete.

    31.

    Im Jahr 2012 führte der Beklagte bei der Reederei sowie bei zahlreichen Schiffsgesellschaften Versicherungsteuer-Außenprüfungen durch. Auf der Grundlage der hierbei getroffenen Prüfungsfeststellungen gelangte der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin im Streitzeitraum vereinnahmten Versicherungsprämien für die Schiffe, um die es im Ausgangsrechtsstreit geht, dieser Steuer unterlagen und dass die Klägerin diese Steuer zu entrichten hatte.

    32.

    Daher verlangte der Beklagte von der Klägerin mit Versicherungsteuerbescheid vom 11. November 2014 die Zahlung der Versicherungsteuer für den Monat Dezember 2009 zum Regelsteuersatz.

    33.

    Nach erfolglosem Einspruch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage beim vorlegenden Gericht, dem Finanzgericht Köln.

    34.

    Die Klägerin ist der Ansicht, die von ihr vereinnahmten Versicherungsentgelte unterlägen nicht der Versicherungsteuer, weil die Risiken im Zusammenhang mit den im Eigentum der Schiffsgesellschaften stehenden Seeschiffen nicht in Deutschland belegen seien. Gemäß Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 sei die Besteuerungsbefugnis für diese Versicherungsprämien allein vom Zulassungsmitgliedstaat des Fahrzeugs abhängig. Unter „Zulassungsstaat“ sei der Staat zu verstehen, dessen Rechtsvorschriften darüber entschieden, ob ein Fahrzeug in Bezug auf seine Bauart, seinen technischen Zustand und seine technische Ausrüstung den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Nach Ansicht der Klägerin handele es sich, wenn man diese Bestimmung auf Schiffe beziehe, um den Staat, dessen Flagge ein Schiff führen dürfe. Diese Zulassung fehle bei den von den fraglichen Versicherungsverträgen erfassten Schiffen, weil diese nach § 7 Abs. 1 FlaggRG nach der Ausflaggung nicht mehr berechtigt gewesen seien, die deutsche Flagge zu führen.

    35.

    Demgegenüber vertritt der Beklagte die Auffassung, dass die Versicherungsentgelte, die die Klägerin aufgrund der streitigen Versicherungen vereinnahmt habe, gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG der Versicherungsteuer unterlägen. Er ist der Auffassung, die gesetzliche Voraussetzung der Eintragung in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register sei durch die Eintragung der Schiffe in das vom Amtsgericht Hamburg geführten Seeschiffsregister erfüllt. Der Beklagte trägt vor, aus Gründen der Klarheit habe der nationale Gesetzgeber die Zulassung im Sinne einer Eintragung in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register unter Zuteilung eines Unterscheidungskennzeichens verstanden. Er macht geltend, diese Regelung stehe im Einklang mit dem Unionsrecht, d. h. mit Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357.

    IV. Vorlagefrage

    36.

    Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Köln das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Ist Art. 2 Buchst. d, zweiter Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 25 Abs. 1, 1. Halbsatz der Richtlinie 88/357 bzw. Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 92/49 im Hinblick auf die Beurteilung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen ist, dahin gehend auszulegen, dass es sich hierbei im Falle der Absicherung von Risiken im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Seeschiffs um den Staat handelt, in dessen Hoheitsgebiet ein Seeschiff in ein amtliches Register zum Zwecke des Eigentumsnachweises eingetragen ist, oder um den Staat, dessen Flagge das Seeschiff führt?

    37.

    Die Parteien des Ausgangsverfahrens schlagen vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

    Nach Auffassung der Klägerin steht Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 92/49 (bzw. Art. 25 Abs. 1 1. Halbsatz der Richtlinie 88/357) einer Vorschrift, nach der sich das Besteuerungsrecht eines Mitgliedstaats im Hinblick auf Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge aller Art danach richtet, dass diese in ein amtliches oder amtlich anerkanntes Register einzutragen oder eingetragen und mit einem Unterscheidungskennzeichen versehen werden, bei unionsrechtskonformer Auslegung nicht entgegen. Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 92/49 (bzw. Art. 25 Abs. 1 1. Halbsatz der Richtlinie 88/357 stehe jedoch einer Verwaltungspraxis entgegen, die § 1 Abs. 2 Nr. 2 VersStG in der Weise auslegt, dass für die Zuordnung des Risikos in Bezug auf ein Seeschiff die Eintragung in das deutsche Schiffsregister auch dann maßgeblich ist, wenn dieses Schiff auf der Grundlage von § 7 FlaggRG nicht mehr die deutsche Flagge führt.

    Nach Auffassung der deutschen Regierung ist die Vorlagefrage dahin zu beantworten, dass im Rahmen der Schiffsversicherung der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, und das sich daraus ergebende Besteuerungsrecht eines Mitgliedstaats nicht anhand der tatsächlichen geführten Flagge zu bestimmen sind, sondern danach, in welchem Mitgliedstaat das Schiff registriert ist. Die deutsche Regierung ist der Auffassung, dass für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Risiko im Rahmen der Schiffsversicherung belegen ist, auf die Eintragung des Schiffs in ein nationales Schiffsregister abzustellen sei. Dieser Standpunkt stehe im Einklang mit den Bestimmungen des Unionsrechts, wie sie in Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 vorgesehen seien.

    Die Europäische Kommission schlägt vor, auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 46 Abs. 2 der Richtlinie 92/49 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 dahin auszulegen sei, dass im Fall von Risiken im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Seeschiffs der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet dieses Schiff in ein amtliches Register zum Zwecke des Eigentumsnachweises eingetragen ist, als „Zulassungsmitgliedstaat“ anzusehen sei.

    V. Rechtliche Würdigung

    38.

    Meine Analyse wird sich auf die Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 richten, um die Vorlagefrage im Einklang mit dem Wortlaut dieser Bestimmung, den vom Unionsgesetzgeber verfolgten Zielen und der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beantworten.

    A.   Zur wörtlichen Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357

    39.

    Als Erstes definiert Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 den „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, indem er vier Fälle aufführt.

    40.

    Der erste Gedankenstrich dieser Bestimmung betrifft die Versicherung von Gebäuden und definiert den „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, durch Bezugnahme auf den Ort, an dem die versicherten Gegenstände belegen sind.

    41.

    Der zweite Gedankenstrich betrifft die Versicherung von Fahrzeugen und definiert den „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, durch Bezugnahme auf den Ort der Zulassung dieser Fahrzeuge.

    42.

    Der dritte Gedankenstrich betrifft die Versicherung von Reise- und Ferienrisiken und definiert den „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, als den Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat.

    43.

    Der vierte Gedankenstrich ist eine Auffangkategorie, die „in allen Fällen [gilt], die nicht ausdrücklich unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichnet sind“ und in denen das Risiko in dem „Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist,“ in dem „Mitgliedstaat [belegen ist], in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht“.

    44.

    In den in Art. 2 Buchst. d erster, dritter und vierter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 genannten Fällen ist die Lokalisierung des Risikos eindeutig, weil sie an ein einziges physisches Merkmal anknüpft, das eine direkte geografische Zuordnung dieses Risikos ermöglicht. Im Fall von Gebäuden sind diese z. B. physisch mit dem Grundstück verbunden, auf dem sie errichtet sind. Sie befinden sich daher im Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaats, so dass das Risiko ohne jeden Zweifel in diesem Mitgliedstaat verortet werden kann. Auch in den in Art. 2 Buchst. d dritter und vierter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 genannten Fällen lässt sich das Risiko durch Bezugnahme auf den Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den diese Fälle betreffenden Versicherungsvertrag geschlossen hat, unmittelbar und eindeutig lokalisieren.

    45.

    Da der Unionsgesetzgeber den in Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 enthaltenen Begriff „Zulassungsmitgliedstaat“ nicht definiert hat, beruht dieser auf einem Kriterium, dessen Zusammenhang mit dem physischen Ort des Risikos weniger direkt ist. Daraus folgt, dass dieser Begriff theoretisch zu unterschiedlichen Auslegungen Anlass geben kann, wie der Ausgangsrechtsstreit zeigt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Recht der Schiffsregister weder auf der Ebene des Völkerrechts noch auf der Ebene des Unionsrechts Gegenstand einer Harmonisierung war. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist es zudem beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts Sache der Mitgliedstaaten, im Einklang mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts die Voraussetzungen festzulegen, unter denen ein Schiff in ihre Register eingetragen werden kann und diesem Schiff das Recht zur Führung ihrer Flagge eingeräumt wird; allerdings müssen die Mitgliedstaaten ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben ( 13 ).

    46.

    Als Zweites verweisen die Begriffe von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten, so dass sie eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen ( 14 ). Diese Einheitlichkeit ist umso wichtiger, als der Zweck dieser Bestimmung darin besteht, den Mitgliedstaat zu bestimmen, der nach Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/49 die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Versicherungsprämien hat.

    47.

    In der vorliegenden Rechtssache dürfte die Mehrdeutigkeit darauf beruhen, dass sich die deutsche Fassung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinien 88/357 und 2009/138 von den anderen Sprachfassungen dadurch unterscheidet, dass die deutsche Fassung den Begriff „Zulassungsmitgliedstaat“ verwendet.

    48.

    Die Klägerin stützt sich insbesondere auf den Begriff „Zulassungsmitgliedstaat“, um daraus abzuleiten, dass für Schiffe zusätzlich zu ihrer Eintragung in das von den zuständigen Gerichten geführte Register eine besondere Zulassung zum Verkehr erforderlich sei. Damit vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Schiffe vom Flaggenstaat „zugelassen“ würden, weil dieser Staat die Qualitätsstandards für die Schiffe festlege, die seine Flagge führten, und daher für das mit diesen Schiffen verbundene Risiko verantwortlich sei. Die Eintragung in ein Register, das wie im vorliegenden Fall allein zum Nachweis des Eigentums an dem Schiff diene, mache den Staat, der dieses Register führe, nicht zum „Zulassungsmitgliedstaat“. Nach ihrer Auffassung verliere Deutschland den Status als Zulassungsstaat, wenn das Schiff eine ausländische Flagge führe.

    49.

    Dieses Argument kann jedoch auf der Grundlage der anderen Sprachfassungen von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 nicht durchgreifen. Es ist nämlich festzustellen, dass alle anderen Fassungen entweder den Begriff des Mitgliedstaats der „Registrierung“ oder den des Mitgliedstaats der „Eintragung“ verwenden ( 15 ).

    50.

    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen übrigen Sprachfassungen beanspruchen kann ( 16 ).

    51.

    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es für Schiffe – im Gegensatz zu anderen von der Richtlinie 88/357 erfassten Fahrzeugen wie Landkraftfahrzeugen und Luftfahrzeugen – auf Unionsebene keine Vorschriften über ihre Zulassung oder Genehmigung zum Verkehr gibt. Die Eintragung allein reicht dafür aus, dass das Schiff fahren darf, weil sie in den meisten Fällen mit der Erlaubnis zum Führen einer Flagge einhergeht.

    52.

    Nach alledem ist davon auszugehen, dass Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 im Einklang mit der ganz überwiegenden Mehrzahl der Sprachfassungen dieser Bestimmung auf den Mitgliedstaat der „Registrierung“ oder „Eintragung“ und nicht auf den Mitgliedstaat der „Zulassung“ zum Verkehr als solche abstellt.

    53.

    Diese Auslegung wird meines Erachtens auch durch den Wortlaut der völkerrechtlichen Bestimmungen und insbesondere durch das Übereinkommen von Montego Bay bestätigt, in dem die Ausdrücke „Registrierung“ und „Eintragung“ des Schiffes austauschbar erscheinen. Insbesondere sieht Art. 91 Abs. 1 Satz 1 dieses Übereinkommens vor, dass „[j]eder Staat … die Bedingungen fest[legt], zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, sie in seinem Hoheitsgebiet in das Schiffsregister einträgt und ihnen das Recht einräumt, seine Flagge zu führen“.

    B.   Zur systematischen Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357

    54.

    Als Erstes kann nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs auch die Entstehungsgeschichte einer Vorschrift des Unionsrechts relevante Anhaltspunkte für ihre Auslegung liefern ( 17 ). Daher ist der Kontext zu betrachten, der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Richtlinie 88/357 herrschte, um zu prüfen, ob es Anhaltspunkte gibt, die ihren Inhalt klären und ihre Auslegung erleichtern können.

    55.

    Hierzu macht die Kommission geltend, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 ergebe sich, dass der „Zulassungsmitgliedstaat“ im Sinne dieser Bestimmung gerade im Fall von Schiffen dem Staat gleichzusetzen sei, zu dem der Versicherungsnehmer, der ein Eigentums- oder ähnliches Interesse an dem Schiff habe, eine Verbindung aufweise.

    56.

    Für Fahrzeuge sah der ursprüngliche Vorschlag der Kommission vom 22. Dezember 1975 ( 18 ) in der Tat vor, dass unter dem „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“, entweder „der Zulassungsmitgliedstaat bei der Versicherung von Landfahrzeugen“ oder „bei den übrigen Fahrzeugen, einschließlich der Schienen‑, Luft‑, Fluss‑, Binnenwasser- und Seefahrzeuge, der Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern er Eigentümer oder Halter des Fahrzeugs ist oder ein finanzielles Interesse an diesem hat, in den anderen Fällen der Zulassungsmitgliedstaat“ zu verstehen war. Im geänderten Vorschlag der Kommission vom 16. Februar 1978 ( 19 ) wurden diese beiden Kriterien beibehalten, aber in umgekehrter Reihenfolge, so dass das Kriterium des Wohnsitzmitgliedstaats des Versicherungsnehmers nur für den Fall galt, dass das Fahrzeug nicht zugelassen war (Auffangkriterium).

    57.

    Die endgültige Fassung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 stellt bei allen Fahrzeugen, einschließlich bei Schiffen, in allen Fallgestaltungen auf den „Zulassungsmitgliedstaat“ ab, so dass in Ermangelung einer „Zulassung“ nicht die Sonderregelung für Fahrzeuge, sondern die im letzten Gedankenstrich dieses Art. 2 Buchst. d enthaltene allgemeine Auffangregelung anwendbar wäre.

    58.

    Die Tatsache, dass der Unionsgesetzgeber in der endgültigen Fassung der Richtlinie 88/357 nur das Kriterium des „Zulassungsmitgliedstaats“ beibehalten hat, ohne die Belegenheit des Risikos formal an den Sitz des Fahrzeugeigentümers oder des Versicherungsnehmers zu knüpfen, was eine zweifelsfreie Lokalisierung ermöglicht hätte, soll nach Auffassung der Klägerin ein Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers sein, eine Sonderregelung für fahrzeugbezogene Risiken einzuführen.

    59.

    Der Umstand, dass nur dieses Kriterium des „Zulassungsmitgliedstaats“ in der endgültigen Fassung dieser Richtlinie beibehalten wurde, ist jedoch nicht dahin auszulegen, dass der Unionsgesetzgeber das Kriterium des Sitzes des Versicherungsnehmers abgelehnt hat. Diese Änderung des Wortlauts von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 scheint vielmehr den Willen des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck zu bringen, eine gewisse Flexibilität bei der Bestimmung des auf die Fahrzeugversicherung anwendbaren Steuersystems einzuräumen. So hat der Unionsgesetzgeber letztlich für alle Fahrzeugtypen das klare und einfache Kriterium des „Zulassungsmitgliedstaates“ gewählt, das keine konkrete Lokalisierung des Risikos erfordert.

    60.

    Diese Feststellung dürfte auch durch die allgemeine Auffangregelung des Art. 2 Buchst. d letzter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 bestätigt werden, der im Übrigen für nicht zugelassene Fahrzeuge gilt und nach dem das Risiko am Ort des Sitzes des Versicherungsnehmers belegen ist. Grundsätzlich gibt es aber keine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung derselben Kategorie von versicherten Gütern, unabhängig davon, ob diese eingetragen sind oder nicht.

    61.

    Wie die Kommission vorträgt, könnte diese Entstehungsgeschichte darauf hindeuten, dass sich das Kriterium des „Zulassungsmitgliedstaats“ implizit auf die Verbindung bezieht, die zwischen einer Person oder Gesellschaft, die das Eigentum oder ein ähnliches Recht oder ein ähnliches Interesse an einem Schiff hat, einerseits und dem Staat andererseits besteht, in dem das Schiff in ein Register eingetragen ist, das – wie das Schiffsregister – das Eigentum oder ein ähnliches Interesse bescheinigt. Diese Terminologie könnte bedeuten, dass sich Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 auf den Mitgliedstaat bezieht, in dessen Hoheitsgebiet ein Schiff in ein dem Nachweis des Eigentums an diesem Schiff dienendes Register eingetragen ist.

    62.

    Als Zweites ist auch festzustellen, dass nach Art. 157 der Richtlinie 2009/138 über die Besteuerung von Versicherungsprämien „[u]nbeschadet einer späteren Harmonisierung … alle Versicherungsverträge ausschließlich den indirekten Steuern und steuerähnlichen Abgaben [unterliegen], die in dem Mitgliedstaat des Risikos bzw. dem Mitgliedstaat der Verpflichtung auf Versicherungsprämien erhoben werden.“ Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber dem bereits bestehenden Kriterium der Anknüpfung an die Belegenheit des Risikos das Kriterium des „Mitgliedstaats der Verpflichtung“ hinzugefügt hat, der in Art. 13 Nr. 14 dieser Richtlinie definiert wird als „de[r] Mitgliedstaat, in dem Folgendes belegen ist: a) der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers; oder b) wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht“. Somit wollte der Unionsgesetzgeber offenbar das Kriterium des Sitzes des Versicherungsnehmers für die Bestimmung der auf Versicherungsverträge anwendbaren Steuerregelung „wieder einführen“. Auch wenn für den Ausgangsrechtsstreit die Richtlinien 88/357 und 92/49 gelten, scheint Art. 157 der Richtlinie 2009/138, der das in diesem Bereich gegenwärtig geltende Recht festlegt, den Willen des Unionsgesetzgebers zu bestätigen, die Besteuerung von Versicherungsprämien förmlich an den Sitz des Versicherungsnehmers zu knüpfen und so dessen unmittelbare Lokalisierung zu ermöglichen.

    63.

    Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Völkerrecht und insbesondere mit Art. 91 Abs. 1 des Übereinkommens von Montego Bay, der eine „echte Verbindung“ zwischen dem Staat der Registrierung und dem Schiff verlangt.

    C.   Zur teleologischen Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357

    1. Zur Berücksichtigung der Belegenheit des Risikos als entscheidendes Kriterium für die Bestimmung des zur Besteuerung befugten Staates, das zugleich geeignet ist, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen, die Versicherungsleistungen anbieten, zu beseitigen

    64.

    Als Erstes sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 20 ).

    65.

    Hinsichtlich des Zwecks von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere auf das Urteil Kvaerner ( 21 ), zu verweisen.

    66.

    Die in Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie genannten Kriterien sind für die Anwendung von Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/49 entscheidend, der die Befugnis zur Besteuerung von Versicherungsprämien dem Mitgliedstaat vorbehält, in dem das Risiko belegen ist ( 22 ).

    67.

    Die Entscheidung für die Belegenheit des Risikos als ausschlaggebendes Merkmal zur Bestimmung des zur Besteuerung befugten Staates ist geeignet, Wettbewerbsverzerrungen zwischen den in den einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen, die Versicherungsleistungen anbieten, zu beseitigen ( 23 ). Was speziell den letzten Gedankenstrich von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 88/357 angeht, ermöglicht diese Entscheidung es darüber hinaus, die Gefahr einer Doppelbesteuerung sowie die Möglichkeit auszuschließen, sich der Besteuerung zu entziehen, da jedem Risiko eine Niederlassung und damit ein Mitgliedstaat entspricht ( 24 ).

    68.

    Der Unionsgesetzgeber beschränkt sich somit vorbehaltlich einer späteren Harmonisierung darauf, die Zuständigkeit für die Besteuerung von Versicherungsverträgen nach Maßgabe allgemeiner Kriterien einem einzigen Mitgliedstaat zuzuweisen. In einem ersten Schritt werden daher nicht die Steuergesetze der Mitgliedstaaten, sondern lediglich die Vorschriften harmonisiert, die bestimmen, welchem Mitgliedstaat das Besteuerungsrecht zusteht.

    69.

    Was die Gefahr einer Doppelbesteuerung angeht, kann das Kriterium der Eintragung allein eine solche Gefahr offenbar nicht ausschließen, weil ein Schiff, wie der Ausgangsrechtsstreit zeigt, in zwei oder mehr verschiedenen Registern eingetragen sein und somit eine mehr oder weniger direkte Verbindung zu mindestens zwei Staaten aufweisen kann. Es trifft auch zu, dass das Schiffsregisterrecht bisher weder auf völkerrechtlicher noch auf unionsrechtlicher Ebene in einer Weise harmonisiert worden ist, die die Eintragung desselben Schiffs in die Register zweier verschiedener Staaten ausschließen würde. Folglich könnte im Fall der doppelten Eintragung in der Union jeder der beiden Staaten als „Zulassungsmitgliedstaat“ angesehen werden, was zu einer Doppelbesteuerung führen könnte.

    70.

    Da ein Schiff hingegen nur eine einzige Flagge führen kann, hätte die Anknüpfung an den Flaggenstaat, um die Belegenheit des Risikos zu bestimmen, den Vorzug, eine einfache und eindeutige Lösung zu bieten.

    71.

    Wie das Urteil Kvaerner ( 25 ) ausführt, soll Art. 2 Buchst. d letzter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 aber nicht nur der Doppelbesteuerung entgegenwirken, sondern auch die Möglichkeit ausschließen, sich der Besteuerung zu entziehen.

    72.

    Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Heranziehung des Flaggenstaats zur Lokalisierung des Risikos eine Umgehung der Steuer nicht würde ausschließen können, weil in bestimmten Fällen weniger direkte und konkrete Verbindungen zum Flaggenstaat bestehen, wie der vorliegende Fall zeigt. Im Gegensatz dazu würde das Schiffsregister, das ja in erster Linie dazu dient, den Schiffseigner festzustellen, in allen Fällen die Bestimmung der für die Besteuerung von Versicherungsdienstleistungen zuständigen Hoheitsgewalt ermöglichen.

    73.

    Daraus folgt, dass der Rückgriff auf den Staat der Registrierung oder der Eintragung für die Lokalisierung des Risikos besser geeignet wäre, allen Zielen der Richtlinie 88/357 gerecht zu werden, die das Risiko der Doppelbesteuerung und der Steuerumgehung betreffen. Zwar kann diese Wahl, wie der Ausgangsrechtsstreit zeigt, die Möglichkeit einer Doppelbesteuerung offenbar nicht völlig ausschließen. Diese Gefahr dürfte jedoch hypothetisch sein oder sich auf ganz besondere Fälle wie den beschränken, der zum Ausgangsrechtsstreit geführt hat und in dem die parallele Eintragung in das maltesische und das liberianische Register, die bewirken sollte, dass die fraglichen Schiffe diese beiden Flaggen führen konnten, auf eine Sondergenehmigung zurückging, die auf einer der Ausnahmen von dem im deutschen Recht aufgestellten Grundsatz beruhte, dass in Deutschland registrierte Schiffe die deutsche Flagge führen müssen.

    74.

    Außerdem ist festzustellen, dass Malta in dieser Rechtssache keine schriftlichen Erklärungen eingereicht hat, obwohl einige der in Rede stehenden Schiffe die Flagge dieses Staates führen.

    75.

    Somit ist festzustellen, dass eine parallele oder doppelte Eintragung in mehrere Register angesichts der in den meisten Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften, wonach eine dauerhafte Umflaggung mit einer Streichung aus dem Schiffsregister einhergeht oder diese zur Folge hat, in den meisten Fällen grundsätzlich ausgeschlossen erscheint ( 26 ). Dieser Grundsatz findet sich auch im deutschen Recht, das es verbietet, Schiffe, die in einem ausländischen Schiffsregister eingetragen sind, in das deutsche Register einzutragen ( 27 ). So hat der Eigentümer eines in einem ausländischen Schiffsregister eingetragenen Schiffs die Löschung der Eintragung in diesem Register zu veranlassen, wenn er es zur Eintragung in das deutsche Schiffsregister anmelden will ( 28 ). Außerdem dürfen nach den geltenden Vorschriften des deutschen Rechts Seeschiffe, die die Bundesflagge zu führen haben, andere Flaggen nicht als Nationalflagge führen ( 29 ). Daher ist eine vorübergehende Umflaggung nur in Ausnahmefällen und nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass das Problem einer parallelen Eintragung offenbar nur bestimmte Ausnahmefälle betrifft.

    2. Zur Berücksichtigung konkreter und physischer Merkmale bei der Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357

    76.

    Als Zweites geht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Art. 2 Buchst. d erster bis vierter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 auch hervor, dass der Unionsgesetzgeber für alle versicherten Risiken eine Lösung vorschlagen wollte, die die Bestimmung des Staates, in dem das Risiko belegen ist, dadurch ermöglicht, dass sie auf konkrete und physische Merkmale statt auf rechtliche Merkmale abstellt. Jedem Risiko sollte ein konkreter Anknüpfungspunkt entsprechen, der seine Zuordnung zu einem bestimmten Mitgliedstaat ermöglicht ( 30 ).

    77.

    So geht z. B. aus Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 hervor, dass, sofern der Vertrag ein Fahrzeug betrifft, der Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, der Zulassungsmitgliedstaat ist, auch wenn es sich nicht um den Mitgliedstaat handelt, in dem das Fahrzeug benutzt wird ( 31 ).

    78.

    Schließt man sich der Lokalisierung des Risikos aufgrund der Registrierung des Schiffes an, lässt sich nämlich eine unmittelbare und konkrete Verbindung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Schiffseigner einerseits und dem versicherten Schiff andererseits herstellen. Das Schiffsregister, dessen wesentlicher Zweck darin besteht, den Schiffseigner zu identifizieren, der letztlich für die vom Schiff und seinem Betrieb ausgehenden Risiken verantwortlich ist und aus diesem Grund eine Versicherung zur Deckung dieser Risiken abschließt, ermöglicht es auch, die mit dem Schiff verbundenen Risiken anhand eines konkreten und physischen Merkmals einem bestimmten Mitgliedstaat zuzuordnen. Dieses Merkmal ist die Verbindung zwischen dem Schiffseigner und dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet das Schiff registriert ist und der gegebenenfalls der Mitgliedstaat sein kann, dessen Staatsangehörigkeit dieser Eigentümer besitzt, und/oder der Mitgliedstaat, in dem dieser Eigentümer seinen Wohnsitz oder seine Niederlassung hat.

    79.

    Ein solch einfaches und einheitliches Anknüpfungskriterium ermöglicht es auch, komplexe Fallgestaltungen zu erfassen, die im Bereich der Seeversicherungen üblich sind. Zunächst einmal ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Seeversicherungsvertrag für ein Schiff Risiken unterschiedlicher Art deckt. Wie im Ausgangsrechtsstreit kommt es außerdem vor, dass die Schiffsgesellschaft, der ein Schiff gehört, dieses nicht selbst betreibt, sondern es zu diesem Zweck im Rahmen eines Bareboat-Chartervertrags einem Dritten überlässt. In allen diesen Fällen bietet die Regel, die das Risiko im „Mitgliedstaat der Eintragung“ lokalisiert, eine klare, einfache und vorhersehbare Lösung.

    80.

    Außerdem lässt sich dieses Kriterium einheitlich auf Fahrzeuge aller Art anwenden, wie sie in Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357 genannt sind.

    81.

    Dagegen beruht die Verbindung zwischen dem Schiffseigner und dem Flaggenstaat nicht immer auf konkreten Merkmalen und kann lediglich mittelbar und vorübergehend sein, wie der Ausgangsrechtsstreit zeigt. Wie auch die Kommission ausgeführt hat, besteht a priori keine relevante Verbindung zwischen dem Flaggenstaat des Schiffs und der Haftung für das von dem Schiff ausgehende Risiko, die es ermöglichen würde, dieses Risiko im Hoheitsgebiet dieses Staates zu lokalisieren. Es trifft zwar zu, dass der Flaggenstaat Regulierungs- und Kontrollbefugnisse über das unter seiner Flagge fahrende Schiff ausübt, auch in Bezug auf dessen Sicherheit, aber diese Aspekte beziehen sich als solche nicht auf das Risiko, das der Betrieb des Schiffs für seinen Eigner mit sich bringt.

    82.

    An dieser Stelle ist klar zu unterscheiden zwischen der für Schiffe geltenden rechtlichen und steuerlichen Regelung, die eindeutig von dem Staat bestimmt wird, dessen Flagge das Schiff führt, und der Regelung, die für die mit diesen Schiffen verbundenen Versicherungsverträge gilt. Was Letztere betrifft, ist die Besteuerung der Versicherungsprämien offenbar an konkretere Merkmale zu knüpfen, die eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Schiffseigner, dessen Sitz und dem Schiff herstellen, das Gegenstand des Versicherungsvertrags ist.

    D.   Zur Berücksichtigung der von den Versicherungsverträgen gedeckten Risiken bei der Auslegung von Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 88/357

    83.

    Schließlich hat der Gerichtshof ausgeführt, dass für die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das durch einen Versicherungsvertrag gedeckte Risiko belegen ist, insbesondere die genaue Tätigkeit zu identifizieren sei, deren Risiken von den verschiedenen Versicherungsverträgen gedeckt sind ( 32 ).

    84.

    Bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen handelt es sich um Versicherungsverträge, die unter einer einzigen Versicherungspolice die verschiedenen Arten von Risiken decken, die mit Schiffen verbunden sind, nämlich Verträge des Typs „Protection and Indemnity [Schutz und Schadloshaltung]“. Dabei handelt es sich um die Deckung von Haftpflicht- und Rechtsschutzrisiken, Risiken aus vom Schiff verursachten Schäden an anderen Schiffen sowie Risiken durch Verlust oder Beschädigung des Schiffes wegen Kriegshandlungen.

    85.

    Die vom Eigentümer abgeschlossenen Verträge decken somit verschiedene Risiken, die mit dem Betrieb der Schiffe verbunden sind, unabhängig davon, ob diese von ihrem Eigentümer oder von einem Dritten im Rahmen eines Bareboat-Chartervertrags betrieben werden, und unabhängig davon, welche Flagge(n) die betreffenden Schiffe führen. Diese Verträge waren zwischen dem Schiffseigner und der Klägerin geschlossen worden, bevor dieser die Genehmigung zum Ausflaggen erhielt, d. h. zu einem Zeitpunkt, als diese Schiffe in den deutschen Schiffsregistern eingetragen waren und die deutsche Flagge zu führen hatten. Offenbar waren diese Verträge während des Zeitraums, in dem die Schiffe die maltesische und die liberianische Flagge führten, bestehen geblieben, ohne dass die betreffenden Parteien vertragliche Änderungen im Hinblick auf die Umflaggung vorgenommen hatten. Unter dem Gesichtspunkt der Risiken, die der Schiffseigner eingeht und die von den Versicherungsverträgen gedeckt sind, und in Bezug auf den Eigentümer dieser Schiffe, der für die von ihnen ausgehenden Risiken haftet, scheint die zeitlich begrenzte Umflaggung die Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und der Klägerin nicht zu beeinträchtigen. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen dürfte der Standpunkt der Klägerin, infolge der Umflaggung ihrer Schiffe habe sich die Belegenheit des Risikos geändert, nicht gerechtfertigt sein.

    VI. Ergebnis

    86.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Finanzgericht Köln (Deutschland) zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

    Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) in Verbindung mit Art. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich der Zweiten Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG ist dahin auszulegen, dass im Rahmen der Schiffsversicherung der „Zulassungsmitgliedstaat“ der Mitgliedstaat ist, in dessen Hoheitsgebiet das Schiff in ein amtliches Register zum Zweck des Eigentumsnachweises eingetragen ist.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Zweite Richtlinie des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG (ABl. 1988, L 172, S. 1).

    ( 3 ) Richtlinie des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) (ABl. 1992, L 228, S. 1).

    ( 4 ) Urteil vom 14. Juni 2001 (C‑191/99, EU:C:2001:332).

    ( 5 ) United Nations Treaty Series, Bd. 1834, S. 3.

    ( 6 ) Beschluss des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. 1998, L 179, S. 1).

    ( 7 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. 2009, L 335, S. 1).

    ( 8 ) BGBl. I S. 22.

    ( 9 ) ABl. 1994, L 1, S. 3.

    ( 10 ) BGBl. I S. 1133.

    ( 11 ) BGBl. I S. 1342.

    ( 12 ) Satz 2 dieses Absatzes sieht Ausnahmen von der Pflicht zur Anmeldung eines Seeschiffs vor, die für den Ausgangsrechtsstreit nicht einschlägig sind.

    ( 13 ) Urteil vom 25. Juli 1991, Factortame u. a. (C‑221/89, EU:C:1991:320, Rn. 13 und 14).

    ( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2013, Fish Legal und Shirley (C‑279/12, EU:C:2013:853, Rn. 42), und vom 21. Februar 2013, RVS Levensverzekeringen (C‑243/11, EU:C:2013:85, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 15 ) Genauer gesagt verweisen zehn weitere Sprachfassungen dieser Bestimmung alle auf den Mitgliedstaat der „Registrierung“, insbesondere die dänische („den medlemsstat, hvor registreringen er sket“), die griechische („το κράτος μέλος καταχώρισης“), die englische („the Member State of registration“), die niederländische („Lid-Staat van registratie“), die finnische („rekisteröintijäsenvaltiota“), die schwedische („medlemsstat där registrering“) und die maltesische („Istat Membru tar- reġistrazzjoni“), oder – synonym – auf den Mitgliedstaat der „Eintragung“, so insbesondere die spanische („Estado miembro de matriculación“), die französische („État membre d’immatriculation“), die italienische („Stato membro di immatriculazione“) und die portugiesische Sprachfassung („Estado-membro de matrícula“).

    ( 16 ) Vgl. Urteil vom 12. September 2019, A u. a. (C‑347/17, EU:C:2019:720, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 17 ) Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2019, G.S. und V.G. (Gefahr für die öffentliche Ordnung) (C‑381/18 und C‑382/18, EU:C:2019:1072, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 18 ) Vorschlag einer Zweiten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der die direkte Schadenversicherung betreffenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und zur Erleichterung des freien Dienstleistungsverkehrs im Versicherungswesen (KOM[75] 516 endg.).

    ( 19 ) Änderung des Vorschlags einer Zweiten Richtlinie des Rates zur Koordinierung der die direkte Schadenversicherung betreffenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und zur Erleichterung des freien Dienstleistungsverkehrs im Versicherungswesen (KOM[78] 63 endg.).

    ( 20 ) Urteile vom 17. November 1983(Merck,292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12), vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 30), vom 1. März 2007, Schouten (C‑34/05, EU:C:2007:122, Rn. 25), vom 19. Juli 2012, ebookers.com Deutschland (C‑112/11, EU:C:2012:487, Rn. 12), und vom 21. Februar 2013, RVS Levensverzekeringen (C‑243/11, EU:C:2013:85, Rn. 23).

    ( 21 ) Urteil vom 14. Juni 2001 (C‑191/99, EU:C:2001:332).

    ( 22 ) Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 48).

    ( 23 ) Vgl. 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 92/49 und Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 50).

    ( 24 ) Vgl. Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 92/49 und Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 51).

    ( 25 ) Urteil vom 14. Juni 2001, C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 51.

    ( 26 ) Vgl. z. B. die Bestimmungen des griechischen Gesetzes über das öffentliche Seerecht (nomothetiko diatagma 187/1973 peri kodikos dimosiou naytikou dikaiou [gesetzesvertretendes Dekret Nr. 187/1973 zum Gesetz über das öffentliche Seerecht (FEK A’261/3.19.1973) in der durch das Gesetz 4256/2014 (FEK A’92,14.4.2014) geänderten Fassung]), insbesondere Art. 18 Abs. 3 dieses Gesetzes, wonach eine Umflaggung (auf Antrag des Schiffseigners) zur Streichung des betreffenden Schiffs aus dem griechischen Schiffsregister führt.

    ( 27 ) Vgl. § 14 Abs. 1 SchRegO.

    ( 28 ) Vgl. § 14 Abs. 2 SchRegO.

    ( 29 ) Vgl. § 6 FlaggRG.

    ( 30 ) Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 44).

    ( 31 ) Urteil vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, EU:C:2001:332, Rn. 45).

    ( 32 ) Urteil vom 17. Januar 2019, A (C‑74/18, EU:C:2019:33, Rn. 31).

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