Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62019CC0741

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 3. März 2021.
Republik Moldau gegen Komstroy LLC.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour d'appel de Paris.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Vertrag über die Energiecharta – Art. 26 – Unanwendbarkeit zwischen Mitgliedstaaten – Schiedsspruch – Gerichtliche Überprüfung – Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats – Streitigkeit zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines Drittstaats und einem Drittstaat – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Art. 1 Nr. 6 des Vertrags über die Energiecharta – Begriff ‚Investition‘.
Rechtssache C-741/19.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:164

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 3. März 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑741/19

Republik Moldau

gegen

Gesellschaft Komstroy, Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft Energoalians

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour d’appel de Paris [Berufungsgericht Paris, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Vertrag über die Energiecharta – Investitionsbegriff – Streitigkeiten zwischen einem Investor und einer Vertragspartei – Vollkommen außerhalb der Unionsrechtsordnung liegender Sachverhalt – Zuständigkeit des Gerichtshofs“

I. Einleitung

1.

Die Bestimmungen des Vertrags über die Energiecharta ( 2 ) (im Folgenden: ECV) sind seit dessen Unterzeichnung durch die Europäische Union vor beinahe 30 Jahren nur zweimal Gegenstand von Vorlagefragen gewesen, und das einschließlich der vorliegenden Rechtssache ( 3 ). Diese Rechtssache ist somit einzigartig, zunächst deshalb, weil sie dem Gerichtshof eine willkommene Gelegenheit bietet, sich zur Bedeutung von Vorschriften zu äußern, die bis zum heutigen Tage noch nicht ausgelegt worden sind.

2.

Sodann sind an dem Rechtsstreit, in dessen Rahmen sich die vorliegenden Vorabentscheidungsfragen einfügen, weder die Union noch die Mitgliedstaaten beteiligt: In ihm stehen sich die Republik Moldau und eine ukrainische Gesellschaft gegenüber, so dass er auf den ersten Blick nichts mit der Union zu tun zu haben scheint.

3.

Schließlich sollte die vorliegende Rechtssache den Gerichtshof gemäß meiner Analyse dazu veranlassen, sich zu einer wichtigen Problematik zu äußern, nämlich zur Vereinbarkeit des durch den ECV geschaffenen Streitbeilegungsmechanismus mit dem Unionsrecht in der Linie, die der Gerichtshof im Urteil Achmea ( 4 ) vorgezeichnet hat.

II. Rechtlicher Rahmen

A. ECV

4.

Der ECV ist am 17. Dezember 1994 von der Union unterzeichnet und durch den Beschluss 98/181 im Namen der Union genehmigt worden. Auch die Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Italienischen Republik sind allesamt Parteien des ECV, ebenso wie 28 Drittländer.

5.

In der Präambel des ECV heißt es:

„DIE VERTRAGSPARTEIEN DIESES VERTRAGS –

IM HINBLICK auf die im Abschlussdokument der Haager Konferenz über die Europäische Energiecharta angenommene Europäische Energiecharta, das am 17. Dezember 1991 in Den Haag unterzeichnet wurde;

VON DEM WUNSCH GELEITET, den Grundgedanken der Europäischen Energiecharta‑Initiative zu verwirklichen, der darin besteht, das Wirtschaftswachstum durch Maßnahmen zur Liberalisierung der Investitionen und des Handels mit Energieerzeugnissen zu katalysieren;

…“

6.

Der ECV besteht aus einer Präambel und acht Teilen. Die Teile I, II, III und V sind mit „Begriffsbestimmungen und Zweck“, „Handel“, „Förderung und Schutz von Investitionen“ bzw. „Streitbeilegung“ überschrieben.

7.

Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) ECV sieht vor:

„Im Sinne dieses Vertrags

6.

bedeutet ‚Investition‘ jede Art von Vermögenswert, der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird und Folgendes umfasst:

c)

Geldforderungen und Ansprüche auf vertraglich begründete geldwerte Leistungen, die mit einer Investition zusammenhängen,

f)

jedes kraft … eines privatrechtlichen Vertrags … verliehene Recht auf Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich.

‚Investition‘ bezieht sich auf jede Investition im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich und auf Investitionen oder Klassen von Investitionen, die von einer Vertragspartei in ihrem Gebiet als ‚Chartaeffizienzvorhaben‘ bezeichnet und als solche dem Sekretariat notifiziert werden;

7.

bedeutet ‚Investor‘

a)

in Bezug auf eine Vertragspartei

i)

eine natürliche Person, die nach den Gesetzen der Vertragspartei die Staatsangehörigkeit dieser Vertragspartei besitzt oder dort ihren ständigen Aufenthalt hat;

ii)

eine Gesellschaft oder eine andere Organisation, die in Übereinstimmung mit dem in dieser Vertragspartei geltenden Recht gegründet ist;

b)

in Bezug auf einen ‚dritten Staat‘ eine natürliche Person, eine Gesellschaft oder eine andere Organisation, welche die unter Buchstabe a) für eine Vertragspartei angegebenen Voraussetzungen sinngemäß erfüllt;

8.

bedeutet ‚Investitionen vornehmen‘ das Tätigen neuer Investitionen, den vollständigen oder teilweisen Erwerb vorhandener Investitionen oder die Verlagerung der Investitionstätigkeit in andere Bereiche;

10.

bedeutet ‚Gebiet‘ in Bezug auf einen Staat, der Vertragspartei ist,

a)

das Hoheitsgebiet unter seiner Souveränität, wobei davon ausgegangen wird, dass das Hoheitsgebiet das Land, die inneren Gewässer und das Küstenmeer umfasst, und

b)

vorbehaltlich des internationalen Seerechts und im Einklang mit diesem das Meer, den Meeresboden und seinen Untergrund, über welche die Vertragspartei souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse ausübt.

In Bezug auf eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei ist, bedeutet ‚Gebiet‘ die einzelnen Gebiete der Mitgliedstaaten dieser Organisation entsprechend den in dem Übereinkommen zur Gründung der Organisation enthaltenen Bestimmungen;

…“

8.

In Art. 26 („Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Investor und einer Vertragspartei“) ECV heißt es:

„(1)   Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des Letzteren im Gebiet der Ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.

(2)   Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen:

a)

durch die Zivil- oder Verwaltungsgerichte der an der Streitigkeit beteiligten Vertragspartei,

b)

im Einklang mit einem anwendbaren, zuvor vereinbarten Streitbeilegungsverfahren oder

c)

im Einklang mit den folgenden Absätzen.

(6)   Ein nach Absatz 4 gebildetes Schiedsgericht entscheidet über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit diesem Vertrag und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts.

…“

B. Französisches Recht

9.

Nach Art. 1520 des französischen Code de procédure civile (Zivilprozessordnung) ist die Klage auf Aufhebung eines in Frankreich ergangenen Schiedsspruchs u. a. nur dann möglich, wenn sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig oder unzuständig erklärt hat.

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

10.

In Erfüllung zweier am 1. und 24. Februar 1999 geschlossener Verträge verkaufte die Gesellschaft Ukrenergo, eine ukrainische Stromproduzentin, Strom an die Gesellschaft Energoalians, eine ukrainische Stromverteilerin, die ihn anschließend an Derimen Properties Limited (im Folgenden: Derimen), eine Gesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, weiterverkaufte, welche ihn ihrerseits an die Gesellschaft Moldtranselectro, ein öffentliches moldauisches Unternehmen, weiterverkaufte. Die zu liefernden Strommengen wurden jeden Monat unmittelbar zwischen Moldtranselectro und Ukrenergo festgelegt, die diesen Strom unter den Bedingungen „DAF Incoterms 1990“, d. h. bis zur Grenze zwischen der Ukraine und Moldau auf ukrainischer Seite, lieferte.

11.

Der Strom wurde im Lauf der Jahre 1999 und 2000 mit Ausnahme von Mai bis Juli 1999 geliefert. Für jeden Monat der Lieferung sollte Energoalians von Derimen bezahlt werden, die selbst die Zahlung von Moldtranselectro erhalten sollte. Die für die Zahlungen geltenden Preise wurden durch Zusatzverträge zum Vertrag vom 24. Februar 1999 festgelegt, nach denen der von Moldtranselectro an Derimen gezahlte Preis ungefähr zweimal höher als der von Derimen an Energoalians gezahlte war.

12.

Derimen zahlte Energoalians den Preis für den gesamten gekauften Strom, während Moldtranselectro Derimen nur teilweise bezahlte.

13.

Mit Vertrag vom 30. Mai 2000 trat Derimen ihre Forderung gegen Moldtranselectro an Energoalians ab.

14.

Moldtranselectro bezahlte ihre Schulden teilweise durch Abtretung mehrerer Forderungen an Energoalians. Diese versuchte daraufhin vergeblich, die Zahlung ihrer Restforderung zu erreichen, indem sie die moldauischen und dann die ukrainischen Gerichte anrief.

15.

Da Energoalians der Meinung war, dass bestimmte Handlungen der Republik Moldau qualifizierte Verletzungen der eingegangenen Verpflichtungen aus dem ECV darstellten, leitete sie das in Art. 26 dieses Vertrags vorgesehene Schiedsverfahren ein.

16.

Mit einem am 25. Oktober 2013 in Paris mehrheitlich ergangenen Schiedsspruch erklärte sich das Ad-hoc-Schiedsgericht für zuständig, befand, dass die Republik Moldau ihre Verpflichtungen aus dem ECV verletzt habe, und verurteilte sie, auf der Grundlage dieses Vertrags einen bestimmten Betrag an Energoalians zu zahlen. Der Vorsitzende des Ad-hoc-Schiedsgerichts äußerte zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts eine abweichende Meinung.

17.

Die Republik Moldau reichte gemäß Art. 1520 der französischen Zivilprozessordnung Klage auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs ein und machte einen Verstoß gegen eine zwingende Vorschrift, nämlich die Vorschrift über die Zuständigkeit des Ad-hoc-Schiedsgerichts, geltend.

18.

Mit Urteil vom 12. April 2016 hob die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) den Schiedsspruch auf, weil sich das Schiedsgericht zu Unrecht für zuständig erklärt habe. Sie entschied, dass sich der Rechtsstreit zwischen Energoalians und der Republik Moldau auf eine von Derimen abgetretene Forderung beziehe, die als einzigen Gegenstand den Verkauf von Strom habe. Da ein Beitrag fehle, könne eine solche Forderung nicht als Investition im Sinne des ECV angesehen werden und deshalb nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts begründen.

19.

Auf ein von Komstroy, die mit Übertragungsurkunde vom 6. Oktober 2014 in die Rechte von Energoalians eingetreten war, eingelegtes Rechtsmittel hin hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) das Urteil vom 12. April 2016 mit Urteil vom 28. März 2018 in vollem Umfang auf und verwies die Parteien an die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) in anderer Zusammensetzung zurück.

20.

Vor dieser trägt die Republik Moldau vor, das Schiedsgericht hätte sich mangels einer von einem Unternehmen einer Vertragspartei des ECV „im Gebiet von“ Moldau „vorgenommenen Investition“ im Sinne des ECV für unzuständig erklären müssen. Die von Energoalians bei Derimen erworbene Forderung sei keine „Investition“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 ECV, ausgelegt im Licht von dessen Art. 1 Nr. 6, und könne daher nicht Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein, da dieses nur für Teil III des ECV vorgesehen sei, der gerade Investitionen betreffe. Selbst wenn unterstellt werde, dass die erwähnte Forderung eine Investition darstellen könne, sei diese sodann nicht von einem Unternehmen einer Vertragspartei „vorgenommen“ worden, da es sich bei Derimen um ein Unternehmen der Britischen Jungferninseln handle. Schließlich beziehe sich die Forderung jedenfalls auf ein Stromverkaufsgeschäft, das nicht „im Gebiet von“ Moldau vorgenommen worden sei, weil der Strom lediglich bis zur Grenze zwischen der Ukraine und Moldau auf ukrainischer Seite verkauft und befördert worden sei.

21.

Komstroy vertritt dagegen die Auffassung, das Schiedsgericht sei gemäß Art. 26 ECV zuständig, da alle in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt seien und es insbesondere um eine im Gebiet von Moldau vorgenommene Investition gehe.

22.

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 1 Nr. 6 ECV dahin auszulegen, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromverkaufsvertrag ergibt, der nicht zu einem Beitrag des Investors im Empfangsstaat geführt hat, eine „Investition“ im Sinne dieses Artikels darstellen kann?

2.

Ist Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen, dass der Erwerb einer Forderung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers als der Vertragsstaaten durch einen Investor einer Vertragspartei eine Investition darstellt?

3.

Ist Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen, dass eine einem Investor zustehende Forderung aus einem Verkaufsvertrag über Strom, der an die Grenze des Empfangsstaats geliefert wird, eine im Gebiet einer anderen Vertragspartei vorgenommene Investition darstellen kann, wenn der Investor in deren Hoheitsgebiet keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat?

23.

Die Republik Moldau, die deutsche, die spanische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

24.

In der Sitzung vom 17. November 2020 sind im Namen der Republik Moldau, von Komstroy, der französischen, der deutschen, der spanischen, der italienischen, der ungarischen, der niederländischen, der polnischen, der finnischen und der schwedischen Regierung sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission mündliche Stellungnahmen abgegeben worden.

IV. Würdigung

25.

Die vorliegende Rechtssache ist neuartig. Zum einen haben die Vorabentscheidungsfragen des vorlegenden Gerichts die Auslegung einiger Bestimmungen des ECV zum Gegenstand, über die der Gerichtshof bis zum heutigen Tage nie zu befinden hatte. Zum anderen stehen sich im Ausgangsrechtsstreit ein nicht zur Union gehörendes Land, die Republik Moldau, und ein Unternehmen eines anderen Drittlands, der Ukraine, gegenüber.

26.

Über die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der gestellten Fragen ließe sich daher streiten, da es um die Auslegung eines internationalen Übereinkommens im Rahmen eines Rechtsstreits geht, der – zumindest auf den ersten Blick – die Merkmale dessen aufweist, was man eine „rein externe“ Angelegenheit nennen könnte.

27.

Bevor ich in der Sache auf die Vorlagefragen eingehe (B), habe ich somit zu prüfen, ob die Zuständigkeit des Gerichtshofs gegeben ist (A).

A. Zuständigkeit des Gerichtshofs

28.

Es sei sogleich darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Handlungen der Unionsorgane entscheidet, wobei ein vom Rat gemäß den Art. 217 und 218 AEUV geschlossenes internationales Abkommen eine solche Handlung darstellt. Da die Bestimmungen eines solches Abkommens von dessen Inkrafttreten an integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind, ist der Gerichtshof zur Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Abkommens befugt ( 5 ).

29.

Da der ECV von der Union unterzeichnet und in deren Namen genehmigt worden ist, muss dieses Abkommen wie eine Handlung der Unionsorgane im Sinne von Art. 267 AEUV betrachtet werden. Der Gerichtshof ist daher auf den ersten Blick zur Entscheidung über die Bestimmungen des ECV befugt.

30.

Eine solche Feststellung genügt jedoch nicht, um die Zuständigkeit des Gerichtshofs sicherzustellen. An der Ausgangsrechtssache sind nämlich weder die Union noch die Mitgliedstaaten beteiligt. Somit ist zu prüfen, ob sich dieser Gesichtspunkt auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefragen auswirken könnte.

1.   Rechtsprechung zur Auslegung der Bestimmungen eines internationalen Abkommens im Hinblick auf ihre Anwendung außerhalb der Unionsrechtsordnung

31.

Die Rechtsprechung hat einige Präzisierungen hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung eines internationalen Abkommens vorgenommen. Insbesondere in den Urteilen Andersson und Wåkerås-Andersson ( 6 ) sowie Salzmann ( 7 ) hat der Gerichtshof in Bezug auf die Bestimmungen des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) entschieden, dass er zur Auslegung eines Abkommens im Hinblick auf seine Anwendung in Drittländern nicht befugt ist.

32.

Übertragen auf die Ausgangsrechtssache würde diese Rechtsprechung den Gerichtshof dazu veranlassen, seine Zuständigkeit für Entscheidungen über die Auslegung des ECV in einem Rechtsstreit zwischen einer Gesellschaft eines Drittlands und einem anderen Drittland zu verneinen. Ich glaube jedoch nicht, dass eine solche Lösung im vorliegenden Fall geboten ist.

33.

Denn das Ergebnis, zu dem der Gerichtshof in den Urteilen Andersson und Wåkerås-Andersson ( 8 ) sowie Salzmann ( 9 ) gelangt ist, nämlich dass er zur Auslegung der Bestimmungen des EWR-Abkommens nicht befugt ist, lässt sich isoliert – ohne eine Prüfung der Gründe, die zu diesem Ergebnis geführt haben – nicht verstehen. Die Argumentation des Gerichtshofs beruht auf zwei Elementen.

34.

Zum einen hat der Gerichtshof dargelegt, dass seine Zuständigkeit für die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts nur für die Union gilt ( 10 ). Anders ausgedrückt erkennt der Gerichtshof seine Zuständigkeit für die Auslegung von Bestimmungen, die außerhalb der Unionsrechtsordnung Anwendung finden sollen, nicht an.

35.

Zum anderen ist die Unzuständigkeit des Gerichtshofs auch dadurch begründet, dass eine Zuständigkeit für die Auslegung der Bestimmungen des EWR-Abkommens im Hinblick auf dessen Anwendung außerhalb der Rechtsordnung der Union schon nach dem Wortlaut des Abkommens dem Gerichtshof der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) übertragen wird ( 11 ), wobei jedoch sichergestellt ist, dass eine solche Auslegung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang steht. Aufgrund der engen Verbindungen des EWR-Abkommens zur Unionsrechtsordnung geht aus den Bestimmungen dieses Abkommens nämlich hervor, dass sie, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen der Verträge und der Durchführungsrechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt werden müssen ( 12 ).

36.

Die Argumentation des Gerichtshofs in den Urteilen Andersson und Wåkerås-Andersson ( 13 ) sowie Salzmann ( 14 ) scheint mir somit durch das Ziel des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsmechanismus geleitet zu sein, der gerade unterschiedliche Auslegungen des Unionsrechts innerhalb der Unionsrechtsordnung verhindern soll ( 15 ).

37.

Mit einem solchen Ziel hat sich auch die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten rechtfertigen lassen, die streng genommen nicht unter die Unionsrechtsordnung fallen. Insbesondere hat der Gerichtshof im Urteil Hermès entschieden, dass, wenn eine Vorschrift sowohl auf dem Unionsrecht unterliegende als auch auf ihm nicht unterliegende Sachverhalte anwendbar ist, ein klares Interesse der Union daran besteht, dass diese Vorschrift unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt wird, um in der Zukunft voneinander abweichende Auslegungen zu verhindern. Er hat daher seine Zuständigkeit für die Auslegung der Bestimmungen eines internationalen Abkommens, dessen Partei die Union ist, in einem nicht dem Unionsrecht unterliegenden Sachverhalt anerkannt ( 16 ).

38.

Unter diesen Umständen können die Urteile Andersson und Wåkerås-Andersson ( 17 ) sowie Salzmann ( 18 ) nicht so verstanden werden, dass sie die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten außerhalb der Unionsrechtsordnung systematisch ausschließen. Diese Zuständigkeit wird nämlich allgemein anerkannt, wenn die Bestimmung, um deren Auslegung ersucht wird, sowohl auf Sachverhalte, die dem Unionsrecht unterliegen, als auch auf ihm nicht unterliegende Sachverhalte Anwendung finden soll.

2.   Besonderheiten des ECV und ihre Bedeutung für die Übertragung der einschlägigen Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall

39.

Der ECV weist außerdem in zweierlei Hinsicht gewisse Besonderheiten auf, so dass er dem EWR-Abkommen, das in der von mir erwähnten Rechtsprechung untersucht worden ist, nicht einfach gleichgesetzt werden darf.

40.

Erstens setzt der ECV kein Gericht ein, das für die Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung seiner Bestimmungen im Einklang mit der Auslegung, die der Gerichtshof innerhalb seiner Rechtsordnung vornimmt, zuständig wäre. Der ECV soll nämlich nur anlässlich der Beilegung von Streitigkeiten durch unterschiedliche Gerichte – Schiedsgerichte oder staatliche Gerichte – der Vertragsparteien, die mithin unterschiedliche Auslegungen nicht verhindern können, ausgelegt werden ( 19 ).

41.

Zweitens besteht, wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und die Kommission in der mündlichen Verhandlung bemerkt haben, der ECV, obwohl er ein multilaterales Abkommen ist, aus einer Reihe bilateraler Verpflichtungen zwischen den Vertragsparteien, zu denen die Union und die Mitgliedstaaten ( 20 ) gehören. Die durch den ECV eingeführten Verpflichtungen ermöglichen hauptsächlich den Schutz der von Investoren einer Vertragspartei in einer anderen Vertragspartei vorgenommenen Investitionen ( 21 ). Die Verletzung einer dieser Verpflichtungen führt somit nicht dazu, dass stets alle Vertragsparteien Wiedergutmachung für sie verlangen können, da die genannten Verpflichtungen nur bilateral – zwischen zwei Vertragsparteien – gelten ( 22 ).

42.

Der ECV führt daher eine Reihe bilateraler Verpflichtungen ein, die in dem von ihm erfassten Bereich für die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien einerseits und den Investoren einer Vertragspartei und der Vertragspartei, in deren Gebiet die Investitionen vorgenommen worden sind, andererseits gelten sollen. Folglich könnten diese Verpflichtungen theoretisch auch für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten – sogar innerhalb der Union – gelten und damit in der Unionsrechtsordnung Anwendung finden.

43.

Diese beiden Besonderheiten des ECV im Verhältnis zum EWR-Abkommen schränken daher die Möglichkeit ein, die in den Urteilen Andersson und Wåkerås-Andersson ( 23 ) sowie Salzmann ( 24 ) entwickelte Lösung in Bezug auf die Unzuständigkeit des Gerichtshofs für die Auslegung eines internationalen Abkommens in Sachverhalten außerhalb der Unionsrechtsordnung zu übertragen.

44.

In der vorliegenden Rechtssache ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung von Bestimmungen eines internationalen Abkommens, die in Rechtsstreitigkeiten außerhalb der Union keine einheitliche und im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs stehende Auslegung erfahren und die grundsätzlich auch auf Sachverhalte innerhalb der Unionsrechtsordnung angewandt werden könnten.

45.

Unter diesen Umständen lässt sich meiner Meinung nach nicht ausschließen, dass die Union ein Interesse an einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des ECV hat. Ich komme also zu dem Schluss, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorabentscheidungsfragen in der vorliegenden Rechtssache unter den erwähnten Umständen bejaht werden sollte.

3.   Zweifel an der Anwendbarkeit der Bestimmungen des ECV in der Unionsrechtsordnung

46.

Die vorstehende Aussage muss an dieser Stelle noch abgeschwächt werden. Eine solche Schlussfolgerung ist nur unter der Voraussetzung geboten, dass die Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht wird, in der Unionsrechtsordnung tatsächlich anwendbar sind. Ist das nicht der Fall, würde es am Interesse der Union an ihrer einheitlichen Auslegung ebenso fehlen wie an der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Vornahme dieser Auslegung.

47.

Zum einen führt Art. 26 ECV einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren einer Vertragspartei und einer Vertragspartei ein, der den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren erlaubt. Im Urteil Achmea ( 25 ) hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang entschieden, dass der Rückgriff auf ein Schiedsverfahren, das auf der Grundlage eines zwischen zwei Mitgliedstaaten geschlossenen Vertrags zum Schutz und zur Förderung von Investitionen eingerichtet wurde, in der Unionsrechtsordnung nicht gestattet ist. Daher scheint mir das genannte Urteil darauf hinzudeuten, dass Art. 26 ECV nie in der Unionsrechtsordnung anwendbar ist, so dass der Gerichtshof für die Auslegung dieser Vorschrift nicht zuständig ist.

48.

Der ECV ist dem im Urteil Achmea untersuchten bilateralen Investitionsschutzabkommen (im Folgenden: BIT) jedoch nicht völlig gleichzusetzen und weist gewisse Besonderheiten auf, die es zu berücksichtigen gilt, um eine umfassende Antwort auf die Frage geben zu können, ob der von ihm geschaffene Streitbeilegungsmechanismus mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Ich schlage dem Gerichtshof somit vor, die Gelegenheit zu ergreifen und die Auswirkungen des besagten Urteils auf die Anwendbarkeit von Art. 26 ECV zu untersuchen, da es einer solchen Analyse bedarf, um festzustellen, ob der Gerichtshof zur Beantwortung der sich auf die Auslegung dieser Vorschrift beziehenden Vorlagefragen befugt ist.

49.

Zum anderen ist im Urteil Achmea zwar nicht auf die allgemeinere Frage eingegangen worden, ob die materiellen Bestimmungen der Verträge zum Schutz und zur Förderung von Investitionen mit dem Unionsrecht vereinbar sind, wenn sie für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten gelten sollen. In diesem Urteil sind jedoch die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Bestehen solcher Abkommen bei Anwendung in der Union deutlich geworden ( 26 ). Es stellt sich nämlich die Frage, ob materielle Bestimmungen in einem Rechtsstreit zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat vor dessen Gerichten geltend gemacht werden können. Somit ist zu überprüfen, ob die materiellen Bestimmungen des ECV in der Linie des Urteils Achmea als mit dem Unionsrecht unvereinbar und damit in der Unionsrechtsordnung unanwendbar anzusehen sind.

50.

Mit solchen Überprüfungen wird sich das Interesse der Union an einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des ECV ebenso feststellen lassen wie die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der vorliegenden Vorabentscheidungsfragen.

a)   Anwendbarkeit des durch Art. 26 Abs. 1 ECV geschaffenen Streitbeilegungsmechanismus in der Unionsrechtsordnung

51.

Die Frage, ob Streitbeilegungsmechanismen in für die Mitgliedstaaten der Union verbindlichen konventionellen Rechtsinstrumenten mit dem Unionsrecht vereinbar sind, steht seit mehreren Jahren im Mittelpunkt lebhafter Debatten in Lehre ( 27 ) und Praxis ( 28 ).

52.

Die Rechtssache, in der das Urteil Achmea ergangen ist, dürfte diese Debatten widergespiegelt haben und veranschaulicht – falls nötig – die konfliktreichen Beziehungen zwischen dem Unionsrecht und dem Recht der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ( 29 ).

1) Urteil Achmea

53.

Wie der Gerichtshof im Urteil Achmea ( 30 ) entschieden hat, sind die Art. 267 und 344 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.

54.

Mit anderen Worten hat der Gerichtshof eine Streitbeilegungsklausel in einem BIT zwischen zwei Mitgliedstaaten als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen.

55.

In diesem Urteil hat der Gerichtshof seine Argumentation auf unbestreitbare Grundprinzipien des Unionsrechts gestützt. Er hat zunächst hervorgehoben, dass eine internationale Übereinkunft die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der Union nicht beeinträchtigen darf ( 31 ). Er hat darauf hingewiesen, dass die Autonomie des Unionsrechts durch die wesentlichen Merkmale der Union und ihres Rechts gerechtfertigt wird, die die Verfassungsstruktur der Union sowie das Wesen dieses Rechts selbst betreffen ( 32 ), welches u. a. durch seine autonome Quelle, die Verträge, seinen Vorrang und seine unmittelbare Wirkung gekennzeichnet ist ( 33 ).

56.

Sodann hat der Gerichtshof klargestellt, dass das Unionsrecht somit auf der grundlegenden Prämisse beruht, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt – und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen –, auf die sich die Union gründet. Er hat darüber hinaus festgestellt, dass diese Prämisse die Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Anerkennung dieser Werte und damit bei der Beachtung des Unionsrechts, mit dem sie umgesetzt werden, impliziert und rechtfertigt ( 34 ).

57.

Schließlich hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass, um sicherzustellen, dass die besonderen Merkmale und die Autonomie der Rechtsordnung der Union erhalten bleiben, die Verträge ein Gerichtssystem geschaffen haben, das zur Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit bei der Auslegung des Unionsrechts dient ( 35 ). Er hat weiter ausgeführt, dass das Schlüsselelement dieses Systems in dem in Art. 267 AEUV vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren besteht, das die einheitliche Auslegung des Unionsrechts gewährleisten soll und damit die Sicherstellung seiner Kohärenz, seiner vollen Geltung und seiner Autonomie sowie letztlich des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts ermöglicht ( 36 ).

58.

Gestützt auf diese Grundsätze hat der Gerichtshof zum einen bemerkt, dass das auf der Grundlage der Bestimmungen des in Rede stehenden BIT eingesetzte Schiedsgericht das Unionsrecht auszulegen und sogar anzuwenden hat ( 37 ). Zum anderen hat er entschieden, dass das fragliche Schiedsgericht nicht zum Gerichtssystem der Union gehört, so dass der durch das BIT geschaffene Streitbeilegungsmechanismus ausschließen kann, dass über Streitigkeiten, obwohl sie die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts betreffen könnten, in einer Weise entschieden wird, die die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet ( 38 ).

59.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass dies selbst dann der Fall ist, wenn die nationalen Gerichte nach dem Recht der Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, den Schiedsspruch zu überprüfen, da eine solche Überprüfung beschränkt ist und nur erfolgen darf, soweit das nationale Recht sie gestattet. In diesem Sinne hat er im Urteil Achmea zwischen einem Streitbeilegungsmechanismus in einem Abkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten und der Handelsschiedsgerichtsbarkeit unterschieden, welche gerade als mit dem Unionsrecht vereinbar angesehen worden ist, soweit die grundlegenden Bestimmungen des Unionsrechts im Rahmen der Kontrolle von Schiedssprüchen durch die nationalen Gerichte geprüft werden und gegebenenfalls Gegenstand einer Vorlage zur Vorabentscheidung sein können ( 39 ).

60.

Zwischen diesen beiden Mechanismen besteht nämlich ein grundlegender Unterschied. Ein Handelsschiedsverfahren setzt voraus, dass jede Partei ihre Autonomie ausübt. Es beinhaltet den Abschluss einer Schiedsvereinbarung, sei es gleichzeitig mit dem Abschluss des Vertrags, für den die sich darauf beziehenden Streitigkeiten dem Schiedsverfahren unterworfen werden sollen, sei es nach Entstehung der Streitigkeit. Anders ausgedrückt ergibt sich die Zuständigkeit eines Gerichts im Handelsschiedsverfahren immer aus einer Schiedsvereinbarung, die sich auf eine in dieser Vereinbarung genau definierte Streitigkeit bezieht. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Zuständigkeit eines solchen Schiedsgerichts unter das System des staatlich gewährten gerichtlichen Rechtsschutzes fällt. Sie resultiert vielmehr aus der Autonomie der einzelnen im Handel aktiven Parteien ( 40 ). Es ist nämlich diese Autonomie, aufgrund der sich die Parteien dafür entscheiden können, Streitigkeiten durch einen Rückgriff auf das Handelsschiedsverfahren beizulegen.

61.

Dagegen folgt der in einem internationalen Abkommen enthaltene Streitbeilegungsmechanismus einer anderen Logik ( 41 ). Ausgehend von der vorstehenden Annahme stellt er ein allgemeines und ständiges Schiedsangebot dar, das die Gegenpartei annehmen oder ablehnen kann. Mit anderen Worten verzichtet der Staat mit diesem Mechanismus auf die Möglichkeit, eine Streitigkeit zwischen ihm und einem Investor eines anderen Mitgliedstaats, die in den Anwendungsbereich des genannten Abkommens fällt, von den staatlichen Gerichten entscheiden zu lassen. Der Verzicht hat dabei systemischen Charakter, da er alle Streitigkeiten betreffen kann, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Damit schafft der Staat einen gerichtlichen Rechtsschutzmechanismus außerhalb des von ihm bereitgestellten Gerichtssystems.

62.

Genau auf diesen Aspekt der in Abkommen zwischen Mitgliedstaaten vorgesehenen Schiedsmechanismen in Investitionsstreitigkeiten stellt der Gerichtshof im Urteil Achmea ab: Es ist nämlich nicht zulässig, wenn die Mitgliedstaaten dem Gerichtssystem der Union über eine internationale Verpflichtung systematisch eine Reihe von Streitigkeiten entziehen können, die sich auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen.

63.

Demnach hat der Gerichtshof entschieden, dass der fragliche Streitbeilegungsmechanismus geeignet ist, neben dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten die Erhaltung des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts, die durch das in Art. 267 AEUV vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren gewährleistet wird, in Frage zu stellen, und daher nicht mit der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit vereinbar ist ( 42 ). Seiner Ansicht nach ergibt sich daraus, dass der in dem betreffenden BIT enthaltene Streitbeilegungsmechanismus, nach dem ein beliebiger Investor eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, die Autonomie des Unionsrechts beeinträchtigt ( 43 ).

64.

Die vorstehende Lösung ist letztlich exakter Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts ( 44 ), die selbst auf der Existenz gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten beruht, welche eine Reihe von Werten teilen und das tatsächliche Teilen dieser Werte anerkennen. Daher sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen davon auszugehen, dass alle anderen Mitgliedstaaten der Union das Unionsrecht einschließlich der Grundrechte, insbesondere des in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht, beachten ( 45 ).

65.

Anders ausgedrückt ist gerade deshalb, weil in der Rechtsordnung der Union anerkannt und bekräftigt wird, dass die Mitgliedstaaten eine Reihe von Werten und Rechten beachten, zu denen die Rechtsstaatlichkeit und das niedergelegte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gehören, auch gewährleistet, dass Investoren der Mitgliedstaaten in der Unionsrechtsordnung mit Sicherheit ausreichend geschützt werden ( 46 ), so dass nicht auf ein System außerhalb der Gerichtssysteme der Mitgliedstaaten zurückgegriffen zu werden braucht ( 47 ).

66.

Auf die Bedeutung dieser Werte, insbesondere der Rechtsstaatlichkeit, weist der Gerichtshof in verschiedenen Rechtssachen ( 48 ), in denen die Rolle der für die Durchsetzung ihrer Einhaltung zuständigen Unionsorgane, insbesondere die der Kommission, hervorgehoben wird, im Übrigen hin.

67.

Mit dem Urteil Achmea sind daher die Fragen rund um die Beziehungen zwischen dem Unionsrecht und den in BTI zwischen zwei Mitgliedstaaten enthaltenen Streitbeilegungsmechanismen beantwortet worden.

68.

Fast alle Mitgliedstaaten haben diese Entscheidung später übrigens zur Kenntnis genommen, indem sie mit verschiedenen Erklärungen ( 49 ) ihre Absicht zum Ausdruck gebracht haben, die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden BIT anzuprangern. Nach Abgabe der erwähnten Erklärungen haben am 5. Mai 2020 23 Mitgliedstaaten ein Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Union ( 50 ) abgeschlossen.

69.

Ich muss noch klarstellen, dass die Unvereinbarkeit eines in einem internationalen Übereinkommen vorgesehenen Schiedsmechanismus in Investitionsstreitigkeiten mit dem Unionsrecht unmittelbar aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts folgt. Daraus ergibt sich seine zeitlich unbefristete Unanwendbarkeit in der Rechtsordnung der Union, so dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auf dieser Grundlage nicht anerkannt werden kann.

2) Bedeutung des Urteils Achmea für den ECV

70.

Das Urteil Achmea regelt jedoch nicht alle Fragen im Zusammenhang mit den Beziehungen zwischen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und dem Unionsrecht. Insbesondere ging es in jener Rechtssache um einen bilateralen Vertrag, dessen Parteien zwei Mitgliedstaaten waren. Der ECV ist, obwohl er einen Streitbeilegungsmechanismus vorsieht, der dem im Urteil Achmea in Rede stehenden insoweit vergleichbar ist, als er den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren erlaubt, seinerseits ein multilateraler Vertrag, dessen Parteien die Union und die Mitgliedstaaten sind.

71.

Diese Unterschiede haben die automatische Übertragung der für BIT entwickelten Lösung auf den in Art. 26 ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus eingeschränkt. Die späteren diesbezüglichen Erklärungen der Mitgliedstaaten veranschaulichen gerade die bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeit, den Anwendungsbereich des Urteils Achmea auf den im ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus auszuweiten ( 51 ), und grundlegender hinsichtlich der Vereinbarkeit von Art. 26 ECV mit dem Unionsrecht.

72.

Daher ist festzustellen, ob die Argumentation des Gerichtshofs im Urteil Achmea für die Vereinbarkeit des in Art. 26 ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus gelten kann. In diesem Zusammenhang haben die französische, die deutsche, die spanische, die italienische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Kommission vorgetragen, dass eine solche Lösung zu wählen sei und die Unvereinbarkeit von Art. 26 ECV mit dem Unionsrecht die Unanwendbarkeit dieses Artikels in der Rechtsordnung der Union mit sich bringe. Die ungarische, die finnische und die schwedische Regierung haben in der mündlichen Verhandlung ihrerseits die Auffassung vertreten, dass die im Urteil Achmea entwickelte Lösung nicht auf den durch Art. 26 ECV geschaffenen Streitbeilegungsmechanismus angewandt werden könne.

73.

Meiner Meinung nach führt der in Art. 26 ECV vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus, soweit er den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren erlaubt, zweifellos zu einem Ergebnis, das mit dem im Urteil Achmea in Rede stehenden und als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehenen Streitbeilegungsmechanismus vergleichbar ist.

74.

Erstens ermöglicht es Art. 26 ECV wie der im Urteil Achmea in Rede stehende Streitbeilegungsmechanismus, Streitigkeiten, die sich auf die Auslegung des Unionsrechts beziehen könnten, einem Investitionsschiedsgericht vorzulegen.

75.

Art. 26 Abs. 6 ECV sieht nämlich vor, dass das Schiedsgericht über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit dem ECV und den „geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts“ entscheidet. Entgegen dem Vorbringen der schwedischen und der finnischen Regierung sowie den Feststellungen des Gerichtshofs im Urteil Achmea ( 52 ) zufolge ist das Unionsrecht angesichts seines Wesens und seiner Merkmale jedoch sowohl als Teil des in jedem Mitgliedstaat geltenden Rechts als auch als einem internationalen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten entsprungen anzusehen. Deshalb hat ein gemäß Art. 26 ECV eingesetztes Schiedsgericht gegebenenfalls das Unionsrecht auszulegen und sogar anzuwenden.

76.

Zweitens gehört ein gemäß Art. 26 ECV eingesetztes Schiedsgericht – auch in einem Rechtsstreit, der von einem Investor eines Mitgliedstaats gegen einen anderen Mitgliedstaat betrieben wird – nicht zum Gerichtssystem der Union ( 53 ).

77.

Dieses Schiedsgericht ist nämlich nicht Bestandteil des Gerichtssystems der Mitgliedstaaten, und gerade dieser Ausnahmecharakter rechtfertigt die Existenz eines solchen Streitbeilegungsmechanismus. Es stellt auch kein mehreren Mitgliedstaaten gemeinsames Gericht dar, da es keinerlei Verbindung zu den Gerichtssystemen der Mitgliedstaaten aufweist.

78.

Unter diesen Umständen ist ein gemäß Art. 26 ECV eingesetztes Schiedsgericht nicht als ein „Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV anzusehen und nicht berechtigt, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Die Entscheidungen eines solchen Gerichts unterliegen somit keinen Mechanismen, die geeignet wären, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts tatsächlich zu gewährleisten ( 54 ).

79.

Folglich beeinträchtigt Art. 26 ECV, soweit er den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren erlaubt, wie der im Urteil Achmea als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehene Streitbeilegungsmechanismus nach meinem Dafürhalten die Autonomie des Unionsrechts und ist deshalb ebenfalls mit dem Unionsrecht unvereinbar.

80.

Diese Feststellung wird weder durch die Besonderheiten des ECV, die zu Zweifeln an der Anwendung des Urteils Achmea auf den in ihm vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus geführt haben, noch durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs, die u. a. von der ungarischen, der finnischen und der schwedischen Regierung in der mündlichen Verhandlung angeführt worden ist, in Frage gestellt.

i) Keine Auswirkungen der Besonderheiten des ECV auf ein BIT

81.

Es trifft zu, dass die Union – anders als bei einem BIT wie dem im Urteil Achmea genannten – selbst Partei des ECV und somit an diesen gebunden ist. Außerdem hat der Gerichtshof in besagtem Urteil ausdrücklich hervorgehoben, dass der Streitbeilegungsmechanismus in einer Übereinkunft vorgesehen ist, die „nicht von der Union, sondern von den Mitgliedstaaten“ geschlossen wurde ( 55 ). Bedeutet das zwangsläufig, dass das Gleiche nicht für eine internationale Übereinkunft gelten könnte, die von den Mitgliedstaaten und der Union geschlossen wurde? Ich glaube nicht.

82.

Insoweit steht fest, dass eine internationale Übereinkunft, die die Schaffung eines mit der Auslegung ihrer Bestimmungen betrauten Gerichts vorsieht, dessen Entscheidungen für die Organe, einschließlich des Gerichtshofs, bindend sind, grundsätzlich nicht mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Die Zuständigkeit der Union im Bereich der Außenbeziehungen und ihre Fähigkeit zum Abschluss internationaler Übereinkünfte umfassen nämlich notwendigerweise die Möglichkeit, sich den Entscheidungen eines durch solche Übereinkünfte geschaffenen oder bestimmten Gerichts in Bezug auf die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen zu unterwerfen ( 56 ).

83.

Gleichwohl ist eine solche Möglichkeit nur unter der Voraussetzung zulässig, dass die Autonomie der Union und ihrer Rechtsordnung gewahrt bleibt ( 57 ). Wie ich in den Nrn. 78 und 79 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, beeinträchtigt der in Art. 26 ECV vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus, soweit er die Inanspruchnahme eines Schiedsrichters gestattet, jedoch gerade die Autonomie des Unionsrechts. Daher kann sich die Tatsache, dass auch die Union Partei des ECV ist, nicht auf diese Feststellung auswirken.

ii) Unterschied zum Gutachten 1/17

84.

Schließlich haben die ungarische, die finnische und die schwedische Regierung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, mit dem Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) ( 58 ) sei ein neues Analyseschema für Streitbeilegungsmechanismen außerhalb des Gerichtssystems der Union eingeführt worden. Ein solcher Mechanismus sei nicht per se mit dem Unionsrecht unvereinbar, sofern er nicht die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen des Unionsrechts durch ein Gericht außerhalb des Gerichtssystems der Union gestatte und die Schiedssprüche dieses Gerichts die Organe der Union nicht daran hinderten, gemäß deren Verfassungsrahmen zu funktionieren.

85.

Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Zum einen bin ich, wie in den Nrn. 74 und 75 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, der Meinung, dass Art. 26 ECV gerade die Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen des Unionsrechts durch ein Schiedsgericht außerhalb des Gerichtssystems der Union erlaubt. Art. 26 ECV unterscheidet sich außerdem insoweit von dem Streitbeilegungsmechanismus im umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (im Folgenden: CETA), als dieses einen ausdrücklichen Vorbehalt für die Auslegung des Unionsrechts vorsieht ( 59 ), während ein solcher Vorbehalt gemäß Art. 26 ECV nicht besteht.

86.

Zum anderen und vor allem können die Ausführungen des Gerichtshofs in Bezug auf den im CETA enthaltenen Streitbeilegungsmechanismus im Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) ( 60 ) die Analyse von Art. 26 ECV nicht beeinflussen. Wie der Gerichtshof in diesem Gutachten bemerkt hat, unterscheidet sich die Frage, ob die Einrichtung oder Beibehaltung eines Investitionsschutzgerichts durch ein die Mitgliedstaaten untereinander bindendes Abkommen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, von der Frage, ob die Einrichtung eines solchen Gerichts durch ein Abkommen zwischen der Union und Drittstaaten mit dem Unionsrecht vereinbar ist ( 61 ). Die Argumentation der ungarischen, der finnischen und der schwedischen Regierung könnte somit nur Erfolg haben, wenn der ECV lediglich die Beziehungen zwischen der Union und Drittstaaten regeln würde.

87.

Während die Mitgliedstaaten zur Beachtung des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens verpflichtet sind, gilt ein solcher Grundsatz nämlich nicht in den Beziehungen zwischen der Union und Drittstaaten. Genauer gesagt beruhen die Beziehungen mit Drittstaaten nicht auf der grundlegenden Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten eine Reihe gemeinsamer Werte teilt und anerkennt, dass sie sie mit ihm teilen und somit das Unionsrecht, mit dem sie umgesetzt werden, beachten. Wie Generalanwalt Bot im Rahmen eines Abkommens mit Drittstaaten bemerkt hat, hat nicht jede der Vertragsparteien notwendigerweise das Vertrauen, dass das Gerichtssystem der anderen Partei die Beachtung der Vorschriften des Abkommens sicherstellen wird ( 62 ). Das fehlende gegenseitige Vertrauen, so wie es innerhalb der Union besteht, ist gerade der Grund, weshalb sich die Vertragsparteien dazu entschließen, sich über einen neutralen Streitbeilegungsmechanismus zu verständigen ( 63 ). Ein solcher Mechanismus außerhalb der beiden Parteien ermöglicht die Gewährleistung des Vertrauens der Vertragsparteien hinsichtlich der Anwendung des Abkommens, ohne dass dieses Vertrauen mit dem gegenseitigen Vertrauen verwechselt werden darf, das die Beziehungen innerhalb der Rechtsordnung der Union strukturiert.

88.

Daher wirkt sich das Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) ( 64 ) nicht auf die im Licht der im Urteil Achmea entwickelten Grundsätze durchgeführte Analyse des in Art. 26 ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus, soweit er den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren gestattet, aus, da dieses Abkommen die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regelt.

3) Ergebnis zur Anwendbarkeit von Art. 26 ECV in der Unionsrechtsordnung

89.

Nach alledem ist der in Art. 26 ECV vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus nach meinem Dafürhalten mit dem Unionsrecht unvereinbar, soweit er es einem außerhalb des Gerichtssystems der Union angesiedelten Schiedsgericht gestattet, das Unionsrecht in einem Rechtsstreit zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat auszulegen oder anzuwenden, und damit sowohl den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten und die Erhaltung des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts in Frage stellt als auch die Autonomie des Unionsrechts beeinträchtigt. Art. 26 ECV soll innerhalb der Rechtsordnung der Union daher insoweit keine Anwendung finden.

90.

Abgesehen davon bedeutet die Tatsache, dass ein Investor eines Mitgliedstaats in einem Rechtsstreit zwischen ihm und einem anderen Mitgliedstaat keinen Schiedsrichter in Anspruch nehmen darf, nicht, dass Art. 26 ECV nie innerhalb der Unionsrechtsordnung anwendbar wäre. Investoren eines Mitgliedstaats könnten einen anderen Mitgliedstaat angesichts einer in dieser Vorschrift genannten Streitigkeit grundsätzlich immer vor dessen Gerichten verklagen ( 65 ). Eine solche Möglichkeit hängt jedoch von der Frage ab, ob die materiellen Bestimmungen des ECV derartige Ansprüche begründen können, ob sie also ihrerseits in der Unionsrechtsordnung anwendbar sind. Diese Frage werde ich jetzt prüfen.

b)   Anwendbarkeit von Art. 1 Nr. 6 ECV in der Unionsrechtsordnung

91.

Art. 1 Nr. 6 ECV definiert den Begriff „Investition“, so wie er in den Bestimmungen des ECV verwendet wird, und findet sich in dem mit „Begriffsbestimmungen und Zweck“ überschriebenen ersten Teil des ECV. Diese Vorschrift gehört somit zu den einleitenden Bestimmungen des ECV, mit denen ganz allgemein Anwendungsbereich und Gegenstand des Rechtsakts festgelegt und die in seinen Bestimmungen verwendeten Begriffe definiert werden sollen.

92.

Anders ausgedrückt führt Art. 1 Nr. 6 ECV, soweit er dessen sachlichen Anwendungsbereich festlegt, auch dazu, dass die materiellen Schutzbestimmungen des ECV Anwendung finden.

93.

Daher hängt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift in der Rechtsordnung der Union hauptsächlich von der Frage ab, ob auch die materiellen Normen, denen sie Wirkung verleiht, in der Unionsrechtsordnung anwendbar sind, so dass sich Investoren eines Mitgliedstaats in einem Klageverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat vor dessen Gerichten auf sie berufen können.

94.

Auch wenn das Urteil Achmea diese Frage nicht geregelt hat, hat es gewisse Zweifel daran aufkommen lassen, ob die materiellen Bestimmungen der Verträge zur Förderung und zum Schutz von Investitionen im Allgemeinen und des ECV im Besonderen innerhalb der Union angewandt werden können ( 66 ).

95.

Ich glaube jedoch nicht, dass es im Rahmen der vorliegenden Rechtssache und rein theoretisch möglich ist, die Frage mit Bestimmtheit zu beantworten. Das würde nämlich die Durchführung einer abstrakten und erschöpfenden Analyse aller möglichen Überschneidungen zwischen Unionsrecht und ECV voraussetzen ( 67 ). Allerdings erscheint es mir wenig zweckmäßig, im Stadium der Prüfung der Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefragen und im Kontext der vorliegenden Rechtssache eine solche Analyse vorzunehmen. Hervorzuheben ist auch, dass diese Frage zwischen den Parteien nicht erörtert worden ist ( 68 ).

96.

Außerdem haben in der vorliegenden Rechtssache lediglich die italienische Regierung und die Kommission ein knapp formuliertes Argument betreffend die Unvereinbarkeit der materiellen Bestimmungen des ECV mit dem Unionsrecht vorgebracht, das damit begründet worden ist, dass das Unionsrecht Investitionsschutzinstrumente vorsehe, die mit den Investitionsschutzinstrumenten des ECV gleichwertig seien. Weshalb dieser gleichwertige Schutz per se mit dem Unionsrecht unvereinbar sein soll, erschließt sich mir auf den ersten Blick nicht ganz.

97.

Daher kann die Frage, ob die materiellen Bestimmungen des ECV, einschließlich dessen Art. 1 Nr. 6, mit dem Unionsrecht vereinbar sind, an dieser Stelle meiner Meinung nach weder mit Bestimmtheit verneint noch bejaht werden. Folglich ist anzunehmen, dass die erwähnten Bestimmungen innerhalb der Rechtsordnung der Union Anwendung finden sollen.

4.   Ergebnis zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

98.

Art. 26 ECV ist meines Erachtens insoweit nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, als er den Rückgriff auf ein Schiedsverfahren vorsieht, so dass ein solcher Streitbeilegungsmechanismus innerhalb der Rechtsordnung der Union keine Anwendung finden kann.

99.

Da sich an dieser Stelle nicht ausschließen lässt, dass die materiellen Bestimmungen des ECV, einschließlich dessen Art. 1 Nr. 6, in der Rechtsordnung der Union anwendbar sein können, ist darüber hinaus dennoch anzunehmen, dass die besagten Bestimmungen von Investoren eines Mitgliedstaats anlässlich einer in Art. 26 ECV genannten Streitigkeit mit einem anderen Mitgliedstaat vor dessen Gerichten geltend gemacht werden können. Demnach sind sowohl Art. 1 Nr. 6 ECV als auch Art. 26 ECV als möglicherweise innerhalb der Unionsrechtsordnung anwendbar anzusehen.

100.

Folglich besteht ein gewisses Interesse der Union an einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen, so dass der Gerichtshof für die Beantwortung sämtlicher Vorlagefragen zuständig sein sollte.

B. Begründetheit

1.   Erste Vorlagefrage: Begriff „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV

101.

Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Nr. 6 ECV dahin auszulegen ist, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromvertrag ergibt, der nicht zu einem Beitrag des Investors im Empfangsstaat geführt hat, eine Investition darstellen kann.

102.

In der mündlichen Verhandlung hat Komstroy vorgetragen, dass der Begriff „Investition“ im ECV definiert sei und sich diese Definition selbst genüge, obwohl sie durch eine nicht erschöpfende Liste von Beispielen für Vermögenswerte untermauert werde, die eine Investition im Sinne des ECV darstellten. Darüber hinaus sei die eigentliche Bedeutung der Begriffe von Art. 1 Nr. 6 ECV klar, so dass weder eine Auslegung vorgenommen noch auf Kriterien außerhalb der gegebenen Definition verwiesen werden müsse. Schließlich sehe Art. 1 Nr. 6 ECV selbst vor, dass eine vertragliche Forderung als Investition anzusehen sei, da in den Buchst. c und f dieser Nummer von „Geldforderungen“ bzw. „jede[m] kraft eines privatrechtlichen Vertrags verliehene[n] Recht“ die Rede sei.

103.

Die Republik Moldau, die spanische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Kommission machen geltend, eine Forderung, die sich aus einem Verkaufsvertrag ergebe, könne keine Investition im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV darstellen. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV sehe zwar vor, dass eine Geldforderung eine Investition darstelle, aber nur unter der Voraussetzung, dass diese Forderung „mit einer Investition [zusammenhänge]“. Eine Forderung, die sich aus einem Verkaufsvertrag ergebe, sei jedoch nicht als „mit einer Investition zusammenhängend“ anzusehen. Die Republik Moldau hebt ferner hervor, dass auf die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs „Investition“ abzustellen sei, der eine Kapitalzuführung voraussetze, woran es bei einer vertraglichen Forderung fehle. Schließlich betonen die Republik Moldau und die Kommission die Bedeutung einer Unterscheidung zwischen dem, was dem Handel zuzurechnen sei, und dem, was zu einer Investition gehöre, da nur Investitionen durch Teil III des ECV geschützt seien.

104.

Art. 1 Nr. 6 ECV definiert eine Investition als „jede Art von Vermögenswert, der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird“. Damit liefert der ECV eine wenig präzise Definition, die auf den ersten Blick nur durch den Gegenstand der Tätigkeit begrenzt zu sein scheint, mit der diese Investition zusammenhängt. Die genannte Vorschrift fügt hinzu, dass eine Investition im Sinne des ECV im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich stehen muss.

105.

Die vorstehende Definition wird durch eine nicht erschöpfende Liste mit konkreten Beispielen für Investitionen im Sinne der Vorschrift ergänzt. Wie Komstroy geltend macht, ergibt sich daraus, dass, wenn der fragliche Vermögenswert eindeutig unter eine der in Art. 1 Nr. 6 ECV ausdrücklich aufgeführten Investitionen fällt, grundsätzlich keine Auslegung dieser Vorschrift vorgenommen zu werden braucht ( 69 ).

106.

Vertragliche Forderungen könnten unter die Definition von Art. 1 Nr. 6 ECV fallen, sowohl gemäß Buchst. c als auch gemäß Buchst. f dieser Nummer. Es werden nämlich „Geldforderungen …, die mit einer Investition zusammenhängen“ ( 70 ), und „jedes kraft … eines privatrechtlichen Vertrags … verliehene Recht auf Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich“ ( 71 ) genannt.

107.

Auch wenn beide Vorschriften Beispiele für Investitionen im Sinne des ECV liefern, fügen sie jedoch auch zusätzliche Voraussetzungen für die Einstufung von Investitionen hinzu. Zum einen sieht Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV vor, dass eine Geldforderung eine Investition ist, sofern sie sich aus einem Vertrag ergibt, der selbst mit einer Investition zusammenhängt. Zum anderen bestimmt Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV, dass ein kraft eines privatrechtlichen Vertrags verliehenes Recht eine Investition ist, sofern es für die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich verliehen worden ist. Anders ausgedrückt ist eine Forderung, die sich aus einem Vertrag ergibt, nicht automatisch eine Investition im Sinne des ECV, da durch diesen Rechtsakt bestimmte Beschränkungen auferlegt werden.

108.

Die Hinzufügung der vorerwähnten Voraussetzungen erschwert eine eindeutige Verknüpfung vertraglicher Forderungen mit der einen oder anderen Form von Investition im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV oder macht sie sogar unmöglich. Eine vertragliche Forderung – insbesondere, wenn sie sich aus einem Stromverkaufsvertrag ergibt – kann nämlich nicht ohne jeden Zweifel unter Art. 1 Nr. 6 Buchst. c oder f ECV subsumiert werden, ohne dass zuvor festgestellt worden ist, was die in diesen Vorschriften genannten zusätzlichen Voraussetzungen bedeuten.

109.

Somit ist eine Auslegung der beiden Vorschriften vorzunehmen, die gemäß Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens ( 72 )„nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, den Vertragsbestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Licht des Ziels und Zwecks des Vertrags“ zu erfolgen hat.

a)   Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV

110.

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV, der vorsieht, dass sich eine Forderung aus einem mit einer Investition zusammenhängenden Vertrag ergeben muss, ist in gewisser Weise mehrdeutig. Denn diese Vorschrift definiert Geldforderungen, die als Investition angesehen werden können, unter Verweis auf den Investitionsbegriff. Mit anderen Worten ist der Investitionsbegriff gleichzeitig der definierte Begriff und der Begriff, der für seine Definition verwendet wird. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV enthält in diesem Sinne einen Zirkelschluss ( 73 ).

111.

Um diesen Zirkelschluss aufzubrechen, kann der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV genannte Begriff „Investition“ daher nur in einem Sinne verstanden werden, der sich von der Bedeutung unterscheidet, auf die diese Vorschrift gerade abstellt. Wie die polnische Regierung bemerkt, ist eine Geldforderung nur dann eine Investition, wenn sie im Rahmen eines Vertrags bestellt wird, der selbst mit einer anderen, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV fallenden Investition im Sinne dieses Vertrags zusammenhängt.

112.

Keine der anderen in Art. 1 Nr. 6 ECV genannten Investitionen kann jedoch so verstanden werden, dass sie eine Stromlieferung umfasst, die Gegenstand des Vertrags ist, aus dem sich die untersuchte Geldforderung ergibt. Keiner der Absätze dieser Vorschrift bezieht sich auf ein einfaches Handelsgeschäft ( 74 ). Daher folgt aus einer wörtlichen Auslegung des Texts von Art. 1 Nr. 6 ECV, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt und nicht zu einem Beitrag geführt hat, keine Geldforderung aus einem mit einer Investition zusammenhängenden Vertrag ist.

113.

Die Wortlautauslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV wird sodann durch einen Rückgriff auf die gewöhnliche Bedeutung des in dieser Vorschrift erwähnten Begriffs „Investition“ bestätigt ( 75 ).

114.

Im üblichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff, wie die Republik Moldau und die Kommission geltend machen, allgemein einen Vorgang, der aus einem finanziellen, auf eine gewisse Dauer angelegten und ein Risiko bergenden Beitrag besteht ( 76 ).

115.

Im gleichen Sinne hat die schiedsgerichtliche Rechtsprechung zudem schrittweise eine objektive Definition des Begriffs „Investition“ entwickelt, wonach eine Investition voraussetzt, dass drei Elemente gegeben sind: ein Beitrag durch den Investor, eine gewisse Laufzeit und eine Beteiligung an den Geschäftsrisiken ( 77 ).

116.

Auch wenn diese Definition im Zusammenhang mit dem Investitionsbegriff in dem am 18. März 1965 in Washington unterzeichneten Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten entwickelt worden ist, scheint sie mir jedoch die wesentlichen Elemente dessen zu enthalten, was eine Investition darstellen kann, und wird in diesem Sinne häufig im Schrifttum herangezogen, wenn es darum geht, eine allgemeine Begriffsdefinition vorzuschlagen ( 78 ).

117.

Nach dem vorstehend beschriebenen Verständnis des Begriffs „Investition“ ist eine Geldforderung mithin eine Investition im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV, sofern sie aus einem Vertrag entstanden ist, der zu einem Beitrag des mutmaßlichen Investors und zur Hoffnung auf einen Gewinn geführt hat, welcher nicht garantiert ist. Dieses Verständnis des Begriffs „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV findet sich außerdem sowohl in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung ( 79 ) als auch im Schrifttum ( 80 ).

118.

Ein Stromlieferungsvertrag ist jedoch ein einfaches Handelsgeschäft, das vom Investitionsbegriff nicht erfasst werden kann, da dieser Vertrag weder zu einem Beitrag ( 81 ) noch zur Erwartung beitragsabhängiger Einkünfte führt. Daher bin ich der Meinung, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, weder mit einer Investition zusammenhängt noch die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV genannte Voraussetzung erfüllt.

119.

Zu guter Letzt wird eine solche Auslegung des Begriffs „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV durch die Prüfung der Gesamtlogik des ECV und des eingeführten Investitionsschutzsystems untermauert. Wie die Kommission hervorhebt, unterscheidet der ECV zwischen den handelsbezogenen Regeln in seinem Teil II und den Regeln für die Förderung und den Schutz von Investitionen in Teil III. Ein einfaches Handelsgeschäft ist somit als solches nicht mit einer Investition gleichzusetzen, wenn nicht die bestehende Unterscheidung zwischen dem, was dem Handel zuzurechnen ist, und dem, was zu einer Investition gehört, völlig unsinnig werden soll, weshalb diese Unterscheidung einen besonderen Schutz benötigt ( 82 ).

120.

Der Begriff „Investition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV darf daher nicht mit einer einfachen Geschäftstätigkeit verwechselt werden, so dass eine Geldforderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, der weder zu einem Beitrag noch zu einer von diesem Beitrag abhängigen Gewinnerwartung führt, nicht darunter fallen kann.

b)   Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV

121.

Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV bezieht sich auf „jedes kraft … eines privatrechtlichen Vertrags … verliehene Recht auf Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich“. Insoweit sei daran erinnert, dass bereits Art. 1 Nr. 6 ECV allgemein vorsieht, dass eine Investition im Sinne des ECV mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich zusammenhängen muss. Daher ist die durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV auferlegte Bedingung nicht in der gleichen Weise zu verstehen, andernfalls verlöre diese Klarstellung ihren Sinn.

122.

Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV bezieht sich somit nicht auf jedes vertragliche Recht im Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich, sondern fügt eine zusätzliche Voraussetzung für die Einstufung eines vertraglichen Rechts als geschützte Investition im Sinne des ECV hinzu. Das geht schon aus der Formulierung dieser Vorschrift hervor. So deutet die Verwendung der Begriffe „auf Ausübung“ in Verbindung mit der Bezugnahme auf das Verb „verleihen“ darauf hin, dass das in Rede stehende vertragliche Recht zwecks Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich verliehen worden sein muss ( 83 ). Das vertragliche Recht muss die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich, die der Begünstigte ohne ein solches Recht nicht ausüben könnte, ermöglichen. Anders ausgedrückt muss das vertragliche Recht die Ausübung dieser Tätigkeit gestatten und die Voraussetzungen dafür schaffen ( 84 ).

123.

Auch wenn eine vertragliche Forderung durchaus ein kraft eines privatrechtlichen Vertrags verliehenes Recht ist, kann sie jedoch nicht so angesehen werden, als gestatte sie die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich, wenn sie nach ihrer Entstehung beim ursprünglichen Inhaber erworben wird. Unter diesen Umständen gibt die Forderung ihrem Inhaber nicht das Recht, eine Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich auszuüben, sondern lediglich das Recht, die Begleichung der Forderung zu verlangen.

124.

Außerdem würde meiner Meinung nach selbst dann das gleiche Ergebnis erreicht, wenn auf die Grundlage für die Forderung, nämlich den Stromlieferungsvertrag, abzustellen wäre, was nicht der Fall ist. Zwar gestattet es ein Stromverkaufsvertrag zwischen zwei Gesellschaften einer von ihnen, der anderen Strom zu liefern, allerdings ist es nicht dieser Vertrag, der die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich gestattet. Die stromliefernde Gesellschaft kann ihrem Vertragspartner den in Rede stehenden Strom nämlich bereits liefern, so dass der Vertrag keinesfalls eine Genehmigung oder ein Recht auf Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich im Aufnahmeland enthält.

125.

Eine solche Forderung wird nach meinem Dafürhalten somit nicht von Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV erfasst.

126.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass weder Art. 1 Nr. 6 Buchst. c noch Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV dahin ausgelegt werden kann, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt und nicht zu einem Beitrag geführt hat, eine Investition im Sinne dieser Vorschriften darstellt.

c)   Allgemeine Definition des Begriffs „Investition“ in Art. 1 Nr. 6 ECV

127.

Es bleibt die Tatsache, dass Art. 1 Nr. 6 ECV ebenfalls eine allgemeine, wenn auch vage Definition des Begriffs „Investition“ vorsieht und die von ihm bereitgestellte Liste mit Investitionen nicht erschöpfend ist. Daher ließe sich die Auffassung vertreten, dass eine Forderung, die nicht von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c oder f ECV erfasst wird, gleichwohl eine Investition im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV darstellen könnte, soweit es sich bei ihr um einen „Vermögenswert [handelt], der einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehört oder von ihm kontrolliert wird“.

128.

Eine solche Argumentation kann nicht überzeugen. Wie ich hervorgehoben habe ( 85 ), sind vertragliche Forderungen die einzigen Vermögenswerte, für deren Anerkennung als Investition Art. 1 Nr. 6 ECV ausdrückliche Beschränkungen vorsieht. Auf die allgemeine Definition des Begriffs „Investition“ kann somit nur mit dem Ziel Bezug genommen werden, die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und f ECV dennoch vorgesehenen Beschränkungen zu vermeiden, wenn nicht die Existenz dieser präzisen Vorschriften geleugnet und eine Auslegung contra legem des Begriffs „Investition“ im Sinne des ECV vorgenommen werden soll.

129.

Folglich schlage ich vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 1 Nr. 6 ECV dahin auszulegen ist, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, der nicht zu einem Beitrag geführt hat, keine Investition im Sinne dieser Vorschrift darstellt.

2.   Zweite Vorlagefrage

130.

Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen ist, dass der Erwerb einer Forderung eines Wirtschaftsteilnehmers eines nicht dem ECV angehörenden Staates durch ein Unternehmen einer Vertragspartei eine Investition darstellt.

131.

Ich erinnere insoweit daran, dass sich die in Rede stehende Forderung aus einem Vertragsverhältnis zwischen Moldtranselectro und Derimen ergibt, wobei die letztgenannte Gesellschaft ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln, also in einem nicht dem ECV angehörenden Staat, hat.

132.

Art. 26 Abs. 1 ECV erlaubt die Beilegung von Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei, wenn sich die Streitigkeit auf eine von diesem Investor vorgenommene Investition bezieht. Das vorlegende Gericht fragt sich, ob sich die Grundlage einer Forderung, die ursprünglich von einem Wirtschaftsteilnehmer eines nicht dem ECV angehörenden Staates bestellt worden ist, auf deren Einstufung als „Investition“ im Sinne von Art. 26 Abs. 1 ECV, wonach eine solche Investition von einem Investor einer Vertragspartei vorgenommen worden sein muss, auswirken könnte.

133.

Einleitend stelle ich fest, dass es unter Berücksichtigung meines Vorschlags einer Antwort auf die erste Frage nicht erforderlich ist, auf die zweite Frage zu antworten, da aufgrund der Verneinung der ersten Frage nicht festgestellt zu werden braucht, ob sich die Grundlage der Forderung auf deren Anerkennung als Investition eines Investors einer Vertragspartei im Sinne von Art. 26 Abs. 1 ECV auswirkt.

134.

Der Vollständigkeit halber – für den Fall, dass der Gerichtshof meine Analyse der ersten Frage nicht teilt – werde ich die zweite Vorlagefrage trotzdem untersuchen und dabei von der Annahme ausgehen, dass eine solche Forderung eine Investition im Sinne von Art. 1 Nr. 6 ECV darstellen kann.

135.

Wie das vorlegende Gericht bemerkt und die Republik Moldau hervorhebt, ist für die Feststellung, ob eine Investition „von einem Investor einer Vertragspartei vorgenommen“ worden ist, auf Art. 1 Nr. 8 ECV abzustellen, der die Wendung „Investitionen vornehmen“ definiert. Diese Vorschrift sieht u. a. vor, dass eine Investition durch den vollständigen oder teilweisen Erwerb vorhandener Investitionen vorgenommen werden kann. Sie schreibt hingegen nicht vor, dass die in Rede stehende vorhandene Investition ursprünglich in einem dem ECV angehörenden Staat bestellt worden ist.

136.

Die Republik Moldau trägt jedoch vor, eine solche Voraussetzung existiere. Die Wendung „vorhandene Investition“ sei gemäß der Definition einer „Investition“ von Art. 1 Nr. 6 ECV zu verstehen, der vorsehe, dass eine Investition „einem Investor unmittelbar oder mittelbar gehör[en] oder von ihm kontrolliert“ werden müsse. Art. 1 Nr. 7 ECV definiere seinerseits den Begriff „Investor“ u. a. als „eine Gesellschaft oder eine andere Organisation, die in Übereinstimmung mit dem in [einer] Vertragspartei geltenden Recht gegründet ist“. Da es sich bei dem Wirtschaftsteilnehmer, der ursprünglich Inhaber der in Rede stehenden Forderung gewesen sei, um einen Anbieter eines nicht dem ECV angehörenden Staates handle, könne dieser nicht als Investor im Sinne von Art. 1 Nr. 7 ECV angesehen werden, so dass die fragliche Forderung keine „vorhandene Investition“ einer Gesellschaft einer Vertragspartei im Sinne von Art. 1 Nr. 8 und Art. 26 Abs. 1 ECV darstellen könne.

137.

Eine solche Argumentation kann nicht überzeugen. Zwar ist den Ausführungen der Republik Moldau, wonach bei der Definition dessen, was die Wendung „Investition von“ umfasst, auf Art. 1 Nrn. 6 bis 8 ECV abzustellen sei, zuzustimmen, die Schlussfolgerung, zu der sie gelangt, ist jedoch auf eine lückenhafte Lesart dieser Artikel zurückzuführen.

138.

Es ist nicht nur so, dass Art. 1 Nr. 8 ECV, wie ich bemerkt habe ( 86 ), keine Bedingung im Zusammenhang mit der geografischen Herkunft der vorhandenen Investition auferlegt; die untersuchten Vorschriften sehen auch ausdrücklich vor, dass eine solche Investition von einem Wirtschaftsteilnehmer eines nicht dem ECV angehörenden Staates vorgenommen werden kann. Art. 1 Nr. 7 ECV definiert den Begriff „Investor“ nämlich sowohl in Bezug auf die Vertragsparteien als auch in Bezug auf Drittstaaten. Somit wird klar anerkannt, dass ein Investor aus einem nicht dem ECV angehörenden Staat stammen kann; das bedeutet aber noch lange nicht, dass die von ihm vorgenommenen Investitionen keine vorhandenen Investitionen im Sinne des ECV sind ( 87 ).

139.

Daher wirkt sich die Tatsache, dass die Forderung von einem Wirtschaftsteilnehmer eines nicht dem ECV angehörenden Staates bestellt worden ist, nicht auf ihre Einstufung als „vorhandene Investition“ aus, da dieser Teilnehmer nach dem Wortlaut des ECV ebenfalls als Investor anzusehen ist.

140.

Folglich gilt der Erwerb einer Forderung eines Wirtschaftsteilnehmers eines nicht dem ECV angehörenden Staates durch einen Anbieter einer Vertragspartei als Erwerb einer vorhandenen Investition und damit als Investition eines Investors einer Vertragspartei im Sinne des ECV.

141.

Die Republik Moldau, Komstroy und die Kommission haben jedoch einen Vorbehalt dahin gehend geäußert, dass es unter diesen Umständen zu Rechtsmissbrauch kommen könne. Es lasse sich nämlich nicht ausschließen, dass eine Investition eines Anbieters eines nicht dem ECV angehörenden Staates von einem Investor einer Vertragspartei nur mit dem Ziel erworben werde, in den Genuss des durch den ECV gewährten Schutzes zu kommen, insbesondere um Art. 26 Abs. 1 ECV zur Anwendung zu bringen und eine Vertragspartei zu verklagen, die ansonsten nicht hätte verklagt werden können.

142.

Zwar trifft es zu, dass eine solche Möglichkeit besteht; allerdings kann sie nicht genügen, um eine bei einem Anbieter eines nicht dem ECV angehörenden Staates erworbene Investition automatisch von der Inanspruchnahme des durch einen Rückgriff auf die Streitbeilegung verliehenen Investitionsschutzes auszuschließen. Eine solche Auslegung scheint mir nicht nur nicht mit den zuvor untersuchten Bestimmungen des ECV vereinbar zu sein, sie würde auch dazu führen, dass keine bei einem ausländischen Investor erworbene Investition jemals nach dem ECV geschützt wäre.

143.

Unter diesen Umständen kann das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs nur im Einzelfall berücksichtigt werden und einen Grundsatz, wonach eine von einem Investor einer Vertragspartei bei einem Investor eines nicht dem ECV angehörenden Staates erworbene Investition nicht als Investition des Ersteren im Sinne von Art. 26 Abs. 1 ECV anzusehen ist, nicht rechtfertigen. Das vorlegende Gericht wird somit zu prüfen haben, weshalb Komstroy die fragliche Forderung erworben hat, um feststellen zu können, ob dieser Erwerb den alleinigen Zweck hatte, die Republik Moldau nach Maßgabe des ECV zu verklagen.

144.

Folglich schlage ich – für den Fall, dass der Gerichtshof meine Analyse im Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage nicht teilt – vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen ist, dass der Erwerb einer bei einem Investor eines nicht dem ECV angehörenden Staates bestellten Forderung eine Investition im Sinne dieser Vorschrift darstellt, es sei denn, der einzige Zweck eines solchen Erwerbs hat darin bestanden, in den Genuss des durch die Bestimmungen des ECV gewährten Schutzes zu kommen, es insbesondere zu ermöglichen, eine Vertragspartei vor einem Schiedsgericht zu verklagen, was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird.

3.   Dritte Vorlagefrage

145.

Mit seiner dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen ist, dass eine einem Investor zustehende Forderung aus einem Verkaufsvertrag über Strom, der an die Grenze des Empfangsstaats geliefert wird, eine im Gebiet einer anderen Vertragspartei vorgenommene Investition darstellen kann, wenn der Investor im Hoheitsgebiet dieses Staates keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat.

146.

Auch hier ist festzuhalten, dass die dritte Frage subsidiären Charakter hat. Wird die erste Vorlagefrage dahin gehend beantwortet, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, keine Investition darstellt, braucht nämlich nicht festgestellt zu werden, ob diese Forderung im Gebiet einer anderen Vertragspartei realisiert worden ist.

147.

Der Vollständigkeit halber – für den Fall, dass der Gerichtshof meine Analyse der ersten und der zweiten Frage nicht teilt – werde ich jedoch auf die dritte Vorlagefrage antworten und dabei von der Annahme ausgehen, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, eine Investition im Sinne des ECV darstellt, was nicht zutrifft.

148.

Die Republik Moldau, darin unterstützt durch die spanische Regierung und die Kommission, macht geltend, in ihrem Gebiet sei keine Investition vorgenommen worden, da der Strom, der aufgrund des Vertrags bereitgestellt werde, aus dem sich die Forderung ergebe, nur bis zur Grenze zwischen der Ukraine und Moldau auf ukrainischer Seite geliefert werde.

149.

Diese Argumentation geht auf eine Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV zurück, der vorsieht, dass eine Geldforderung eine Investition darstellt, wenn sie im Rahmen eines Vertrags bestellt worden ist, der selbst mit einer Investition zusammenhängt. Sie scheint mir jedoch ein wesentliches Element außer Acht zu lassen. Auch wenn die Prüfung der Investition, mit der der Vertrag, aus dem sich die fragliche Forderung ergibt, zusammenhängen soll, für die Einstufung der Forderung als „Investition“ relevant ist, besteht diese Investition, wenn das genannte Element erst einmal festgestellt worden ist, nämlich lediglich aus der Forderung, ohne dass später erneut auf die damit zusammenhängende Investition abgestellt zu werden braucht.

150.

Bei der Investition, die Gegenstand des Rechtsstreits ist und deshalb im Licht von Art. 26 Abs. 1 ECV untersucht werden muss, handelt es sich also nicht um die Stromlieferung, die in dem Vertrag vorgesehen ist, aus dem sich die Forderung ergibt, sondern um die Forderung selbst. Es geht mithin lediglich darum, zu entscheiden, ob der Erwerb einer solchen Forderung als Investition im Gebiet von Moldau anzusehen ist, ohne dass ermittelt zu werden braucht, ob der Vertrag, aufgrund dessen diese Forderung bestellt worden ist, mit einer Investition zusammenhängt, die selbst in besagtem Gebiet vorgenommen wird.

151.

Die betreffende Investition, d. h. die Forderung, gehört im vorliegenden Fall einem ukrainischen Investor und besteht gegenüber einer Gesellschaft mit Sitz in Moldau. Art. 1 Nr. 10 ECV definiert den Begriff „Gebiet“ einfach als „das Hoheitsgebiet unter [der] Souveränität [eines Staates, der Vertragspartei ist]“. Daraus ergibt sich, dass eine Forderung gegenüber einer Gesellschaft mit Sitz im moldauischen Hoheitsgebiet als Investition im Gebiet dieser Vertragspartei anzusehen ist, wobei der Aufenthaltsort des Schuldners der Forderung für ihren Nachweis genügt.

152.

Jedenfalls würde das gleiche Ergebnis erreicht, wenn das Argument der Republik Moldau zu berücksichtigen wäre, wonach auch das Gebiet geprüft werden müsse, in dem die Investition vorgenommen werde, mit der der Vertrag, aus dem sich die Forderung ergebe, zusammenhänge.

153.

Formal wird der Strom tatsächlich bis zur Grenze mit Moldau geliefert. Wenn nicht eine übermäßig formalistische Lösung gewählt werden soll, wird der Strom letztlich jedoch gleichwohl in das moldauische Netz eingespeist, und dieser Umstand stellt den wesentlichen Problemfaktor dar. Die Frage, ob er von einem Anbieter auf der einen oder der anderen Seite der Grenze geliefert worden ist, darf sich nicht auf dieses Ergebnis auswirken ( 88 ). In Wirklichkeit ist der gelieferte Strom immer zur Verteilung im moldauischen Hoheitsgebiet und damit im Gebiet dieser Vertragspartei bestimmt ( 89 ).

154.

Folglich schlage ich – für den Fall, dass der Gerichtshof meine Analyse im Zusammenhang mit der ersten und der zweiten Vorlagefrage nicht teilt – vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 26 Abs. 1 ECV dahin auszulegen ist, dass eine Forderung, die einem Investor einer Vertragspartei gegenüber einem Anbieter einer anderen Vertragspartei zusteht, eine Investition des Ersteren im Gebiet des Letzteren darstellt.

V. Ergebnis

155.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) wie folgt zu antworten:

Art. 1 Nr. 6 des Vertrags über die Energiecharta, der am 17. Dezember 1994 in Lissabon unterzeichnet und durch den Beschluss 98/181/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 23. September 1997 über den Abschluss des Vertrags über die Energiecharta und des Energiechartaprotokolls über Energieeffizienz und damit verbundene Umweltaspekte durch die Europäischen Gemeinschaften im Namen der Europäischen Union genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromlieferungsvertrag ergibt, der nicht zu einem Beitrag geführt hat, keine Investition im Sinne dieser Vorschrift darstellt.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Unterzeichnet in Lissabon am 17. Dezember 1994 (ABl. 1994, L 380, S. 24) und genehmigt im Namen der Europäischen Union durch den Beschluss 98/181/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 23. September 1997 über den Abschluss des Vertrags über die Energiecharta und des Energiechartaprotokolls über Energieeffizienz und damit verbundene Umweltaspekte durch die Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1998, L 69, S. 1).

( 3 ) Die anderen die Auslegung des ECV betreffenden Rechtssachen sind die derzeit beim Gerichtshof anhängigen verbundenen Rechtssachen Federazione nazionale delle imprese elettrotecniche ed elettroniche (Anie) u. a. (C‑798/18 und C‑799/18).

( 4 ) Urteil vom 6. März 2018 (C‑284/16, im Folgenden: Urteil Achmea, EU:C:2018:158).

( 5 ) Urteile vom 30. April 1974, Haegeman (181/73, EU:C:1974:41, Rn. 2 und 4), vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 26), sowie vom 7. Juni 2018, KP (C‑83/17, EU:C:2018:408, Rn. 24).

( 6 ) Urteil vom 15. Juni 1999 (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 28).

( 7 ) Urteil vom 15. Mai 2003 (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 66).

( 8 ) Urteil vom 15. Juni 1999 (C‑321/97, EU:C:1999:307).

( 9 ) Urteil vom 15. Mai 2003 (C‑300/01, EU:C:2003:283).

( 10 ) Urteile vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 28), sowie vom 15. Mai 2003, Salzmann (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 66).

( 11 ) Urteile vom 15. Juni 1999, Andersson und Wåkerås-Andersson (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 29), sowie vom 15. Mai 2003, Salzmann (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 67).

( 12 ) Vgl. Art. 6 des EWR-Abkommens und Abs. 15 der Präambel dieses Abkommens. Vgl. zu diesem Punkt auch Baudenbacher, C., „The Relationship Between the EFTA Court and the Court of Justice of the European Union“, in Baudenbacher, C. (Hrsg.), The Handbook of EEA Law, Springer, 2016, S. 179 bis 194.

( 13 ) Urteil vom 15. Juni 1999 (C‑321/97, EU:C:1999:307).

( 14 ) Urteil vom 15. Mai 2003 (C‑300/01, EU:C:2003:283).

( 15 ) Urteile vom 12. Juni 2008, Gourmet Classic (C‑458/06, EU:C:2008:338, Rn. 20), und vom 21. Juli 2011, Kelly (C‑104/10, EU:C:2011:506, Rn. 60), sowie Gutachten 1/09 vom 8. März 2011 (EU:C:2011:123, Rn. 83).

( 16 ) Urteil vom 16. Juni 1998, Hermès (C‑53/96, EU:C:1998:292, Rn. 32).

( 17 ) Urteil vom 15. Juni 1999 (C‑321/97, EU:C:1999:307).

( 18 ) Urteil vom 15. Mai 2003 (C‑300/01, EU:C:2003:283).

( 19 ) Davon zeugen die in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung bestehenden Kontroversen hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „Investition“, auf den sich die vorliegenden Vorabentscheidungsfragen beziehen.

( 20 ) Die mit Ausnahme der Italienischen Republik Parteien des ECV sind.

( 21 ) Vgl. beispielsweise Art. 10 Abs. 1 ECV: „Jede Vertragspartei fördert und schafft … dauerhafte, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen.“

( 22 ) Zur Existenz bilateraler Verpflichtungen in multilateralen Abkommen vgl. Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 5. Februar 1970, Barcelona Traction, Light, and Power Company, Limited (Belgien/Spanien), C. I. J. Recueil 1970, S. 3, Rn. 33 und 35.

( 23 ) Urteil vom 15. Juni 1999 (C‑321/97, EU:C:1999:307, Rn. 28).

( 24 ) Urteil vom 15. Mai 2003 (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 66).

( 25 ) Rn. 60 und verfügender Teil.

( 26 ) Vgl. insoweit Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 19. Juli 2018 über den Schutz EU-interner Investitionen (COM[2018] 547 final).

( 27 ) Vgl. u. a. – was das Schrifttum aus der Zeit vor Erlass des Urteils Achmea angeht – Eilmansberger, T., „Bilateral investment Treaties and EU Law“, Common Market Law Review, 2009, Bd. 46, Nr. 2, S. 383 bis 429, Hindelang, S., „Circumventing Primacy of EU Law and the CJEU’s Judicial Monopoly by Resorting to Dispute Resolution Mechanisms Provided for in Inter-se Treaties? The Case of Intra-EU Investment Arbitration“, Legal Issues of Economic Integration, 2012, Bd. 39, Nr. 2, S. 179 bis 206, und Miron, S., „The Last Bite of the BITs – Supremacy of EU Law versus Investment Treaty Arbitration“, European Law Journal, 2013, Bd. 20, Nr. 3, S. 332 bis 345.

( 28 ) Vgl. zur Veranschaulichung Vattenfall AB u. a./Deutschland (ICSID Sache Nr. ARB/12/12), Entscheidung über Achmea vom 31. August 2018, Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A./Königreich Spanien (ICSID Sache Nr. ARB/14/1), Schiedsspruch vom 16. Mai 2018, Novenergia II – Energy & Environment (SCA) (Großherzogtum Luxemburg), SICAR/Königreich Spanien (SCC Sache Nr. 2015/063), Schiedsspruch vom 15. Februar 2018.

( 29 ) Vgl. u. a. Gaillard., E., „L’affaire Achmea ou les conflits de logiques“, Revue critique de droit international privé, 2018, Nr. 3, S. 616, Hess, B., „The Fate of Investment Dispute Resolution after the Achmea Decision of the European Court of Justice“, Max Planck Institute Luxembourg for Procedural Law Research Paper Series, 2018, Nr. 3, S. 8, und Basedow, J., „Achmea judgment and the applicability of the Energy Charter Treaty in Intra-EU Investment Arbitration“, Journal of international economic Law, 2020, Bd. 23, Nr. 1, S. 271 bis 292.

( 30 ) Rn. 60 und verfügender Teil.

( 31 ) Urteil Achmea (Rn. 32). Vgl. auch Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 201 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Urteil Achmea (Rn. 33).

( 33 ) Urteil Achmea (Rn. 33).

( 34 ) Urteil Achmea (Rn. 34). Vgl. auch Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 168 und 173 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 35 ) Urteil Achmea (Rn. 35). Vgl. auch Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 174).

( 36 ) Urteil Achmea (Rn. 37). Vgl. auch Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Urteil Achmea (Rn. 39 bis 42).

( 38 ) Urteil Achmea (Rn. 42 bis 56).

( 39 ) Urteil Achmea (Rn. 45 und 55).

( 40 ) Vgl. in diesem Sinne Basedow, J., „EU Law in International Arbitration: Referrals to the European Court of Justice“, Journal of International Arbitration, 2015, Bd. 32, Nr. 4, S. 367 bis 386, insbesondere S. 370.

( 41 ) Zur Originalität des Mechanismus vgl. Kessedjian, C., und Pironon, V., Droit du commerce international, 2. Aufl., Thémis, PUF, 2020, S. 209.

( 42 ) Urteil Achmea (Rn. 58).

( 43 ) Urteil Achmea (Rn. 59).

( 44 ) Hess, B., a. a. O., S. 8.

( 45 ) Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 46 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 19. Juli 2018 über den Schutz EU-interner Investitionen (COM[2018] 547 final).

( 47 ) Es geht hier nicht darum, zu leugnen, dass die Schiedsgerichte im Investitionsrecht zur Beachtung der Rechtsstaatlichkeit beigetragen haben (vgl. insoweit Sadowski, W., „Protection of the rule of law in the European Union through investment treaty arbitration: Is judicial monopolism the right response to illiberal tendencies in Europe?“, Common Market Law Review, 2018, Nr. 55, S. 1025 bis 1060). Gleichwohl ist ein solcher Beitrag nicht mit der zwischen den Mitgliedstaaten der Union gegebenen Zusicherung der Anerkennung und Einhaltung der Grundwerte, auf denen die Union beruht, darunter die Beachtung der Rechtsstaatlichkeit und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht, vergleichbar.

( 48 ) Ich denke dabei insbesondere an die Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32 und 33), vom 24. Juni 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit des Obersten Gerichts) (C‑619/18, EU:C:2019:531, Rn. 43 und 47), sowie vom 5. November 2019, Kommission/Polen (Unabhängigkeit der ordentlichen Gerichte) (C‑192/18, EU:C:2019:924, Rn. 98).

( 49 ) Erklärungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 15. und 16. Januar 2019 zu den Rechtsfolgen des Achmea-Urteils des Gerichtshofs und zum Investitionsschutz in der Europäischen Union, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf und https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7327320/achmea-declaration.pdf.

( 50 ) Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. 2020, L 169, S. 1). Das Übereinkommen ist von sämtlichen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Irland, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geschlossen worden.

( 51 ) Während das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, Irland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Republik Kroatien, die Italienische Republik, die Republik Zypern, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, Rumänien, die Slowakische Republik sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland allesamt erklärt haben, dass die Streitbeilegungsklausel des ECV ihrer Ansicht nach mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, haben das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Malta, die Republik Slowenien, die Republik Finnland und das Königreich Schweden ausdrücklich einen Vorbehalt hinsichtlich der Möglichkeit geäußert, die in jenem Urteil entwickelte Lösung auf den Streitbeilegungsmechanismus des ECV zu übertragen. Ungarn wiederum hat erklärt, dass diese Lösung seiner Auffassung nach keine Anwendung auf den Streitbeilegungsmechanismus von Art. 26 ECV finden kann. Vgl. Erklärungen der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 15. und 16. Januar 2019 zu den Rechtsfolgen des Achmea-Urteils des Gerichtshofs und zum Investitionsschutz in der Europäischen Union, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf und https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7327320/achmea-declaration.pdf.

( 52 ) Rn. 41.

( 53 ) Auch wenn ich vor Erlass des Urteils Achmea im Rahmen meiner akademischen Tätigkeiten die gegenteilige Auffassung nicht von vornherein ausgeschlossen habe, folge ich insoweit nunmehr der Argumentation des Gerichtshofs. Vgl. Szpunar, M., „Referrals of Preliminary Questions by Arbitral Tribunals to the CJEU“, in Ferrari, F. (Hrsg.), The Impact of EU Law on International Commercial Arbitration, Juris, 2017, S. 85 bis 124.

( 54 ) Urteil Achmea (Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 55 ) Urteil Achmea (Rn. 58).

( 56 ) Gutachten 1/91 (EWR-Abkommen – I) vom 14. Dezember 1991 (EU:C:1991:490, Rn. 40 und 70), Gutachten 1/09 vom 8. März 2011 (EU:C:2011:123, Rn. 74 und 76) sowie Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 182 und 183).

( 57 ) Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014 (EU:C:2014:2454, Rn. 183) und Urteil Achmea (Rn. 57).

( 58 ) Gutachten vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341).

( 59 ) Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 131).

( 60 ) Gutachten vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341).

( 61 ) Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada) vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 127).

( 62 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bot im Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada, EU:C:2019:72, Nr. 82).

( 63 ) Schlussanträge des Generalanwalts Bot im Gutachten 1/17 (CETA EU-Kanada, EU:C:2019:72, Nr. 84). Zu diesem Punkt vgl. auch Lenaerts, K., „Upholding the Rule of Law through Judicial Dialogue“, Yearbook of European Law, 2019, Bd. 38, S. 12.

( 64 ) Gutachten vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341).

( 65 ) Außerdem lässt sich nicht ausschließen, dass eine Auslegung von Art. 26 ECV durch den Gerichtshof erforderlich sein könnte, wenn die staatlichen Gerichte der Mitgliedstaaten einen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem Investor eines Drittstaats und einem Mitgliedstaat ergangenen Schiedsspruch, der eine Auslegung des Unionsrechts durch die Schiedsrichter beinhalten kann, zu überprüfen haben.

( 66 ) Vgl. insoweit Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 19. Juli 2018 über den Schutz EU-interner Investitionen (COM[2018] 547 final).

( 67 ) Für ein Beispiel möglicher Überschneidungen zwischen einem Vertrag zum Schutz und zur Förderung von Investitionen zwischen zwei Mitgliedstaaten und dem Unionsrecht vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Achmea (C‑284/16, EU:C:2017:699).

( 68 ) Die Parteien sind in der mündlichen Verhandlung zwar zu den Wirkungen des Urteils Achmea befragt worden, die Erörterung hat sich aber nur auf die Auswirkungen dieses Urteils auf die Vereinbarkeit des in Art. 26 ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus mit dem Unionsrecht bezogen. Ich möchte betonen, dass das erwähnte Urteil tatsächlich nicht die Vereinbarkeit der materiell-rechtlichen Regeln, sondern ausschließlich die Frage betrifft, ob ein ähnlicher durch ein BIT geschaffener Mechanismus mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

( 69 ) Vgl. zu diesem Punkt in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung Anatolie Stati, Gabriel Stati, Ascom Group SA and Terra Raf Trans Traiding Ltd/Kasachstan (Handelskammer Stockholm [CSS] Sache Nr. V 116/2010), Schiedsspruch vom 19. Dezember 2013, Rn. 806, und im Schrifttum Gaillard, E., Journal du droit international (Clunet), 2019, Anm. 6, S. 160.

( 70 ) Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV.

( 71 ) Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV.

( 72 ) Übereinkommen über das Recht der Verträge (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 353), abgeschlossen am 23. Mai 1969 in Wien; https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%201155/volume-1155-I-18232-French.pdf.

( 73 ) Zum Zirkelschluss der Investitionsdefinition vgl. Pyka, M., Pojęcie inwestycji w międzynarodowym arbitrażu inwestycyjnym, C.H. Beck, Warschau, 2018, S. 43 und 44.

( 74 ) Zweifel könnten hinsichtlich der Möglichkeit bestehen, die Auffassung zu vertreten, dass Stromlieferungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV, der sich auf „jedes kraft … eines privatrechtlichen Vertrags … verliehene Recht auf Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich“ bezieht, erfasst werden. Eine solche Argumentation war im Übrigen in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung gewählt worden (vgl. insoweit Petrobart Limited/Kirgisische Republik [CSS Sache Nr. 126/2003], Schiedsspruch vom 29. März 2005, S. 72). In Anbetracht der Auslegung, die ich von Art. 1 Nr. 6 Buchst. f ECV vorzunehmen vorschlage, sollte eine solche Möglichkeit gleichwohl ausgeschlossen werden. Vgl. Nrn. 121 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 75 ) Das Schrifttum vertritt die Ansicht, bei der Definition des Begriffs „Investition“ in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV sei allein auf die gewöhnliche Bedeutung dieses Begriffs abzustellen. Wie die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, wird in der englischen Sprachfassung des ECV nämlich eine Unterscheidung zwischen dem englischen Begriff „Investment“ im Sinne des ECV, der mit einem Großbuchstaben markiert ist, und dem englischen Begriff „investment“ ohne Großbuchstaben, diesmal in der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs, vorgenommen. „Investitionen“ ohne Großbuchstaben, die sich also von den durch den ECV geschützten „Investitionen“ mit Großbuchstaben unterscheiden, hätten eine objektive Bedeutung, auf die in den Nrn. 114 bis 116 der vorliegenden Schlussanträge hingewiesen werden soll. Da sich eine Forderung gemäß Art. 1 Nr. 6 Buchst. c ECV aus einem „mit einer Investition zusammenhängenden“ Vertrag ergeben müsse, dürfe der Begriff „Investition“ in diesem Fall folglich nur objektiv – unter Bezugnahme auf die übliche Bedeutung des Begriffs – verstanden werden. Vgl. hierzu Baltag, C., The Energy Charter Treaty: The Notion of Investor, Kluwer Law International, Alphen am Rhein, 2012, S. 174. Von diesem Argument, das nur auf der Typografie des Textes beruht, die im Übrigen nicht in allen Sprachfassungen des ECV zu finden ist, bin ich jedoch nicht ganz überzeugt.

( 76 ) U. a. ist der Begriff „Investition“ im Französischen als „Vermögensanlage zur Erzielung von Einkünften“ definiert (Dictionnaire de l’Académie française, 9. Aufl.). Im Englischen ist „investment“ als „the act of putting money … into something to make a profit“ definiert. Zur Entwicklung der Definition dieses Begriffs vgl. Gilles, A., La définition de l’investissement international, Larcier, Brüssel, 2012, S. 16 ff.

( 77 ) Vgl. Salini Costruttori S.p.A. und Italstrade S.p.A./Königreich Marokko (ICSID Sache Nr. ARB/00/4), Schiedsspruch vom 23. Juli 2001, 129 Journal du droit international 196 (2002), Rn. 52. Zur Analyse dieser Rechtsprechung vgl. Pyka, M., a. a. O., S. 63 bis 111, und Jeżewski, M., Międzynarodowe prawo inwestycyjne, C.H. Beck, Warschau, 2019, S. 127 bis 134.

( 78 ) Vgl. Baltag, C., a. a. O., S. 167 bis 183, sowie Kessedjian, C., und Pironon, V., a. a. O., S. 206.

( 79 ) Vgl. u. a. Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A./Königreich Spanien (ICSID Sache Nr. ARB/14/1), Schiedsspruch vom 16. Mai 2018, § 195 ff., sowie Isolux Netherlands BV/Königreich Spanien (SCC Sache Nr. V 2013/153), Schiedsspruch vom 17. Juli 2016, § 683 ff.

( 80 ) Vgl. Baltag, C., a. a. O., S. 178 ff., sowie Audit, M., Journal de droit international (Clunet), 2020, Nr. 3, S. 16.

( 81 ) Komstroy hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, der Beitrag bestehe in der Lieferung von Strom. Ein solches Argument kann jedoch nicht genügen, um den Stromlieferungsvertrag als „mit einer Investition zusammenhängenden Vertrag“ einzustufen, da dies noch lange nicht bedeutet, dass ein Risiko hinsichtlich der infolge eines solchen Beitrags erwarteten Renditen besteht.

( 82 ) Insbesondere durch den in Art. 26 ECV vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus. Auch wenn bestimmte Handelsgeschäfte bisweilen Merkmale aufweisen, die ihre Einstufung als „Investition“ rechtfertigen (vgl. zu diesem Punkt Pyka, M., a. a. O., S. 175 bis 181). Ich glaube nicht, dass hier eine solche Analyse vorgenommen werden kann.

( 83 ) Eine solche Auslegung geht im Übrigen noch klarer aus der englischen Sprachfassung des ECV hervor: „any right conferred … by contract … to undertake any economic activity in the energy sector“ (jedes kraft … eines privatrechtlichen Vertrags … verliehene Recht zur Aufnahme einer Wirtschaftstätigkeit im Energiebereich) (Hervorhebung nur hier).

( 84 ) Typisches Beispiel für ein solches vertragliches Recht wäre eine Konzession für den Betrieb einer Infrastruktur im Hoheitsgebiet der Vertragspartei.

( 85 ) Vgl. Nr. 107 der vorliegenden Schlussanträge.

( 86 ) Vgl. Nr. 135 der vorliegenden Schlussanträge.

( 87 ) Ich möchte klarstellen, dass Investitionen eines Investors eines nicht dem ECV angehörenden Staates zwar durchaus Investitionen im Sinne des ECV sind, es sich bei ihnen aber dennoch nicht um durch diesen Vertrag geschützte Investitionen handelt, da sich die materiellen Bestimmungen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen ausdrücklich und ausschließlich auf Investitionen von Investoren der Vertragsparteien beziehen. Vgl. u. a. Art. 10 ECV: „Jede Vertragspartei fördert und schafft … dauerhafte, gerechte, günstige und transparente Bedingungen für Investoren anderer Vertragsparteien, in ihrem Gebiet Investitionen vorzunehmen. Diese Bedingungen umfassen die Verpflichtung, den Investitionen von Investoren anderer Vertragsparteien stets eine faire und gerechte Behandlung zu gewähren“ (Hervorhebung nur hier).

( 88 ) Audit, M., a. a. O.

( 89 ) Dies gilt umso mehr, als die Vorstellung einer Lieferung bis zur Grenze bei Strom rein fiktiv ist. Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, sind die Stromnetze der Ukraine und Moldaus miteinander verbunden, so dass die Ansicht, der Strom werde bis zu einem Punkt A geliefert und in Erwartung seines Abrufs durch den Empfänger am selben Punkt gespeichert, abwegig ist.

Top