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Document 62019CC0254
Opinion of Advocate General Kokott delivered on 30 April 2020.#Friends of the Irish Environment Ltd v An Bord Pleanála.#Request for a preliminary ruling from the High Court (Irlande).#Reference for a preliminary ruling – Directive 92/43/EEC – Conservation of natural habitats and of wild fauna and flora – Article 6(3) – Scope – Concepts of ‘project’ and ‘agreement’ – Appropriate assessment of the implications of a plan or project for a protected site – Decision extending the duration of a development consent for the construction of a liquefied natural gas regasification terminal – Original decision based on national legislation which did not properly transposed Directive 92/43.#Case C-254/19.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 30. April 2020.
Friends of the Irish Environment Ltd gegen An Bord Pleanála.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 6 Abs. 3 – Geltungsbereich – Begriffe ‚Projekt‘ und ‚Zustimmung‘ – Prüfung von Plänen oder Projekten auf Verträglichkeit mit einem geschützten Gebiet – Entscheidung, mit der die Genehmigung zum Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas verlängert wird – Ursprüngliche Entscheidung, die auf eine nationale Regelung gestützt war, die die Richtlinie 92/43 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte.
Rechtssache C-254/19.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 30. April 2020.
Friends of the Irish Environment Ltd gegen An Bord Pleanála.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court (Irland).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Art. 6 Abs. 3 – Geltungsbereich – Begriffe ‚Projekt‘ und ‚Zustimmung‘ – Prüfung von Plänen oder Projekten auf Verträglichkeit mit einem geschützten Gebiet – Entscheidung, mit der die Genehmigung zum Bau eines Wiederverdampfungsterminals für verflüssigtes Erdgas verlängert wird – Ursprüngliche Entscheidung, die auf eine nationale Regelung gestützt war, die die Richtlinie 92/43 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte.
Rechtssache C-254/19.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:320
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 30. April 2020 ( 1 )
Rechtssache C‑254/19
Friends of the Irish Environment Limited
gegen
An Bord Pleanála,
Beteiligte:
Shannon LNG Limited
(Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Hoher Gerichtshof, Irland])
„Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 92/43/EWG – Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Angemessene Prüfung der Verträglichkeit von Plänen und Projekten – Anwendungsbereich – Verlängerung der Genehmigung, ein Wiederverdampfungsterminal für verflüssigtes Erdgas zu errichten – Einheitliche Maßnahme“
I. Einleitung
1. |
Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie ( 2 ) verlangt, dass Pläne oder Projekte, die ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten, einer Ex-ante-Prüfung im Hinblick auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen unterzogen werden. Doch ist die Verlängerung einer auf zehn Jahre befristeten Baugenehmigung um weitere fünf Jahre ein Plan oder Projekt im Sinne dieser Bestimmung? Oder sind die ursprüngliche Genehmigung und die Verlängerung als einheitliche Maßnahme anzusehen, so dass es keiner weiteren Prüfung bedarf? Diese Frage ist im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren des irischen High Court (Hoher Gerichtshof) zu klären. |
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
2. |
Die Genehmigung von Plänen und Projekten, die ein nach der Habitatrichtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie ( 3 ) geschütztes Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, ist in Art. 6 Abs. 2 und 3 der Habitatrichtlinie wie folgt geregelt: „(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten. (3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Abs. 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.“ |
B. Irisches Recht
3. |
Nach dem Vorabentscheidungsersuchen sind die folgenden Bestimmungen des Planning and Development Act 2000 (No. 30 of 2000) (Gesetz über Raumplanung und -entwicklung von 2000 [Nr. 30 aus 2000], im Folgenden: PDA 2000) relevant. |
4. |
Nach Section 40 Subsection (1) des PDA 2000 endet die Genehmigung nach Ablauf der Bauphase einer planungsrechtlichen Genehmigung: „40. – (1) Vorbehaltlich der Subsection (2) endet eine nach diesem Teil erteilte Genehmigung mit Ablauf des entsprechenden Zeitraums (jedoch unbeschadet der Gültigkeit der vor Ablauf dieser Frist vorgenommenen Änderungen),
|
5. |
Section 42 des PDA 2000 regelt die Verlängerung einer planungsrechtlichen Genehmigung. Kurz zusammengefasst, sieht Section 42 zwei alternative Fälle vor, in denen eine Verlängerung beantragt werden kann. Erstens, wenn wesentliche Arbeiten nach der planungsrechtlichen Genehmigung innerhalb des Zeitraums der begehrten Verlängerung durchgeführt werden und das Projekt in angemessener Frist abgeschlossen sein wird. Zweitens, wenn kommerzielle, wirtschaftliche oder technische Erwägungen, die außerhalb der Kontrolle eines Antragstellers liegen, in wesentlicher Weise gegen den Beginn des Projekts oder die Durchführung wesentlicher Arbeiten nach der planungsrechtlichen Genehmigung sprechen. |
6. |
Im zweiten Fall, d. h. bei kommerziellen, wirtschaftlichen oder technischen Erwägungen, ist in Section 42 eine Reihe von Schutzbestimmungen vorgesehen, die gewährleisten sollen, dass ältere planungsrechtliche Genehmigungen die weitere Entwicklung der Planung nicht beeinträchtigen. Beispielsweise kann eine Verlängerung nicht gewährt werden, wenn sich die Planungsziele seit dem Zeitpunkt der Genehmigung erheblich geändert haben, so dass das Projekt mit einer angemessenen Planung und nachhaltigen Entwicklung des Gebiets nicht mehr vereinbar wäre. Voraussetzung ist ferner, dass es nicht zu Widersprüchen zu ministeriellen Leitlinien kommt. |
7. |
Vor allem aber soll eine weitere vorgesehene Schutzbestimmung die Einhaltung sowohl der UVP-Richtlinie ( 4 ) als auch der Habitatrichtlinie gewährleisten. Insbesondere muss, soweit mit dem Projekt nicht begonnen worden ist, zur Überzeugung der örtlichen Planungsbehörde feststehen, dass vor Erteilung der planungsrechtlichen Genehmigung, soweit erforderlich, eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Verträglichkeitsprüfung oder beide Prüfungen durchgeführt wurden, Section 42 (1)(a)(ii)(IV). |
8. |
Section 42 enthält eine weitere Schutzbestimmung in Bezug auf die Zeitspanne, für die eine Verlängerung gewährt werden kann. Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass der zusätzliche Zeitraum fünf Jahre nicht überschreiten darf. Außerdem kann ein Antrag auf Verlängerung nur einmal gestellt werden. |
9. |
Die Sections 146B und 146C des PDA 2000 sehen ein Verfahren vor, nach dem eine bestimmte Art einer planungsrechtlichen Genehmigung, die für strategische Infrastrukturprojekte zur Verfügung steht, geändert werden kann. In diesen Sections findet sich keine ausdrückliche Regelung für die Durchführung von Vorprüfungen oder Verträglichkeitsprüfungen im Sinne der Habitatrichtlinie. |
10. |
Nach Section 50 des PDA 2000 kann die Gültigkeit einer planungsrechtlichen Entscheidung nur im Wege einer Klage auf gerichtliche Überprüfung angefochten werden. Eine Klage muss innerhalb einer Frist von acht Wochen erhoben werden. Der High Court verfügt über ein Ermessen, die Frist unter bestimmten Umständen zu verlängern. |
11. |
Das Bestehen dieser Frist wird von den nationalen Gerichten dahin ausgelegt, dass ein Rechtssuchender in einem Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gegen eine spätere planungsrechtliche Entscheidung keine Einwendungen geltend machen kann, die sich im Wesentlichen gegen eine frühere planungsrechtliche Entscheidung richten, für die die Frist bereits lange abgelaufen ist. Dies stellt das Gericht anhand der Begründung der Klage fest und nicht lediglich aufgrund des förmlichen Klageantrags. |
III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen
12. |
Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich der nachfolgend dargestellte Sachverhalt. |
13. |
Am 31. März 2008 genehmigte An Bord Pleanála, die irische Planungsbehörde, ein Gasterminal, genauer gesagt ein Wiederverdampfungsterminal für verflüssigtes Erdgas. |
14. |
Das geplante Projekt soll an zwei jetzige Natura-2000-Gebiete angrenzen, nämlich an das besondere Schutzgebiet nach der Habitatrichtlinie „Lower River Shannon“ (Unterlauf Shannon – Gebietscode IE0002165) und an das besondere Schutzgebiet nach der Vogelschutzrichtlinie „River Shannon and River Fergus Estuaries“ (Estuare der Flüsse Shannon und Fergus – Gebietscode IE0004077). |
15. |
Die Genehmigung wurde aufgrund einer nationalen Regelung erteilt, die die Habitatrichtlinie nicht ordnungsgemäß umsetzte. In dem förmlichen Bescheid über die Erteilung der planungsrechtlichen Genehmigung wird daher auf die Habitatrichtlinie und die beiden europäischen Schutzgebiete in keiner Weise Bezug genommen. Demnach kann nach dem Vorabentscheidungsersuchen nicht angenommen werden, dass die Entscheidung „vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten, die […] geplant waren, auszuräumen“. ( 5 ) |
16. |
Die Genehmigung sah eine zehnjährige Frist für die Durchführung und den Abschluss der geplanten Arbeiten an dem Projekt (im Folgenden: Bauphase) vor. Für den anschließenden Betrieb des Gasterminals (im Folgenden: Betriebsphase) gab es keine Frist. |
17. |
Tatsächlich wurde innerhalb dieser Zehnjahresfrist mit keinerlei Arbeiten an dem Projekt begonnen. Der Projektträger führt die Verzögerungen u. a. auf Änderungen der irischen Regelung für den Zugang zum nationalen Gasübertragungsnetz und allgemeiner auf die wirtschaftliche Situation von 2008 zurück. |
18. |
Im September 2017 beantragte der Projektträger eine Änderung der Projektbedingungen dahin, die Bauphase um weitere fünf Jahre zu verlängern. Diesem Antrag wurde durch eine Entscheidung der Planungsbehörde stattgegeben, so dass die Bauphase nunmehr am 31. März 2023 ausläuft. |
19. |
Friends of the Irish Environment hat die Verlängerung der Bauphase im Wege eines Verfahrens zur gerichtlichen Überprüfung vor dem High Court angefochten. |
20. |
Der High Court richtet daher die folgenden Fragen an den Gerichtshof:
|
21. |
Friends of the Irish Environment, An Bord Pleanála, d. h. die irische Planungsbehörde, und die Europäische Kommission haben sich schriftlich geäußert. Da der Gerichtshof der Auffassung ist, ausreichend unterrichtet zu sein, hat er auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. |
IV. Rechtliche Würdigung
22. |
Die erste, die zweite und die vierte Frage des Vorabentscheidungsersuchens sollen klären, ob Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie überhaupt auf die Verlängerung einer Baugenehmigung anwendbar ist. Dagegen betrifft die dritte Frage die Vorprüfung, ob die Verlängerungsentscheidung Schutzgebiete erheblich beeinträchtigen kann, so dass die volle Prüfung durchgeführt werden müsste. Mit der fünften Frage möchte der High Court erfahren, ob er aus eigener Initiative innerstaatliches Recht in Übereinstimmung mit der Habitatrichtlinie auslegen muss oder ob die Beteiligten dies vortragen müssen. Die sechste Frage schließlich betrifft die Bindungswirkung der ursprünglichen Genehmigung für die Prüfung der Einwände gegen die Verlängerungsentscheidung. |
A. Fragen 1, 2 und 4 – Verpflichtung zur Ex-ante-Prüfung
23. |
Die ersten beiden Fragen und die vierte Frage, die gemeinsam zu behandeln sind, sollen klären, ob die Entscheidung zur Verlängerung einer Genehmigung zur Errichtung einer Anlage als Zustimmung zu einem Projekt anzusehen ist, so dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie Anwendung findet. Dabei will der High Court mit der zweiten Frage erfahren, ob bestimmte Erwägungen dafür maßgeblich sind. Die vierte Frage verstehe ich dahin gehend, ob die die Verlängerung der Bauphase im vorliegenden Fall anders zu beurteilen ist als die Verlängerung der Betriebsphase, die Gegenstand eines jüngeren Urteils zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken ( 6 ) war. |
24. |
Art. 6 der Habitatrichtlinie enthält eine ganze Reihe besonderer Verpflichtungen und Verfahren, die, wie sich aus ihrem Art. 2 Abs. 2 ergibt, darauf abzielen, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von Interesse für die Europäische Union zu bewahren oder gegebenenfalls wiederherzustellen. ( 7 ) |
25. |
Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie sieht hierzu ein Prüfverfahren vor, das durch eine Ex-ante-Prüfung gewährleisten soll, dass Pläne oder Projekte nur genehmigt werden, soweit sie das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen. ( 8 ) |
26. |
Zu diesem Zweck sieht Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie zwei Phasen vor. Die erste, in Satz 1 dieser Bestimmung niedergelegte Phase verlangt von den Mitgliedstaaten eine Prüfung der Verträglichkeit von Plänen oder Projekten mit einem geschützten Gebiet, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Pläne oder Projekte dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen. In der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen zweiten Phase, die sich an die genannte Verträglichkeitsprüfung anschließt, wird die Zustimmung zu einem solchen Plan oder Projekt vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 6 Abs. 4 der Habitatrichtlinie nur erteilt, wenn das betreffende Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. ( 9 ) |
27. |
Die Zweifel des innerstaatlichen Gerichts beruhen darauf, dass die Errichtung des Gasterminals bereits durch die Entscheidung von 2008 bestandskräftig genehmigt war und die streitgegenständliche Entscheidung von 2018 die Wirksamkeit dieser Genehmigung nur verlängert hat. Zu klären ist somit, ob diese zweite Entscheidung eine Zustimmung zu einem Plan oder Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie ist. |
28. |
Insofern ist zunächst festzustellen, dass die irische Planungsbehörde dem Vorhaben zugestimmt hat, indem sie im Jahr 2018 die streitgegenständliche Genehmigung erteilte. Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Habitatrichtlinie ist eine solche Zustimmung nur zulässig, wenn die Behörde unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung festgestellt hat, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. |
29. |
Die irische Planungsbehörde hält dem vor allem entgegen, dass der Gerichtshof die Verlängerung einer Betriebsgenehmigung nicht als Genehmigung eines Projekts im Sinne der UVP-Richtlinie ansieht, wenn sie nicht mit Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung des materiellen Zustands des Platzes verbunden ist. ( 10 ) Dieser Einwand überzeugt jedoch nicht, denn der Projektbegriff der UVP-Richtlinie, die die allgemeine Prüfung der Umweltauswirkungen von Projekten zum Gegenstand hat, ist enger definiert als in der Habitatrichtlinie. ( 11 ) Darüber hinaus läge auch nach den Maßstäben der UVP-Richtlinie eine Projektgenehmigung vor, denn ohne die Verlängerung der Genehmigung dürfte das Gasterminal nicht errichtet werden; also könnten die vorgesehenen Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands des Platzes nicht durchgeführt werden. |
30. |
Allerdings könnte eine Prüfung der Verlängerung verzichtbar sein, wenn sie und die Entscheidung von 2008 als eine einzige, einheitliche Maßnahme anzusehen sind. Weitere Schritte zur Verwirklichung einer solchen einheitlichen Maßnahme bedürften keiner erneuten Prüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie. ( 12 ) |
31. |
Einerseits kann nach dem Gerichtshof eine wiederkehrende Tätigkeit, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Habitatrichtlinie nach dem innerstaatlichen Recht genehmigt worden war, dennoch bei jedem späteren Eingriff als gesondertes Projekt im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden. Denn andernfalls wäre diese Tätigkeit auf Dauer jeder vorherigen Prüfung auf Verträglichkeit mit dem betreffenden Gebiet entzogen. ( 13 ) |
32. |
Andererseits lässt der Gerichtshof es trotzdem zu, bestimmte Tätigkeiten im Hinblick u. a. auf ihren wiederkehrenden Charakter, ihre Art oder die Umstände ihrer Ausführung als einheitlichen Vorgang zu betrachten, so dass sie als ein und dasselbe Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie angesehen werden können. ( 14 ) In diesem Fall käme lediglich die Anwendung des Verschlechterungsverbots nach Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie in Betracht, ( 15 ) der nur unter bestimmten Umständen eine Prüfung der Vereinbarkeit mit den Erhaltungszielen von Schutzgebieten verlangt. ( 16 ) |
33. |
Diese Rechtsprechung entstand vor dem Hintergrund der zeitlichen Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie. Bei einem Altprojekt, das vor der Anwendbarkeit der Schutzregelung erstmals zugelassen wurde, kann ihre spätere Anwendung nämlich eine erhebliche zusätzliche Belastung bedeuten, so dass der Projektentwickler besonders schutzwürdig ist. Sie zielt daher nach meinem Dafürhalten darauf ab, das berechtigte Vertrauen von Projektentwicklern durch eine begrenzte Einschränkung der Prüfungspflichten des Art. 6 Abs. 3 zu schützen. |
34. |
Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar nicht um wiederkehrende Tätigkeiten, doch betreffen die ursprüngliche Genehmigung von 2008 und die streitgegenständliche Genehmigung das gleiche Vorhaben. Im Übrigen hebt die Planungsbehörde hervor, dass die streitgegenständliche Genehmigung den Umfang des Vorhabens und seine potenziellen Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere auf die betroffenen Schutzgebiete, abgesehen von der Verlängerung der Bauphase, nicht verändert hat. |
35. |
Gleichwohl sprechen die Art und die Umstände der Verlängerungsentscheidung dagegen, sie gemeinsam mit der Genehmigung von 2008 als einen einheitlichen Vorgang anzusehen und das Projekt dadurch gegenüber der nach dem Wortlaut angezeigten Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie zu privilegieren. |
36. |
Erstens handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Altprojekt, das genehmigt wurde, bevor Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie anwendbar wurde. Vielmehr unterlag bereits die Genehmigung von 2008 diesen Anforderungen. Daher besteht aus unionsrechtlicher Sicht ein deutlich geringerer Anlass, den Projektentwickler durch die Rechtsfigur der einheitlichen Maßnahme zu schützen. |
37. |
Denn bei einer angemessenen Prüfung der Genehmigung von 2008 wäre der Aufwand für eine Verträglichkeitsprüfung der Verlängerungsentscheidung sehr begrenzt. Man könnte im Wesentlichen auf die frühere Prüfung verweisen und müsste lediglich die seitdem eingetretenen Veränderungen berücksichtigen. |
38. |
Wenn das ursprüngliche Vorhaben aber unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 genehmigt wurde, ist der Projektentwickler deutlich weniger schutzwürdig als im Fall einer Altgenehmigung, die den strengeren Anforderungen noch nicht unterlag. Das gilt umso mehr, als die wesentlichen Anforderungen der Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 nicht erst seit dem im Vorabentscheidungsersuchen erwähnten Urteil gegen Irland ( 17 ) bekannt waren, das kurz vor der Genehmigung von 2008 erging, sondern schon deutlich früher vom Gerichtshof präzisiert wurden. ( 18 ) Gerade bei einem Großprojekt wie dem vorliegenden mussten dem Projektentwickler diese Anforderungen des Unionsrechts bewusst sein, selbst wenn die Genehmigung von 2008 möglicherweise dem innerstaatlichen Recht genügte. |
39. |
Zweitens sieht das irische Recht ausdrücklich vor, dass eine Verlängerung der Bauphase eine erneute Genehmigung voraussetzt. Dementsprechend spricht der High Court zu Recht in Frage 2 Buchst. c den Umstand an, dass die Errichtung des Gasterminals ohne die streitgegenständliche Genehmigung nicht möglich wäre, weil die ursprünglich eingeräumte Bauphase abgelaufen ist. |
40. |
In diesem Sinne hat der Gerichtshof im Urteil zur Verlängerung der Laufzeit von Kernkraftwerken betont, dass die Laufzeit der fraglichen Anlagen bereits abgelaufen war bzw. demnächst abgelaufen wäre und nur durch die streitgegenständliche Regelung verlängert worden ist. ( 19 ) Dagegen wurden die wiederkehrenden Unterhaltungsmaßnahmen einer Wasserstraße, die der Gerichtshof als mögliche einheitliche Maßnahmen anerkannt hat, ( 20 ) bereits in einer einzigen Genehmigung zugelassen, bevor Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie anwendbar wurde. ( 21 ) |
41. |
Die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie auf die Verlängerung entspricht im Übrigen dem Zweck einer befristeten Genehmigung zur Durchführung bestimmter Arbeiten. Der Ablauf der Frist erlaubt und erfordert in der Regel eine Überprüfung, ob die Voraussetzungen der Genehmigung weiterhin vorliegen. Daher sehen etwa die Richtlinie über Industrieemissionen ( 22 ) und die Pflanzenschutzverordnung ( 23 ) vor, dass Genehmigungen nur befristet erteilt und vor ihrer Verlängerung überprüft werden. Diese Genehmigungen haben zwar nicht die Bauphase eines Vorhabens, sondern die Betriebsphase bzw. die Nutzungsphase zum Gegenstand. Aber auch bei der Bauphase gilt, dass die maßgeblichen Umstände und Regelungen nach Ablauf der Befristung anders liegen können als bei der erstmaligen Genehmigung. |
42. |
Insofern ist es vor allem von praktischer Bedeutung, dass die Genehmigung von 2008 aufgrund einer Bestimmung des innerstaatlichen Rechts erteilt wurde, die die Habitatrichtlinie nicht ordnungsgemäß umsetzte (Frage 2 Buchst. a) und dass sie keine vollständigen, präzisen und endgültigen Feststellungen enthielt, die geeignet waren, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten, die geplant waren, auszuräumen (Frage 2 Buchst. b). Beides führt dazu, dass die Prüfung der Genehmigung von 2008 nur sehr begrenzte Bedeutung für die Überprüfung der Verlängerung hat. ( 24 ) Wenn aber eine ursprüngliche Prüfung unzureichend war, ist es erst recht geboten, etwaige Lücken anlässlich einer neuen Entscheidung zu schließen. ( 25 ) |
43. |
Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Die durch die Genehmigung von 2008 begründete Rechtssicherheit und ein etwaiges berechtigtes Vertrauen konnten sich nämlich nur auf den Zeitraum beziehen, während dessen nach dieser Genehmigung das Gasterminal errichtet werden durfte. |
44. |
Die streitgegenständliche Genehmigung bezieht sich jedoch auf die Zeit nach Ablauf der Bauphase der Genehmigung von 2008. Für diesen Zeitraum konnte die ältere Entscheidung weder Rechtssicherheit noch berechtigtes Vertrauen begründen. Vielmehr steht fest, dass die Errichtung des Gasterminals ohne die streitgegenständliche Genehmigung nicht möglich ist, weil die ursprünglich eingeräumte Bauphase abgelaufen ist. Für die neue Bauphase gilt hingegen, dass es sich um eine Situation handelt, die nicht als bereits festgelegt betrachtet werden konnte, so dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie anwendbar ist. ( 26 ) |
45. |
Daher zieht Friends of the Irish Environment zu Recht einen Vergleich zum Urteil Wells ( 27 ), das die UVP-Richtlinie betraf. Diese Richtlinie verlangt zwar aus Gründen der Rechtssicherheit keine Prüfung der Umweltverträglichkeit in den Fällen, in denen eine Genehmigung nach dem Termin für die Umsetzung der UVP-Richtlinie erteilt wurde, das Genehmigungsverfahren jedoch vor diesem Zeitpunkt förmlich eingeleitet worden war (sogenannte „Pipeline“-Projekte). ( 28 ) Allerdings gilt eine Entscheidung, die notwendig ist, um zu verhindern, dass eine bestehende Genehmigung erlischt, als neue Genehmigung im Sinne der UVP-Richtlinie, die einer Prüfung bedarf. ( 29 ) |
46. |
Drittens ermöglicht die Verlängerungsentscheidung im vorliegenden Fall die erstmalige Durchführung der Arbeiten, also einer Maßnahme, die nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie daraufhin untersucht werden sollte, ob sie die betroffenen Schutzgebiete erheblich beeinträchtigen kann. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung hat aber entscheidende Bedeutung dafür, ob eine Verträglichkeitsprüfung nötig ist, ( 30 ) denn die Verhinderung derartiger Gefahren ist das Ziel der Prüfung. ( 31 ) |
47. |
Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu wiederkehrenden Aktivitäten, die unter bestimmten Umständen als einheitliche Maßnahme anerkannt werden können, ( 32 ) denn solche Maßnahmen werden in der Regel bei der unveränderten Wiederholung ein Schutzgebiet nicht zusätzlich beeinträchtigen. |
48. |
Frage 2 Buchst. d geht dahin, ob dieser dritte Gesichtspunkt derartig bedeutsam ist, dass die Verlängerungsentscheidung nicht geprüft werden müsste, wenn bereits bestimmte Arbeiten zur Verwirklichung des Projekts durchgeführt worden wären, ein Teil der Beeinträchtigungen also bereits eingetreten wäre. |
49. |
Diese Frage bedarf allerdings im vorliegenden Verfahren keiner Beantwortung, denn es wurden eben noch keine Arbeiten durchgeführt. Darüber hinaus hätten auch derartige Arbeiten nach dem Vorabentscheidungsersuchen kein Recht begründet, das Vorhaben auch nach Ablauf der genehmigten Bauphase zu Ende zu führen. ( 33 ) |
50. |
Somit ist die Entscheidung zur Verlängerung der Genehmigung zur Errichtung einer Anlage, in deren Abwesenheit keine Arbeiten vorgenommen werden dürfen, als eigenständige Zustimmung zu einem Projekt anzusehen, so dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie Anwendung findet. |
B. Frage 3 – Vorprüfung
51. |
Mit der dritten Frage möchte der High Court erfahren, welche Erwägungen die zuständige Behörde bei einer Vorprüfung im Rahmen der Phase 1 nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie zu berücksichtigen hat. |
52. |
Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebiets in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. |
53. |
Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie macht das Erfordernis einer Prüfung von Plänen oder Projekten auf ihre Verträglichkeit somit von der Voraussetzung abhängig, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass sie das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen. ( 34 ) In Anbetracht insbesondere des Vorsorgegrundsatzes ist davon auszugehen, dass eine solche Gefahr besteht, wenn sich auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließen lässt, dass der Plan oder das Projekt die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigt. ( 35 ) Die Beurteilung der Gefahr ist namentlich anhand der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von einem solchen Plan oder Projekt betroffenen Gebiets vorzunehmen. ( 36 ) |
54. |
Somit muss die Vorprüfung die genannten Gesichtspunkte umfassend berücksichtigen, um den Verzicht auf eine volle Prüfung zu rechtfertigen. |
55. |
Die – anscheinend implizite – Feststellung der Planungsbehörde im Zusammenhang mit der Genehmigung von 2008, dass das Vorhaben das Gebiet als solches nicht beeinträchtigen würde, ist in diesem Zusammenhang nur ein tatsächliches Indiz. Sein Gewicht hängt von den Gründen ab, auf die die Planungsbehörde diese Feststellung gestützt hat. Da diese Genehmigung nach dem Vorabentscheidungsersuchen aber schon im Jahr 2008 keine vollständigen, präzisen und endgültigen Feststellungen enthielt, die geeignet waren, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen, kann sie heute erst recht die Gefahr der Beeinträchtigung des Gebiets nicht ausschließen. |
56. |
Vielmehr bedürfte es weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse, um auf die Verträglichkeitsprüfung zu verzichten. Diese Erkenntnisse müssten erstens die Lücken der Prüfung von 2008 schließen und zweitens die zwischenzeitlichen Änderungen des Vorhabens, der betroffenen geschützten Lebensräume und Arten ( 37 ) sowie der wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen. Gegebenenfalls müssen zwischenzeitlich neu hinzugekommene andere Pläne und Projekte einbezogen werden, wenn diese gemeinsam mit dem zu untersuchenden Plan oder Projekt das Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten. |
57. |
Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass die Verträglichkeitsprüfung des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Habitatrichtlinie durchgeführt werden muss, wenn sich auf der Grundlage der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausschließen lässt, dass der Plan oder das Projekt die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigt. Eine frühere Prüfung des gleichen Plans oder Projekts kann diese Gefahr nur in dem Umfang ausschließen, in dem sie vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthält, die geeignet sind, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen der Arbeiten auszuräumen. Die Vorprüfung muss daher zusätzlich etwaige Lücken dieser früheren Prüfung schließen und berücksichtigen, ob zwischenzeitlich das Vorhaben geändert wurde, ob andere Pläne und Projekte neu hinzugekommen sind, die gemeinsam mit dem zu untersuchenden Plan oder Projekt das Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, aber auch, ob bei den betroffenen geschützten Lebensräumen und Arten Änderungen eingetreten sind und ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. |
C. Frage 5 – Konforme Auslegung und Parteivorbringen
58. |
Mit der fünften Frage möchte der High Court erfahren, wie weit die Verpflichtung zur konformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts reicht, wenn die Beteiligten diese Auslegung nicht ausdrücklich geltend gemacht haben. |
59. |
Hintergrund dieser Frage ist der Umstand, dass die Planungsbehörde die streitgegenständliche Verlängerung der Genehmigung nicht auf Bestimmungen gestützt hat, die eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie vorsehen, nämlich Section 42 PDA 2000, sondern auf Sections 146B und 146C PDA 2000, die keine solche Prüfung erfordern. Die Wahl der Rechtsgrundlage sei allerdings nicht ausdrücklich Gegenstand der Klage des Ausgangsverfahrens gewesen. |
60. |
Die Bezugnahme auf die ausdrückliche Geltendmachung eines bestimmten Angriffsmittels legt nahe, die Rechtsprechung heranzuziehen, wonach Gerichte bestimmte Fragen von Amts wegen prüfen müssen. Danach gebietet das Unionsrecht den nationalen Gerichten zwar nicht, von Amts wegen die Frage eines Verstoßes gegen unionsrechtliche Bestimmungen zu prüfen, wenn sie durch die Prüfung dieser Frage die von den Parteien bestimmten Grenzen des Rechtsstreits überschreiten müssten. Diese Gerichte müssen die rechtlichen Gesichtspunkte, die sich aus einer zwingenden Unionsvorschrift ergeben, nur von Amts wegen aufgreifen, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht verpflichtet oder berechtigt sind, dies im Fall einer zwingenden Vorschrift des innerstaatlichen Rechts zu tun. ( 38 ) |
61. |
Bei genauerer Betrachtung ist diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall jedoch nicht einschlägig, denn Friends of the Irish Environment hat – soweit aufgrund der Akte ersichtlich – tatsächlich durchgängig geltend gemacht, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie verletzt worden sei. Es besteht also kein Anlass, diese Frage von Amts wegen zu prüfen. |
62. |
Vielmehr geht die Frage dahin, ob die Berufung auf diese Bestimmung davon abhängig gemacht werden darf, dass die Partei sich auch auf die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts beruft, deren Anwendung und konforme Auslegung notwendig ist, um einem etwaigen Verstoß gegen das Unionsrecht abzuhelfen. |
63. |
Wie Friends of the Environment und die Kommission zutreffend darlegen, ist die Rechtsprechung in diesem Punkt eindeutig. |
64. |
Der Gerichtshof hat nämlich wiederholt entschieden, dass die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und ihre Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten obliegen, einschließlich – im Rahmen ihrer Zuständigkeiten – der Gerichte. ( 39 ) |
65. |
Folglich müssen die mit der Auslegung des innerstaatlichen Rechts betrauten innerstaatlichen Gerichte bei dessen Anwendung sämtliche innerstaatlichen Rechtsnormen berücksichtigen und die im innerstaatlichen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird. ( 40 ) |
66. |
Falls dies nicht möglich ist, gebietet es der Vorrang des Unionsrechts, dass die innerstaatlichen Gerichte, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Bestimmung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen. ( 41 ) Eingeschränkt wird diese Verpflichtung dadurch, dass zumindest eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. ( 42 ) |
67. |
Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Parteien vor den innerstaatlichen Gerichten im Einzelnen ausdrücklich vortragen, welche Normen des innerstaatlichen Rechts diese Gerichte konform auslegen oder unangewendet lassen sollen. Die Identifikation dieser Normen und die Entwicklung der Vorgehensweise, um einen etwaigen Widerspruch zwischen dem innerstaatlichen Recht und dem Unionsrecht zu beseitigen, ist vielmehr Teil der Verpflichtung der innerstaatlichen Gerichte, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen. |
68. |
Im Ausgangsfall ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, warum der High Court sich um die Feststellung der richtigen Rechtsgrundlage für die Verlängerung der Bauphase bemühen müsste, wenn er feststellen sollte, dass die Verlängerung unter Verletzung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie gewährt wurde. |
69. |
Jedenfalls setzt die Verpflichtung eines innerstaatlichen Gerichts, innerstaatliche Rechtsvorschriften so weit wie möglich im Einklang mit dem Unionsrecht auszulegen, nicht voraus, dass die Beteiligten des bei ihm anhängigen Verfahrens diese spezifische Auslegung ausdrücklich vortragen, falls diese Beteiligten zumindest die Verletzung der maßgeblichen Bestimmungen des Unionsrechts rügen. |
D. Frage 6 – Präklusion
70. |
Mit der sechsten Frage möchte der High Court erfahren, ob er eine Regelung des innerstaatlichen Verfahrensrechts unangewendet lassen muss, wonach es einer anfechtenden Partei verwehrt ist, im Kontext eines späteren Genehmigungsantrags die Gültigkeit einer früheren (abgelaufenen) Genehmigung anzufechten. |
71. |
Diese Frage wird nur für den Fall gestellt, dass Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie deshalb auf die Verlängerung anzuwenden ist, weil die ursprüngliche Genehmigung aufgrund einer Bestimmung des nationalen Rechts erteilt wurde, durch die die Habitatrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Wie bereits dargelegt, ist dieser Gesichtspunkt jedoch nicht maßgeblich, ( 43 ) so dass eine Beantwortung nicht notwendig ist. |
72. |
Diese Frage wirft im Übrigen erneut die Gedanken der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auf. Soweit diese für die Anwendung von Art. 6 Abs. 3 der Habitatrichtlinie von Belang sind, kommen sie jedoch in der Rechtsfigur der einheitlichen Maßnahme zur Geltung, die bereits erörtert wurde. ( 44 ) Auch daher bedarf die sechste Frage keiner gesonderten Beantwortung. |
V. Ergebnis
73. |
Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:
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( 1 ) Originalsprache: Deutsch.
( 2 ) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7), in der Fassung der Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Umwelt aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien (ABl. 2013, L 158, S. 193).
( 3 ) Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7), in der Fassung der Richtlinie 2013/17.
( 4 ) Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2011, L 26, S. 1), in der Fassung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 (ABl. 2014, L 124, S. 1).
( 5 ) Der High Court bezieht sich dabei auf das Urteil vom 24. November 2011, Kommission/Spanien (Alto Sil) (C‑404/09, EU:C:2011:768, vermutlich Rn. 100).
( 6 ) Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622).
( 7 ) Urteile vom 21. Juli 2016, Orleans u. a. (C‑387/15 und C‑388/15, EU:C:2016:583, Rn. 31), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 106).
( 8 ) Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 34), und vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Waldgebiet Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 108).
( 9 ) Urteile vom 11. April 2013, Sweetman u. a. (C‑258/11, EU:C:2013:220, Rn. 29 und 31), vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 110, 111 und 115), sowie vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 92 und 99).
( 10 ) Urteile vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 24), und vom 19. April 2012, Pro-Braine u. a. (C‑121/11, EU:C:2012:225, Rn. 32). Siehe aber meine Schlussanträge in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2018:972, Nrn. 66 ff.). Ich verstehe das Urteil des Gerichtshofs in dieser Sache dahin gehend, dass es nicht notwendig war, über meine Zweifel an der bestehenden Rechtsprechung zu entscheiden.
( 11 ) Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 65 und 66).
( 12 ) In diesem Sinne Urteile vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 48), und vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 80).
( 13 ) Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 28), vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 41 und 42), vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 77), sowie vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 127).
( 14 ) Urteile vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 47), vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 78), sowie vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 128).
( 15 ) Urteil vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 49).
( 16 ) Vgl. Urteil vom 14. Januar 2016, Grüne Liga Sachsen u. a. (C‑399/14, EU:C:2016:10, Rn. 44).
( 17 ) Urteil vom 13. Dezember 2007, Kommission/Irland (C‑418/04, EU:C:2007:780).
( 18 ) Urteil vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, insbesondere Rn. 59).
( 19 ) Urteil vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 130).
( 20 ) Urteil vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 47).
( 21 ) Urteil vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 11).
( 22 ) Art. 21 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (ABl. 2010, L 334, S. 159).
( 23 ) Art. 5 und 14 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L 309, S. 1).
( 24 ) Siehe dazu nachfolgend, Nrn. 55 und 56.
( 25 ) Vgl. zur UVP-Richtlinie die Urteile vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a. (C‑275/09, EU:C:2011:154, Rn. 37), und vom 17. November 2016, Stadt Wiener Neustadt (C‑348/15, EU:C:2016:882, Rn. 44).
( 26 ) Vgl. Urteil vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a. (C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 103).
( 27 ) Urteil vom 7. Januar 2004 (C‑201/02, EU:C:2004:12).
( 28 ) Urteile vom 18. Juni 1998, Gedeputeerde Staten van Noord-Holland (C‑81/96, EU:C:1998:305, Rn. 23 und 24), und vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 94 und 95).
( 29 ) Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 45 bis 47).
( 30 ) Urteil vom 7. November 2018, Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:882, Rn. 82).
( 31 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Coöperatie Mobilisation for the Environment u. a. (C‑293/17 und C‑294/17, EU:C:2018:622, Nr. 136) und in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2018:972, Nrn. 171 und 172).
( 32 ) Urteil vom 14. Januar 2010, Stadt Papenburg (C‑226/08, EU:C:2010:10, Rn. 47).
( 33 ) Siehe oben, Nr. 4.
( 34 ) Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 43), und vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 134).
( 35 ) Urteile vom 7. September 2004, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging (C‑127/02, EU:C:2004:482, Rn. 44), und vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 134).
( 36 ) Urteile vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 112), und vom 29. Juli 2019, Inter-Environnement Wallonie und Bond Beter Leefmilieu Vlaanderen (C‑411/17, EU:C:2019:622, Rn. 134).
( 37 ) In diesem Sinne Urteil vom 11. September 2012, Nomarchiaki Aftodioikisi Aitoloakarnanias u. a. (C‑43/10, EU:C:2012:560, Rn. 115).
( 38 ) Urteile vom 14. Dezember 1995, van Schijndel und van Veen (C‑430/93 und C‑431/93, EU:C:1995:441, Rn. 13, 14 und 22), vom 24. Oktober 1996, Kraaijeveld u. a. (C‑72/95, EU:C:1996:404, Rn. 57, 58 und 60), vom 12. Februar 2008, Kempter (C‑2/06, EU:C:2008:78, Rn. 45), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 32 und 35).
( 39 ) Urteile vom 10. April 1984, von Colson und Kamann (14/83, EU:C:1984:153, Rn. 26), vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, EU:C:1997:628, Rn. 40), und vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 38).
( 40 ) Urteile vom 25. Februar 1999, Carbonari u. a. (C‑131/97, EU:C:1999:98, Rn. 49 und 50), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113 bis 116), vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 39), und vom 14. Mai 2019, CCOO (C‑55/18, EU:C:2019:402, Rn. 69).
( 41 ) Urteile vom 9. März 1978, Simmenthal (106/77, EU:C:1978:49, Rn. 24), vom 4. Dezember 2018, Minister for Justice and Equality und Commissioner of An Garda Síochána (C‑378/17, EU:C:2018:979, Rn. 35), und Urteil vom 19. Dezember 2019, Deutsche Umwelthilfe (C‑752/18, EU:C:2019:1114, Rn. 42).
( 42 ) Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Siehe aber auch das Urteil vom 7. Januar 2004, Wells (C‑201/02, EU:C:2004:12, Rn. 57 und 58).
( 43 ) Siehe oben, Nr. 42.
( 44 ) Siehe oben, Nrn. 30 ff.