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Document 62019CC0147

    Schlussanträge des Generalanwalts E. Tanchev vom 16. Juli 2020.
    Atresmedia Corporación de Medios de Comunicación SA.gegen Asociación de Gestión de Derechos Intelectuales (AGEDI) und Artistas e Intérpretes o Ejecutantes, Sociedad de Gestión de España (AIE).
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte – Richtlinie 92/100/EWG – Art. 8 Abs. 2 – Richtlinie 2006/115/EG – Art. 8 Abs. 2 – Öffentliche Wiedergabe eines audiovisuellen Werks, in das ein Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines Tonträgers eingefügt wurde – Einzige angemessene Vergütung.
    Rechtssache C-147/19.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:597

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    EVGENI TANCHEV

    vom 16. Juli 2020 ( 1 )

    Rechtssache C‑147/19

    Atresmedia Corporación de Medios de Comunicación SA

    gegen

    Asociación de Gestión de Derechos Intelectuales (AGEDI),

    Artistas Intérpretes o Ejecutantes, Sociedad de Gestión de España (AIE)

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof, Spanien])

    „Vorabentscheidungsersuchen – Vermietrecht und Verleihrecht sowie bestimmte dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte im Bereich des geistigen Eigentums – Öffentliche Wiedergabe von zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgern – Entschädigungsanspruch – Einzige angemessene Vergütung“

    1. 

    Dieses Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) (im Folgenden: Tribunal Supremo) betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG ( 2 ) und des ähnlich lautenden Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG ( 3 ) (im Folgenden zusammen: Vermiet- und Verleih-Richtlinie). Das vorlegende Gericht hat Fragen zum Anwendungsbereich dieser Bestimmung im Zusammenhang mit der „öffentlichen Wiedergabe“ audiovisueller Werke, wenn bereits existierende, veröffentlichte Tonträger in diese audiovisuellen Werke eingefügt wurden.

    2. 

    Der Sachverhalt im Ausgangsverfahren betrifft Vergütungsansprüche, die zwei Verwertungsgesellschaften für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller in Spanien nach dem spanischen Gesetz zur Umsetzung der Vermiet- und Verleih-Richtlinie gegen ein Fernsehunternehmen geltend machen, das ihrer Ansicht nach Tonträger für die öffentliche Wiedergabe genutzt hat. Das Fernsehunternehmen ist der Auffassung, dass es sich bei der in Rede stehenden „öffentlichen Wiedergabe“ nicht um die Wiedergabe von „Tonträgern“ oder von „Vervielfältigungsstücken“ solcher Tonträger, sondern um die Wiedergabe von „audiovisuellen Werken“ handele und dass die geforderte Vergütung für einen solchen Inhalt nicht geschuldet werde, selbst wenn in diese audiovisuellen Werke als (Teil ihrer) Tonspur bereits existierende zu Handelszwecken veröffentlichte Tonträger eingefügt seien.

    3. 

    Zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts sind notwendigerweise nicht nur die einschlägigen Unionsrichtlinien, sondern auch Bestimmungen des internationalen Rechts zu prüfen, insbesondere das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (im Folgenden: Abkommen von Rom) ( 4 ) und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (im Folgenden: WIPO-Vertrag oder WPPT) ( 5 ).

    I. Rechtlicher Rahmen

    A.   Abkommen von Rom

    4.

    Das Abkommen von Rom wurde am 26. Oktober 1961 in Rom geschlossen.

    5.

    Auch wenn das Abkommen von Rom nicht Teil der Rechtsordnung der Europäischen Union ist, entfaltet es doch in der Union mittelbare Wirkungen ( 6 ).

    6.

    Art. 3 des Abkommens von Rom enthält Begriffsbestimmungen für eine Reihe von Begriffen, die auch, allerdings mit gewissen Abweichungen, im WIPO-Vertrag definiert sind und die in der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verwendet werden. Für die Zwecke des Abkommens versteht man unter

    „…

    b)

    ‚Tonträger‘ jede ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne;

    d)

    ‚Veröffentlichung‘ das Angebot einer genügenden Anzahl von Vervielfältigungsstücken eines Tonträgers an die Öffentlichkeit;

    e)

    ‚Vervielfältigung‘ die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks oder mehrerer Vervielfältigungsstücke einer Festlegung;

    …“

    7.

    Art. 7 Abs. 1 des Abkommens von Rom bestimmt:

    „Der in diesem Abkommen zugunsten der ausübenden Künstler vorgesehene Schutz muss die Möglichkeit geben zu untersagen:

    c)

    die Vervielfältigung einer Festlegung ihrer Darbietung ohne ihre Zustimmung:

    i)

    wenn die erste Festlegung selbst ohne ihre Zustimmung vorgenommen worden ist;

    ii)

    wenn die Vervielfältigung zu anderen Zwecken als denjenigen vorgenommen wird, zu denen sie ihre Zustimmung gegeben haben;

    iii)

    wenn die erste Festlegung auf Grund der Bestimmungen des Artikels 15 vorgenommen worden ist und zu anderen Zwecken vervielfältigt wird, als denjenigen, die in diesen Bestimmungen genannt sind.

    8.

    In Art. 12 heißt es, dass, wenn „ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers für die Funksendung oder für irgendeine öffentliche Wiedergabe unmittelbar benützt [wird], so hat der Benützer den ausübenden Künstlern, den Herstellern von Tonträgern oder beiden eine einzige angemessene Vergütung zu zahlen“. Der Begriff der „einzigen angemessenen Vergütung“ wird auch im WIPO-Vertrag und in der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verwendet.

    9.

    Art. 19 des Abkommens von Rom lautet:

    „Unbeschadet aller anderen Bestimmungen dieses Abkommens ist Artikel 7 nicht mehr anwendbar, sobald ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt hat, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird.“

    B.   WIPO-Vertrag

    10.

    Der WIPO-Vertrag wurde am 20. Dezember 1996 in Genf geschlossen. Mit Beschluss 2000/278/EG vom 16. März 2000 ( 7 ) wurde er vom Rat „genehmigt“ und die Ermächtigung zur Hinterlegung der Abschlussurkunden erteilt. Der WIPO-Vertrag wurde am 14. Dezember 2009 von der Europäischen Union ratifiziert und ist für die Europäische Union am 14. März 2010 in Kraft getreten. Er ist somit Teil der Rechtsordnung der Europäischen Union.

    11.

    Art. 2 WPPT bestimmt:

    „Im Sinne dieses Vertrags

    b)

    bedeutet ‚Tonträger‘ die Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne oder einer Darstellung von Tönen außer in Form einer Festlegung, die Bestandteil eines Filmwerks oder eines anderen audiovisuellen Werks ist;

    c)

    bedeutet ‚Festlegung‘ die Verkörperung von Tönen oder von Darstellungen von Tönen in einer Weise, dass sie mittels einer Vorrichtung wahrgenommen, vervielfältigt oder wiedergegeben werden können;

    g)

    bedeutet ‚öffentliche Wiedergabe‘ einer Darbietung oder eines Tonträgers die öffentliche Übertragung der Töne einer Darbietung oder der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellungen von Tönen auf einem anderen Wege als durch Sendung. Im Sinne von Artikel 15 umfasst ‚öffentliche Wiedergabe‘ das öffentliche Hörbarmachen der auf einem Tonträger festgelegten Töne oder Darstellungen von Tönen.“

    12.

    Die Diplomatische Konferenz ( 8 ) hat eine Reihe „vereinbarter Erklärungen“ zum WIPO-Vertrag ( 9 ) beschlossen. In der vereinbarten Erklärung zu Art. 2 Buchst. b heißt es:

    „Die Tonträgerdefinition in Artikel 2 Buchstabe b) lässt nicht darauf schließen, dass Rechte an einem Tonträger durch ihre Einfügung in ein Filmwerk oder in ein anderes audiovisuelles Werk in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden.“

    13.

    Art. 15 WPPT („Vergütungsrecht für Sendung und öffentliche Wiedergabe“) sieht vor:

    „(1)   Werden zu gewerblichen Zwecken veröffentlichte Tonträger unmittelbar oder mittelbar für eine Sendung oder öffentliche Wiedergabe benutzt, so haben ausübende Künstler und Tonträgerhersteller Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung.

    (2)   Die Vertragsparteien können in ihren Rechtsvorschriften bestimmen, dass der ausübende Künstler oder der Tonträgerhersteller oder beide von dem Benutzer die Zahlung der einzigen angemessenen Vergütung verlangen. Die Vertragsparteien können Rechtsvorschriften erlassen, die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen dem ausübenden Künstler und dem Tonträgerhersteller die Bedingungen festlegen, nach denen die einzige angemessene Vergütung zwischen ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern aufzuteilen ist.

    …“

    14.

    Die Diplomatische Konferenz fasste am 20. Dezember 1996 eine „Entschließung zu audiovisuellen Darbietungen“, in der die teilnehmenden Delegationen ihr Bedauern darüber äußerten, dass „der [WIPO-Vertrag] keinen Schutz der Rechte der ausübenden Künstler an den audiovisuellen Festlegungen ihrer Darbietung bietet“, und zu vorbereitenden Maßnahmen aufriefen, um bis spätestens 1998 ein Protokoll zu audiovisuellen Darbietungen anzunehmen. In der Folge wurde allerdings weder ein solches Protokoll beschlossen noch das Problem im Rahmen des WIPO-Vertrags gelöst; letztendlich wurde es jedoch in einem gesonderten Vertrag, dem am 24. Juni 2012 angenommenen Vertrag von Peking zum Schutz von audiovisuellen Darbietungen geregelt.

    C.   Richtlinie 92/100

    15.

    Die am 19. November 1992 erlassene Richtlinie 92/100 wurde nach mehreren Änderungen verschiedener ihrer Vorschriften durch die Richtlinie 2006/115 ersetzt, mit der die geänderte Richtlinie kodifiziert wurde.

    16.

    Art. 7 („Vervielfältigungsrecht“) der Richtlinie 92/100 bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen das ausschließliche Recht, die unmittelbare oder mittelbare Vervielfältigung zu erlauben oder zu verbieten, vor:

    für ausübende Künstler in Bezug auf die Aufzeichnung ihrer Darbietungen,

    für Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,

    (2)   Das in Absatz 1 bezeichnete Vervielfältigungsrecht kann übertragen oder abgetreten werden oder Gegenstand vertraglicher Lizenzen sein.“

    17.

    Art. 8 der Richtlinie 92/100 blieb seit deren Erlass im Wesentlichen unverändert und wird nachstehend in Nr. 20 so, wie er in der Richtlinie 2006/115 zu finden ist, wiedergegeben.

    D.   Richtlinie 2001/29

    18.

    Art. 7 der Richtlinie 92/100 wurde geändert und durch Art. 2 („Vervielfältigungsrecht“) der Richtlinie 2001/29/EG ( 10 ) ersetzt. Er bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

    b)

    für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;

    c)

    für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;

    …“

    E.   Richtlinie 2006/115

    19.

    Mit der Richtlinie 2006/115 wurde die Änderungsfassung der Richtlinie 92/100 kodifiziert, nachdem diese Richtlinie mehrfach geändert worden war. Trotz der Änderungen, im Zuge deren u. a. Art. 7 der Richtlinie 92/100 gestrichen und durch Art. 2 der Richtlinie 2001/29 ersetzt wurde, ist Art. 8 gegenüber seiner ursprünglichen Fassung in der Richtlinie 92/100 im Wesentlichen unverändert geblieben.

    20.

    Art. 8 („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“) bestimmt:

    „…

    (2)   Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Besteht zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern kein diesbezügliches Einvernehmen, so können die Bedingungen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist, von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.

    …“

    F.   Spanisches Recht

    21.

    Dem vorlegenden Gericht zufolge haben Art. 108 Abs. 4 und Art. 116 Abs. 2 des Texto Refundido de la Ley de Propiedad Intelectual (Neufassung des Gesetzes über das geistige Eigentum) denselben Wortlaut. Die erste dieser beiden Bestimmungen betrifft die Rechte der ausübenden Künstler, die zweite diejenigen der Tonträgerhersteller. Die beiden Bestimmungen lauten nach Angaben des vorlegenden Gerichts wie folgt:

    „Bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für jegliche Form der öffentlichen Wiedergabe sind die Nutzer verpflichtet, an die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller eine einzige angemessene Vergütung zu zahlen. Die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller ist zu gewährleisten. Besteht zwischen ihnen kein diesbezügliches Einvernehmen, erfolgt die Aufteilung zu gleichen Teilen …“

    22.

    Art. 114 Abs. 1 desselben Gesetzes enthält folgende Begriffsbestimmung:

    „Als ‚Tonträger‘ gilt jede ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung der Darbietung eines Werks oder anderer Töne.“

    II. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

    23.

    Der Ausgangsrechtsstreit betrifft von den Verwertungsgesellschaften Asociación de Gestión de Derechos Intelectuales (im Folgenden: AGEDI) und Artistas Intérpretes o Ejecutantes, Sociedad de Gestión de España (im Folgenden: AIE) erhobene Klagen gegen die Atresmedia Corporación de Medios de Comunicación SA (im Folgenden: Atresmedia) auf Entschädigungszahlungen für Handlungen – nämlich die öffentliche Wiedergabe ( 11 ) von zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgern (oder von Vervielfältigungsstücken solcher Tonträger) – von Atresmedia betriebener Fernsehsender im Zeitraum 1. Juni 2003 bis 31. Dezember 2009 sowie für die unerlaubte Vervielfältigung von Tonträgern im Zusammenhang mit diesen der öffentlichen Wiedergabe dienenden Handlungen.

    24.

    Am 29. Juli 2010 erhoben AGEDI und AIE beim Juzgado de lo Mercantil de Madrid (Handelsgericht Madrid, Spanien) (im Folgenden: Juzgado Mercantil) Klage gegen Atresmedia auf Zahlung einer Entschädigung für die vorgenannten Wiedergabe- und Vervielfältigungshandlungen. Der Juzgado Mercantil entschied, dass weder für die öffentliche Wiedergabe von Tonträgern, die mit audiovisuellen Werken zusammengefügt oder „synchronisiert“ worden seien, noch für deren „instrumentelle“ Vervielfältigung ein Entschädigungsanspruch bestehe. Das Gericht führte aus, dass die aufgrund einer entgeltlichen Lizenz erfolgende Synchronisierung eines bereits existierenden Tonträgers mit einem audiovisuellen Werk zur Entstehung eines neuen und eigenständigen abgeleiteten Werks führe und dass die Vergütungsansprüche für die öffentliche Wiedergabe und die instrumentelle Vervielfältigung des Tonträgers (der vom Juzgado Mercantil in der Vorlageentscheidung als „Werk“ bezeichnet wurde) mit der Zahlung für die Synchronisierung „erlöschen“. Atresmedia wurde dann aus anderen Gründen zur Entschädigungszahlung verurteilt.

    25.

    Gegen das Urteil des Juzgado Mercantil legten AGEDI und AIE bei der Audiencia Provincial de Madrid (Obergericht der Provinz Madrid, Spanien) (im Folgenden: Audiencia Provincial) Berufung ein und beantragten, Atresmedia auch wegen der öffentlichen Wiedergabe der Tonträger, die mit von ihren Fernsehsendern öffentlich wiedergegebenen audiovisuellen Werken „synchronisiert“ worden waren, zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen. Die Audiencia Provincial gab der Berufung statt und erklärte in ihrem Urteil:

    „Bei einem Tonträger handelt es sich nicht um ein Werk … [Er] ist ein bloßer Träger, der die Aufzeichnung einer konkreten Darbietung … enthält. … Wenn es sich bei dem Tonträger nicht um ein Werk handelt, kann folglich in Bezug auf den Tonträger auch keine Handlung durchgeführt werden, die zu einer Umwandlung im rechtstechnischen Sinn führt, und somit kann aus einem Tonträger auch kein abgeleitetes Werk entstehen … [Es bleibt dabei, dass] die Eigenschaften der auf dem Tonträger aufgezeichneten Töne vor und nach der Synchronisierung objektiv gleich [sind]. … Da die [in dem audiovisuellen Werk enthaltene Tonaufzeichnung] nur eine bloße Kopie der auf dem synchronisierten Tonträger aufgezeichneten Töne darstellt, kann sie nur als Vervielfältigungsstück dieses Tonträgers angesehen werden. Die öffentliche Wiedergabe dieses Vervielfältigungsstücks gibt, genauso wie die öffentliche Wiedergabe des Tonträgers selbst, gemäß [den einschlägigen spanischen Vorschriften] einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung.“

    26.

    Mit dieser Begründung hob die Audiencia Provincial das Urteil des Juzgado Mercantil auf und gab der von AGEDI und AIE erhobenen Klage in vollem Umfang statt.

    27.

    Dagegen wurde von Atresmedia Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo eingelegt, die ausschließlich die Frage betrifft, ob die von den Fernsehsendern der Atresmedia vorgenommene öffentliche Wiedergabe von audiovisuellen Werken nach den Vorschriften des spanischen Rechts, mit denen Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie umgesetzt wurde, nämlich nach Art. 108 Abs. 4 und Art. 116 Abs. 2 der Ley de Propiedad Intelectual, einen Anspruch der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller auf eine angemessene Vergütung begründet.

    28.

    Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Umfasst der Begriff „Vervielfältigungsstück“„eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinien 92/100 und 2006/115 die Vervielfältigung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers in einer audiovisuellen Aufzeichnung, die die Festlegung eines audiovisuellen Werks enthält?

    2.

    Falls die vorstehende Frage bejaht wird: Ist ein Fernsehsender, der eine audiovisuelle Aufzeichnung, die die Festlegung eines Filmwerks oder eines audiovisuellen Werks enthält, in dem ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger vervielfältigt wurde, für eine öffentliche Wiedergabe jeglicher Art verwendet, zur Zahlung der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinien 92/100 und 2006/115 vorgesehenen einzigen angemessenen Vergütung verpflichtet?

    29.

    Schriftliche Erklärungen wurden von Atresmedia, AGEDI, AIE, der spanischen Regierung und der Europäischen Kommission eingereicht. In der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2020 haben diese Beteiligten sämtlich mündlich vorgetragen.

    III. Rechtliche Würdigung

    A.   Vorbemerkungen

    30.

    Mit der ersten der beiden in dieser Rechtssache vorgelegten Vorlagefragen wird der Gerichtshof um Klärung des Begriffs „Vervielfältigungsstück“„eines ( 12 ) zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers“, so wie dieser Begriff in Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verwendet wird, ersucht. Im Vorabentscheidungsersuchen stellt das vorlegende Gericht diese Frage in Bezug auf den Vorgang der „Synchronisierung“, der bei der Schaffung des audiovisuellen Werks stattfindet. Dies ist ein Vorgang, an dem die Atresmedia in ihrer Eigenschaft als Gesellschaft, die die Übertragung der Fernsehsignale vornimmt, wohl nicht beteiligt ist.

    31.

    Wenn man die Frage so stellt, bezieht sie sich auf die Vervielfältigungshandlung; die Handlung, um die es in Art. 8 Abs. 2 geht, ist jedoch die Nutzung eines Gegenstands, nämlich „eines … Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers“, für eine „öffentliche Wiedergabe“. Nach dem derzeit geltenden Recht regelt Art. 2 („Vervielfältigungsrecht“) der Richtlinie 2001/29 Vervielfältigungshandlungen. Dafür, dass die erste Frage so zu verstehen ist, spricht sowohl die vom vorlegenden Gericht gegebene Zusammenfassung der von Atresmedia vertretenen Auffassung ( 13 ) als auch seine Zusammenfassung des Vorbringens von AGEDI und AIE ( 14 ).

    32.

    Mit seiner zweiten Frage, die in Verbindung mit der ersten Frage zu lesen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Fernsehsender, der als Nutzer ein audiovisuelles Werk öffentlich wiedergibt, in das ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers eingefügt wurde, zur Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung gemäß Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verpflichtet ist. Das Vorabentscheidungsersuchen stellt klar, dass die „Synchronisierung“ der in Rede stehenden Tonträger erfolgte, nachdem die Erlaubnis ordnungsgemäß erteilt worden war ( 15 ). Deshalb schlage ich vor, dass der Gerichtshof die Vorlagefragen umformuliert und dem vorlegenden Gericht Hinweise dazu gibt, ob die Begriffe „Tonträger“ bzw. „Vervielfältigungsstück eines Tonträgers“ in Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie auch ein audiovisuelles Werk umfassen, in das – nach ordnungsgemäßer Einholung der nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 erforderlichen Erlaubnis der/des Rechtsinhaber(s) – ein Tonträger eingefügt wurde, sowie Hinweise dazu, ob die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie vorsehen müssen, dass bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens der Nutzer dem/den Inhaber(n) der Rechte an einem Tonträger eine „einzige angemessene Vergütung“ zu zahlen hat.

    33.

    Bevor ich darauf eingehe, wie audiovisuelle Inhalte, in die bereits veröffentlichte Tonträger eingefügt sind, einzustufen sind, wende ich mich zunächst der Frage zu, worum es bei der vom Produzenten des audiovisuellen Inhalts vorgenommenen Handlung der „Synchronisierung“ geht.

    34.

    In der Rechtssache Pelham ( 16 ) hat der Gerichtshof zu Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ausgeführt, dass das einem Tonträgerhersteller zustehende Vervielfältigungsrecht an einem Tonträger ihm gestattet, sich dagegen zu wehren, dass ein Dritter ein – auch nur sehr kurzes – Audiofragment des Tonträgers nutzt, um es in einen anderen Tonträger einzufügen, es sei denn, dieses Fragment wird in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt; dies beruht darauf, dass die Technik des „elektronischen Kopierens von Audiofragmenten“ (Sampling) eine Handlung ist, die eine „Vervielfältigung“ desjenigen Teils des Tonträgers, aus dem das Fragment entnommen wird, darstellt. Für die Zwecke des jetzt in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 geregelten Vervielfältigungsrechts sollte sich somit aus der ständigen Rechtsprechung ergeben, dass die Synchronisierung (bei der es, in praktischer Hinsicht, stets um eine wiedererkennbare Vervielfältigung des Tonträgers geht) eine Vervielfältigung(shandlung) ist.

    35.

    Obgleich eine solche „Synchronisierungshandlung“ in der Tat eine „Vervielfältigung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ist und als solche der Zustimmung und Erlaubnis ( 17 ) des jeweiligen Rechtsinhabers, d. h. des Tonträgerherstellers, bedarf, folgt daraus nicht notwendigerweise, dass das Ergebnis dieser die Vervielfältigung des Tonträgers in einem neuen, größeren Ganzen bewirkenden Handlung auch als „Vervielfältigungsstück eines Tonträgers“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie anzusehen wäre.

    B.   Anwendungsbereich von Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie

    1. Auslegung der Begriffe in der Richtlinie 92/100 – Entstehungsgeschichte der Vorschrift

    36.

    Viele der zentralen Begriffe in der Richtlinie 92/100 sind dort nicht definiert. Für die Begriffe „Vermietung“, „Verleihen“ und „Film“ ( 18 ) wurden Begriffsbestimmungen für notwendig gehalten, doch die meisten Begriffe – etwa die Begriffe „Vervielfältigung“/„Vervielfältigungsstück“ oder „Tonträger“ – wurden nicht ausdrücklich in der Richtlinie definiert. In der Begründung des ursprünglichen Vorschlags für die Richtlinie 92/100 ( 19 ) hieß es, dass sich die Kommission bewusst dafür entschieden habe, auf genaue Definitionen der verwendeten Begriffe zu verzichten; beabsichtigt sei die Auslegung der Begriffe der Richtlinie im Einklang mit der Berner Übereinkunft ( 20 ) und dem Abkommen von Rom ( 21 ).

    37.

    Wie im geänderten Vorschlag für die Richtlinie 92/100 ( 22 ) beschrieben, war es so, dass sich der ursprüngliche Vorschlag „auf Formen der Piraterie durch körperliche Verwertung beschränkte“ und – im Anschluss an das Grünbuch über Urheberrecht ( 23 ) – keinerlei Schutz verwandter Rechte enthielt, die dem vergleichbar waren, was letztendlich in Art. 8 der Richtlinie aufgenommen wurde. Der geänderte Vorschlag folgte hinsichtlich dessen, was letztendlich in Art. 8 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie aufgenommen wurde, der Stellungnahme des Europäischen Parlaments und übernahm dessen Textvorschlag mit geringfügigen Änderungen als Art. 6 bis des geänderten Vorschlags. Laut der Begründung folgt Art. 6 bis weitgehend dem Mindestschutzniveau des Rom-Abkommens, wobei die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht ein darüber hinausgehendes Schutzniveau beibehalten oder einführen können ( 24 ).

    38.

    In dem kurzen Abschnitt der Begründung, der Art. 6 bis Abs. 2 (aus dem dann Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie wurde) betrifft, heißt es, dass die Bestimmung, „die die meisten Mitgliedstaaten im Grundsatz schon in ihrem Recht verwirklicht haben, … ebenfalls als Mindestvorschrift zu verstehen [ist]“. Die Begründung enthält keine Beispiele für derartige Gesetze der Mitgliedstaaten, und obwohl die Rechtslage in den Mitgliedstaaten, was Urheberrechte und verwandte Rechte anging, im ursprünglichen Vorschlag eingehend erörtert wurde, enthielt dieser keine Art. 8 vergleichbare Bestimmung und auch keine Erörterung vergleichbarer Gesetzesbestimmungen in den Mitgliedstaaten. Da das Recht, was die verwandten Rechte betraf, sowohl auf internationaler Ebene als auch in den Mitgliedstaaten damals allgemein noch nicht sehr entwickelt war, ist es eher unwahrscheinlich, dass die Gesetze der meisten Mitgliedstaaten 1992 – so wie von AGEDI und AIE behauptet – bezüglich der „öffentlichen Wiedergabe“ audiovisueller Werke wirtschaftliche Rechte für Tonträgerhersteller und ausübende Künstler, deren Aufnahmen in solche audiovisuellen Werke eingefügt wurden, vorsahen. Genauso wenig wahrscheinlich dürfte sein, dass die Kommission, als sie die auf der Stellungnahme des Parlaments beruhende neue Bestimmung verfasste, die Absicht hatte, solche Rechte zu schaffen.

    39.

    Art. 6 bis Abs. 2 des geänderten Vorschlags wurde letztlich mit nur geringfügigen und unerheblichen Änderungen des Wortlauts als Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 erlassen. Die Entstehungsgeschichte der Bestimmung zeigt somit klar, dass keine Absicht bestand, mit Art. 8 Abs. 2 den Umfang des Schutzes, der damals in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten bereits bestand, radikal auszudehnen. Aus der Erklärung im zehnten Erwägungsgrund und den ausdrücklichen Erklärungen in der Begründung zum ursprünglichen Vorschlag wie auch aus den Anmerkungen zu Art. 6 bis in der Begründung zum geänderten Vorschlag geht hervor, dass die in Art. 8 Abs. 2 verwendeten Begriffe im Licht der im Abkommen von Rom definierten ähnlichen Begriffe auszulegen sind.

    2. Abkommen von Rom

    40.

    In Art. 12 des Abkommens von Rom, der (in der englischen Fassung) mit „Zweitverwendung von Tonträgern“ überschrieben ist, heißt es: „Wird ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers für die Funksendung oder für irgendeine öffentliche Wiedergabe unmittelbar benützt, so hat der Benützer den ausübenden Künstlern, den Herstellern von Tonträgern oder beiden eine einzige angemessene Vergütung zu zahlen.“

    41.

    Dies ist die Bestimmung, die das Vorbild für Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie lieferte. Auch wenn dieser Art. 8 Abs. 2 in einigen Aspekten von Art. 12 des Rom-Abkommens abweicht (Vorbehalte wie die nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens von Rom sind nach der Richtlinie nicht zulässig; die einzige angemessene Vergütung ist sowohl Tonträgerherstellern als auch ausübenden Künstlern zu zahlen ( 25 ), und sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Nutzung wird erfasst), ist die Terminologie in denjenigen Teilen der Bestimmung, auf die es hier ankommt, im Abkommen und in der Richtlinie dieselbe („eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers“ in der Richtlinie bzw. „ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger oder ein Vervielfältigungsstück eines solchen Tonträgers“ im Abkommen). Art. 12 diente später auch als Grundlage für Art. 15 WPPT, auf den nachstehend in Abschnitt 3 „WIPO-Vertrag“ eingegangen wird.

    42.

    Für die Zwecke des Abkommens von Rom (und somit vermutlich für die Zwecke der Richtlinie 92/100) ist der Begriff „Tonträger“ in Art. 3 Buchst. b des Abkommens als „jede ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne“ definiert. Im Leitfaden zum Abkommen von Rom „Guide to the Rome Convention and to the Phonograms Convention“ ( 26 ) heißt es ausdrücklich, dass die Festlegung „ausschließlich auf den Ton beschränkt sein muss[, um als Tonträger zu gelten]. Eine Festlegung von Bildern (z. B. Kino) oder von Bildern und Tönen (z. B. Fernsehen) sind [sic] … ausgeschlossen“.

    43.

    Nach dieser Begriffsbestimmung wäre jede audiovisuelle Festlegung vom Begriff „Tonträger“, so wie dieser in Art. 12 des Abkommens von Rom verwendet wird, und wohl auch vom Begriff „Tonträger“, so wie er in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 verwendet wird, ausgenommen. Folglich wäre nach dieser Auslegung weder gemäß Art. 12 des Abkommens von Rom noch nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 eine einzige angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe einer audiovisuellen Festlegung zu zahlen, es sei denn, die Festlegung wäre ein „Vervielfältigungsstück [eines zu Handelszwecken veröffentlichten] Tonträgers“.

    44.

    In Art. 3 Buchst. e des Abkommens von Rom ist „Vervielfältigung“ als „die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks oder mehrerer Vervielfältigungsstücke einer Festlegung“ definiert. Im Kontext des Abkommens von Rom von 1961 und des damaligen Standes der technischen Entwicklung war ein „Vervielfältigungsstück“ eine körperliche Sache ( 27 ). Auch wenn es sich nach dem Abkommen von Rom bei einer Vervielfältigung nicht unbedingt um ein Vervielfältigungsstück handeln muss, dass der Gesamtheit des vervielfältigten Gegenstands in jeder einzelnen Hinsicht gleich ist, würde eine Auslegung des Begriffs, bei der der Begriff der Vervielfältigung eines Tonträgers so erweitert würde, dass er auch etwas erfasste, was selbst kein Tonträger ist, nicht nur der Systematik und der Logik des Abkommens, sondern auch der gewöhnlichen Bedeutung der Ausdrücke „Vervielfältigung“ und „Vervielfältigungsstück“ zuwiderlaufen.

    45.

    Meiner Ansicht nach spricht die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie im Licht der Bestimmungen des Abkommens von Rom stark für die Schlussfolgerung, dass sich aus Art. 8 Abs. 2 keine Pflicht der Mitgliedstaaten ergibt, für den Fall der öffentlichen Wiedergabe eines audiovisuellen Werks, in das ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger (insgesamt oder in Teilen) eingefügt wurde, einen Anspruch auf angemessene Vergütung vorzusehen.

    3. WIPO-Vertrag

    46.

    Der WIPO-Vertrag wurde am 20. Dezember 1996 von der Gemeinschaft unterzeichnet und mit Beschluss 2000/278 „genehmigt“. Er wurde am 14. Dezember 2009 von der Europäischen Union ratifiziert und ist für die Europäische Union am 14. März 2010 in Kraft getreten.

    47.

    Mit der Frage der Anwendbarkeit des WIPO-Vertrags in der Rechtsordnung der Europäischen Union hat sich der Gerichtshof bereits befasst. Im Urteil SCF ( 28 ) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „dieser Vertrag die Organe der Union und die Mitgliedstaaten [bindet]“, weil der WIPO-Vertrag von der Union unterzeichnet und durch den Beschluss 2000/278 genehmigt wurde. Die Bestimmungen des WIPO-Vertrags sind also integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung und daher in der Union anwendbar ( 29 ).

    48.

    Nach Art. 1 Abs. 1 WPPT werden die zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Pflichten aus dem Abkommen von Rom durch den Vertrag nicht beeinträchtigt. Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof im Urteil SCF befunden, dass die Union, obwohl sie keine Vertragspartei des Abkommens von Rom ist, dennoch verpflichtet ist, „die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus diesem Abkommen nicht zu beeinträchtigen“, und dass das Abkommen von Rom in der Union mittelbare Wirkungen entfaltet ( 30 ). Mit den Auswirkungen, die das Abkommen von Rom auf den Anwendungsbereich und Inhalt der Vermiet- und Verleih-Richtlinie hat, die Begriffe verwendet, die – wie oben in den Nrn. 36 ff. dieser Schlussanträge im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der Richtlinie erörtert – durch Bezugnahme auf das Abkommen definiert sind, hat sich der Gerichtshof im Urteil SCF nicht befasst.

    49.

    In Art. 2 WPPT sind einige zentrale Begriffe definiert. So ist der Begriff „Tonträger“ als „die Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne oder einer Darstellung von Tönen außer in Form einer Festlegung, die Bestandteil eines Filmwerks oder eines anderen audiovisuellen Werks ist“ definiert. Diese Begriffsbestimmung baut auf dem Begriff des „Tonträgers“ im Abkommen von Rom auf und erweitert ihn in zweierlei Hinsicht. Zum einen trägt die Begriffsbestimmung im WIPO-Vertrag der Entwicklung der Musiktechnologie Rechnung, indem sie auch „Darstellung[en] von Tönen“ umfasst – z. B. Aufzeichnungen von synthetischen Tönen, die, bevor die Festlegung erfolgte, niemals als tatsächliche Töne erzeugt wurden.

    50.

    Zum anderen umfasst die Definition des Begriffs „Tonträger“ im Sinne des WIPO-Vertrags auch Festlegungen von Tönen oder Darstellungen von Tönen in Form einer audiovisuellen Festlegung, bei der es sich nicht um ein „Werk“ im urheberrechtlichen Sinne handelt. Dies ist eine erhebliche Änderung.

    51.

    In der vereinbarten Erklärung zu Art. 2 Buchst. b heißt es ferner, dass „[d]ie Tonträgerdefinition … nicht darauf schließen [lässt], dass Rechte an einem Tonträger durch ihre ( 31 ) Einfügung in ein Filmwerk oder in ein anderes audiovisuelles Werk in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden“.

    52.

    AGEDI und AIE vertreten die Auffassung, die vereinbarte Erklärung sei dahin zu verstehen, dass die Rechte der Rechtsinhaber am Tonträger nach Einfügung des Tonträgers in ein audiovisuelles Werk genauso fortgälten, als ob das audiovisuelle Werk (auch) ein Tonträger wäre. Dieses Argument und diese Lesart der vereinbarten Erklärung sind meines Erachtens nicht richtig.

    53.

    Die Logik und Systematik von Art. 2 Buchst. b und Art. 15 des WIPO-Vertrags wie auch die Verhandlungen, die zur endgültigen Fassung dieser Bestimmungen führten, sprechen nicht für eine solche Auslegung oder für die kontraintuitive Vorstellung, dass ein Tonträger, der Teil eines audiovisuellen Werks ist, außerdem – gleichzeitig und auf diese Weise eingefügt – als „Tonträger“ anzusehen sein sollte.

    54.

    Wie im „Guide to the Copyright and Related Rights Treaties Administered by WIPO“ ( 32 ), einem von der WIPO ausgearbeiteten Auslegungsdokument, das zwar nicht rechtsverbindlich ist, aber dem Gerichtshof bei der Auslegung des WIPO-Vertrags hilft ( 33 ), erläutert, sollte die vereinbarte Erklärung zu Art. 2 Buchst. b bekräftigen, dass Tonträger nur aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen und unter ordnungsgemäßer Berücksichtigung der Rechte der Tonträgerhersteller in audiovisuellen Werken verwendet werden dürfen und dass die Tonträger, falls sie unabhängig vom betreffenden audiovisuellen Werk nochmals verwendet werden, (wieder) als Tonträger anzusehen sind, was bedeutet, dass der in das audiovisuelle Werk eingefügte Tonträger, solange er Teil der audiovisuellen Gesamtheit ist, seine Tonträgereigenschaft verliert (und dass er nach der vereinbarten Erklärung seinen Status als Tonträger wiedererlangt, sobald er wieder von der audiovisuellen Gesamtheit getrennt wird) ( 34 ). Auch in der Diskussion des Ersten Hauptausschusses der Diplomatischen Konferenz wurde klargestellt, dass die Tonspuren von Filmen, wenn sie als Soundtracks herausgegeben würden, als Tonträger anzusehen sein sollten ( 35 ).

    55.

    Diese Auffassung findet auch Unterstützung im Schrifttum. So wird z. B. im Kommentar „The WIPO Treaties 1996“ auf S. 258 im ersten und zweiten Teil der Nr. 35 zu Art. 2 des WIPO-Vertrags erläutert: „Der Ausschluss aus der Definition [als ‚Tonträger‘] gilt nur, soweit die Tonspur zusammen mit der Lichtspur erscheint oder in sonstiger Weise mit der Lichtspur zusammengefügt ist. … Es ist unerheblich, ob die Tonspur ursprünglich dazu gedacht war, … als Tonträger … genutzt zu werden. Dasselbe gilt in Bezug auf den Zeitpunkt der Festlegung: Es ist unerheblich, ob die Tonspur eines Films unter Verwendung einer bereits bestehenden Aufzeichnung erstellt oder gleichzeitig mit den Bildern aufgenommen wird … Entscheidend ist die Art der Nutzung – ob als untrennbarer Teil eines audiovisuellen Werks oder getrennt als reine Tonaufzeichnung.

    Wird eine bereits existierende Festlegung von Tönen oder Darstellungen von Tönen später in ein audiovisuelles Werk eingefügt, ändert dies nichts an ihrer Eigenschaft, sie bleibt vielmehr ein ‚Tonträger‘; ihre Eigenschaft als Tonträger kann jedoch als für die Dauer der Einfügung suspendiert angesehen werden.“

    56.

    In der Literatur werden jedoch auch andere Auffassungen vertreten. So erörtern dieselben Verfasser in „The WIPO Treaties on Copyright“ ( 36 ) auf S. 272 unter den Nrn. 8.2.41 und 8.2.42 die Ansicht, dass bereits existierende Tonträger ihre Eigenschaft als solche selbst bei Einfügung in ein audiovisuelles Werk beibehalten könnten; und auf S. 489 unter den Nrn. 9.2.8 und 9.2.9 werden die unterschiedlichen Auslegungen der verschiedenen Vertragsstaaten zu Art. 2 Buchst. c des WIPO-Vertrags beschrieben, die bei der Diplomatischen Konferenz im Jahr 2000 in den Verhandlungen vertreten wurden, die schließlich zum Vertrag von Peking führten ( 37 ).

    57.

    Auch die von der Diplomatischen Konferenz am 20. Dezember 1996 gefasste „Entschließung zu audiovisuellen Darbietungen“, in der die teilnehmenden Delegationen ihr Bedauern darüber äußerten, dass „der [WIPO-Vertrag] keinen Schutz der Rechte der ausübenden Künstler an den audiovisuellen Festlegungen ihrer Darbietung bietet“, spricht dafür, dass Art. 15 WPPT keinen Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung für die öffentliche Wiedergabe audiovisueller Werke, in die ein bereits existierender Tonträger eingefügt wurde, vorsieht.

    58.

    Meiner Ansicht nach spricht daher eine Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie im Licht der Bestimmungen des WIPO-Vertrags, bei der die Bestimmungen der Richtlinie im Einklang mit den Bestimmungen des WIPO-Vertrags ausgelegt werden sollen, stark dafür, dass sich aus Art. 8 Abs. 2 keine Pflicht der Mitgliedstaaten ergibt, für den Fall der öffentlichen Wiedergabe eines audiovisuellen Werks, in dessen Tonspur ein zu Handelszwecken veröffentlichter Tonträger (insgesamt oder in Teilen) im Wege der Synchronisierung eingefügt wurde, einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung vorzusehen.

    4. Re:Sound v. Motion Picture Theatre Associations of Canada

    59.

    In der Rechtssache Re:Sound v. Motion Picture Theatre Associations of Canada ( 38 ) vor dem Supreme Court of Canada (Oberster Gerichtshof von Kanada) ging es um die Auslegung der kanadischen Rechtsvorschriften, die Kanada eingeführt hatte, um seinen Verpflichtungen aus Art. 12 des Abkommens von Rom nachzukommen. Obwohl die Terminologie in den kanadischen Rechtsvorschriften etwas von der im Abkommen von Rom und in der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verwendeten Terminologie abweicht, sind die Probleme, mit denen sich das kanadische Gericht befasst hat, den Fragen, die dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegt wurden, recht ähnlich.

    60.

    Nach den kanadischen Vorschriften ist eine „Tonaufzeichnung“ („sound recording“) definiert als eine aus Tönen bestehende Aufzeichnung, jedoch mit Ausnahme der „Tonspur eines Filmwerks, die das Filmwerk vertont“. Dazu ist anzumerken, dass diese Definition insoweit, als die Ausnahme für Tonspuren nur für Tonaufzeichnungen gilt, die filmische „Werke“ vertonen, sich enger an die Begriffsbestimmung für „Tonträger“ im Sinne des WIPO-Vertrags als an die Definition dieses Begriffs für die Zwecke des Abkommens von Rom anzulehnen scheint.

    61.

    Der kanadische Supreme Court hat einstimmig entschieden, dass diese Definition der „Tonaufzeichnung“ bedeute, dass kein Anspruch auf angemessene Vergütung bestehe, wenn die Tonspur das Laufbild vertone, eine Vergütung jedoch geschuldet werde, wenn die Tonspur „vom Film oder [Fernseh‑]Programm getrennt abgespielt“ werde; diese Auslegung stehe mit der Definition des „Tonträgers“ in Art. 3 des Abkommens von Rom in Einklang, da die kanadische Ausnahme für „Tonspuren“ keinen Ausschluss für „ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung[en]“ enthalte ( 39 ).

    62.

    Die Würdigung dieser Entscheidung ist aufschlussreich, aber natürlich in keiner Weise für die vorliegende Rechtssache entscheidend.

    5. Vergleich des englischen Begriffs „reproduction“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 („Vervielfältigung“) und Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie („Vervielfältigungsstück“)

    63.

    Es wäre logisch und sprachlich schlüssig, das Ergebnis einer Vervielfältigungshandlung als „eine Vervielfältigung“ des vervielfältigten Gegenstands zu behandeln.

    64.

    Der Vorgang der Synchronisierung, so wie das vorlegende Gericht ihn beschreibt, beinhaltet jedoch weit mehr als die bloße Vervielfältigung des Tonträgers. Er erfordert – und zwar im Allgemeinen vermutlich als Erstes – die Herstellung des gesamten visuellen Teils des audiovisuellen Werks, an den dann die Tonspur, die den Tonträger (oder Teile desselben) enthält, anzupassen ist. Die Tonspur kann auch Dialog sowie andere aufgezeichnete Audioteile mit oder ohne Musik enthalten. Wenn der Originalitätsgrad dieser anderen Teile des audiovisuellen Produkts so hoch ist, dass das Gesamtergebnis den Status eines audiovisuellen „Werks“ im urheberrechtlichen Sinne erlangt, fällt das Gesamtergebnis nicht unter den Begriff des Tonträgers im Sinne des WIPO-Vertrags ( 40 ).

    65.

    Wenn man bedenkt, dass weder die Vermiet- und Verleih-Richtlinie noch die Richtlinie 2001/29 eine Definition für die Wendung „eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks („reproduction“) eines solchen Tonträgers“ oder für die darin verwendeten Begriffe „Tonträger“ und „Vervielfältigungsstück“ („reproduction“) enthalten, sind Bedeutung und Tragweite dieser Begriffe und dieser Wendung entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang sie verwendet werden ( 41 ). Als Begriffe einer Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, sind sie in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen, so wie es die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz verlangen ( 42 ).

    66.

    Um mit dem Zusammenhang zu beginnen, in dem die vorgenannten Wendungen und Begriffe vorkommen, ist festzustellen, dass der englische Begriff „reproduction“ nicht nur in Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie („Vervielfältigungsstück“), sondern auch in Art. 7 der Richtlinie 92/100 („Vervielfältigung“) und später dann auch in Art. 3 der Richtlinie 2001/29, wo dieser Art. 7 wieder auftaucht, vorkommt.

    67.

    Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die in den Richtlinien 2001/29 und 2006/115 verwendeten Begriffe in Anbetracht der Erfordernisse der Einheit und der Kohärenz der Unionsrechtsordnung dieselbe Bedeutung haben müssen, es sei denn, der Unionsgesetzgeber hat in einem konkreten gesetzgeberischen Kontext einen anderen Willen zum Ausdruck gebracht ( 43 ).

    68.

    Diesbezüglich ist es wichtig, die verschiedenen Zwecke und die verschiedenen Arten der Interessen zu berücksichtigen, deren Schutz zum einen durch diejenigen Bestimmungen des Unionsrechts (und die entsprechenden Bestimmungen des internationalen Rechts), die ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern ein ausschließliches (allerdings übertragbares) Recht gewähren, bestimmte Handlungen zu erlauben oder zu verbieten (z. B. das Recht der Hersteller, die Vervielfältigung ihrer Tonträger zu erlauben oder zu verbieten), zum anderen durch die Rechte auf eine angemessene Vergütung für Vermietung oder Verleih oder für die Sendung oder öffentliche Wiedergabe, bei denen es sich im Wesentlichen um Rechte wirtschaftlicher Art handelt ( 44 ), gewährleistet wird.

    69.

    Erstere Rechte bezwecken, den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern die Mittel an die Hand zu geben, um bestimmte Formen der Nutzung der Ergebnisse ihrer Leistungen zu kontrollieren, und es ihnen damit zu ermöglichen, eine Nutzungsentschädigung auszuhandeln, während letztere Rechte bezwecken, dass die ausübenden Künstler oder Tonträgerhersteller für ihre Darbietungen bzw. Investitionen im Zusammenhang mit Nutzungen entschädigt werden, die sich ihrer Kontrolle entziehen.

    70.

    Hinsichtlich des Begriffs „öffentliche Wiedergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass diese Bestimmungen teilweise unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, da der genannte Art. 3 Urhebern ein Recht verleiht, das präventiver Art ist ( 45 ). Dieselbe Logik gilt für Art. 2 der Richtlinie 2001/29, der den Rechtsinhabern ebenfalls ein präventives Recht gewährt, nämlich das Recht, die Vervielfältigung zu erlauben oder zu verbieten.

    71.

    Hinzu kommt, dass der englische Begriff „reproduction“ als Vorgang der Vervielfältigung eines bestimmten Gegenstands oder aber als das Ergebnis einer solchen Vervielfältigung verstanden werden kann. In Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 geht es um das Recht, unbefugte Vervielfältigungshandlungen zu verbieten. Dagegen ist in Art. 8 Abs. 2 die Vergütung für bestimmte Nutzungen einer „reproduction“ im Sinne eines Vervielfältigungsstücks eines Tonträgers gemeint, d. h. die Nutzung eines Gegenstands. Dies sind zwei verschiedene Bedeutungen desselben englischen Wortes „reproduction“.

    72.

    Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache von der Situation, die der Gerichtshof im Urteil Reha Training ( 46 ) geprüft hat, in dem er in den Rn. 31 und 32 festgestellt hat, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Unionsgesetzgeber dem Begriff „öffentliche Wiedergabe“ in den Richtlinien 2001/29 und 2006/115 eine unterschiedliche Bedeutung zuschreiben wollte, und die durch die beiden Richtlinien gewährten Rechte an denselben Umstand anknüpfen (nämlich den fraglichen Begriff).

    73.

    Was die Bedeutung des englischen Wortes „reproduction“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch angeht, bin ich der Meinung, dass normalerweise niemand auf die Idee käme, ein typisches audiovisuelles Werk als ein „Vervielfältigungsstück“ eines Tonträgers anzusehen, der für die Tonspur dieses Werks (oder als Teil derselben) genutzt wird. Lediglich zur Veranschaulichung sei gesagt, dass ich – und ich denke, so würde es jedem gehen – niemals auf den Gedanken käme, einen Film wie „Tod in Venedig“ ( 47 ) als „reproduction“ (im Sinne von „Vervielfältigungsstück“) einer Aufzeichnung von Mahlers Fünfter Symphonie (oder Teilen derselben) oder irgendeines anderen Musikstücks auf der Tonspur des Films ( 48 ) oder den Film „Die Reifeprüfung“ ( 49 ) als „reproduction“ (im Sinne von „Vervielfältigungsstück“) des Lieds „The Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel anzusehen.

    74.

    Die Handlung des Kopierens einer bereits existierenden Aufzeichnung eines Lieds auf die Tonspur eines Films kann als Vervielfältigungshandlung (act of reproduction) angesehen werden, denn die Vervielfältigung ist das, was getan wird. Das Lied wird vervielfältigt und in die audiovisuelle Gesamtheit eingefügt. Wie in den Nrn. 33 bis 35 dieser Schlussanträge ausgeführt, liegt es auf der Hand, dass im Zuge der Synchronisierung eine solche Vervielfältigungshandlung im Sinne dieses Begriffs, wie er für die Zwecke des Vervielfältigungsrechts verwendet wird, in Bezug auf den Tonträger stattfindet.

    75.

    Allerdings führt der Umstand, dass die Handlung der Synchronisierung einer bereits existierenden Aufzeichnung eine Handlung der Vervielfältigung des betreffenden Tonträgers darstellt, nicht dazu, dass das daraus resultierende audiovisuelle Werk (dessen vermutlich bei weitem kleinsten und unwichtigsten Teil das Lied bildet) eine Vervielfältigung (reproduction) des Lieds wäre. Das würde wohl kaum der Bedeutung entsprechen, die diesem Begriff im gewöhnlichen Sprachgebrauch zukommt.

    76.

    In der Rechtssache Pelham hat sich der Gerichtshof mit der Auslegung des Begriffs „Verbreitungsrecht“ in Art. 9 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie befasst. Diese Bestimmung gewährt u. a. Tonträgerherstellern ein ausschließliches Recht, ihre Tonträger „sowie Kopien davon“ der Öffentlichkeit im Wege der Veräußerung oder auf sonstige Weise zur Verfügung zu stellen. Der Gerichtshof wurde gefragt, ob es sich bei einem Tonträger, der Audiofragmente enthält, die einem anderen Tonträger entnommen wurden (in diesem Fall ohne Zustimmung der Rechtsinhaber des Tonträgers, dem die Musikfragmente entnommen wurden), um eine „Kopie“ (im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie) des Tonträgers, dem die Musikfragmente entnommen wurden, handelt. Diese Frage wurde vom Gerichtshof verneint. Zur Begründung hat der Gerichtshof, zum Teil gestützt auf den Zweck des Verbreitungsrechts, soweit sich dieses auf Tonträgerhersteller bezieht (nämlich den Zweck, dem Hersteller durch einen angemessenen Rechtsschutz für seine Rechte des geistigen Eigentums die Absicherung seiner Investitionen in die Herstellung von Tonträgern zu ermöglichen), zum Teil gestützt auf die (allerdings anders formulierte) Parallelvorschrift des Art. 1 Buchst. c des Genfer Tonträgerabkommens ( 50 ), ausgeführt, dass es sich bei einem Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene Audiofragmente enthält, nicht um eine „Kopie“ dieses anderen Tonträgers handelt, „da er nicht den gesamten Tonträger oder einen wesentlichen Teil davon übernimmt“ ( 51 ).

    77.

    Ich möchte darauf hinweisen, dass es in der Rechtssache Pelham um einen Sachverhalt ging, bei dem der vervielfältigte oder kopierte Teil wesentlich kleiner war als die Gesamtheit, weil nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Tonträgers vervielfältigt worden war. In der vorliegenden Rechtssache kann es sein, dass der in Rede stehende Tonträger im Zuge der Synchronisierung ganz oder zum Teil vervielfältigt wurde. Doch selbst wenn der Tonträger im Zuge der Synchronisierung vollständig vervielfältigt wird, ist das audiovisuelle Produkt nur dann als „Werk“ anzusehen, wenn die am Ganzen vorgenommenen Änderungen die Schwelle der Originalität erreichen. Es lässt sich daher nicht vertreten, dass der Tonträger und das audiovisuelle Werk dasselbe sind oder dass das audiovisuelle Werk eine Vervielfältigung oder eine Kopie des Tonträgers ist.

    78.

    In diesem Zusammenhang bin ich der Ansicht, dass die Begriffe „Vervielfältigung“ und „Kopie“ zwar nicht bedeutungsgleiche, aber doch verwandte Begriffe sind. In der Tat ist „Vervielfältigung“ (reproduction) in Art. 3 Buchst. e des Abkommens von Rom definiert als „die Herstellung eines Vervielfältigungsstücks (a copy) oder mehrerer Vervielfältigungsstücke (copies) einer Festlegung“. In dieser Hinsicht ist die vorgeschlagene Lösung meines Erachtens auch diejenige, die sich am engsten an die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs anlehnt.

    IV. Ergebnis

    79.

    Aus diesen Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) wie folgt zu beantworten:

    Die Begriffe „Tonträger“ und „Vervielfältigungsstück eines … Tonträgers“ in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums umfassen kein audiovisuelles Werk, in das – nach ordnungsgemäßer Einholung der nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft erforderlichen Erlaubnis der/des Rechtsinhaber(s) – ein Tonträger eingefügt wurde.

    Ist das öffentlich wiedergegebene Werk ein audiovisuelles Werk, handelt es sich dabei nicht um einen „Tonträger“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115, der Gegenstand einer „Nutzung“ oder öffentlichen Wiedergabe ist.

    Folglich ergibt sich aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, vorzusehen, dass der Nutzer im Falle der „öffentlichen Wiedergabe“ des audiovisuellen Werks dem/den Inhaber(n) der Rechte an dem eingefügten Tonträger eine „einzige angemessene Vergütung“ zahlen muss.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) (ABl. 2006, L 376, S. 28, im Folgenden: Richtlinie 2006/115).

    ( 3 ) Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl.1992, L 346, S. 61, im Folgenden: Richtlinie 92/100).

    ( 4 ) Siehe unten, Nrn. 4 ff.

    ( 5 ) Siehe unten, Nrn. 10 ff.

    ( 6 ) Siehe unten, Nr. 48.

    ( 7 ) ABl. 2000, L 89, S. 6.

    ( 8 ) Diplomatic Conference on Certain Copyright and Neighbouring Rights Questions (Diplomatische Konferenz über bestimmte Urheberrechts- und verwandte Schutzrechtsfragen), die unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Genf stattfand.

    ( 9 ) „Von der Diplomatischen Konferenz am [20. Dezember] 1996 angenommene vereinbarte Erklärungen zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger“.

    ( 10 ) Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10, im Folgenden: Richtlinie 2001/29).

    ( 11 ) Warum es sich bei den Fernsehsendungen nicht um „Rundfunksendungen“, sondern um eine „öffentliche Wiedergabe“ handeln soll, erschließt sich nicht sofort. Allerdings handelt es sich bei einer „Rundfunksendung“, so wie der Begriff in Art. 8 der Vermiet- und Verleih-Richtlinie verwendet wird, um eine „drahtlos übertragene“, so dass Kabelfernsehen nicht darunter fiele. In praktischer Hinsicht ist zu sagen, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer „einzigen angemessenen Vergütung“ gleichermaßen für „Rundfunksendungen“ und die „öffentliche Wiedergabe“ gilt.

    ( 12 ) Der Wortlaut der Vermiet- und Verleih-Richtlinie ist „eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers“ (Hervorhebung nur hier).

    ( 13 ) Siehe Nr. 3 des Abschnitts des Vorabentscheidungsersuchens mit der Überschrift „Fünftens“.

    ( 14 ) Siehe Nr. 5 des Abschnitts des Vorabentscheidungsersuchens mit der Überschrift „Fünftens“. Offenbar möchte das vorlegende Gericht also nicht klären lassen, ob Atresmedia selbst „Vervielfältigungsstücke“ hergestellt hat, sondern, ob der Film oder sonstige audiovisuelle Inhalte, um deren öffentliche Wiedergabe durch Atresmedia es geht, als „Vervielfältigungsstücke“ von Tonträgern anzusehen sein könnten. Diese Frage bezieht sich auf die Handlungen der Produzenten der Filme oder des sonstigen audiovisuellen Inhalts sowie darauf, ob diese Produkte Werkseigenschaft aufweisen oder nicht; die Frage betrifft nicht die Handlungen eines Fernsehunternehmens, das die entstandenen Werke oder Produkte ohne Werkseigenschaft sendet oder öffentlich wiedergibt. Dazu merke ich an, dass nicht in Frage zu stehen scheint, dass die Verbreitung der verschiedenen audiovisuellen Inhalte eine „öffentliche Wiedergabe“ darstellt und dass die in Rede stehenden Tonträger „zu Handelszwecken veröffentlicht“ sind – davon wird offenbar ausgegangen.

    ( 15 ) Siehe im Vorabentscheidungsersuchen im Abschnitt mit der Überschrift „Erstens“, Nr. 3, den Auszug aus dem Urteil des Juzgado Mercantil (… Synchronisierung eines bereits existierenden Tonträgers in einem audiovisuellen Werk mit der entsprechenden entgeltlichen Lizenz …) sowie den Abschnitt mit der Überschrift „Fünftens“, Nr. 2 a. E. (wo das vorlegende Gericht seine Auslegungszweifel beschreibt) (… da die Vergütung für die verwandten Schutzrechte am Tonträger bereits mit der Erlaubnis zur Vervielfältigung oder Synchronisierung des Tonträgers in dem audiovisuellen Werk erfolgt ist).

    ( 16 ) Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u. a. (C‑476/17, EU:C:2019:624, Rn. 29 und Tenor 1).

    ( 17 ) Nach Angaben des vorlegenden Gerichts war diese Zustimmung zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Synchronisierungen ordnungsgemäß eingeholt.

    ( 18 ) Definiert in den Art. 1 Abs. 2 bzw. 3 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/100. Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass „[e]s … erforderlich [ist], die Begriffe ‚Vermietung‘ und ‚Verleihen‘ im Sinne dieser Richtlinie zu definieren“.

    ( 19 ) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum Vermietrecht, Verleihrecht und zu bestimmten verwandten Schutzrechten, KOM(90) 586 endg. – SYN 319, vom 24. Januar 1991 (im Folgenden: ursprünglicher Vorschlag).

    ( 20 ) Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886, zuletzt revidiert in Paris am 24. Juli 1971 und geändert am 28. September 1979.

    ( 21 ) Vgl. den ursprünglichen Vorschlag, Zweiter Teil, Kapitel 1, wo im dritten Satz des Abschnitts zu Art. 6 (Vervielfältigungsrecht) (S. 55 in der deutschsprachigen Fassung) in Bezug auf die Rechtsinhaber und Schutzgegenstände auf die Erläuterungen in Abschnitt 2.1 verwiesen wird, wo es (hinsichtlich des Vermiet- und Verleihrechts) heißt, dass „[d]ie verwendeten Bezeichnungen … im Urheberrecht und im Bereich der verwandten Schutzrechte grundlegende Begriffe [sind], die über den Weg der … Berner Übereinkunft … und des Rom-Abkommens … im Recht der meisten Mitgliedstaaten zumindest eine mittelbare Harmonisierung erfahren haben. Für die Zwecke dieser Richtlinie wird insofern auf die Berner Übereinkunft und das Rom-Abkommen Bezug genommen, als die … verwendeten Begriffe im Sinne der Konventionen auszulegen sind.“

    ( 22 ) Vgl. den von der Kommission vorgelegten „Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums“, KOM(92) 159 endg. – SYN 319, vom 30. April 1992 (im Folgenden: „geänderter Vorschlag“), Begründung, S. 12 ff., zu Art. 6 bis des geänderten Vorschlags.

    ( 23 ) Grünbuch über Urheberrecht und die technologische Herausforderung – Urheberrechtsfragen, die sofortiges Handeln erfordern, KOM(88) 172 endg., 7. Juni 1988.

    ( 24 ) Vgl. Begründung zum geänderten Vorschlag, S. 12, Abschnitt zu Art. 6 bis.

    ( 25 ) Vgl. dazu auch jüngst meine Schlussanträge in der Rechtssache Recorded Artists Actors Performers (C‑265/19, EU:C:2020:512), in der es insbesondere um die ausschließliche Zuständigkeit der Union und die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Bestimmung, welche ausübenden Künstler aus Drittländern Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben, geht.

    ( 26 ) Guide to the Rome Convention and to the Phonograms Convention, veröffentlicht 1981 von der Weltorganisation für geistiges Eigentum, Kommentar zu Art. 3 Buchst. b Nr. 3.7, S. 22. Vgl. auch den Kommentar zu Art. 3 Buchst. e, wo unter Nr. 3.15 auf S. 24 darauf hingewiesen wird, dass ein „Tonträger“ eine ausschließlich auf den Ton beschränkte Festlegung der Töne ist, wohingegen eine „Festlegung“ visuell oder audiovisuell sein kann, und dass „das Abkommen von Rom nur Tonträger schützt, die ausschließlich Töne sind.“

    ( 27 ) Dies ergibt sich auch aus dem Leitfaden „Guide to the Rome Convention and to the Phonograms Convention“, wo im Kommentar zu Art. 10 („Vervielfältigungsrecht der Hersteller von Tonträgern“) daran erinnert wird, dass die Diplomatische Konferenz unter der „unmittelbaren“ Vervielfältigung eines Tonträgers die Vervielfältigung unter Benutzung der Matrize verstand und dass die „mittelbare“ Vervielfältigung unter Benutzung einer von der Matrize gepressten Schallplatte oder durch Aufnahme einer den Tonträger enthaltenden Radio- oder Fernsehsendung erfolgte.

    ( 28 ) Urteil vom 15. März 2012, SCF (C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 38).

    ( 29 ) Ebd. (Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 30 ) Ebd. (Rn. 50).

    ( 31 ) In der englischen Fassung der vereinbarten Erklärung („the definition of phonogram provided in Article 2(b) does not suggest that rights in the phonogram are in any way affected through their incorporation into a cinematographic or other audiovisual work“) würde sich das Wort „their“ grammatikalisch auf die „rights“ (Rechte) an den Tonträgern beziehen. Offensichtlich kann das nicht richtig sein – das Wort „their“ ist daher als „its“ und sich nicht auf die Rechte, sondern auf den Tonträger beziehend zu verstehen. So auch Reinbothe, J., und von Lewinski, S., The WIPO Treaties 1996 – The WIPO Copyright Treaty and The WIPO Performances and Phonograms Treaty – Commentary and Legal Analysis, Nr. 36 auf S. 259. Dies wird durch die gleichermaßen authentische französische Fassung der vereinbarten Erklärung gestützt, die an der relevanten Stelle wie folgt lautet: „la définition du phonogramme … n’implique pas que l’incorporation dans une œuvre cinématographique ou une autre œuvre audiovisuelle ait une quelconque incidence sur les droits sur le phonogramme“, wo klar ist, dass es um die Einfügung des Tonträgers, nicht der Rechte, geht.

    ( 32 ) Guide to the Copyright and Related Rights Treaties Administered by WIPO and Glossary of Copyright and Related Rights Terms, WIPO Publication No. 891(E).

    ( 33 ) Vgl. in diesem Sinne zum WIPO-Leitfaden zur Berner Übereinkunft (Genf, 1978) Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 41), sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:43, Nr. 122).

    ( 34 ) Guide to the Copyright and Related Rights Treaties Administered by WIPO, S. 235 unter PPT‑2.8.

    ( 35 ) Vgl. Records of the Diplomatic Conference of Certain Copyright and Neighbouring Rights Questions, Genf 1996, S. 691, Nrn. 400 und 402.

    ( 36 ) Reinbothe, J., und von Lewinski, S., The WIPO Treaties on Copyright – A Commentary on the WCT, the WPPT, and the BTAP, 2. Aufl.

    ( 37 ) Vgl. die im Kurzprotokoll (Summary Minutes MC I 2000), Nr. 319, wiedergegebenen Ausführungen Australiens, das eine ähnliche Ansicht wie die in diesen Schlussanträgen dargelegte vertrat; vgl. z. B. die Ausführungen der Europäischen Union, die sich für einen gewissen Auslegungsspielraum aussprach (im selben Protokoll, Nr. 97), und die Ausführungen der Vereinigten Staaten und Japans, die für ein von der hier vertretenen Ansicht abweichendes Verständnis eintraten (im selben Protokoll, Nrn. 95 bzw. 96).

    ( 38 ) [2012] 2 SCR 376.

    ( 39 ) Ebd. (Nrn. 35, 36, 49, 50 und 52). Zu einem anderen Ergebnis vgl. die Entscheidung Phonographic Performance Co. of Australia Ltd. v. Federation of Australian Commercial Television Stations [1998] HCA 39, von der der Supreme Court of Canada wegen Unterschieden in den einschlägigen Rechtsvorschriften abwich. Die australische Entscheidung wurde mit einer aus drei Richtern bestehenden Mehrheit gegen das abweichende Votum zweier Richter getroffen. Ich möchte darauf hinweisen, dass das australische Urteil nicht auf die verwandten Schutzrechte einzugehen scheint, um die es in Art. 12 des Abkommens von Rom geht.

    ( 40 ) Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung Youtube-Videos, in denen Tonträger mit Abbildungen von CD-Hüllen zusammengefügt sind, als Beispiele für audiovisuellen Inhalt angeführt, bei dem die Anforderungen an „Werke“ im urheberrechtlichen Sinne nicht erfüllt seien und bei dem es sich deshalb um „Tonträger“ im Sinne des WIPO-Vertrags handele. Diese Auffassung wird von mir geteilt.

    ( 41 ) Vgl. Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u. a. (C‑476/17, EU:C:2019:624, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 42 ) Vgl. Urteil vom 6. Februar 2003, SENA (C‑245/00, EU:C:2003:68, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 43 ) Vgl. Urteile vom 31. Mai 2016, Reha Training (C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 28), und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 188).

    ( 44 ) Zur Diskussion über das Recht auf Vergütung im Gegensatz zu einem ausschließlichen Recht im Kontext von Art. 15 WPPT vgl. Reinbothe, J., und von Lewinski, S., The WIPO Treaties on Copyright – A Commentary on the WCT, the WPPT, and the BTAP, 2. Aufl., S. 394, Nrn. 8.15.17 ff.

    ( 45 ) Urteile vom 15. März 2012, SCF (C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 74 und 75), und vom 31. Mai 2016, Reha Training (C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 29 und 30).

    ( 46 ) Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training (C‑117/15, EU:C:2016:379).

    ( 47 ) Der Spielfilm „Tod in Venedig“ des Regisseurs Luchino Visconti von 1971, dessen Drehbuch auf Thomas Manns gleichnamiger Novelle beruht.

    ( 48 ) Wobei ich hier davon ausgehe, dass bereits aufgezeichnete Musik verwendet wurde.

    ( 49 ) Die romantische Komödie „The Graduate“ des Regisseurs Mike Nichols aus dem Jahr 1967, in der Dustin Hoffman die Hauptrolle spielt.

    ( 50 ) Übereinkommen zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger vom 29. Oktober 1971.

    ( 51 ) Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u. a. (C‑476/17, EU:C:2019:624, Rn. 55).

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