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Document 62018CJ0560

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 30. April 2020.
    Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich – Ausnahmen vom Recht auf Zugang – Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Dokumente betreffend ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren – Im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens auf der Grundlage der Richtlinie 98/34/EG abgegebene ausführliche Stellungnahmen – Antrag auf Zugang – Ablehnung – Verbreitung der angeforderten Dokumente im Laufe des Verfahrens vor dem Gericht der Europäischen Union – Verbreitung – Unzulässigkeit – Rechtsschutzinteresse – Fortbestand.
    Rechtssache C-560/18 P.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:330

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    30. April 2020 ( *1 )

    „Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten der Organe – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich – Ausnahmen vom Recht auf Zugang – Ausnahmeregelung zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten – Dokumente betreffend ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren – Im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens auf der Grundlage der Richtlinie 98/34/EG abgegebene ausführliche Stellungnahmen – Antrag auf Zugang – Ablehnung – Verbreitung der angeforderten Dokumente im Laufe des Verfahrens vor dem Gericht der Europäischen Union – Verbreitung – Unzulässigkeit – Rechtsschutzinteresse – Fortbestand“

    In der Rechtssache C‑560/18 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. September 2018,

    Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych mit Sitz in Warschau (Polen), Prozessbevollmächtigter: P. Hoffman, adwokat,

    Rechtsmittelführerin,

    andere Parteien des Verfahrens:

    Europäische Kommission, vertreten durch M. Konstantinidis und A. Spina als Bevollmächtigte,

    Beklagte im ersten Rechtszug,

    Königreich Schweden, vertreten durch C. Meyer-Seitz, A. Falk, H. Shev, J. Lundberg und H. Eklinder als Bevollmächtigte,

    Republik Polen, vertreten durch D. Lutostańska und M. Kamejsza-Kozłowska als Bevollmächtigte,

    Streithelfer im ersten Rechtszug,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis (Berichterstatter), E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,

    Generalanwalt: G. Pitruzzella,

    Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2019,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Dezember 2019

    folgendes

    Urteil

    1

    Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych (im Folgenden: Igpour), eine Organisation, die die Interessen von Herstellern, Vertreibern und Betreibern von Unterhaltungsautomaten in Polen vertritt, die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 10. Juli 2018, Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych/Kommission (T‑514/15, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2018:500), mit dem das Gericht entschieden hat, dass sich die Klage von Igpour auf Nichtigerklärung des Beschlusses GestDem 2015/1291 der Kommission vom 12. Juni 2015, mit dem ihr der Zugang zu der von der Europäischen Kommission im Rahmen des Notifizierungsverfahrens 2014/537/PL abgegebenen ausführlichen Stellungnahme verweigert worden war, sowie des Beschlusses GestDem 2015/1291 der Kommission vom 17. Juli 2015, mit dem ihr der Zugang zu der von der Republik Malta im Rahmen des Notifizierungsverfahrens 2014/537/PL abgegebenen ausführlichen Stellungnahme verweigert worden war, (im Folgenden: streitige Beschlüsse) in der Hauptsache erledigt habe.

    Rechtlicher Rahmen

    2

    Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) bestimmt:

    „…

    (2)   Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

    der Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

    es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

    …“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    3

    Am 20. November 2013 richtete die Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 2013/4218 gemäß Art. 258 AEUV ein Mahnschreiben an die Republik Polen und einige andere Mitgliedstaaten, mit dem sie die Adressaten aufforderte, ihren nationalen Rechtsrahmen betreffend Glücksspieldienstleistungen an die Grundfreiheiten des AEU-Vertrags anzupassen.

    4

    Die Republik Polen brachte der Kommission mit ihrer am 3. März 2014 bei Letzterer eingegangenen Antwort ihre Absicht zur Kenntnis, ihr gemäß der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37) einen Gesetzentwurf zur Änderung des polnischen Gesetzes über Glücksspiele zu notifizieren, um ihren Bedenken Rechnung zu tragen.

    5

    Am 5. November 2014 notifizierte die Republik Polen der Kommission den angekündigten Gesetzentwurf im Sinne von Art. 8 der Richtlinie 98/34. Diese Notifizierung wurde unter dem Aktenzeichen 2014/537/PL registriert.

    6

    Die Kommission und die Republik Malta gaben am 3. bzw. 6. Februar 2015 gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 98/34 ausführliche Stellungnahmen zu dem notifizierten Gesetzentwurf ab.

    7

    Am 17. Februar 2015 beantragte Igpour gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu den Stellungnahmen der Kommission und der Republik Malta.

    8

    Am 10. März 2015 lehnte es die Kommission ab, Igpour Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren.

    9

    Am 16. April 2015 richtete Igpour gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu den Dokumenten an die Kommission.

    10

    In den streitigen Beschlüssen erläuterte die Kommission, dass die Verbreitung der fraglichen Dokumente den Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 in Bezug auf das Vertragsverletzungsverfahren 2013/4218 beeinträchtigen würde, da diese Stellungnahmen untrennbar mit diesem Verfahren verbunden seien.

    Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

    11

    Mit am 1. September 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichter Klageschrift erhob Igpour Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse. Das Königreich Schweden wurde als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Igpour und die Republik Polen als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

    12

    Am 7. Dezember 2017 stellte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren 2013/4218 in Bezug auf die Republik Polen ein.

    13

    Am 28. Februar 2018 beschloss sie, Igpour Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren.

    14

    Die Parteien verhandelten in der Sitzung vom 28. September 2017 mündlich und beantworteten Fragen des Gerichts.

    15

    Mit Schriftsatz, der am 6. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragte die Kommission, festzustellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei, da sie beschlossen habe, Igpour Zugang zu den beiden Dokumenten zu gewähren, auf die sich die streitigen Beschlüsse bezögen. Die Kommission beantragte ferner, Igpour zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    16

    Mit Beschluss vom 14. März 2018 beschloss das Gericht, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen, und forderte die anderen Parteien auf, zum Antrag der Kommission auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme stellte Igpour in Abrede, jegliches Rechtsschutzinteresse verloren zu haben. Die Republik Polen beschränkte sich in ihrer Stellungnahme auf den Hinweis, dass sie dem Antrag der Kommission nicht entgegentrete. Das Königreich Schweden gab zu dem Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache keine Stellungnahme ab.

    17

    Im angefochtenen Beschluss vertrat das Gericht zum einen die Auffassung, es sei kaum wahrscheinlich, dass eine derart atypische Situation in der Zukunft wieder eintrete. Zum anderen ging es davon aus, dass Igpour die Möglichkeit, eine Klage wegen (außervertraglicher) Haftung der Europäischen Union gegen die Kommission zu erheben, lediglich in den Raum gestellt hatte, ohne jedoch zu erläutern, ob sie oder ihre Mitglieder die Absicht hätten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

    18

    Das Gericht hat daher entschieden, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei und dass die Parteien ihre eigenen Kosten zu tragen hätten.

    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    19

    Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Igpour,

    den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

    die streitigen Beschlüsse für nichtig zu erklären und

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

    hilfsweise, die Rechtssache zur Entscheidung in der Sache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

    20

    Die Kommission beantragt,

    das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und

    Igpour die Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen.

    21

    Das Königreich Schweden beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die streitigen Beschlüsse für nichtig zu erklären.

    22

    Die Republik Polen hat in der mündlichen Verhandlung Erklärungen abgegeben und beantragt im Wesentlichen, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.

    Das Rechtsmittel

    23

    Igpour macht zur Stützung ihres Rechtsmittels fünf Rechtsmittelgründe geltend.

    Zum ersten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    24

    Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Igpour geltend, dass die Rn. 30 und 32 des angefochtenen Beschlusses in zweierlei Hinsicht fehlerhaft seien.

    25

    Zum einen habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, als es festgestellt habe, es sei kaum wahrscheinlich, dass der von Igpour geltend gemachte Rechtsverstoß in Zukunft wieder eintrete. Zum anderen sei das Gericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es darauf ankomme, ob es möglich sei, dass eine spezifische Situation wie die des vorliegenden Falles in der Zukunft eintreten werde, obwohl es darauf ankomme, ob die Kommission die von Igpour beanstandeten Auslegungen der Verordnung Nr. 1049/2001 oder der Richtlinie 98/34 künftig anwenden werde.

    26

    Nach Ansicht von Igpour hat das Gericht zum einen nicht bedacht, dass es unwahrscheinlich sei, dass sich die Kommission künftig auf eine Auslegung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 stütze, wonach eine allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung für Dokumente – unabhängig davon, ob diese Bezugnahmen auf Mahnschreiben enthielten – gelte, die mit einem laufenden Vertragsverletzungsverfahren „untrennbar verbunden“ seien.

    27

    Das Gericht habe nicht die Wahrscheinlichkeit geprüft, dass diese Auslegung in der Zukunft wieder herangezogen werde, sondern vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass von dieser Auslegung in einer ähnlichen Situation wie der des vorliegenden Falles wieder Gebrauch gemacht werde, nämlich anlässlich einer neuen Rechtssache, in der ein Vertragsverletzungsverfahren laufe, ein Mitgliedstaat der Kommission einen Gesetzentwurf notifiziere, der den Bedenken Rechnung trage, die dieses Verfahren gerechtfertigt hätten, und die Kommission eine ausführliche Stellungnahme zu diesem Entwurf abgebe und dann die Verbreitung dieser Stellungnahme mit der Begründung verweigere, dass der Zweck des Vertragsverletzungsverfahrens zu schützen sei.

    28

    Zum anderen habe das Gericht den in den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils aufgezeigten Fehler nochmals begangen, indem es in Bezug auf das Vorbringen der Kommission, dass der Transparenzgrundsatz, der der Richtlinie 98/34 – ersetzt durch die Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) – zugrunde liege, die Geltendmachung allgemeiner Vermutungen der Nichtverbreitung für im Rahmen eines nicht vertraulichen Notifizierungsverfahrens abgegebene ausführliche Stellungnahmen nicht entgegenstehe.

    29

    Im Übrigen sei es angesichts des erheblichen Umfangs der Notifizierungspflichten der Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2015/1535 wahrscheinlich, dass zahlreiche notifizierte Gesetzentwürfe zumindest teilweise auf die Bedenken der Kommission, die ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren rechtfertigten, Rechnung tragen würden, so dass sich eine ähnliche Situation wie im vorliegenden Fall wiederholen werde. Das Gericht habe seine gegenteilige Feststellung in keiner Weise gerechtfertigt, und eine solche Rechtfertigung sei unmöglich.

    30

    Ein anderer Beschluss, der Igpour betreffe, nämlich der Beschluss vom 19. Juli 2018, Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych/Kommission (T‑750/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:506), zeige, dass die Kommission ihre Auslegung von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie des in den Richtlinien 98/34 und 2015/1535 verankerten Transparenzgrundsatzes beharrlich vertrete, und bestätige, dass eine solche Auslegung wahrscheinlich in Zukunft wieder vertreten werde.

    31

    Darüber hinaus macht Igpour geltend, es sei durchaus wahrscheinlich, dass sie selbst in der Zukunft Anträge auf Zugang zu Dokumenten stelle, auf die die Kommission unter Berufung auf die im vorliegenden Fall beanstandete Auslegung des Unionsrechts reagieren werde. In ihrer Eigenschaft als Unternehmerorganisation bezögen sich ihre Aktivitäten auf alle Aspekte der Geschäftstätigkeit ihrer Mitglieder und nicht nur auf die Aspekte, die unmittelbar mit dem von ihr vertretenen spezifischen Sektor zusammenhingen oder die von den nationalen Rechtsvorschriften über Glücksspiele betroffen seien.

    32

    Die schwedische Regierung weist darauf hin, dass die streitigen Beschlüsse, auch wenn Igpour nunmehr Zugang zu den fraglichen Dokumenten gewährt werde, von der Kommission nicht formell zurückgenommen worden seien, so dass der Rechtsstreit nicht gegenstandslos geworden sei.

    33

    Nach Ansicht der schwedischen Regierung hatte Igpour den Zugang zu den ausführlichen Stellungnahmen im Rahmen eines Notifizierungsverfahrens bewusst zu einem Zeitpunkt angestrebt, als das Vertragsverletzungsverfahren noch anhängig gewesen sei. Da die Verbreitung der angeforderten Dokumente nicht vor Abschluss dieser Verfahren erfolgt sei, habe sie es nicht ermöglicht, die mit dem Antrag auf Zugang verfolgten Ziele vollständig zu erreichen.

    34

    Die schwedische Regierung teilt den Standpunkt von Igpour, wonach das Gericht hätte prüfen müssen, ob die von der Kommission in den streitigen Beschlüssen herangezogene Regel einer allgemeinen Vermutung auch in Zukunft von dieser geltend gemacht werden könne. Diese Schlussfolgerung werde unmittelbar durch das Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660), bestätigt, aus dem hervorgehe, dass die Prüfung darauf zu richten sei, ob sich der geltend gemachte Rechtsverstoß in Zukunft wiederholen könnte.

    35

    Die schwedische Regierung ist wie Igpour der Ansicht, es sei äußerst wahrscheinlich, dass eine solche Wiederholung in Zukunft eintrete. Erstens bestehe nämlich die unmittelbare Gefahr, dass sich die Kommission bei der Begründung ihrer Beschlüsse, mit denen künftige Anträge auf Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen von nach der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Notifizierungsverfahren gestellt würden, abgelehnt würden, auf einen Verweis auf die streitige Regel der allgemeinen Vermutung stützen könne. Zweitens habe die Kommission nach Erlass der streitigen Beschlüsse diese Regel der allgemeinen Vermutung tatsächlich bereits angewendet, und zwar um die Ablehnung eines weiteren Antrags von Igpour zu begründen, mit dem sie im Rahmen eines nach der Richtlinie 2015/1535 vorgesehenen Notifizierungsverfahrens um Zugang zu Bemerkungen der Kommission und zu einer ausführlichen Stellungnahme ersucht habe. Drittens sei der Umstand, dass Igpour große Gefahr laufe, dass diese Regel einer allgemeinen Vermutung in Zukunft eingewandt werde, auch auf den Umstand zurückzuführen, dass Igpour eine Organisation sei, die die Interessen der Hersteller, Vertreiber und Betreiber von Spielautomaten in Polen vertrete, deren Aktivitäten sich auf alle Aspekte der Geschäftstätigkeit ihrer Mitglieder und nicht nur auf die Aspekte bezögen, die unmittelbar mit dem von ihr vertretenen spezifischen Sektor zusammenhingen oder die von den nationalen Rechtsvorschriften über Glücksspiele betroffen seien. Schließlich betreffe diese Gefahr nicht nur Anträge von Igpour auf Zugang zu Dokumenten, sondern auch Anträge anderer Personen.

    36

    Die Kommission hält den ersten Rechtsmittelgrund für unbegründet.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    37

    Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund bringt Igpour, unterstützt durch die schwedische Regierung, im Wesentlichen vor, das Gericht habe in den Rn. 30 und 32 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft festgestellt, dass es kaum wahrscheinlich sei, dass der von ihr geltend gemachte Rechtsverstoß in Zukunft wieder eintrete, und dass sie daher kein Interesse an der Weiterverfolgung der Klage habe. In diesem Zusammenhang komme es nicht darauf an, ob es möglich sei, dass künftig eine spezifische Situation eintrete, die mit der in der vorliegenden Rechtssache vergleichbar sei, sondern darauf, ob im Allgemeinen die Gefahr bestehe, dass sich der geltend gemachte Rechtsverstoß in Zukunft wiederhole, und insbesondere, dass die Kommission in Zukunft dieselbe Auslegung der Verordnung Nr. 1049/2001 vornehme, nach der sie berechtigt sei, in laufenden Vertragsverletzungsverfahren eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung geltend zu machen.

    38

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ebenso wie das Rechtsschutzinteresse auch der Streitgegenstand bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen muss – andernfalls der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist –, was voraussetzt, dass die Klage der Partei, die sie erhoben hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    39

    Ein Kläger kann in bestimmten Fällen ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung behalten, um den Urheber der Handlung zu veranlassen, sie für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, und um somit das Risiko zu vermeiden, dass sich die Rechtswidrigkeit, die der fraglichen Handlung anhaften soll, wiederholt (Urteile vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 48).

    40

    Der Fortbestand dieses Interesses setzt voraus, dass sich der Rechtsverstoß unabhängig von den besonderen Umständen der in Rede stehenden Rechtssache in Zukunft wiederholen kann (Urteile vom 7. Juni 2007, Wunenburger/Kommission, C‑362/05 P, EU:C:2007:322, Rn. 52, und vom 4. September 2018, Client Earth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 48).

    41

    Aus dieser Rechtsprechung geht auch hervor, dass der Fortbestand des Rechtsschutzinteresses eines Klägers im konkreten Fall und insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen des geltend gemachten Rechtsverstoßes und der Art des angeblich erlittenen Schadens zu beurteilen ist (Urteil vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission, C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 65).

    42

    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es, da die Klage von Igpour eine Verweigerung des Zugangs zu ausführlichen Stellungnahmen betreffe, die auf der Grundlage der Richtlinie 98/34 abgegeben worden seien und sich auf einen von einem Mitgliedstaat auf der Grundlage dieser Richtlinie notifizierten Gesetzentwurf bezögen, und die Kommission ihre Weigerung, diese Stellungnahmen zu verbreiten, damit begründet habe, dass der Zweck des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens zu schützen sei, kaum wahrscheinlich sei, dass eine derart atypische Situation in Zukunft wieder eintrete.

    43

    Es steht zwar fest, dass die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten auf Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 und insbesondere auf das behauptete Bestehen eines untrennbaren Zusammenhangs zwischen den ausführlichen Stellungnahmen und dem in Rede stehenden Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Polen und damit auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gestützt hat, die für Dokumente im Zusammenhang mit laufenden Vertragsverletzungsverfahren gelte.

    44

    Daher kann, wie Igpour vorträgt, nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission, um den Zugang zu allen Dokumenten zu verweigern, die untrennbar mit einem laufenden Vertragsverletzungsverfahren verbunden sind, ihre Begründung in Zukunft erneut auf diese allgemeine Vermutung der Nichtverbreitung stützt.

    45

    Der Gerichtshof hat jedoch bereits eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung für Dokumente anerkannt, die das Vorverfahren in einer Vertragsverletzungssache einschließlich des Schriftverkehrs zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat in einem EU-Pilotverfahren betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    46

    Indem Igpour ihr Rechtsschutzinteresse auf das Argument stützt, dass sich der von ihr geltend gemachte Rechtsverstoß unabhängig von den besonderen Umständen der in Rede stehenden Rechtssache in Zukunft wiederholen könne, möchte sie daher in Wirklichkeit die Existenz einer allgemeinen Vertraulichkeitsvermutung, die vom Gerichtshof bereits bestätigt wurde, bestreiten.

    47

    Sollte eine derart abstrakte Auslegung des „Rechtsverstoßes, der sich in Zukunft wiederholen kann“ bejaht werden, hätte dies, wie auch der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, paradoxe Folgen. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers würde nämlich in jedem Verfahren über den Zugang zu Dokumenten ohne Weiteres allein deshalb fortdauern, weil das betreffende Organ in Zukunft eine bestimmte Rechtsvorschrift in einem anderen Fall in der streitigen Art und Weise auslegen könnte.

    48

    Zudem gibt es entgegen dem Vorbringen von Igpour, und wie der Generalanwalt ebenfalls in Nr. 115 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, im vorliegenden Rechtsstreit keine spezifischen Gründe, die zu der Annahme führen würden, dass „diese Vermutung in Zukunft gerade auch“ Igpour „entgegengehalten wird“.

    49

    Die Umstände des vorliegenden Falles unterscheiden sich nämlich von denen der Rechtssache, in der das Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission (C‑57/16 P, EU:C:2018:660), ergangen ist. In dieser Rechtssache betraf der Antrag auf Zugang zum einen Dokumente im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren der Union in Umweltangelegenheiten. Zum anderen hat der Gerichtshof dort das Bestehen eines Interesses der Rechtsmittelführerin an der Fortsetzung des Verfahrens trotz der Verbreitung der angeforderten Dokumente mit der Begründung anerkannt, dass das Rechtsmittel auf die Aufhebung eines Urteils gerichtet war, mit dem erstmals die Anwendung einer allgemeinen Vertraulichkeitsvermutung auf eine bestimmte Kategorie von Dokumenten auf der Grundlage dieser Rechtsgrundlage anerkannt worden war. Die Heranziehung einer solchen Vermutung, deren Rechtmäßigkeit in Abrede gestellt wurde, hätte sich daher unabhängig von den besonderen Umständen dieser Rechtssache in der Zukunft wiederholen können, während sich der geltend gemachte Rechtsverstoß im vorliegenden Fall auf die Anwendung einer vom Gerichtshof bereits anerkannten Vermutung unter besonderen Umständen bezieht, so dass sich eine solche Rechtswidrigkeit nicht außerhalb dieser Umstände wiederholen kann.

    50

    Folglich ist festzustellen, dass das Gericht die besonderen Umstände, unter denen die geltend gemachte Rechtswidrigkeit eingetreten ist, zu Recht konkret beurteilt und die Auffassung vertreten hat, dass sich solche Umstände angesichts ihrer Besonderheiten nicht wiederholen könnten, so dass sich der geltend gemachte Rechtsverstoß außerhalb der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache nicht wiederholen könne.

    51

    Im Übrigen ist zu dem in den Rn. 28 bis 31 des vorliegenden Urteils dargelegten Vorbringen festzustellen, dass Igpour dem Gericht damit im Wesentlichen vorwirft, denselben Rechtsfehler begangen zu haben, der bereits in den Rn. 42 bis 50 des vorliegenden Urteils geprüft worden ist. Dieses Vorbringen ist daher aus den gleichen Gründen zurückzuweisen.

    52

    Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum zweiten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    53

    Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht Igpour geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen festgestellt habe, dass der Abschluss des Verfahrens ohne Entscheidung in der Sache es der Kommission nicht ermögliche, sich einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zu entziehen. Die Kommission könne nämlich immer dann entscheiden, Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, wenn sie sich gewahr werde, dass sie Gefahr laufe, in einem Rechtsstreit zu unterliegen.

    54

    Igpour macht geltend, die Argumentation des Gerichts, „[d]as Zulassen [des] Vorbringens [wonach der Abschluss des Verfahrens ohne Entscheidung in der Sache es der Kommission ermögliche, sich einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zu entziehen] auf die Annahme hinaus[liefe], dass, ohne dass die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles festgestellt zu werden bräuchten, jeder Kläger, dessen Antrag auf Zugang zu den Dokumenten ursprünglich zurückgewiesen wurde, beantragen könnte, dass der Rechtsstreit zwischen ihm und dem von dem fraglichen Antrag betroffenen Organ entschieden werde, und dies obwohl seinem Antrag nach Erhebung seiner Klage beim Gericht der Union stattgegeben worden war“, auf einer unrichtigen Auslegung dieses Vorbringens beruhe.

    55

    Erstens bestehe das Interesse an der Weiterverfolgung der Klage im vorliegenden Fall deshalb, weil zum einen die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Dokumenten auf einem angeblichen „untrennbaren Zusammenhang“ zwischen den angeforderten Dokumenten und dem laufenden Vertragsverletzungsverfahren beruhe und zum anderen das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt und die Dokumente nach Abschluss sowohl des schriftlichen als auch des mündlichen Verfahrens vorgelegt worden seien. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, sei es erforderlich, dass die Unionsgerichte über die Klage entschieden. Da es ausschließlich Sache der Kommission sei, über die Zweckmäßigkeit und den Zeitpunkt der Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens zu entscheiden, könne sie eine solche Entscheidung treffen, wenn sie sich nach der mündlichen Verhandlung und dem Ende des mündlichen Verfahrens der Gefahr gewahr werde, in dem Rechtsstreit zu unterliegen. Sie könnte sich somit dafür entscheiden, einem für sie ungünstigen Ausgang zu entgehen. Wenn die Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens das Gericht von der Entscheidung entbinden würde, könnte ein solcher Ansatz der Kommission es in der Praxis ermöglichen, den Zugang zu jedem Dokument jahrelang ohne jegliche gerichtliche Kontrolle eines solchen Beschlusses zu verzögern.

    56

    Zweitens stimmten die Erwägungen des Gerichts offensichtlich nicht mit der in den Rn. 78 und 79 des Urteils des Gerichtshofs vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331), dargelegten Rechtsprechung des Gerichtshofs überein, wonach das Interesse daran, die Klage nach Beendigung der Rechtswirkungen eines angefochtenen Rechtsakts weiterzuverfolgen, dadurch gerechtfertigt sein könne, dass die Anerkennung des geltend gemachten Rechtsverstoßes dem Kläger einen Vorteil verschaffen könnte.

    57

    Drittens macht Igpour geltend, dass das Gericht ihre Behauptung, dass sich die Kommission jeder gerichtlichen Kontrolle entziehe, nicht wirklich inhaltlich in Frage gestellt habe und dass diese Behauptung für die Feststellung ausreiche, dass Igpour ein Interesse an der Weiterverfolgung ihrer Klage habe. Das Recht auf Zugang ergebe sich unmittelbar aus Art. 15 AEUV und Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Daher sei es besonders wichtig, eine wirksame gerichtliche Kontrolle der Beschlüsse der Kommission über die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten zu gewährleisten.

    58

    Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unbegründet.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    59

    Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht Igpour im Wesentlichen geltend, dass der Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht ohne Entscheidung in der Sache der Kommission ermögliche, sich einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, und dass Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft sei, da das Gericht entschieden habe, dass dem nicht so sei.

    60

    Insoweit ergibt sich aus der bereits in Rn. 39 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass ein Kläger zwar unter bestimmten Umständen sein Interesse an der Nichtigerklärung selbst dann behält, wenn der Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, nach Erhebung seiner Klage aufgehört hat, Wirkungen zu zeitigen, jedoch ist dies hier jedenfalls nicht der Fall.

    61

    Aus der Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes ergibt sich, dass es Igpour nicht gelungen ist, im vorliegenden Fall solche Umstände nachzuweisen, unter denen das Gericht im Hinblick auf diese Rechtsprechung den Fortbestand ihres Rechtsschutzinteresses hätte feststellen müssen, obwohl die Kommission im Laufe des Verfahrens vor dem Gericht Zugang zu den beiden Dokumenten gewährt hatte, auf die sich die streitigen Beschlüsse bezogen.

    62

    Soweit Igpour mit diesem Rechtsmittelgrund im Wesentlichen vorbringt, das Gericht habe ihr mit dem angefochtenen Beschluss unter Verstoß gegen Art. 47 der Grundrechtecharta den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz vorenthalten, ist außerdem darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung nicht darauf abzielt, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen bei den Gerichten der Union zu ändern (Urteile vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 97, sowie vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung) und somit ebenso wenig die Voraussetzungen für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses verändert.

    63

    Das Gericht hat daher in Rn. 33 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerfrei entschieden, dass das Zulassen des Vorbringens von Igpour auf die Annahme hinauslaufe, dass, ohne dass die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles festgestellt zu werden bräuchten, der Kläger, dem ursprünglich der Zugang zu den Dokumenten verweigert wurde, beantragen könnte, dass der Rechtsstreit zwischen ihm und dem von dem fraglichen Antrag betroffenen Organ entschieden werde, obwohl seinem Antrag nach Erhebung seiner Klage beim Gericht der Union stattgegeben worden war.

    64

    Der zweite Rechtsmittelgrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum dritten und zum vierten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    65

    Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht Igpour im Wesentlichen geltend, das Gericht habe in Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft festgestellt, dass der Umstand, dass sie im Rahmen einer etwaigen Schadensersatzklage gegen die Kommission die Rechtswidrigkeit der streitigen Beschlüsse nachweisen müsse, keine unzumutbare Belastung darstelle, da sie sich dann auf Argumente stützen könne, die bereits im Zusammenhang mit der Nichtigkeitsklage vorgetragen worden seien.

    66

    Nach Ansicht von Igpour ist diese Argumentation in zweifacher Hinsicht fehlerhaft. Zum einen binde die Nichtigerklärung eines Rechtsakts durch die Unionsgerichte die Gerichte der Union oder die nationalen Gerichte, die über eine Schadensersatzklage zu entscheiden hätten, oder könne die Grundlage für außergerichtliche Verhandlungen mit den Unionsorganen über den Ersatz des entstandenen Schadens bilden. Mit anderen Worten verschaffe ihr der bindende Charakter eines Urteils des Gerichts einen Vorteil. Zum anderen sei in Anbetracht des Stadiums des Verfahrens vor dem Gericht, in dem der angefochtene Beschluss ergangen sei, nämlich nach Abschluss des schriftlichen und des mündlichen Verfahrens, die Last, die Igpour aufgebürdet würde, wenn alle diese Gesichtspunkte im Rahmen einer künftigen Schadensersatzklage wiederholt werden müssten, jedenfalls unzumutbar.

    67

    Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht Igpour im Wesentlichen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es in Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses ihr Vorbringen, dass ihr die Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse in ihren Gesprächen mit der Kommission und bei einer eventuellen Schadensersatzklage gegen die Kommission einen Vorteil verschaffen könne, nur zurückgewiesen habe, weil sie nicht angegeben habe, ob sie „tatsächlich“ die Absicht habe, eine solche Klage zu erheben, und weil sie keine genauen, konkreten und nachprüfbaren Angaben zu den Wirkungen der streitigen Beschlüsse gemacht habe. Außerdem wirft Igpour dem Gericht vor, sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt zu haben, die einen durch die streitigen Beschlüsse verursachten konkreten und sicheren Schaden darstellten.

    68

    Entgegen den Ausführungen des Gerichts sei Igpour keineswegs verpflichtet, das Gericht davon zu überzeugen, dass sie „tatsächlich“ eine Schadensersatzklage erheben wolle. Ihr Interesse – und nicht die Möglichkeit einer Schadensersatzklage – dürfe nicht rein hypothetisch sein. Es genüge nämlich, dass sie die Gründe angebe, aus denen ihr durch die streitigen Beschlüsse ein materieller Schaden entstanden sei. Es sei nicht erforderlich, die Angaben, auf die diese Darstellung gestützt werde, genau oder nachprüfbar zu machen, da es nicht Sache des Gerichts sei, sie nachzuprüfen. Ein solches Erfordernis sei daher gegenstandslos. Es würde außerdem die Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage sowie der Schadensersatzklage dadurch erschweren, dass sie unnötig verkompliziert würden.

    69

    Jedenfalls bestehe ein Kausalzusammenhang zwischen den streitigen Beschlüssen und den Kosten der Nichtigkeitsklage. Außerdem seien die Kosten, wenn die Kostenentscheidung des Gerichts berücksichtigt werde, nach der Verkündung des angefochtenen Beschlusses uneinbringlich geworden. Igpour macht geltend, dass sie mit diesem Vorbringen nicht die Entscheidung des Gerichts über die Kosten angreife, sondern nur jene, dass eine Entscheidung nicht erforderlich sei, da es nicht berücksichtigt habe, dass die ihr entstandenen Kosten einen besonderen Schaden darstellten, der durch die streitigen Beschlüsse verursacht worden sei.

    70

    Die Kommission hält diese beiden Rechtsmittelgründe für unbegründet.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    71

    Mit diesen beiden Rechtsmittelgründen, die zusammen zu prüfen sind, macht Igpour im Wesentlichen geltend, das Gericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Umstand, dass sie im Rahmen einer eventuellen Schadensersatzklage die bereits im Zusammenhang mit dieser Nichtigkeitsklage vorgetragenen Argumente wiederholen müsse, keine unzumutbare Belastung darstelle, die ihr Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Fall begründen könne. Außerdem wirft sie dem Gericht vor, davon ausgegangen zu sein, dass sie weder angegeben habe, ob sie „tatsächlich“ die Absicht habe, eine solche Klage zu erheben, noch genaue, konkrete und nachprüfbare Angaben zu den Wirkungen der streitigen Beschlüsse gemacht habe, und daraus abgeleitet zu haben, dass die Möglichkeit einer solchen Klage nicht geeignet sei, die Fortdauer ihres Rechtsschutzinteresses nachzuweisen.

    72

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger für sein Rechtsschutzinteresse, das die wesentliche Grundvoraussetzung jeder Klage darstellt, den Nachweis erbringen muss (Urteil vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 33).

    73

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs reicht zwar die Möglichkeit einer Schadensersatzklage aus, um ein Rechtsschutzinteresse zu begründen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass dieses nicht hypothetisch ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 69 und 79 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 7. November 2018, BPC Lux 2 u. a./Kommission, C‑544/17 P, EU:C:2018:880, Rn. 43). Wie bereits in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, ist der Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses im konkreten Fall insbesondere unter Berücksichtigung der Folgen des geltend gemachten Rechtsverstoßes und der Art des angeblich erlittenen Schadens zu beurteilen.

    74

    Daraus folgt, dass Igpour ein Rechtsschutzinteresse nicht mit einer bloßen Berufung auf die Möglichkeit begründen konnte, in der Zukunft eine Schadensersatzklage zu erheben, ohne konkrete Einzelheiten zu den Folgen des geltend gemachten Rechtsverstoßes für ihre Situation und zur Art des Schadens, der ihr entstanden sein soll und dessen Ersatz mit einer solchen Klage begehrt worden wäre, vorzubringen.

    75

    Im Rahmen der allein ihm zustehenden Tatsachen- und Beweiswürdigung hat das Gericht in Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin auf die Möglichkeit einer solchen Schadensersatzklage hingewiesen habe, ohne anzugeben, ob sie selbst oder ihre Mitglieder tatsächlich die Absicht hätten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und sich in Bezug auf den angeblich erlittenen Schaden auf den Hinweis beschränkt habe, dass „Klagen abgewiesen wurden und dass Beklagte verurteilt wurden“, ohne jedoch irgendein genaues, konkretes und nachprüfbares Detail vorzubringen, wobei die Rechtsmittelführerin insoweit im Übrigen in keiner Weise geltend gemacht hat, dass das Gericht den Sachverhalt oder ihr Vorbringen verfälscht habe.

    76

    Unter diesen Umständen konnte das Gericht rechtsfehlerfrei im Wesentlichen davon ausgehen, dass die Voraussetzungen, die sich aus der in Rn. 73 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben und unter denen festgestellt werden kann, dass die Möglichkeit einer Schadensersatzklage ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung begründen kann, nicht erfüllt sind.

    77

    Was im Übrigen das Vorbringen betrifft, Igpour sei dadurch ein besonderer Schaden entstanden, dass das Gericht sie zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt habe, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Umstand für sich genommen offensichtlich keinen Nachweis für den Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses an einer Nichtigerklärung darstellen kann, da dieser Voraussetzung sonst ihre Bedeutung genommen würde.

    78

    Zu dem Vorbringen, das Gericht habe in Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft festgestellt, dass der Umstand, dass Igpour im Rahmen einer eventuellen Schadensersatzklage die bereits im Zusammenhang mit ihrer Nichtigkeitsklage vorgetragenen Argumente wiederholen müsse, keine unzumutbare Belastung darstelle, die ihr Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Fall begründen könne, ist festzustellen, dass ein Erfolg eines solchen Vorbringens dazu führen würde, dass das Gericht auch dann zur Prüfung der Schadensersatzklage verpflichtet wäre, wenn diese rein hypothetisch ist. Wie sich aber aus den Rn. 74 bis 76 des vorliegenden Urteils ergibt, hat das Gericht im vorliegenden Fall zu Recht die Auffassung vertreten, dass ein solches Vorbringen nicht ausreiche, um den Fortbestand des Rechtsschutzinteresses nachzuweisen, da die Rechtsmittelführerin im ersten Rechtszug nichts Konkretes in diesem Sinne vorgetragen habe.

    79

    Daher sind der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum fünften Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    80

    Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht Igpour im Wesentlichen geltend, das Gericht habe in Rn. 34 des angefochtenen Beschlusses rechtsfehlerhaft entschieden, dass sie kein Interesse an der Weiterverfolgung der Klage habe, obwohl die Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse erforderlich gewesen sei, um den ihr als Berufsorganisation entstandenen immateriellen Schaden wiedergutzumachen, und es keine andere Möglichkeit für die Wiedergutmachung eines solchen Schadens gebe.

    81

    Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    82

    Nach Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann das Rechtsmittel den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs nämlich auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt. Eine Partei kann daher nicht vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, da ihr damit erlaubt würde, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    83

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Igpour vor dem Gericht nicht geltend gemacht hat, dass sie weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung der streitigen Beschlüsse habe, weil diese Nichtigerklärung eine Wiedergutmachung ihres angeblich durch die geltend gemachte Rechtswidrigkeit dieser Beschlüsse entstandenen immateriellen Schadens gewesen wäre, sondern dies erstmals in ihrer Rechtsmittelschrift vorgebracht hat.

    84

    Der fünfte Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

    85

    Infolgedessen ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

    Kosten

    86

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    87

    Da Igpour mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, Igpour die Kosten aufzuerlegen, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die der Kommission entstandenen Kosten aufzuerlegen.

    88

    Nach Art. 140 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Schweden und die Republik Polen ihre eigenen Kosten.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

     

    2.

    Die Izba Gospodarcza Producentów i Operatorów Urządzeń Rozrywkowych trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

     

    3.

    Das Königreich Schweden und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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