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Document 62018CJ0521

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 28. Oktober 2020.
    Pegaso Srl Servizi Fiduciari u. a. gegen Poste Tutela SpA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Richtlinie 2014/25/EU – Art. 13 – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Postdiensten – Auftraggeber – Öffentliche Unternehmen – Zulässigkeit.
    Rechtssache C-521/18.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:867

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    28. Oktober 2020 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Richtlinie 2014/25/EU – Art. 13 – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Postdiensten – Auftraggeber – Öffentliche Unternehmen – Zulässigkeit“

    In der Rechtssache C‑521/18

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) mit Entscheidung vom 4. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2018, in dem Verfahren

    Pegaso Srl Servizi Fiduciari,

    Sistemi di Sicurezza Srl,

    YW

    gegen

    Poste Tutela SpA,

    Beteiligte:

    Poste Italiane SpA,

    Services Group,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

    Generalanwalt: M. Bobek,

    Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Pegaso Srl Servizi Fiduciari und der Sistemi di Sicurezza Srl, vertreten durch A. Scuderi und F. Botti, avvocati,

    der Poste Tutela SpA, vertreten durch S. Napolitano, avvocato,

    der Poste Italiane SpA, vertreten durch A. Fratini und A. Sandulli, avvocati,

    der Services Group, vertreten durch L. Lentini, avvocato,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, P. Ondrůšek und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. April 2020

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Erwägungsgründe 21 und 46 sowie von Art. 16 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. 2014, L 94, S. 1), von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65) und von Art. 3 Abs. 4, Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 13 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pegaso Srl Servizi Fiduciari, der Sistemi di Sicurezza Srl und YW (im Folgenden zusammen: Pegaso) auf der einen und der Poste Tutela SpA sowie der Poste Italiane SpA auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit einer Auftragsbekanntmachung betreffend die Vergabe von Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldiensten für die Räumlichkeiten der Poste Italiane und anderer Gesellschaften ihres Konzerns in einem offenen Verfahren.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2004/17/EG

    3

    Art. 6 („Postdienste“) der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) sah in Abs. 1 vor:

    „Unter diese Richtlinie fällt die Bereitstellung von Postdiensten oder – unter den Bedingungen nach Absatz 2 Buchstabe c) – von anderen Diensten als Postdiensten.“

    Richtlinie 2014/23

    4

    In den Erwägungsgründen 21 und 46 der Richtlinie 2014/23 heißt es:

    „(21)

    Der Begriff ‚Einrichtungen des öffentlichen Rechts‘ ist wiederholt im Rahmen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geprüft worden. Einige Erläuterungen, die in diesem Rahmen gegeben wurden, sind Schlüssel zum Verständnis dieser Begrifflichkeit. Es sollte daher klargestellt werden, dass eine Einrichtung, die unter marktüblichen Bedingungen arbeitet, gewinnorientiert ist und die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit einhergehenden Verluste trägt, nicht als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts‘ gelten sollte, da die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, zu deren Erfüllung sie eingerichtet wurde oder die sie erfüllen soll, gewerblicher Art sind. Ebenso ist vom Gerichtshof die Voraussetzung der Herkunft der Finanzausstattung einer Einrichtung geprüft und erkannt worden, dass ‚überwiegend‘ finanziert einer Finanzierung zu mehr als der Hälfte entspricht und dass diese Finanzierung auch Zahlungen der Nutzer umfassen kann, die nach öffentlichem Recht auferlegt, berechnet und erhoben werden.

    (46)

    An kontrollierte juristische Personen vergebene Konzessionen sollten nicht der Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren unterliegen, wenn der öffentliche Auftraggeber oder der Auftraggeber im Sinne des Artikels [7] Absatz 1 Buchstabe a über die betreffende juristische Person eine Kontrolle ausübt, die mit der vergleichbar ist, die er über seine eigenen Dienststellen ausübt, vorausgesetzt die kontrollierte juristische Person führt mehr als 80 % ihrer Tätigkeiten in Ausführung der Aufgaben aus, mit denen sie von dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder dem kontrollierenden Auftraggeber oder von anderen durch diesen öffentlichen Auftraggeber oder diesen Auftraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut worden ist, und zwar ungeachtet des Begünstigten der Ausführung des Vertrags. …“

    5

    Art. 6 („Öffentliche Auftraggeber“) Abs. 4 dieser Richtlinie lautet:

    „‚Einrichtungen des öffentlichen Rechts‘ sind Einrichtungen, die sämtliche der folgenden Eigenschaften aufweisen:

    a)

    Sie wurden zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen;

    b)

    sie besitzen Rechtspersönlichkeit; und

    c)

    sie werden überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert oder unterstehen hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht dieser Einrichtungen oder Körperschaften oder sie haben ein Verwaltungs‑, Leitungs- beziehungsweise Aufsichtsorgan, dessen Mitglieder mehrheitlich vom Staat, Körperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.“

    6

    Art. 16 („Ausschluss von Tätigkeiten, die unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt sind“) der Richtlinie bestimmt:

    „Diese Richtlinie gilt nicht für von Auftraggebern vergebene Konzessionen, wenn gemäß Artikel 35 der Richtlinie 2014/25/EU festgestellt wurde, dass die Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie im Rahmen der Konzessionen durchgeführt wird, gemäß Artikel 34 jener Richtlinie unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist.“

    Die Richtlinie 2014/24

    7

    Die Definition des Begriffs „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 entspricht der Definition in Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23.

    Richtlinie 2014/25

    8

    Die Definition des Begriffs „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2014/25 entspricht ebenfalls der Definition in Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23.

    9

    Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/25 lautet:

    „(1)   Im Sinne dieser Richtlinie sind Auftraggeber Stellen, die

    a)

    öffentliche Auftraggeber oder öffentliche Unternehmen sind und eine Tätigkeit im Sinne der Artikel 8 bis 14 ausüben;

    b)

    wenn sie keine öffentlichen Auftraggeber oder keine öffentlichen Unternehmen sind, eine Tätigkeit im Sinne der Artikel 8 bis 14 oder mehrere dieser Tätigkeiten auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausüben, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gewährt wurden.

    (2)   ‚öffentliches Unternehmen‘ ein Unternehmen, auf das die öffentlichen Auftraggeber aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden Bestimmungen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben können;

    Es wird vermutet, dass der öffentliche Auftraggeber einen beherrschenden Einfluss [ausüben kann], wenn er unmittelbar oder mittelbar

    a)

    die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens hält,

    b)

    über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder

    c)

    mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs‑, Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.“

    10

    Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Bei Aufträgen, die mehrere Tätigkeiten betreffen, können die Auftraggeber beschließen, einen getrennten Auftrag für die Zwecke jeder einzelnen Tätigkeit oder einen einzigen Auftrag zu vergeben. Beschließen die Auftraggeber, getrennte Aufträge zu vergeben, so richtet sich die Entscheidung, welche Vorschriften auf jeden der einzelnen Teile anzuwenden sind, nach den Merkmalen der jeweiligen Tätigkeit.

    Beschließen die Auftraggeber, einen einzigen Auftrag zu vergeben, so gelten ungeachtet des Artikels 5 die Absätze 2 und 3 des vorliegenden Artikels. Fällt jedoch eine der betreffenden Tätigkeiten unter die Richtlinie 2009/81/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau‑, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. 2009, L 216, S. 76)] oder unter Artikel 346 AEUV, so kommt Artikel 26 der vorliegenden Richtlinie zur Anwendung.

    Die Wahl zwischen Vergabe eines einzigen Auftrags oder der Vergabe einer Reihe getrennter Aufträge darf nicht in der Absicht erfolgen, den Vertrag oder die Verträge vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie oder gegebenenfalls der Richtlinie 2014/24/EU oder der Richtlinie 2014/23/EU auszunehmen.

    (2)   Ein Auftrag, der sich auf verschiedene Tätigkeiten erstrecken soll, unterliegt den Bestimmungen, die für die Tätigkeit gelten, für die er hauptsächlich vorgesehen ist.“

    11

    In den Art. 8 bis 14 der Richtlinie 2014/25 sind die Tätigkeiten genannt, die unter die Richtlinie fallen. Dabei handelt es sich um Gas und Wärme (Art. 8), Elektrizität (Art. 9), Wasser (Art. 10), Verkehrsleistungen (Art. 11), Häfen und Flughäfen (Art. 12), Postdienste (Art. 13) sowie die Förderung von Öl und Gas und die Exploration oder Förderung von Kohle oder anderen festen Brennstoffen (Art. 14).

    12

    Art. 13 dieser Richtlinie lautet:

    „(1)   Unter diese Richtlinie fallen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von

    a)

    Postdiensten;

    b)

    anderen Diensten als Postdiensten, vorausgesetzt, dass diese Dienstleistungen von einer Stelle erbracht werden, die auch Postdienste im Sinne von Absatz 2 Buchstabe b des vorliegenden Artikels erbringt, und dass die in Artikel 34 Absatz 1 genannten Bedingungen hinsichtlich der unter Absatz 2 Buchstabe b des vorliegenden Artikels fallenden Dienstleistungen nicht erfüllt sind.

    (2)   Für die Zwecke dieses Artikels und unbeschadet der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14)] gelten folgende Definitionen:

    a)

    ‚Postsendung‘ ist eine adressierte Sendung in der endgültigen Form, in der sie befördert wird, ungeachtet ihres Gewichts. Neben Briefsendungen handelt es sich dabei z. B. um Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften sowie um Postpakete, die Waren mit oder ohne Handelswert enthalten, ungeachtet ihres Gewichts;

    b)

    ‚Postdienste‘ sind Dienste, die die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Zustellung von Postsendungen betreffen. Dies umfasst sowohl Dienstleistungen, die Universaldienstleistungen im Sinne der Richtlinie 97/67/EG darstellen, als auch Dienstleistungen, die nicht darunter fallen;

    c)

    ‚andere Dienste als Postdienste‘ sind in den folgenden Bereichen erbrachte Dienstleistungen:

    i)

    Managementdienste für Postversandstellen (Dienste vor dem Versand und nach dem Versand, wie beispielsweise ‚Mailroom Management‘);

    ii)

    Dienste, die nicht unter Buchstabe a erfasste Sendungen wie etwa nicht adressierte Postwurfsendungen betreffen.“

    13

    Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

    „Diese Richtlinie gilt nicht für Aufträge, die die Auftraggeber zu anderen Zwecken als der Ausübung ihrer in den Artikeln 8 bis 14 beschriebenen Tätigkeiten oder zur Ausübung derartiger Tätigkeiten in einem Drittland in einer Weise vergeben, die nicht mit der physischen Nutzung eines Netzes oder geografischen Gebiets in der Union verbunden ist, noch gilt sie für Wettbewerbe, die zu solchen Zwecken ausgerichtet werden.“

    Italienisches Recht

    14

    Das Decreto legislativo n. 50 – Attuazione delle direttive 2014/23/UE, 2014/24/UE e 2014/25/UE sull’aggiudicazione dei contratti di concessione, sugli appalti pubblici e sulle procedure d’appalto degli enti erogatori nei settori dell’acqua, dell’energia, dei trasporti e dei servizi postali, nonché per il riordino della disciplina vigente in materia di contratti pubblici relativi a lavori, servizi e forniture (Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 50 – Umsetzung der Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU über die Konzessionsvergabe, über die öffentliche Auftragsvergabe und über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Neuordnung der geltenden Rechtsvorschriften betreffend die Bau‑, Dienstleistungs- und Lieferaufträge) vom 18. April 2016 (ordentliche Beilage zur GURI Nr. 91 vom 19. April 2016) führte den Codice dei contratti pubblici (Gesetzbuch für das Auftragswesen) ein.

    15

    Art. 3 Abs. 1 Buchst. d dieses Gesetzbuchs definiert den Begriff „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ im Sinne dieses Gesetzbuchs mit den gleichen Worten, wie er in Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2014/23, in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2014/24 und in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2014/25 definiert wird.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    16

    Mit einer am 29. Juli 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Bekanntmachung leitete Poste Tutela, die damals zu 100 % von Poste Italiane gehalten wurde, ein offenes Ausschreibungsverfahren ein, um Rahmenvereinbarungen für Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldienste für die Räumlichkeiten von Poste Italiane und anderer Gesellschaften ihres Konzerns zu schließen, die für einen Zeitraum von 24 Monaten (und weitere zwölf Monate im Fall der Verlängerung) gebietsmäßig in sieben kumulierbare Lose aufgeteilt waren und einen geschätzten Gesamtbetrag von 25253242 Euro umfassten. In der Auftragsbekanntmachung war als „Rechtsgrundlage“ die Richtlinie 2014/25 angegeben.

    17

    Da Pegaso der Ansicht war, dass die Auftragsbekanntmachung gegen bestimmte Vorschriften des Gesetzbuchs für das Auftragswesen verstoße, erhob sie Klage beim vorlegenden Gericht, das mit einstweiliger Anordnung vom 20. Oktober 2017 das Ausschreibungsverfahren aussetzte.

    18

    Vor diesem Gericht beantragt Poste Italiane, mit der Poste Tutela zum 1. März 2018 fusioniert wurde, die Klage wegen Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte für unzulässig zu erklären. Sie macht geltend, dass Poste Tutela zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der im Ausgangsverfahren fraglichen Auftragsbekanntmachung zwar den Charakter eines öffentlichen Unternehmens gehabt habe, dass aber die von dieser Auftragsbekanntmachung erfassten Dienstleistungen nicht unter einen der besonderen Sektoren im Sinne der Richtlinie 2014/25 fielen. Dieser Standpunkt sei durch einen Beschluss der Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof, Italien) vom 1. Oktober 2018 bestätigt worden, nach deren Ansicht für von Poste Italiane vergebene öffentliche Aufträge die ordentlichen Gerichte zuständig seien, obwohl es sich um ein öffentliches Unternehmen handle, wenn diese Aufträge Tätigkeiten zum Gegenstand hätten, die nicht im Zusammenhang mit Tätigkeiten im betreffenden besonderen Sektor stünden.

    19

    Jedenfalls sei der Streitgegenstand weggefallen, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftragsbekanntmachung nach Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens zurückgenommen worden sei.

    20

    Pegaso weist die von Poste Italiane erhobene Einrede der Unzuständigkeit zurück. Zu den Dienstleistungen der besonderen Sektoren seien nicht nur die unmittelbar von der anwendbaren Regelung erfassten Dienstleistungen wie die Postdienste zu zählen, sondern auch Ergänzungs- und Nebendienstleistungen, deren Zweck darin bestehe, die tatsächliche Erbringung der Postdienste zu gewährleisten.

    21

    Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist vorab zu entscheiden, ob das Ausgangsverfahren in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte oder die der ordentlichen Gerichte fällt. Zu diesem Zweck sei es unerlässlich, festzustellen, ob Poste Tutela, jetzt Poste Italiane, verpflichtet gewesen sei, zur Vergabe der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen ein Vergabeverfahren einzuleiten. Es geht insoweit davon aus, dass Poste Italiane alle erforderlichen Eigenschaften aufweise, um als Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d des Gesetzbuchs für das Auftragswesen und der Richtlinien 2014/23, 2014/24 und 2014/25 eingestuft zu werden. Es weist jedoch ebenfalls darauf hin, dass die Corte suprema di cassazione (Kassationsgerichtshof) in dem in Rn. 18 des vorliegenden Urteils genannten Beschluss zu einem anderen Ergebnis gelangt sei, und hebt insbesondere hervor, dass Poste Italiane nunmehr im Wesentlichen Anforderungen gewerblicher Art gehorche.

    22

    Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist Poste Italiane aufgrund der oben erwähnten Eigenschaften als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. d des Gesetzbuchs für das Auftragswesen und den einschlägigen Unionsrichtlinien (2014/23, 2014/24 und 2014/25) einzustufen?

    2.

    Erstreckt sich die zuvor erwähnte Einstufung auf Poste Tutela, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, deren Zusammenschluss mit der Erstgenannten im Übrigen bereits beschlossen war, unter Berücksichtigung des kontrollierte juristische Personen betreffenden 46. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2014/23 (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 5. Oktober 2017, LitSpecMet, C‑567/15, EU:C:2017:736: Ausschreibungspflicht für die Tochtergesellschaft einer öffentlichen Einrichtung, und Urteil der Sechsten Kammer des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien] vom 24. November 2011, Nr. 6211)?

    3.

    Sind diese Gesellschaften, bei denen die Eigenschaft als Einrichtungen des öffentlichen Rechts nach den Vorschriften von Teil II des Gesetzbuchs für das Auftragswesen als gegeben anzusehen ist, als Auftraggeber aufgrund der Richtlinie 2014/25 verpflichtet, öffentliche Vergabeverfahren ausschließlich für die Vergabe von Aufträgen durchzuführen, die sich auf die in den besonderen Sektoren ausgeübte Tätigkeit beziehen, während sie für die nicht diese Sektoren betreffende Auftragstätigkeit über volle Verhandlungsautonomie – nach ausschließlich privatrechtlichen Vorschriften – verfügen, wenn man die im 21. Erwägungsgrund und in Art. 16 der Richtlinie 2014/23 genannten Grundsätze berücksichtigt?

    4.

    Oder bleiben diese Gesellschaften hingegen – falls sie die Voraussetzungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfüllen – für Aufträge, die nicht in den Bereich der besonderen Sektoren fallen, der allgemeinen Richtlinie 2014/24 (und damit den Vorschriften des öffentlichen Auftragswesens) auch dann unterworfen, wenn sie – im Zuge einer nach ihrer ursprünglichen Gründung eingetretenen Entwicklung – überwiegend unternehmerische und wettbewerbsorientierte Tätigkeiten ausüben?

    5.

    Kann im Fall von Geschäftsräumen, in denen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Universaldienst und damit nicht zusammenhängende Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden, das Konzept der Funktionalität – in Bezug auf die Dienstleistung von besonderem öffentlichen Interesse – für Verträge über die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung, die Reinigung, die Einrichtung sowie für Hausmeister- und Bewachungsdienstleistungen als ausgeschlossen angesehen werden?

    6.

    Ist schließlich – falls dem Vorbringen von Poste Italiane zu folgen wäre – davon auszugehen, dass der aus rein eigenem Antrieb erfolgte Aufruf zu einem Wettbewerbsverfahren, das nicht allen durch das Gesetzbuch für das Auftragswesen geregelten Garantien hinsichtlich Transparenz und Gleichbehandlung unterliegt und ordnungsgemäß ohne jede weitere Mitteilung in der Gazzetta ufficiale della Repubblica italiana und im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemacht wurde, im Widerspruch zu dem gefestigten Grundsatz des Vertrauensschutzes der Ausschreibungsteilnehmer steht?

    23

    Nachdem der Gerichtshof von Poste Italiane über die Aufhebung der im Ausgangsverfahren fraglichen Auftragsbekanntmachung unterrichtet worden war, hat er das vorlegende Gericht gefragt, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen zurücknehmen wolle. Am 26. Oktober 2018 hat das vorlegende Gericht mitgeteilt, dass es dieses Ersuchen aufrechterhalten wolle.

    24

    Auf eine Aufforderung des Gerichtshofs, die Gründe für seine Auffassung, dass der Ausgangsrechtsstreit noch bei ihm anhängig sei, zu erläutern, hat das vorlegende Gericht am 18. März 2019 klarstellende Angaben hierzu gemacht.

    Zulässigkeit

    25

    Poste Italiane und die italienische Regierung bestreiten die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und machen geltend, dass der Rechtsstreit, in dessen Rahmen es eingereicht worden sei, weggefallen sei, da die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftragsbekanntmachung nach Erhebung der Klage beim vorlegenden Gericht zurückgenommen worden sei.

    26

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung betreffen (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    27

    Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    28

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass Poste Italiane im Amtsblatt der Europäischen Union (Reihe S vom 29. September 2018) nach der Verschmelzung durch Aufnahme von Poste Tutela in Poste Italiane eine Veröffentlichung ihrer Entscheidung, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftragsbekanntmachung „aufzuheben/zu widerrufen“, veranlasst hat sowie dass Poste Italiane, wie das vorlegende Gericht dem Gerichtshof am 18. März 2019 bestätigt hat, im Amtsblatt der Europäischen Union (Reihe S vom 19. Januar 2019) die Veröffentlichung einer neuen Auftragsbekanntmachung betreffend Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldienste für die Räumlichkeiten von Poste Italiane und anderer Gesellschaften ihres Konzerns veranlasst hat. Im Übrigen bestreitet Pegaso den Widerruf der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftragsbekanntmachung nicht, weist aber darauf hin, dass das vorlegende Gericht weiterhin verpflichtet sei, über die Begründetheit des Ausgangsrechtsstreits zu entscheiden, insbesondere über die Rechtmäßigkeit dieser Auftragsbekanntmachung sowohl im Hinblick auf eine etwaige Schadensersatzklage als auch im Hinblick auf die Kosten.

    29

    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits ungeachtet der anfänglichen Zweifel des vorlegenden Gerichts hieran tatsächlich weggefallen ist.

    30

    Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass es vorab entscheiden müsse, ob es für die bei ihm erhobene Klage überhaupt zuständig sei, um bestimmen zu können, wie darüber in weiterer Folge zu entscheiden sei. Es hält seine Zuständigkeit für gegeben, wenn der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag unter eine der Unionsrichtlinien auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens fiele.

    31

    Deshalb ist das Vorabentscheidungsersuchen zulässig.

    Zu den Vorlagefragen

    Zur dritten und zur fünften Frage

    32

    Mit seiner dritten und seiner fünften Frage, die zusammen und als Erstes zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 dahin auszulegen ist, dass er auf Tätigkeiten anwendbar ist, die in der Erbringung von Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldiensten für die Räumlichkeiten von Postdiensteanbietern wie etwa der Poste Italiane und anderer Gesellschaften ihres Konzerns bestehen.

    33

    Vorab ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2014/25 die Richtlinie 2004/17 aufgehoben und ersetzt hat. Dabei ist, was die Bestimmungen der Richtlinie 2014/25 betrifft, die im Wesentlichen eine identische Tragweite wie die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2004/17 aufweisen, die zu Letzterer ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs auch für die Richtlinie 2014/25 einschlägig.

    34

    Als Zweites ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Poste Tutela und Poste Italiane „öffentliche Unternehmen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 sind und daher als Auftraggeber in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Ob diese Unternehmen auch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie darstellen, braucht daher nicht geprüft zu werden.

    35

    Nach ihrem Art. 13 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2014/25 für Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung einerseits von Postdiensten und andererseits von anderen Diensten als Postdiensten, vorausgesetzt, dass diese Dienstleistungen von einer Stelle erbracht werden, die auch Postdienste erbringt. Die Begriffe „Postdienste“ und „andere Dienste als Postdienste“ werden in Art. 13 Abs. 2 Buchst. b und c dieser Richtlinie definiert als Dienste, die die Abholung, das Sortieren, den Transport und die Zustellung von Postsendungen betreffen, bzw. als Managementdienste für Postversandstellen sowie Dienste, die von Postsendungen zu unterscheidende Sendungen wie etwa nicht adressierte Postwurfsendungen betreffen.

    36

    Im Übrigen stellt Art. 19 Abs. 1 dieser Richtlinie u. a. klar, dass sie nicht für Aufträge gilt, die die Auftraggeber zu anderen Zwecken als der Ausübung ihrer in den Artikeln 8 bis 14 dieser Richtlinie beschriebenen Tätigkeiten vergeben.

    37

    Insoweit hat der Gerichtshof bereits zur Richtlinie 2004/17 entschieden, dass diese Richtlinie nicht nur auf Aufträge anwendbar war, die im Bereich einer der in ihren Art. 3 bis 7 ausdrücklich genannten Tätigkeiten vergeben wurden, sondern auch auf Aufträge, die, obwohl sie anderer Art waren und damit als solche eigentlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114) fallen konnten, der Ausübung der in der Richtlinie 2004/17 bezeichneten Tätigkeiten dienten. Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass ein von einem Auftraggeber vergebener öffentlicher Auftrag, soweit er einen Zusammenhang mit einer Tätigkeit aufwies, die der Auftraggeber in den in den Art. 3 bis 7 dieser Richtlinie genannten Sektoren ausübte, in dem Sinn, dass dieser Auftrag im Zusammenhang mit und für die Ausübung von Tätigkeiten in einem dieser Sektoren vergeben wird, den Verfahren dieser Richtlinie zu unterwerfen war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. April 2008, Ing. Aigner, C‑393/06, EU:C:2008:213, Rn. 31 und 56 bis 59, sowie vom 19. April 2018, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, C‑152/17, EU:C:2018:264, Rn. 26).

    38

    Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17 galt aber insbesondere für „die Bereitstellung von Postdiensten“, und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25, der ihn ersetzt hat, definiert deren Anwendungsbereich unter Bezugnahme insbesondere auf „Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Postdiensten“.

    39

    Unter diesen Umständen, und wie sich aus dem Vergleich der einleitenden Teile dieser beiden Bestimmungen ergibt, darf der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25 nicht enger ausgelegt werden als jener der Richtlinie 2004/17 und kann daher nicht nur auf die Tätigkeiten der Erbringung von Postdiensten als solche beschränkt werden, sondern schließt zudem Tätigkeiten ein, die mit der Erbringung solcher Dienste im Zusammenhang stehen.

    40

    Folglich wird die vom Gerichtshof in seiner in Rn. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung vorgenommene Auslegung, die auf einer systematischen Auslegung der Richtlinien 2004/17 und 2004/18 beruht, seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2014/25 durch den Wortlaut von deren Art. 13 Abs. 1, der den Anwendungsbereich dieser neuen Richtlinie festlegt, bestätigt.

    41

    Daher ist zu prüfen, ob, wie Pegaso und die Europäische Kommission vortragen, bei Dienstleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden davon ausgegangen werden kann, dass sie mit der vom betreffenden Auftraggeber im Postsektor ausgeübten Tätigkeit im Sinne von Rn. 37 des vorliegenden Urteils in Zusammenhang stehen.

    42

    Um der Ausübung der zum Postsektor zählenden Tätigkeit dienen zu können, kann insoweit der Zusammenhang zwischen dem fraglichen Auftrag und diesem Sektor nicht beliebiger Art sein, da sonst der Sinn von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 verkannt würde. Um feststellen zu können, dass zwischen diesem Auftrag und der Tätigkeit im Postsektor ein Zusammenhang im Sinne von Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie besteht, genügt es nämlich nicht, dass die Dienstleistungen, die Gegenstand dieses Auftrags sind, einen positiven Beitrag zu den Tätigkeiten des Auftraggebers leisten und deren Rentabilität erhöhen.

    43

    Daher ist davon auszugehen, dass unter die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Postdiensten im Sinne dieser Bestimmung sämtliche Tätigkeiten fallen, die tatsächlich der Ausübung der Tätigkeit im Sektor der Postdienste dienen, indem sie es ermöglichen, diese Tätigkeit im Hinblick auf ihre üblichen Ausübungsbedingungen angemessen zu bewerkstelligen, mit Ausnahme der Tätigkeiten, die zu anderen Zwecken als der Ausübung der betreffenden sektorbezogenen Tätigkeit erbracht werden.

    44

    Das Gleiche gilt für Tätigkeiten, die, da sie ergänzenden und übergreifenden Charakter haben, unter anderen Umständen der Ausübung anderer, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die besonderen Sektoren fallender Tätigkeiten dienen könnten.

    45

    Im vorliegenden Fall ist schwer vorstellbar, dass Postdienste ohne Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldienste für die Räumlichkeiten des betreffenden Anbieters angemessen erbracht werden können. Diese Feststellung gilt sowohl für die Räumlichkeiten, die den Empfängern der Postdienste offenstehen und damit der Öffentlichkeit zugänglich sind, als auch für die Räumlichkeiten, die für die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben verwendet werden. Wie der Generalanwalt in Nr. 116 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, schließt nämlich die Erbringung von Postdiensten auch die Verwaltung und Planung dieser Dienstleistungen ein.

    46

    Unter diesen Umständen kann ein Auftrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 als zu anderen Zwecken als der Ausübung der Tätigkeit im Sektor der Postdienste vergeben angesehen werden und weist in Anbetracht der Erwägungen in Rn. 43 des vorliegenden Urteils vielmehr einen Zusammenhang mit dieser Tätigkeit auf, der es rechtfertigt, ihn der durch diese Richtlinie eingeführten Regelung zu unterwerfen.

    47

    Da Poste Italiane, wie in Rn. 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Eigenschaft eines öffentlichen Unternehmens im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 aufweist und es sich bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen um Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erbringung von Postdiensten handelt, zu deren Ausübung sie tatsächlich dienen, ist diese Richtlinie somit sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Auftrag anwendbar.

    48

    Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen von Poste Italiane entkräftet, wonach die Hausmeister- und Bewachungstätigkeiten, die Gegenstand der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausschreibung seien, auch für Tätigkeiten erbracht würden, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25 fielen, wie Zahlungsdienste, Mobilfunkdienste, Versicherungsdienstleistungen oder digitale Dienste.

    49

    Wie der Generalanwalt in den Nrn. 119 und 120 seiner Schlussanträge sinngemäß ausgeführt hat, können nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 die Auftraggeber nämlich für Aufträge, die mehrere Tätigkeiten betreffen, beschließen, einen getrennten Auftrag für die Zwecke jeder einzelnen Tätigkeit oder einen einzigen Auftrag zu vergeben. Im letztgenannten Fall unterliegt nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie dieser einzige Auftrag den Bestimmungen, die für die Tätigkeit gelten, für die er hauptsächlich vorgesehen ist.

    50

    Anhand der dem Gerichtshof vorgelegten Informationen lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der im vorliegenden Fall in Rede stehende Auftrag hauptsächlich für Tätigkeiten vorgesehen war, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25 fallen.

    51

    Folglich kann im Rahmen der dem Gerichtshof vorgelegten Informationen und vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht nicht davon ausgegangen werden, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/25 fällt.

    52

    Nach alledem ist auf die dritte und die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25 dahin auszulegen ist, dass er auf Tätigkeiten anwendbar ist, die in der Erbringung von Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldiensten für die Räumlichkeiten von Postdiensteanbietern bestehen, da solche Tätigkeiten einen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Postsektor in dem Sinn aufweisen, dass sie tatsächlich der Ausübung dieser Tätigkeit dienen, indem sie es ermöglichen, diese Tätigkeit im Hinblick auf ihre üblichen Ausübungsbedingungen angemessen zu bewerkstelligen.

    Zu den übrigen Fragen

    53

    Angesichts der Antwort auf die dritte und die fünfte Frage brauchen die übrigen Vorlagefragen nicht beantwortet zu werden.

    Kosten

    54

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG ist dahin auszulegen, dass er auf Tätigkeiten anwendbar ist, die in der Erbringung von Hausmeister‑, Empfangs- und Zugangskontrolldiensten für die Räumlichkeiten von Postdiensteanbietern bestehen, da solche Tätigkeiten einen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Postsektor in dem Sinn aufweisen, dass sie tatsächlich der Ausübung dieser Tätigkeit dienen, indem sie es ermöglichen, diese Tätigkeit im Hinblick auf ihre üblichen Ausübungsbedingungen angemessen zu bewerkstelligen.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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