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Document 62018CJ0264

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 6. Juni 2019.
P. M. u. a. gegen Ministerraad.
Vorabentscheidungsersuchen des Grondwettelijk Hof.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v – Gültigkeit – Anwendungsbereich – Ausschluss von Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen sowie bestimmten Rechtsdienstleistungen – Gleichbehandlungs- und Subsidiaritätsgrundsatz – Art. 49 und 56 AEUV.
Rechtssache C-264/18.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:472

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

6. Juni 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 2014/24/EU – Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v – Gültigkeit – Anwendungsbereich – Ausschluss von Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen sowie bestimmten Rechtsdienstleistungen – Gleichbehandlungs- und Subsidiaritätsgrundsatz – Art. 49 und 56 AEUV“

In der Rechtssache C‑264/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien) mit Entscheidung vom 29. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2018, in dem Verfahren

P. M.,

N. G.d.M.,

P. V.d.S.

gegen

Ministerraad

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von P. M., P. V.d.S. und N. G.d.M., vertreten durch P. Vande Casteele, advocaat,

der belgischen Regierung, vertreten durch J.‑C. Halleux, P. Cottin, L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von D. D’Hooghe, C. Mathieu und P. Wytinck, advocaten,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der griechischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou, S. Papaioannou und S. Charitaki als Bevollmächtigte,

der zyprischen Regierung, vertreten durch D. Kalli und E. Zachariadou als Bevollmächtigte,

des Europäischen Parlaments, vertreten durch A. Pospíšilová Padowska und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Balta und F. Naert als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Haasbeek und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen P. M., N. G.d.M. und P. V.d.S. auf der einen und dem Ministerraad (Ministerrat, Belgien) auf der anderen Seite über den Ausschluss bestimmter Rechtsdienstleistungen von den öffentlichen Auftragsvergabeverfahren in den belgischen Umsetzungsrechtsvorschriften zur Richtlinie 2014/24.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

In den Erwägungsgründen 1, 4, 24 und 25 der Richtlinie 2014/24 heißt es:

„(1)

Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von Behörden der Mitgliedstaaten hat im Einklang mit den im [AEUV] niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz. Für über einen bestimmten Wert hinausgehende öffentliche Aufträge sollten Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Vergabeverfahren festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass diese Grundsätze praktische Geltung erlangen und dass das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird.

(4)

Die zunehmende Vielfalt öffentlicher Tätigkeiten macht es erforderlich, den Begriff der Auftragsvergabe selbst klarer zu definieren. Diese Präzisierung als solche sollte jedoch den Anwendungsbereich dieser Richtlinie im Vergleich zu dem der Richtlinie 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114)] nicht erweitern. Die Vorschriften der Union für die öffentliche Auftragsvergabe sollen nicht alle Formen öffentlicher Ausgaben abdecken, sondern nur diejenigen, die für den Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen im Wege eines öffentlichen Auftrags getätigt werden. …

(24)

Es sei darauf hingewiesen, dass Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienste und andere vergleichbare Formen alternativer Streitbeilegung normalerweise von Organisationen oder Personen übernommen werden, deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann. Es sollte klargestellt werden, dass diese Richtlinie nicht für Aufträge zur Erbringung solcher Dienstleistungen – ungeachtet ihrer Bezeichnung in den nationalen Rechtsvorschriften – gilt.

(25)

Einige Rechtsdienstleistungen werden von durch ein Gericht eines Mitgliedstaats bestellten Dienstleistern erbracht, betreffen die Vertretung von Mandanten in Gerichtsverfahren durch Rechtsanwälte, müssen durch Notare erbracht werden oder sind mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden. Solche Rechtsdienstleistungen werden in der Regel durch Organisationen oder Personen erbracht, deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann, wie z. B. bei der Ernennung von Staatsanwälten in einigen Mitgliedstaaten. Diese Rechtsdienstleistungen sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden.“

4

Art. 10 („Besondere Ausnahmen für Dienstleistungsaufträge“) Buchst. c und d dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt nicht für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Folgendes zum Gegenstand haben:

c)

Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen;

d)

eine der folgenden Rechtsdienstleistungen:

i)

Vertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 77/249/EWG des Rates [vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (ABl. 1977, L 78, S. 17)] in

einem Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren in einem Mitgliedstaat, in einem Drittstaat oder vor einer internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsinstanz oder

Gerichtsverfahren vor Gerichten oder Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats oder vor internationalen Gerichten oder Einrichtungen;

ii)

Rechtsberatung zur Vorbereitung eines der unter Ziffer i des vorliegenden Buchstabens genannten Verfahren oder Rechtsberatung, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Beratung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird, sofern die Beratung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie [77/249] erfolgt;

v)

sonstige Rechtsdienstleistungen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat – wenn auch nur gelegentlich – mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind.“

Belgisches Recht

5

Mit der Loi relative aux marchés publics (Gesetz über die öffentliche Auftragsvergabe) vom 17. Juni 2016 (Moniteur belge [Belgisches Staatsblatt] vom 14. Juli 2016, S. 44219) hat der belgische Gesetzgeber die Auftragsvergaberegelungen angepasst und seine Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2014/24 in Einklang gebracht. Art. 28 dieses Gesetzes bestimmt:

„§ 1.   Unter Vorbehalt von § 2 gilt vorliegendes Gesetz nicht für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Folgendes zum Gegenstand haben:

3.

Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen;

4.

eine der folgenden Rechtsdienstleistungen:

a)

Rechtsvertretung eines Mandanten durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie [77/249] in:

i.

einem schiedsrichterlichen Verfahren oder Schlichtungsverfahren in einem Mitgliedstaat, in einem Drittstaat oder vor einer internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsinstanz oder

ii.

Gerichtsverfahren vor Gerichten, Gerichtshöfen oder Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats oder vor internationalen Gerichten oder Einrichtungen,

b)

Rechtsberatung zur Vorbereitung eines der in Buchstabe a) genannten Verfahren oder Rechtsberatung, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Beratung bezieht, Gegenstand eines solchen Verfahrens werden wird, sofern die Beratung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des Artikels 1 der vorerwähnten Richtlinie [77/249] erfolgt,

e)

sonstige Rechtsdienstleistungen, die im Königreich – wenn auch nur gelegentlich – mit der Ausübung der Staatsgewalt verbunden sind,

§ 2.   Der König kann in den von Ihm zu bestimmenden Fällen spezifische Vergaberegeln, denen die in § 1 Nr. 4 Buchstabe a) und b) erwähnten Aufträge unterliegen, festlegen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

6

Am 16. Januar 2017 erhoben die Kläger des Ausgangsverfahrens, die ausgebildeten Juristen und Rechtsanwälte P. M., N. G.d.M. und P. V.d.S., Nichtigkeitsklage beim vorlegenden Gericht, dem Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien), gegen jene Bestimmungen des Gesetzes über die öffentliche Auftragsvergabe, die bestimmte Rechtsdienstleistungen sowie bestimmte Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen von seinem Anwendungsbereich ausschließen.

7

Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass diese Bestimmungen insofern eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung schaffen würden, als sie im Ergebnis die Vergabe der dort genannten Dienstleistungen den von diesem Gesetz vorgesehenen Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge entziehen würden.

8

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellt sich so die Frage, ob der Ausschluss dieser Dienstleistungen von den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die vom Unionsgesetzgeber bei Erlass der Richtlinie 2014/24 verfolgten Ziele der Wettbewerbsvollständigkeit, der Dienstleistungsfreiheit sowie der Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt und ob die Grundsätze der Subsidiarität und der Gleichbehandlung nicht eine Harmonisierung der unionsrechtlichen Regelungen auch hinsichtlich dieser Dienstleistungen verlangt hätten.

9

Das vorlegende Gericht hält es zur Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der vor ihm mit Nichtigkeitsklage angefochtenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften für erforderlich, zu prüfen, ob die Bestimmungen des Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v dieser Richtlinie mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Subsidiarität sowie mit den Art. 49 und 56 AEUV vereinbar sind.

10

Unter diesen Umständen hat der Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip und mit den Art. 49 und 56 AEUV, soweit die darin angegebenen Dienstleistungen ausgeschlossen werden von der Anwendung der Vergabevorschriften in der vorgenannten Richtlinie, obwohl sie den vollen Wettbewerb und den freien Verkehr bei der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen garantieren?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

11

Die tschechische und die zyprische Regierung bestreiten die Zulässigkeit der Vorlagefrage und somit des Vorabentscheidungsersuchens.

12

Nach dem Vorbringen der tschechischen Regierung hat diese Frage keinerlei Bezug zur Realität oder zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreit, der sich um die Frage drehe, ob die belgische Verfassung einem Ausschluss bestimmter, auch vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 ausgenommener Rechtsdienstleistungen vom Anwendungsbereich der nationalen Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch das innerstaatliche Recht entgegenstehe. Das Unionsrecht verpflichte aber einen Mitgliedstaat nicht, die fraglichen Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften einzubeziehen. Diese Frage sei somit ausschließlich anhand der belgischen Verfassung zu beurteilen.

13

Die zyprische Regierung macht ihrerseits geltend, dass sich die vorgelegte Frage auf die Vereinbarkeit von Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v dieser Richtlinie mit den Art. 49 und 56 AEUV beziehe, jedoch jede nationale Maßnahme, deren Gegenstand auf Unionsebene vollständig harmonisiert sei, im Hinblick auf die Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht auf jene des Primärrechts zu beurteilen sei.

14

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, vor dem eine Frage nach der Gültigkeit einer Handlung der Unionsorgane aufgeworfen wird, zu beurteilen, ob für seine Entscheidung insoweit eine Entscheidung erforderlich ist, und den Gerichtshof gegebenenfalls zu ersuchen, über diese Frage zu befinden. Betreffen die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Gültigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof daher grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteile vom 11. November 1997, Eurotunnel u. a., C‑408/95, EU:C:1997:532, Rn. 19, vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, EU:C:2002:741, Rn. 34, sowie vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 49).

15

Der Gerichtshof kann die Entscheidung über eine von einem nationalen Gericht gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage nur dann ablehnen, wenn etwa die in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs aufgeführten Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens nicht erfüllt sind oder offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 28. März 2017, Rosneft, C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 50).

16

Im vorliegenden Fall lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass die im Ausgangsverfahren gegenständlichen nationalen Bestimmungen, deren Nichtigerklärung vor dem vorlegenden Gericht begehrt wird, das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/24 im belgischen Recht betreffen, konkret den Ausschluss bestimmter Rechtsdienstleistungen von seinem Anwendungsbereich.

17

Unter diesen Umständen fehlt es der Frage nach der Gültigkeit von Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 entgegen dem Vorbringen der tschechischen und der zyprischen Regierung nicht an Relevanz für das Ergebnis des Ausgangsrechtsstreits. Würde nämlich der von den genannten Bestimmungen angeordnete Ausschluss für ungültig erklärt, so müssten die mit Nichtigkeitsklage vor dem vorlegenden Gericht angefochtenen Rechtsvorschriften als unionsrechtswidrig erachtet werden.

18

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die vorgelegte Frage und somit auch das Vorabentscheidungsersuchen zulässig sind.

Zur Vorlagefrage

19

Mit seiner Frage begehrt das vorlegende Gericht vom Gerichtshof im Wesentlichen eine Entscheidung über die Gültigkeit von Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Subsidiarität sowie auf die Art. 49 und 56 AEUV.

20

Was erstens den Subsidiaritätsgrundsatz und die Einhaltung der Art. 49 und 56 AEUV betrifft, ist zum einen festzuhalten, dass der in Art. 5 Abs. 3 EUV festgeschriebene Subsidiaritätsgrundsatz vorsieht, dass die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C‑547/14, EU:C:2016:325, Rn. 215 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21

Aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 die in ihrem Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v angeführten Dienstleistungen ausgeschlossen hat, folgt zwingend, dass er dabei davon ausgegangen ist, dass es den nationalen Gesetzgebern obliegt zu bestimmen, ob diese Dienstleistungen den Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu unterwerfen sind.

22

Somit kann nicht behauptet werden, dass diese Bestimmungen unter Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip erlassen worden wären.

23

Zum anderen wird hinsichtlich der Einhaltung der Art. 49 und 56 AEUV im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 ausgeführt, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von Behörden der Mitgliedstaaten im Einklang mit den im AEUV niedergelegten Grundsätzen, insbesondere mit den Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit, zu erfolgen hat.

24

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll nämlich die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Unionsebene die von diesen Verfahren möglicherweise aufgestellten Hemmnisse für den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr beseitigen und somit die Interessen der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer schützen, die den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen öffentlichen Auftraggebern Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2007, Kommission/Irland, C‑507/03, EU:C:2007:676, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25

Daraus folgt jedoch nicht, dass die Richtlinie 2014/24 dadurch, dass sie die in ihrem Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v bezeichneten Dienstleistungen von ihrem Anwendungsbereich ausschließt und somit die Mitgliedstaaten nicht zwingt, sie den Regelungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu unterwerfen, die von den Verträgen garantierten Freiheiten beeinträchtigen würde.

26

Was zweitens den Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers und den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft, hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung dem Unionsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen zugebilligt, wenn seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet und wenn er komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss (Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 57, sowie vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 44). Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme kann nur dann rechtswidrig sein, wenn sie zur Erreichung des von den zuständigen Organen verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist (Urteil vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 48).

27

Selbst wenn der Unionsgesetzgeber über eine solche Befugnis verfügt, ist er jedoch verpflichtet, seine Entscheidung auf Kriterien zu stützen, die objektiv sind und in angemessenem Verhältnis zu dem mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziel stehen (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 58).

28

Ferner besagt der allgemeine Gleichheitsgrundsatz nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte ist in Anbetracht aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt (Urteile vom 12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat, C‑176/09, EU:C:2011:290, Rn. 32, sowie vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 37).

30

Im Lichte dieser Prinzipien ist die Gültigkeit von Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu prüfen.

31

So führt erstens hinsichtlich der in Art. 10 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 genannten Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen der 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie aus, dass die Organisationen oder Personen, die solche Dienstleistungen und andere vergleichbare Formen alternativer Streitbeilegung übernehmen, in einer Art und Weise ausgewählt werden, die sich nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann.

32

Die Schiedsrichter und Schlichter müssen nämlich stets von sämtlichen Parteien des Rechtsstreits akzeptiert werden und werden von diesen nach einer gemeinsamen Vereinbarung bestellt. Eine öffentliche Stelle, die ein Auftragsvergabeverfahren für eine Schiedsgerichts- oder Schlichtungsdienstleistung vornehmen würde, könnte daher der anderen Partei nicht den Zuschlagsempfänger dieses Auftrags als gemeinsamen Schiedsrichter oder Schlichter aufzwingen.

33

Angesichts ihrer objektiven Merkmale sind die in Art. 10 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 genannten Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen somit nicht mit den anderen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie einbezogenen Dienstleistungen vergleichbar. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen seines Ermessensspielraums die in Art. 10 Buchst. c der Richtlinie 2014/24 bezeichneten Dienstleistungen ohne Beeinträchtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen konnte.

34

Zweitens geht aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/24 hervor, dass der Unionsgesetzgeber hinsichtlich der von Rechtsanwälten erbrachten Dienstleistungen nach Art. 10 Buchst. d Ziff. i und ii dieser Richtlinie den Umstand berücksichtigt hat, dass solche Rechtsdienstleistungen in der Regel durch Organisationen oder Personen erbracht werden, deren Bestellung oder Auswahl in einer Art und Weise erfolgt, die sich in einigen Mitgliedstaaten nicht nach Vergabevorschriften für öffentliche Aufträge richten kann, so dass diese Rechtsdienstleistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen werden sollten.

35

Dazu ist festzuhalten, dass Art. 10 Buchst. d Ziff. i und ii der Richtlinie 2014/24 nicht alle Dienstleistungen, die von einem Rechtsanwalt für einen öffentlichen Auftraggeber erbracht werden können, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließt, sondern lediglich die Vertretung seines Mandanten in einem Verfahren vor einer internationalen Schiedsgerichts- oder Schlichtungsinstanz, vor den Gerichten oder Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats oder vor internationalen Gerichten oder Einrichtungen, sowie die Rechtsberatung im Rahmen der Vorbereitung oder im Hinblick auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens. Solche Dienstleistungen eines Rechtsanwalts lassen sich nur im Rahmen einer von höchstmöglicher Vertraulichkeit geprägten persönlichen Beziehung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten erbringen.

36

Nun erschwert zum einen eine solche persönliche Beziehung zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten, die durch die freie Auswahl des Vertreters durch den Mandanten und das ihn mit seinem Anwalt verbindende Vertrauensverhältnis geprägt ist, die objektive Beschreibung der erwarteten Qualität der zu erbringenden Dienstleistungen.

37

Zum anderen könnte die Vertraulichkeit des Verhältnisses zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten, mit der insbesondere unter den in Rn. 35 des vorliegenden Urteils beschriebenen Umständen sichergestellt werden soll, dass die Einzelnen ihre Verteidigungsrechte uneingeschränkt ausüben und sich völlig frei an einen Rechtsanwalt wenden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 1982, AM & S Europe/Kommission, 155/79, EU:C:1982:157, Rn. 18), durch eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Angabe der Bedingungen der Vergabe eines solchen Auftrags und die damit verbundene Publizität gefährdet werden.

38

Daraus folgt, dass die in Art. 10 Buchst. d Ziff. i und ii der Richtlinie 2014/24 angeführten Dienstleistungen angesichts ihrer objektiven Merkmale nicht mit den anderen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie einbezogenen Dienstleistungen vergleichbar sind. Unter Berücksichtigung dieser objektiven Differenzierung konnte der Unionsgesetzgeber diese Dienstleistungen im Rahmen seines Ermessensspielraums auch ohne Beeinträchtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen.

39

Was drittens die von Art. 10 Buchst. d Ziff. v der Richtlinie 2014/24 erfassten sonstigen Rechtsdienstleistungen betrifft, die, wenn auch nur gelegentlich, mit der Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten verbunden sind, so werden diese Tätigkeiten und damit auch die angesprochenen Dienstleistungen gemäß Art. 51 AEUV vom Anwendungsbereich der Bestimmungen dieses Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 62 AEUV ausgeschlossen. Solche Dienstleistungen unterscheiden sich von jenen innerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie durch eine mittelbare oder unmittelbare Teilhabe an der Ausübung von Hoheitsgewalt und an den Funktionen zur Wahrung der allgemeinen Interessen des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften.

40

Folglich sind Rechtsdienstleistungen, die, wenn auch nur gelegentlich, mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sind, ihrer Natur nach aufgrund ihrer objektiven Merkmale nicht mit den anderen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24 fallenden Dienstleistungen vergleichbar. Angesichts dieser objektiven Differenzierung konnte der Unionsgesetzgeber sie im Rahmen seines Ermessensspielraums wiederum ohne Beeinträchtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen.

41

Somit hat die Prüfung der Bestimmungen des Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 keinen Umstand ergeben, der ihre Gültigkeit im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Subsidiarität sowie auf die Art. 49 und 56 AEUV beeinträchtigen könnte.

42

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass ihre Prüfung nichts ergeben hat, was im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Subsidiarität sowie auf die Art. 49 und 56 AEUV die Gültigkeit der Bestimmungen des Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24 in Frage stellen könnte.

Kosten

43

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Bestimmungen des Art. 10 Buchst. c und d Ziff. i, ii und v der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Subsidiarität sowie auf die Art. 49 und 56 AEUV in Frage stellen könnte.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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