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Document 62018CC0447

Schlussanträge des Generalanwalts E. Tanchev vom 11. Juli 2019.
UB gegen Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava.
Vorabentscheidungsersuchen des Najvyšší súd Slovenskej republiky.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Art. 3 – Sachlicher Geltungsbereich – Leistung bei Alter – Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union – Verordnung (EU) Nr. 492/2011 – Art. 7 – Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und Wanderarbeitnehmern – Soziale Vergünstigungen – Gesetzgebung eines Mitgliedstaats, die die Gewährung einer ‚Zusatzleistung für Sportler‘ den Bürgern dieses Staates vorbehält.
Rechtssache C-447/18.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:610

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 11. Juli 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑447/18

UB

gegen

Generálny riaditeľ Sociálnej poisťovne Bratislava

(Vorabentscheidungsersuchen des Najvyšší súd Slovenskej republiky [Oberstes Gericht der Slowakischen Republik])

„Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit – Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit – Keine Migration eines Arbeitnehmers – Infolge der Auflösung eines Staates geänderter Wohnsitzmitgliedstaat eines Arbeitnehmers – Recht eines Mitgliedstaats, das den Anspruch auf eine Zusatzleistung für den Gewinn von Medaillen bei den Olympischen Spielen und anderen internationalen Sportveranstaltungen an eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung knüpft – Tschechischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Slowakei“

1. 

Das Ausgangsverfahren bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu den Umständen weiterzuentwickeln, unter denen eine Zusatzleistung, die den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union vorbehalten ist, auf alle Unionsbürger, die in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, auszuweiten ist. Die hier gegenständliche Leistung (im Folgenden: Zusatzleistung) wird für den Gewinn von Medaillen bei den Olympischen Spielen und anderen europäischen und internationalen Sportveranstaltungen gezahlt.

2. 

Die vorliegende Streitsache ist außergewöhnlich, weil sie nicht aus der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit erwächst, sondern aus dem Umstand, dass aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik vor dem Beitritt der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 zwei getrennte Staaten wurden. Daher kann ein in der Slowakei ansässiger tschechischer Staatsbürger, der bei den slowakischen Sozialversicherungsträgern um die Zahlung der Zusatzleistung ersucht, nicht als Wanderarbeitnehmer angesehen werden, da er seit über 50 Jahren im Staatsgebiet des jetzigen souveränen Staates der Slowakei lebt.

3. 

Der Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) fragt, ob sich eine solche Person für die Geltendmachung der Zusatzleistung gleichwohl auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ( 2 ) und auf den in Art. 34 der Charta der Grundrechte verankerten Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Vergünstigungen berufen kann.

4. 

Ich komme zu einer ablehnenden Antwort auf diese Frage, wofür ich die Gründe in Teil IV darlegen werde.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

5.

Art. 34 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union trägt den Titel „Soziale Sicherheit und soziale Unterstützung“. Seine ersten beiden Absätze lauten:

„(1)   Die Union anerkennt und achtet das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten, die in Fällen wie Mutterschaft, Krankheit, Arbeitsunfall, Pflegebedürftigkeit oder im Alter sowie bei Verlust des Arbeitsplatzes Schutz gewährleisten, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.

(2)   Jeder Mensch, der in der Union seinen rechtmäßigen Wohnsitz hat und seinen Aufenthalt rechtmäßig wechselt, hat Anspruch auf die Leistungen der sozialen Sicherheit und die sozialen Vergünstigungen nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“

6.

Die Erwägungsgründe 4 und 5 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:

„(4)

Es ist notwendig, die Eigenheiten der nationalen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zu berücksichtigen und nur eine Koordinierungsregelung vorzusehen.

(5)

Es ist erforderlich, bei dieser Koordinierung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass die betroffenen Personen nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften gleich behandelt werden.“

7.

Nach Art. 1 Buchst. w der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck:

„‚Renten‘ nicht nur Renten im engeren Sinn, sondern auch Kapitalabfindungen, die an deren Stelle treten können, und Beitragserstattungen sowie, soweit Titel III nichts anderes bestimmt, Anpassungsbeträge und Zulagen“.

8.

Art. 3 („Sachlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 883/2004 sieht in den Abs. 1, 3 und 5 vor:

„(1)   Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

a)

Leistungen bei Krankheit;

b)

Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft;

c)

Leistungen bei Invalidität;

d)

Leistungen bei Alter;

e)

Leistungen an Hinterbliebene;

f)

Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten;

g)

Sterbegeld;

h)

Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

i)

Vorruhestandsleistungen;

j)

Familienleistungen.

(3)   Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

(5)   Diese Verordnung gilt nicht für

a)

soziale und medizinische Fürsorge oder

b)

Leistungen, bei denen ein Mitgliedstaat die Haftung für Personenschäden übernimmt und Entschädigung leistet, beispielsweise für Opfer von Krieg und militärischen Aktionen oder der sich daraus ergebenden Folgen, Opfer von Straftaten, Attentaten oder Terrorakten, Opfer von Schäden, die von Bediensteten eines Mitgliedstaats in Ausübung ihrer Pflichten verursacht wurden, oder für Personen, die aus politischen oder religiösen Gründen oder aufgrund ihrer Abstammung Nachteile erlitten haben.“

9.

Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

10.

Art. 5 („Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a)

Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b)

Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.“

11.

Art. 70 („Allgemeine Vorschrift“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„(1)   Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

(2)   Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:

a)

die dazu bestimmt sind:

i)

einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii)

allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b)

deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten,

und

c)

die in Anhang X aufgeführt sind.

(3)   Artikel 7 und die anderen Kapitel dieses Titels gelten nicht für die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Leistungen.

(4)   Die in Absatz 2 genannten Leistungen werden ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Die Leistungen werden vom Träger des Wohnorts und zu seinen Lasten gewährt.“

B.   Slowakisches Recht

12.

In § 1 des Zákon č. 112/2015 Z.z. o príspevku športovému reprezentantovi a o zmene a doplnení zákona č. 461/2003 Z.z. o sociálnom poistení v znení neskorších predpisov (Gesetz Nr. 112/2015 über eine Zusatzleistung für sportliche Vertreter und zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 461/2003 über die Sozialversicherung in der Fassung späterer Änderungen, im Folgenden: Gesetz Nr. 112/2015) in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung heißt es:

„Das vorliegende Gesetz regelt die Gewährung einer Zusatzleistung für sportliche Vertreter (im Folgenden: Zusatzleistung) als staatliche Sozialleistung, deren Ziel es ist, einen Sportler finanziell abzusichern, der – als sportlicher Vertreter der Tschechoslowakischen Republik, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik oder der Slowakischen Republik – eine Medaille bei den Olympischen Spielen, den Paralympischen Spielen, den Deaflympics, den Weltmeisterschaften oder den Europameisterschaften gewonnen hat.“

13.

§ 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 112/2015 lautet in der zitierten Fassung:

„Anspruch auf die Zusatzleistung hat eine natürliche Person, die

a)

als sportlicher Vertreter der Tschechoslowakischen Republik, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik oder der Slowakischen Republik Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Goldmedaille (erster Platz), eine Silbermedaille (zweiter Platz) oder eine Bronzemedaille (dritter Platz) bei den Olympischen Spielen, den Paralympischen Spielen oder den Deaflympics,

2.

eine Goldmedaille (erster Platz), eine Silbermedaille (zweiter Platz) oder eine Bronzemedaille (dritter Platz) bei den Weltmeisterschaften oder eine Goldmedaille (erster Platz) bei den Europameisterschaften in einer Sportart, die durch das Internationale Olympische Komitee in die Olympischen Spiele, durch das Internationale Paralympische Komitee in die Paralympischen Spiele oder durch das Internationale Komitee für Gehörlosensport in die Deaflympics aufgenommen wurde, die unmittelbar vor den Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften oder in dem Jahr stattfanden, in dem die Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften stattfanden;

b)

Staatsangehöriger der Slowakischen Republik ist;

c)

ihren ständigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Slowakischen Republik hat oder eine Person ist, auf die eine gesonderte Bestimmung Anwendung findet;

d)

keine ähnliche Leistung aus dem Ausland bezieht;

e)

das Rentenalter erreicht hat und

f)

ihren Anspruch auf eine Rentenleistung gemäß gesonderten Bestimmungen geltend gemacht hat.“

14.

§ 3 des Gesetzes Nr. 112/2015 lautet in der zitierten Fassung:

„Die Höhe der Leistung entspricht der Differenz zwischen

a)

750 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

b)

600 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Silbermedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Silbermedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

c)

500 Euro und der Gesamtsumme der gemäß gesonderten Bestimmungen gezahlten Rentenleistungen und ähnlichen Rentenleistungen aus dem Ausland, sofern die natürliche Person Folgendes gewonnen hat:

1.

eine Bronzemedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1,

2.

eine Bronzemedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Weltmeisterschaften oder

3.

eine Goldmedaille im Sinne von § 2 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 bei den Europameisterschaften.“

II. Sachverhalt und Vorlagefrage

15.

Aus dem Verzeichnis der gewonnenen Medaillen, das vom Ministerstvo školstva, vedy, výskumu a športu Slovenskej republiky (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Sport der Slowakischen Republik) geführt wird, geht hervor, dass UB (im Folgenden: Kläger), ein tschechischer Staatsangehöriger, im Jahr 1971 die Goldmedaille bei den Eishockey-Europameisterschaften und die Silbermedaille bei den Eishockey-Weltmeisterschaften gewonnen hat. Am 17. Dezember 2015 machte der Kläger bei den slowakischen Sozialversicherungsträgern einen Anspruch auf die in Rede stehende Zusatzleistung geltend.

16.

Der Antrag wurde auf der Grundlage von § 2 Abs. 1 Buchst. b des Gesetzes Nr. 112/2015 wegen der tschechischen Staatsangehörigkeit des Klägers abgelehnt. Im Verfahren vor dem Krajský súd v Košiciach (Regionalgericht Košice, Slowakei) rügte der Kläger unter Bezugnahme auf das Recht der Union eine diskriminierende Wirkung der slowakischen Gesetzgebung aufgrund seiner Staatsangehörigkeit. Weiterhin sei der Umstand, dass er seit 52 Jahren in der Slowakischen Republik lebe, nicht berücksichtigt worden.

17.

Anhand der Unterlagen des Gesetzgebungsverfahrens hat der Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik, im Folgenden: vorlegendes Gericht) festgestellt, dass die Regierung der Slowakischen Republik in ihrer Sitzung vom 22. April 2015 den Entwurf des Gesetzes über eine Zusatzleistung für sportliche Vertreter erörterte und im Ergebnis z. B. zu § 2 Abs. 1 Buchst. b den Standpunkt einnahm, dass „Abs. 1 Buchst. b folgendermaßen zu ändern ist: b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, Staatsangehöriger eines Staates, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, oder Staatsangehöriger der Schweiz ist“. Es wurde für erforderlich angesehen, auf die Rechtsakte der Europäischen Union zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Bezug zu nehmen.

18.

In der Národná rada Slovenskej republiky (Nationalrat der Slowakischen Republik, im Folgenden: gesetzgebendes Organ) wurde der Entwurf des Gesetzes über eine Zusatzleistung für sportliche Vertreter indessen auf Vorschlag einiger Parlamentarier dahin gehend geändert, dass in § 2 der Ausdruck „eines Mitgliedstaats der Europäischen Union“ durch den Ausdruck „der Slowakischen Republik“ ersetzt wurde.

19.

Die Begründung für die vorgeschlagene Änderung war, dass es sich um eine staatliche Sozialleistung handele, die keine Rentenleistung sei und deren Zweck darin bestehe, zur finanziellen Sicherheit von Spitzensportlern beizutragen, die als slowakische Staatsangehörige die Slowakische Republik oder ihre Rechtsvorgänger vertreten hätten, und dass, da der Gesetzesentwurf nicht zum Ziel habe, sportliche Vertreter abzusichern, die Staatsangehörige anderer Staaten seien, vorgeschlagen werde, die Staatsangehörigkeit der Slowakischen Republik als eine der Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs auf die Zusatzleistung festzulegen.

20.

Der Entwurf des Gesetzes über eine Zusatzleistung für sportliche Vertreter wurde schließlich vom gesetzgebenden Organ zusammen mit einer Klausel über die Kompatibilität des Gesetzesentwurfs mit dem Recht der Europäischen Union (im Folgenden: Kompatibilitätsklausel) angenommen, wobei in dieser Klausel der Grad der Kompatibilität als „vollständig“ bewertet wird, da weder das Primärrecht noch das Sekundärrecht noch das Tertiärrecht der Europäischen Union auf den Vorschlag Anwendung fänden.

21.

Das vorlegende Gericht legt dar, es sei sich bei der Formulierung einer Vorlagefrage auf der Grundlage der Charta der Tatsache bewusst, dass der Gerichtshof die Einhaltung des Anwendungsbereichs der Charta nach Maßgabe ihres Art. 51 Abs. 1 prüfe, wonach die Bestimmungen der Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union gälten ( 3 ).

22.

Das vorlegende Gericht betont daher, dass die von ihm begehrte Auslegung der in Art. 34 der Charta verankerten Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Unterstützung keinen Selbstzweck darstelle. Vielmehr verweist es auf die oben genannte Grundlage des bei ihm anhängigen Rechtsstreits, in dem die Rechtmäßigkeit des Vorgehens einer Einrichtung der öffentlichen Verwaltung zu beurteilen sei.

23.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hat die Zusatzleistung für sportliche Vertreter nicht nur den Charakter einer staatlichen Sozialleistung, wie es in den Unterlagen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens heiße. Aus den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes Nr. 112/2015 ergebe sich, dass die Zusatzleistung gleichzeitig und regelmäßig zusammen mit der Rentenleistung gezahlt werde, um die Höhe der Rentenleistung auf 750 Euro (gemäß Buchst. a), 600 Euro (gemäß Buchst. b) oder 500 Euro (gemäß Buchst. c) anzuheben.

24.

Darüber hinaus bestehe kein Zweifel, dass der Kläger als Mitglied der Nationalmannschaft in einem Mannschaftssport sich nur deshalb in einer anderen Lage als seine Mannschaftskameraden befinde, weil er im Gegensatz zu ihnen kein slowakischer Staatsangehöriger sei, obwohl auch er mit seinen sportlichen Anstrengungen und Fähigkeiten zum Gesamtergebnis der Nationalmannschaft beigetragen habe.

25.

Das vorlegende Gericht erklärt, es habe vor seiner Entscheidung, die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union in ähnlichen Rechtssachen, und zwar die Urteile vom 22. Juni 2011, Landtová ( 4 ), vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei ( 5 ) – zu einer Weihnachtsgratifikation –, und Kommission/Slowakei, C‑433/13 ( 6 ), eingehend geprüft, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass sich diese Urteile nicht auf den vorliegenden Fall übertragen ließen.

26.

Das vorlegende Gericht hat daher das Verfahren ausgesetzt und folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Können Art. 1 Buchst. w, Art. 4 und Art. 5 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit dem in Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta verankerten Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Vergünstigungen unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache dahin ausgelegt werden, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, nach der der slowakische Sozialversicherungsträger bei einem Anspruch auf eine Zusatzleistung zur Altersrente für sportliche Vertreter die Staatsangehörigkeit des Antragstellers als grundlegende Voraussetzung bewertet, wenn dabei eine weitere gesetzliche Voraussetzung, nämlich die Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft der Rechtsvorgänger, einschließlich der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, weiterhin Bestandteil der nationalen Vorschrift ist?

27.

Schriftliche Erklärungen haben die Tschechische Republik, die Slowakische Republik und die Europäische Kommission beim Gerichtshof eingereicht. Diese drei haben auch an der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2019 teilgenommen.

III. Zusammenfassung der schriftlichen Erklärungen

28.

Nach Ansicht der Tschechischen Republik fällt die Zusatzleistung zweifellos in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gelte eine Zahlung nur dann als Leistung der sozialen Sicherheit, wenn sie ohne jede individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse oder Ermessen aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt werde und sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 aufgezählten Risiken beziehe ( 7 ).

29.

Erstens bestehe im slowakischen Recht ein Anspruch auf die Zusatzleistung. Sie sei daher keine freiwillige Leistung, sondern eine verpflichtend vorzunehmende Zahlung. Zweitens werde sie bei Erfüllung der objektiven Kriterien – Vertretung der Slowakei oder ihrer Rechtsvorgänger bei bestimmten internationalen Sportveranstaltungen – automatisch gezahlt. Daher bestehe keine Befugnis zu einer individuellen Prüfung oder Entscheidung nach Ermessen, und die zuständige Behörde berücksichtige die persönlichen Bedürfnisse des Antragstellers nicht. Drittens sei die Zusatzleistung eine Ergänzung zur Altersrente, da sie regelmäßig und gleichzeitig mit der Altersrente gezahlt werde. Daher sei sie eine Rente im Sinne von Art. 1 Buchst. w der Verordnung Nr. 883/2004, wovon auch Zulagen zu Renten erfasst würden ( 8 ). Entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs stelle die Zusatzleistung auch eine Leistung bei Alter im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 dar ( 9 ). Der Umstand, dass die gezahlte Zusatzleistung weder von der Höhe der gezahlten Vergütung noch von den zurückgelegten Versicherungszeiten abhänge, berühre diese Einschätzung nicht ( 10 ).

30.

Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 verbiete es daher, die Zahlung der Zusatzleistung unter eine Staatsangehörigkeitsvoraussetzung zu stellen. Maßgeblich für die Gewährung der Zusatzleistung sei, ob die Person den Staat oder seine Rechtsvorgänger vertreten und die erforderlichen Ergebnisse erzielt habe, und nicht, ob die Person ein Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats sei.

31.

Die Slowakische Republik widerspricht dieser Auslegung des Unionsrechts. Sie weist darauf hin, dass zunächst ein abgestimmter Ansatz der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik in Bezug auf die Zusatzleistung in Aussicht genommen worden sei, bei dem beide Länder die Zahlung an Gebietsansässige, die die Tschechoslowakische Republik bei den bezeichneten internationalen Sportveranstaltungen vertreten hätten, unabhängig davon, ob sie tschechische oder slowakische Staatsangehörige seien, tätigen wollten, sofern dies nicht auf eine doppelte Zahlung hinausliefe. Daher habe die Slowakische Republik zunächst nicht vorgeschlagen, die Zahlung der Zusatzleistung auf slowakische Staatsangehörige zu begrenzen. Dies sei erst dann geschehen, als kein Gesetz verabschiedet worden sei, um die Zahlung der Zusatzleistung auf in der Tschechischen Republik ansässige slowakische Staatsangehörige zu erstrecken. Wenn also die Slowakische Republik das Gesetz ändern müsste, würde sie die Zusatzleistung für in der Tschechischen oder in der Slowakischen Republik ansässige slowakische Staatsangehörige wie auch für tschechische Staatsangehörige, die in der Slowakei ansässig seien, erbringen.

32.

Die Zusatzleistung sei weder eine Leistung der sozialen Sicherheit im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 noch eine besondere beitragsunabhängige Leistung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 dieser Verordnung.

33.

Ersteres ergebe sich aus den konstitutiven Elementen der Zahlung, insbesondere ihrem Zweck und den Voraussetzungen für ihre Gewährung. Sie falle nicht unter die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 aufgezählten Risiken ( 11 ). Sie sei keine Altersleistung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 12 ). Die Zusatzleistung werde unabhängig von Altersleistungen gezahlt. Sie werde sogar dann gezahlt, wenn der Sportler oder die Sportlerin keine Altersrente erhalte. Sie werde nicht gezahlt, wenn die Altersleistung eine bestimmte Grenze übersteige ( 13 ). Auch werde die Zusatzleistung aus anderen Mitteln gezahlt als die Altersrente. Sie werde unmittelbar vom Staat gezahlt. Ferner ziele die Zusatzleistung nicht darauf ab, die Bedürfnisse der Begünstigten zu decken ( 14 ). Vielmehr solle sie u. a. die Erfolge von Spitzensportlern honorieren und junge Athleten anspornen. Auch sei die Höhe nicht abhängig von der Anzahl der gezahlten Beiträge oder der zurückgelegten Versicherungszeiten ( 15 ).

34.

Im Hinblick auf die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 weist die Slowakische Republik darauf hin, dass die Zusatzleistung keines der in Art. 3 Abs. 1 aufgezählten Risiken erfasse. Sie solle auch keinen Mindestlebensunterhalt garantieren. Weiterhin sei sie weder eine Leistung für Menschen mit Behinderung im Sinne von Art. 70 Abs. 2 Buchst. a, noch werde sie – wie in Art. 70 Abs. 2 Buchst. c gefordert – in Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004 genannt.

35.

Auch Art. 34 der Charta ändere an diesem Standpunkt nichts. Die Zusatzleistung falle nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts ( 16 ).

36.

Die Kommission weist darauf hin, dass die in Rede stehende Zusatzleistung faktisch nur auf Personen Anwendung finde, die das Rentenalter erreicht und eine Altersrente beantragt hätten. Der Umstand, dass sie eine ergänzende Zahlung sei, schließe es nicht aus, dass sie eine Altersrente im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 sei ( 17 ). Gleichzeitig ist die Kommission jedoch nicht sicher, ob die Zusatzleistung überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fällt. Sie sei eine ergänzende Zahlung, die nur für einen kleinen Personenkreis zur Anerkennung von außergewöhnlichen Erfolgen bei der Vertretung des Landes getätigt werde. Daher kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die Zusatzleistung nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 falle, sondern geprüft werden müsse, ob sie in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 ( 18 ) und der Vorschriften des AEUV falle.

37.

Die Kommission führt jedoch weiter aus, dass es nicht notwendig sei, zu entscheiden, ob die Zusatzleistung eine soziale Vergünstigung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 sei ( 19 ), da es möglich sei, die Vorlagefrage auf der Grundlage des im AEUV niedergelegten Primärrechts zu beantworten.

38.

In diesem Zusammenhang verweist die Kommission auf Art. 18 AEUV und die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Tas‑Hagen und Tas ( 20 ), wonach sich der Kläger auf seinen Status als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV berufen könne.

IV. Würdigung

39.

Die Zusatzleistung unterliegt weder der Verordnung Nr. 883/2004 noch der Verordnung Nr. 492/2011 oder dem von der Kommission angeführten Primärrecht der Union über die Freizügigkeit ( 21 ). Daher ist kein Raum für die Anwendung von Art. 34 der Charta, da der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht durch Unionsrecht „geregelt“ wird ( 22 ).

40.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Hinblick auf die Verordnung Nr. 883/2004 „hängt nämlich die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen sind, und Leistungen, die darunter fallen, im Wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird“ ( 23 ). Um in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 zu fallen, muss ein nationales Gesetz jedenfalls eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung genannten Risiken abdecken ( 24 ).

41.

Die hier gegenständliche Zusatzleistung deckt keines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgeführten Risiken (siehe oben, Nr. 8) ab. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Leistung dann als eine „Leistung der sozialen Sicherheit“ betrachtet werden, wenn sie den Begünstigten ohne jede im Ermessen liegende individuelle Prüfung der persönlichen Bedürfnisse aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird und sie sich auf eines der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht ( 25 ). Die Zusatzleistung ist vielmehr eine Anerkennung für die Leistung bei internationalen Sportveranstaltungen und die Vertretung der Nation. Der Umstand, dass sie in der Praxis an Personen gezahlt wird, die das Rentenalter erreicht haben, genügt nicht, um sie als eine Leistung bei Alter im Sinne von Art. 3 Abs. 1 einzustufen. Wie von dem Vertreter der Slowakischen Republik in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, weist die Zusatzleistung nur dann eine Verbindung mit den Empfängern der Altersrente auf, wenn diesen den im nationalen Recht festgesetzten Leistungshöchstbetrag erhalten, da für diese Personen der ausgezahlte Betrag verringert werden muss. Der Anspruch auf die Zusatzleistung ist rechtlich unabhängig vom Erhalt einer Altersrente.

42.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist für die Feststellung, ob die Zusatzleistung als „Leistung bei Alter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 und damit als Leistung der sozialen Sicherheit einzustufen ist, auf ihre Wesensmerkmale, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung, abzustellen ( 26 ).

43.

Die gegenständliche Zusatzleistung wird Personen gewährt, die bei internationalen Sportveranstaltungen sehr erfolgreich waren. Sie soll eine Anerkennung für ihre Leistung sein und junge Athleten anspornen. Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Zusatzleistung eher mit der Weihnachtsgratifikation in der Rechtssache Kommission/Slowakei ( 27 ), die nach der Entscheidung des Gerichtshofs nicht in die Kategorie der Leistungen bei Alter im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 883/2004 fällt, vergleichbar ist als mit dem Urlaubsgeld in der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Noteboom ( 28 ), das ausschließlich den Empfängern einer Alters- und/oder Hinterbliebenenrente ausgezahlt wurde und aus den gleichen Mitteln finanziert wurde wie die Rente und das als Leistung bei Alter ( 29 ) eingestuft wurde. Im vorliegenden Fall wird die Zusatzleistung nicht aus den gleichen Mitteln wie die Renten finanziert, sondern unmittelbar vom Staat und ist, wie oben dargestellt, unabhängig von dem Rentensystem, abgesehen von einer Reduktion für ehemalige Sportler, die den nach slowakischem Recht festgesetzten Höchstbetrag an Altersrente erhalten.

44.

Auch wenn ich anerkenne, dass in der Rechtssache Kommission/Slowakei die Begünstigten der Zahlung eine große Gruppe darstellten und dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung nur einem kleinen Personenkreis zugutekommt, bekräftigt diese geringe Anzahl von Begünstigten, die gekoppelt ist an Erfolge bei Spitzensportveranstaltungen, nur die Unterschiedlichkeit zwischen der Zusatzleistung und mit der Altersrente verknüpften Zuschlägen.

45.

Im Hinblick auf die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 stimme ich der oben in Nr. 34 wiedergegebenen Ansicht der Slowakischen Republik zu, dass es nicht möglich ist, die fragliche Zusatzleistung unter Art. 70 zu subsumieren. Ich weise darauf hin, dass Art. 3 Abs. 5 Buchst. a ausdrücklich die „soziale Fürsorge“ aus dem Geltungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 ausschließt ( 30 ) und dass Art. 70 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 883/2004 auf die Zweige der sozialen Sicherheit zurückverweist und „einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz“ gegen eines der in Art. 3 Abs. 1 genannten Risiken voraussetzt ( 31 ). Wie oben in Nr. 41 ausgeführt, komme ich zu dem Schluss, dass die Zusatzleistung unter keine der in dieser Vorschrift genannten Kategorien fällt, sondern vielmehr eine besondere Leistung zur Anerkennung von sportlichen Höchstleistungen darstellt. Die Zusatzleistung ist in Anhang X der Verordnung Nr. 883/2004 nicht aufgeführt und soll keinen Mindestlebensunterhalt gewähren.

46.

Die Zusatzleistung wird auch nicht als „soziale Vergünstigung“ von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 erfasst, da aufgrund der grundlegenden Merkmale solcher Vergünstigungen Leistungen ausgenommen sind, die mit einem Dienst für den Staat in Zusammenhang stehen. Ein Programm zur nationalen Anerkennung kann nicht in den Anwendungsbereich von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 fallen ( 32 ). Ferner ist eine Nichtzahlung der Zusatzleistung an tschechische Staatsangehörige, die in der Slowakei ansässig sind, nur im Hinblick auf eine sehr geringe Anzahl von EU-Arbeitnehmern nicht mit der Erleichterung der Mobilität der Arbeitnehmer vereinbar ( 33 ), nämlich tschechische Staatsangehörige, die die frühere Tschechoslowakische Republik vertreten haben und die ihren Wohnort aus der Tschechischen Republik in die Slowakische Republik zu verlegen wünschen.

47.

Dass die Zusatzleistung ausschließlich an slowakische Staatsangehörige gezahlt wird, führt mit anderen Worten nicht dazu, dass die Unionsbürger deshalb generell oder massenweise von der Wahrnehmung ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit in Bezug auf die Slowakei abgehalten werden, weil die slowakischen Behörden die Zusatzleistung nicht an tschechische Staatsangehörige zahlen ( 34 ), auch wenn – wie in den schriftlichen Erklärungen der slowakischen Regierung und durch deren Vertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegt – vor dem Erlass des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesetzes Gespräche zwischen den beiden Mitgliedstaaten stattgefunden hatten und abgestimmte Maßnahmen geplant worden waren, nach denen beide Staaten die Zusatzleistung an ihre jeweiligen Staatsangehörigen unabhängig von deren Wohnort zahlen sollten.

48.

Schließlich geht der Verweis der Kommission auf die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Tas-Hagen fehl. Dort war die auf die Ansässigkeit der betroffenen Personen gestützte Weigerung der niederländischen Regierung, eigenen Staatsangehörigen eine Leistung für zivile Kriegsopfer zu zahlen, mit dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 18 EG unvereinbar und nicht nur ein rein interner Sachverhalt, gerade weil die betroffenen Personen durch die Verlegung ihres Wohnorts nach Spanien – einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besaßen – ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hatten ( 35 ). Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass, „[d]a sich … die Ausübung eines von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechts durch Frau Tas‑Hagen und Herrn Tas auf ihren Anspruch auf Bewilligung einer im nationalen Recht vorgesehenen Leistung auswirkt, … es sich nicht um einen rein internen Sachverhalt ohne irgendeinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht [handelt]“ ( 36 ).

49.

Es ist jedoch unstreitig, dass der Kläger sein in Art. 45 AEUV verankertes Recht auf Freizügigkeit nie ausgeübt hat. Daher wäre die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Tas‑Hagen zwar maßgeblich in einer Streitigkeit zwischen einem tschechischen Staatsangehörigen und den tschechischen Sozialversicherungsbehörden über die Zahlung einer Leistung, die aus dem Grund verweigert wird, weil der tschechische Staatsangehörige sein Recht auf Freizügigkeit durch Wohnsitznahme in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. der Slowakischen Republik, ausübt; dieser Sachverhalt liegt aber im Ausgangsverfahren nicht vor. Im Ausgangsverfahren geht es um einen tschechischen Staatsangehörigen, der sein Recht auf Freizügigkeit gegenüber dem Mitgliedstaat seines Wohnorts, also der Slowakischen Republik, nie ausgeübt hat und dort bereits seit dem Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Europäischen Union ansässig ist.

50.

Dieser Rechtsstreit fällt nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts, so dass Art. 34 der Charta nicht anwendbar ist.

V. Ergebnis

51.

Ich schlage daher die folgende Antwort auf die Vorlagefrage des Najvyšší súd Slovenskej republiky (Oberstes Gericht der Slowakischen Republik) vor:

Art. 1 Buchst. w, Art. 4 und Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Verbindung mit dem in Art. 34 Abs. 1 und 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit und soziale Vergünstigungen können unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache nicht dahin ausgelegt werden, dass sie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, nach der der slowakische Sozialversicherungsträger bei einem Anspruch auf eine Zusatzleistung zur Altersrente für sportliche Vertreter die Staatsangehörigkeit des Antragstellers als grundlegende Voraussetzung bewertet, wenn dabei eine weitere gesetzliche Voraussetzung, nämlich die Zugehörigkeit zur Nationalmannschaft der Rechtsvorgänger, einschließlich der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, weiterhin Bestandteil der nationalen Vorschrift ist.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung.

( 3 ) Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105), und Beschluss vom 28. November 2013, Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio (C‑258/13, EU:C:2013:810).

( 4 ) C‑399/09, EU:C:2011:415.

( 5 ) C‑361/13, EU:C:2015:601.

( 6 ) Urteil vom 16. September 2015, C‑433/13, EU:C:2015:602.

( 7 ) Die Tschechische Republik verweist hierzu auf die Urteile vom 16. Juli 1992, Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 15), sowie vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei (C‑433/13, EU:C:2015:602, Rn. 71). Maßgeblich sind der Zweck und die Voraussetzungen für die Gewährung einer Leistung und nicht die Einstufung durch den Mitgliedstaat. Vgl. Urteile vom 16. Juli 1992, Hughes (C‑78/91, EU:C:1992:331, Rn. 14), vom 10. Oktober 1996, Zachow (C‑245/94 und C‑312/94, EU:C:1996:379, Rn. 17), sowie vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei (C‑433/13, EU:C:2015:602, Rn. 70).

( 8 ) Die Tschechische Republik verweist dazu auf das Urteil vom 20. Januar 2005, Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 27).

( 9 ) Die Tschechische Republik verweist auf das Urteil vom 30. Mai 2018, Czerwinski (C‑517/16, EU:C:2018:350, Rn. 45).

( 10 ) Hier verweist die Tschechische Republik auf das Urteil vom 20. Januar 2005, Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 29).

( 11 ) Die Slowakische Republik verweist auf das Urteil vom 25. Juli 2018, A (Hilfe für eine schwerbehinderte Person) (C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 32 und 33).

( 12 ) Die Slowakische Republik verweist auf das Urteil vom 16. Dezember 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 56).

( 13 ) Die Slowakische Republik verweist auf die Urteile vom 20. Januar 2005, Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 27), sowie vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 56).

( 14 ) Die Slowakische Republik verweist auf die Urteile vom 5. Juli 1983, Valentini (171/82, EU:C:1983:189, Rn. 14), sowie vom 16. Dezember 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 55).

( 15 ) Urteil vom 5. Juli 1983, Valentini (171/82, EU:C:1983:189, Rn. 14).

( 16 ) Die Slowakische Republik verweist auf das Urteil vom 16. September 2004, Baldinger (C‑386/02, EU:C:2004:535).

( 17 ) Die Kommission verweist auf die Urteile vom 20. Januar 2005, Noteboom (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 25 bis 29), vom 16. Dezember 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 55), sowie vom 30. Mai 2018, Czerwinski (C‑517/16, EU:C:2018:350, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).

( 19 ) Die Kommission verweist auf die Urteile vom 31. Mai 1979, Even und ONPTS (207/78, EU:C:1979:144), vom 27. September 1988, Matteucci (235/87, EU:C:1988:460, Rn. 16), sowie vom 16. September 2004, Baldinger (C‑386/02, EU:C:2004:535, Rn. 17 bis 19).

( 20 ) Urteil vom 26. Oktober 2016 (C‑192/05, EU:C:2006:676, Rn. 16 und 30 sowie Tenor).

( 21 ) Der Sachverhalt im Ausgangsverfahren unterscheidet sich daher grundlegend von demjenigen in der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. Juni 2011, Landtová (C‑399/09, EU:C:2011:415).

( 22 ) Vgl. etwa Urteil vom 8. Mai 2019, PI (C‑230/18, EU:C:2019:383, Rn. 63).

( 23 ) Urteile vom 30. Mai 2018, Czerwinski (C‑517/16, EU:C:2018:350, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 25. Juli 2018, A (Hilfe für eine schwerbehinderte Person) (C‑679/16, EU:C:2018:601, Rn. 31).

( 24 ) Urteil vom 30. Mai 2018, Czerwiński (C‑517/16, EU:C:2018:350, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 25 ) Urteil vom 14. März 2019, Dreyer (C‑372/18, EU:C:2019:206, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 26 ) Urteil vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601, Rn. 54).

( 27 ) Urteil vom 16. September 2015, Kommission/Slowakei (C‑361/13, EU:C:2015:601).

( 28 ) Urteil vom 20. Januar 2005 (C‑101/04, EU:C:2005:51, Rn. 27).

( 29 ) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. 1998, L 209, S. 1) geänderten Fassung. Diese Vorschrift wurde durch Art. 90 der Verordnung Nr. 883/2004 aufgehoben.

( 30 ) Vgl. etwa Urteil vom 27. März 1985, Hoeckx (249/83, EU:C:1985:139, Rn. 11, 12 und 14).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2004, Skalka (C‑160/02, EU:C:2004:269). Die dort gegenständliche Zahlung stellte eine „beitragsunabhängige Sonderleistung“ dar, da sie eine Rentenzahlung aufstocken sollte.

( 32 ) Urteil vom 31. Mai 1979, Even und ONPTS (207/78, EU:C:1979:144, Rn. 23 und 24). Vgl. auch Urteil vom 16. September 2004, Baldinger (C‑386/02, EU:C:2004:535, Rn. 17 und 19).

( 33 ) Urteil vom 27. März 1985, Hoeckx (249/83, EU:C:1985:139, Rn. 20).

( 34 ) Vgl. die vom Gerichtshof im Urteil vom 10. März 1993, Kommission/Luxemburg (C‑111/91, EU:C:1993:92), geprüfte Situation. Dort ging es um vorgeschriebene Wohnzeiten in Luxemburg, bevor Geburts- und Mutterschaftsbeihilfe gezahlt werden konnte. Dies betraf alle EU-Bürgerinnen.

( 35 ) Urteil vom 26. Oktober 2006, Tas-Hagen und Tas (C‑192/05, EU:C:2006:676, Rn. 25).

( 36 ) Ebd., Rn. 28.

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