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Document 62017CJ0096

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 25. Juli 2018.
Gardenia Vernaza Ayovi gegen Consorci Sanitari de Terrassa.
Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social de Terrassa.
Vorlage zur Vorabentscheidung – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Folgen einer als unzulässig qualifizierten disziplinarischen Entlassung – Begriff der Beschäftigungsbedingungen – Arbeitnehmer, der unbefristet für eine Übergangszeit beschäftigt wird – Ungleichbehandlung zwischen Dauerbeschäftigten und Arbeitnehmern, die befristet oder unbefristet für eine Übergangszeit beschäftigt werden – Wiedereingliederung des Arbeitnehmers oder Gewährung einer Entschädigung.
Rechtssache C-96/17.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:603

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

25. Juli 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge – Folgen einer als unzulässig qualifizierten disziplinarischen Entlassung – Begriff der Beschäftigungsbedingungen – Arbeitnehmer, der unbefristet für eine Übergangszeit beschäftigt wird – Ungleichbehandlung zwischen Dauerbeschäftigten und Arbeitnehmern, die befristet oder unbefristet für eine Übergangszeit beschäftigt werden – Wiedereingliederung des Arbeitnehmers oder Gewährung einer Entschädigung“

In der Rechtssache C‑96/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 Terrassa, Spanien), mit Entscheidung vom 26. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2017, in dem Verfahren

Gardenia Vernaza Ayovi

gegen

Consorci Sanitari de Terrassa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Frau Vernaza Ayovi, vertreten durch M. Sepúlveda Gutiérrez, abogado,

von Consorci Sanitari de Terrassa, vertreten durch A. Bayón Cama und D. Cubero Díaz, abogados,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Januar 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist, sowie von Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Gardenia Vernaza Ayovi und dem Consorci Sanitari de Terrassa (im Folgenden: Gesundheitskonsortium Terrassa, Spanien) über ihre disziplinarische Entlassung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

„Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“

4

Paragraf 3 („Definitionen“) der Rahmenvereinbarung bestimmt:

„Im Sinne dieser Vereinbarung ist:

1.

‚befristet beschäftigter Arbeitnehmer‘ eine Person mit einem direkt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, dessen Ende durch objektive Bedingungen wie das Erreichen eines bestimmten Datums, die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe oder das Eintreten eines bestimmten Ereignisses bestimmt wird.

2.

‚vergleichbarer Dauerbeschäftigter‘ ein Arbeitnehmer desselben Betriebs mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis, der in der gleichen oder einer ähnlichen Arbeit/Beschäftigung tätig ist, wobei auch die Qualifikationen/Fertigkeiten angemessen zu berücksichtigen sind.

Ist in demselben Betrieb kein vergleichbarer Dauerbeschäftigter vorhanden, erfolgt der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags oder in Ermangelung eines solchen gemäß den einzelstaatlichen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen oder Gepflogenheiten.“

5

Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung lautet:

„Befristet beschäftige Arbeitnehmer dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.“

6

Paragraf 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)

als ‚aufeinanderfolgend‘ zu betrachten sind;

b)

als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

Spanisches Recht

7

Art. 56 Abs. 1 des Real Decreto Legislativo 2/2015 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 2/2015 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut) vom 23. Oktober 2015 (BOE Nr. 255 vom 24. Oktober 2015) (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) bestimmt:

„Wird die Kündigung für unzulässig erklärt, so kann der Arbeitgeber binnen fünf Tagen ab Zustellung des Urteils zwischen der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers und der Zahlung einer Abfindung in Höhe von 33 Tagesentgelten je Beschäftigungsjahr bei einer Obergrenze von 24 Monatsentgelten wählen, wobei Zeiten von weniger als einem Jahr anteilig auf Monatsbasis berechnet werden. Wird eine Abfindung gewählt, führt dies zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitseinstellung.“

8

Das Real Decreto Legislativo 5/2015 por el que se aprueba el Texto Refundido de la Ley del Estatuto Básico del Empleado Público (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 5/2015 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Grundstatut der öffentlichen Bediensteten) vom 30. Oktober 2015 (BOE Nr. 261 vom 31. Oktober 2015) (im Folgenden: Grundstatut der öffentlichen Bediensteten) bestimmt in seinem Art. 2 („Geltungsbereich“):

„1.   Das vorliegende Statut gilt für Beamte und gegebenenfalls für die Vertragsbediensteten der folgenden Behörden:

5.   Das vorliegende Statut stellt für das gesamte Personal der öffentlichen Verwaltung, das nicht unter seinen Geltungsbereich fällt, dispositives Recht dar.

…“

9

Art. 7 („Auf Vertragsbedienstete anwendbare Regelung“) des Grundstatuts der öffentlichen Bediensteten lautet:

„Die Situation der in der öffentlichen Verwaltung beschäftigten Vertragsbediensteten wird durch die arbeitsrechtliche Gesetzgebung und die anderen für gewöhnlich anwendbaren Vorschriften, aber auch durch die Bestimmungen im vorliegenden Statut, die dies vorsehen, geregelt.“

10

Art. 8 („Begriff und Einteilung der öffentlichen Bediensteten“) des Grundstatuts der öffentlichen Bediensteten bestimmt:

„1.   Öffentlicher Bediensteter ist, wer in der öffentlichen Verwaltung eine entgeltliche Tätigkeit im Dienst der allgemeinen Interessen ausübt.

2.   Die öffentlichen Bediensteten werden eingeteilt in:

a)

Berufsbeamte,

b)

Interimsbeamte,

c)

Vertragsbedienstete, unabhängig davon, ob sie fest, unbefristet oder befristet eingestellt sind,

d)

Hilfspersonal.“

11

Art. 93 („Disziplinarische Verantwortung“) des Grundstatuts der öffentlichen Bediensteten bestimmt:

„1.   Für Beamte und Vertragsbedienstete gilt die Disziplinarregelung, die in diesem Abschnitt und in den Vorschriften, die in den zur Durchführung des vorliegenden Statuts erlassenen Gesetzen über die öffentliche Verwaltung bestimmt sind, festgelegt ist.

4.   Im Bereich der Disziplinarregelung für Vertragsbedienstete finden auf die Situationen, die in diesem Abschnitt nicht vorgesehen sind, die arbeitsrechtlichen Vorschriften Anwendung.“

12

Art. 96 („Sanktionen“) Abs. 2 des Grundstatuts der öffentlichen Bediensteten lautet:

„Dauerhaft beschäftigte Vertragsbedienstete sind wieder einzugliedern, wenn eine Entlassung, die nach einem Disziplinarverfahren wegen schwerwiegender Pflichtverletzung vorgenommen wurde, für unzulässig erklärt wird.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13

Frau Vernaza Ayovi wurde am 30. Mai 2006 von der Fundació Sant Llàtzer (Private Stiftung Sant Llàtzer, Spanien) im Rahmen eines Interinidad-Vertrags, d. h. eines Vertrags für eine Übergangszeit bzw. zur Besetzung einer freien Stelle als Krankenschwester eingestellt. Der Vertrag endete am 14. August 2006. Am 15. August 2006 schlossen die Parteien einen neuen Interinidad-Vertrag, der am 28. Dezember 2006 zu einem unbefristeten Vertrag für eine Übergangszeit wurde. Die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis wurden an das Gesundheitskonsortium Terrassa abgetreten.

14

Frau Vernaza Ayovi wurde für den Zeitraum vom 19. Juli 2011 bis zum 19. Juli 2012 ein Urlaub aus persönlichen Gründen gewährt, der zweimal um jeweils ein Jahr verlängert wurde. Am 19. Juni 2014 beantragte sie ihre Wiedereingliederung. Das Gesundheitskonsortium Terrassa hielt ihr entgegen, dass es keine verfügbare Stelle gebe, die ihrer Qualifikation entspreche. Am 29. April 2016 beantragte sie erneut ihre Wiedereingliederung.

15

Am 6. Mai 2016 übermittelte ihr das Gesundheitskonsortium Terrassa einen Zeitplan, der auf einer Teilzeitbeschäftigung beruhte. Da sie es ablehnte, eine andere Beschäftigung als eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben, erschien sie nicht an ihrem Arbeitsplatz und wurde aus diesem Grund am 15. Juli 2016 entlassen.

16

Am 26. August 2016 rief die Klägerin des Ausgangsverfahrens den Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 Terrassa, Spanien) an und beantragte die Feststellung, dass die Kündigung unzulässig war, sowie die Verurteilung ihres Arbeitgebers entweder zu ihrer Wiedereingliederung zu denselben Arbeitsbedingungen wie vor ihrer Entlassung und zur Nachzahlung aller seit dem Zeitpunkt ihrer Entlassung ausstehenden Gehälter oder zur Zahlung der für eine unzulässige Kündigung höchstmöglichen gesetzlichen Abfindung.

17

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts unterfällt Frau Vernaza Ayovi dem Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung, da zum einen ihr Arbeitsvertrag erst nach dem Abschluss zweier befristeter Verträge für eine Übergangszeit entfristet worden sei, so dass eine unzulässige Verwendung befristeter Verträge nicht ausgeschlossen sei, und da sie zum anderen nicht den Status einer dauerhaft beschäftigten Vertragsbediensteten habe.

18

Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa (Arbeits- und Sozialgericht Nr. 2 Terrassa) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Zu den Vorlagefragen

19

Das vorlegende Gericht möchte mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, wissen, ob Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der ein dauerhaft im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer, wenn seine disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wurde, wiedereingegliedert werden muss, wohingegen im gleichen Fall die Möglichkeit besteht, dass ein für eine Übergangszeit beschäftigter oder für eine Übergangszeit unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, der die gleichen Tätigkeiten wie der dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer ausübt, nicht wiedereingegliedert wird und als Gegenleistung eine Abfindung erhält.

20

Der im Ausgangsverfahren fragliche Sachverhalt ist, da die in Art. 20 der Charta verankerte Gleichheit vor dem Gesetz im Hinblick auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer durch die Richtlinie 1999/70 und insbesondere Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung in ihrem Anhang umgesetzt wurde, im Licht der Richtlinie und der Rahmenvereinbarung zu prüfen.

21

Die Rahmenvereinbarung soll u. a. nach ihrem Paragraf 1 Buchst. a durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern. Desgleichen heißt es im dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, dass sie „den Willen der Sozialpartner deutlich [macht], einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, der durch den Schutz vor Diskriminierung die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in befristeten Arbeitsverhältnissen sichert“. Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 wird dazu festgestellt, dass die Rahmenvereinbarung insbesondere die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse durch Festlegung von Mindestvorschriften verbessern soll, die geeignet sind, die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung zu gewährleisten (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22

Die Rahmenvereinbarung, insbesondere ihr Paragraf 4, bezweckt, diesen Grundsatz auf befristet beschäftigte Arbeitnehmer anzuwenden, um zu verhindern, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber benutzt wird, um diesen Arbeitnehmern Rechte vorzuenthalten, die Dauerbeschäftigten zuerkannt werden (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23

In Anbetracht der Ziele der Rahmenvereinbarung muss ihr Paragraf 4 als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Union verstanden werden, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung verbietet es, befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nur aufgrund ihrer befristeten Beschäftigung schlechter zu behandeln, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt.

25

Vorliegend ist erstens darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht ausgeführt hat, dass ein Arbeitsvertrag wie der von Frau Vernaza Ayovi nach den Kriterien des nationalen Rechts als befristeter Arbeitsvertrag anzusehen sei.

26

Eine Arbeitnehmerin wie Frau Vernaza Ayovi ist somit als „befristet beschäftigter Arbeitnehmer“ im Sinne von Paragraf 3 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen und unterliegt folglich ihrem Anwendungsbereich.

27

Zweitens ist im Hinblick auf den Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung das entscheidende Kriterium dafür, ob eine Maßnahme unter diesen Begriff fällt, gerade das Kriterium der Beschäftigung, d. h. das zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber begründete Arbeitsverhältnis (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Insoweit hat der Gerichtshof u. a. Regeln für die Bestimmung der Frist für die Kündigung befristeter Arbeitsverträge sowie Regeln über die Entschädigung, die dem Arbeitnehmer aufgrund der Auflösung des Arbeitsvertrags zwischen ihm und seinem Arbeitgeber zusteht, unter diesen Begriff subsumiert, da eine solche Entschädigung aufgrund des zwischen ihnen entstandenen Arbeitsverhältnisses geleistet wird (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 42, 44 und 45).

29

Eine Auslegung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, wonach die Bedingungen für die Auflösung eines befristeten Arbeitsvertrags nicht unter diesen Begriff fielen, liefe nämlich darauf hinaus, den Geltungsbereich des den befristet beschäftigten Arbeitnehmern gewährten Schutzes vor Diskriminierungen entgegen dem Ziel dieser Vorschrift einzuschränken (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Diese Erwägungen sind vollständig auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Regelungen über die Wiedereingliederung übertragbar, die im Fall einer für unzulässig erklärten disziplinarischen Entlassung für dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer gelten, da diese Regelungen aufgrund des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber bestehen.

31

Folglich fällt eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren fragliche unter den Begriff „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung.

32

Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der in Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung eine besondere Ausprägung findet, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ist insoweit durch die Rahmenvereinbarung nur in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, umgesetzt und konkretisiert worden (Urteile vom 14. September 2016, de Diego Porras, C‑596/14, EU:C:2016:683, Rn. 37, und vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 47).

34

Um festzustellen, ob die Betroffenen die gleiche oder eine ähnliche Arbeit im Sinne der Rahmenvereinbarung verrichten, ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang mit Paragraf 3 Nr. 2 und Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung zu prüfen, ob sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Im vorliegenden Fall ist es Sache des für die Würdigung des Sachverhalts allein zuständigen vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob sich Frau Vernaza Ayovi in einer vergleichbaren Situation wie die dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmer befand, die im gleichen Zeitraum vom gleichen Arbeitgeber eingestellt wurden (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Im Übrigen steht fest, dass im Hinblick auf die Folgen einer etwaigen unzulässigen Entlassung eine Ungleichbehandlung zwischen den dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmern und den befristet beschäftigten Arbeitnehmern wie Frau Vernaza Ayovi besteht.

37

Somit ist, vorbehaltlich der endgültigen Würdigung durch das vorlegende Gericht, ob unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Situation einer nicht dauerhaft beschäftigten Arbeitnehmerin wie Frau Vernaza Ayovi und die eines dauerhaft beschäftigen Arbeitnehmers vergleichbar sind, zu prüfen, ob es einen objektiven Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung gibt.

38

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „sachliche Gründe“ im Sinne von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs so zu verstehen ist, dass eine unterschiedliche Behandlung von befristet beschäftigten Arbeitnehmern und Dauerbeschäftigten nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass sie in einer allgemeinen oder abstrakten Norm des nationalen Rechts wie einem Gesetz oder einem Tarifvertrag vorgesehen ist (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Der genannte Begriff verlangt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass die festgestellte Ungleichbehandlung durch das Vorhandensein genau bezeichneter, konkreter Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien für die Prüfung der Frage kennzeichnen, ob die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspricht und ob sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung befristete Verträge geschlossen wurden, und ihren Wesensmerkmalen ergeben oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat (Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Insoweit ergibt sich aus der dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akte und den Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung, dass nach der allgemein anwendbaren Regel für den Fall einer als unzulässig oder rechtswidrig eingeordneten Entlassung der Arbeitgeber zwischen der Wiedereingliederung oder der Entschädigung des betreffenden Arbeitnehmers wählen kann.

41

Außerdem handelt es sich nur um eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel, dass die dauerhaft im öffentlichen Dienst Beschäftigten, deren disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wird, wiedereingegliedert werden müssen.

42

Die spanische Regierung macht geltend, diese Ungleichbehandlung sei im Hinblick auf die Modalitäten der Einstellung dieser letztgenannten Kategorie von Arbeitnehmern und den besonderen Kontext, in dem ihre Einstellung stattfinde, gerechtfertigt. Die fragliche Wiedereinstellungsgarantie sei somit untrennbar mit dem System für den Zugang zu unbefristeten Stellen verbunden. Das Grundstatut der öffentlichen Bediensteten sehe nämlich vor, dass das System für die Einstellung dauerhaft beschäftigter Vertragsbediensteter eine Auswahl treffe, die, um die Grundsätze der Gleichheit, der Anerkennung von Verdiensten und der Befähigung beim Zugang zum öffentlichen Dienst einzuhalten, eine oder mehrere Prüfungen beinhalten müsse, die darauf abzielten, die Befähigung der Kandidaten zu beurteilen und ihre Rangfolge festzulegen, oder das Ergebnis eines Verfahrens zur Beurteilung der Verdienste der Kandidaten sei. Der spanische Gesetzgeber bezwecke mit der automatischen Wiedereingliederung im Fall einer unzulässigen Entlassung den Schutz der im öffentlichen Dienst dauerhaft Beschäftigten unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichheit, der Anerkennung von Verdiensten, der Befähigung und der Öffentlichkeit.

43

Die spanische Regierung bringt insoweit vor, dass es sich bei dem Verbleib im Dienst um ein zwingendes Erfordernis handele, das sich aus der erfolgreichen Teilnahme an einem Auswahlverfahren für den Zugang zum öffentlichen Dienst ergebe. Die erfolgreiche Teilnahme an einem solchen Auswahlverfahren rechtfertige es, dem dauerhaft beschäftigten Personal mehr Garantien – wie das Recht des Fortbestands der Einstellung – als dem vorübergehend oder unbefristet beschäftigten Personal zu gewähren.

44

Die verpflichtende Wiedereingliederung garantiere den dauerhaft beschäftigten Bediensteten also Beschäftigungsstabilität im Hinblick auf die in der spanischen Verfassung verankerten Grundsätze. Für das nicht dauerhaft beschäftigte Personal stelle der Verbleib im Dienst hingegen keinen bestimmenden Bestandteil des Arbeitsverhältnisses dar, so dass der spanische Gesetzgeber es in diesem Fall nicht für angebracht erachtet habe, der beschäftigenden Behörde die Möglichkeit zu versagen, zwischen der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers, dessen disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wurde, und der Gewährung einer Entschädigung an ihn zu wählen.

45

Dieser Unterschied in den Einstellungsmodalitäten führt nach den Ausführungen der spanischen Regierung dazu, dass der dauerhaft beschäftigte Vertragsbedienstete, der nicht Beamter ist, aber dennoch an einem Auswahlverfahren gemäß den Grundsätzen der Gleichheit, der Anerkennung von Verdiensten und der Befähigung erfolgreich teilgenommen hat, diese Beständigkeitsgarantie in Anspruch nehmen kann, die eine Ausnahme von den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen darstelle.

46

Es ist festzustellen, dass zwar die fragliche Ungleichbehandlung nicht durch das öffentliche Interesse gerechtfertigt werden kann, das an sich an den Modalitäten der Einstellung dauerhaft Beschäftigter besteht. Dennoch vermögen die Erwägungen, die sich aus den Merkmalen des Rechts des nationalen öffentlichen Diensts ergeben und die oben in den Rn. 42 bis 44 des vorliegenden Urteils wiedergegeben wurden, eine solche Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Insoweit bedeuten die Erwägungen der Unparteilichkeit, der Wirksamkeit und der Unabhängigkeit der Verwaltung eine gewisse Dauerhaftigkeit und Stabilität der Beschäftigung. Diese Erwägungen, denen keine Entsprechung im allgemeinen Arbeitsrecht gegenübersteht, erklären und rechtfertigen die Grenzen der einseitigen Aufhebungsbefugnis öffentlicher Arbeitgeber und folglich die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, ihnen nicht die Möglichkeit einzuräumen, zwischen Wiedereingliederung und Ersatz des aufgrund einer unzulässigen Entlassung entstandenen Schadens zu wählen.

47

Somit ist festzustellen, dass die automatische Wiedereingliederung dauerhaft beschäftigter Arbeitnehmer in einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht deutlich anderen Kontext steht als dem, in dem sich nicht dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer befinden (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juni 2018, Grupo Norte Facility, C‑574/16, EU:C:2018:390, Rn. 56).

48

Unter diesen Umständen ist festzuhalten, dass die festgestellte Ungleichbehandlung durch genau bezeichnete, konkrete Umstände gerechtfertigt ist, die die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem speziellen Zusammenhang und auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien im Sinne der oben in Rn. 39 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung kennzeichnen.

49

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach der ein dauerhaft im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer, wenn seine disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wurde, wiedereingegliedert werden muss, wohingegen im gleichen Fall die Möglichkeit besteht, dass ein für eine Übergangszeit beschäftigter oder für eine Übergangszeit unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, der die gleichen Tätigkeiten wie der dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer ausübt, nicht wiedereingegliedert wird und als Gegenleistung eine Abfindung erhält.

Kosten

50

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach der ein dauerhaft im öffentlichen Dienst beschäftigter Arbeitnehmer, wenn seine disziplinarische Entlassung für unzulässig erklärt wurde, wiedereingegliedert werden muss, wohingegen im gleichen Fall die Möglichkeit besteht, dass ein für eine Übergangszeit beschäftigter oder für eine Übergangszeit unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, der die gleichen Tätigkeiten wie der dauerhaft beschäftigte Arbeitnehmer ausübt, nicht wiedereingegliedert wird und als Gegenleistung eine Abfindung erhält.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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