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Document 62017CC0682

Schlussanträge des Generalanwalts H. Saugmandsgaard Øe vom 28. Februar 2019.
ExxonMobil Production Deutschland GmbH gegen Bundesrepublik Deutschland.
Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Erdgasaufbereitungsanlage – Schwefelrückgewinnung – ‚Claus-Prozess‘ – Stromerzeugung in einer Nebeneinrichtung – Wärmeerzeugung – Emission von inhärentem Kohlendioxid (CO2) – Art. 2 Abs. 1 – Geltungsbereich – Anhang I – Tätigkeit der ,Verbrennung von Brennstoffen‘ – Art. 3 Buchst. u – Begriff ‚Stromerzeuger‘ – Art. 10a Abs. 3 und 4 – Übergangsregelung zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten – Beschluss 2011/278/EU – Geltungsbereich – Art. 3 Buchst. c – Begriff ‚Anlagenteil mit Wärme-Benchmark‘.
Rechtssache C-682/17.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2019:167

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

HENRIK SAUGMANDSGAARD ØE

vom 28. Februar 2019 ( 1 )

Rechtssache C‑682/17

ExxonMobil Production Deutschland GmbH

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Anlage zur Aufbereitung von Erdgas – Gewinnung von Schwefel – Stromerzeugung in einer Nebeneinrichtung – Richtlinie 2003/87/EG – Art. 2 Abs. 1 – Geltungsbereich – Anhang I Nr. 6 – Tätigkeit der ‚Verbrennung von Brennstoffen‘“– Art. 3 Buchst. t – Begriff ‚Verbrennung‘ – Art. 3 Buchst. u – Begriff ‚Stromerzeuger‘ – Art. 10a Abs. 3 und 4 – Übergangsregelung zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten – Beschränkung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten an Stromerzeuger – Beschluss 2011/278/EU – Art. 3 Buchst. c – Begriff ‚Anlagenteil mit Wärme-Benchmark‘ – Art. 3 Buchst. h – Begriff ‚Anlagenteil mit Prozessemissionen‘“

I. Einleitung

1.

Das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin (Deutschland) betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. u und Art. 10a sowie Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG ( 2 ), mit der ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Europäischen Union (im Folgenden: System für den Zertifikatehandel) geschaffen wird, und von Art. 3 Buchst. c und h des Beschlusses 2011/278/EU ( 3 ), der Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten vorsieht.

2.

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (im Folgenden: ExxonMobil) und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Umweltbundesamt (Deutschland), wegen der Weigerung, einer von ExxonMobil betriebenen Erdgasaufbereitungsanlage einen Teil der für 2013 beantragten Zertifikate kostenlos zuzuteilen.

3.

Der Bitte des Gerichtshofs entsprechend werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die erste und die zweite Frage des vorlegenden Gerichts konzentrieren. Diese Fragen betreffen die Bedeutung des Begriffs „Stromerzeuger“ im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 und die Folgen der Einstufung einer Anlage als Stromerzeuger für die ihr nach Art. 10a dieser Richtlinie zustehende kostenlose Zuteilung von Zertifikaten.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Richtlinie 2003/87

4.

Nach Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 bezeichnet der Begriff „‚Stromerzeuger‘ eine Anlage, die am 1. Januar 2005 oder danach Strom zum Verkauf an Dritte erzeugt hat und in der keine anderen Tätigkeiten gemäß Anhang I als die ‚Verbrennung von Brennstoffen‘ durchgeführt werden“.

5.

In ihrer zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung ( 4 ) lautete Art. 10a dieser Richtlinie wie folgt:

„(1)   Die Kommission erlässt bis zum 31. Dezember 2010 gemeinschaftsweite und vollständig harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die Zuteilung der Zertifikate …

… Für die Stromerzeugung erfolgt keine kostenlose Zuteilung, mit Ausnahme der unter Artikel 10c fallenden Fälle und des aus Restgasen erzeugten Stroms.

(3)   Vorbehaltlich der Absätze 4 und 8 und unbeschadet von Artikel 10c erfolgt keine kostenlose Zuteilung für Stromerzeuger …

(4)   Für Fernwärme und hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung im Sinne der Richtlinie 2004/8/EG[ ( 5 )] werden für einen wirtschaftlich vertretbaren Bedarf Zertifikate in Bezug auf Wärme- und Kälteerzeugung kostenlos zugeteilt. Nach 2013 wird die Gesamtzuteilung an solche Anlagen für die Erzeugung dieser Art von Wärme jährlich anhand des linearen Faktors gemäß Artikel 9 angepasst.

…“

2. Beschluss 2011/278

6.

In Art. 3 des Beschlusses 2011/278 heißt es:

„Im Sinne dieses Beschlusses gelten folgende Begriffsbestimmungen:

c)

‚Anlagenteil mit Wärme-Benchmark‘: nicht unter einen Anlagenteil mit Produkt-Benchmark fallende Inputs, Outputs und diesbezügliche Emissionen im Zusammenhang mit der Erzeugung und/oder dem Import messbarer Wärme aus einer unter das EHS fallenden Anlage oder anderen Einrichtung, soweit diese Wärme

innerhalb der Grenzen der Anlage zur Herstellung von Produkten, zur Erzeugung anderer als zur Stromerzeugung verwendeter mechanischer Energie, zur Heizung oder zur Kühlung, jedoch nicht zur Stromerzeugung, verbraucht

oder an eine nicht unter das EHS fallende Anlage oder andere Einrichtung exportiert wird, ausgenommen Exporte für die Stromerzeugung;

h)

‚Anlagenteil mit Prozessemissionen‘: … CO2[Kohlendioxid]-Emissionen, die außerhalb der Systemgrenzen einer Produkt-Benchmark gemäß Anhang I auftreten, die aus einem der nachstehenden Prozesse resultieren …:

v)

Verwendung kohlenstoffhaltiger Zusatzstoffe oder Rohstoffe, deren Hauptzweck nicht die Wärmeerzeugung ist;

…“

B.   Deutsches Recht

7.

In § 9 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes vom 21. Juli 2011 (BGBl. 2011 I S. 1475, im Folgenden: TEHG) heißt es:

„(1)   Anlagenbetreiber erhalten eine Zuteilung von kostenlosen Berechtigungen nach Maßgabe der Grundsätze des Artikels 10a … der Richtlinie [2003/87] … und des Beschlusses [2011/278] …

(6)   Die endgültige Zuteilungsmenge für die Anlage entspricht dem Produkt aus der nach den Absätzen 1 bis 5 berechneten vorläufigen Zuteilungsmenge für die Anlage und dem von der Europäischen Kommission gemäß Artikel 15 Absatz 3 der einheitlichen EU-Zuteilungsregeln festgesetzten sektorübergreifenden Korrekturfaktor. Bei der Zuteilung für die Wärmeerzeugung bei Stromerzeugern wird statt des in Satz 1 genannten Korrekturfaktors der lineare Faktor gemäß Artikel 10a Absatz 4 der Richtlinie [2003/87] angewandt, ausgehend von der vorläufigen jährlichen Anzahl Berechtigungen, die dem betreffenden Stromerzeuger für das Jahr 2013 kostenlos zuzuteilen sind.“

8.

Nach Anhang 1 Teil 2 („Tätigkeiten“) Nr. 1 TEHG gehören zu den Anlagen, für deren Emissionen dieses Gesetz gilt, „Verbrennungseinheiten zur Verbrennung von Brennstoffen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von insgesamt 20 MW [Megawatt] oder mehr in einer Anlage, soweit nicht von einer der nachfolgenden Nummern erfasst“. In Anhang 1 Teil 2 Nrn. 2 bis 4 TEHG sind verschiedene Arten von „Anlagen zur Erzeugung von Strom, Dampf, Warmwasser, Prozesswärme oder erhitztem Abgas“ aufgeführt, deren Emissionen ebenfalls unter dieses Gesetz fallen.

9.

Nach Art. 2 Nr. 21 der Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Handelsperiode 2013 bis 2020 vom 26. September 2011 (BGBl. 2011 I S. 1921, im Folgenden: ZuV 2020) ist „Stromerzeuger“ jede „Anlage, die nach dem 31. Dezember 2004 Strom erzeugt und an Dritte verkauft hat und in der ausschließlich eine Tätigkeit gemäß Anhang 1 Teil 2 Nummer 1 bis 4 [TEHG] durchgeführt wird“.

10.

In Art. 2 Nrn. 29 und 30 ZuV 2020 sind die Begriffe „Zuteilungselement mit Prozessemissionen“ und „Zuteilungselement mit Wärme-Emissionswert“ in der gleichen Weise definiert wie die entsprechenden Begriffe „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ und „Anlagenteil mit Wärme-Emissionswert“ in Art. 3 Buchst. h und c des Beschlusses 2011/278. Art. 2 Nr. 29 Buchst. b ee ZuV 2020 entspricht Art. 3 Buchst. h Ziff. v des Beschlusses 2011/278.

III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

11.

ExxonMobil betrieb bis Ende 2013 in Steyerberg (Deutschland) eine Erdgasaufbereitungsanlage (im Folgenden: Anlage). Die Anlage bestand aus Erdgasentschwefelungs- und Erdgastrocknungsanlagen, Schwefelgewinnungsanlagen (sogenannte Claus-Anlage), Abgasreinigungsanlagen sowie Nebenanlagen. Letztere umfassten eine Dampfkesselanlage, eine Gasmotorenanlage, Notfallfackelanlagen und ein Dampfkondensationskraftwerk.

12.

Das Kraftwerk war an das öffentliche Stromnetz angebunden, und geringe Mengen von Strom wurden kontinuierlich an das Netz abgegeben, um dadurch bei Ausfall der Claus-Anlagen – was zum Wegfall von Dampfmengen führt – die kontinuierliche Stromversorgung sicherzustellen. Die Vorlageentscheidung enthält eine Bilanz der elektrischen Energie mit den Daten zu Erzeugung, Import, Export und Verbrauch von Strom in der Anlage für die Jahre 2005 bis 2010. Ausweislich dieser Bilanz war der Stromverbrauch der Anlage in manchen dieser Jahre höher als ihre Stromerzeugung.

13.

Am 24. Februar 2014 teilte die deutsche Emissionshandelsstelle (im Folgenden: DEHSt) ExxonMobil für die Zuteilungsperiode 2013–2020 insgesamt 1179523 Emissionsberechtigungen (der in den deutschen Bestimmungen verwendete Begriff „Berechtigung“ entspricht dem unionsrechtlichen Begriff „Zertifikat“) kostenlos zu. Die Zuteilung erfolgte zum Teil aufgrund der Anwendung der Wärme-Benchmark und zum Teil nach Brennstoff-Benchmark. Bei der Berechnung dieser Zuteilung war die Gefahr einer Verlagerung von CO2-Emissionen in dem betreffenden Sektor berücksichtigt worden. Die von ExxonMobil ebenfalls beantragte kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für Prozessemissionen lehnte die DEHSt ab. Am selben Tag hob die DEHSt den Zuteilungsbescheid mit Wirkung vom 1. Januar 2014 wegen der von ExxonMobil angezeigten Betriebseinstellung auf. Der Aufhebungsbescheid ist zwischen den Parteien nicht streitig.

14.

ExxonMobil erhob gegen den Zuteilungsbescheid vom 24. Februar 2014 Widerspruch. Diesen wies die DEHSt am 12. Februar 2016 zurück.

15.

Den Angaben der DEHSt in ihrem Bescheid vom 12. Februar 2016 zufolge betraf der Zuteilungsantrag für Prozessemissionen die Emissionen des naturbedingt im Erdgas enthaltenen CO2, die am Ende des in der Claus-Anlage ablaufenden Prozesses (im Folgenden: Claus-Prozess) entstanden. Bei dem Claus-Prozess handelte es sich um eine exotherme chemische Reaktion, in der Schwefelwasserstoff (H2S) in elementaren Schwefel umgewandelt wurde. Die bei dieser Reaktion anfallende Wärme wird durch Abhitzekessel aufgefangen und dann in der Anlage selbst genutzt. Für die Nutzung dieser Wärme wurden kostenlos Zertifikate nach Maßgabe der Wärme-Benchmark zugeteilt. Am Ende des Claus-Prozesses wurde das im Erdgas inhärent vorliegende CO2 über einen Kamin emittiert. Durch diesen Prozess entstand kein weiteres CO2.

16.

Die DEHSt befand, dass eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten nach Prozess-Benchmark für ein „Zuteilungselement mit Prozessemissionen“ gemäß § 2 Nr. 29 Buchst. b ee ZuV 2020, mit dem Art. 3 Buchst. h Ziff. v des Beschlusses 2011/278 in deutsches Recht umgesetzt wurde, nicht erfolgen könne. Die in diesen Bestimmungen vorgesehene Voraussetzung, dass die Emissionen aus der Verwendung eines kohlenstoffhaltigen Rohstoffs resultierten, sei nicht erfüllt. Die Emissionen des naturbedingt im Erdgas enthaltenen CO2 resultierten nicht aus dem Claus-Prozess, denn dieses CO2 nehme an der diesen Prozess kennzeichnenden chemischen Reaktion nicht teil und sei für diese auch nicht erforderlich. Nur das H2S bilde den zur Schwefelerzeugung genutzten Rohstoff, und das CO2 sei lediglich als dessen „Begleitgas“ anzusehen.

17.

Am 10. März 2016 erhob ExxonMobil Klage gegen den Bescheid über die Zurückweisung ihres Widerspruchs.

18.

In ihrer Klageschrift beschreibt sie zunächst die Tätigkeiten ihrer Anlage, die der Aufbereitung des aus natürlichen Lagerstätten geförderten Erdgases gedient habe. Das Erdgas (in dieser Form Sauergas genannt) habe sich aus H2S, Wasserdampf, Methan (CH4) und CO2 zusammengesetzt. In der Anlage sei dieses Gas entschwefelt und nach einer Trocknung in das Gasleitungsnetz eingespeist worden. Nach der während des Entschwefelungsprozesses erfolgten Trennung vom Erdgas seien das H2S und das CO2 in die Claus-Anlage geleitet worden, in der eine exotherme Umwandlung des H2S in Schwefel in zwei Schritten stattgefunden habe.

19.

Im ersten Schritt sei in einem Ofen etwa ein Drittel des H2S verbrannt und Schwefeldioxid (SO2) erzeugt worden. Dieses habe bereits in diesem Ofen teilweise mit dem vorhandenen H2S zu elementarem Schwefel und Wasser reagiert. Um den Oxidationsprozess aufrechtzuerhalten und den Prozess zu optimieren, sei dem Umwandlungsprozess über den Abhitzekessel Wärme in Form von Dampf entzogen worden. Das restliche H2S sei mit dem verbleibenden SO2 katalytisch zu elementarem Schwefel umgesetzt worden.

20.

Im zweiten Schritt sei in zwei bzw. drei aufeinanderfolgenden katalytischen Stufen bei einer exothermen Reaktion weiterer Schwefel gewonnen worden. In dem nach dieser Reaktion verbleibenden Gas, dem sogenannten Claus-Gas, hätten sich u. a. noch CO2 und Spuren von Schwefelverbindungen befunden. Das Claus-Gas sei dann der Claus-Anlage zur Entfernung dieser Schwefelverbindungen nachgeschalteten Abgasreinigungsanlage zugeführt und über den Kamin in die Atmosphäre geleitet worden.

21.

ExxonMobil vertritt sodann die Ansicht, sie habe einen Anspruch auf kostenlose Zuteilung für einen Anlagenteil mit Prozessemissionen, weil diese CO2-Emissionen aus der Verwendung eines CO2-haltigen Rohstoffs resultierten. Der Rohstoff für die Schwefelgewinnung sei nicht das H2S für sich genommen, sondern das Sauergas gewesen. Ohne die Verwendung des Sauergases im Claus-Prozess wäre es nicht zur Freisetzung des im Erdgas inhärenten CO2 in die Atmosphäre gekommen. Die Extraktion des CO2 aus dem Sauergas mittels dieses Prozesses sei zur Gewinnung von reinem Schwefel aus diesem Gas notwendig gewesen. Unschädlich sei, dass das CO2 bereits im Rohstoff vorhanden gewesen sei und nicht an der vorstehend beschriebenen chemischen Reaktion teilgenommen habe. Diese CO2-Emissionen hätten im Übrigen weder durch einen Brennstoffwechsel noch durch effizientere Techniken vermieden werden können.

22.

Des Weiteren stehe die Tatsache, dass für die in der Anlage als Nebeneffekt der den Claus-Prozess kennzeichnenden chemischen Reaktion erzeugte messbare Wärme eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten auf Basis eines Anlagenteils mit Wärme-Benchmark erfolgt sei, der begehrten zusätzlichen Zuteilung nicht entgegen. Der Gerichtshof habe zwar im Urteil Borealis u. a. ( 6 ) entschieden, dass die Zuteilung auf der Grundlage einer Produkt-Benchmark Vorrang vor den drei Fall-Back-Methoden – Zuteilung nach Wärme-Benchmark, nach Brennstoff-Benchmark und nach Prozessemissionen – habe, doch gebe es zwischen diesen drei Fall-Back-Methoden kein Rangverhältnis.

23.

Schließlich macht ExxonMobil geltend, das Ausgangsverfahren sei ein Pilotverfahren zur Klärung der Fragen der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die CO2-Emissionen, die im Rahmen des Claus-Prozesses, der auch in weiteren von ihr betriebenen Anlagen ablaufe, anfielen.

24.

In ihrer Klagebeantwortung wies die DEHSt erstmals darauf hin, dass die Herstellung von Schwefel keine emissionshandelspflichtige Tätigkeit sei. Ebenfalls zum ersten Mal äußerte sie die Ansicht, dass die Anlage ein „Stromerzeuger“ sei, da in ihr nach dem 31. Dezember 2004 Strom erzeugt und an Dritte verkauft und ausschließlich eine Tätigkeit gemäß Anhang 1 Teil 2 Nrn. 1 bis 4 TEHG durchgeführt worden sei. Die Anlage habe eine Zuteilung an Stromerzeuger beantragt und erhalten, die gemäß § 9 Abs. 6 ZuV 2020 anhand des für diese anwendbaren linearen Faktors gekürzt worden sei. Eine kostenlose Zuteilung für Stromerzeuger sei aber nur unter Beachtung der Vorgaben des Art. 10a der Richtlinie 2003/87 zulässig gewesen.

25.

Im Übrigen bekräftigt die DEHSt ihre Auffassung, dass eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für einen Anlagenteil mit Prozessemissionen nicht in Betracht komme, und tritt dem Vorbringen von ExxonMobil entgegen, die betreffenden Emissionen seien unvermeidbar gewesen. Sie macht zudem geltend, es gebe ein Vorrangverhältnis zwischen den Zuteilungselementen in dem Sinne, dass die Wärme-Benchmark der Brennstoff-Benchmark und den Prozessemissionen vorgehe.

26.

In diesem Zusammenhang führt das Verwaltungsgericht Berlin zunächst aus, dass die Entscheidung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren von der Frage abhänge, ob die Anlage als Stromerzeuger im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 einzustufen sei. Obwohl sich die Bejahung dieser Frage aus dem Wortlaut dieser Bestimmung zu ergeben scheine, sei fraglich, ob dieser mit einer solchen Antwort nicht eine weitere Reichweite verliehen werde, als Sinn und Zweck der Richtlinie es erforderten ( 7 ).

27.

Des Weiteren weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Einstufung der Anlage als Stromerzeuger grundsätzlich bedeuten würde, dass die kostenlose Zuteilung an sie zu Unrecht erfolgt wäre. Denn Stromerzeuger könnten Zertifikate kostenlos nur in den Fällen nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 erhalten, zu denen die in Rede stehenden Emissionen nicht gehörten. Es sei jedoch fraglich, ob diese Einschränkung auf der Grundlage der Definition des Begriffs „Anlagenteil mit Wärme-Benchmark“ in Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 überwunden werden könne, der eine derartige Einschränkung nicht enthalte.

28.

Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die aus dem Claus-Prozess resultierenden Emissionen zu einer kostenlosen Zuteilung für einen „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ im Sinne von Art. 3 Buchst. h dieses Beschlusses führen können. Da für die durch diesen Prozess erzeugte Wärme auch eine Zuteilung nach Wärme-Benchmark in Betracht komme, sei fraglich, ob einer dieser Zuteilungsarten Vorrang vor der anderen zukomme.

29.

Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht Berlin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist eine Anlage, die ein Produkt herstellt, dessen Herstellung nicht unter die in Anhang I der Richtlinie 2003/87 genannten Tätigkeiten fällt (wie hier: die Herstellung von Schwefel), und in der zugleich die gemäß Anhang I der Richtlinie 2003/87 emissionshandelspflichtige Tätigkeit „Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW“ ausgeübt wird, Stromerzeuger im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87, wenn in einer Nebeneinrichtung dieser Anlage auch Strom für die Anlage erzeugt wird und ein (geringer) Teil dieses Stroms in das öffentliche Stromnetz gegen Entgelt abgegeben wird?

2.

Wenn die erste Frage mit „ja“ beantwortet wird:

Falls eine in Frage 1 beschriebene Anlage Stromerzeuger im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 ist, kann diese Anlage eine Zuteilung für Wärme nach dem Beschluss 2011/278 auch dann erhalten, wenn die Wärme die Voraussetzungen des Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 erfüllt, aber nicht in die in Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3, Abs. 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 genannten Kategorien – Wärme aus Verbrennung von Restgasen zur Herstellung von Strom, Fernwärme und hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung – fällt?

3.

Wenn eine Zuteilung für die in der klägerischen Anlage produzierte Wärme nach der Beantwortung der ersten beiden Vorlagefragen in Betracht kommt:

Handelt es sich bei dem im Zusammenhang mit der Aufbereitung von Erdgas (in Form von Sauergas) im sogenannten Claus-Prozess durch die Abtrennung von im Erdgas inhärentem CO2 aus dem Gasgemisch in die Atmosphäre freigesetzten CO2 um solche Emissionen, die im Sinne von Art. 3 Buchst. h Satz 1 des Beschlusses 2011/278 aus dem unter Art. 3 Buchst. h Ziff. v genannten Prozess resultieren?

a)

Können im Sinne von Art. 3 Buchst. h Satz 1 des Beschlusses 2011/278 CO2-Emissionen aus einem Prozess „resultieren“, bei dem das im Rohstoff inhärente CO2 physikalisch aus dem Gasgemisch abgetrennt und in die Atmosphäre freigesetzt wird, ohne dass durch den hierbei stattfindenden Prozess daneben zusätzliches CO2 entsteht, oder setzt diese Vorschrift zwingend voraus, dass das in die Atmosphäre freigesetzte CO2 als Ergebnis des Prozesses erstmalig entsteht?

b)

Wird im Sinne von Art. 3 Buchst. h Ziff. v des Beschlusses 2011/278 ein kohlenstoffhaltiger Rohstoff „verwendet“, wenn beim Claus-Prozess das natürlich vorkommende Erdgas zur Schwefelherstellung eingesetzt wird und hierbei das im Erdgas inhärente CO2 in die Atmosphäre freigesetzt wird, ohne dass das im Erdgas inhärente CO2 an der im Prozess stattfindenden chemischen Reaktion teilnimmt, oder setzt der Begriff „Verwendung“ zwingend voraus, dass der Kohlenstoff an der stattfindenden chemischen Reaktion teilnimmt bzw. hierfür gar erforderlich ist?

4.

Für den Fall, dass die Frage 3 mit „ja“ beantwortet wird:

Wenn eine emissionshandelspflichtige Anlage sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bildung eines Anlagenteils mit Wärme-Benchmark als auch die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bildung eines Anlagenteils mit Prozessemissionen erfüllt, nach welcher Benchmark erfolgt die Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate? Geht ein Zuteilungsanspruch mit Wärme-Benchmark dem Zuteilungsanspruch für Prozessemissionen vor, oder ist der Zuteilungsanspruch für Prozessemissionen im Wege der Spezialität vorrangig gegenüber der Wärme-Benchmark und der Brennstoff-Benchmark?

30.

ExxonMobil, die deutsche Regierung und die Kommission haben vor dem Gerichtshof schriftliche Erklärungen abgegeben und waren in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2018 vertreten.

IV. Würdigung

A.   Einleitende Erwägungen

31.

Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird der Gerichtshof im Wesentlichen gefragt, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Anlage, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten nach Art. 10a der Richtlinie 2003/87 erhalten kann. Die relevanten tatsächlichen Gegebenheiten, die für diese Anlage kennzeichnend sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

32.

Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung ( 8 ) wurde in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anlage u. a. eine Tätigkeit durchgeführt, die darin bestand, mittels des Claus-Prozesses den Schwefel zu gewinnen, der in Form von H2S in dem den Lagerstätten entnommenen Sauergas enthalten war ( 9 ). Dieser Prozess wurde durch Verbrennung eines Teils des Sauergases eingeleitet, die eine chemische Reaktion auslöste, bei der Wärme frei wurde, die dann in der Anlage genutzt wurde. In einer Nebeneinrichtung erzeugte die Anlage Strom ( 10 ). Obwohl der so erzeugte Strom hauptsächlich für ihre eigene Versorgung bestimmt war, speiste die Anlage ständig geringe Mengen gegen Entgelt in das öffentliche Netz ein. Diese Einspeisung sollte die kontinuierliche Versorgung der Anlage mit Strom sicherstellen. Durch den Claus-Prozess wurde das naturbedingt im Sauergas vorliegende CO2 vom H2S getrennt. Dieses CO2 wurde nach Durchleitung durch die Claus-Anlage sowie durch die dieser nachgeschalteten Anlagen zur Abgasreinigung und – wie sich vorbehaltlich von Überprüfungen durch das vorlegende Gericht aus der dem Gerichtshof von diesem Gericht übermittelten Akte und aus den Erklärungen der deutschen Regierung ergibt – zur Nachverbrennung in die Atmosphäre freigesetzt. Durch den Claus-Prozess entstand kein weiteres CO2.

33.

Der Anlage wurden für einen „Anlagenteil mit Wärme-Benchmark“ im Sinne von Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 kostenlos Zertifikate für die bei diesem Prozess erzeugte messbare Wärme zugeteilt ( 11 ). Dagegen wurde ihr die beantragte kostenlose Zuteilung zusätzlicher Zertifikate für einen „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ im Sinne von Art. 3 Buchst. h des Beschlusses 2011/278 nicht gewährt. Nach Ansicht von ExxonMobil genügt die nach der Wärme-Benchmark berechnete Zuteilung nicht, um den unvermeidbaren Emissionen des in dem Sauergas enthaltenen CO2 Rechnung zu tragen, für die sie Zertifikate habe abgeben müssen ( 12 ).

34.

Die Klage im Ausgangsverfahren richtet sich gegen den Bescheid, mit dem die DEHSt diesen Antrag abgelehnt hatte. Die von der DEHSt in ihrer Klagebeantwortung angeführten Argumente wecken jedoch auch Zweifel, ob die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an die Anlage zu Recht erfolgt ist.

35.

In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht mit der ersten und der zweiten Frage wissen, ob der Anlage jede kostenlose Zuteilung von Zertifikaten versagt werden muss, weil sie Strom an das öffentliche Netz verkauft hat. Für den Fall der Verneinung legt dieses Gericht dem Gerichtshof die dritte und die vierte Frage vor, um bestimmen zu können, ob die Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2 eine kostenlose Zuteilung für einen „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ begründen können.

36.

Wie aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen vor dem Gerichtshof deutlich geworden ist, hängen die Problemstellungen im Ausgangsverfahren als auch die Sachdienlichkeit der Antworten auf die Vorlagefragen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits in erster Linie davon ab, ob die Richtlinie 2003/87 für diese Emissionen gilt.

37.

Hierzu macht die Kommission, insoweit in der Sitzung von ExxonMobil unterstützt, im Wesentlichen geltend, dass die Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2, auf die sich der Antrag auf zusätzliche kostenlose Zertifikate bezieht, nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fielen. Daher unterlägen sie weder einer Berichts- und Überwachungspflicht noch einer Abgabepflicht, so dass die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für diese Emissionen von vornherein ausgeschlossen sei. Dagegen meint die deutsche Regierung, da das Sauergas als Brennstoff im Rahmen der Tätigkeiten der Anlage gedient habe, unterliege das gesamte in diesem Brennstoff enthaltene und am Ende dieser Tätigkeiten freigesetzte CO2 dem System für den Zertifikatehandel. Aus den im Folgenden darzulegenden Gründen schließe ich mich dieser Auffassung an.

B.   Zur Geltung der Richtlinie 2003/87 für die Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2

38.

Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2003/87 für die Emissionen aus den in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten und die Emissionen der in Anhang II aufgeführten Treibhausgase, darunter CO2. In Nr. 6 des Anhangs I dieser Richtlinie ist u. a. die „Verbrennung von Brennstoffen in Anlagen mit einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von über 20 MW“ aufgeführt.

39.

Im vorliegenden Fall können die von der Anlage ausgehenden Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2 nur insoweit in den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87 fallen, als sie aus einer Tätigkeit dieser Art stammten. Unstreitig wurde in der Anlage keine andere in Anhang I dieser Richtlinie genannte Tätigkeit durchgeführt, in dem weder die Schwefelgewinnung noch die Erdgasaufbereitung genannt ist.

40.

Der Begriff „Verbrennung von Brennstoffen“ in Anhang I Nr. 6 der Richtlinie 2003/87 ist im Licht von Art. 3 Buchst. t dieser Richtlinie zu verstehen. Nach dieser Bestimmung bezeichnet der Ausdruck „‚Verbrennung‘ die Oxidierung von Brennstoffen ungeachtet der Art und Weise, auf welche die Wärme, der Strom oder die mechanische Arbeit, die in diesem Verfahren erzeugt werden, genutzt wird, sowie alle sonstigen unmittelbar damit zusammenhängenden Tätigkeiten einschließlich der Abgasreinigung“.

41.

Diese Definition erfasst meines Erachtens die Wärme erzeugende Oxidationsreaktion, der das H2S während des Claus-Prozesses ausgesetzt wurde. Sie würde auch den Prozess der Nachverbrennung der Restgase aus der Claus-Anlage, zu denen das naturbedingt im Sauergas enthaltene CO2 gehörte, umfassen, wie er in der dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akte und in den Erklärungen der deutschen Regierung beschrieben wird.

42.

Da dieses CO2 nach Durchleitung durch die Claus-Anlage und, vorbehaltlich von Überprüfungen durch das vorlegende Gericht, durch die Nachverbrennungseinrichtungen, in denen diese Prozesse abliefen, emittiert wurde, resultierten diese Emissionen meines Erachtens aus Verbrennungstätigkeiten im Sinne von Anhang I Nr. 6 der Richtlinie 2003/87 ( 13 ) im Licht ihres Art. 3 Buchst. t.

43.

Diese Schlussfolgerung wird, als Erstes, nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Prozesse nur nebenbei der Stromerzeugung dienten, während ihr Hauptzweck die Gewinnung des im Sauergas enthaltenen Schwefels und die Reinigung dieses Gases vor seiner Freisetzung in die Atmosphäre war.

44.

Wie sich hierzu aus den Vorarbeiten zu der Richtlinie 2009/29/EG ( 14 ), mit der Art. 3 Buchst. t in die Richtlinie 2003/87 eingefügt wurde, ergibt, sollte dem Begriff „Verbrennung“ mit dieser Einfügung eine weite Bedeutung gegeben werden. Dieser Begriff sollte jede Oxidation von Brennstoffen erfassen, ungeachtet ihres Zwecks und unabhängig davon, ob sie die Erzeugung von Energie für Dritte zum Ziel haben oder ob sie Teil eines Herstellungsprozesses innerhalb der betreffenden Anlage sind ( 15 ).

45.

Anhang I Nr. 3 der Richtlinie 2003/87 spiegelt die diesem Begriff beigemessene weite Bedeutung wider, wenn es dort heißt, dass zu den Einheiten, in denen Verbrennungstätigkeiten stattfinden, u. a. „alle Arten von Heizkesseln, Brennern, Turbinen, Erhitzern, Industrieöfen, Verbrennungsöfen, Kalzinierungsöfen, Brennöfen, Öfen, Trocknern, Motoren, Brennstoffzellen, CLC‑Einheiten (‚Chemical Looping Combustion Units‘), Fackeln und thermischen oder katalytischen Nachbrennern“ gehören. Einige dieser Einrichtungen, insbesondere Fackeln und bestimmte Nachbrenner, haben nicht die Lieferung von Energie zum Ziel ( 16 ).

46.

Als Zweites können die in Rede stehenden Emissionen dem Geltungsbereich dieser Richtlinie nicht deshalb entzogen sein, weil das in die Atmosphäre freigesetzte CO2, im Sauergas bereits bei dessen Extraktion enthalten war und nicht selbst aus einer bei den Tätigkeiten der Anlage ausgelösten Oxidationsreaktion resultierten ( 17 ).

47.

Art. 3 Buchst. t der Richtlinie 2003/87 beschränkt den Begriff „Verbrennung“ nämlich nicht auf die Oxidationsreaktionen, bei denen ein in Anhang II dieser Richtlinie aufgeführtes Treibhausgas entsteht. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung genügt die Oxidierung eines beliebigen Bestandteils des Brennstoffs. Ebenso macht Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie deren Geltung nicht von der Voraussetzung abhängig, dass das emittierte CO2 selbst aus einer der in ihrem Anhang I genannten Tätigkeit resultiert. Allein die Emissionen dieses Treibhausgases und nicht dieses Gas selbst müssen aus einer solchen Tätigkeit resultieren ( 18 ).

48.

Wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, liegt dieses Verständnis Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 601/2012 der Kommission über die Überwachung von und die Berichterstattung über Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie [2003/87] zugrunde ( 19 ). Nach dieser Bestimmung sind die Emissionen des „[i]nhärente[n] CO2“ – in Art. 3 Nr. 40 dieser Verordnung definiert als „CO2, das Teil eines Brennstoffs ist“ – in den Emissionsfaktor für diesen Brennstoff einzubeziehen. Zudem wird in Art. 48 Abs. 1 dieser Verordnung auf das in Erdgas enthaltene inhärente CO2 Bezug genommen.

49.

In diesem Sinne führt die Kommission in dem Dokument „Frequently Asked Questions Regarding Monitoring and Reporting in the EU ETS“ ( 20 ) aus, dass die mit der Erdgasaufbereitung zusammenhängenden CO2-Emissionen den Pflichten aus dem System für den Zertifikatehandel unterliegen, soweit das emittierte CO2 zu irgendeinem Zeitpunkt der Reinigungsprozesse in einen Verbrennungsprozess eingebracht wird. Diese Emissionen müssen demnach als inhärente CO2-Emissionen gemäß Art. 48 der Verordnung Nr. 601/2012 mitgeteilt und überwacht werden. Die Kommission nennt dort als Beispiel die Claus-Anlage ( 21 ). Auch wenn dieses Dokument rechtlich nicht bindend ist, stellen die in ihm enthaltenen Hinweise meines Erachtens doch als Kontextelemente Anhaltspunkte für die Klärung der Auslegung der Richtlinie 2003/87 und der Verordnung Nr. 601/2012 dar ( 22 ).

50.

Aufgrund dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die am Ende des Claus-Prozesses entstehenden Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, Emissionen aus einer Tätigkeit der „Verbrennung von Brennstoffen“ im Sinne des Anhangs I Nr. 6 in Verbindung mit Art. 3 Buchst. t der Richtlinie 2003/87 sind. Mithin fallen diese Emissionen in den Geltungsbereich dieser Richtlinie, wie er in ihrem Art. 2 Abs. 1 definiert ist.

C.   Zum Begriff „Stromerzeuger“ (erste Frage)

51.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anlage ein „Stromerzeuger“ im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 ist, soweit sie im Rahmen ihrer Tätigkeit der „Verbrennung von Brennstoffen … mit einer [L]eistung von über 20 MW“ im Sinne von Anhang I Nr. 6 dieser Richtlinie Strom erzeugt hat. Im Einzelnen fragt es, ob dies angesichts dessen der Fall ist, dass erstens die Anlage zugleich eine Tätigkeit der Herstellung eines Produkts durchführte, die nicht unter eine der in diesem Anhang aufgeführten Tätigkeiten fällt, und dass zweitens der erzeugte Strom für den Eigenbedarf der Anlage genutzt und nur ein geringer Teil dieses Stroms gegen Entgelt in das öffentliche Netz abgegeben wurde, an das die Anlage aus technischen Gründen kontinuierlich angeschlossen sein musste.

52.

Nach einer Analyse des Wortlauts und der Ziele von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 sowie der allgemeinen Systematik dieser Richtlinie und der Entstehungsgeschichte der genannten Bestimmung ( 23 ) werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, diese Frage zu bejahen.

1. Grammatikalische Auslegung

53.

Nach Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 setzt die Eigenschaft als Stromerzeuger als Erstes voraus, dass die Anlage „am 1. Januar 2005 oder danach Strom zum Verkauf an Dritte erzeugt hat“. Als Zweites dürfen in dieser Anlage „keine anderen Tätigkeiten gemäß Anhang I als die ‚Verbrennung von Brennstoffen‘ durchgeführt werden“.

54.

Nach grammatikalischer Auslegung ist das zweite in Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 vorgesehene Kriterium in der in der ersten Frage angesprochenen Situation erfüllt, die eine Anlage betrifft, in der neben einer Verbrennungstätigkeit nur eine nicht in Anhang I dieser Richtlinie genannte Tätigkeit durchgeführt wird.

55.

Wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, entspricht dieses Verständnis dem in dem von der Kommission veröffentlichten Dokument „Guidance paper to identify electricity generators“ (im Folgenden: Leitfaden zur Einstufung von Stromerzeugern) ( 24 ). Dort heißt es, dass eine Anlage, die neben einer Verbrennungstätigkeit eine nicht in diesem Anhang genannte Tätigkeit durchführt, das vorgenannte Kriterium erfüllt. Dies soll auch dann der Fall sein, wenn der Strom für den Eigenverbrauch der Anlage zum Zweck der Durchführung der letztgenannten Tätigkeit erzeugt wird. Obwohl dieses Dokument nicht bindend ist, liefert es doch Anhaltspunkte für die Klärung der Bedeutung des Begriffs „Stromerzeuger“ im Licht der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2003/87 und des Beschlusses 2011/278 ( 25 ).

56.

Was das erste in Art. 3 Buchst. u dieser Richtlinie genannte Kriterium angeht, kann der Ausdruck „zum Verkauf an Dritte“ nahelegen, dass der Strom, wie ExxonMobil vorgetragen hat, nicht einfach an Dritte verkauft, sondern gerade zum Zweck eines solchen Verkaufs erzeugt werden muss. Wie dem auch sei, nichts im Wortlaut dieser Bestimmung deutet darauf hin, dass der Verkauf an Dritte das ausschließliche oder zumindest das hauptsächliche Ziel der Stromerzeugung sein müsste. Daher ist auf der Grundlage dieses Wortlauts, wie die deutsche Regierung und die Kommission vortragen, dieses Kriterium erfüllt, wenn wie im vorliegenden Fall eine Anlage Strom für ihre eigene Versorgung erzeugt und zugleich plant, einen, und sei es sehr geringen Teil dieses Stroms in das Netz einzuspeisen

57.

Dieses Verständnis ergibt sich auch aus dem Leitfaden zur Einstufung von Stromerzeugern, in dem es heißt, dass Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 keinen Schwellenwert für den Verkauf vorsieht, ab dem eine Anlage als Stromerzeuger eingestuft werden kann. Nach diesem Dokument hängt diese Einstufung auch nicht davon ab, dass der Strom in der Absicht erzeugt wird, ihn an Dritte zu verkaufen ( 26 ).

58.

Ich füge hinzu, dass diese Bestimmung auch nicht verlangt, dass der Strom kontinuierlich erzeugt und verkauft wird. Mit ihr wird eine klare Regel aufgestellt, wonach die Eigenschaft als Stromerzeuger dann vorliegt, wenn die Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt ab 1. Januar 2005 Strom zum Verkauf an Dritte erzeugt hat, unabhängig von jeder zeitlichen Schwankung des Verhältnisses zwischen der Menge des verkauften und der des für den Eigenbedarf der Anlage erzeugten Stroms.

59.

Folglich ist nach einer grammatikalischen Auslegung von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 eine Anlage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Stromerzeuger einzustufen. Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob diese Auslegung nicht, wie ExxonMobil geltend macht, dazu führt, dass der Kreis der Stromerzeuger über die Anlagen hinaus erweitert wird, denen der Gesetzgeber diese Eigenschaft zuerkennen wollte. Diese Auslegung gehe demnach über das hinaus, was zur Erreichung des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels erforderlich sei.

2. Teleologische und systematische Auslegung

60.

Wie sich insbesondere aus Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ergibt, folgt aus der Einstufung einer Anlage als Stromerzeuger, dass für sie der Grundsatz der vollständigen Versteigerung der Zertifikate gilt ( 27 ). Kostenlose Zertifikate können Stromerzeugern nämlich nur unter engen Voraussetzungen zugeteilt werden, deren genauere Bestimmung Gegenstand der zweiten Vorlagefrage ist ( 28 ).

61.

Wie ExxonMobil insoweit zu Recht ausführt, zeigt der 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29, mit der Art. 3 Buchst. u und Art. 10a der Richtlinie 2003/87 in diese eingefügt wurden, dass diese Beschränkung der kostenlosen Zuteilung als Reaktion auf die Beobachtung einer Tendenz der Anlagen des „Stromsektors“ zur Abwälzung der mit dem Zertifikateerwerb verbundenen Kosten auf den Strompreis eingeführt wurden. Diese bezogen überdies den wirtschaftlichen Wert der kostenlosen Zertifikate als „Opportunitätskosten“ in diese Preise ein und erzielten so „Zufallsgewinne“ ( 29 ).

62.

Nach Ansicht von ExxonMobil ist die Eigenschaft einer Anlage als Stromerzeuger folglich unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeit zu beurteilen, ihre CO2-Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen. Die hier betroffene Anlage verfüge aber nicht über eine solche Fähigkeit. Auf derselben Linie neigt auch das vorlegende Gericht zu der Annahme, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung der oben genannten Bestimmungen nur die Anlagen des „klassischen Stromsektors“ habe erfassen wollen ( 30 ), zu denen die im Ausgangsverfahren betroffene Anlage nicht gehöre.

63.

Mit dieser Sichtweise neigt das vorlegende Gericht dem Standpunkt von ExxonMobil zu, wonach das in Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 genannte zweite Kriterium verlange, dass die Anlage keine andere Tätigkeit – sei sie in Anhang I dieser Richtlinie genannt oder nicht – als die Verbrennungstätigkeit durchführe ( 31 ). Der Begriff „Stromerzeuger“ schließe Anlagen nicht ein, die neben einer Verbrennungstätigkeit eine nicht von diesem Anhang erfasste Tätigkeit – wie im vorliegenden Fall die Schwefelgewinnung – durchführe.

64.

Überdies hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob, wie ExxonMobil geltend gemacht hat, das in dieser Bestimmung vorgesehene erste Kriterium verlangt, dass der Strom „hauptsächlich“ zum Verkauf an Dritte erzeugt wird. Dies sei hier nicht der Fall, da der Strom zur Eigenversorgung der Anlage erzeugt worden sei, während die geringfügige Stromlieferung in das öffentliche Netz allein technische Gründe gehabt habe.

65.

ExxonMobil hat hierzu ausgeführt, dass diese Einspeisung der Synchronisierung von Frequenz und Spannung des eigenerzeugten Stroms und des öffentlichen Stromnetzes habe dienen sollen. Ohne diese Synchronisierung hätte es bei dem zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit nötigen Übergang vom Inselbetrieb in den gekoppelten Netzbetrieb zu schädlichen Frequenz- und Spannungsschwankungen kommen können. Die in der Vorlageentscheidung enthaltene Strombilanz zeige den marginalen Charakter des Stromverkaufs an Dritte.

66.

Meines Erachtens entbehrt das Vorbringen, dass die Anlagen, die einen Teil des von ihnen hauptsächlich für die Zwecke ihrer nicht in Anhang I der Richtlinie 2003/87 genannten Tätigkeit erzeugten Stroms an Dritte verkauft hätten, nicht immer in der Lage seien, einen signifikanten Teil der Kosten der Zertifikate, die sie hätten abgeben müssen, auf diese Dritten abzuwälzen, nicht der Grundlage. Diese Möglichkeit hängt, wie mir scheint, zumindest zum Teil davon ab, in welchem Verhältnis die Menge des an Dritte gelieferten Stroms zur Gesamtheit des Stroms und der Wärme steht, die in der Anlage erzeugt werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige dieser Anlagen wegen des marginalen Charakters des Stromverkaufs an Dritte im Verhältnis zu ihrer Gesamtproduktion von Strom und Wärme, insbesondere wenn die Stromlieferung an Dritte aus technischen Gründen erfolgte ( 32 ), einen erheblichen Teil der mit ihren Tätigkeiten verbundenen CO2-Kosten nicht auf ihre Preise abwälzen konnten.

67.

Diese Überlegungen rechtfertigen jedoch kein vom Wortlaut von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 abweichendes Verständnis dieser Bestimmung.

68.

Als Erstes muss diese Bestimmung, wie die Kommission ausgeführt hat, im Licht der allgemeinen Systematik und Zielsetzung der in Art. 10a dieser Richtlinie vorgesehenen Regelung der kostenlosen Zuteilung gesehen werden.

69.

Hierzu weise ich erstens darauf hin, dass mit dieser Regelung vom Grundsatz der Versteigerung von Zertifikaten ( 33 ) abgewichen wird, die der Gesetzgeber als das nach allgemeiner Auffassung „einfachste und … wirtschaftlich effizienteste System“ ( 34 ) im Hinblick auf das in Art. 1 der Richtlinie 2003/87 genannte Ziel einer „auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise [erfolgenden] Verringerung von Treibhausgasemissionen“ angesehen hat. Diese Abweichung stellt nur eine Übergangslösung dar, mit der verhindert werden soll, dass die Unternehmen bis zur Einführung eines Systems der Versteigerung der Gesamtheit der Zertifikate an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen ( 35 ). So wird seit dem Jahr 2013 die Zahl der kostenlos zugeteilten Zertifikate jährlich im Hinblick auf ihre ursprünglich vorgesehene Abschaffung im Jahr 2027 reduziert ( 36 ). In Begleitung dieses Prozesses trägt jede Einschränkung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten zur schrittweisen Verwirklichung des vom Gesetzgeber gewollten Systems der vollständigen Versteigerung der Zertifikate bei. Wie die Kommission geltend gemacht hat, spricht diese Erwägung für eine weite Auslegung der Bestimmungen, mit denen die kostenlose Zuteilung eingeschränkt wird und zu denen Art. 3 Buchst. u dieser Richtlinie mit der Definition des Begriffs „Stromerzeuger“ gehört.

70.

Zweitens ist die Abgrenzung des Kreises der Stromerzeuger nach Art. 10a der Richtlinie 2003/87 von entscheidender Bedeutung für die Berechnung der kostenlosen Zuteilung nicht nur an die dazu gehörenden, sondern auch an die anderen Anlagen (gewöhnlich bezeichnet als „Industrieanlagen“ ( 37 )). Wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, wirkt sich diese Abgrenzung auf die Berechnung des einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktors durch die Kommission aus, dessen Anwendung auf die jeder Industrieanlage jährlich vorläufig kostenlos zugeteilten Zertifikate die endgültige jährliche Zuteilung an diese Anlage bestimmt ( 38 ). Diese Feststellung unterstreicht die Notwendigkeit klarer Regeln, die es erlauben, mit einem hinreichenden Grad an Sicherheit und Vorhersehbarkeit die Anlagen zu bestimmen, die der Definition in Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 entsprechen.

71.

Wie die Kommission geltend gemacht hat, hätte sich aber nicht mit Sicherheit feststellen lassen, ob eine Anlage Stromerzeuger ist, wenn diese Einstufung davon abhängig gemacht worden wäre, dass sie keinerlei andere Tätigkeit als die Erzeugung von Strom durchführt oder dass der Verkauf an Dritte der „Hauptzweck“ der Stromerzeugung ist. Insbesondere wäre eine solche Sichtweise, wie auch die deutsche Regierung ausgeführt hat, eine Quelle von Unsicherheit, da der Gesetzgeber keinen Schwellenwert festgelegt hat, anhand dessen sich feststellen lässt, ob die Stromerzeugung Haupt- oder Nebenzweck ist, und der so die Bestimmung der Anlagen erlaubt, die zum „klassischen Stromsektor“ gehören ( 39 ).

72.

Als Zweites verhindert die grammatikalische Auslegung von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 nicht, dass die Bestimmung im Einklang mit den Normen des Primärrechts und insbesondere mit dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung steht ( 40 ).

73.

Das vorlegende Gericht und ExxonMobil haben hierzu ausgeführt, dass diese Auslegung auf eine Ungleichbehandlung der Anlagen, die eine Verbrennungstätigkeit und eine weitere in Anhang I genannte Tätigkeit durchführen, gegenüber den Anlagen, die neben der Verbrennungstätigkeit eine nicht in diesem Anhang genannte Tätigkeit durchführen, hinauslaufe. Meines Erachtens bewirkt eine solche Ungleichbehandlung entgegen dem Vorbringen von ExxonMobil keine Diskriminierung.

74.

Grundsätzlich befinden sich diese beiden Kategorien von Anlagen meiner Ansicht nach im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Systems für den Zertifikatehandel nicht in einer objektiv vergleichbaren Lage. Wie die Kommission ausgeführt hat, unterliegen die Anlagen der zweiten Kategorie diesem System nur für die aus ihrer Verbrennungstätigkeit resultierenden Emissionen. Dagegen unterliegen die Anlagen der ersten Kategorie diesem System für ihre gesamten Emissionen unabhängig davon, ob diese aus einer Verbrennungstätigkeit resultieren oder nicht.

75.

Insoweit ergibt sich aus den Vorarbeiten zur Richtlinie 2009/29, dass mit der Aufnahme anderer Tätigkeiten als „Verbrennungstätigkeiten“ in Anhang I der Richtlinie 2003/87 bestimmte Emissionen, die sogenannten „Prozessemissionen“, die nicht aus einem Prozess der „Verbrennung“ – selbst in einem weiten Sinne –, sondern aus bestimmten industriellen Prozessen stammen, in deren Geltungsbereich einbezogen werden sollten ( 41 ). Die einzelnen dort aufgeführten Tätigkeiten wurden vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Bedeutung der mit ihnen einhergehenden Prozessemissionen aufgenommen ( 42 ).

76.

Jedenfalls erschiene mir selbst dann, wenn die Situation einer Anlage wie der im Ausgangsverfahren objektiv vergleichbar mit der einer Anlage sein sollte, die neben ihrer Verbrennungstätigkeit eine in Anhang 1 der Richtlinie 2003/87 genannte Tätigkeit durchführt ( 43 ), die Ungleichbehandlung dieser Anlagen gerechtfertigt.

77.

Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat ( 44 ), verfügte der Gesetzgeber über ein weites Ermessen zur Schaffung und Umstrukturierung des vom System für den Zertifikatehandel gebildeten „komplexen Systems“, was politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet, denen komplexe Beurteilungen und Prüfungen zugrunde liegen. Er durfte einen schrittweisen Lösungsansatz zugrunde legen und insbesondere entsprechend der erworbenen Erfahrung vorgehen. Dem Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. ( 45 ) zufolge musste diese Entscheidung jedoch auf objektive und im Verhältnis zum verfolgten Ziel angemessene Kriterien gestützt sein und durfte nicht zu Ergebnissen führen, die offenkundig weniger angemessen als die Ergebnisse aufgrund anderer ebenfalls geeigneter Maßnahmen sind.

78.

Der Beschränkung der kostenlosen Zuteilung auf die Stromerzeuger liegt gerade ein schrittweiser Lösungsansatz zugrunde, mit dem nach und nach das System der vollständigen Versteigerung der kostenlosen Zertifikate verwirklicht werden soll. In diesem Kontext hat der Gesetzgeber entschieden, die Stromerzeuger angesichts der objektiven Feststellung, dass die mit ihren Tätigkeiten verbundenen CO2-Kosten in der Regel auf die Strompreise abgewälzt werden können, ab dem Jahr 2013 dem Grundsatz der vollständigen Versteigerung zu unterwerfen. Ferner hat er es für notwendig erachtet, den Kreis der Stromerzeuger anhand von klar definierten Kriterien abzugrenzen, insbesondere unter Berücksichtigung der strukturellen Bedeutung dieser Abgrenzung für die Architektur des Systems für den Zertifikatehandel ( 46 ).

79.

Meines Erachtens folgt aus der grammatikalischen Auslegung von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 nicht, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Ermessensspielraum mit der Definition des Begriffs „Stromerzeuger“ anhand der dort zur Erreichung dieser Ziele genannten Kriterien überschritten hätte. Dies gilt auch dann, wenn einige dieser Definition entsprechende Anlagen einzeln betrachtet gegebenenfalls nicht in der Lage gewesen sein sollten, einen signifikanten Teil der mit ihren Tätigkeiten verbundenen Zertifikatekosten auf ihre Kunden abzuwälzen ( 47 ).

80.

Die Verhältnismäßigkeit dieser Entscheidung des Gesetzgebers ergibt sich auch daraus, dass die Einstufung als Stromerzeuger die Anlagen nicht von jeder kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten ausschließt, da sie unter bestimmten Voraussetzungen, die zu einer verstärkten Energieeffizienz anhalten sollen, weiter hierfür in Betracht kommen ( 48 ).

81.

Zudem schließe ich mich nicht dem Vorbringen von ExxonMobil an, die Einstufung der Anlagen, die nebenbei Strom für den Bedarf ihrer hauptsächlichen, nicht in Anhang I der Richtlinie 2003/87 genannten Produktionstätigkeit erzeugten, als Stromerzeuger laufe auf eine Diskriminierung dieser Anlagen gegenüber denjenigen hinaus, die sich den hierfür nötigen Strom bei Dritten beschafften. Gegenüber diesem Vorbringen genügt die Feststellung, dass die Anlagen, die ihren eigenen Strom für ihre nicht in diesem Anhang genannte Tätigkeit erzeugen, nicht schon deshalb als Stromerzeuger einzustufen sind. Sie müssen darüber hinaus einen Teil dieses Stroms an Dritte verkaufen, was ein objektives und nicht diskriminierendes Kriterium darstellt.

82.

Als Drittes kann entgegen dem Vorbringen von ExxonMobil die Einstufung einer Anlage wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als Stromerzeuger nicht wegen eines vermeintlichen Widerspruchs zwischen dieser Einstufung und der Aufnahme des Sektors der Erdgasgewinnung in die Liste der Sektoren bzw. Teilsektoren, in denen ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht ( 49 ), im Anhang des Beschlusses 2010/2/EU ( 50 ) in Frage gestellt werden. Nach Ansicht von ExxonMobil gehört die betreffende Anlage nicht zum Stromsektor, der wegen seiner Fähigkeit, die Zertifikatekosten auf seine Kunden abzuwälzen, nicht den Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der Anwendung des Systems für den Zertifikatehandel ausgesetzt sei. Der Sektor, zu dem sie gehöre – Gewinnung von Erdgas –, sei im Gegensatz dazu durch das Bestehen solcher Verzerrungen gekennzeichnet, die mit einem erheblichen Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen einhergingen, da dieser Sektor die CO2-Kosten nicht auf seine Preise abwälzen könne.

83.

Auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheint, dass ein und dieselbe Anlage zugleich zu einem Sektor gehört, der zur Abwälzung der Zertifikatekosten auf die Preise in der Lage ist, und zu einem Sektor, der dies offenkundig nicht kann, ist dieser Widerspruch doch meines Erachtens nur ein scheinbarer. Die Einstufung eines Sektors bzw. Teilsektors unter diejenigen, die einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, verlangt nämlich, dass das Fehlen einer solchen Fähigkeit anhand einer Gesamtwürdigung aller Tätigkeiten der zu ihm gehörenden Anlagen dargetan wird ( 51 ). Diese Einstufung setzt nicht voraus, dass jede dieser Anlagen nicht in der Lage ist, die mit ihren Tätigkeiten verbundenen Zertifikatekosten abzuwälzen, auch wenn sie Strom erzeugt, der zumindest zum Teil für den Verkauf an Dritte bestimmt ist.

84.

Demgemäß geht aus Art. 10a Abs. 12 der Richtlinie 2003/87 in Verbindung mit den Abs. 1 und 3 dieses Artikels hervor, dass die Aufnahme eines Sektors bzw. Teilsektors in den Anhang des Beschlusses 2010/2 die dazu gehörenden Anlagen nicht von der Anwendung des Grundsatzes ausnimmt, dass nach Abs. 1 Unterabs. 3 dieses Artikels für die Stromerzeugung keine kostenlose Zuteilung erfolgt (von bestimmten Ausnahmen abgesehen), unabhängig davon, ob diese Anlagen Stromerzeuger sind oder nicht. Ebenso wenig stellt diese Aufnahme die Anlagen, die Stromerzeuger sind, von den damit gemäß Abs. 3 dieses Artikels verbundenen Folgen frei ( 52 ).

85.

Somit hat nach Abs. 10a Abs. 12 der Richtlinie 2003/87 die Zugehörigkeit einer Anlage zu einem Sektor bzw. Teilsektor, in dem ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, hinsichtlich der Zuteilung nach diesem Artikel nur zur Folge, dass auf ihre historischen Aktivitätsdaten, die für die Berechnung der vorläufigen kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten zu berücksichtigen sind, der „Risikoverlagerungsfaktor“ angewandt wird, was eine höhere vorläufige Zuteilung erlaubt ( 53 ). Diese Zugehörigkeit erfordert nicht, dass bei diesen Daten diejenigen betreffend die Stromerzeugung rechnerisch berücksichtigt werden, die nach Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Richtlinie hiervon ausgeschlossen werden müssen ( 54 ). Hinsichtlich der Stromerzeuger bewirkt sie auch nicht, dass die Daten über ihre Wärmeerzeugung über das, was in Art. 10a Abs. 3 dieser Richtlinie vorgesehen ist, hinaus in deren historische Aktivitätsdaten einbezogen werden ( 55 ).

86.

Als Viertes bestätigt die Entstehungsgeschichte von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 dessen grammatikalische Auslegung. Die Vorarbeiten zur Richtlinie 2009/29 zeigen nämlich, dass der Gesetzgeber einen Wortlaut gewählt hat, der dem Begriff „Stromerzeuger“ eine weite Bedeutung verleiht, entgegen einer vom Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Europäischen Parlaments im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen restriktiveren Formulierung. Dieser Ausschuss hatte einen von der deutschen Regierung angeführten Änderungsvorschlag vorgelegt, wonach nur solche Anlagen als Stromerzeuger eingestuft werden sollten, „die hauptsächlich die öffentlichen Stromnetze beliefer[n]“ ( 56 ). Dass es bei einem Vorschlag geblieben ist, liefert einen weiteren Anhaltspunkt dafür, dass der von ExxonMobil vertretene Standpunkt dem Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft.

87.

Nach alledem komme ich zu dem Ergebnis, dass der Begriff „Stromerzeuger“ im Sinne von Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 eine Anlage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einschließt, die nach dem 1. Januar 2005 geringe Mengen des Stroms, den sie im Rahmen ihrer Tätigkeit der Verbrennung von Brennstoffen hauptsächlich für ihre Tätigkeit der Herstellung eines nicht in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführten Erzeugnisses erzeugt hat, gegen Entgelt an das öffentliche Stromnetz verkauft hat.

D.   Zu den Folgen der Einstufung als Stromerzeuger für die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten (zweite Frage)

88.

Die zweite Frage wird dem Gerichtshof für den Fall vorgelegt, dass er, wie ich vorschlage, Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 dahin auslegt, dass eine Anlage wie die im Ausgangsverfahren als Stromerzeuger einzustufen ist. Das vorlegende Gericht möchte im Kern wissen, ob eine solche Anlage gemäß Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 gleichwohl kostenlose Zertifikate für die Wärme, die sie erzeugt und für andere Zwecke als für die Stromerzeugung nutzt, auch dann erhalten kann, wenn wie hier keiner der Fälle des Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 vorliegt.

89.

Die vom vorlegenden Gericht gehegten Zweifel erklären sich damit, dass Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 die Einstufung als „Anlagenteil mit Wärme-Benchmark“ davon abhängig macht, dass die erzeugte Wärme nicht zur Stromerzeugung genutzt wird, ohne allgemein die Einrichtung eines solchen Anlagenteils innerhalb einer Strom erzeugenden Anlage auszuschließen. Mit anderen Worten steht diese Bestimmung zwar der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten für die zur Erzeugung von Strom erzeugte Wärme entgegen, sie gibt aber nicht an, inwieweit die für andere Zwecke von den Erzeugern von Strom erzeugte Wärme von der Zuteilung ausgeschlossen ist.

90.

Meines Erachtens folgt aus einer grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 10a der Richtlinie 2003/87 und Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278, dass die zweite Frage zu verneinen ist.

91.

Zum einen schließt Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/87 jede kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die Erzeugung von Strom aus, es sei denn, dieser wird aus Restgasen gewonnen. ExxonMobil macht im vorliegenden Fall nicht geltend, sie habe Anspruch auf eine kostenlose Zuteilung für die Stromerzeugung der Anlage.

92.

Überdies wird zum anderen in Art. 10a Abs. 3 dieser Richtlinie der Grundsatz aufgestellt, dass außer in den Fällen der Abs. 4 und 8 dieses Artikels keine kostenlose Zuteilung für die Erzeuger von Strom erfolgt ( 57 ). Abs. 4 dieses Artikels bezieht sich auf die Wärme- oder Kälteerzeugung für Fernwärme oder durch hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung ( 58 ).

93.

Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, stellt Art. 10a Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 somit eine Abweichung von dem in Abs. 3 dieses Artikels aufgestellten Grundsatz dar, dass Stromerzeugern keine kostenlosen Zertifikate zugeteilt werden ( 59 ). Ihnen stehen demnach grundsätzlich keine kostenlosen Zertifikate für ihre Emissionen zu, und zwar nicht nur für die Emissionen aus ihrer Tätigkeit der Stromerzeugung, sondern auch gegebenenfalls, entgegen dem Vorbringen von ExxonMobil und der deutschen Regierung, für diejenigen aus ihrer Tätigkeit der Wärmeerzeugung. Nur die in Art. 10a Abs. 4 und 8 dieser Richtlinie genannten Fälle können die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die von Stromerzeugern erzeugte Wärme rechtfertigen.

94.

Die gegenteilige Auslegung nähme Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 die praktische Wirksamkeit, da die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die Stromerzeugung – gleichviel, ob die betreffende Anlage als Stromerzeuger einzustufen ist oder nicht – schon durch Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Richtlinie ausgeschlossen ist.

95.

Die von mir befürwortete Sichtweise steht auch im Einklang mit dem mit Abs. 3 dieses Artikels verfolgten Ziel, den Grundsatz der vollständigen Versteigerung der Zertifikate für die Stromerzeuger ab dem Jahr 2013 festzulegen. Wie vorstehend dargelegt, erscheint mir angesichts dessen, dass dieser Grundsatz schrittweise auf die anderen Anlagen erstreckt werden soll, eine weite Auslegung der Bestimmungen gerechtfertigt, mit denen die Möglichkeiten einer kostenlosen Zuteilung begrenzt werden ( 60 ).

96.

Zudem verfügte der Gesetzgeber, wie dargelegt, über ein weites Ermessen zur Ausarbeitung des Systems für den Zertifikatehandel ( 61 ). Dessen Grenzen hat er meines Erachtens nicht überschritten mit der Entscheidung, diesen Grundsatz zunächst nur auf die Stromerzeuger anzuwenden, die anhand objektiver und dem verfolgten Ziel angemessener Kriterien bestimmt werden. In Rahmen seines Ermessens hat der Gesetzgeber zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen Wärmeerzeugern ( 62 ) den Stromerzeugern die Möglichkeit eröffnet, für die von ihnen erzeugte Wärme unter bestimmten, der Förderung einer effizienteren Stromerzeugung dienenden Bedingungen kostenlose Zertifikate zu erhalten ( 63 ).

97.

Dieses Verständnis von Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 kann nicht unter Berufung auf Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 in Frage gestellt werden. Wie die Kommission geltend gemacht hat, ist wegen der Normenhierarchie, die zwischen einer Durchführungsmaßnahme, wie sie der genannte Beschluss darstellt, und den Ermächtigungsbestimmungen in Art. 10a dieser Richtlinie besteht ( 64 ), Art. 3 Buchst. c dieses Beschlusses nach Möglichkeit im Einklang mit Art. 10a Abs. 3 dieser Richtlinie auszulegen ( 65 ).

98.

Eine solche richtlinienkonforme Auslegung bedeutet, dass Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 die Zuteilung von Emissionen an einen Anlagenteil mit Wärme-Benchmark und die entsprechende kostenlose Zuteilung von Zertifikaten innerhalb einer als Stromerzeuger eingestuften Anlage nur dann zulässt, wenn Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 eine solche Zuteilung erlaubt, d. h. nur in den in Abs. 4 und 8 dieses Artikels genannten Fällen ( 66 ).

99.

In Anbetracht meiner Vorschläge zur Beantwortung der ersten und der zweiten Frage ist auf die dritte und die vierte Frage nicht zu antworten, die das vorlegende Gericht nur für den Fall gestellt hat, dass die Anlage nach den Antworten des Gerichtshofs auf die erste und die zweite Frage für eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die von ihr erzeugte Wärme in Betracht kommt.

E.   Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des zu erlassenden Urteils

100.

Für den Fall, dass der Gerichtshof die zweite Frage meinem Vorschlag entsprechend beantworten sollte, beantragt ExxonMobil, die Wirkungen des zu erlassenden Urteils zeitlich zu beschränken.

101.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils, in dem der Gerichtshof eine Bestimmung des Unionsrechts im Wege der Vorabentscheidung auslegt, eine Ausnahme, die voraussetzt, dass zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen ( 67 ). Der Gerichtshof hat auf diese Lösung „nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich, wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, insbesondere wegen der großen Zahl von Rechtsverhältnissen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission beigetragen hatte“ ( 68 ).

102.

Im vorliegenden Fall hat ExxonMobil keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass diese Kriterien erfüllt wären.

103.

Was erstens das Bestehen einer Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen angeht, hat sie sich auf das Vorbringen beschränkt, die deutschen Stellen hätten seit 2013 einer großen Zahl stromerzeugender Anlagen kostenlos Zertifikate für ihre Wärmeerzeugung zugeteilt. Sie hat keine näheren Angaben zu diesen Anlagen und zu den schädlichen Folgen für diese gemacht, sollte der vorstehend befürworteten Auslegung von Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 gefolgt werden.

104.

Zweitens scheint mir diese Auslegung hinreichend klar aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und des in ihrem Licht verstandenen Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278 zu folgen. Im Übrigen beruft sich ExxonMobil lediglich auf eine von den deutschen Stellen vertretene abweichende Auslegung, ohne anzugeben, inwieweit das Verhalten der Kommission oder anderer Mitgliedstaaten zum Bestehen einer objektiven, bedeutenden Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite von Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 beigetragen haben soll. Unter diesen Umständen kann keine derartige Unsicherheit zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten Anlass gegeben haben.

105.

Folglich schlage ich vor, den Antrag auf zeitliche Beschränkung der Wirkungen des zu erlassenden Urteils zurückzuweisen.

V. Ergebnis

106.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste und die zweite Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Berlin (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass eine Anlage, die sowohl eine Tätigkeit der „Verbrennung von Brennstoffen … mit einer [L]eistung von über 20 MW“ im Sinne von Anhang I Nr. 6 der Richtlinie 2003/87 durchführt als auch eine Tätigkeit der Herstellung eines Erzeugnisses, die unter keine der in diesem Anhang genannten Tätigkeiten fällt, „Stromerzeuger“ ist, wenn diese Anlage am 1. Januar 2005 oder danach Strom erzeugt hat, der hauptsächlich für ihre eigene Versorgung und zu einem Teil für die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz gegen Entgelt bestimmt war.

2.

Art. 10a Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 und Art. 3 Buchst. c des Beschlusses 2011/278/EU der Kommission vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie [2003/87] sind dahin auszulegen, dass eine Anlage, die „Stromerzeuger“ im Sinne von Art. 3 Buchst. u dieser Richtlinie ist, eine kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten für die von ihr erzeugte Wärme nur in den in Art. 10a Abs. 4 und 8 dieser Richtlinie genannten Fällen, unbeschadet von Art. 10c dieser Richtlinie, erhalten kann.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. 2003, L 275, S. 32) in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. 2009, L 140, S. 63) geänderten Fassung.

( 3 ) Beschluss der Kommission vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie [2003/87] (ABl. 2011, L 130, S. 1).

( 4 ) Einige Bestimmungen des Art. 10a der Richtlinie 2003/87 sind seither durch die Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie [2003/87] zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814 (ABl. 2018, L 76, S. 3) geändert worden.

( 5 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Förderung einer am Nutzwärmebedarf orientierten Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG (ABl. 2004, L 52, S. 50).

( 6 ) Urteil vom 8. September 2016 (C‑180/15, EU:C:2016:647).

( 7 ) Siehe Nrn. 59 sowie 62 bis 64 der vorliegenden Schlussanträge.

( 8 ) Das vorlegende Gericht hat die Erläuterungen von ExxonMobil wie der DEHSt zum Ablauf des Claus-Prozesses wiedergegeben (siehe Nrn. 15 bis 20 der vorliegenden Schlussanträge), ohne selbst tatsächliche Feststellungen zu jedem einzelnen Aspekt dieses Prozesses zu treffen. Da sich diese Erläuterungen weitgehend decken, wird sich meine Untersuchung auf diese Sachverhaltsdarstellung stützen. Dies gilt vorbehaltlich von Überprüfungen durch das vorlegende Gericht, das für die Würdigung des Sachverhalts allein zuständig ist (vgl. u. a. Urteil vom 6. März 2018, SEGRO und Horváth, C‑52/16 und C‑113/16, EU:C:2018:157, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 9 ) Das in die Claus-Anlage eingespeiste Sauergas enthielt genauer gesagt das H2S und das CO2, die zuvor in einem Entschwefelungsverfahren dem den Lagerstätten entnommenen Erdgas entzogen worden waren, um dessen Einspeisung in das Gasleitungsnetz zu erlauben. Der Claus-Prozess ermöglichte es also, sich sowohl des H2S – eines korrosiven und giftigen Gases – zu entledigen als auch ein Produkt (nämlich elementaren Schwefel) zu gewinnen, das einen Handelswert hat.

( 10 ) Nach den Angaben in der dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht übermittelten Akte, den mündlichen Erklärungen von ExxonMobil und den schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung diente ein Teil der im Claus-Prozess anfallenden Wärme der Erzeugung von Strom.

( 11 ) Für die nicht messbare Wärme, die im Rahmen anderer Tätigkeiten als der Schwefelgewinnung mittels des Claus-Prozesses erzeugt wurde, wurden der Anlage zudem Zertifikate für einen „Anlagenteil mit Brennstoff-Benchmark“ im Sinne von Art. 3 Buchst. d des Beschlusses 2011/278 kostenlos zugeteilt.

( 12 ) Nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 muss der Betreiber einer emissionshandelspflichtigen Anlage jedes Jahr eine Anzahl von Zertifikaten abgeben, die den Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht.

( 13 ) Unstreitig wurde die in dieser Bestimmung vorgesehene Kapazitätsschwelle im vorliegenden Fall überschritten.

( 14 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie [2003/87] zwecks Verbesserung und Ausweitung des Gemeinschaftssystems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (ABl. 2009, L 140, S. 63).

( 15 ) Vgl. Commission staff working document, accompanying document to the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2003/87/EC so as to improve and extend the EU greenhouse gas emission allowance trading system, Impact assessment, 23. Januar 2008, SEC(2007) 52 (im Folgenden: Impaktanalyse), S. 17 bis 23 sowie 160 und 161. Vgl. ferner Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie [2003/87] zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten vom 23. Januar 2008, KOM(2008) 16 endgültig (im Folgenden: Kommissionsvorschlag), S. 4. Mit der Hinzufügung der Definition des Begriffs „Verbrennung“ sollte die Auslegung kodifiziert werden, die die Kommission bereits in ihrer Mitteilung vom 22. Dezember 2005, „Neue Hinweise zu den Zuteilungsplänen für den Handelszeitraum 2008-2012 des Systems für den EU-Emissionshandel“ KOM(2005) 703 endgültig, Nrn. 34 bis 36 und Annex 8, vertreten hatte. Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. Juli 2016, Vattenfall Europe Generation (C‑457/15, EU:C:2016:613, Rn. 37).

( 16 ) Vgl. Kommission, „Guidance on interpretation of Annex I of the EU ETS Directive (excl. aviation activities)“, 18. März 2010, verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/docs/guidance_interpretation_en.pdf, S. 8 und 9.

( 17 ) Im Übrigen erinnere ich daran, dass die während des Claus-Prozesses entstehende Wärme durch eine chemische Reaktion erzeugt wurde, bei der kein CO2 entstand. Nur das im Sauergas enthaltene CO2 wurde am Ende dieses Prozesses freigesetzt. Wären diese Emissionen vom Geltungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen, weil das emittierte CO2 naturbedingt im Sauergas enthalten war, fielen sie selbst insoweit nicht unter die Richtlinie, als dieser Prozess in der Anlage genutzte Wärme erzeugte.

( 18 ) Ich weise darauf hin, dass einige Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87, wie die französische und die spanische, den Ausdruck „résultant des activités“ (aus den Tätigkeiten resultierende [Emissionen]) oder ähnliche Wendungen enthalten, während in anderen, darunter der englischen, der dänischen, der italienischen und der niederländischen, ein Ausdruck mit der Bedeutung „provenant des activités“ ([Emissionen] aus den Tätigkeiten) verwendet wird. Das Verständnis, wonach die Richtlinie 2003/87 für die Emissionen des naturbedingt im Sauergas enthaltenen CO2 gilt, die nach einer Verbrennungstätigkeit anfallen, ist nicht nur mit allen diesen Sprachfassungen vereinbar, es wird auch durch die Zielsetzung dieser Richtlinie bestätigt. Nach deren Art. 1 besteht sie darin, „auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken“. Im achten Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird die Notwendigkeit betont, bei Tätigkeiten industrieller Verfahren das Potenzial zu berücksichtigen, die Emissionen zu verringern. Angesichts dieser Zielsetzung muss, wie die deutsche Regierung ausgeführt hat, die Nutzung von Brennstoffen mit niedrigem CO2-Gehalt gefördert werden, weil sie zur Verringerung der CO2-Emissionen beiträgt. Der von ExxonMobil in der Sitzung angeführte Umstand, dass die Zusammensetzung des im vorliegenden Fall als Brennstoff dienenden Sauergases nicht immer schon bei seiner Extraktion leicht erkennbar sei, stellt diesen Grundsatz nicht in Frage.

( 19 ) Verordnung vom 21. Juni 2012 (ABl. 2012, L 181, S. 30). Vgl. zur Methode der Überwachung der Emissionen aus Verbrennungsprozessen, die in Gasaufbereitungsstationen stattfinden, Anhang IV Abschnitt 1 Unterabschnitt B der Verordnung Nr. 601/2012.

( 20 ) Dieses Dokument ist in seiner Fassung vom 16. Dezember 2013 verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/monitoring/docs/faq_mmr_en.pdf (vgl. S. 14).

( 21 ) Die Kommission führt aus: „[T]he H2S enriched gas flow may still contain a significant concentration of CO2. If this gas flow is also fed into a combustion unit (e.g. CLAUS unit), this CO2 needs to be monitored and reported as well.“

( 22 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 18. Januar 2018, INEOS (C‑58/17, EU:C:2018:19, Rn. 41).

( 23 ) Vgl. u. a. zu den Gesichtspunkten, die bei der Auslegung des Unionsrechts zu berücksichtigen sind, Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 24 ) Dieses Dokument vom 18. März 2010 ist verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/docs/guidance_electricity_generators_en.pdf (vgl. S. 4, Nrn. 8 und 9).

( 25 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 18. Januar 2018, INEOS (C‑58/17, EU:C:2018:19, Rn. 41). Zum Status des Leitfadens zur Einstufung von Stromerzeugern und der anderen Leitfäden betreffend die Handelsperiode 2013–2020 vgl. u. a. Kommission „Guidance document no 1 on the harmonized free allocation methodology for the EU-ETS post 2012“, 14. April 2011, verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/allowances/docs/gd1_general_guidance_en.pdf, S. 3 und 4.

( 26 ) Leitfaden zur Einstufung von Stromerzeugern, S. 4, Nr. 10.

( 27 ) Vgl. 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29.

( 28 ) Siehe Nrn. 88 bis 98 der vorliegenden Schlussanträge. Zudem wird die den Stromerzeugern kostenlos zugeteilte endgültige Jahresgesamtmenge an Zertifikaten anders berechnet als die den anderen Anlagen zugeteilte (vgl. Art. 10 Abs. 9 des Beschlusses 2011/278). Vgl. hierzu Urteil vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 71).

( 29 ) Vgl. Kommissionsvorschlag, S. 9. Vgl. auch Urteil vom 17. Oktober 2013, Iberdrola u. a. (C‑566/11, C‑567/11, C‑580/11, C‑591/11, C‑620/11 und C‑640/11, EU:C:2013:660, Rn. 33 bis 36 und 40).

( 30 ) Das vorlegende Gericht verweist auf den 31. Erwägungsgrund des Beschlusses 2011/278, in dem von der Fähigkeit des „Stromsektors“ die Rede ist, „die erhöhten CO2-Preise abzuwälzen“.

( 31 ) Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass dieses Verständnis dem Wortlaut der deutschen Bestimmung, mit der Art. 3 Buchst. u der Richtlinie 2003/87 umgesetzt wird, zugrunde liege (siehe Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge).

( 32 ) Wohlgemerkt hatte in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren nicht die Lieferung von Strom gegen Entgelt, sondern der Anschluss an das öffentliche Stromnetz technische Gründe. Der Anlage war es durch keinen technischen Grund verwehrt, die betreffende geringfügige Strommenge unentgeltlich an das Netz abzugeben. Ob eine Anlage Stromerzeuger ist, bestimmt sich indes nach ihrer Erzeugung von Strom zum Verkauf an Dritte ab dem 1. Januar 2005, einem mehrere Jahre vor dem Erlass der Richtlinie 2009/29 liegenden Zeitpunkt. Die betreffenden Anlagen konnten somit den Erlass dieser Richtlinie nicht vorwegnehmen, indem sie, wenn sie sich daraus einen Vorteil versprachen, auf das Entgelt für den an Dritte gelieferten Strom verzichteten, um eine größere Menge kostenloser Zertifikate zu erhalten.

( 33 ) Vgl. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2003/87.

( 34 ) Vgl. 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29.

( 35 ) Vgl. Urteil vom 12. April 2018, PPC Power (C‑302/17, EU:C:2018:245, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Art. 10a Abs. 11 der Richtlinie 2003/87. Der Grundsatz der völligen Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten bis 2027 ist allerdings durch die mit Art. 1 Nr. 14 Buchst. k und Nr. 15 der Richtlinie 2018/410 erfolgten Änderungen der Art. 10a und 10b der Richtlinie 2003/87 in Frage gestellt worden.

( 37 ) Vgl. Urteil vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 70).

( 38 ) Vgl. Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 und Art. 10 Abs. 9 Unterabs. 1 des Beschlusses 2011/278. Nach Art. 15 Abs. 3 dieses Beschlusses ergibt sich der einheitliche sektorübergreifende Korrekturfaktor aus einem Vergleich der Gesamtmenge der den Industrieanlagen in der gesamten Union vorläufig kostenlos zugeteilten Zertifikate mit der gemäß Art. 10a Abs. 5 der Richtlinie 2003/87 berechneten jährlichen Höchstmenge der diesen Anlagen kostenlos zur Verfügung stehenden Zertifikate. Dieser Mechanismus ist im Urteil vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 60 ff.), beschrieben worden.

( 39 ) Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das im Leitfaden zur Einstufung von Stromerzeugern (S. 5, Nr. 11) enthaltene Postulat in Frage gestellt, dass ein Mitgliedstaat zur Vermeidung zu kostspieliger und komplexer Untersuchungen davon auszugehen hat, dass kein Verkauf von Strom stattgefunden hat, wenn die Anlage jährlich insgesamt mehr Strom verbraucht als erzeugt hat. Mit diesem Postulat, das im Übrigen nicht bindend ist, soll allenfalls eine bloße Vermutung aufgestellt werden, die widerlegt wird, wenn feststeht, dass die Anlage Strom an Dritte verkauft hat.

( 40 ) Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer Weise, die seine Gültigkeit nicht in Frage stellt, und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen. Vgl. u. a. Urteile vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland (C‑61/94, EU:C:1996:313, Rn. 52), vom 16. September 2010, Chatzi (C‑149/10, EU:C:2010:534, Rn. 43), und vom 15. Februar 2016, N. (C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 48).

( 41 ) Vgl. Kommissionsvorschlag, S. 4, und Impaktanalyse, S. 18 bis 23 sowie 160 und 161. Vgl. auch Kommission, „Guidance on interpretation of Annex I of the EU ETS Directive (excl. aviation activities)“, 18. März 2010, verfügbar unter https://ec.europa.eu/clima/sites/clima/files/ets/docs/guidance_interpretation_en.pdf, S. 11.

( 42 ) Vgl. Impaktanalyse, S. 21 sowie 35 und 36. Der Gesetzgeber hielt es nicht für erforderlich, den Begriff „Prozessemissionen“ in der Richtlinie 2003/87 zu definieren, da diese Richtlinie für alle CO2-Emissionen aus den in ihrem Anhang aufgeführten Tätigkeiten unabhängig davon gilt, ob sie aus Verbrennungsprozessen oder aus anderen industriellen Prozessen stammen. Dagegen ist dieser Begriff in Art. 3 Nr. 30 der Verordnung Nr. 601/2012 definiert als „Treibhausgasemissionen, bei denen es sich nicht um Emissionen aus der Verbrennung handelt und die infolge einer beabsichtigten bzw. unbeabsichtigten Reaktion zwischen Stoffen oder ihrer Umwandlung entstehen …“. Um insoweit jede Unklarheit auszuschließen, weise ich darauf hin, dass die Begriffe „Prozessemissionen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 30 der Verordnung Nr. 601/2012 und „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ im Sinne von Art. 3 Buchst. h des Beschlusses 2011/278 sich nur teilweise decken. Die „Prozessemissionen“ werden zum großen Teil von den Produkt-Benchmarks nach Anhang I dieses Beschlusses erfasst, die auf die in dessen Art. 3 Buchst. b definierten „Anlagenteil[e] mit Produkt-Benchmark“ anwendbar sind.

( 43 ) So greift meine Analyse insbesondere nicht der Frage vor, ob inhärente CO2-Emissionen aus einer Verbrennungstätigkeit wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, „Prozessemissionen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 30 der Verordnung Nr. 601/2012 sein und einem „Anlagenteil mit Prozessemissionen“ nach Art. 3 Buchst. h des Beschlusses 2011/278 zugeordnet werden können. Diese Problematik ist Gegenstand der dritten und der vierten Vorlagefrage, mit denen sich die vorliegenden Schlussanträge nicht befassen.

( 44 ) Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 57, 60 und 61), und vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 112 und 125).

( 45 ) Urteil vom 16. Dezember 2008 (C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 58, 59 und 63).

( 46 ) Siehe Nr. 70 der vorliegenden Schlussanträge.

( 47 ) Siehe Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge.

( 48 ) Siehe Nrn. 88 bis 98 der vorliegenden Schlussanträge.

( 49 ) Der Ausdruck „Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen“ verweist auf das Risiko der Verlagerung von Tätigkeiten mit hohen Treibhausgasemissionen wegen der mit der Anwendung des Systems für den Zertifikatehandel verbundenen Kosten in Drittländer, in denen solche Vorgaben nicht gelten, was die globalen Emissionen ansteigen ließe. Vgl. Erwägungsgründe 24 und 25 der Richtlinie 2009/29.

( 50 ) Beschluss der Kommission vom 24. Dezember 2009 zur Festlegung eines Verzeichnisses der Sektoren und Teilsektoren, von denen angenommen wird, dass sie einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, gemäß der Richtlinie [2003/87] (ABl. 2010, L 1, S. 10). In Nr. 1.4 des Anhangs dieses Beschlusses, der im entscheidungserheblichen Zeitraum anwendbar war, werden unter den Sektoren, die einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, die Gewinnung von Erdgas auf der Grundlage des Codes NACE‑4 (vierstellige Ebene) genannt. Der Beschluss 2010/2 ist durch den Beschluss 2014/746/EU der Kommission vom 27. Oktober 2014 zur Festlegung eines Verzeichnisses der Sektoren und Teilsektoren, von denen angenommen wird, dass sie im Zeitraum 2015–2019 einem erheblichen Risiko einer Verlagerung von CO2-Emissionen ausgesetzt sind, gemäß der Richtlinie [2003/87] (ABl. 2014, L 308, S. 114) aufgehoben worden, in dessen Anhang in Nr. 1.1 der Sektor der Erdgasgewinnung ebenfalls genannt ist. Wie ExxonMobil in der Sitzung geltend gemacht hat, schließt der Code NACE‑4 für die Gewinnung von Erdgas – 1110 zur entscheidungserheblichen Zeit, nunmehr 0620 – die Entschwefelung dieses Gases ein. Vgl. die Internetseite von Eurostat http://ec.europa.eu/eurostat/ramon/nomenclatures/index.cfm?TargetUrl=LST_NOM_DTL&StrNom=NACE_REV2&StrLanguageCode=EN&IntPcKey=18495674&StrLayoutCode= und https://ec.europa.eu/eurostat/documents/1965800/1978760/CORRESPONDENCETABLENACEREV.1.1-NACEREV.2.pdf/e8200936-c2f0-4202-8bda-99fbbfc422b4.

( 51 ) Art. 10a Abs. 14 der Richtlinie 2003/87 sieht vor, dass die Kommission zur Bestimmung der Sektoren bzw. Teilsektoren, in denen ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, „auf [Unions]ebene [bewertet], in welchem Umfang der betreffende Sektor oder Teilsektor … die direkten Kosten der erforderlichen Zertifikate und die indirekten Kosten durch höhere Strompreise, die durch die Durchführung dieser Richtlinie verursacht wurden, ohne erheblichen Verlust von Marktanteilen an weniger CO2-effiziente Anlagen außerhalb der [Union] in die Produkte einpreisen kann“.

( 52 ) Siehe Nrn. 88 bis 98 der vorliegenden Schlussanträge.

( 53 ) Dieser Faktor wird angewandt, wenn die Mitgliedstaaten die Jahresgesamtmenge der jeder in ihrem Gebiet niedergelassenen Anlage vorläufig kostenlos zugeteilten Zertifikate berechnen (während die endgültige Zuteilung von der Kommission auf einer späteren Stufe bestimmt wird). Für diese Berechnung wird zunächst die historische Aktivitätsrate jedes Anlagenteils der betreffenden Anlage entweder mit der Produkt‑, der Wärme- oder der Brennstoff-Benchmark oder aber, wenn es sich um einen Anlagenteil mit Prozessemissionen handelt, mit einem Faktor 0,97 multipliziert (vgl. Art. 10 Abs. 2 des Beschlusses 2011/278). Sodann wird der so erhaltene Wert entweder mit einem Faktor multipliziert, der im Jahr 2013 0,8 beträgt und sich jährlich bis auf 0,3 im Jahr 2020 verringert, oder mit dem Faktor 1, wenn die Tätigkeiten des betreffenden Anlagenteils zu einem Sektor gehört, in dem ein erhebliches Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht (vgl. Art. 10a Abs. 11 und 12 der Richtlinie 2003/87). Die Summe der für jeden Anlagenteil erhaltenen Ergebnisse bildet schließlich die vorläufige Jahresgesamtmenge der der Anlage kostenlos zuzuteilenden Zertifikate (vgl. Abs. 10 Abs. 7 des Beschlusses 2011/278).

( 54 ) Nach Art. 9 Abs. 4 und 5 des Beschlusses 2011/278 wird die historische Aktivitätsrate von Anlagenteilen mit Wärme- oder mit Brennstoff-Benchmark ohne Berücksichtigung der messbaren Wärme oder der Brennstoffe bestimmt, die zur Stromerzeugung verbraucht werden.

( 55 ) Siehe Nrn. 88 bis 98 der vorliegenden Schlussanträge.

( 56 ) Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie, 22. Änderungsantrag, Anlage zum Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 15. Oktober 2008, Parlamentarisches Dokument A6‑0406/2008, S. 105. Dieser Änderungsantrag war wie folgt begründet: „Die anderen Industrieunternehmen als die öffentlichen Stromerzeuger müssen ihre eigenen Anlagen, in die sie bereits investiert haben, weiter betreiben können. … Von der kostenlosen Zuteilung dürfen die Eigenerzeuger nicht ausgeschlossen werden, die in der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt definiert sind als ‚eine natürliche oder juristische Person, die Elektrizität im Wesentlichen für den eigenen Verbrauch erzeugt‘“.

( 57 ) Art. 10a Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 erlaubt auch die kostenlose Zuteilung in den Fällen des Art. 10c dieser Richtlinie. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten in bestimmten Situationen Zertifikate zur Modernisierung der Stromerzeugung kostenlos zuteilen. Wie die Kommission hervorgehoben hat, zählt Deutschland nicht zu den Mitgliedstaaten, die für diese Abweichung in Frage kommen. Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über das Funktionieren des CO2-Marktes in der EU, 1. Februar 2017, COM(2017) 48 final, S. 17.

( 58 ) Art. 10a Abs. 8 der Richtlinie 2003/87 betrifft die Förderung bestimmter Projekte zur Abscheidung und geologischen Speicherung von CO2 sowie von Demonstrationsprojekten für innovative Technologien für erneuerbare Energien.

( 59 ) Urteil vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 66).

( 60 ) Siehe Nr. 69 der vorliegenden Schlussanträge.

( 61 ) Siehe Nr. 76 der vorliegenden Schlussanträge.

( 62 ) Im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/29 heißt es: „Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können Stromerzeuger kostenlose Zertifikate für Fernwärme und ‑kälte sowie für durch hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung … erzeugte Wärme und Kälte erhalten, sofern für solche von Anlagen in anderen Sektoren erzeugte Wärme kostenlose Zertifikate vergeben werden.“

( 63 ) Vgl. Kommissionsvorschlag, S. 9 und 27. Vgl. auch Art. 1 sowie Erwägungsgründe 1 und 5 der Richtlinie 2004/8.

( 64 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Februar 2018, Trinseo Deutschland (C‑577/16, EU:C:2018:127, Rn. 68), und vom 17. Mai 2018, Evonik Degussa (C‑229/17, EU:C:2018:323, Rn. 29).

( 65 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Juni 1993, Dr. Tretter (C‑90/92, EU:C:1993:264, Rn. 11), vom 26. Februar 2002, Kommission/Boehringer (C‑32/00 P, EU:C:2002:119, Rn. 53), und vom 19. Juli 2012, Pie Optiek (C‑376/11, EU:C:2012:502, Rn. 34).

( 66 ) Unbeschadet von Art. 10c der Richtlinie 2003/87 (siehe Fn. 57 der vorliegenden Schlussanträge).

( 67 ) Vgl. u. a. Urteil vom 19. Oktober 2017, Paper Consult (C‑101/16, EU:C:2017:775, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 68 ) Vgl. u. a. Urteile vom 20. September 2001, Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 53), und vom 19. Oktober 2017, Paper Consult (C‑101/16, EU:C:2017:775, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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