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Document 62017CC0535
Opinion of Advocate General Bobek delivered on 18 October 2018.
Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 18. Oktober 2018.
Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 18. Oktober 2018.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:850
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MICHAL BOBEK
vom 18. Oktober 2018 ( 1 )
Rechtssache C‑535/17
NK, Konkursverwalter der PI Gerechtsdeurwaarderskantoor BV und von PI
gegen
BNP Paribas Fortis NV
(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Oberster Gerichtshof der Niederlande])
„Vorabentscheidungsersuchen – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Insolvenzverfahren – Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 – Anwendungsbereich – Verordnung (EG) Nr. 864/2007 – Zeitlicher Anwendungsbereich – Schadensersatzforderung eines Konkursverwalters gegen einen Dritten, der sich den Gläubigern gegenüber rechtswidrig verhalten hat“
I. Einleitung
1. |
PI war Gerichtsvollzieher in den Niederlanden. Er unterhielt bei der BNP Paribas Fortis NV (im Folgenden: Fortis) in Belgien ein Girokonto. PI nutzte das Konto für geschäftliche Zwecke seines Gerichtsvollzieherbüros. Er gründete 2006 eine Gesellschaft, um die Tätigkeiten des Gerichtsvollzieherbüros über sie durchzuführen. Er war alleiniger Anteilseigner und Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Ein weiteres Konto, ein Anderkonto, wurde im Namen der Gesellschaft bei der Rabobank in den Niederlanden unterhalten. |
2. |
Im September 2008 überwies PI 550000 Euro von dem Anderkonto bei der Rabobank in den Niederlanden auf das Girokonto bei Fortis in Belgien. Einige Tage später hob er diesen Betrag in bar von dem Girokonto bei Fortis ab. |
3. |
Sowohl PI als auch die Gesellschaft wurden für insolvent erklärt. Der mit den in den Niederlanden eröffneten Insolvenzverfahren betraute Konkursverwalter begehrt jetzt von Fortis im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger von PI und der Gesellschaft die Rückgewähr von 550000 Euro. Diese Art von Klage wird im niederländischen Recht als „Peeters/Gatzen-Klage“ bezeichnet. Sie wurde mit einer Entscheidung des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), dem vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache, von 1983 erstmals zugelassen. |
4. |
Um über die Frage der internationalen Zuständigkeit entscheiden zu können, fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof, ob eine Klage wie die Peeters/Gatzen-Klage in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ( 2 ) (im Folgenden: Insolvenzverordnung) oder der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ( 3 ) (im Folgenden: Brüssel‑I-Verordnung) fällt. |
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Brüssel‑I-Verordnung
5. |
Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung ist sie auf „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ nicht anzuwenden. |
2. Rom‑II-Verordnung
6. |
Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) ( 4 ) (im Folgenden: Rom‑II-Verordnung) bestimmt: „Bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, sind faktisch und soweit angemessen die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind.“ |
7. |
Nach Art. 31 („Zeitliche Anwendbarkeit“) der Rom‑II-Verordnung „wird [sie] auf schadensbegründende Ereignisse angewandt, die nach ihrem Inkrafttreten eintreten“. Nach Art. 32 („Zeitpunkt des Beginns der Anwendung“) gilt die Verordnung „ab dem 11. Januar 2009“. |
3. Insolvenzverordnung
8. |
Im sechsten Erwägungsgrund der Insolvenzverordnung heißt es: „Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. …“ |
9. |
Art. 3 der Insolvenzverordnung enthält Regeln für die internationale Zuständigkeit. Nach seinem Abs. 1 sind für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens „die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“. |
10. |
Art. 4 der Insolvenzverordnung legt die Regeln für das anwendbare Recht fest. Er sieht vor: „(1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird, nachstehend ‚Staat der Verfahrenseröffnung‘ genannt. (2) Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt insbesondere: …
…
|
11. |
Art. 13 („Benachteiligende Handlungen“) der Insolvenzverordnung lautet: „Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe m) findet keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist,
|
B. Niederländisches Recht und niederländische Rechtsprechung
1. Peeters/Gatzen-Klage
12. |
Die Peeters/Gatzen-Klage wurde mit einem Urteil des vorlegenden Gerichts, des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), vom 14. Januar 1983 ( 5 ) erstmals zugelassen. In seinem Vorabentscheidungsersuchen fasst dieses Gericht einige der in seiner nachfolgenden Rechtsprechung ( 6 ) entwickelten wesentlichen Merkmale dieser Klageart zusammen. |
13. |
Bei einer Benachteiligung von Gläubigern durch den Insolvenzschuldner im Vorfeld der Insolvenz ist ein Konkursverwalter befugt, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrzunehmen. Der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) hat entschieden, dass unter Umständen auch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung gegen einen an dieser Benachteiligung beteiligten Dritten möglich sein kann, auch wenn dem Konkursschuldner selbst ein solcher Anspruch nicht zustand. Der Erlös aus einer solchen vom Verwalter im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger geltend gemachten Forderung fließt – ebenso wie der Erlös aus einer Aufhebungsforderung nach Art. 42 ff. der Faillissementswet (Insolvenzordnung, im Folgenden: Fw) vom 30. September 1893 – in die Masse. Er kommt deshalb der Gesamtheit der Gläubiger in Form einer Vergrößerung der Vermögensmasse zugute. |
14. |
Der Konkursverwalter ist aufgrund der ihm in Art. 68 Abs. 1 Fw übertragenen Zuständigkeit für die Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse zur Geltendmachung solcher Forderungen befugt. Diese Befugnis zur Geltendmachung einer Forderung hindert – unabhängig davon, ob der Verwalter von ihr Gebrauch macht – einzelne Gläubiger nicht daran, einen ihnen zustehenden Anspruch aus einer unerlaubten Handlung eines Dritten selbst gerichtlich geltend zu machen. Das Interesse an einer ordnungsgemäßen Konkursabwicklung kann jedoch dazu führen, dass, sofern der Verwalter auf der Grundlage desselben Tatsachenkomplexes zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger gegen den Dritten einen Anspruch aus unerlaubter Handlung geltend machen kann, zunächst über diesen Anspruch und anschließend über den Anspruch des oder der einzelnen Gläubiger(s) zu entscheiden ist. |
15. |
Bei der Beurteilung der vom Verwalter zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger erhobenen Forderung ist kein Raum für eine Prüfung der individuellen Lage jedes der betroffenen Gläubiger: In erster Linie geht es um den Ersatz eines den Gläubigern gemeinsam entstandenen Schadens. Das kollektive Interesse, das der Verwalter wahren will, rechtfertigt es überdies, dass der Dritte im Rahmen einer Peeters/Gatzen-Klage nicht alle Verteidigungsmittel geltend machen kann, die ihm einzelnen Gläubigern gegenüber möglicherweise zur Verfügung gestanden hätten. |
16. |
Die Befugnis des Verwalters zur Erhebung einer Peeters/Gatzen-Klage ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Dritte zu dem Kreis von Personen gehört, die auf der Grundlage einer actio Pauliana (Anfechtungsklage) (Art. 42 ff. Fw) für die Beteiligung an angeblich benachteiligenden Handlungen gehaftet hätten. Seine Befugnis bezieht sich allgemeiner auf eine Benachteiligung der Gesamtheit der Gläubiger durch eine unerlaubte Handlung eines an dieser Benachteiligung beteiligten Dritten. Der Dritte muss die Benachteiligung nicht verursacht oder von ihr profitiert haben; es reicht aus, wenn er sie hätte verhindern können, stattdessen aber an ihr mitgewirkt hat. |
III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen
17. |
PI war von 2002 bis zu seiner Amtsenthebung Gerichtsvollzieher in Beek (Niederlande). Von 2002 an unterhielt PI ein Girokonto bei Fortis, einer Bank belgischen Rechts. Dieses Girokonto wurde in Belgien geführt und vom Gerichtsvollzieherbüro von PI für den Forderungseinzug bei belgischen Schuldnern genutzt. |
18. |
Im Jahr 2006 gründete PI die Gesellschaft mit beschränkter Haftung PI Gerechtsdeurwaarderskantoor BV (im Folgenden: PI BV), deren alleiniger Anteilseigner und Geschäftsführer er war. Bei der Gründung der PI BV wurde das Vermögen des zuvor von PI als Einzelunternehmen geführten Gerichtsvollzieherbüros, darunter das Girokonto bei Fortis, in diese Gesellschaft eingebracht. Die PI BV unterhielt für ihr Gerichtsvollzieherbüro ferner ein Anderkonto bei der Rabobank in den Niederlanden. Auf diesem Konto wurden Gelder von ca. 200 Kunden des Gerichtsvollzieherbüros verwaltet. |
19. |
Vom 23. bis 26. September 2008 überwies PI per Internetbanking insgesamt 550000 Euro von dem Anderkonto bei der Rabobank auf das Girokonto bei Fortis. Am 1. und 3. Oktober 2008 hob PI insgesamt 550000 Euro in bar von dem Girokonto bei Fortis in Belgien ab. |
20. |
Am 16. Dezember 2008 wurde PI wegen Veruntreuung der ihm anvertrauten Gelder seines Amtes enthoben. Später wurde er deshalb zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. |
21. |
Am 23. Juni 2009 wurde die PI BV für insolvent erklärt. Am 2. März 2010 wurde PI selbst für insolvent erklärt. Diese Insolvenzen werden konsolidiert abgewickelt. NK ist in beiden Verfahren Konkursverwalter. |
22. |
Der Konkursverwalter erhob bei der Rechtbank Maastricht (Bezirksgericht Maastricht, Niederlande, im Folgenden: Gericht des ersten Rechtszugs) gegen Fortis Klage auf Zahlung von 550000 Euro. Er machte geltend, Fortis habe der Gesamtheit der Gläubiger der PI BV und von PI gegenüber rechtswidrig gehandelt, indem sie die Barabhebungen durch PI unkritisch zugelassen habe, und damit ihre gesetzlichen Verpflichtungen missachtet. Durch das Handeln von Fortis sei den Gläubigern beider Insolvenzverfahren ein Schaden entstanden. |
23. |
Das Gericht des ersten Rechtszugs bejahte mit Zwischenurteil seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Klage des Verwalters. Der Gerechtshof ’s‑Hertogenbosch (Regionales Berufungsgericht, ’s‑Hertogenbosch, Niederlande, im Folgenden: Gericht des zweiten Rechtszugs) bestätigte diese Entscheidung mit Zwischenurteil vom 4. Juni 2013 und stellte insoweit fest, dass die Klage des Verwalters ausschließlich auf den Konkursen von PI und der PI BV beruhe und daher in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung falle. |
24. |
Mit Endurteil gab das Gericht des ersten Rechtszugs dem Antrag des Verwalters statt und verurteilte Fortis zur Zahlung von 550000 Euro an ihn. |
25. |
Im Rechtsmittelverfahren gegen dieses Endurteil stellte das Gericht des zweiten Rechtszugs mit Zwischenurteil vom 16. Februar 2016 fest, dass es (grundsätzlich) nicht erneut über die Zuständigkeit entscheiden könne, da dies in seinem Zwischenurteil vom 4. Juni 2013 bereits geschehen sei. Es stellte jedoch ferner fest, dass die nachfolgenden Urteile des Gerichtshofs vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition ( 7 ), und vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. ( 8 ), die von Fortis vertretene Ansicht stützten, dass das Zwischenurteil vom 4. Juni 2013 falsch sei. Es entschied daher, insoweit eine Kassationsbeschwerde zuzulassen. |
26. |
Das Gericht des zweiten Rechtszugs führte weiter aus, dass für Schadensereignisse vor dem Inkrafttreten der Rom‑II-Verordnung am 11. Januar 2009 die Wet Conflictenrecht Onrechtmatige Daad (Gesetz über Kollisionsnormen für unerlaubte Handlungen, im Folgenden: WCOD) vom 11. April 2001 gelte. Nach Art. 3 WCOD sei nach belgischem Recht über die Forderung zu entscheiden, da die Handlungen von Fortis in Belgien stattgefunden hätten. |
27. |
Das Gericht des zweiten Rechtszugs stellte darüber hinaus fest, dass die Frage, ob ein Verwalter zur Erhebung einer bestimmten Art von Klage, etwa einer Peeters/Gatzen-Klage, befugt sei, anhand des Rechts zu beantworten sei, dem der Konkurs unterliege (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Insolvenzverordnung). Im vorliegenden Fall sei dies das niederländische Recht, das Verwaltern die Befugnis einräume, eine Peeters/Gatzen-Klage zu erheben. |
28. |
Gegen das Zwischenurteil des Gerichts des zweiten Rechtszugs vom 16. Februar 2016 legte der Verwalter Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein. Seiner Ansicht nach hätte das Gericht des zweiten Rechtszugs gemäß Art. 4 Abs. 1 der Insolvenzverordnung feststellen müssen, dass die Peeters/Gatzen-Klage als „eine Wirkung des Insolvenzverfahrens“ anzusehen sei und daher die lex fori concursus (also niederländisches Recht) gelte. |
29. |
Fortis hat gegen die Zwischenurteile des Gerichts des zweiten Rechtszugs vom 4. Juni 2013 und vom 16. Februar 2016 Anschlusskassationsbeschwerde eingelegt. Ihrer Ansicht nach hat das Gericht des zweiten Rechtszugs verkannt, dass sich die vom Verwalter erhobene Forderung nach der Brüssel‑I-Verordnung und nicht nach der Insolvenzverordnung richte. Eine Peeters/Gatzen-Klage falle nicht unter die Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung, da sie ihre Grundlage in den allgemeinen Regeln des Zivilrechts habe und somit nicht unmittelbar unter die abweichenden Sonderregeln für Konkursverfahren falle. |
30. |
Der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) stellt in der Vorlageentscheidung fest, dass sich eine Peeters/Gatzen-Klage auf das Klagerecht der Gläubiger und die Haftung des Dritten gegenüber den Gläubigern beziehe und dass dieses Klagerecht und diese Haftung auf den allgemeinen Regeln des Zivilrechts beruhten. Er betont jedoch auch, dass die Befugnis des Verwalters zur Erhebung einer solchen Klage auf den Insolvenzvorschriften beruhe und dass der Erlös aus der Klage der Masse und nicht den einzelnen Gläubigern zufließe. |
31. |
Das vorlegende Gericht hat ferner Zweifel in Bezug auf die Bestimmung des auf die Forderung anwendbaren Rechts. Das Gericht des zweiten Rechtszugs habe zwischen dem Recht, das für die Befugnis des Verwalters zur Erhebung der Peeters/Gatzen-Klage gelte (dem ius agendi, das niederländischem Recht unterläge), und dem auf die Forderung anwendbaren materiellen Recht (das belgisches Recht wäre) unterschieden. Wenn indes die Insolvenzverordnung Anwendung finde, möchte das vorlegende Gericht ferner wissen, ob das nach Art. 4 Abs. 2 der Insolvenzverordnung auf diese Klage anwendbare (niederländische) Recht für die gesamte Klage gelte, also sowohl in Bezug auf die Befugnis zur Klageerhebung als auch in Bezug auf das anwendbare materielle Recht. Wenn dies der Fall ist, möchte das vorlegende Gericht außerdem wissen, ob gleichwohl bei der Beurteilung der Haftung von Fortis belgisches Recht zu berücksichtigen sei. |
32. |
Vor diesem Hintergrund hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
|
33. |
Schriftliche Erklärungen sind vom Verwalter, von Fortis, von der portugiesischen Regierung und von der Europäischen Kommission eingereicht worden. In der Sitzung vom 5. Juli 2018 haben der Verwalter, Fortis und die Kommission mündlich verhandelt. |
IV. Würdigung
34. |
Die vorliegenden Schlussanträge sind wie folgt aufgebaut: Ich werde mich zunächst noch einmal mit den Kriterien für die Abgrenzung zwischen der Brüssel‑I-Verordnung und der Insolvenzverordnung befassen. Die Anwendung dieser Kriterien auf die Peeters/Gatzen-Klage wird mich zu dem Ergebnis führen, dass eine solche Klage in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung fällt (A). Infolgedessen bedürfen die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts meines Erachtens nicht der Beantwortung. Um den Gerichtshof jedoch für den Fall, dass er zu einer anderen Antwort auf die erste Frage gelangen sollte, umfassend zu unterstützen, werde ich kurz darauf eingehen, ob die nach der Insolvenzverordnung allgemein anwendbare lex fori concursus lediglich auf bestimmte Teilaspekte einer Klage beschränkt sein könnte (B), und mich schließlich der möglichen zeitlichen Anwendbarkeit der Rom‑II-Verordnung im Ausgangsverfahren widmen (C). |
A. Erste Frage: Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung und der Insolvenzverordnung
35. |
Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Verordnung (die Brüssel‑I-Verordnung oder die Insolvenzverordnung) auf eine Schadensersatzklage anwendbar ist, die ein Konkursverwalter aufgrund seiner nach dem nationalen Insolvenzrecht bestehenden Verpflichtung zur Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger gegen einen Dritten erhebt, wenn diese Klage auf ein rechtswidriges Handeln des Dritten gegenüber den Gläubigern gestützt wird und ihr Erlös im Erfolgsfall der Masse zufließt. |
36. |
Zur Beantwortung dieser Frage ist zu klären, ob eine solche Klage unter die Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung fällt, wonach diese Verordnung auf „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ nicht anzuwenden ist. Nur dann, wenn eine solche Klage unter diese Ausnahme fiele, wäre die Insolvenzverordnung anwendbar. |
1. Verhältnis zwischen der Brüssel‑I-Verordnung und der Insolvenzverordnung
37. |
Nach ständiger Rechtsprechung ( 9 ) sind die Brüssel‑I-Verordnung und die Insolvenzverordnung so auszulegen, dass zum einen jede Überschneidung zwischen den Rechtsvorschriften, die diese Verordnungen enthalten, und zum anderen jede Regelungslücke vermieden wird. Demzufolge müssen die nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung von ihrem Anwendungsbereich ausgenommenen Klagen in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung fallen. Umgekehrt müssen Klagen, die nicht in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung fallen, in den Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung fallen. |
38. |
Der Gerichtshof hat ferner angesichts der Erwägungsgründe der Brüssel‑I-Verordnung, insbesondere des siebten Erwägungsgrundes, festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber den in ihrem Art. 1 Abs. 1 enthaltenen Begriff „Zivil- und Handelssachen“ weit fassen wollte ( 10 ). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung eng auszulegen ( 11 ). |
39. |
Die beiden Verordnungen sollten somit in einem Verhältnis der Komplementarität zueinander stehen. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass Konkurse und ähnliche Verfahren sowohl wegen der Eigentümlichkeit des betreffenden Sachgebiets, das besondere Regeln erfordert, als auch wegen tiefgreifender Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten vom Anwendungsbereich der Vorläuferregelung der Brüssel‑I-Verordnung, dem Brüsseler Übereinkommen ( 12 ), ausgenommen waren ( 13 ). Es ist indes ebenfalls unstreitig ( 14 ), dass diese Ausnahme darauf beruhte, dass bei Erlass des Brüsseler Übereinkommens parallel an einem Übereinkommen über Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren gearbeitet wurde, um die vorgenannten besonderen Regeln einzuführen. Beide Übereinkommen sollten in dem Sinne komplementär zueinander sein, dass Verfahren, die in den Anwendungsbereich des Konkursübereinkommens fallen, vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens ausgenommen sein sollten ( 15 ). Auch wenn das Konkursübereinkommen ( 16 ) nie in Kraft getreten ist, bildete es die Grundlage für den späteren Erlass der Insolvenzverordnung, in der die Bestimmungen dieses Übereinkommens wortgleich übernommen wurden ( 17 ). |
2. Die Ausnahme: Klagen, die sich aus einem Insolvenzverfahren „unmittelbar herleiten“ und/oder „in engem Zusammenhang“ damit stehen
40. |
Was die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Brüssel‑I-Verordnung und der Insolvenzverordnung angeht, hat der Gerichtshof zu der Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung festgestellt, dass nur Klagen, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen ( 18 ), vom Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung ausgenommen sind ( 19 ). Demnach fallen nur diese Klagen in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung ( 20 ). |
41. |
Diese Formel wurde vom Gerichtshof erstmals im Urteil Gourdain ( 21 ) verwendet. Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat ( 22 ), findet sie sich auch im sechsten Erwägungsgrund der Insolvenzverordnung zur Definition ihres Regelungsgegenstands. Derselbe Wortlaut wird auch in Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 2 der Insolvenzverordnung verwendet. Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 1 verpflichtet zur Anerkennung der Entscheidungen, die von einem Gericht erlassen wurden, das nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung zuständig ist ( 23 ). Nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung gilt Unterabs. 1 auch für „Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen“. Ferner hat der Gerichtshof in seinem Urteil Seagon entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 der Insolvenzverordnung „dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für Klagen, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, … eine internationale Zuständigkeit zuweist“ ( 24 ). |
42. |
Diese Formel enthält somit die Prüfungskriterien, anhand deren zu bestimmen ist, ob eine Klage (wie die Peeters/Gatzen-Klage in der vorliegenden Rechtssache) in den Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung oder der Insolvenzverordnung fällt. |
3. Die Vornahme der Prüfung: zwei Kriterien oder nur ein Kriterium?
43. |
Man sollte jedoch einräumen, dass es bei näherer Betrachtung der Rechtsprechung nicht ganz eindeutig zu sein scheint, wie die Prüfungskriterien im Einzelfall anzuwenden sind, insbesondere was i) die Definition des genauen Inhalts jedes der beiden Kriterien und ii) ihr Verhältnis zueinander anbelangt. |
44. |
Die Unsicherheit beginnt schon beim Inhalt jedes Kriteriums. Was unter „unmittelbar herleiten“ zu verstehen ist, scheint sich vom Kriterium eines engen Zusammenhangs (was somit der Sache nach einer Verschmelzung mit der zweiten Voraussetzung gefährlich nahe kommt) hin zu einer Analyse der Rechtsgrundlage der Klage (im Sinne der zugrunde liegenden Anspruchsgrundlage) zu verlagern. Ein „enger Zusammenhang“ mit dem Insolvenzverfahren deutet auf eine Art von Näheprüfung hin, auch wenn nicht ganz klar ist, welche Umstände bei der Beurteilung des Vorliegens eines solchen engen Zusammenhangs im konkreten Fall berücksichtigt werden sollten. |
45. |
Diese Unsicherheit erhöht sich noch durch die Unklarheit hinsichtlich des logischen Verhältnisses zwischen diesen beiden Kriterien, was Zweifel daran weckt, ob es sich tatsächlich um zwei verschiedene Voraussetzungen handelt. Die Verwendung der grammatikalischen Konjunktion „und“ würde ebenfalls eine logische Verbindung nahelegen: Die Gesamtvoraussetzungen sind dann und nur dann gegeben, wenn beide Einzelvoraussetzungen erfüllt sind. Es würde sich somit um zwei kumulative Kriterien handeln. |
46. |
Die Rechtsprechung stimmt mit diesem Bild jedoch nicht völlig überein. |
47. |
In einigen Fällen hat der Gerichtshof entschieden, dass es bei Fehlen eines der Kriterien keiner Prüfung des anderen mehr bedarf. Beispielsweise bedurfte es nach seinen Ausführungen im Urteil F‑Tex angesichts dessen, dass die in Rede stehende Klage nicht in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stand (zweite Voraussetzung), keiner Entscheidung darüber, ob zwischen der Klage und diesem Verfahren ein unmittelbarer Zusammenhang bestand (erste Voraussetzung) ( 25 ). Im Urteil Nickel & Goeldner Spedition entschied der Gerichtshof, dass die in Rede stehende Klage keine direkte Verknüpfung mit dem Insolvenzverfahren aufwies (erste Voraussetzung) und daher nicht geprüft zu werden brauchte, ob sie in engem Zusammenhang mit diesem Verfahren stand (zweite Voraussetzung) ( 26 ). |
48. |
In anderen Fällen hielt der Umstand, dass eines der Prüfungskriterien nicht erfüllt war, den Gerichtshof nicht davon ab, das andere zu prüfen. Dies war im Urteil Tünkers France und Tünkers Maschinenbau der Fall, wo der Gerichtshof zunächst zu dem Schluss kam, dass die in Rede stehende Klage sich nicht unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleitete (erste Voraussetzung), und dann prüfte, ob die Klage in engem Zusammenhang mit diesem Verfahren stand (zweite Voraussetzung) ( 27 ). Der Gerichtshof kam allerdings zu dem Ergebnis, dass auch die zweite Voraussetzung nicht erfüllt war. Dieser Rechtssache lässt sich daher sicher nicht entnehmen, dass einer der beiden Voraussetzungen größeres Gewicht zukommt als der anderen. Die Notwendigkeit, beide Kriterien zu prüfen, weckt aber Zweifel an ihrer kumulativen Natur: Müssen beide Kriterien erfüllt sein, wäre es müßig, beide zu prüfen, wenn klar ist, dass eines von ihnen nicht vorliegt. |
49. |
Darüber hinaus gibt es auch Rechtssachen, in denen der Gerichtshof ein als maßgeblich angesehenes Kriterium herausgriff und es für vorrangig gegenüber dem anderen erklärte. |
50. |
Im Urteil SCT Industri wies der Gerichtshof zunächst auf sein Urteil Gourdain hin, wonach „sich eine Klage auf ein Konkursverfahren bezieht, wenn sie unmittelbar aus diesem hervorgeht und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs[verfahrens] hält“, und kam sodann zu dem Schluss, dass „sich somit nach der Enge des Zusammenhangs, der im Sinne des Urteils Gourdain zwischen einer gerichtlichen Klage … und dem Konkursverfahren besteht, [entscheidet,] ob der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der [Brüssel‑I-Verordnung] genannte Ausschluss Anwendung findet“ ( 28 ). |
51. |
Im Gegensatz dazu führte der Gerichtshof im Urteil Nickel & Goeldner Spedition aus, dass „das ausschlaggebende Kriterium zur Bestimmung des Gebiets, dem eine Klage zuzurechnen ist, nicht der prozessuale Kontext darstellt, in dem diese Klage steht, sondern deren Rechtsgrundlage“. Der Gerichtshof fügte hinzu, dass nach diesem Ansatz zu prüfen ist, ob der zugrunde liegende Anspruch oder die Verpflichtung den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts entspringt oder aber abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren ( 29 ). |
52. |
Entgegen dem Ansatz im Urteil SCT Industri, in dem die zweite Prüfungsvoraussetzung hervorgehoben wurde, knüpft das Kriterium der Rechtsgrundlage der Klage somit offenbar an die erste der beiden Prüfungsvoraussetzungen an, nämlich daran, dass die Klage sich unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren herleitet. Im Urteil Nickel & Goeldner Spedition prüfte der Gerichtshof die in Rede stehende Klage dann auch anhand dieses Kriteriums und kam zu dem Schluss, dass sie keine direkte Verknüpfung mit dem Insolvenzverfahren aufwies, was zur Folge hatte, dass nicht geprüft zu werden brauchte, ob sie in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stand ( 30 ). |
53. |
In jüngerer Zeit hat der Gerichtshof entschieden, dass sowohl die Rechtsgrundlage als auch die Enge des Zusammenhangs ausschlaggebende Kriterien sind, das Erstere bei der Prüfung der ersten Voraussetzung (ob die Klage sich unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren herleitet) und das Letztere bei der Prüfung der zweiten Voraussetzung (ob die Klage mit diesem Verfahren in engem Zusammenhang steht) ( 31 ). |
54. |
Es mag somit nicht einfach zu bestimmen sein, welchen genauen Inhalt die Prüfungskriterien haben und wie sie anzuwenden sind. Die Vornahme der Prüfung bewegt sich zwischen zwei kumulativen Voraussetzungen (die allerdings eher unscharfe Konturen haben), wobei beide Voraussetzungen gelegentlich zu einer verschmolzen oder sogar durch ein anders formuliertes Kriterium ersetzt werden. |
55. |
Es lässt sich natürlich nicht bestreiten, dass die Auslegung und die Anwendung der Unionsvorschriften über das Internationale Privatrecht, wie es bei allen kollisionsrechtlichen Vorschriften der Fall ist, stets stark sachverhalts- und kontextabhängig sein werden und durch einen Einzelfallansatz gekennzeichnet sind. Es dürfte somit nicht wirklich angebracht nein, spitzfindige systematische Erwägungen in Bezug auf ein Rechtsgebiet anzustellen, dem stets eine Einzelfallkasuistik innewohnen wird: Am besten beurteilen lässt sich die Nähe der fraglichen Klage zum Insolvenzverfahren wohl im Rahmen des gesamten Verfahrenskontexts jeder einzelnen Rechtssache, was es ermöglicht, eine Reihe verschiedener (aber vermutlich gleichwohl relevanter) Gesichtspunkte einzubeziehen. |
56. |
So reizvoll ein solcher Vorschlag abstrakt auch sein mag, so deutlich zeigen die von den Beteiligten in der vorliegenden Rechtssache vorgetragenen Argumente die Grenzen dieses Ansatzes. Ohne Klärung der genauen Voraussetzung(en) und ihres Verhältnisses zueinander führt die Heranziehung eines Prüfungskriteriums der allgemeinen Nähe und/oder des Verfahrenskontexts dazu, dass jeder der Beteiligten (wie im Übrigen auch die nationalen Gerichte) sich auf einen anderen Aspekt einer Klage konzentriert und auf dieser Grundlage prüft, ob die Klage seiner Ansicht nach in hinreichend engem Zusammenhang mit dem laufenden Insolvenzverfahren steht. Selbstverständlich führt jeder dieser Ansätze, da die Prüfung von verschiedenen Gesichtspunkten ausgeht, zu ganz verschiedenen Ergebnissen, insbesondere bei einer hybriden Klage wie der des Ausgangsverfahrens. |
4. Die Prüfungskriterien: Rechtsgrundlage der Klage (es sei denn, sie steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren)
57. |
Ich würde daher vorschlagen, dass der Gerichtshof die im Wesentlichen seit dem Urteil Nickel & Goeldner Spedition angewendeten Prüfungskriterien bestätigt: Beruht der der Klage zugrunde liegende Anspruch oder die ihr zugrunde liegende Verpflichtung auf den allgemeinen Regeln des Zivil- und Handelsrechts oder auf abweichenden Sonderregeln für Insolvenzverfahren? Das ausschlaggebende Kriterium würde somit an den ersten Teil der Prüfung anknüpfen, nämlich daran, ob die Rechtsgrundlage der Klage sich unmittelbar aus insolvenzrechtlichen Bestimmungen herleitet ( 32 ). Die zweite Prüfungsvoraussetzung würde eher als Verifizierungsinstrument für das auf der Basis des ersten Teils gefundene Ergebnis dienen, nicht aber als vollwertiges eigenständiges Kriterium. |
58. |
Zur Beurteilung der Rechtsgrundlage der Klage ist ihre Natur im Sinne der Anspruchsgrundlage zu prüfen: Handelt es sich um eine Klage, die auf allgemeinen Regeln (z. B. delikts-, vertrags- oder bereicherungsrechtlichen Regeln) oder auf Sonderregeln für Insolvenzverfahren beruht? |
59. |
Der Prüfung, welche Rechtsgrundlage die Klage hat, liegt der Gedanke zugrunde, den Ursprung und die Natur der Klage im Sinne der (hauptsächlichen) materiell-rechtlichen Prüfung, die die Rechtssache erfordert, zu bestimmen. So hat beispielsweise eine Klage auf Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung ihre Rechtsgrundlage in den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, auch wenn sie von einem im Interesse der Gläubiger handelnden Konkursverwalter erhoben wird ( 33 ), was impliziert, dass der (etwaige) Erlös der Masse zufließt. Dasselbe gilt für eine Klage, die z. B. auf den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung oder, wie es im Ausgangsverfahren der Fall zu sein scheint, den Regeln über die unerlaubte Handlung beruht. |
60. |
In solchen Fällen bleibt das der Klage zugrunde liegende Wesen gleich, unabhängig davon, wer sie erhebt. Der Umstand, dass der Kläger oder Beklagte allein deshalb, weil die Klage während eines laufenden Insolvenzverfahrens erhoben wird, ein Konkursverwalter ist, lässt somit ihre (wesentliche oder ihr zugrunde liegende) Natur unberührt. Ihre Rechtsgrundlage bleibt unverändert ( 34 ). Dasselbe gilt für den Umstand, dass der Erlös aus der Klage der Masse zufließt: Wenn dies lediglich daraus folgt, dass die Klage während eines laufenden Insolvenzverfahrens erhoben wird, ist es für ihre Natur ohne Bedeutung. |
61. |
Diese beiden Änderungen am „input“ der Klage (von wem oder gegen wen wird sie erhoben) oder an ihrem „output“ (wohin fließt der Erlös) sind natürliche und notwendige Konsequenzen des Vorliegens eines laufenden Insolvenzverfahrens, ändern aber als solche nichts an der Natur der vom Konkursverwalter erhobenen Klage. Könnte deswegen anstelle der Brüssel‑I-Verordnung die Insolvenzverordnung zur Anwendung kommen, würde dies für nahezu alles gelten, was sich während eines laufenden Insolvenzverfahrens ereignet. Es würde sich ein „schwarzes Loch der Insolvenz“ öffnen: Weil die Rechtshandlung von einem Konkursverwalter vorgenommen wird, der aufgrund von Sonderregeln für die Insolvenz handelt, und das Geld aus der Masse stammt oder ihr zufließt, was ebenfalls an Sonderregeln für die Insolvenz liegt, würde letztlich alles und jedes, was innerhalb dieser beiden Parameter geschieht, unter die Insolvenzverordnung fallen. |
62. |
So schließt beispielsweise ein Konkursverwalter einen Vertrag über die Lieferung von Büromaterial, das er zur Ausübung seiner beruflichen Pflichten benötigt, im Zusammenhang mit den Aufgaben ab, die ihm durch die Sonderregeln für die Insolvenz übertragen werden, und handelt dabei im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger. Überdies wird der Kaufpreis (letztlich) aus der verbleibenden Masse gezahlt. Dies bedeutet jedoch sicher nicht, dass eine in einem Rechtsstreit über die Umsetzung dieses Vertrags erhobene Klage auf den speziellen Ausnahmevorschriften für Insolvenzverfahren beruht. Der einem solchen Geschäft zugrunde liegende Hauptanspruch bleibt eindeutig vertraglicher Art. |
63. |
Darüber hinaus ist es die Rechtsgrundlage des Anspruchs (die Regeln, nach denen sich richtet, ob er besteht), die Gegenstand der Prüfung ist, und weder der wirtschaftliche oder finanzielle Grund hinter dem Geschäft (etwa warum ein Vertrag geschlossen wurde oder was ein bestimmtes Verhalten, das letztlich einen Schaden verursacht hat, ursprünglich ausgelöst hat) noch, im besonderen Kontext der unerlaubten Handlung, die Frage, gegen welche Regeln genau (angeblich) verstoßen wurde. |
64. |
Ein weiteres Beispiel: Angenommen, ein Konkursverwalter verursacht einen Autounfall, während er sich auf dem Weg zu einem Treffen mit Gläubigern befindet (weil er mit seinen Gedanken bei dem laufenden Insolvenzverfahren ist, statt sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren). Wenn ein Geschädigter den Konkursverwalter verklagen möchte, wäre die Forderung eindeutig deliktischer Natur, auch wenn man in gewisser Hinsicht wohl sagen könnte, dass der Konkursverwalter wegen und während der Wahrnehmung der ihm durch besondere Insolvenzregeln übertragenen Aufgaben in den Unfall verwickelt war. |
65. |
Aus diesem Blickwinkel wird klar, dass der zweite Teil der vom Gerichtshof verwendeten Formulierung, nämlich ob die Klage in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht, kein wirklich eigenständiges Kriterium ist, sondern eher ein zusätzlicher Gesichtspunkt bei der Verifizierung des Schlüsselkriteriums, nämlich der Rechtsgrundlage. Anhand des Kriteriums des engen Zusammenhangs lässt sich somit feststellen, ob die Prüfung anhand der Rechtsgrundlage zutreffend ist. Es gestattet nämlich die Einbeziehung weiterer Elemente des Kontexts, die in recht speziellen Fällen auf ein anderes als das mittels des Kriteriums der Rechtsgrundlage ermittelten Ergebnisses hinweisen könnten. |
66. |
In den meisten Fällen wird das Vorliegen eines engen Zusammenhangs mit dem Insolvenzverfahren durch eine recht einfache Frage verifiziert werden können: Könnte dieselbe Klage – d. h. eine Klage derselben Rechtsnatur, die aber natürlich nicht in allen Aspekten identisch wäre – außerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens erhoben werden? Ist dies zu bejahen, wird es wahrscheinlich keinen engen Zusammenhang geben, der etwas an der Beurteilung im Rahmen des ersten, der Rechtsnatur der Klage gewidmeten Teils der Prüfung ändern könnte. |
67. |
Bei dieser Sichtweise ist unter dem engen Zusammenhang eher eine untrennbare Verbindung zu verstehen. Es läuft auf eine „nur-wegen“-Prüfung hinaus: Kann eine entsprechende Klage (die wie gesagt nicht unter allen Verfahrensaspekten identisch ist, sondern nur in ihrer Rechtsnatur) neben oder unabhängig von einem Insolvenzverfahren erhoben werden, bestätigt dies, dass keine untrennbare Verbindung zwischen ihr und dem Insolvenzverfahren besteht. |
68. |
Eine solche Prüfung ermöglicht eine weitere Bestätigung der Unerheblichkeit der vorgenannten „input“- oder „output“-Elemente einer Klage, soweit sie lediglich auf das Vorliegen laufender Insolvenzverfahren zurückzuführen sind. Umgekehrt kann die Antwort anders ausfallen, wenn eine konkrete Klage nur vom oder gegen den Konkursverwalter erhoben werden kann oder wenn sie voraussetzt, dass zuvor ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. |
69. |
Schließlich ist nicht völlig auszuschließen, dass die Verifizierung anhand des engen Zusammenhangs in ganz seltenen Fällen das Ergebnis der Prüfung anhand der Rechtsgrundlage außer Kraft setzen könnte. Dies könnte geschehen, wenn eine bestimmte Klage zwar grundsätzlich auf allgemeinen Regeln beruht, aber durch eine Vielzahl abweichender Sonderregeln z. B. in Bezug auf den Gegenstand der Forderung, die Beweislast oder die Verjährungsfrist gekennzeichnet ist, die sich von der allgemeinen Regelung so stark unterscheiden, dass sie der Sache nach auf eine gesonderte Spezialregelung hinausläuft, die diese Klage im Ergebnis in den Bereich der Insolvenz verlagern könnte. Um es metaphorisch auszudrücken, wenn der Zeichnung eines Pferdes immer mehr spezielle Elemente hinzugefügt werden, wird das unweigerlich bedeuten, dass sich das dargestellte Tier an einem bestimmten Punkt in ein Kamel, einen Elefanten oder etwas anderes verwandeln wird. |
70. |
Bei der Vornahme der Prüfung und insbesondere bei dem soeben dargestellten zweiten Schritt der Verifizierung besteht der generelle Ansatz jedoch in dem wiederholt festgestellten Erfordernis einer engen Auslegung der die Insolvenz betreffenden Ausnahme in der Brüssel‑I-Verordnung ( 35 ). Unterstrichen wird dies auch dadurch, dass die Heranziehung dieser Ausnahme nicht nur zu einer Entscheidung über die internationale Zuständigkeit führen, sondern sich auch auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts auswirken dürfte, wie meine nachfolgenden Antworten auf die übrigen Fragen des vorlegenden Gerichts zeigen werden. |
5. Die Peeters/Gatzen-Klage
71. |
Speziell bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Peeters/Gatzen-Klage wäre es Sache des vorlegenden Gerichts – dem die recht komplexen nationalen Verfahrensvorschriften bekannt sind –, meine oben angestellten Erwägungen auf dieses Verfahrensinstrument anzuwenden und dadurch zu klären, welche der beiden fraglichen Verordnungen auf die vorliegende Klage anwendbar ist. |
72. |
Angesichts der in der Vorlageentscheidung dargestellten Hauptmerkmale der Peeters/Gatzen-Klage ist eine solche Klage, wenn man sie anhand ihrer Rechtsnatur im soeben skizzierten Sinne beurteilt, meines Erachtens jedoch eine Klage aus unerlaubter Handlung. Ich meine daher, dass sie nicht unter die Ausnahme in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Brüssel‑I-Verordnung fällt, sondern in ihrem Anwendungsbereich verbleibt. |
73. |
In der Vorlageentscheidung heißt es, dass die mit der Peeters/Gatzen-Klage geltend gemachte Forderung auf den allgemeinen Regeln des Zivilrechts beruhe, und zwar den Vorschriften über unerlaubte Handlungen. Nach einem Urteil des vorlegenden Gerichts vom 24. April 2009 ( 36 ) soll sie auf dem Schaden beruhen, der den Gläubigern durch das Handeln des Konkursschuldners und des Dritten entstanden sei. Eine solche Klage betrifft das Klagerecht der Gläubiger und die Haftung des Dritten gegenüber den Gläubigern. Auch wenn sie somit einige insolvenzspezifische Merkmale aufweist, ändert dies nichts daran, dass sie sich aus einer unerlaubten Handlung herleitet. |
74. |
Die vom Konkursverwalter gegen Fortis erhobene Forderung dürfte daher deliktischer Natur sein: Sie beruht darauf, dass die Bank ihre gesetzlichen Pflichten bei der Überwachung und Unterbindung von Barabhebungen verletzt haben soll, wodurch den Gläubigern ein Schaden entstanden sei (erster Teil der Prüfung). Keines der angegebenen speziellen Merkmale der Peeters/Gatzen-Klage reicht aus, um einen so engen Zusammenhang zwischen einer Klage wie der des Ausgangsverfahrens und dem Insolvenzverfahren herzustellen, dass die deliktische Natur der Forderung außer Kraft gesetzt würde (zweiter Teil der Prüfung). |
75. |
Das vorlegende Gericht erwähnt in der ersten Frage drei solche spezielle Merkmale. |
76. |
Erstens führt das vorlegende Gericht aus, dass die Peeters/Gatzen-Klage von einem Konkursverwalter aufgrund einer ihm durch die nationalen Insolvenzvorschriften übertragenen Aufgabe erhoben werde, nämlich der Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse im Namen und im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger. Dies ist als solches nicht entscheidend, weil praktisch alle Klagen eines Konkursverwalters auf der Grundlage der in Insolvenzvorschriften vorgesehenen Aufgaben und zur Verwaltung und Liquidation der Masse im Namen und im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger erhoben werden. Wie schon zuvor in den Nrn. 61 bis 64 erörtert, würde, wenn dies ein maßgebender Gesichtspunkt wäre, jede von einem Konkursverwalter in seiner offiziellen Eigenschaft erhobene Klage unabhängig von ihrer Rechtsnatur in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung fallen. |
77. |
Zweitens gibt das vorlegende Gericht an, dass der Konkursverwalter bei einer Peeters/Gatzen-Klage die Forderung darauf stütze, dass sich der Dritte gegenüber den Gläubigern rechtswidrig verhalten habe. Dieser Gesichtspunkt kann meines Erachtens nicht die Annahme eines engen Zusammenhangs dieser Klageart mit dem Insolvenzverfahren rechtfertigen. Mir scheint er vielmehr zu unterstreichen, dass die Peeters/Gatzen-Klage tatsächlich deliktischer Natur ist. |
78. |
Drittens hebt das vorlegende Gericht hervor, dass der Erlös der Klage der Masse zufließe. Auch dies ist, wie in den Nrn. 61 bis 64 erläutert, kein entscheidender Gesichtspunkt, weil die Insolvenzverordnung dann auf fast alle von einem Konkursverwalter erhobenen Klagen anwendbar wäre. Der Erlös solcher Klagen fließt nämlich in aller Regel in die Masse, da Gläubiger, die Anspruch auf den Erlös aus einer konkreten Klage haben, im Insolvenzverfahren die Ausnahme und nicht die Regel sind. |
79. |
Über diese in der ersten Frage genannten Gesichtspunkte hinaus werden in der Vorlageentscheidung noch zwei weitere Gesichtspunkte erwähnt, die für diese Klageart charakteristisch sind und auch in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden. |
80. |
Der erste zusätzliche Gesichtspunkt ergibt sich aus einem Urteil vom 21. Dezember 2001 ( 37 ), in dem das vorlegende Gericht entschied, dass einzelne Gläubiger durch die Peeters/Gatzen-Klage zwar nicht gehindert seien, im eigenen Namen Klage zu erheben; erhebe ein einzelner Gläubiger eine solche Klage, könne das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Konkursabwicklung aber dazu führen, dass zunächst über die Peeters/Gatzen-Klage entschieden werde. |
81. |
Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich in der Tat ein Zusammenhang zwischen dieser speziellen Klageart und dem Insolvenzverfahren, sollte die (potenzielle) bevorzugte Behandlung der Peeters/Gatzen-Klage auf der Existenz dieses Verfahrens beruhen. Mir erscheint dieser Zusammenhang jedoch nicht so eng, dass er die aufgrund der Natur der Forderung vorgenommene Beurteilung außer Kraft setzten könnte, denn diese bevorzugte Behandlung wird offenbar nicht automatisch gewährt: Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts „kann“ zunächst über die Peeters/Gatzen-Klage zu entscheiden sein, wenn es parallele Individualklagen gibt. |
82. |
Der zweite in der Vorlageentscheidung hervorgehobene zusätzliche Gesichtspunkt besteht darin, dass nach einem Urteil des vorlegenden Gerichts vom 23. Dezember 1994 ( 38 ) die Position der Gläubiger im Rahmen einer Peeters/Gatzen-Klage zusammen geprüft wird, um den ihnen gemeinsam entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Dritte kann daher Verteidigungsmittel, die er möglicherweise gegen einzelne Gläubiger gehabt hätte, nicht geltend machen. |
83. |
Dieses Merkmal leitet sich meines Erachtens eher aus der kollektiven Natur der Peeters/Gatzen-Klage ab als aus ihrem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren ( 39 ). Gleichwohl könnte man sagen, dass diese Beschränkung der verfügbaren Verteidigungsmittel letztlich insofern im Interesse des Insolvenzverfahrens ist, als sie die Effizienz einer Klage erhöht, die im Erfolgsfall dazu führen wird, dass sich das Massevermögen vergrößert. Ein solches eher beiläufiges oder ergänzendes Merkmal der Peeters/Gatzen-Klage dürfte jedoch keinen hinreichend engen Zusammenhang zwischen ihr und dem Insolvenzverfahren herstellen, der eine Abkehr von dem aufgrund der Prüfung ihrer Natur gefundenen allgemeinen Ergebnis zuließe. |
84. |
Aus allen vorgenannten Gründen fällt meines Erachtens eine auf den allgemeinen Regeln des Zivilrechts beruhende Schadensersatzklage, die ein Konkursverwalter aufgrund seiner nach dem nationalen Insolvenzrecht bestehenden Verpflichtung zur Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger gegen einen Dritten erhebt, die auf ein rechtswidriges Handeln des Dritten gegenüber den Gläubigern gestützt wird und deren Erlös der Masse zufließt, in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung. |
B. Zweite Frage und erster Teil der dritten Frage: Anwendungsbereich der lex fori concursus nach der Insolvenzverordnung
85. |
Die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts bedürfen nur dann der Erörterung, wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommt, dass die Peeters/Gatzen-Klage in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung fällt. Da dies nach der von mir vorgeschlagenen negativen Antwort auf diese Frage nicht der Fall ist, bedürfen die zweite und die dritte Frage meines Erachtens keiner Prüfung mehr. Um den Gerichtshof jedoch für den Fall, dass er bei der ersten Frage zu einem anderen Ergebnis gelangen sollte, umfassend zu unterstützen, werde ich im verbleibenden Teil der vorliegenden Schlussanträge kurz auf sie eingehen. |
86. |
Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich bei der Peeters/Gatzen-Klage, falls sie unter die Insolvenzverordnung fällt, nach deren Art. 4 Abs. 1 sowohl die Befugnis des Verwalters zu ihrer Erhebung als auch das auf sie anwendbare materielle Recht nach dem Recht des Mitgliedstaats richten, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. |
87. |
Mit dieser Frage soll geklärt werden, ob dem Ansatz gefolgt werden kann, den im Ausgangsverfahren das Gericht des zweiten Rechtszugs gewählt hat, d. h., das für die Befugnisse des Verwalters geltende Recht (ius agendi) von dem für die Begründetheit der Klage geltenden Recht zu trennen. Würde diesem Ansatz gefolgt, würde für die Befugnisse des Konkursverwalters nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Insolvenzverordnung die lex fori concursus (also niederländisches Recht) gelten. Dort heißt es: „Das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung regelt … insbesondere … die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters“. Für die Begründetheit der Klage würde indes das nach den allgemeinen (nicht die Insolvenz betreffenden) Kollisionsregeln anwendbare Recht gelten. In der vorliegenden Rechtssache würde dies zur Anwendung der niederländischen Kollisionsregeln führen, weil die Rom‑II-Verordnung zeitlich nicht anwendbar ist (siehe unten, Abschnitt C). Dann käme nach den Angaben in der Vorlageentscheidung Art. 3 WCOD zur Anwendung, wonach über die Forderung nach belgischem Recht zu entscheiden wäre, da die Handlungen von Fortis in Belgien stattfanden. |
88. |
Eine solche Aufspaltung des für jeden Bestandteil der Klage geltenden Rechts erscheint mir problematisch ( 40 ). |
89. |
Erstens heißt es, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat ( 41 ), im 23. Erwägungsgrund der Insolvenzverordnung, dass sie „für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren [sollte], die die Vorschriften des internationalen Privatrechts der einzelnen Staaten ersetzen“. Weiter heißt es dort: „Die lex concursus regelt alle verfahrensrechtlichen wie materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsverhältnisse …“ ( 42 ). Wenn die Peeters/Gatzen-Klage unter die Insolvenzverordnung fiele, würden daher für alle ihre Teile ausschließlich die Kollisionsregeln dieser Verordnung gelten. |
90. |
Zweitens scheint klar zu sein, dass nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 4 der Insolvenzverordnung, als Grundregel, eine Identität von forum und ius hergestellt werden soll, d. h. eine Entsprechung zwischen den international zuständigen Gerichten und dem auf das Insolvenzverfahren anwendbaren Recht. Ihr Art. 4 Abs. 1 sieht nämlich vor: „Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren eröffnet wird …“ ( 43 ). Die Verordnung enthält meines Erachtens keine Ausnahme, die die Anwendung eines anderen Rechts als der lex fori concursus auf die Begründetheit einer mit der Peeters/Gatzen-Klage geltend gemachten Forderung rechtfertigen könnte, sofern für sie die Insolvenzverordnung gilt. |
91. |
Für den Fall, dass keine Aufspaltung des auf die Klage anwendbaren Rechts möglich ist, möchte das vorlegende Gericht mit dem ersten Teil der dritten Frage wissen, ob das belgische Recht in anderer Weise berücksichtigt werden kann. Es fragt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, die Bestimmungen von Art. 13 der Insolvenzverordnung berücksichtigen können, so dass sich der Beklagte gegen eine Peeters/Gatzen-Klage verteidigen kann, indem er nachweist, dass sein Verhalten nicht zu seiner Haftung führen würde, wenn es nach dem Recht beurteilt würde, das für eine von einem einzelnen Gläubiger und nicht vom Konkursverwalter erhobene Forderung aus unerlaubter Handlung gegolten hätte (nämlich nach belgischem Recht). |
92. |
Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. m der Insolvenzverordnung regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung insbesondere, „welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen“. |
93. |
Art. 13 sieht wiederum vor, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. m „keine Anwendung [findet], wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, [i] dass für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und [ii] dass in diesem Fall diese Handlung in keiner Weise nach diesem Recht angreifbar ist“. Art. 13 kann daher nur in Fällen anwendbar sein, in denen Art. 4 Abs. 2 Buchst. m selbst anwendbar ist. |
94. |
Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Peeters/Gatzen-Klage lässt sich kaum zu den „Rechtshandlungen[, die] nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen“, im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. m der Insolvenzverordnung zählen. Eine solche Klage bezweckt nicht die Feststellung der Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder relativen Unwirksamkeit einer Handlung des Dritten, sondern den Ersatz von Schäden aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens des Dritten gegenüber den Gläubigern. Da Art. 4 Abs. 2 Buchst. m der Verordnung somit im Ausgangsverfahren keine Anwendung fände, könnte auch die Ausnahme in Art. 13 keine Anwendung finden. |
95. |
Ein weiteres Hindernis für die Anwendbarkeit von Art. 13 dürfte sich aus seinem Wortlaut und Zweck ergeben. Nach seinem Wortlaut bezieht er sich auf „die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde“ (Hervorhebung nur hier). In Bezug auf seinen Zweck hat der Gerichtshof entschieden, dass die Ausnahme in Art. 13, die eng auszulegen ist ( 44 ), „das berechtigte Vertrauen der Person schützen [soll], die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, indem [sie] vorsieht, dass diese Handlung auch nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens weiterhin dem Recht unterliegt, das für sie zum Zeitpunkt ihrer Vornahme galt …“ ( 45 ). |
96. |
In der vorliegenden Rechtssache ist für mich keine Handlung ersichtlich, durch die Fortis begünstigt wurde und die zum Schutz eines berechtigten Vertrauens von Fortis aufrechterhalten werden müsste. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die eng auszulegende Ausnahme in Art. 13 der Insolvenzverordnung im Ausgangsverfahren anwendbar ist. |
97. |
Folglich würde für die Peeters/Gatzen-Klage, sofern sie in den Anwendungsbereich der Insolvenzverordnung fiele, ausschließlich die lex fori concursus gelten. Überdies kann die Berücksichtigung eines anderen Rechts nicht auf Art. 13 der Verordnung gestützt werden. |
98. |
Ergänzend ließe sich hinzufügen, dass die Erörterung im vorliegenden Abschnitt meines Erachtens erneut bestätigt, dass die Anwendbarkeit der Insolvenzverordnung auf die Peeters/Gatzen-Klage in der korrekten Antwort auf die erste Frage zu Recht verneint worden ist. Wenn sie nämlich in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fiele, würde dies bedeuten, dass auf die angebliche unerlaubte Handlung nicht das belgische Recht (das Recht des Ortes, an dem sie stattgefunden haben soll) anwendbar wäre, sondern das niederländische Recht (das Recht des Ortes, an dem später das Insolvenzverfahren gegen die Person eröffnet wurde, die durch die unerlaubte Handlung begünstigt worden sein soll). Dies würde, wie die Erörterung im vorliegenden Abschnitt zeigt, dazu führen, dass in der Praxis eine recht künstliche und schwerfällige rechtliche Konstruktion notwendig würde, um von der Anwendung der allgemeinen Regeln der Insolvenzverordnung wegzukommen, was gewiss die Frage aufwirft, warum diese Regeln dann überhaupt anwendbar sein sollten. Das Erfordernis solcher Anstrengungen bestätigt vielmehr, dass es tatsächlich keinen engen und notwendigen Zusammenhang zwischen dieser Klage und dem Insolvenzverfahren gibt. |
C. Zweiter Teil der dritten Frage: Rom‑II-Verordnung
99. |
Mit dem zweiten Teil der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass für die Peeters/Gatzen-Klage ausschließlich die lex fori concursus gilt, wissen, ob nach Art. 17 der Rom‑II-Verordnung in Verbindung mit Art. 13 der Insolvenzverordnung die am Ort der behaupteten unerlaubten Handlung (d. h. in Belgien) geltenden Sicherheits- und Verhaltensregeln, etwa finanzielle Verhaltensregeln für Banken, unmittelbar oder zumindest entsprechend berücksichtigt werden können. |
100. |
Meines Wissens ist Art. 17 der Rom‑II-Verordnung noch nie vom Gerichtshof ausgelegt worden. Nach dieser Vorschrift können bei der Beurteilung des Verhaltens der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, die Sicherheits- und Verhaltensregeln, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft waren, berücksichtigt (und nicht angewendet) werden, und zwar faktisch (und nicht als Rechtsnorm) und soweit angemessen (also wohl mit einem gewissen Spielraum für den Richter). |
101. |
Um Art. 17 der Rom‑II-Verordnung im Ausgangsverfahren anwenden zu können, müsste sie zeitlich anwendbar sein. Es trifft zu, dass die Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Rom‑II-Verordnung anhand ihrer Art. 31 und 32 nicht klar auf der Hand liegt. Der Gerichtshof hat jedoch im Urteil Homawoo klargestellt, dass diese Bestimmungen dahin auszulegen sind, dass ein nationales Gericht die Verordnung nur auf schadensbegründende Ereignisse anwenden darf, die ab dem11. Januar 2009eingetreten sind. Der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, in dem Schadensersatz begehrt wird, hat keinen Einfluss auf die Festlegung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Verordnung ( 46 ). |
102. |
Daher kann Art. 17 der Rom‑II-Verordnung meines Erachtens im Licht des Urteils Homawoo – und ohne dass geprüft werden müsste, ob finanzielle Verhaltensregeln für Banken unter den Begriff „Sicherheits- und Verhaltensregeln“ fallen – im Ausgangsverfahren keine Anwendung finden. |
103. |
Schließlich fragt das vorlegende Gericht danach, ob Art. 17 der Rom‑II-Verordnung (sowie Art. 13 der Insolvenzverordnung) in der vorliegenden Rechtssache entsprechend berücksichtigt werden können. Es ist zwar sicher richtig, dass jede Unionsvorschrift oder jeder unionsrechtliche Grundsatz, unabhängig davon, ob sie in Kraft sind oder nicht und ob sie Rechtswirkungen entfalten oder nicht, potenziell von einem nationalen Gericht entsprechend berücksichtigt werden kann, soweit seine nationalen Auslegungs- und Anwendungsregeln dies zulassen ( 47 ) und soweit der nationale Richter eine solche fakultative Orientierung am Unionsrecht zur Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache für sachgerecht hält. |
104. |
Relevanter ist jedoch meines Erachtens wiederum ( 48 ) die Frage, ob es wirklich erforderlich ist, auf eine schwerfällige rechtliche Konstruktion zurückzugreifen, hier auf die entsprechende Anwendung von Regeln außerhalb ihres sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs, um zu einem Ergebnis zu gelangen (der Anwendung belgischen Rechts), das ein Problem löst (die Anwendbarkeit niederländischen Rechts aufgrund der Insolvenzverordnung), das gar nicht erst hätte entstehen sollen (da die hier in Rede stehende Peeters/Gatzen-Klage in den Anwendungsbereich der Brüssel‑I-Verordnung fallen sollte). Jedenfalls sprechen diese Fragen des vorlegenden Gerichts meines Erachtens wiederum dafür, dass es keinen engen Zusammenhang zwischen dieser Klage und dem Insolvenzverfahren gibt. |
V. Ergebnis
105. |
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) wie folgt zu beantworten: Eine auf den allgemeinen Regeln des Zivilrechts beruhende Schadensersatzklage wie die des Ausgangsverfahrens, die ein Konkursverwalter aufgrund seiner nach dem nationalen Insolvenzrecht bestehenden Verpflichtung zur Verwaltung und Liquidation der Konkursmasse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger gegen einen Dritten erhebt, die auf ein rechtswidriges Handeln des Dritten gegenüber den Gläubigern gestützt wird und deren Erlös der Masse zufließt, fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. |
( 1 ) Originalsprache: Englisch.
( 2 ) ABl. 2000, L 160, S. 1.
( 3 ) ABl. 2001, L 12, S. 1.
( 4 ) ABl. 2007, L 199, S. 40.
( 5 ) ECLI:NL:HR:1983:AG4521, NJ 1983/597.
( 6 ) Das vorlegende Gericht führt seine Urteile vom 23. Dezember 1994 (ECLI:NL:HR:1994:ZC1590, NJ 1996/628), vom 21. Dezember 2001 (ECLI:NL:HR:2001:AD2684, NJ 2005/95), vom 16. September 2005 (ECLI:NL:HR:2005:AT7797, NJ 2006/311) und vom 24. April 2009 (ECLI:NL:HR:2009:BF3917, NJ 2009/416) an.
( 7 ) C‑157/13, EU:C:2014:2145.
( 8 ) C‑649/13, EU:C:2015:384.
( 9 ) Vgl. Urteile vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 21), vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. (C‑649/13, EU:C:2015:384, Rn. 26), und vom 9. November 2017, Tünkers France und Tünkers Maschinenbau (C‑641/16, EU:C:2017:847, Rn. 17). Vgl. auch, zur Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1, im Folgenden: Brüssel‑Ia-Verordnung), Urteil vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 24).
( 10 ) Vgl. Urteile vom 10. September 2009, German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 22 und 23), und vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 22). Vgl. auch Urteil vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 25).
( 11 ) Vgl. Urteile vom 10. September 2009, German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 25), und vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 22). Vgl. auch Urteil vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 25).
( 12 ) Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32).
( 13 ) Vgl. Urteile vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78, EU:C:1979:49, Rn. 3), und vom 2. Juli 2009, SCT Industri (C‑111/08, EU:C:2009:419, Rn. 20).
( 14 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2012, F‑Tex (C‑213/10, EU:C:2012:215, Rn. 21).
( 15 ) Vgl. den Bericht von P. Jenard zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1979, C 59, S. 1, auf S. 11 und 12). Vgl. ferner den Bericht von P. Schlosser über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof (ABl. 1979, C 59, S. 71, Rn. 53).
( 16 ) Am 23. November 1995 zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegt.
( 17 ) Urteil vom 19. April 2012, F‑Tex (C‑213/10, EU:C:2012:215, Rn. 24).
( 18 ) Diese Klagen werden im Urteil vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. (C‑649/13, EU:C:2015:384), als „Annexverfahren“ bezeichnet.
( 19 ) Zur entsprechenden Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens, nämlich Art. 1 Abs. 2 Buchst. b, vgl. Urteile vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78, EU:C:1979:49, Rn. 4), und vom 12. Februar 2009, Seagon (C‑339/07, EU:C:2009:83, Rn. 19). Zur Brüssel‑I-Verordnung vgl. Urteile vom 19. April 2012, F‑Tex (C‑213/10, EU:C:2012:215, Rn. 29), vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 23), und vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. (C‑649/13, EU:C:2015:384, Rn. 27). Zur Brüssel‑Ia-Verordnung vgl. Urteil vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 26).
( 20 ) Urteile vom 19. April 2012, F‑Tex (C‑213/10, EU:C:2012:215, Rn. 29), vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 23), vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. (C‑649/13, EU:C:2015:384, Rn. 27), oder vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 21 ) Urteil vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78, EU:C:1979:49, Rn. 4).
( 22 ) Urteile vom 12. Februar 2009, Seagon (C‑339/07, EU:C:2009:83, Rn. 20), vom 9. November 2017, Tünkers France und Tünkers Maschinenbau (C‑641/16, EU:C:2017:847, Rn. 20), und vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 27).
( 23 ) Vgl. Urteil vom 12. Februar 2009, Seagon (C‑339/07, EU:C:2009:83, Rn. 25).
( 24 ) Urteil vom 12. Februar 2009, Seagon (C‑339/07, EU:C:2009:83, Rn. 21). Diese Regel wurde später in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (ABl. 2015, L 141, S. 19) kodifiziert, mit der die Insolvenzverordnung aufgehoben wurde; sie ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf die vorliegende Rechtssache anwendbar. Diese Bestimmung lautet: „Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren nach Artikel 3 eröffnet worden ist, sind zuständig für alle Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen, wie beispielsweise Anfechtungsklagen.“
( 25 ) Vgl. Urteil vom 19. April 2012, F‑Tex (C‑213/10, EU:C:2012:215, Rn. 47 und 48).
( 26 ) Vgl. Urteil vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 30 und 31).
( 27 ) Vgl. Urteil vom 9. November 2017, Tünkers France und Tünkers Maschinenbau (C‑641/16, EU:C:2017:847, Rn. 22, 27 und 28).
( 28 ) Urteil vom 2. Juli 2009, SCT Industri (C‑111/08, EU:C:2009:419, Rn. 21 und 25) (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Urteil vom 10. September 2009, German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 29).
( 29 ) Vgl. Urteil vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 27) (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Urteil vom 11. Juni 2015, Comité d’entreprise de Nortel Networks u. a. (C‑649/13, EU:C:2015:384, Rn. 28), und aus jüngerer Zeit Urteil vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 30 ) Urteil vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 30 und 31). Insoweit ist der Hinweis von Interesse, dass der Begriff „Rechtsgrundlage“ bereits im Urteil Gourdain erwähnt wurde, dort allerdings bezogen auf beide Teile der Prüfung; vgl. Urteil vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78, EU:C:1979:49, Rn. 4).
( 31 ) Vgl. Urteile vom 9. November 2017, Tünkers France und Tünkers Maschinenbau (C‑641/16, EU:C:2017:847, Rn. 22 und 28), und vom 20. Dezember 2017, Valach u. a. (C‑649/16, EU:C:2017:986, Rn. 29 und 37).
( 32 ) Zur Bedeutung des Prüfungskriteriums der Rechtsgrundlage vgl. auch Virgós, M., und Schmit, E., Report on the Convention on Insolvency Proceedings vom 3. Mai 1996 (Dokument des Rates der Europäischen Union Nr. 6500/96, DRS 8 [CFC]), Nr. 196.
( 33 ) Urteil vom 4. September 2014, Nickel & Goeldner Spedition (C‑157/13, EU:C:2014:2145, Rn. 29).
( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, German Graphics Graphische Maschinen (C‑292/08, EU:C:2009:544, Rn. 32 und 33).
( 35 ) Siehe oben, Fn. 10 und 11.
( 36 ) ECLI:NL:HR:2009:BF3917, NJ 2009/416.
( 37 ) ECLI:NL:HR:2001:AD2684, NJ 2005/95.
( 38 ) ECLI:NL:HR:1994:ZC1590, NJ 1996/628.
( 39 ) Die effiziente Behandlung von Kollektivklagen schließt in der Regel eine individuelle Prüfung der Situation jedes einzelnen Klägers gegenüber dem Beklagten aus; vgl. z. B. zu niederländischen Kollektivklagen Bosters, T., Collective Redress and Private International Law in the EU, T.M.C. Asser Press, Den Haag, 2017, S. 38 und 39.
( 40 ) In der vom vorlegenden Gericht befürworteten Weise, d. h., wenn die Insolvenzverordnung für die Schadensersatzklage gegen Fortis, nicht aber für „alle Teilaspekte“ dieser Klage gelten soll. Klarstellen möchte ich indes, dass die Unanwendbarkeit der Insolvenzverordnung auf eine solche Klage natürlich nicht bedeutet, dass sie für die Bestimmung der Befugnisse des Verwalters im laufenden Insolvenzverfahren, u. a. die Frage der Klageberechtigung (für eine Klage aus unerlaubter Handlung) in einem anderen Mitgliedstaat, nicht relevant wäre.
( 41 ) Urteil vom 8. Juni 2017, Vinyls Italia (C‑54/16, EU:C:2017:433, Rn. 47).
( 42 ) Urteil vom 9. November 2016, ENEFI (C‑212/15, EU:C:2016:841, Rn. 17). Hervorhebung nur hier.
( 43 ) Zum Verhältnis zwischen den Art. 3 und 4 der Insolvenzverordnung vgl. Urteil vom 10. Dezember 2015, Kornhaas (C‑594/14, EU:C:2015:806, Rn. 17).
( 44 ) Urteil vom 15. Oktober 2015, Nike European Operations Netherlands (C‑310/14, EU:C:2015:690, Rn. 18).
( 45 ) Urteil vom 15. Oktober 2015, Nike European Operations Netherlands (C‑310/14, EU:C:2015:690, Rn. 19). Vgl. auch Urteil vom 8. Juni 2017, Vinyls Italia (C‑54/16, EU:C:2017:433, Rn. 30).
( 46 ) Urteil vom 17. November 2011, Homawoo (C‑412/10, EU:C:2011:747, Rn. 37).
( 47 ) Vgl., zur entsprechenden Heranziehung des Unionsrechts, Urteil vom 12. Dezember 1985, Krohn (165/84, EU:C:1985:507, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 48 ) Siehe oben, Nr. 98 der vorliegenden Schlussanträge.