Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62017CC0342

Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 21. Juni 2018.
Memoria Srl und Antonia Dall'Antonia gegen Comune di Padova.
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale per il Veneto.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens – Rein interner Sachverhalt – Nationale Regelung, die auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Urnenaufbewahrung verbietet – Verhältnismäßigkeitsprüfung – Kohärenz der nationalen Regelung.
Rechtssache C-342/17.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:479

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 21. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑342/17

Memoria Srl,

Antonia Dall’Antonia

gegen

Comune di Padova,

Beteiligte:

Alessandra Calore

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Veneto [Verwaltungsgericht für die Region Venetien, Italien])

„Vorabentscheidungsersuchen – Zulässigkeit – Rein innerstaatlicher Sachverhalt – Beschränkung der freien Niederlassung – Rechtsvorschrift, die gewinnbringende Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Urnenaufbewahrung verbietet“

1. 

Alle Zivilisationen standen aus den unterschiedlichsten Gründen (religiöser, kultureller, gesundheitlicher Art) vor der Frage des Umgangs mit den sterblichen Überresten ihrer Verstorbenen. Seit undenklichen Zeiten wählen viele von ihnen die Erdbestattung der Leichen (sit tibi terra levis) auf Friedhöfen, auf denen sie begraben werden und wo das Andenken an sie gepflegt wird. In den vergangenen Jahrhunderten wurden diese Orte normalerweise von öffentlichen, meist kommunalen Behörden verwaltet.

2. 

Die Einäscherung oder Verbrennung der Leichen wird jedoch immer üblicher. Je weiter die mehr oder weniger traditionellen Vorbehalte gegen diese Technik schwinden ( 2 ) und dementsprechend die (wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, raumspezifischen und sonstigen) Vorteile hervorgehoben werden, breitet sich das Verfahren der Einäscherung aus und kommen neue Fragen auf, wie z. B. die Frage nach der Aufbewahrung der Asche.

3. 

Im Zusammenhang mit einem Sterbefall werden die verschiedensten Bestattungsdienstleistungen im weiteren Sinne angeboten. Die meisten von ihnen werden von privaten Unternehmen durchgeführt, die die Angehörigen des Verstorbenen professionell unterstützen, insbesondere bei der Überführung der sterblichen Überreste vom Wohnsitz oder von der Trauerhalle aus sowie bei sonstigen mit den Trauerfeierlichkeiten vor der Beisetzung einhergehenden Aktivitäten und Formalitäten. Neben diesen Dienstleistungen gibt es noch die Bestattungsleistungen im engeren Sinne ( 3 ), die innerhalb des Friedhofs erfolgen und insbesondere die Einäscherung oder die Bestattung der Leiche oder Asche und die Aufbewahrung der sterblichen Überreste beinhalten ( 4 ). Diese Bestattungsleistungen im engeren Sinne werden in der Regel ausschließlich von öffentlichen, meist kommunalen Behörden durchgeführt.

4. 

In einigen Mitgliedstaaten wurden jedoch private Friedhöfe zugelassen, und in anderen (darunter auch Italien) wird die Verwaltung der öffentlichen Friedhöfe gewerblichen Unternehmen anvertraut. Es könnte in dieser Hinsicht von einer gewissen Privatisierung der Friedhöfe gesprochen werden, die nicht unumstritten ist und in deren Zusammenhang der „kulturelle Bruch“ betont wird, den solche Initiativen mit sich bringen. Bei dieser Auseinandersetzung vermischen sich anthropologische Erwägungen mit anderen Argumenten, die das Fortbestehen der öffentlichen Friedhöfe als Gemeingüter, die das historische Gedächtnis einer Gesellschaft widerspiegeln, verteidigen.

5. 

Beim vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geht es konkret um die Frage, ob die Gemeinde der italienischen Stadt Padua das Recht auf Aufbewahrung der aus den Einäscherungen resultierenden Asche für den Fall, dass sich die Familienangehörigen gegen eine Aufbewahrung zuhause entscheiden, Friedhöfen der Gemeinde vorbehalten kann.

6. 

Um dem vorlegenden Gericht antworten zu können, muss der Gerichtshof entscheiden, ob das Verbot der Aufbewahrung durch private Unternehmen mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Gegebenenfalls muss geprüft werden, welche Gründe die Beschränkung rechtfertigen könnten, wobei es sich um Gründe der öffentlichen Gesundheit (die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs sehr präsent sind) handeln könnte oder um Gründe der den Verstorbenen geschuldeten Pietät, über die sich der Gerichtshof, sofern ich mich nicht irre, noch nicht geäußert hat.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. AEUV

7.

Art. 49 AEUV regelt die Niederlassungsfreiheit:

„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.

Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“

8.

Art. 56 Abs. 1 AEUV behandelt den freien Dienstleistungsverkehr:

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“

2. Richtlinie 2006/123/EG ( 5 )

9.

Art. 1 lautet:

„(1)   Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.

(2)   Diese Richtlinie betrifft weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen.

(3)   Diese Richtlinie betrifft weder die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen noch von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.

…“

10.

Art. 2 bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.

(2)   Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

a)

nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse;

…“

B.   Nationales Recht

1. Gesetz Nr. 234/2012 ( 6 )

11.

Art. 53 legt fest, dass Vorschriften oder Praktiken des innerstaatlichen italienischen Rechts, die im Vergleich zu den durch die italienische Rechtsordnung garantierten Bedingungen für Unionsangehörige und zu deren Behandlung diskriminierende Wirkungen haben, auf italienische Staatsangehörige nicht anwendbar sind.

2. Gesetz Nr. 130/2001 ( 7 )

12.

Art. 3 lautet:

„1.   In den sechs Monaten nach der Verkündung dieses Gesetzes kann [die Verordnung von 1990] auf Vorschlag des Gesundheitsministeriums und nach Anhörung der Innen- und Justizministerien sowie nach Stellungnahme der zuständigen Ausschüsse des Parlaments auf der Grundlage der folgenden Prinzipien durch eine Verordnung, die in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 400 vom 23. August 1998 in seiner geänderten Fassung erlassen wird, geändert werden:

a)

b)

Die Genehmigung zur Einäscherung richtet sich nach dem zu Lebzeiten ausdrücklich erklärten oder von einem Familienangehörigen nach folgenden Bestimmungen geäußerten Willen des Verstorbenen:

c)

Das Verstreuen der Asche nach dem Willen des Verstorbenen ist nur auf einem für diesen Zweck reservierten Bereich des Friedhofs, in freier Natur oder auf einem privaten Grundstück möglich. Auf einem privaten Grundstück darf die Asche nur im Freien und mit Genehmigung des Eigentümers verstreut werden, und es darf keine Vergütung hierfür gezahlt werden. Auf jeden Fall ist das Verstreuen der Asche in bewohnten Gebieten verboten … Das Verstreuen im Meer, in Seen und in Fließgewässern ist nur in Bereichen ohne Schiffe und Bauwerke zulässig.

d)

Das Verstreuen der Asche erfolgt durch den Ehepartner oder einen anderen befugten Familienangehörigen, durch den Testamentsvollstrecker oder durch den gesetzlichen Vertreter der unter Buchst. b) Nr. 2 geregelten Vereinigung, der der Verstorbene angehörte, bzw.[,] falls diese nicht zur Verfügung stehen, durch eine zu diesem Zweck von der Gemeinde ernannte Person;

…;

f)

[s]ofern nicht von den Gesundheitsbehörden anders angeordnet, gelten für den Transport der Ascheurnen nicht die für den Leichentransport vorgesehenen vorbeugenden Gesundheitsmaßnahmen;

i)

Im Krematorium muss ein Warteraum bereitgestellt werden, um die Durchführung der Bestattungsriten und eine letzte würdevolle Ehrung des Verstorbenen zu ermöglichen.“

3. Königliches Dekret von 1934 ( 8 )

13.

Art. 343 lautet:

„Die Einäscherung der Leichen erfolgt nach Anhörung des Provinzarztes in einem vom Präfekten zugelassene[n] Krematorium. Die Gemeinde stellt das für den Bau des Krematoriums notwendige Grundstück kostenlos zur Verfügung. Die Ascheurnen mit den Überresten der Einäscherung können auf Friedhöfen, in juristischen Personen gehörenden Kapellen oder Tempeln oder in privaten Kolumbarien an einem stabilen und vor Schändung geschützten Ort aufgestellt werden.“

4. Verordnung über die Bestattungspolizei von 1990 ( 9 )

14.

Die Art. 90 bis 95 betreffen das Nutzungsrecht für private Grabstätten auf Friedhöfen. Art. 92 Abs. 4 verbietet die Übertragung des Nutzungsrechts für private Grabstätten an natürliche oder juristische Personen, die damit Gewinn erzielen oder Handel treiben möchten.

5. Regionalgesetz von Venetien für Bestattungen von 2010 ( 10 )

15.

Art. 1 Abs. 1 sieht vor:

„Das vorliegende Gesetz regelt die Aspekte des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bei Funktionen und Leistungen in Zusammenhang mit dem Tod von Personen unter Achtung der Würde, der religiösen und kulturellen Überzeugungen und des Rechts aller Menschen auf freie Wahl zwischen Erd- oder Feuerbestattung.“

16.

Art. 49 Abs. 2 bestimmt:

„Eine versiegelte Urne kann auf entsprechenden Antrag an die befugten Personen für die Aufbewahrung auf einem Friedhof, für die Aufbewahrung zuhause oder für die Verstreuung übergeben werden.“

6. Gemeindeverordnung von Padua über Bestattungsdienste ( 11 )

17.

Art. 52 („Aufbewahrung der Urnen in einer Wohnung“) lautet in seiner Neufassung durch Gemeindebeschluss Nr. 2015/0084:

„1.   Die Urne wird unter Beachtung der zu Lebzeiten erfolgten schriftlichen Anweisungen des Verstorbenen zur Aufbewahrung in einer Wohnung übergeben. Liegen solche Anweisungen nicht vor, kann die Übergabe zur Aufbewahrung vom Ehepartner oder, falls kein Ehepartner existiert, von dem nach Art. 74, 75, 76 und 77 des Zivilgesetzbuches bestimmten nächsten Verwandten bzw., falls es sich dabei um mehrere Personen handelt, von ihrer absoluten Mehrheit beantragt werden.

3.   In keinem Fall ist es dem Empfänger gestattet, die Aschenurne durch Dritte aufbewahren zu lassen. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich einen entsprechenden Wunsch geäußert hat.

4.   Der Empfänger darf die Urne ausschließlich bei sich zu Hause an einem vor Schändung oder Entwendung geschützten Ort aufbewahren. Auf keinen Fall dürfen Öffnungen oder Löcher an der Urne angebracht werden.

5.   Die Bestattungsdienste können den Verwahrer jederzeit auffordern, die Urne vorzuzeigen, um ihre Unversehrtheit und ihren Erhaltungszustand sicherzustellen.

9.   Es kann jederzeit gefordert werden, dass die zur Aufbewahrung übergebene Urne in einem Friedhof aufgestellt wird.

10.   Abgesehen von den in Abs. 4 genannten Voraussetzungen darf die Aufbewahrung von Aschenurnen auf keinen Fall der Gewinnerzielung dienen, so dass wirtschaftliche Tätigkeiten, die – ausschließlich oder nicht – die Aufbewahrung von Aschenurnen zu welchem Zweck und über welchen Zeitraum auch immer betreffen, verboten sind. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich einen entsprechenden Wunsch geäußert hat.“

II. Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

18.

Die Gesellschaft Memoria Srl wurde am 1. Dezember 2014 mit dem Ziel gegründet, der Allgemeinheit einen Urnenaufbewahrungsdienst anzubieten.

19.

Memoria Srl bot Familienangehörigen, deren Verstorbene eingeäschert wurden, die Möglichkeit, die Ascheurnen an einem anderen Ort als zuhause oder auf dem Friedhof aufzubewahren, um der verstorbenen Angehörigen zu gedenken. Nach Angaben des Unternehmens sollten diese Urnen in schönen, abgegrenzten und geschützten Räumlichkeiten, die für die Andacht, das Gebet und das Andenken an die Verstorbenen besonders geeignet sind, aufbewahrt werden. Die Familienangehörigen unterzeichneten zu diesem Zweck einen Vertrag zur Überlassung einer Nische (Kolumbarium), in der die Urne aufbewahrt wird.

20.

Ab September 2015 eröffnete Memoria Srl diese Begräbnisstätten, die sie „luoghi della memoria“ (Orte des Gedenkens) nannte und die in mehreren Vierteln der Stadt Padua lagen. Um Zugang zu diesen Räumlichkeiten zu erhalten, mussten die Familienangehörigen des Verstorbenen einen internen Verhaltenskodex annehmen, der die Einhaltung der Regeln der guten Erziehung, der Ordnung und der Würde und eine Pflicht zum Tragen angemessener Kleidung vorschrieb und den Genuss alkoholischer Getränke verbot.

21.

Frau Antonia Dall’Antonia war eine potenzielle Kundin der Memoria Srl, da sie die Einäscherung der Leiche ihres Ehemanns und die Aufbewahrung der Asche in einer dieser Räumlichkeiten plante.

22.

Am 30. November 2015 erließ der Consiglio Comunale di Padova (Gemeinderat von Padua) den Beschluss Nr. 2015/0084, mit dem die Gemeindeverordnung über Bestattungsdienste abgeändert wurde ( 12 ). Diese Änderung schloss die Möglichkeit aus, dass die Empfänger der Urnen private gewerbliche Dienste in Anspruch nehmen, die außerhalb des gewöhnlichen gemeindlichen Bestattungsdiensts und der Friedhöfe der Gemeinde erbracht werden.

23.

Am 15. Februar 2016 beantragten Memoria Srl und Frau Dall’Antonia beim Tribunale amministrativo regionale per il Veneto (Verwaltungsgericht für die Region Venetien, Italien) die Aufhebung des Beschlusses Nr. 2015/0084 des Gemeinderats von Padua sowie den Ersatz des von Memoria Srl erlittenen Schadens. Im Wesentlichen machen sie geltend, der Beschluss sei nicht mit dem Unionsrecht und insbesondere nicht mit den Grundsätzen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar.

24.

Das vorlegende Gericht äußert Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf eine Maßnahme, die nur in der Gemeinde Padua gilt und nicht die italienische Bevölkerung im Allgemeinen betrifft. Es ist weiterhin der Meinung, es lägen anscheinend keine Gründe der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit vor, die diese Beschränkung rechtfertigen könnten.

25.

Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Art. 49 und 56 AEUV dahin auszulegen, dass sie der Anwendung der folgenden Bestimmungen des Art. 52 der Verordnung über Bestattungsdienste der Gemeinde Padua entgegenstehen:

„In keinem Fall ist es dem Empfänger gestattet, die Aschenurne durch Dritte aufbewahren zu lassen. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich einen entsprechenden Wunsch geäußert hat (Abs. 3).

Der Empfänger darf die Urne ausschließlich bei sich zu Hause aufbewahren (Abs. 4).

In keinem Fall darf die Aufbewahrung von Aschenurnen der Gewinnerzielung dienen, so dass wirtschaftliche Tätigkeiten, die – ausschließlich oder nicht – die Aufbewahrung von Aschenurnen zu welchem Zweck und über welchen Zeitraum auch immer betreffen, verboten sind. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich einen entsprechenden Wunsch geäußert hat (Abs. 10).“?

26.

Memoria Srl, die Gemeinde Padua, die italienische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme der Gemeinde Padua haben sie alle an der mündlichen Verhandlung vom 16. April 2018 teilgenommen, bei der der Gerichtshof die Parteien aufgefordert hat, sich zu einer eventuellen Anwendung der Richtlinie 2006/123 zu äußern.

III. Prüfung der Vorlagefrage

27.

Das vorlegende Gericht bittet den Gerichtshof um Klärung, ob eine nationale Vorschrift, die die Erbringung eines Urnenaufbewahrungsdiensts durch private Unternehmen verbietet, mit den Art. 49 und 56 AEUV vereinbar ist.

28.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof, auch wenn das vorlegende Gericht den Wortlaut seiner Fragen auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts beschränkt hat, nicht gehindert, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können ( 13 ).

29.

Außerdem ist der Gerichtshof, der dazu aufgerufen ist, dem nationalen Gericht zweckdienliche Antworten zu geben, befugt, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben ( 14 ).

30.

Hiervon ausgehend ist aufgrund der Informationen aus der Vorlageentscheidung und der Diskussion während der mündlichen Verhandlung das Verbot der Urnenaufbewahrung durch private Unternehmen auch anhand der Richtlinie 2006/123 zu prüfen.

A.   Zur Zulässigkeit der Vorlagefrage

31.

Die italienische Regierung und die Gemeinde Padua lehnen die Zulässigkeit der Vorlagefrage im Wesentlichen ( 15 ) aus zwei Gründen ab: a) Es handele sich um einen rein innerstaatlichen Rechtsstreit ohne grenzüberschreitende Bezüge, und b) das vorlegende Gericht habe in seinen Beschluss nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben zum Rechtsstreit beigefügt, die für eine angemessene Antwort des Gerichtshofs erforderlich seien.

32.

Der erste Einwand besteht darin, dass das Ausgangsverfahren einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betreffe, der nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle: Eine italienische Gesellschaft führt einen Rechtsstreit gegen die Gemeinde Padua aufgrund der Anwendung einer nur in ihrem Gebiet geltenden Gemeindeverordnung. Es liege somit kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, und es stellten sich auch keine Fragen zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts ( 16 ).

33.

Angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu rein innerstaatlichen Sachverhalten, wie sie vor Kurzem im Urteil Ullens de Schooten ( 17 ) systematisiert wurde, ist dieser Einwand abzulehnen.

34.

Tatsächlich finden allgemein „die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung“ ( 18 ).

35.

Der Gerichtshof lässt jedoch Ausnahmen zu dieser Regel zu, bei denen er sich als zuständig ansieht für die Beantwortung von Vorlagefragen in rein internen Rechtsstreitigkeiten ohne offensichtliche grenzüberschreitende Bezüge.

36.

Die erste dieser Ausnahmen betrifft Vorabentscheidungsersuchen, bei denen eine innerstaatliche Regelung den Inländern die gleichen Rechte gibt wie das Unionsrecht den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten, da hier die umgekehrte Diskriminierung (Diskriminierung à rebours) vermieden werden soll.

37.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich „die Auslegung der in den Art. 49, 56 oder 63 AEUV vorgesehenen Grundfreiheiten in einer Rechtssache, deren Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, als relevant erweisen kann, wenn das nationale Recht dem vorlegenden Gericht vorschreibt, einem Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, zu dem dieses Gericht gehört, die gleichen Rechte zuzuerkennen, wie sie einem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats in gleicher Lage aufgrund des Unionsrechts zustünden“ ( 19 ).

38.

Im vorliegenden Fall ist das nationale Gericht ganz richtig der Ansicht, dass Art. 53 des Gesetzes Nr. 234/2012 eine umgekehrte Diskriminierung verbiete und dazu führe, dass Art. 49 AEUV auch in rein innerstaatlichen Sachverhalten auf italienische Staatsangehörige anzuwenden sei, wie der Gerichtshof bereits bestätigt hat ( 20 ).

39.

Eine weitere Ausnahme, die im Urteil Ullens de Schooten ausdrücklich genannt wird, betrifft „Bestimmungen, die nicht nur für Inländer, sondern auch für die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Geltung haben, [wenn] die Entscheidung, die das vorlegende Gericht im Anschluss an das Vorabentscheidungsurteil des Gerichtshofs treffen wird, auch in Bezug auf die Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten wird, was es rechtfertigt, dass er die ihm im Zusammenhang mit den die Grundfreiheiten betreffenden Vorschriften des Vertrags gestellten Fragen trotz des Umstands beantwortet, dass die Merkmale des Ausgangsrechtsstreits sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen“ ( 21 ).

40.

Das vorlegende Gericht erklärt unter Bezugnahme auf die Argumente der Klägerinnen im Ausgangsverfahren, es sei nicht auszuschließen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats, in dem die Aufbewahrung von Urnen in von Handelsgesellschaften verwalteten Räumlichkeiten zulässig sei, in Zukunft beschließe, seine Tätigkeit auf italienischem Hoheitsgebiet auszuüben. Ebenso wenig könne ausgeschlossen werden, dass Bürger anderer Mitgliedstaaten vergleichbare Dienstleistungen in Italien in Anspruch nehmen wollten.

41.

Ich bin daher der Meinung, dass die Vorlageentscheidung, wenn auch nur knapp, einen Zusammenhang zwischen dem Gegenstand oder den Umständen des Ausgangsrechtsstreits und den Art. 49 und 56 AEUV zum Ausdruck bringt ( 22 ).

42.

Zu den vorstehenden Ausführungen kommt das spezifische Argument der eventuellen ( 23 ) Auswirkung der Richtlinie 2006/123 hinzu, deren in Kapitel III enthaltenen „Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer dahin auszulegen sind, dass sie auch auf einen Sachverhalt anwendbar sind, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweisen“ ( 24 ).

43.

Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt:

„Der Wortlaut dieser Bestimmungen [aus Kapitel III der Richtlinie 2006/123 benennt] keinerlei Voraussetzung, nach der ein Auslandsbezug bestehen müsste.“

„Art. 2 Abs. 1 [der Richtlinie 2006/123 bestimmt] in allgemeinen Worten, ohne zwischen Dienstleistungstätigkeiten mit und ohne Auslandsbezug zu unterscheiden, dass diese Richtlinie für ‚Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden‘, gilt.“

„Ebenso wenig enthalten Art. 4 Nr. 2 und Art. 4 Nr. 5 der Richtlinie 2006/123, in denen die Begriffe ‚Dienstleistungserbringer‘ und ‚Niederlassung‘ definiert werden, eine Bezugnahme auf einen grenzüberschreitenden Aspekt.“

„Schließlich steht die Auslegung, dass die Bestimmungen in Kapitel III der Richtlinie 2006/123 nicht nur auf den Dienstleistungserbringer, der sich in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen will, sondern auch auf denjenigen, der sich in seinem eigenen Mitgliedstaat niederlassen will, anwendbar sind, mit den Zielen dieser Richtlinie im Einklang.“

„Dass die Bestimmungen in Kapitel III der Richtlinie 2006/123 auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar sind, wird durch eine Untersuchung der Vorarbeiten zu dieser Richtlinie weiter gestützt.“ ( 25 )

44.

Folglich kann dem ersten Einwand der Unzulässigkeit nicht gefolgt werden.

45.

Auch der zweite Einwand, die Vorlageentscheidung enthalte nicht die für eine Entscheidung des Gerichtshofs erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, ist abzulehnen. Die italienische Regierung und die Gemeinde Padua machen insbesondere geltend, die Darstellung der italienischen Gesetzgebung beschränke sich auf die Gemeindeverordnung über Bestattungsdienste, beschreibe aber nicht den höherrangigen innerstaatlichen, nationalen und regionalen Rechtsrahmen, unter den die Gemeindeverordnung falle.

46.

Ich hingegen bin der Ansicht, dass das vorlegende Gericht die grundlegenden Elemente des nationalen Rechts, die private Urnenaufbewahrungsdienste verbieten, ausreichend dargelegt hat, um diese mit den auszulegenden Vorschriften des Unionsrechts vergleichen zu können. Die Voraussetzungen aus Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sind erfüllt, und das Vorabentscheidungsersuchen entspricht den Anforderungen, die sich aus der diesbezüglichen Rechtsprechung ergeben ( 26 ).

47.

Die Tatsache, dass das vorlegende Gericht nur auf die Argumente der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und nicht auf die Argumente der Gemeinde Padua Bezug genommen hat, ändert nichts an diesem Ergebnis, da die Auswahl der aufzunehmenden Argumente in den Beurteilungsspielraum des nationalen Gerichts bei der Gestaltung seines Vorabentscheidungsersuchens fällt.

48.

Somit bin ich der Ansicht, dass die Vorlagefrage zulässig ist.

B.   In der Sache

49.

Zunächst stellt sich die Frage, ob in der vorliegenden Rechtssache die Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit oder zur Dienstleistungsfreiheit betroffen sind. Wenn dies der Fall ist, müsste in einem zweiten Schritt die Anwendung der Richtlinie 2006/123 oder der Vorschriften des Primärrechts, die diese Freiheiten regeln (Art. 49 und 56 AEUV), geprüft werden.

50.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht das Ziel der durch Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit darin, es den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats zu erlauben, in einem anderen Mitgliedstaat eine Niederlassung zu gründen, um dort ihren Tätigkeiten nachzugehen, und so die gegenseitige wirtschaftliche und soziale Durchdringung auf dem Gebiet der selbständigen Erwerbstätigkeit innerhalb der Union zu fördern.

51.

Diese Niederlassungsfreiheit will es den natürlichen und juristischen Personen ermöglichen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen ihrer Herkunft teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, indem sie eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausüben ( 27 ).

52.

Der von Art. 56 AEUV garantierte freie Dienstleistungsverkehr erfasst alle Dienstleistungen, die nicht in stabiler und kontinuierlicher Weise von einem Berufsdomizil im Empfängermitgliedstaat aus angeboten werden ( 28 ).

53.

Im Ausgangsverfahren möchte Memoria Srl einen Urnenaufbewahrungsdienst auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung in der Gemeinde Padua anbieten. Ihr Anspruch fällt also in den Bereich der Niederlassungsfreiheit ( 29 ).

54.

Eine eventuelle Einschränkung dieser Freiheit kann durch einen Vergleich mit einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts (Richtlinie 2006/123) oder mit dem Primärrecht (Art. 49 AEUV) überprüft werden.

55.

Falls diese Einschränkung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt, sollte nicht zusätzlich noch der Filter von Art. 49 AEUV zur Anwendung kommen. Die gleichzeitige Prüfung einer nationalen Maßnahme anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2006/123 und anhand derjenigen des AEU-Vertrags liefe darauf hinaus, dass eine Einzelfallprüfung nach dem Primärrecht eingeführt würde, was die gezielte Harmonisierung, die mit der Richtlinie vorgenommen wird, untergraben würde ( 30 ).

1. Einordnung der strittigen Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123

56.

Daraus folgt die Frage, ob der Urnenaufbewahrungsdienst in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt, deren Ziel es ist, die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern.

57.

Für die Anwendbarkeit spricht auf den ersten Blick Art. 2 der Richtlinie 2006/123. Nach Art. 2 Abs. 1 gilt diese Richtlinie „für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden“. Die Ausnahmen zu dieser Regel finden sich in den Abs. 2 und 3, und keine von ihnen umfasst, zumindest ausdrücklich, Bestattungsdienste im Allgemeinen bzw. die Urnenaufbewahrung im Besonderen ( 31 ).

58.

Da der Urnenaufbewahrungsdienst der Memoria Srl als gegen Entgelt erbrachte selbständige Tätigkeit bezeichnet werden könnte ( 32 ), spricht die Eingliederung in die Generalklausel (Art. 2 Abs. 1) und nicht in die Ausnahmeklauseln (Abs. 2 und 3) dafür, dass die Tätigkeit den Vorschriften der Richtlinie 2006/123 unterliegt.

59.

Nach Art. 1 Abs. 3 betrifft die Richtlinie 2006/123 jedoch nicht „die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen“. Der achte Erwägungsgrund der Richtlinie enthält insoweit eine Erläuterung: „Die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sollten nur insoweit Anwendung finden, als die betreffenden Tätigkeiten dem Wettbewerb offen stehen, so dass sie die Mitgliedstaaten weder verpflichten, … bestehende Monopole … abzuschaffen.“ ( 33 )

60.

Die Verordnung der Gemeinde Padua entzieht den Urnenaufbewahrungsdienst der Zuständigkeit der privaten Wirtschaftsteilnehmer und macht ihn so zum Gegenstand eines Monopols. Das Monopol wird dem mit der Verwaltung der Bestattungsdienste beauftragten Unternehmen der Gemeinde gewährt, und folglich wird der Zugang anderer Unternehmen, wie Memoria Srl, zu dieser Tätigkeit verhindert.

61.

Dass diese Dienstleistungsmonopole nicht unter die Richtlinie 2006/123 fallen, ergibt sich aus dem bereits erwähnten Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie. Daher findet sich in Kapitel III der Richtlinie 2006/123, das die speziell auf die Niederlassungsfreiheit anwendbaren Vorschriften enthält, keine Vorschrift, die auf diese, durch nationale Vorschriften geschaffenen Monopole anwendbar wäre. Tatsächlich hat das Kapitel folgenden Aufbau:

Die Art. 9 bis 13 beziehen sich auf die Genehmigungsregeln für die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit, die sich eindeutig von den Fällen unterscheiden, in denen die Aufnahme der Tätigkeit für alle Marktteilnehmer mit Ausnahme des Inhabers des Monopols verboten wird.

Die Art. 14 und 15 unterscheiden zwischen unzulässigen Anforderungen und zu prüfenden Anforderungen. Die unzulässigen Anforderungen (Art. 14 Nrn. 1 bis 8) sind keiner Rechtfertigung zugänglich, und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Anforderungen vorrangig und systematisch zu beseitigen. Ein Verbot wie das der Gemeinde Padua fällt unter keinen dieser Artikel.

Was die einer Prüfung unterliegenden Anforderungen angeht (Art. 15 Abs. 1), haben die Mitgliedstaaten zu prüfen, ob ihre Rechtsordnungen eine der in Abs. 2 dieses Artikels aufgeführten Anforderungen vorsehen, und sicherzustellen, dass diese Anforderungen die Bedingungen der Nichtdiskriminierung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit nach Abs. 3 erfüllen. Das Verbot der Urnenaufbewahrung mit Gewinnerzielungsabsicht für Wirtschaftsteilnehmer, die nicht von der Gemeinde Padua beauftragt wurden, fällt ebenso wenig unter eine der einer Prüfung unterliegenden Anforderungen.

62.

Im Ergebnis bin ich der Meinung, dass ein Dienstleistungsmonopol des Urnenaufbewahrungsdiensts, wie es im Ausgangsverfahren in Frage steht, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fällt.

2. Direkte Anwendung der Bestimmungen des AEU-Vertrags

63.

Wenn die Harmonisierungsvorschrift des abgeleiteten Rechts nicht zur Anwendung kommt, muss die Prüfung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anhand des Primärrechts erfolgen ( 34 ), konkret anhand von Art. 49 AEUV und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, der diesen mehrfach ausgelegt hat.

64.

Eine nationale Vorschrift, die nur einem einzigen zugelassenen Wirtschaftsteilnehmer die Ausübung des Urnenaufbewahrungsdiensts erlaubt, beinhaltet eo ipso ein unüberwindbares Hindernis für die Ausübung dieser Dienstleistung durch ein jegliches anderes Unternehmen. Dem Verwahrer einer Ascheurne verbleibt nur die Möglichkeit, den Friedhofsdienst der Gemeinde zu beauftragen, wenn er die Urne nicht zuhause aufbewahren möchte, da kein anderes Unternehmen diese Dienstleistung erbringt.

65.

Indem die Gemeinde Padua die Ausübung der Tätigkeit einer Sonderregelung zugunsten eines einzigen Wirtschaftsteilnehmers unterwirft, beschränkt sie sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch den freien Dienstleistungsverkehr ( 35 ). Art. 37 AEUV ist auf Dienstleistungsmonopole nicht anwendbar ( 36 ).

66.

Nach Art. 14 und Art. 106 Abs. 2 AEUV könnte die Tätigkeit des Urnenaufbewahrungsdiensts, wie sie in den nationalen Vorschriften geregelt ist ( 37 ), zur Gruppe der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder zur Gruppe der nicht wirtschaftlichen Dienste von allgemeinem Interesse gehören ( 38 ).

67.

Im ersten Fall muss „der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden“ bei der Frage, wie Dienste „zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind“, beachtet werden, entsprechend der „Unterschiede bei den Bedürfnissen und Präferenzen der Nutzer, die aus unterschiedlichen geografischen, sozialen oder kulturellen Gegebenheiten folgen können“ ( 39 ).

68.

Für den Fall, dass es sich hingegen um einen nicht wirtschaftlichen Dienst von allgemeinem Interesse handelt, heißt es in Art. 2 des Protokolls (Nr. 26) über Dienste von allgemeinem Interesse, das dem Vertrag von Lissabon beigefügt ist, mit einer besonders energischen Wortwahl: „Die Bestimmungen der Verträge berühren in keiner Weise die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, [diese Dienste] zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren.“ ( 40 )

69.

Die Verfahrensakten bieten jedoch keine ausreichenden Elemente, um zu einem sicheren Ergebnis zu gelangen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass die nationalen Behörden die den Dienstleistungserbringern übertragenen Aufgaben sorgfältig zu definieren haben. Darüber wird das vorlegende Gericht zu entscheiden haben ( 41 ).

70.

Wenn die Anwendbarkeit von Art. 106 AEUV bejaht wird, ist noch zu prüfen, ob die fragliche Tätigkeit mit den restlichen Bestimmungen der Verträge (u. a. bezüglich der Niederlassungsfreiheit und ihrer Beschränkungen) vereinbar ist, was im Allgemeinen der Fall sein wird, sofern nicht „die Anwendung dieser Vorschriften … die Erfüllung der [dem Unternehmen] übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“.

71.

Auf jeden Fall ist zu prüfen, ob die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit aus „Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ oder aus (sonstigen) zwingenden Gründen des Allgemeininteresses in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs gerechtfertigt sein könnte. Ich werde nur auf die Gründe Bezug nehmen, die im Rechtsstreit vorgebracht wurden.

a) Öffentliche Gesundheit

72.

Die nationalen Behörden, die sich auf diese Rechtfertigung berufen, müssen nachweisen, dass ihre Vorschrift dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, d. h., dass die auf diesem Grund beruhende Beschränkung für das verfolgte Ziel erforderlich ist und dass dieses Ziel nicht durch Verbote oder Beschränkungen erreicht werden kann, die weniger weit gehen oder den Handel in der Union weniger beeinträchtigen. Der Mitgliedstaat, der den Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Gesundheit geltend macht, muss geeignete Nachweise oder eine Analyse der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen beschränkenden Maßnahme sowie genaue Angaben, die seine Argumentation untermauern, beifügen ( 42 ).

73.

Meiner Ansicht nach wurde in dieser Rechtssache weder dieser Nachweis erbracht, noch kann die Verhältnismäßigkeitsprüfung als bestanden angesehen werden. Wie die Kommission hervorhebt, handelt es sich bei der Asche, anders als bei den sterblichen Überresten, vom biologischen Gesichtspunkt aus um eine inerte Substanz, die keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Das Verfahren der Einäscherung, das mit der Übergabe der Asche des Verstorbenen an die Familienangehörigen endet, beseitigt diese Gefahr.

74.

Das unkontrollierte Verstreuen der in den Urnen enthaltenen Asche könnte jedoch zu Nachteilen von untergeordneter Bedeutung für die öffentliche Gesundheit führen. Um diese zu beseitigen, würde es ausreichen, wenn die privaten Unternehmen, die den Urnenaufbewahrungsdienst anbieten, zur Einhaltung der gleichen Bedingungen wie auf öffentlichen Friedhöfen verpflichtet werden. Es würde sich um eine Alternative handeln, die die Niederlassungsfreiheit weniger einschränkt als das vollständige Verbot der Ausübung dieser Tätigkeit durch private Unternehmen ( 43 ).

b) Zum Gedenken an die Verstorbenen

75.

Die Gemeine Padua führt die „Pietät gegenüber den Verstorbenen und die Sicherstellung des Seelenfriedens und der Achtung der Würde im Umfeld der Bestattungsstätten“ als Rechtfertigungsgrund für ihre Vorschrift an.

76.

Bei der Achtung der Verstorbenen handelt es sich um einen gemeinsamen Wert, der von den Gesellschaften aller Mitgliedstaaten geteilt wird ( 44 ). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass dieser Wert eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, wie sie das Verbot der Geschäftstätigkeit der Urnenaufbewahrung mit sich bringt, rechtfertigen könnte ( 45 ).

77.

Bei einer Überprüfung dieser eventuellen Rechtfertigung auf ihre Verhältnismäßigkeit kommt es jedoch zu mindestens zwei Problemen. Das erste Problem ist, dass auch ein privates Unternehmen die Achtung der sterblichen Überreste angemessen sicherstellen könnte, wenn es zur Einhaltung der gleichen Bedingungen wie auf den Friedhöfen der Gemeinde verpflichtet würde ( 46 ). Es existieren somit vergleichbare Maßnahmen, die weniger einschränkend sind als das Verbot der Ausübung dieser Tätigkeit durch kommerzielle Unternehmen.

78.

Zweitens gibt es keinen Grund, warum gegen die gebührende Achtung der Verstorbenen verstoßen würde, wenn die privaten Unternehmen, die den Urnenaufbewahrungsdienst anbieten, in Insolvenz gehen, sich anderweitig auflösen oder das Geschäft schließen. Die italienischen Behörden könnten dem Risiko, dass die Ascheurnen ungeschützt und unkontrolliert hinterlassen werden, entgegenwirken, indem sie diese Unternehmen verpflichten, die Urnen in einer solchen Situation auf die öffentlichen Friedhöfe zu bringen oder an ihre Auftraggeber zurückzugeben.

79.

Dabei muss beachtet werden, dass Art. 52 Abs. 5 und 9 der Gemeindeverordnung von Padua über Bestattungsdienste die Aufbewahrung der Urnen durch die Familienangehörigen des Verstorbenen an ihren Wohnsitzen zulässt, wobei die Bestattungsdienste der Gemeinde den Verwahrer jedoch jederzeit auffordern können, diese vorzuzeigen, um ihre Unversehrtheit und ihren Erhaltungszustand zu überprüfen. Außerdem kann jederzeit gefordert werden, dass die zur Aufbewahrung übergebene Urne auf einem Friedhof aufgestellt wird.

80.

Neben der Pflicht zur Rückgabe der Urnen an die Friedhöfe der Gemeinde oder an die Familienangehörigen könnten auch diese Verpflichtungen den Unternehmen auferlegt werden, um dem Risiko vorzubeugen, dass die Urnen bei einer Schließung oder Auflösung des Unternehmens ungeschützt hinterlassen werden. Es sind folglich vergleichbare Maßnahmen denkbar, die weniger einschränkend sind als das absolute Verbot der Ausübung der Tätigkeit durch diese Unternehmen.

c) Öffentliche Ordnung in Italien

81.

Die italienische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die in Italien vorherrschenden moralischen und kulturellen Werte, die sich in den italienischen Traditionen widerspiegelten, einer Aufbewahrung der sterblichen Überreste mit Gewinnerzielungsabsicht entgegenstünden. Die Rechtfertigung der von der Gemeinde Padua verabschiedeten Maßnahme, die mit dem Verbot auf nationaler Ebene übereinstimme ( 47 ), bestehe also darin, dass nach der Werteskala der italienischen Gesellschaft die Urnen, in denen nach der Feuerbestattung die Asche aufbewahrt werde, dem Rechtsverkehr entzogen seien und ihre Behandlung mit der für den Handelsverkehr charakteristischen Gewinnerzielungsabsicht nicht vereinbar sei.

82.

Wenn dies tatsächlich der Fall wäre, würde es sich um einen eigenen Wertevorbehalt der Italienischen Republik handeln, der nicht notwendigerweise auch von anderen Mitgliedstaaten übernommen werden muss ( 48 ). Obwohl dies mit dem hier geprüften Verbot nicht vergleichbar ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass das im Vereinigten Königreich geltende vollständige Verbot der Veranstaltung von Lotterien oder anderen Glücksspielen aufgrund von u. a. „sittlichen, religiösen oder kulturellen Erwägungen“ gerechtfertigt ist ( 49 ).

83.

Ich ziehe diesen Präzedenzfall heran, weil es der Begriff der „öffentlichen Ordnung“, wie er vom Gerichtshof in diesem und anderen vorherigen und späteren Rechtssachen anerkannt wurde, zulässt, dass „den zuständigen innerstaatlichen Behörden … ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den EG‑Vertrag gesetzten Grenzen“ zugebilligt wird ( 50 ). Wenn ein Mitgliedstaat ein Verbot der Vermarktung bestimmter Dienstleistungen, wie die im vorliegenden Fall, für erforderlich hält, weil er diese für mit den grundlegenden Werten oder Interessen seiner Gesellschaft unvereinbar hält, kann die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht nicht ohne die Erfordernisse der nationalen „öffentlichen Ordnung“ erfolgen.

84.

Da sich aus der Vorlageentscheidung keine ausreichende Beurteilungsgrundlage ergibt, muss das vorlegende Gericht klären, ob sich in seiner nationalen Rechtsordnung das strittige Verbot tatsächlich aus der italienischen „öffentlichen Ordnung“ im dargestellten Sinne ergibt und ob das Verbot die einzige angemessene und verhältnismäßige Alternative ist, um in diesem Bereich die zugrunde liegenden Werte zu schützen.

IV. Ergebnis

85.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Tribunale amministrativo regionale per il Veneto (Verwaltungsgericht für die Region Venetien, Italien) wie folgt zu beantworten:

Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union steht grundsätzlich einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung, mit der aus Gründen der öffentlichen Gesundheit oder der den Verstorbenen geschuldeten Pietät ein Urnenaufbewahrungsdienst durch gewinnorientierte Unternehmen verboten wird, entgegen, da für die Erbringung dieser Dienstleistung weniger einschneidende Modalitäten denkbar sind, die diese Zwecke genauso sicherstellen.

Das genannte Verbot könnte jedoch aus Gründen der nationalen öffentlichen Ordnung, die im Schutz der wesentlichen und im entsprechenden Mitgliedstaat weitgehend geteilten kulturellen oder moralischen Interessen oder Werte ihren Ausdruck finden, gerechtfertigt sein, wenn das Verbot zur Achtung dieser Interessen und Werte unbedingt erforderlich ist und es keine weniger einschränkenden Maßnahmen mit demselben Zweck gibt, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Sogar die römisch-katholische Kirche spricht zwar weiterhin von einer „Bevorzugung der Beerdigung der Verstorbenen“, sieht jedoch keine lehrmäßigen Gründe, um die Praxis der Einäscherung zu verbieten. Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Ad resurgendum cum Christo über die Beerdigung der Verstorbenen und die Aufbewahrung der Asche im Fall der Feuerbestattung, vom 15. August 2016.

( 3 ) In den Schlussanträgen in der Rechtssache Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2002:207, Nr. 52), in der es um die Vergabe von Lieferaufträgen für Sargausstattungen durch ein städtisches Unternehmen ging, bezog sich Generalanwalt Alber auf die Stellungnahme der österreichischen Regierung, die wiederum vorgeschlagen hatte, „zwischen solchen [Leistungen] im engeren Sinne (Friedhofsverwaltung, Öffnen und Schließen der Grabstelle, Versenken der Leichen oder Leichenasche, Durchführung von Exhumierungen), die von der Stadt Wien wahrgenommen würden, und solchen im weiteren Sinne (Totenaufbahrungen, ‑feierlichkeiten, ‑überführungen, Waschen, Ankleiden und Einsargen des Toten, die Besorgung der Grabstätte, Beschaffung von Urkunden, die Aufgabe von Zeitungsanzeigen) zu unterscheiden, die die Bestattung Wien wahrnehme. Nur solche im engeren Sinne seien im Allgemeininteresse liegende Aufgaben.“

( 4 ) Im Urteil vom 27. Februar 2003, Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2003:110, Rn. 51 bis 56), hat der Gerichtshof die Unterschiede zwischen den verschiedenen Aufgaben anerkannt, obwohl dies in jener Rechtssache für das Urteil unerheblich war.

( 5 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).

( 6 ) Legge 24 dicembre 2012, n.o 234, Norme generali sulla partecipazione dell’Italia alla formazione e all’attuazione della normativa e delle politiche dell’Unione europea (GURI Nr. 3 vom 4. Januar 2013, im Folgenden: Gesetz Nr. 234/2012).

( 7 ) Legge 30 marzo 2001, n.o 130, Disposizioni in materia di cremazione e dispersione delle ceneri (Gesetz Nr. 130/2001 vom 30. März 2001 zur Feuerbestattung und Ascheverstreuung, GURI Nr. 91 vom 19. April 2001, im Folgenden: Gesetz Nr. 130/2001).

( 8 ) Regio Decreto 27 luglio 1934, n. 1265, Approvazione del testo único delle leggi sanitarie (Königliches Dekret zur Verabschiedung des Einheitstextes der Gesundheitsgesetze, GURI Nr. 186 vom 9. August 1934, im Folgenden: Königliches Dekret von 1934).

( 9 ) Decreto del Presidente della Repubblica 10 settembre 1990, n. 285, approvazione del regolamento di polizia mortuaria (Verordnung über die Bestattungspolizei, GURI Nr. 239 vom 12. Oktober 1990).

( 10 ) Legge Regionale n.18 del 4 marzo 2010, Norme in materia funeraria, della Regione del Veneto (Regionalgesetz von Venetien mit Bestattungsvorschriften; BUR Nr. 21 vom 9. März 2010).

( 11 ) Delibera del Consiglio Comunale di Padova Nr. 2015/0084 vom 30. November 2015 (Albo Pretorio vom 4. bis zum 18. Dezember 2015).

( 12 ) Vgl. den Wortlaut in Nr. 17 dieser Schlussanträge.

( 13 ) Urteile vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 55), und vom 14. November 2017, Lounes (C‑165/16, EU:C:2017:862, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 14 ) Urteile vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 56), und vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 15 ) Die italienische Regierung macht offenbar außerdem geltend, das Vorabentscheidungsersuchen könne wegen Vorzeitigkeit unzulässig sein. Es genügt die Feststellung, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache des nationalen Gerichts ist, darüber zu entscheiden, in welchem Verfahrensstadium es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof richten soll (Urteile vom 21. September 2017, Malta Dental Technologists Association und Reynaud, C‑125/16, EU:C:2017:707, Rn. 29, und vom 17. April 2007, AG‑COS.MET, C‑470/03, EU:C:2007:213, Rn. 45).

Die Gemeinde Padua ist der Meinung, das Vorabentscheidungsersuchen sei nicht zulässig, da die Antwort des Gerichtshofs ins Leere gehe. Die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ließen es nicht zu, dass ein Individualrecht, wie das der Aufbewahrung der eigenen Asche, in Frage gestellt werde. Die Bestimmungen des AEU-Vertrags, die die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit regeln, haben jedoch vertikale unmittelbare Wirkung, und weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch der Grundsatz des Vertrauensschutzes können einem nationalen Richter als Vorwand dienen, um mit diesen Bestimmungen nicht im Einklang stehende nationale Vorschriften anzuwenden (Urteil vom 19. April 2016, DI, C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 42).

( 16 ) Die italienische Regierung führt zur Unterstützung ihrer Meinung das Urteil vom 13. Februar 2014, Airport Shuttle Express u. a. (C‑162/12 und C‑163/12, EU:C:2014:74, Rn. 42 und 43), an.

( 17 ) Urteil vom 15. November 2016 (C‑268/15, EU:C:2016:874, im Folgenden: Urteil Ullens de Schooten).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Ullens de Schooten (Rn. 47), vom 30. Juni 2016, Admiral Casinos & Entertainment (C‑464/15, EU:C:2016:500, Rn. 21), und vom 20. März 2014, Caixa d’Estalvis i Pensions de Barcelona (C‑139/12, EU:C:2014:174, Rn. 42).

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Ullens de Schooten (Rn. 52), vom 5. Dezember 2000, Guimont (C‑448/98, EU:C:2000:663, Rn. 23), und vom 21. Juni 2012, Susisalo u. a. (C‑84/11, EU:C:2012:374, Rn. 20).

( 20 ) Urteil vom 21. Februar 2013, Ordine degli Ingegneri di Verona e Provincia u. a. (C‑111/12, EU:C:2013:100, Rn. 35).

( 21 ) Urteile Ullens de Schooten (Rn. 51), und vom 8. Mai 2013, Libert u. a. (C‑197/11 und C‑203/11, EU:C:2013:288, Rn. 35).

( 22 ) Urteil Ullens de Schooten (Rn. 54).

( 23 ) Für die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens ist es ausreichend, dass Zweifel bezüglich der Anwendbarkeit der Richtlinie 2006/123 bestehen, auch wenn eine materiell-rechtliche Prüfung diese am Ende beseitigt.

( 24 ) Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 110).

( 25 ) Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 99 bis 108).

( 26 ) Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann u. a. nur dann abgelehnt werden, wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind. Vgl. insbesondere Urteile vom 21. September 2017, Malta Dental Technologists Association und Reynaud (C‑125/16, EU:C:2017:707, Rn. 28), und vom 6. September 2016, Petruhhin (C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 148), und vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas (C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 53 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 28 ) Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 150), vom 30. November 1995, Gebhard (C‑55/94, EU:C:1995:411, Rn. 22), und vom 29. April 2004, Kommission/Portugal (C‑171/02, EU:C:2004:270, Rn. 25).

( 29 ) Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um eine Untergruppe der Bestattungsdienste, mit denen sich der Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Vergabe- oder Mehrwertsteuerrecht mehrfach beschäftigt hat. Vgl. Urteile vom 27. Februar 2003, Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2003:110), und vom 6. Mai 2010, Kommission/Frankreich (C‑94/09, EU:C:2010:253).

( 30 ) Urteil vom 16. Juni 2015, Rina Services u. a. (C‑593/13, EU:C:2015:399, Rn. 38): „Eine solche Auslegung liefe nämlich der Feststellung des Unionsgesetzgebers im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 zuwider, dass Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit insbesondere wegen der besonders großen Komplexität der Handhabung dieser Beschränkungen von Fall zu Fall nicht allein durch die direkte Anwendung von Art. 49 AEUV beseitigt werden können. Mit der Annahme, dass die nach Art. 14 dieser Richtlinie ‚unzulässigen‘ Anforderungen gleichwohl einer Rechtfertigung auf der Grundlage des Primärrechts zugänglich wären, würde eine solche einzelfallbezogene Prüfungsmöglichkeit nach dem AEU-Vertrag für alle Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit wiedereingeführt werden.“ Vgl. auch Urteil vom 30. Januar 2018, X und Visser (C‑360/15 und C‑31/16, EU:C:2018:44, Rn. 96).

( 31 ) Diese Schlussfolgerung wird durch den 33. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/123 bestätigt, dem zufolge der Begriff der Dienstleistungen einen weiten Bereich von Tätigkeiten umfasst, die einem ständigen Wandel unterworfen sind. Es wird ausdrücklich ausgeführt, dass zu diesen Tätigkeiten Dienstleistungen gehören, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher angeboten werden.

( 32 ) Nach Art. 4 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123 bezeichnet der Ausdruck „Dienstleistung“ für die Zwecke der Richtlinie „jede von Art. 57 AEUV erfasste selbständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“.

( 33 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2015:619, Nrn. 184 bis 190). In Nr. 188 heißt es: „Steht eine Tätigkeit dem Wettbewerb nicht offen, u. a. deshalb, weil sie von einem bestehenden öffentlichen Monopol ausgeübt wird, so fällt diese Tätigkeit nach meinem Dafürhalten daher aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 heraus.“ Dies trifft meiner Ansicht nach auch dann zu, wenn ein Dienstleistungsmonopol nach Inkrafttreten der Richtlinie 2006/123 begründet wird.

( 34 ) Michel, V.: „Le champ d’application de la directive ‚services‘: entre cohérence et régression?“, La directive „services“ en principe(s) et en pratique, Bruylant, 2011, S. 49.

( 35 ) Urteile vom 23. Februar 2016, Kommission/Ungarn (C‑179/14, EU:C:2016:108, Rn. 164), und vom 21. September 1999, Läärä u. a. (C‑124/97, EU:C:1999:435, Rn. 29).

( 36 ) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich sowohl aus der Stellung von Art. 37 im Kapitel des Vertrags über die Beseitigung der mengenmäßigen Beschränkungen als auch aus der in dem Artikel verwendeten Terminologie, dass dieser sich auf den Handel mit Waren bezieht und Dienstleistungsmonopole nicht betrifft (Urteil vom 4. Mai 1988, Bodson, 30/87, EU:C:1988:225, Rn. 10).

( 37 ) In der mündlichen Verhandlung hat die italienische Regierung erklärt, die Verordnung der Gemeinde Padua sei mit der nationalen Gesetzgebung vereinbar, da beide die Urnenübergabe im Rahmen einer Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht verböten. Memoria Srl hingegen ist der Ansicht, das von der Gemeinde auferlegte Verbot werde nicht von den nationalen Vorschriften gestützt.

( 38 ) Im Urteil vom 27. Februar 2003, Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2003:110), hat der Gerichtshof anerkannt, dass das Leichen- und Bestattungswesen als „tatsächlich“ im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit betrachtet werden kann. Er fügte hinzu, dass „das Vorhandensein eines entwickelten Wettbewerbs allein nicht den Schluss [zulässt], dass keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art vorliegt“ (Rn. 66, Hervorhebung nur hier).

( 39 ) Art. 1 des Protokolls (Nr. 26) über Dienste von allgemeinem Interesse, das dem Vertrag von Lissabon beigefügt ist.

( 40 ) Hervorhebung nur hier.

( 41 ) Im selben Sinne heißt es im Urteil vom 27. Februar 2003, Adolf Truley (C‑373/00, EU:C:2003:110): „Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, u. a. der Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen, ob eine derartige Aufgabe [von allgemeinem Interesse] vorliegt.“

( 42 ) Vgl. Urteil vom 23. Dezember 2015, Scotch Whisky Association u. a. (C‑333/14, EU:C:2015:845, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), zur Ausnahme der öffentlichen Gesundheit vom Grundsatz des freien Warenverkehrs, die auf Art. 52 AEUV übertragbar ist. Ebenso Urteil vom 13. November 2003, Lindman (C‑42/02, EU:C:2003:613, Rn. 25).

( 43 ) Presseberichten zufolge wird in einigen Mitgliedstaaten die private Urnenaufbewahrung sogar von Sportvereinen durchgeführt, die in ihren Installationen Kolumbarien für die Aufbewahrung der Asche ihrer verstorbenen Fans eingerichtet haben oder dies planen. Dies sei der Fall in Spanien (Atlético de Madrid, Real Club Betis Balompié, Espanyol de Barcelona und Barcelona Fútbol Club), in Deutschland (Hamburger SV) und im Vereinigten Königreich (Everton Football Club).

( 44 ) In der mündlichen Verhandlung wurde diskutiert, ob sich der Schutz der Menschenwürde (Art. 2 EUV und Art. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) auf Verstorbene erstrecke. Ich halte es für die Entscheidung über diesen Rechtsstreit nicht für unerlässlich, dass diese Frage kategorisch beantwortet wird, was auch die Grenzen dieses Rechtsstreits überschreiten würde. Die Tatsache, dass Verstorbene keine Rechte mehr innehaben, bedeutet meiner Ansicht nach nicht, dass ihre Würde, die sie zu Lebzeiten besaßen, nicht auch nach dem Tod angemessen weiter wirkt und rechtlich geschützt werden kann. Dies ist die wesentliche Grundlage der zivil- oder strafrechtlichen Antwort auf bestimmte Handlungen (wie z. B. das Abstreiten von verabscheuungswürdigen Verbrechen), die eine Verachtung der Todesopfer darstellen.

( 45 ) Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung anerkannt, dass dies eine wirksame Rechtfertigung darstellen könne, bezeichnete das Verbot jedoch als unangemessen.

( 46 ) Vgl. in Nr. 20 dieser Schlussanträge die Vorkehrungen der Memoria Srl zur Sicherstellung des Anstands und der Würde in ihren Räumlichkeiten.

( 47 ) Vgl. Fn. 37 dieser Schlussanträge.

( 48 ) Urteil vom 14. Oktober 2004, Omega (C‑36/02, EU:C:2004:614): „[Es ist] nicht unerlässlich, dass die von den Behörden eines Mitgliedstaats erlassene beschränkende Maßnahme einer allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Auffassung darüber entspricht, wie das betreffende Grundrecht oder berechtigte Interesse zu schützen ist“ (Rn. 37, Hervorhebung nur hier).

( 49 ) Urteil vom 24. März 1994, Schindler (C‑275/92, EU:C:1994:119, Rn. 60).

( 50 ) Urteil vom 14. Oktober 2004, Omega (C‑36/02, EU:C:2004:614, Rn. 31).

Top