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Document 62017CC0080

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Bobek vom 26. April 2018.
    Fundo de Garantia Automóvel gegen Alina Antónia Destapado Pão Mole Juliana und Cristiana Micaela Caetano Juliana.
    Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal de Justiça.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 72/166/EWG – Art. 3 Abs. 1 – Zweite Richtlinie 84/5/EWG – Art. 1 Abs. 4 – Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags – Auf einem Privatgrundstück abgestelltes Fahrzeug – Rückgriffsrecht der Entschädigungsstelle gegen den Eigentümer des nicht versicherten Fahrzeugs.
    Rechtssache C-80/17.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:290

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MICHAL BOBEK

    vom 26. April 2018 ( 1 )

    Rechtssache C‑80/17

    Fundo de Garantia Automóvel

    gegen

    Alina Antónia Destapado Pão Mole Juliana,

    Cristiana Micaela Caetano Juliana

    (Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal de Justiça [Oberster Gerichtshof, Portugal])

    „Vorabentscheidungsersuchen – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Versicherungspflicht – Geltungsbereich – Begriff der ‚Benutzung eines Fahrzeugs‘“

    I. Einleitung

    1.

    Aufgrund medizinischer Probleme stellte Frau Alina Juliana die Nutzung ihres Fahrzeugs ein und ließ es auf ihrem Grundstück. Sie schloss keine Haftpflichtversicherung ab. Ohne ihre Erlaubnis nahm ihr Sohn die Fahrzeugschlüssel an sich und fuhr mit dem Fahrzeug vom Grundstück weg. Als er sich auf öffentlichen Straßen befand, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug. Infolge des Unfalls kamen er und zwei Insassen ums Leben.

    2.

    Die zuständige nationale Entschädigungsstelle, der Fundo de Garantia Automóvel (im Folgenden: Entschädigungsstelle), leistete eine Entschädigung. Anschließend nahm die Entschädigungsstelle Frau A. Juliana als Eigentümerin des Fahrzeugs auf Erstattung dieser Zahlung in Anspruch. Zu ihrer Verteidigung bringt Frau A. Juliana vor, dass für sie, auch wenn sie Eigentümerin gewesen sei, keine Versicherungspflicht für das Fahrzeug bestanden habe, weil sie es aus dem Verkehr gezogen und nicht die Absicht gehabt habe, mit ihm zu fahren. Die Entschädigungsstelle ist der Ansicht, dass eine Versicherungspflicht bestanden habe, weil das Fahrzeug fahrbereit gewesen sei.

    3.

    Im Kontext dieses Rechtsstreits und im Licht der Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien 72/166/EWG ( 2 ) und 84/5/EWG ( 3 ) (im Folgenden: Erste und Zweite Richtlinie) fragt das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) erstens, ob der Eigentümer eines Fahrzeugs unter diesen Umständen verpflichtet ist, dieses zu versichern. Zweitens fragt das vorlegende Gericht, ob die Entschädigungsstelle ein Rückgriffsrecht gegen den Eigentümer hat, auch wenn der Eigentümer für den Unfall nicht haftbar gemacht werden kann.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A. Unionsrecht

    1.   Richtlinie 72/166

    4.

    Die Art. 1 und 3 der Ersten Richtlinie bestimmen:

    „Artikel 1

    Im Sinne dieser Richtlinie ist zu verstehen unter:

    1.   Fahrzeug: jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind;

    4.   Gebiet, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat:

    das Gebiet des Staates, dessen amtliches Kennzeichen das Fahrzeug trägt, unabhängig davon, ob es sich um ein endgültiges oder vorläufiges Kennzeichen handelt, oder

    soweit es für eine Fahrzeugart keine Zulassung gibt, das betreffende Fahrzeug jedoch eine Versicherungsplakette oder ein dem amtlichen Kennzeichen ähnliches Unterscheidungszeichen trägt, das Gebiet des Staates, in dem diese Plakette oder dieses Unterscheidungszeichen verliehen wurde, oder

    soweit es für bestimmte Fahrzeugarten weder eine Zulassung noch eine Versicherungsplakette noch ein unterscheidendes Kennzeichen gibt, das Gebiet des Staates, in dem der Fahrzeughalter seinen Wohnsitz hat, oder

    bei Fahrzeugen, die kein amtliches Kennzeichen oder ein amtliches Kennzeichen tragen, das dem Fahrzeug nicht oder nicht mehr zugeordnet ist, und die in einen Unfall verwickelt wurden, das Gebiet des Staates, in dem sich der Unfall ereignet hat, für die Zwecke der Schadenregulierung gemäß Artikel 2 Absatz 2 erster Gedankenstrich der vorliegenden Richtlinie oder gemäß Artikel 1 Absatz 4 der Zweiten Richtlinie …;

    Artikel 3

    (1)   Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 4 alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.

    (2)   Jeder Mitgliedstaat trifft alle zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Versicherungsvertrag überdies folgende Schäden deckt:

    die im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten gemäß den Rechtsvorschriften dieser Staaten verursachten Schäden,

    die Schäden, die Angehörigen der Mitgliedstaaten auf den direkten Strecken zwischen einem Gebiet, in dem der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gilt, und einem anderen solchen Gebiet zugefügt werden, wenn für das durchfahrene Gebiet ein nationales Versicherungsbüro nicht besteht; in diesem Fall ist der Schaden gemäß den die Versicherungspflicht betreffenden Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zu decken, in dessen Gebiet das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat.“

    2.   Richtlinie 84/5

    5.

    In Art. 1 und 2 der Zweiten Richtlinie heißt es:

    „Artikel 1

    (1)   Die in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 72/166/EWG bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.

    (4)   Jeder Mitgliedstaat schafft eine Stelle oder erkennt eine Stelle an, die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne von Absatz 1 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat.

    Unterabsatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, der Einschaltung dieser Stelle subsidiären Charakter zu verleihen oder Bestimmungen zu erlassen, durch die der Rückgriff der Stelle auf den oder die für den Unfall Verantwortlichen sowie auf andere Versicherer oder Einrichtungen der sozialen Sicherheit, die gegenüber dem Geschädigten zur Regulierung desselben Schadens verpflichtet sind, geregelt wird. Die Mitgliedstaaten dürfen es der Stelle jedoch nicht gestatten, die Zahlung von Schadenersatz davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in irgendeiner Form nachweist, dass der Haftpflichtige zur Schadenersatzleistung nicht in der Lage ist oder die Zahlung verweigert.

    Artikel 2

    (1)   Jeder Mitgliedstaat trifft zweckdienliche Maßnahmen, damit jede Rechtsvorschrift oder Vertragsklausel in einer nach Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 72/166/EWG ausgestellten Versicherungspolice, mit der die Nutzung oder Führung von Fahrzeugen durch

    hierzu weder ausdrücklich noch stillschweigend ermächtigte Personen oder

    Personen, die keinen Führerschein für das betreffende Fahrzeug besitzen, oder

    Personen, die den gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf Zustand und Sicherheit des betreffenden Fahrzeugs nicht nachgekommen sind,

    von der Versicherung ausgeschlossen werden, bei der Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 72/166/EWG bezüglich der Ansprüche von bei Unfällen geschädigten Dritten als wirkungslos gilt.

    Die im ersten Gedankenstrich genannte Vorschrift oder Klausel kann jedoch gegenüber den Personen geltend gemacht werden, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, sofern der Versicherer nachweisen kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug gestohlen war.

    Den Mitgliedstaaten steht es frei, bei Unfällen auf ihrem Gebiet Unterabsatz 1 nicht anzuwenden, wenn und soweit das Unfallopfer Schadenersatz von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann.

    (2)   In den Fällen gestohlener oder unter Anwendung von Gewalt erlangter Fahrzeuge können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die in Artikel 1 Absatz 4 bezeichnete Stelle nach Maßgabe von Absatz 1 des vorliegenden Artikels anstelle des Versicherers eintritt; hat das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort in einem anderen Mitgliedstaat, so hat diese Stelle keine Regressansprüche gegenüber irgendeiner Stelle in diesem Mitgliedstaat.

    Die Mitgliedstaaten, die im Falle gestohlener oder unter Anwendung von Gewalt erlangter Fahrzeuge das Eintreten der in Artikel 1 Absatz 4 bezeichneten Stelle vorsehen, können für Sachschäden eine Selbstbeteiligung des Geschädigten bis zu 250 ECU festsetzen.“

    B. Nationales Recht

    1.   Decreto-Lei Nr. 522

    6.

    Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge war in Portugal zum Unfallzeitpunkt das Decreto-Lei n.° 522/85 – Seguro Obrigatório de Responsabilidade Civil Automóvel (Gesetzesvertretende Verordnung über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Nr. 522/85 vom 31. Dezember 1985 (im Folgenden: Decreto-Lei Nr. 522/85) in Kraft. Das Decreto-Lei bestimmt:

    Art. 1 Abs. 1: „Jeder, der zivilrechtlich zum Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens haftpflichtig sein könnte, der aus Dritten durch ein motorgetriebenes Landfahrzeug … verursachten Personen- oder Sachschäden entsteht, muss, um diese Fahrzeuge im Straßenverkehr benutzen zu dürfen, … eine Versicherung unterhalten, die diese Haftung deckt.“

    Art. 2: „Außer in den folgenden Fällen obliegt die Versicherungspflicht dem Eigentümer des Fahrzeugs …“

    7.

    Nach Art. 8 Abs. 1 und 2 des Decreto-Lei Nr. 522/85 „[deckt] [d]er Vertrag … die zivilrechtliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers, der Personen, die gemäß Artikel 2 versicherungspflichtig sind, sowie der berechtigten Besitzer und Fahrer des Fahrzeugs“ und garantiert außerdem „den Ersatz von Schäden, zu dem die Täter von Straftaten des Diebstahls, des Raubes oder des unbefugten Gebrauchs eines fremden Kraftfahrzeugs oder die Verursacher von vorsätzlich verursachten Verkehrsunfällen verpflichtet sind …“

    8.

    Nach Art. 21 obliegt es der Entschädigungsstelle „nach Maßgabe dieses Kapitels, Schäden zu ersetzen, die aufgrund von Unfällen entstanden sind, die durch versicherungspflichtige, in Portugal zugelassene Fahrzeuge verursacht wurden …“

    9.

    Schließlich bestimmt Art. 25 Abs. 1 und 3: „Hat [die Entschädigungsstelle] die entsprechende Entschädigung geleistet, gehen die Ansprüche des Geschädigten auf ihn über. Zudem hat er Anspruch auf den gesetzlichen Verzugszins und die Erstattung der Kosten, die ihm durch die Abwicklung und die Geltendmachung entstanden sind. … Versicherungspflichtige, die keine Versicherung abgeschlossen haben, können [von der Entschädigungsstelle] gemäß Absatz 1 verklagt werden, der in Höhe der von ihm geleisteten Zahlungen auf etwaige andere für den Unfall Verantwortliche Rückgriff nehmen kann.“

    2.   Código Civil (Bürgerliches Gesetzbuch)

    10.

    Art. 503 Abs. 1 des portugiesischen Código Civil (Bürgerliches Gesetzbuch) bestimmt:

    „Wer die tatsächliche Herrschaft über ein Landfahrzeug ausübt und dieses im eigenen Interesse[,] und sei es durch einen Beauftragten[,] nutzt, haftet für die Schäden, die aus der dem Fahrzeug eigenen Gefahr herrühren, auch wenn dieses nicht benutzt wird.“

    III. Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

    11.

    Aufgrund medizinischer Probleme stellte Frau A. Juliana die Nutzung ihres Fahrzeugs ein und ließ es auf ihrem Grundstück. Sie schloss keine Haftpflichtversicherung ab.

    12.

    Am 18. oder 19. November 2006 entnahm ihr Sohn ohne ihre Erlaubnis und ohne ihr Wissen die Fahrzeugschlüssel aus einer Schublade ihres Schlafzimmers und fuhr mit dem Fahrzeug vom Grundstück weg.

    13.

    Am 19. November 2006 verlor ihr Sohn auf einer öffentlichen Straße die Kontrolle über das Fahrzeug. Bei dem Unfall kamen er und zwei Insassen ums Leben.

    14.

    Die Entschädigungsstelle leistete den Familien der verstorbenen Insassen für den Unfall eine Entschädigung. Als Anspruchsberechtigte aus übergegangenem Recht nahm die Entschädigungsstelle sodann Frau A. Juliana als Eigentümerin des Fahrzeugs (im Folgenden: Beklagte zu 1)) und Frau Cristiana Juliana, die Tochter und Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Fahrers (im Folgenden: Beklagte zu 2)), gerichtlich auf Erstattung der geleisteten Entschädigung nebst Zinsen in Anspruch.

    15.

    Das Gericht des ersten Rechtszugs gab den Anträgen der Entschädigungsstelle teilweise statt, da die Versicherungspflicht nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass die Eigentümerin des Fahrzeugs nicht die Absicht gehabt habe, mit ihm zu fahren, und für den Unfall nicht verantwortlich gemacht werden könne. Der Versicherungsvertrag diene dazu, die Leistung von Schadensersatz an die Geschädigten selbst bei einem Diebstahl des Fahrzeugs zu garantieren.

    16.

    Die Beklagte zu 1), Frau A. Juliana, legte beim Tribunal da Relação (Berufungsgericht, Portugal) Berufung ein. Dieses Gericht entschied, dass für sie keine Versicherungspflicht für das Fahrzeug bestanden habe und sie für den Unfall nicht verantwortlich gemacht werden könne. Daher hob es das angefochtene Urteil auf und stellte fest, dass sie in dem bei ihm anhängigen Rechtsmittelverfahren nicht haftbar gemacht werden könne.

    17.

    Die Entschädigungsstelle legte Kassationsbeschwerde beim Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) ein; dieses hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.

    Ist Art. 3 der Ersten Richtlinie (die zum Unfallzeitpunkt in Kraft war) dahin auszulegen, dass sich die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungspflicht auch auf die Fälle erstreckt, in denen das Fahrzeug aufgrund einer Entscheidung seines Eigentümers außerhalb öffentlicher Straßen auf einem privaten Grundstück stillgelegt worden ist,

    oder

    ist er dahin auszulegen, dass der Eigentümer unter diesen Umständen ungeachtet der Haftung des Fundo de Garantia Automóvel gegenüber geschädigten Dritten, insbesondere bei einem unbefugten Gebrauch des Kraftfahrzeugs, nicht verpflichtet ist, sein Fahrzeug zu versichern?

    2.

    Ist Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie (die zum Unfallzeitpunkt in Kraft war) dahin auszulegen, dass der Fundo de Garantia Automóvel – der angesichts des Fehlens einer Haftpflichtversicherung Schadensersatz an die Dritten geleistet hat, die durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurden, der durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das ohne Erlaubnis des Eigentümers und ohne sein Wissen von dem privaten Grundstück, auf dem es stillgelegt war, entfernt worden war – gegen den Eigentümer des Fahrzeugs unabhängig von dessen Verantwortung für den Unfall einen Anspruch aus übergegangenem Recht hat,

    oder

    ist er dahin auszulegen, dass für den Übergang des Anspruchs gegen den Eigentümer auf den Fundo de Garantia Automóvel die Voraussetzungen für die zivilrechtliche Haftung vorliegen müssen und insbesondere der Eigentümer zum Zeitpunkt des Unfalls die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug ausgeübt haben muss?

    18.

    Die deutsche Regierung, Irland, die Regierungen Italiens, Lettlands, Portugals, Spaniens und des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission haben schriftlichen Erklärungen eingereicht. Mit Ausnahme von Italien haben die vorgenannten Beteiligten in der Sitzung vom 30. Januar 2018 auch mündliche Ausführungen gemacht.

    IV. Würdigung

    A. Vorbemerkungen

    1.   Haftung für den Unfall und Versicherungspflicht

    19.

    Im Blick zu behalten ist bei der Erörterung der Fragen des vorlegenden Gerichts die Unterscheidung zwischen i) der Haftung für den Unfall und ii) der Versicherungspflicht.

    20.

    Von der portugiesischen Regierung wurde in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass Frau C. Juliana, die Beklagte zu 2), als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Fahrers, der an dem Unfall unmittelbar beteiligt war, in Anspruch genommen wird. Die Haftung der Beklagten zu 2) hängt somit von der Frage ab, ob ihr Vater für den Unfall haftet (Alternative i)).

    21.

    Dagegen wird Frau A. Juliana, die Beklagte zu 1), als Eigentümerin des Fahrzeugs aufgrund eines geltend gemachten Verstoßes gegen ihre Versicherungspflicht für das Fahrzeug in Anspruch genommen (Alternative ii)). Wenn für Frau A. Juliana keine Versicherungspflicht bestand, gehe ich somit davon aus, dass sie nicht haftbar gemacht werden kann und das Verfahren gegen sie hinfällig ist.

    22.

    Daher ist auf die erste Frage des vorlegenden Gerichts nach dem Umfang der Versicherungspflicht insbesondere für Frau A. Juliana detailliert einzugehen. Dies wiederum erfordert eine Prüfung des Geltungsbereichs des Begriffs der Benutzung von Fahrzeugen in Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie sowie des Beginns und Endes der Versicherungspflicht (B).

    23.

    Wenn für Frau A. Juliana eine Versicherungspflicht bestand, stellt sich eine zweite Frage danach, ob sie unter dem Gesichtspunkt, dass sie an dem Unfall tatsächlich nicht beteiligt war, unionsrechtlich betrachtet haftbar gemacht werden kann. Auf diesen Punkt wird im Rahmen der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts eingegangen (C).

    2.   Wer unterliegt der Versicherungspflicht?

    24.

    Um es klar zu sagen: In den vorliegenden Schlussanträgen wird nur die Frage geprüft werden, ob für das Fahrzeug in dem Zeitraum, in dem es auf dem Grundstück abgestellt war, eine Versicherungspflicht bestand, nicht aber, wem diese Pflicht oblag. Soweit ich, beispielsweise in den vorstehenden Absätzen, von einer möglichen Versicherungspflicht von Frau A. Juliana für ihr Fahrzeug spreche, dann deshalb, weil das vorlegende Gericht im Vorabentscheidungsersuchen angibt, dass, wenn eine Versicherungspflicht für das abgestellte Fahrzeug bestand, diese nach nationalem Recht ihr als Eigentümerin obliegen würde und sich hieraus für sie eine außervertragliche Haftung ergeben könnte.

    25.

    Die Erste Richtlinie regelt nämlich nicht, wem die Mitgliedstaaten die Versicherungspflicht auferlegen müssen. Dies ist eine Frage des nationalen Rechts. Diese Auslegung wird von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens nicht bestritten.

    26.

    Zwar hat der Gerichtshof in seinem Urteil Csonka von der Versicherungspflicht „jedes Eigentümers oder Halters eines Fahrzeugs“ gesprochen ( 4 ). Mit dieser eher offenen Formulierung wollte der Gerichtshof jedoch meines Erachtens keine Feststellung dahin treffen, dass die Erste Richtlinie die Verpflichtung einer bestimmten Einzelperson auferlegt. Dies ergibt sich meines Erachtens eindeutig aus dem Kontext des Vorabentscheidungsersuchens in jener Rechtssache, in dem die Frage, wem die Verpflichtung oblag, überhaupt nicht erörtert wurde.

    27.

    Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie soll nämlich nicht die Haftung einer bestimmten Person gewährleisten, sondern vielmehr, dass alle Fahrzeuge, die benutzt werden, versichert sind, so dass der Geschädigte sich im Fall eines Unfalls unschwer an eine (zahlungsfähige ( 5 )) Einrichtung wenden kann, um Schadensersatz zu erhalten ( 6 ).

    B. Erste Frage

    28.

    Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht im Wesentlichen wissen, ob nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie die Kraftfahrzeugversicherungspflicht auch für ein Fahrzeug besteht, das der Eigentümer aus dem öffentlichen Verkehr gezogen hat und nicht nutzt oder zu nutzen beabsichtigt. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob es für die Pflichten des Eigentümers insoweit von Bedeutung ist, dass die Entschädigungsstelle dem Geschädigten auf eine Entschädigung haftet.

    29.

    Meines Erachtens besteht in Fällen wie dem vorliegenden eine Versicherungspflicht.

    30.

    Im Rahmen der Erörterung der ersten Frage des vorlegenden Gerichts werde ich zunächst mit einigen Anmerkungen auf das Verhältnis zwischen der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie und dem Eintreten der Entschädigungsstelle nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie eingehen (1). Anschließend werde ich die wesentliche Rechtsprechung zum zentralen Begriff „Benutzung eines Fahrzeugs“ in Erinnerung bringen (2). Danach werde ich die Frage prüfen, ob die„Benutzung von Fahrzeugen“ und die Versicherungspflicht ex ante oder ex post zu beurteilen sind (3), und den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ (4) sowie den Beginn und das Ende der Versicherungspflicht (5) eingehender betrachten. Schließlich werde ich mich der Anwendung dieser Feststellungen auf die vorliegende Rechtssache zuwenden (6).

    1.   Verhältnis zwischen der Versicherungspflicht und der Entschädigungsstelle

    31.

    Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie regelt die allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Fahrzeuge der Versicherungspflicht unterliegen. Nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie muss die Entschädigungsstelle eintreten, soweit gegen die Versicherungspflicht verstoßen wird.

    32.

    Hierzu möchte ich folgende Anmerkungen machen.

    33.

    Erstens ist nach der Zweiten Richtlinie die Entschädigungsstelle nicht als eine Art von „System zur Gewährleistung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [anzusehen], [sie soll vielmehr] nur unter besonderen, klar definierten Umständen Wirkungen entfalten“. Sie tritt als „allerletzte Maßnahme“ ein, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen aufgrund eines „Versagens des vom Mitgliedstaat einzurichtenden [Versicherungssystems]“ ein Schaden durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursacht wurde ( 7 ).

    34.

    Zweitens muss dann, wenn ein Fall nicht in den Geltungsbereich der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie fällt, die Entschädigungsstelle kein Auffangnetz nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie bieten. Mit anderen Worten ist der potenzielle Anwendungsbereich des Eintretens der Entschädigungsstelle mit der Versicherungspflicht deckungsgleich ( 8 ). Die Mitgliedstaaten können ihre Umsetzung der Zweiten Richtlinie grundsätzlich „vergolden“ und vorsehen, dass die Entschädigungsstelle auch in anderen Fällen eintritt. Sind sie hierzu jedoch unionsrechtlich nicht zwingend verpflichtet.

    35.

    Aus den vorgenannten Punkten folgt, dass die Erste und die Zweite Richtlinie unterscheiden zwischen einerseits der großen Mehrheit von Fällen, in denen eine „Einzelperson“ durch den Abschluss einer Versicherung die Kosten des mit einer „Benutzung von Fahrzeugen“ verbundenen Risikos tragen muss, und andererseits den sonstigen, marginalen/verbleibenden Fällen, in denen diese Kosten des Risikos von der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit getragen werden ( 9 ), d. h. durch das Eintreten der Entschädigungsstelle. Soweit jedoch eine Versicherungspflicht überhaupt nicht besteht, hat dies die grundlegende Folge, dass das Risiko letztlich möglicherweise vom Unfallgeschädigten getragen wird, insbesondere in Fällen, in denen aufgrund der Schwere der Unfallfolgen die Höhe der Entschädigung erheblich ist oder der Geschädigte aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des für den Schadensfall Haftpflichtigen keine angemessene Entschädigung erlangen kann.

    36.

    Dies hat praktisch zur Folge, dass die beiden Regelungen untrennbar miteinander verknüpft und in Verbindung miteinander zu verstehen sind: Je enger der Geltungsbereich der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie ausgelegt wird, umso kleiner wird das Auffangnetz, das dem Geschädigten durch die Entschädigungsstelle nach Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie geboten wird ( 10 ).

    37.

    In den folgenden Abschnitten werde ich den Geltungsbereich der Versicherungspflicht eingehender betrachten und hierzu zunächst einen Überblick über die bestehende Rechtsprechung zum zentralen Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ voranstellen.

    2.   „Benutzung von Fahrzeugen“: Urteile Vnuk, Andrade und Torreiro

    38.

    Die Urteile Vnuk ( 11 ), Andrade ( 12 ) und Torreiro ( 13 ) sind die wesentlichen Rechtssachen, die für den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ relevant sind. Im Folgenden erörtere ich diese jeweils nacheinander und fasse dann die sich aus diesen Urteilen ergebende Definition dieses Begriffs zusammen.

    a)   Urteil Vnuk

    39.

    Im Urteil Vnuk ( 14 ) prüfte der Gerichtshof, ob das Manöver, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie fällt.

    40.

    Angesichts der erheblichen Unterschiede zwischen den Sprachfassungen im Hinblick auf den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ setzte der Gerichtshof sich mit der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Unionsvorschriften über die Pflichtversicherung auseinander. Er sprach von den „beiden … Zielen“ des Schutzes der Opfer von Unfällen und des freien Personenverkehrs ( 15 ). Der Gerichtshof äußerte sich ferner zum Schutz der Geschädigten, einem Ziel, das „ständig verfolgt und verstärkt“ worden sei ( 16 ). Insbesondere in Anbetracht dieses Ziels stellte er fest, dass „nicht angenommen werden [kann], dass der Unionsgesetzgeber Personen, die durch einen Unfall geschädigt werden, der durch ein Fahrzeug bei dessen Benutzung verursacht wird, von dem durch diese Richtlinien gewährten Schutz ausschließen wollte, sofern die Benutzung der gewöhnlichen Funktion dieses Fahrzeugs entspricht“ ( 17 ).

    41.

    Der Gerichtshof stellte somit fest, dass das fragliche Manöver unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ fällt.

    b)   Urteil Andrade

    42.

    In der Rechtssache Andrade ( 18 ) war ein im Stillstand befindlicher Traktor, dessen Motor lief, um eine Spritzvorrichtung zum Versprühen eines Pflanzenschutzmittels auf Weinstöcke eines Weinbergs zu betreiben, infolge eines Erdrutsches abgestürzt und hatte sich überschlagen, wodurch ein Landarbeiter ums Leben kam. Das nationale Gericht fragte, ob dieser Fall unter den Begriff „Benutzung eines Fahrzeugs“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie fällt.

    43.

    Der Gerichtshof verwies zunächst auf seine Feststellungen im Urteil Vnuk ( 19 ). Er stellte im Weiteren fest, dass der Traktor eine doppelte Funktion hatte: eine „gewöhnliche Verwendung als Transportmittel“ und „unter bestimmten Umständen auch als Arbeitsmaschin[e]“. In diesem Fall sei „zu ermitteln, ob ein solches Fahrzeug beim Eintritt des Unfalls … in erster Linie als Transportmittel verwendet wurde, in welchem Fall diese Verwendung vom Begriff ‚Benutzung eines Fahrzeugs‘ umfasst ist, oder aber ob es als Arbeitsmaschine verwendet wurde, in welchem Fall die betreffende Verwendung nicht von diesem Begriff umfasst sein kann“ ( 20 ).

    44.

    Da in jener konkreten Rechtssache der Traktor beim Eintritt des Unfalls vorherrschend als Maschine zur Ausführung von Arbeiten genutzt wurde, fiel der Sachverhalt der Rechtssache nicht unter den Begriff „Benutzung eines Fahrzeugs“.

    c)   Urteil Torreiro

    45.

    Herr Núñez Torreiro nahm an einer militärischen Nachtübung teil, als das militärische Geländeradfahrzeug des Typs „Aníbal“, in dem er als Insasse mitfuhr, sich überschlug. Das Fahrzeug fuhr nicht im Verkehr auf öffentlichen Straßen und nicht einmal in einem für Radfahrzeuge vorgesehenen Gelände, sondern im Gelände eines für Kettenfahrzeuge vorgesehenen, nur eingeschränkt zugänglichen Truppenübungsplatzes ( 21 ).

    46.

    Der Gerichtshof stellte fest, dass dieser Fall unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ fällt. Er wiederholte im Wesentlichen die Feststellungen in den Urteilen Vnuk ( 22 ) und Andrade ( 23 ) und stellte sodann fest, dass der Umstand, dass das Fahrzeug bei einer Militärübung in einem für Radfahrzeuge ungeeigneten Gelände benutzt wurde, insoweit ohne Belang war.

    d)   Zusammenfassendes Zwischenergebnis

    47.

    Ausgehend von den vorstehenden Urteilen ist die grundlegende Arbeitsdefinition der „Benutzung von Fahrzeugen“ auf den ersten Blick recht weit und umfasst der gewöhnlichen Verwendung entsprechende Benutzungen (als Transportmittel) (Urteil Vnuk), unabhängig vom konkreten Ort, an dem sie benutzt werden (Urteil Torreiro), nicht jedoch Fälle, in denen die Hauptnutzung zum Zeitpunkt des Schadensfalls nicht in der Verwendung als Transportmittel besteht (Urteil Andrade).

    48.

    Im folgenden Abschnitt werde ich das Verhältnis zwischen der „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht sowie den Zeitpunkt, zu dem diese jeweils bestimmt werden können und müssen, erörtern.

    3.   „Benutzung von Fahrzeugen“ und Versicherungspflicht: ex ante oder ex post?

    49.

    Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 72/166 erstreckt sich die Versicherungspflicht auf die „Haftpflicht bei [der Benutzung von] Fahrzeugen“.

    50.

    Bei der Definition der „Benutzung von Fahrzeugen“ in den Urteilen Vnuk, Andrade und Torreiro stand der aktive Einsatz oder der Betriebsmodus des Fahrzeugs „zum Zeitpunkt des Schadensfalls“ im Mittelpunkt: Rückwärtsfahren mit einem Anhänger, Einsatz als Maschine, Fahren in (un)geeignetem Gelände ( 24 ).

    51.

    Hieraus könnte geschlossen werden, dass dann, wenn ein Schadensfall bereits eingetreten ist, das Bestehen einer Versicherungspflicht anhand der konkreten Umstände des Unfalls zu beurteilen ist. Mit anderen Worten wäre die Frage des Bestehens einer Versicherungspflicht nach dem Ereignis (ex post facto) zu beurteilen.

    52.

    In der vorliegenden Rechtssache würde dies somit bedeuten, dass, weil der Unfall sich bei der Fahrt auf einer öffentlichen Straße ereignete (was somit als gewöhnliche Verwendung des Fahrzeugs anzusehen sein dürfte), sicherlich zu diesem Zeitpunkt eine Pflicht zur Versicherung des Fahrzeugs bestand. Dies beantwortet jedoch nicht die Frage, ob eine Versicherungspflicht bestand, als das Fahrzeug auf dem Grundstück von Frau A. Juliana abgestellt war. Dies ist der Kern der ersten Frage des vorlegenden Gerichts und, wie ich es verstehe, von zentraler Bedeutung dafür, ob sie in der vorliegenden Rechtssache haftbar gemacht werden kann.

    53.

    Weiterhin stimme ich zwar damit überein, dass zum Zeitpunkt des Unfalls in der vorliegenden Rechtssache unzweifelhaft eine Versicherungspflicht bestand. Meines Erachtens sind die drei Urteile Vnuk, Andrade und Torreiro aber nicht allgemein dahin zu verstehen, dass die Versicherungspflicht ex post facto zu beurteilen ist.

    54.

    Der Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Geltungsbereich der Versicherungspflicht müssen ex ante bestimmbar sein. Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit völlig offensichtlich. Fahrzeuge können nicht je nachdem, wie sie zufällig jeweils eingesetzt werden oder in welchem Betriebsmodus sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden, unter die allgemeine Versicherungspflicht oder aus ihr herausfallen. Das Bestehen der Pflicht kann nicht lediglich von rückblickenden Schlussfolgerungen aus den Umständen des Schadensfalls abhängen.

    55.

    In den Urteilen Vnuk, Andrade und Torreiro berücksichtigte der Gerichtshof, wie die Fahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt wurden, weil dies erforderlich war, damit das nationale Gericht über die Haftung entscheiden konnte. Zu betonen ist, dass in allen diesen Fällen die an den Schadensfällen beteiligten Fahrzeuge versichert waren ( 25 ). Nach meiner Kenntnis war der Umstand, dass eine allgemeine Versicherungspflicht bestand, unstreitig. Die maßgebende Frage, über die die nationalen Gerichte in jenen Rechtssachen zu entscheiden hatten, war vielmehr, ob die Schadensfälle in den Geltungsbereich des Versicherungsvertrags fielen, so dass die Versicherungsgesellschaften ersatzpflichtig waren, da alle Beteiligten ihre Haftung mit der Begründung bestritten, dass die Schadensfälle selbst unter den konkreten Umständen des Unfalls nicht mit einer „Benutzung von Fahrzeugen“ im Zusammenhang ständen.

    56.

    Demgegenüber ist die Frage in der vorliegenden Rechtssache eine ganz andere, die sich auf einer abstrakteren und allgemeineren Ebene stellt: Besteht bei der in der vorliegenden Rechtssache erfolgten Art der Nutzung des Fahrzeugs allgemein eine Versicherungspflicht?

    57.

    Beispielsweise fällt die Nutzung eines Fahrzeugs, um damit jeden Tag zur Arbeit und wieder zurück zu fahren, eindeutig unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“. Es besteht eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Endet diese Verpflichtung genau genommen dann, wenn das Fahrzeug am Abend in einer (privaten) Garage abgestellt und der Motor ausgestellt wird, nur um am nächsten Morgen wieder aufzuleben, wenn der Schlüssel im Zündschloss gedreht und mit dem Fahrzeug wieder eine öffentliche Straße befahren wird?

    58.

    Dies ist meines Erachtens eindeutig nicht der Fall. Wozu das Fahrzeug genau eingesetzt wird oder in welchem Betriebsmodus es sich zu einem konkreten Zeitpunkt befindet, variiert. Für die allgemeine Versicherungspflicht, die zeitlich einen eindeutigen Beginn und ein eindeutiges Ende sowie ein gewisses logisches Maß an Kontinuität und Vorhersehbarkeit voraussetzt, kann dies nicht gelten.

    59.

    Es ist nicht auszuschließen, dass ein Fahrzeug zwischen diesen Zeitpunkten möglicherweise in einer Form eingesetzt wird, die keine „Benutzung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie darstellt. Dies war in der Tat in der Rechtssache Andrade der Fall. Allgemein wurde der Traktor in jener Rechtssache wahrscheinlich in einer Form benutzt, die unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ fiel und versichert war. Zum konkreten Zeitpunkt des Unfalls jedoch wurde er als eine Maschine benutzt, was keine „Benutzung von Fahrzeugen“ darstellte. Die Versicherungspflicht setzte jedoch in diesen Minuten oder Stunden, als der Traktor als Maschine benutzt wurde, nicht in theoretischer Weise aus.

    60.

    Auch wenn der Begriff Benutzung eines Fahrzeugs für die Bestimmung des Geltungsbereichs der Versicherungspflicht von zentraler Bedeutung ist, kann beides folglich nicht völlig gleichgesetzt werden. Mit diesen Unterscheidungen im Blick werde ich in den folgenden Abschnitten den Begriff der „Benutzung von Fahrzeugen“ und den Beginn und das Ende der Versicherungspflicht eingehender prüfen.

    4.   Definition der „Benutzung von Fahrzeugen“

    61.

    Da der Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ den Begriff „Fahrzeug“ einschließt, der in der Ersten Richtlinie gesondert definiert ist, werde ich diesen zuerst erörtern (a) und dann mit dem Begriff „Benutzung“ (von Fahrzeugen) in seinen verschiedenen Zusammenhängen fortfahren (b).

    a)   Fahrzeug

    62.

    Die Definition des „Fahrzeugs“ nach Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie ist auf Kraftfahrzeuge, „[welche] zum Verkehr … bestimmt … [sind]“, beschränkt.

    63.

    Meines Erachtens kann sich „bestimmt“ in diesem Kontext eindeutig nicht auf die subjektive, individuelle Absicht des Eigentümers oder einer anderen Person, die die Herrschaft über das Fahrzeug ausübt, beziehen. Es bezieht sich auch nicht darauf, wie das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt eingesetzt wird.

    64.

    Die Formulierung „zum Verkehr … bestimmt“ in der Definition des „Fahrzeugs“ muss sich vielmehr logisch auf den objektiven Zweck des Fahrzeugs beziehen. Hierfür sprechen andere Sprachfassungen der Richtlinie, die einen eher neutralen Wortlaut verwenden ( 26 ). Außerdem stimme ich mit der Kommission darin überein, dass es zu nicht hinnehmbarer Rechtsunsicherheit führen würde, wenn die Definition des Fahrzeugs von der subjektiven Absicht seines Eigentümers zu einem konkreten Zeitpunkt abhängig gemacht würde. Schließlich wird diese Auslegung auch durch das Urteil des Gerichtshofs Vnuk bestätigt, wo er feststellte, dass die Definition des „Fahrzeugs“ unabhängig von dem Gebrauch ist, der von ihm gemacht wird oder „werden kann“ ( 27 ).

    65.

    Daher ist entgegen der insbesondere von Irland in seinen schriftlichen Erklärungen vorgetragenen Ansicht der Umstand, dass der Eigentümer das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht im Verkehr benutzt (oder zu nutzen beabsichtigt), unschädlich dafür, dass es sich um ein „Fahrzeug“ im Sinne der Ersten Richtlinie handelt, für das eine Versicherungspflicht bestehen kann. Der Begriff „Fahrzeug“ muss im Gegenteil objektiv und „feststehend“ (im Sinne einer Andauer über einen angemessenen Zeitraum) sein.

    b)   Benutzung

    66.

    Die „Benutzung von Fahrzeugen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie stellt einen autonomen Begriff des Unionsrechts dar, der im Licht des Kontexts dieser Vorschrift und der Ziele ausgelegt werden muss, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 28 ).

    67.

    Wie vom Gerichtshof bereits festgestellt ( 29 ), ist der Begriff der Benutzung von Fahrzeugen in den verschiedenen amtlichen Sprachfassungen recht unterschiedlich übersetzt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, ihn im Licht der mit der Richtlinie verfolgten „beiden … Ziele des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch ein Kraftfahrzeug verursacht werden, und der Liberalisierung des Personen- und Warenverkehrs“ auszulegen ( 30 ). Insoweit hat der Gerichtshof ferner den stärker werdenden Schutz betont, der Opfern von Unfällen, die durch Fahrzeuge verursacht werden, über die Jahre nach dem Erlass der Ersten Richtlinie gewährt worden ist ( 31 ).

    68.

    Die vorgenannten Erwägungen haben den Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu einer weiten Auslegung des Begriffs „Benutzung von Fahrzeugen“ bewogen, die „jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht“ ( 32 ).

    69.

    Dem möchte ich die folgenden Anmerkungen zum räumlichen und sachlichen Geltungsbereich dieser Definition hinzufügen.

    i) Räumlicher Anwendungsbereich der „Benutzung von Fahrzeugen“

    70.

    Der Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ ist nicht auf die Benutzung an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gelände oder Gebiet beschränkt. Er ist „nicht auf Situationen der Nutzung im Straßenverkehr, d. h. im Verkehr auf öffentlichen Straßen, beschränkt“ ( 33 ). In ihren schriftlichen Erklärungen haben Irland und die Regierung des Vereinigten Königreichs sich in Bezug auf den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ und die Pflichthaftpflichtversicherung für einen Ansatz ausgesprochen, der zwischen einer Nutzung auf öffentlichen Straßen und einer Nutzung andernorts unterscheidet.

    71.

    Für diese Unterscheidung ist zwar eine gewisse kontextuelle Grundlage angeführt worden, diese ist meines Erachtens jedoch eher schwach ( 34 ). Dagegen findet sich im Wortlaut reichlich Unterstützung für eine weite Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Begriffs „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht. Insoweit definiert Art. 1 der Ersten Richtlinie grundlegend das „Gebiet, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat“, als „das Gebiet des Staates, in dem das Fahrzeug zugelassen ist“. Die Erste Richtlinie bezieht sich allgemein auf das „Gebiet eines [anderen] Mitgliedstaats“ und auf „im Gebiet der Gemeinschaft verkehrende … Kraftfahrzeuge“. Es findet sich keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen (1) öffentlichem oder privatem Gelände und auch nicht zwischen (2) Bereichen, die für den durchgehenden Verkehr von Kraftfahrzeugen bestimmt bzw. nicht bestimmt sind, obwohl die Richtlinie(n) ihre räumliche Geltung recht umfassend regelt bzw. regeln.

    72.

    Außerdem würde eine solche Unterscheidung potenziell viele Fälle von der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie ausschließen, an denen Kraftfahrzeuge beteiligt sind, die offensichtlich zu Unfällen führen können. Damit wäre die Gefahr verbunden, eines der oben genannten Hauptziele der Ersten Richtlinie ernsthaft zu beeinträchtigen, nämlich den Schutz der Opfer von Unfällen, die durch ein Kraftfahrzeug verursacht werden ( 35 ). Insoweit mag es durchaus sein, dass angesichts der Grundeigentumsverhältnisse und des Eigentumsrechts in bestimmten Mitgliedstaaten Einzelpersonen in der Lage sein mögen, Fahrzeuge in erheblichem Umfang auf privaten Grundstücken zu benutzen. Das Szenario jedoch, dass mit diesen Fahrzeugen niemals außerhalb dieser Grundstücke öffentliche Straßen befahren werden und keinerlei dritte Personen auf diese Grundstücke gelangen, so dass ganz einfach kein Unfallrisiko besteht, dürfte eher unwahrscheinlich und unrealistisch sein. Es ist meines Erachtens keines, das es rechtfertigt, in den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ ohne solide Grundlage im Wortlaut und gegen die Logik und das Ziel der betreffenden Norm Einschränkungen hineinlesen zu wollen.

    73.

    Daher sehe ich insbesondere keinen Grund, die eindeutigen Schlussfolgerungen des Gerichtshofs in der oben angeführten Rechtsprechung zu überprüfen und den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ auf eine Benutzung an konkreten Orten zu beschränken.

    ii) Sachlicher Geltungsbereich der „Benutzung von Fahrzeugen“

    74.

    Wie oben erwähnt, ist von der „Benutzung von Fahrzeugen“„jede Benutzung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht“ ( 36 ). Die „gewöhnliche Funktion“ eines Fahrzeugs besteht meines Erachtens in der Benutzung im „Verkehr“, mit anderen Worten darin, sich von A nach B fortzubewegen ( 37 ), unabhängig davon, zu welchem Zweck. Dies ergibt sich bereits recht eindeutig aus der Definition eines „Fahrzeugs“ in Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie.

    75.

    Insoweit ist zutreffend, dass der Gerichtshof, insbesondere im Urteil Andrade, festgestellt hat, dass die gewöhnliche Funktion eines Fahrzeugs darin besteht, als „Transport“-Mittel benutzt zu werden. Mit der Verwendung dieses Begriffs wollte der Gerichtshof meines Erachtens jedoch nicht auf eine konkrete „Transport“-Funktion Bezug nehmen, die etwas anders und logisch enger begrenzt wäre als die des „Verkehrs“ ( 38 ). Meines Erachtens wollte der Gerichtshof offenbar vielmehr zwischen der Verwendung als Maschine und der gewöhnlichen Funktion eines Fahrzeugs unterscheiden. Meines Erachtens ist im Licht von Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie die „gewöhnliche Funktion“ eines Fahrzeugs zutreffender als Benutzung im „Verkehr“ zu definieren.

    76.

    Wenn allerdings ein Fahrzeug sich nicht im Verkehr befindet, bedeutet dies nicht, dass alles, wozu das Fahrzeug eingesetzt wird, vom Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ allgemein nicht umfasst wäre. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt vielmehr, dass jede Verwendung eines Fahrzeugs, die seiner gewöhnlichen Funktion „entspricht“, unter die „Benutzung von Fahrzeugen“ fällt. Hierunter würden grundsätzlich auch Situationen fallen, in denen das Fahrzeug für einige Zeit stillsteht, unabhängig davon, ob der Eigentümer beabsichtigt, es später im Verkehr einzusetzen oder nicht.

    77.

    Aufbauend auf das bereits oben (in Nr. 57) gegebene Beispiel entspricht bei einem über Nacht abgestellten Fahrzeug, dessen Eigentümer beabsichtigt, es erst am nächsten Morgen zu benutzen, dieser Stillstand völlig seiner gewöhnlichen Verwendung. Vorstellbar wäre, dass die Eigentümerin am nächsten Morgen anstatt ihres Fahrzeugs spontan ein Taxi zum Flughafen nimmt und eine Woche im Skiurlaub verbringt. Unglücklicherweise bricht sie sich während ihres Urlaubs ein Bein und muss einen Monat lang einen Gips tragen. In der Zeit, in der sie nicht fahrtauglich ist, entscheidet sie sich, ihr Fahrzeug zu verkaufen, und benutzt es tatsächlich nie wieder.

    78.

    Somit ist die Eigentümerin seit der Heimfahrt von der Arbeit am letzten Abend vor ihrer Abreise in den Urlaub praktisch nie wieder mit dem Fahrzeug gefahren. Endete die „Benutzung des Fahrzeugs“ oder die Versicherungspflicht zu irgendeinem Zeitpunkt im Laufe dieser Ereignisse und, wenn ja, wann? Als sie den Motor letztmalig abstellte? Als sie in den Urlaub fuhr? Als sie sich ihr Bein brach und tatsächlich fahruntüchtig war? Als sie sich entschied, das Fahrzeug zu verkaufen? Oder zu einem anderen Zeitpunkt?

    79.

    Meines Erachtens bestand ungeachtet aller dieser (unglücklichen) Ereignisse fortwährend weiter eine Versicherungspflicht für das Fahrzeug. Es mag zwar ex post facto konkrete Formen des Einsatzes eines Fahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt geben, bei denen festgestellt werden kann, dass sie nicht unter den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ fallen, so dass möglicherweise eine Haftung für damit zusammenhängende Schadensfälle ausgeschlossen ist. Dies wird durch das Urteil Andrade ( 39 ) bestätigt.

    80.

    Werden nach dem Ereignis (ex post facto) solche konkreten Situationen einer „Nichtbenutzung“ festgestellt, lässt dies jedoch die breitere und allgemeine Versicherungspflicht (ex ante) nicht entfallen. Meines Erachtens ist vielmehr das Gegenteil der Fall: Ist ein Fahrzeug zum Verkehr zu Lande bestimmt und dazu tatsächlich geeignet, besteht für dieses Fahrzeug normalerweise eine allgemeine Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie. Dies bedeutet nicht, dass es innerhalb des Zeitraums, der von der Versicherungspflicht abgedeckt wird, nicht konkrete Fälle geben kann, in denen aufgrund der genauen Art der Benutzung gerade zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadensfalls keine Haftung nach dem Fahrzeugversicherungsvertrag besteht.

    81.

    Es muss jedenfalls möglich sein, ex ante zu bestimmen, ob ein solcher Kontext einer „Benutzung von Fahrzeugen“ tatsächlich gegeben ist, der zu einer Versicherungspflicht führt, und zwar mit einem klaren und objektiv bestimmbaren Beginn und Ende und ohne Unterbrechung zwischen diesen Punkten. Weder der bloße Umstand, dass ein Fahrzeug praktisch stillsteht, noch die Absicht des Eigentümers oder Besitzers, mit dem Fahrzeug nicht zu fahren (insbesondere, wenn keine förmlichen Schritte unternommen wurden, um den Behörden diese Absicht mitzuteilen und das Fahrzeug amtlich stillzulegen), können zur Bestimmung des Vorliegens eines solchen Kontexts und zur klaren und objektiven Bestimmung dieses Beginns und Endes herangezogen werden.

    82.

    Kurz gesagt sollte meines Erachtens als Ausgangspunkt für die Feststellung eines Kontexts der „Benutzung von Fahrzeugen“ im Sinne der Entscheidung über das Bestehen einer Versicherungspflicht angesehen werden, dass das Fahrzeug zum Verkehr zu Lande bestimmt und dazu tatsächlich geeignet ist. Ich komme unten auf die Frage zurück, wie in der Praxis der Beginn und das Ende der Versicherungspflicht genau zu bestimmen sind. Vorher werde ich jedoch noch auf einige der geäußerten Bedenken gegen eine angeblich zu weite Auslegung des Begriffs „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht eingehen.

    iii) Bedenken gegen eine weite Auslegung der „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht

    83.

    Erstens trägt insbesondere Irland vor, dass eine weite Auslegung der „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht zu unbeabsichtigten und nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen würde. Insbesondere würde einer „großen Zahl von Menschen“, die ihre Fahrzeuge (im öffentlichen Straßenverkehr) „nicht benutzen“, ungerechtfertigt ein Pflichtversicherungserfordernis auferlegt, womit keine Ziele der Ersten Richtlinie verfolgt würden.

    84.

    Dem kann ich nicht zustimmen.

    85.

    Auf die Ansicht Irlands zu der möglichen Unterscheidung zwischen der Nutzung eines Fahrzeugs auf privatem Gelände und auf öffentlichen Straßen ist oben bereits eingegangen worden ( 40 ). Was andere mögliche Fälle einer übermäßig weiten Auslegung der Versicherungspflicht angeht, die eine große Zahl von Menschen betreffen und zu unbeabsichtigten und nicht hinnehmbaren Ergebnissen führen würden, bleiben die Argumente Irlands etwas oberflächlich.

    86.

    Jedenfalls ist, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, eines der beiden Ziele der Richtlinien der Schutz der Opfer. Ein breites Pflichtversicherungserfordernis vorzusehen, trägt zu diesem Ziel bei. Die Alternative ist, dass zumindest in Fällen der Zahlungsunfähigkeit des für den Schadensfall Haftpflichtigen die Opfer von Unfällen, die durch nicht versicherte Fahrzeuge verursacht werden, letztlich möglicherweise überhaupt keine Entschädigung erhalten würden. Meines Erachtens ist in der Ersten Richtlinie oder anderswo nichts ersichtlich, das für die Annahme spräche, dass der Gesetzgeber als Standardregel eine solche Verteilung der Risikokosten beabsichtigt hätte. Im Gegenteil enthält Art. 4 der Ersten Richtlinie ausdrückliche Abweichungen, wonach in bestimmten, von den Mitgliedstaaten benannten Fällen ein Risikoausgleich durch Entschädigungsstellen möglich ist ( 41 ).

    87.

    Ergänzen möchte ich, dass die engere Auslegung der „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht, die insbesondere von Irland und der Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten wurde, zumindest in gewissem Umfang auf der Annahme zu beruhen scheint, dass aufgrund der konkreten tatsächlichen Umstände einiger Situationen ein ganz erheblich gemindertes Unfallrisiko bestehe. Hieraus soll sich somit ergeben, dass in diesen Situationen für eine Pflichtversicherung kein Bedürfnis bestehe. Irland spricht beispielsweise von Fahrzeugen, die vorübergehend in einer Lagereinrichtung auf privatem Gelände verwahrt oder von einem Händler ausgestellt werden.

    88.

    Ich stimme damit überein, dass von dem Fahrzeug in diesen Fällen nicht das gleiche Risiko ausgeht wie von einem Fahrzeug, das täglich am Straßenverkehr teilnimmt. Daraus, dass mit dem Fahrzeug gefahren werden kann, indem es z. B. über den Hof des Händlers bewegt wird, ergibt sich jedoch, dass das Risiko zwar gemindert wird, aber nach wie vor besteht. Meines Erachtens ist nicht ersichtlich, wie im Wege der gerichtlichen Auslegung über den Begriff „Benutzung“ eine Art Risikoschwelle in die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien hineingelesen ( 42 ) und so eine Versicherungspflicht abgelehnt werden könnte. Diesen Unterscheidungen kann meines Erachtens eindeutig besser und angemessener durch die Kraftfahrtversicherungswirtschaft Rechnung getragen werden oder, soweit erforderlich, im Wege der öffentlich-rechtlichen Regulierung des Marktes für Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen. Beispielsweise ist nach meiner Kenntnis die Versicherungspflicht in einigen Mitgliedstaaten äußerst weitreichend, wobei aber in Fällen, in denen ein Fahrzeug praktisch nicht genutzt wird, die Versicherungsbeiträge infolgedessen sehr niedrig sind. Versicherungsunternehmen können etwa auch je nach Fahrleistung verschiedene Beiträge verlangen oder auf irgendeine andere Weise eine angemessene Differenzierung der Beiträge ermöglichen, die dem Umfang und Maß der „Benutzung“ und der Art des damit verbundenen möglichen Risikos Rechnung trägt.

    89.

    Im Ergebnis ist auf der systematischen Ebene der Umstand, dass das Fahrzeug möglicherweise allgemein über (längere) Zeiträume stillstehen und infolgedessen möglicherweise das Risiko minimal sein mag, vielleicht ein guter Grund für unterschiedliche Beiträge, nicht aber für einen Ausschluss der Versicherungspflicht insgesamt. Dies gilt, wie oben bereits ausgeführt, insbesondere angesichts dessen, dass dann, wenn keine Versicherungspflicht bestand, grundsätzlich auch kein Auffangnetz für eine Entschädigung besteht ( 43 ).

    90.

    Zweitens ist Irland ferner der Ansicht, dass eine zu weite Auslegung des Begriffs „Benutzung von Fahrzeugen“ und der Versicherungspflicht dem Begriff „Benutzung“ jede Bedeutung nehmen und die Pflicht allein an das Eigentum knüpfen würde.

    91.

    Dieser Einwand ist meines Erachtens unbegründet.

    92.

    Wie das Urteil Andrade ( 44 ) zeigt, hat der Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ durchaus Grenzen. Außerdem darf die Versicherungspflicht zwar nicht an vorübergehende oder subjektive Umstände anknüpfen, dies bedeutet jedoch nicht, dass sie allein an das Eigentum anknüpft. Die Verpflichtung hat auch zeitliche Grenzen – einen Beginn und ein Ende. Zur Bestimmung dieser Grenzen komme ich jetzt.

    5.   Beginn und Ende der Versicherungspflicht

    i)   Zugelassene und nicht zugelassene Fahrzeuge

    93.

    Für diese Punkte des „Beginns und Endes“ ist meines Erachtens die Zulassung eines Fahrzeugs in einem Mitgliedstaat ein zentraler objektiver Faktor, der bei der Feststellung zu berücksichtigen ist, ob ein allgemeiner Kontext der „Benutzung eines Fahrzeugs“ gegeben ist, der zu einer Versicherungspflicht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie führt.

    94.

    Insoweit lassen sich zwei Fallgestaltungen voneinander unterscheiden.

    95.

    Erstens diejenige, dass das Fahrzeug in dem Mitgliedstaat zugelassen ist und bleibt. Solange das Fahrzeug zugelassen ist und keine amtlichen Maßnahmen ergriffen wurden, durch die diese Zulassung ausgesetzt oder beendet wurde, ist davon auszugehen, dass ein allgemeiner Kontext der „Benutzung des Fahrzeugs“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie gegeben ist, der zu einer Versicherungspflicht führt. Die Zulassung eines Fahrzeugs entspricht seiner gewöhnlichen verkehrsbezogenen Verwendung (und ist hierfür in den meisten Fällen erforderlich).

    96.

    Dies bedeutet nicht automatisch, dass nach der Zulassung alles, wozu das Fahrzeug in der Praxis eingesetzt wird, eine „Benutzung“ im Sinne der Feststellung einer Haftung für ein konkretes Ereignis oder des Geltungsbereichs eines Versicherungsvertrags darstellt. Auch wenn die Rechtsprechung zeigt, dass der Begriff der Benutzung äußerst weit ist, hat er durchaus Grenzen ( 45 ).

    97.

    Zweitens gibt es Fälle, in denen das Fahrzeug nicht in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, weil es noch nicht zugelassen wurde, nicht mehr zugelassen ist oder weil die Zulassung ausgesetzt worden ist.

    98.

    Fällt das Fahrzeug unter diese zweite Fallgestaltung, bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass das Fahrzeug automatisch nicht mehr der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie unterliegt. Fehlt es an einer Zulassung, ergibt sich daraus nämlich nicht notwendigerweise, dass dies der gewöhnlichen verkehrsbezogenen Verwendung eines Fahrzeugs nicht entspricht. Oder, anders ausgedrückt, können Fahrzeuge zum Verkehr zu Lande geeignet und hierzu tatsächlich benutzt werden, ohne zugelassen zu werden. Dies kann entweder, nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts, rechtmäßig oder, soweit sie nach den einschlägigen nationalen Regelungen zugelassen werden müssten, aber nicht zugelassen werden, rechtswidrig sein. In beiden Fällen können diese Fahrzeuge potenziell in Unfälle verwickelt sein.

    99.

    In der Ersten Richtlinie deutet nichts darauf hin, dass nach der Absicht des Gesetzgebers das Risiko in diesen Fällen grundsätzlich entweder von der Entschädigungsstelle oder, erst recht nicht, von den Geschädigten getragen werden soll. Allgemein deutet in der Ersten Richtlinie nichts darauf hin, dass der Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ auf die Benutzung zugelassener Fahrzeuge beschränkt wäre. Die Gesamtsystematik der Ersten Richtlinie, insbesondere Art. 1 Nr. 4 erster und zweiter Spiegelstrich und ihr Art. 3 Abs. 1, sprechen vielmehr dafür, dass eine Verpflichtung besteht, sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei einer Benutzung von Fahrzeugen im Gebiet eines Mitgliedstaats auch dann durch eine Versicherung gedeckt ist, wenn sie nicht zugelassen sind.

    100.

    In bestimmten Fällen kann es jedoch (vorübergehende) Abmeldungen oder Aussetzungen der Zulassung geben, die letztlich dazu verpflichten, das Fahrzeug nicht im Verkehr zu Lande zu bewegen, auch nicht über kurze Entfernungen (z. B. indem eine solche Benutzung des Fahrzeugs eine Straftat darstellt). Ähnliche Regelungen bestehen nach meiner Kenntnis in bestimmten Mitgliedstaaten, z. B. über die Wintermonate für Fahrzeuge, die nur über Zeiträume gefahren werden, in denen gutes Wetter herrscht. Soweit hiernach die „ex ante“-Versicherungspflicht beendet ist, ist meines Erachtens unter diesen Umständen eine „Benutzung des Fahrzeugs“ eindeutig und objektiv ausgeschlossen ( 46 ).

    101.

    Damit bleibt die Frage offen, ob und unter welchen sonstigen Voraussetzungen ein Fahrzeug, das nicht zugelassen ist (oder dessen Zulassung ausgesetzt worden ist), möglicherweise nicht unter die Versicherungspflicht fallen könnte.

    ii)   Nicht zugelassene Fahrzeuge, die nicht unter die Versicherungspflicht fallen

    102.

    Ich gehe davon aus, dass das an dem Unfall beteiligte Fahrzeug im Ausgangsverfahren zugelassen war. In der mündlichen Verhandlung hat die portugiesische Regierung bestätigt, dass das betreffende Fahrzeug amtliche Kennzeichen gehabt habe und weiterhin kraftfahrzeugsteuerpflichtig gewesen sei. Ich werde diesen Punkt daher nicht eingehend vertiefen.

    103.

    Die Frage, wann die Versicherungspflicht allgemein beginnt und endet, wurde gleichwohl in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Im Wesentlichen wurden drei Arten von Situationen genannt: a) neue Fahrzeuge, die noch nicht zugelassen wurden, aber eindeutig fahrbereit sind (z. B. Fahrzeuge, die sich auf dem Transport vom Werk befinden oder auf dem Gelände von Händlern stehen), b) sonstige Fahrzeuge, die nicht mehr zugelassen sind oder deren Zulassung ausgesetzt worden ist und die fahrbereit sind, tatsächlich aber nicht gefahren werden (z. B. Fahrzeuge in einem Museum) ( 47 ), c) Fahrzeuge, die nicht zugelassen sind und in irgendeiner Weise „fahruntauglich“ gemacht worden sind, z. B. durch den Abbau von Teilen (Rädern, Batterie, etc.).

    104.

    Was die Punkte a) und b) angeht, gibt es meines Erachtens mehrere gute Gründe dafür, dass der Gerichtshof bei der Behandlung solcher Fälle nicht anfangen sollte, in den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ im Sinne der Ersten Richtlinie feine (und möglicherweise recht komplexe) Einschränkungen hineinzulesen, z. B. aufbauend darauf, dass sie nicht oft oder wahrscheinlich nicht gefahren werden.

    105.

    Erstens finden solche Einschränkungen im Wortlaut der Richtlinie schlicht keine klare Grundlage. Sie müssten letztlich vom Gerichtshof konstruiert werden. Sie wären mit früherer Rechtsprechung, die die „Benutzung von Fahrzeugen“ weit definiert, schwer vereinbar ( 48 ).

    106.

    Zweitens könnten solche Fahrzeuge, soweit sie gefahren werden (z. B. über das Gelände eines Händlers), potenziell Schadensfälle verursachen. Bestände keine Versicherungspflicht, wäre der Geschädigte dem Risiko ausgesetzt, kein „Auffangnetz“ in Form einer Entschädigung zu haben ( 49 ). Ferner würde ein solcher Ansatz wiederum, in der Fallgestaltung unter Punkt b), die Versicherungspflicht von konkreten tatsächlichen Umständen und den Absichten von Einzelpersonen abhängig machen; dies ginge zulasten der Rechtssicherheit ( 50 ).

    107.

    Drittens, was vielleicht am wichtigsten ist, gibt es in der Ersten Richtlinie eine eindeutige Rechtsgrundlage – Art. 4 – für Abweichungen von der Versicherungspflicht für bestimmte Personen und/oder bestimmte Fahrzeuge (oder bestimmte Fahrzeuge mit besonderen Kennzeichen) ( 51 ). Wenn von diesen Abweichungen Gebrauch gemacht wird, legt diese Bestimmung ebenso ausdrücklich fest, dass die Mitgliedstaaten ein Auffangnetz für potenzielle Geschädigte vorsehen müssen, indem sie sicherstellen, dass Schäden, die durch solche ausdrücklich ausgenommenen Arten von Fahrzeugen verursacht werden, ersetzt werden.

    108.

    Unter diesen Umständen dürfte es kaum gerechtfertigt sein, den Begriff „Benutzung von Fahrzeugen“ mit einer komplexen (wenn nicht komplizierten) gerichtlichen Auslegung zu verknüpfen und Geschädigte dadurch der Gefahr auszusetzen, möglicherweise keinen (vollständigen) Schadensersatz zu erhalten, um bestimmten Umständen Rechnung zu tragen, auf die völlig problemlos mit den Abweichungen nach Art. 4 reagiert werden könnte. Metaphorisch gesprochen, erscheint es mir, wenn eines der erklärten Ziele in der Bereitstellung eines Auffangnetzes besteht, regulatorisch sehr sinnvoll, ein starkes und dickes Netz auszuwerfen und dann, erforderlichenfalls, die falschen Fische freizulassen (auszunehmen), anstatt ein Netz voller Löcher auszuwerfen und sich dann darüber zu wundern, wie manche Fische entkommen sind.

    109.

    Im Hinblick auf Punkt c) gibt es in der Praxis unendliche Möglichkeiten, ein Fahrzeug „fahruntauglich zu machen“, von der Entfernung der Schlüssel bis zur Entfernung der Batterie, der Räder und so weiter. An irgendeinem Punkt wird man dann nicht einmal mehr von einem „Fahrzeug“, geschweige denn der „Benutzung eines Fahrzeugs“ sprechen können. So führt z. B. die Entfernung des Motors dazu, dass das Fahrzeug technisch kein „Kraft-“Fahrzeug im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie mehr ist.

    110.

    Die Frage, ob ein Fahrzeug so weitreichend fahruntauglich gemacht worden ist, dass kein „Fahrzeug“ im Sinne der Ersten Richtlinie gegeben ist oder eine „Benutzung“ desselben nicht möglich ist, ist meines Erachtens jedoch in erster Linie eine Beweisfrage. Auch wenn eine abstrakte Erörterung dieser Frage in gewissem Umfang zweifellos möglich ist, halte ich ein näheres Eingehen auf diese Frage in der vorliegenden Rechtssache nicht für erforderlich. Schließlich steht außer Zweifel, dass das Fahrzeug eindeutig fahrbereit war und tatsächlich gefahren wurde.

    6.   Anwendung auf den vorliegenden Fall

    111.

    Ausgehend von den Sachverhaltsangaben des vorlegenden Gerichts ist meines Erachtens klar, dass das Abstellen eines voll funktionsfähigen Fahrzeugs auf einem Grundstück, wenn das Fahrzeug – wie von der portugiesischen Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt – zum im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt noch kraftfahrzeugsteuerpflichtig war, amtliche Kennzeichen trug und keine förmlichen Schritte unternommen wurden, um es amtlich stillzulegen, nicht dazu führen kann, dass die Versicherungspflicht entfällt. Dies gilt unabhängig von der subjektiven Absicht des Eigentümers, soweit diese den Behörden in keiner Weise offiziell mitgeteilt worden ist.

    112.

    Wie oben in Nrn. 94 bis 100 erwähnt, ist das Unterlassen förmlicher behördlicher Schritte zur Stilllegung des Fahrzeugs meines Erachtens bereits entscheidend für die Feststellung, dass ein allgemeiner Kontext der „Benutzung eines Fahrzeugs“ gegeben ist. Der genaue Standort des Fahrzeugs, sein physischer Zustand, der Umstand, dass der Eigentümer (aus medizinischen Gründen) nicht fährt, und die subjektiven Absichten des Eigentümers in Bezug auf das Fahrzeug können an dieser Schlussfolgerung nichts ändern.

    113.

    Dies ist die allgemeine Antwort auf die vom vorlegenden Gericht vorgelegte erste Frage. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese allgemeine Antwort auch für den konkreten Fall von Frau A. Juliana gelten muss. Insoweit verdienen zwei Punkte eine Hervorhebung.

    114.

    Erstens sieht die Erste Richtlinie eine Verpflichtung der Portugiesischen Republik vor, sicherzustellen, dass Fahrzeuge versichert sind. Ob diese Verpflichtung vom Mitgliedstaat erfüllt worden ist, und gegebenenfalls, wem die Versicherungspflicht obliegt, sind Fragen des nationalen Rechts, über die das vorlegende Gericht entscheiden muss.

    115.

    Zweitens möchte ich, selbst wenn das nationale Recht an irgendeiner Stelle vorsehen sollte, dass die Pflicht zur Versicherung ihres Fahrzeugs der Eigentümerin obliegt, auf zwei Aspekte hinweisen, die für das vorlegende Gericht von Bedeutung sein könnten. Zum einen können sich die Mitgliedstaaten (einschließlich ihnen zuzurechnender Einrichtungen ( 52 )) nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs selbst dann, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie unmittelbare Wirkung haben können, gegenüber Einzelpersonen nicht unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen (keine „umgekehrte vertikale“ unmittelbare Wirkung) ( 53 ). Zum anderen kann sich ein Mitgliedstaat auf die Bestimmungen einer nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinie im Sinne einer konformen Auslegung des nationalen Rechts nicht berufen, wenn diese dazu führt, dass einer Einzelperson Verpflichtungen entgegengehalten werden ( 54 ).

    116.

    Diesen Grundsätzen des Unionsrechts kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn die nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die einschlägige Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie umgesetzt werden sollte, als unklar oder widersprüchlich angesehen werden könnten. Dies ist auch bei widersprüchlichen Entscheidungen der nationalen Gerichte über die einschlägigen Rechtsfragen der Fall. Es ist insoweit Sache des nationalen Gerichts, den Sachverhalt des konkreten Falls zu beurteilen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

    7.   Ergebnis zur ersten Frage

    117.

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

    Art. 3 der Ersten Richtlinie (die zum Unfallzeitpunkt in Kraft war) ist dahin auszulegen, dass sich die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungspflicht auf die Fälle erstreckt, in denen das Fahrzeug aufgrund einer Entscheidung seines Eigentümers außerhalb öffentlicher Straßen auf einem privaten Grundstück abgestellt worden ist, jedoch keine förmlichen behördlichen Schritte unternommen worden sind, um das Fahrzeug amtlich abzumelden. Es obliegt den Mitgliedstaaten, nach nationalem Recht festzulegen, wer unter diesen Umständen zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichtet ist.

    C. Frage 2

    118.

    Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Entschädigungsstelle danach gegen den Eigentümer des Fahrzeugs einen Anspruch aus übergegangenem Recht hat, auch wenn er für den Unfall nicht verantwortlich war. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob für den Übergang des Anspruchs gegen den Eigentümer die Voraussetzungen für die zivilrechtliche Haftung vorliegen müssen (und insbesondere, ob es darauf ankommt, dass der Eigentümer keine Herrschaft über das Fahrzeug ausgeübt hat).

    119.

    Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten das Recht ein, einen Übergang des Anspruchs gegen den „für den Unfall Verantwortlichen“ vorzusehen. Diese Bestimmung sieht jedoch weiterhin vor, dass die Mitgliedstaaten, soweit sie von diesem Recht Gebrauch machen, es der Entschädigungsstelle nicht gestatten dürfen, die Zahlung von Schadensersatz davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in irgendeiner Form nachweist, dass der „Haftpflichtige“ zur Schadensersatzleistung nicht in der Lage ist oder die Zahlung verweigert.

    120.

    Die Möglichkeit eines Anspruchsübergangs (und dessen Voraussetzungen) müssen daher im nationalen Recht vorgesehen werden. Hierzu gehört auch die Definition der Begriffe des nach dem nationalen Zivilrecht „für den Unfall Verantwortlichen“ oder „Haftpflichtigen“ ( 55 ). Diese Auslegung wurde von keinem der Beteiligten, die Erklärungen eingereicht haben, bestritten.

    121.

    Soweit das vorlegende Gericht also wissen möchte, ob Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie dahin ausgelegt werden muss, dass danach ein Anspruch aus übergegangenem Recht besteht, ist die Antwort nein. Art. 1 Abs. 4 gibt den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, dies vorzusehen.

    122.

    Was die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Anspruchs aus übergegangenem Recht angeht, bleibt meines Erachtens im Vorabentscheidungsersuchen etwas unklar, um welche Grundlage der „Haftung“ es geht: die Haftung für den Unfall selbst oder die Haftung wegen unterlassener Versicherung des Fahrzeugs (soweit hierzu eine Pflicht bestand).

    123.

    Soweit die Frage sich auf die Haftung für den Unfall bezieht, bestimmen sich die Voraussetzungen für diese Haftung nach nationalem Recht. Meines Erachtens hindert das Unionsrecht nicht daran, die Voraussetzung vorzusehen, dass der Haftpflichtige zum Zeitpunkt des Unfalls die Herrschaft über das Fahrzeug gehabt haben muss.

    124.

    Die Frage des vorlegenden Gerichts geht jedoch dahin, ob ein Anspruch aus übergegangenem Recht gegen die Eigentümerin „unabhängig von [deren] Verantwortung für den Unfall“ besteht, was meines Erachtens zu verstehen ist im Sinne von „unabhängig davon, ob die Eigentümerin die Voraussetzungen für eine Haftung für den Unfall erfüllt“. Diese Möglichkeit sieht Art. 1 Abs. 4 nicht vor. Diese Bestimmung sieht einen Anspruch aus übergegangenem Recht nur gegen denjenigen vor, der für den Unfall haftpflichtig ist.

    125.

    Soweit das vorlegende Gericht fragt, ob Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie dahin ausgelegt werden muss, dass die Entschädigungsstelle einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen denjenigen hat, der für die unterlassene Versicherung eines Fahrzeugs haftpflichtig ist, ist die Antwort nein. Auch diese Möglichkeit wird in Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie schlicht nicht genannt; eine solche Regelung lässt sich dieser Bestimmung daher nicht entnehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten gehindert wären, einen Anspruch aus übergegangenem Recht unter anderen Umständen vorzusehen, etwa gegen die Person, die gegen die Versicherungspflicht nach den nationalen Rechtsvorschriften verstoßen hat, mit denen Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie umgesetzt wird. Dies ist wiederum ganz eindeutig eine Frage des nationalen Rechts.

    126.

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, die zweite Frage des vorlegenden Gerichts wie folgt zu beantworten:

    Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten zugunsten einer Entschädigungsstelle, wie dem Fundo de Garantia Automóvel, die angesichts des Fehlens einer Haftpflichtversicherung Schadensersatz an die Dritten geleistet hat, die durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurden, der durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das ohne Erlaubnis des Eigentümers und ohne sein Wissen von dem privaten Grundstück, auf dem es stillgelegt war, entfernt worden war, einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den oder die für den Unfall Verantwortlichen vorsehen können. Die Voraussetzungen für eine Haftung dieses oder dieser Verantwortlichen sind nach nationalem Recht zu regeln. Zu diesen Voraussetzungen kann u. a. gehören, dass die betreffende(n) Person(en) zum maßgeblichen Zeitpunkt die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug ausgeübt haben muss bzw. müssen.

    Durch diese Bestimmung sind die Mitgliedstaaten weder dazu verpflichtet noch daran gehindert, einen Anspruch aus übergegangenem Recht unter anderen Umständen vorzusehen, etwa gegen die Person, die gegen die Versicherungspflicht nach den nationalen Rechtsvorschriften verstoßen hat, mit denen Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie umgesetzt wird.

    V. Ergebnis

    127.

    Ich schlage dem Gerichtshof vor, die vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    Frage 1

    Art. 3 der Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (die zum Unfallzeitpunkt in Kraft war) ist dahin auszulegen, dass sich die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungspflicht auf die Fälle erstreckt, in denen das Fahrzeug aufgrund einer Entscheidung seines Eigentümers außerhalb öffentlicher Straßen auf einem privaten Grundstück stillgelegt worden ist, jedoch keine förmlichen behördlichen Schritte unternommen worden sind, um das Fahrzeug amtlich abzumelden. Es obliegt den Mitgliedstaaten, nach nationalem Recht festzulegen, wer unter diesen Umständen zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichtet ist.

    Frage 2

    Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten zugunsten einer Entschädigungsstelle, wie dem Fundo de Garantia Automóvel, die angesichts des Fehlens einer Haftpflichtversicherung Schadensersatz an die Dritten geleistet hat, die durch einen Verkehrsunfall geschädigt wurden, der durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das ohne Erlaubnis des Eigentümers und ohne sein Wissen von dem privaten Grundstück, auf dem es stillgelegt war, entfernt worden war, einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den oder die für den Unfall Verantwortlichen vorsehen können. Die Voraussetzungen für eine Haftung dieses oder dieser Verantwortlichen sind nach nationalem Recht zu regeln. Zu diesen Voraussetzungen kann u. a. gehören, dass die betreffende(n) Person(en) zum maßgeblichen Zeitpunkt die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug ausgeübt haben muss bzw. müssen.

    Durch diese Bestimmung sind die Mitgliedstaaten weder dazu verpflichtet noch daran gehindert, einen Anspruch aus übergegangenem Recht unter anderen Umständen vorzusehen, etwa gegen die Person, die gegen die Versicherungspflicht nach den nationalen Rechtsvorschriften verstoßen hat, mit denen Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie umgesetzt wird.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 1972, L 103, S. 1).

    ( 3 ) Zweite Richtlinie des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17).

    ( 4 ) Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a. (C‑409/11, EU:C:2013:512, Rn. 28 und 31).

    ( 5 ) Insbesondere bei schweren körperlichen Schäden oder Tod ist die Möglichkeit erheblich gemindert, dass der für einen Unfall Haftpflichtige den Geschädigten vollständig entschädigen kann. Auch wenn es Fälle geben mag, in denen der Versicherer zahlungsunfähig ist, wie dies etwa im Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a. (C‑409/11, EU:C:2013:512), der Fall war, sind sie grundsätzlich selten.

    ( 6 ) Derselbe Gedanke liegt Art. 4 der Ersten Richtlinie und Art. 1 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie zugrunde. Die letztgenannte Bestimmung sieht die Schaffung einer Entschädigungsstelle für Fälle vor, in denen das unfallverursachende Fahrzeug nicht versichert ist. Die erstgenannte Bestimmung erlaubt den Mitgliedstaaten eine Abweichung von der Versicherungspflicht, verpflichtet sie dabei aber, eine Stelle oder Einrichtung zu bestimmen, die dann den Geschädigten von Unfällen, die durch Fahrzeuge verursacht werden, für die von diesen Abweichungen Gebrauch gemacht wurde, ihren Schaden ersetzt.

    ( 7 ) Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a. (C‑409/11, EU:C:2013:512, Rn. 30 bis 32). Natürlich wird durch die Entschädigungsstelle unter besonderen, klar definierten Umständen in gewissem Sinne eine Entschädigung „gewährleistet“. Auf nationaler Ebene mögen Entschädigungsstellen in der Tat auch als „Garantiefonds“ bezeichnet werden, wie dies z. B. in Portugal der Fall ist – „Fundo de Garantia Automóvel“. Soweit der Gerichtshof feststellt, dass die Entschädigungsstelle kein „System zur Gewährleistung“ ist, verstehe ich dies im Wesentlichen dahin, dass die Stelle nicht dazu dient, generell einzutreten und dadurch im Ergebnis die Versicherungspflicht zu ersetzen.

    ( 8 ) Die Entschädigungsstelle muss auch noch in anderen konkret bestimmten Fällen eintreten. So muss sie z. B. nach Art. 1 Abs. 4 auch eintreten, wenn das Fahrzeug nicht ermittelt wurde.

    ( 9 ) Abhängig von dem genauen System der Finanzierung der Entschädigungsstelle kann dies eine größere oder kleinere Gruppe bedeuten (z. B. bei einer Finanzierung der Stelle aus allgemeinen Steuermitteln bzw. im Gegensatz dazu aus Versicherungsbeiträgen von Einzelpersonen).

    ( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Csonka u. a. (C‑409/11, EU:C:2013:512). In jener Rechtssache war der Versicherer zahlungsunfähig. Die nationale Sicherungsstelle war jedoch nicht zum Eintreten verpflichtet, weil die Versicherungspflicht tatsächlich eingehalten worden war.

    ( 11 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146).

    ( 12 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908).

    ( 13 ) Urteil vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007).

    ( 14 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146).

    ( 15 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 49).

    ( 16 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 52, vgl. auch Rn. 50 und 53 bis 55).

    ( 17 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 56). Hervorhebung nur hier.

    ( 18 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908).

    ( 19 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146).

    ( 20 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 40). Hervorhebung nur hier.

    ( 21 ) Urteil vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007).

    ( 22 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146).

    ( 23 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908).

    ( 24 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 40). Vgl. auch Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 59), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 32).

    ( 25 ) Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 19), vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 12), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 11).

    ( 26 ) Beispielsweise im Tschechischen: „určený k“, im Niederländischen: „bestemt“, im Französischen: „destiné à“, im Deutschen: „bestimmt“, im Italienischen: „destinato a“, im Spanischen: „destinado a“ oder im Portugiesischen: „destinado a“.

    ( 27 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 38).

    ( 28 ) Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 41 und 42), vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 31), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 24).

    ( 29 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 43 bis 45).

    ( 30 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 49).

    ( 31 ) Urteil vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 52).

    ( 32 ) Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 59), vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 34), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 28).

    ( 33 ) Urteil vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 28).

    ( 34 ) Irland führt insoweit Art. 12 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 5 der Richtlinie an, mit der die Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinien kodifiziert wurden, der Richtlinie 2009/103/EG, wo von Risiken in Bezug auf „nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer“ bzw. „Verkehrsunfällen“ die Rede ist (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. 2009, L 263, S. 11). In Bezug auf Art. 12 Abs. 3 ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 die Überschrift „Spezifische Kategorien von Unfallopfern“ hat. Art. 12 Abs. 1 bezieht sich auf die Versicherung für Schäden von Fahrzeuginsassen, ohne dass dort von „Straßen“ die Rede wäre. Wäre eine so erhebliche Einschränkung in Art. 12 Abs. 3 beabsichtigt, müsste sie logischerweise auch in Art. 12 Abs. 1 zum Ausdruck kommen. Art. 23 Abs. 5 bezieht sich auf Vorgänge bei der Geltendmachung von Ansprüchen (Auskunftsstellen) und kann daher nicht dafür herangezogen werden, erhebliche Einschränkungen in den Geltungsbereich der Versicherungspflicht selbst hineinzulesen. Ferner gibt es in der Ersten und der Zweiten Richtlinie keine Art. 12 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 5 entsprechenden Bestimmungen.

    ( 35 ) Siehe oben, Nr. 67. Soweit Irland und die Regierung des Vereinigten Königreichs sich auf die Verkehrsfreiheitsziele der Ersten und der Zweiten Richtlinie stützen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof sich z. B. im Urteil Vnuk klar auf die „beiden … Ziele“ der Richtlinien bezieht und das Ziel des verstärkten Schutzes der Opfer tatsächlich stärker betont (Urteil vom 4. September 2014, Vnuk, C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 49 ff.).

    ( 36 ) Urteile vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146, Rn. 59), vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908, Rn. 34), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007, Rn. 28).

    ( 37 ) Also ohne den Holtzman-Effekt, der in Frank Herberts Dune Berühmtheit dadurch erlangte, Raum und Zeit verkürzen und somit „einen Verkehr ohne Fortbewegung“ ermöglichen zu können (erste Auflage bei Chilton Books, Philadelphia, 1965). Es darf jedoch sicherlich angenommen werden, dass der Holtzman-Effekt, wenn er denn jemals wirklich in die Praxis umgesetzt würde, für andere Arten von „Fahrzeugen“ verwendet werden würde als für „jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind“, im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Ersten Richtlinie.

    ( 38 ) Es könnte die Ansicht vertreten werden, dass sich ein Fahrzeug, sobald es sich fortbewegt, im Verkehr befindet. Der Zweck dieses Verkehrs mag jedoch nicht stets im Beförderungsverkehr von Waren oder Personen liegen. Vgl. mit einer ähnlichen Erörterung z. B. Urteil vom 28. Juli 2016, Robert Fuchs (C‑80/15, EU:C:2016:615, Rn. 28 bis 36), zur Frage, ob die Erbringung der Dienstleistung einer Pilotenausbildung eine Beförderung von Personen darstellt, oder Urteil vom 5. Juli 2017, Fries (C‑190/16, EU:C:2017:513, Rn. 81 bis 88), zu Leer- oder Überführungsflügen, bei denen sich ein Flugzeug zwischen zwei Flughäfen fortbewegt, ohne Fluggäste, Fracht oder Post zu befördern. In beiden Rechtssachen war ein Verkehr gegeben, wohl aber kein Transport (es sei denn natürlich, es würde die Ansicht vertreten, dass allein in der Bewegung eines Fahrzeugs von A nach B von vornherein schon ein Transport dieses Fahrzeugs liege).

    ( 39 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908).

    ( 40 ) Nrn. 70 bis 73 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 41 ) Siehe auch oben, Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 42 ) Beispielsweise, dass das Fahrzeug sehr selten oder nur über begrenzte Entfernungen benutzt wird.

    ( 43 ) Oben, Nrn. 34 bis 36 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 44 ) Urteil vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908).

    ( 45 ) Dies belegt das Urteil Andrade und wird oben in den Nrn. 74 bis 82 der vorliegenden Schlussanträge eingehend erörtert.

    ( 46 ) Zu betonen ist, dass dies nicht bedeutet, dass es keine Benutzung des Fahrzeugs geben kann. Es kann natürlich gestohlen und/oder rechtswidrig gefahren werden. Unter diesen Umständen würde das Fahrzeug jedoch unter Verstoß gegen eine Versicherungspflicht gefahren, was (als Ausnahmefall) ex post festgestellt würde, so dass das Auffangnetz des Entschädigungsfonds für Geschädigte erhalten bliebe.

    ( 47 ) Abgesehen von Situationen der oben in Nr. 100 genannten Art.

    ( 48 ) Oben, Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 49 ) Oben, Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 50 ) Oben, Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 51 ) Diese Abweichungen sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich. Zum Zeitpunkt der Verlesung der vorliegenden Schlussanträge ist auf der Website der Kommission eine Liste verfügbar unter https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/banking-and-finance/insurance-and-pensions/motor-insurance_en.

    ( 52 ) Urteile vom 12. Juli 1990, Foster u. a. (C‑188/89, EU:C:1990:313, Rn. 18), und vom 10. Oktober 2017, Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:745, Rn. 33 bis 35).

    ( 53 ) Urteil vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen (80/86, EU:C:1987:431).

    ( 54 ) Urteile vom 26. September 1996, Arcaro (C‑168/95, EU:C:1996:363, Rn. 42), und vom 5. Juli 2007, Kofoed (C‑321/05, EU:C:2007:408, Rn. 45).

    ( 55 ) Urteil vom 23. Oktober 2012, Marques Almeida (C‑300/10, EU:C:2012:656, Rn. 29).

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