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Document 62016TJ0585

    Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 15. September 2017.
    Carina Skareby gegen Europäischer Auswärtiger Dienst.
    Öffentlicher Dienst – Beamte – Meinungsfreiheit – Treuepflicht – Schwere Beeinträchtigung der legitimen Interessen der Union – Verweigerung der Erlaubnis zur Veröffentlichung eines Artikels – Aufforderung zur Änderung des Textes – Art. 17a des Statuts – Gegenstand der Klage – Entscheidung über die Zurückweisung der Verwaltungsbeschwerde.
    Rechtssache T-585/16.

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2017:613

    URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

    15. September 2017 ( *1 )

    „Öffentlicher Dienst – Beamte – Freiheit der Meinungsäußerung – Loyalitätspflicht – Ernstliche Schädigung der Interessen der Union – Verweigerung der Genehmigung der Veröffentlichung eines Artikels – Aufforderung, den Text zu ändern – Art. 17a des Statuts – Gegenstand der Klage – Zurückweisung der Verwaltungsbeschwerde“

    In der Rechtssache T‑585/16

    Carina Skareby, Beamte des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), wohnhaft in Löwen (Belgien), Prozessbevollmächtigte: S. Rodrigues und C. Bernard-Glanz, Rechtsanwälte,

    Klägerin,

    gegen

    Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD), vertreten durch S. Marquardt als Bevollmächtigten im Beistand von M. Troncoso Ferrer, F.‑M. Hilaire und S. Maya Izquierdo, Rechtsanwälte,

    Beklagter,

    wegen einer Klage gemäß Art. 270 AEUV auf Aufhebung der Entscheidung des EAD vom 5. Juni 2015, mit der die Genehmigung für die Veröffentlichung eines Artikels verweigert und zur Änderung von zwei Absätzen des vorgeschlagenen Textes aufgefordert wurde, und, „soweit notwendig“, der Entscheidung des EAD vom 18. Dezember 2015 über die Zurückweisung der ersten Entscheidung

    erlässt

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek sowie der Richter F. Schalin und J. Costeira (Berichterstatterin),

    Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2017

    folgendes

    Urteil

    Sachverhalt

    1

    Die Klägerin, Frau Carina Skareby, ist Beamtin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD).

    2

    Mit E‑Mail vom 19. Mai 2015 informierte die Klägerin den EAD durch ihre Rechtsberater gemäß Art. 17a des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) über ihre Absicht, im Magazin Politico einen Artikel mit dem Titel „Offener Brief an den Bürger Herman“ zu veröffentlichen, der in einem offenen Brief an den ehemaligen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy bestand und auf das Problem der Belästigung bei den europäischen Organen hinwies (im Folgenden: streitiger Text).

    3

    Mit Schreiben vom 5. Juni 2015 antwortete der die Aufgabe des Abteilungsleiters der Abteilung „Rechte und Pflichten“ der Direktion „Personalwesen“ der Generaldirektion „Verwaltung und Finanzen“ des EAD wahrnehmende Bedienstete, dass zwei Absätze des zur Genehmigung vorgelegten Artikels mit der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“, der die Klägerin als Beamtin der Europäischen Union gegenüber dem Organ unterliege, unvereinbar seien, weil die Klägerin der Direktion des EAD unmittelbar und ohne jeden Beweis ein bestimmtes statutswidriges Verhalten zuschreibe. Er forderte die Klägerin deshalb auf, einen geänderten Text vorzulegen, der diese Einwände berücksichtige. Andernfalls könne die Veröffentlichung nicht genehmigt werden (im Folgenden: Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung).

    4

    Die betreffenden Absätze des streitigen Textes, nämlich der fünfte und der achtzehnte Absatz (im Folgenden gemeinsam: streitige Absätze), waren wie folgt formuliert:

    „Wie ich mich selbst überzeugen konnte, scheint es die Vorgehensweise innerhalb der Hierarchie der europäischen Organe zu sein, jede Person, die eine Meinung zu der Art und Weise hat, in der die Organe geführt werden, davon zu überzeugen, dass es besser für sie sei, den Arbeitsplatz zu wechseln, in Vorruhestand zu gehen oder sich für arbeitsunfähig erklären zu lassen. Wende dich etwas anderem zu. Vergiss. So können die Vorgesetzten weiterhin manche Untergebene belästigen und andere bevorzugen: Das mag keine geplante Strategie sein – sie ist jedoch gleichwohl systematisch.

    Der EAD muss hinsichtlich der internen Anwendung des Rechts, der Transparenz der Organisation und der Rechtsstaatlichkeit ein gutes Beispiel geben – andernfalls sind wir auf dem internationalen Parkett nicht glaubwürdig.“

    5

    Mit Schreiben vom 1. Juli 2015 bat die Klägerin durch ihre Rechtsberater um Erläuterungen der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung, insbesondere darüber, inwiefern die streitigen Absätze über die angebliche Verletzung der Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung hinaus im Sinne von Art. 17a des Statuts „den Interessen der Union ernstlich schaden“ könnten.

    6

    Mit E‑Mail vom 24. Juli 2015 antwortete der leitende Jurist der Abteilung „Rechte und Pflichten“ wie folgt:

    „In [der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung] haben wir nicht erklärt, dass der Gegenstand ,den Interessen der Union ernstlich schaden‘ könne.

    Gleichwohl ist es wichtig zu wiederholen, dass der EAD [die] Veröffentlichung [des streitigen Textes] in unveränderter Form nicht genehmigt, weil wir die Veröffentlichung als eine Verletzung der Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung betrachten.

    Gemäß Art. 17 Abs. 1 des Statuts unterliegt die Veröffentlichung der Genehmigung …

    Wir empfehlen Ihrer Mandantin dringend, ohne unsere Genehmigung nicht zu veröffentlichen.“

    7

    Mit Schreiben vom 4. September 2015 legte die Klägerin durch ihre Berater gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts eine Beschwerde gegen die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung ein. In dieser Beschwerde machte sie im Wesentlichen als Erstes geltend, der EAD habe gegen Art. 17a des Statuts verstoßen, weil er nicht nachgewiesen habe, dass der streitige Text, „den Interessen der Union ernstlich schaden“ könne, und als Zweites, er habe folglich das der Klägerin durch Art. 10 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und durch Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt.

    8

    Mit Entscheidung vom 18. Dezember 2015 wies die Anstellungsbehörde des EAD die von der Klägerin eingereichte Beschwerde zurück (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).

    9

    In der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde heißt es, dass Art. 17a des Statuts den Gedanken der ständigen Notwendigkeit eines gerechten Ausgleichs zwischen dem Schutz der freien Meinungsäußerung der Beamten der Union und dem Schutz eines legitimen im öffentlichen Interesse liegenden Ziels, insbesondere dem Schutz der Interessen der Union, ausdrücke. Der streitige Text befasse sich mit den Aktivitäten der Union, er sei geeignet, die „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ zu verletzen, und diese Verletzung stelle im Sinne von Art. 17a des Statuts die reale Gefahr einer ernstlichen Schädigung der Interessen der Union dar. Die Veröffentlichung des streitigen Textes würde eine ernstliche Schädigung der Interessen der Union darstellen, da zum einen dieser Text keinerlei Beweis für die Behauptung der Belästigung von Beamten liefere und zum anderen die streitigen Absätze nicht als eine von der Meinung des EAD abweichende Meinung angesehen werden könnten, sondern vielmehr nahelegten, dass es innerhalb der Organe der Union ein ungelöstes Problem allgemeiner Belästigung gebe, was von einem durchschnittlichen Leser so verstanden werden könne, dass die Organe keine adäquate Politik zur Bekämpfung von Belästigungen umgesetzt hätten. Außerdem wird in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde darauf hingewiesen, dass zahlreiche Stellen des streitigen Textes hätten kommentiert werden können, dass sich der EAD jedoch darauf beschränkt habe, zwei Absätze zu kommentieren, woran sich zeige, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde verhältnismäßig und auf das unbedingt Notwendige beschränkt sei.

    Verfahren und Anträge der Parteien

    10

    Am 15. März 2016 hat die Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst die vorliegende Klage eingereicht. Die Rechtssache ist unter der Nummer F‑15/16 eingetragen worden.

    11

    Am 10. Juni 2016 hat der EAD bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst die Klagebeantwortung eingereicht.

    12

    Gemäß Art. 3 der Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten auf das Gericht (ABl. 2016, L 200, S. 137) ist die Rechtssache in dem Stadium auf das Gericht übertragen worden, in dem sie sich am 31. August 2016 befunden hat. Sie ist unter der Nummer T‑585/16 eingetragen und der Zweiten Kammer zugewiesen worden.

    13

    Da die schriftliche Phase des Verfahrens vor der Übertragung der vorliegenden Rechtssache auf das Gericht abgeschlossen worden ist, hat das Gericht die Parteien durch Schreiben der Kanzlei vom 9. November 2016 zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung befragt.

    14

    Die Parteien haben am 3. Mai 2017 mündlich verhandelt.

    15

    Die Klägerin beantragt,

    die Klage für zulässig zu erklären;

    die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung und, „soweit notwendig“, die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

    dem EAD die Kosten aufzuerlegen.

    16

    Der EAD beantragt,

    die Klage als unbegründet abzuweisen;

    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    Vorbemerkung zum Gegenstand der Klage

    17

    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die vorliegende Klage gegen die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung und, „soweit notwendig“, gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde erhoben hat.

    18

    In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass die Verwaltungsbeschwerde und ihre ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung Bestandteil eines komplexen Verfahrens und nur eine Vorbedingung für die Anrufung des Gerichts sind. Unter diesen Umständen bewirkt die Klageerhebung, selbst wenn sie formal gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist, dass das Gericht mit der beschwerenden Maßnahme befasst wird, gegen die sich die Beschwerde richtet, es sei denn, die Zurückweisung der Beschwerde hat eine andere Reichweite als die Maßnahme, gegen die Beschwerde erhoben wurde. Es ist möglich, dass eine ausdrückliche Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde in Anbetracht ihres Inhalts die vom Kläger angefochtene Maßnahme nicht bestätigt. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde eine Überprüfung der Lage des Klägers aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Umstände enthält oder die ursprüngliche Entscheidung ändert oder vervollständigt. In diesen Fällen stellt die Zurückweisung der Beschwerde eine Handlung dar, die der Kontrolle durch das Gericht unterliegt, das diese Handlung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme berücksichtigt oder sie sogar als eine beschwerende Maßnahme ansieht, die an die Stelle der angefochtenen Maßnahme tritt (vgl. Urteil vom 21. Mai 2014, Mocová/Kommission, T‑347/12 P, EU:T:2014:268 Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    19

    Diese Sichtweise wird zudem durch die Erwägung gestützt, dass die Ergänzung der Begründung im Stadium der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde mit dem Zweck von Art. 90 Abs. 2 des Statuts im Einklang steht, wonach die Entscheidung über die Beschwerde ebenfalls zu begründen ist. Diese Bestimmung impliziert nämlich notwendig, dass die über die Beschwerde entscheidende Behörde an die gegebenenfalls unzureichende oder im Fall einer impliziten Zurückweisung sogar fehlende Begründung der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung nicht gebunden ist (vgl. Urteile vom 21. Mai 2014, Mocová/Kommission, T‑347/12 P, EU:T:2014:268, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. Januar 2017, LP/Europol, T‑719/15 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:7, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    20

    Wie sich aus den vorstehenden Rn. 3, 8 und 9 ergibt, ändert die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde im vorliegenden Fall weder den Sinn noch die Reichweite der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde erhält die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung für den streitigen Text aufrecht und beschränkt die Forderung einer zuvor vorzunehmenden Änderung des streitigen Textes auf zwei Absätze, die in der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung bezeichnet sind.

    21

    Die Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde weicht jedoch teilweise von der Begründung der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung ab. In der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung wurde die Veröffentlichung des streitigen Textes wegen eines Verstoßes gegen die „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ abgelehnt, weil die Klägerin der Direktion des EAD unmittelbar und ohne jeden Beweis ein bestimmtes statutswidriges Verhalten zuschreibe. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde beruht dagegen auf dem Bestehen einer realen Gefahr einer ernstlichen Schädigung der Interessen der Union im Sinne von Art. 17a des Statuts. Im Einzelnen wurde in dieser Entscheidung befunden, erstens begründe der Verstoß gegen die „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ eine reale Gefahr einer ernstlichen Schädigung dieser Interessen, zweitens liefere der streitige Text keinerlei Beweis für die in ihm enthaltenen Behauptungen und drittens stellten die streitigen Absätze die Existenz einer Politik zur Bekämpfung von Belästigungen bei den Organen der Union in Abrede.

    22

    Es ist also festzustellen, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde eine Ergänzung der Begründung enthält, die die Begründung der Maßnahme, gegen die sich diese Beschwerde richtet, hier die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung, präzisiert und weiterentwickelt.

    23

    Da diese Begründung die Begründung der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung präzisiert und ergänzt und in Anbetracht des evolutiven Charakters des vorgerichtlichen Verfahrens ist die Begründung der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung zu berücksichtigen.

    Zur Begründetheit

    24

    Die Klägerin stützt ihre Nichtigkeitsklage auf zwei Klagegründe. Sie macht erstens eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung geltend. Zweitens macht sie einen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Verletzung der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ geltend.

    25

    Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den zweiten Klagegrund zu prüfen.

    Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler hinsichtlich der Verletzung der Loyalitätspflicht

    26

    Im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes beanstandet die Klägerin mit einer ersten Rüge, dass die Anstellungsbehörde fälschlich der Meinung gewesen sei, die Absätze 1, 4 bis 7, 13 und 19 des streitigen Textes stellten die Existenz einer Politik des EAD und der Union zur Bekämpfung von Belästigungen in Abrede. Die Klägerin macht geltend, dass sie in diesen Absätzen nur dem Gedanken Ausdruck gegeben habe, dass Belästigungen ein weit verbreitetes Phänomen seien und dass diese Situation die Autorität des EAD und in der Folge der Union auf dem internationalen Parkett beeinträchtigen könnte. Sie behaupte im streitigen Text jedoch weder, dass die Belästigungen „das ordnungsgemäße Funktionieren der Dienste gefährdeten“ oder dass „keine Abhilfe zur Verfügung stehe“. Jedenfalls könne der streitige Text kein „die Würde und den dem Unionsorgan geschuldeten Respekt beeinträchtigendes Verhalten“ im Sinne der Rechtsprechung darstellen.

    27

    Im Rahmen ihrer zweiten Rüge weist die Klägerin darauf hin, dass die Anstellungsbehörde einen „offensichtlichen“ Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie angenommen habe, dass die Klägerin im zweiten und im sechsten Absatz des streitigen Textes ihren Arbeitgeber als Feind ansehe und ein seit Langem gehegtes Misstrauen gegen ihn zum Ausdruck bringe. Die Klägerin macht geltend, dass, soweit in diesen Absätzen auf einen „Krieg“ Bezug genommen werde, es sich um einen „Krieg innerhalb der europäischen Organe“ handele und nicht um einen Krieg gegen diese Organe.

    28

    Mit einer dritten Rüge macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde habe fehlerhaft angenommen, aus dem dritten und dem fünfzehnten Absatz des streitigen Textes ergebe sich, dass „die weit verbreitete Belästigung zahlreiche Beamte dazu veranlasst hat, sich langfristig krank zu melden oder für arbeitsunfähig erklären zu lassen“. Hierzu macht die Klägerin geltend, dass sie niemals eine Zahl von Personen genannt habe, die langfristig krank gemeldet seien oder sich für arbeitsunfähig hätten erklären lassen, und dass deshalb aus dem streitigen Text nicht geschlossen werden könne, dass diese Personen zahlreich seien. Außerdem habe die Anstellungsbehörde, auch wenn die Klägerin die Ansicht geäußert habe, dass Belästigungen ein weit verbreitetes Phänomen und zahlreiche Kollegen langfristig krankgeschrieben oder arbeitsunfähig seien, einen Fehler begangen, indem sie angenommen habe, dass diese Meinung ein die Würde und den dem Unionsorgan geschuldeten Respekt beeinträchtigendes Verhalten darstellt.

    29

    Im Rahmen ihrer vierten Rüge macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde habe einen Auslegungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, im 18. Absatz des streitigen Textes werde behauptet, dass der EAD und die Union mit ihrer Politik der Behandlung von Belästigungsfällen innerhalb ihrer Dienste „kein gutes Beispiel geben“. Nach Ansicht der Klägerin erkläre der betreffende Absatz lediglich, dass der EAD exemplarisch sein solle, und behaupte nicht, dass dies nicht der Fall sei, sondern schlage nur vor, dass er mehr tun könne.

    30

    Mit ihrer fünften Rüge macht die Klägerin geltend, dass die streitigen Absätze weder eine Beleidigung enthielten noch Ausdruck eines Mangels an Respekt, von Aggressivität oder einer anderen Form der Feindseligkeit seien, sondern vielmehr nur ein Ausdruck ihrer Meinungsfreiheit, die das Recht umfasse, Meinungen zu vertreten, die von der Meinung des sie beschäftigenden Organs abwichen oder gegenüber dieser eine Minderheitsmeinung darstellten, selbst wenn diese Meinungen verletzend, schockierend oder beunruhigend sein könnten.

    31

    Im Rahmen ihrer sechsten Rüge macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde habe einen „offensichtlichen“ Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, dass die oben genannten Absätze mit der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“, die ihr als Beamtin gegenüber dem Unionsorgan obliege, unvereinbar seien.

    32

    Der EAD tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

    33

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den vorstehenden Rn. 3, 4, 8 und 9 ergibt, dass sich zum einen die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung auf die Feststellung beschränkte, dass zwei Absätze des streitigen Textes, nämlich der fünfte und der 18. Absatz, gegen die „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“, die der Klägerin als Beamtin der Union obliege, verstießen, und dass zum anderen diese Beschränkung auf zwei Absätze in der Entscheidung über die Zurückweisung der Klage beibehalten wurde.

    34

    Wenn die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde Kommentare zu anderen Absätzen des streitigen Textes enthält, können diese Kommentare also nur als obiter dicta angesehen werden.

    35

    Daraus folgt, dass die Rügen betreffend andere Absätze des streitigen Textes als den fünften und den 18. ins Leere gehen, da ihnen jede praktische Wirksamkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung fehlt.

    36

    Demnach ist festzustellen, dass zum einen die erste Rüge teilweise ins Leere geht, soweit sie auf die Absätze 1, 4, 6, 7, 13 und 19 des streitigen Textes Bezug nimmt, und dass zum anderen die zweite und die dritte Rüge insgesamt ins Leere gehen.

    37

    Es sind deshalb nur die Rügen 1 und 4 bis 6 zu prüfen, soweit sie sich auf die streitigen Absätze beziehen.

    38

    Mit der ersten und der vierten Rüge macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde habe fehlerhaft angenommen, dass die streitigen Absätze die Existenz einer Politik des EAD und der Union zur Bekämpfung von Belästigungen in Abrede stellten und dass in ihnen zum Ausdruck komme, dass der EAD und die Union mit ihrer Politik der Behandlung von Belästigungsfällen in ihren Diensten „kein gutes Beispiel gäben“.

    39

    Wie bereits dargelegt, lauten die streitigen Absätze:

    „Wie ich mich selbst überzeugen konnte, scheint es die Vorgehensweise innerhalb der Hierarchie der europäischen Organe zu sein, jede Person, die eine Meinung zu der Art und Weise hat, in der die Organe geführt werden, davon zu überzeugen, dass es besser für sie sei, den Arbeitsplatz zu wechseln, in Vorruhestand zu gehen oder sich für arbeitsunfähig erklären zu lassen. Wende dich etwas anderem zu. Vergiss. So können die Vorgesetzten weiterhin manche Untergebene belästigen und andere bevorzugen: Das mag keine geplante Strategie sein – sie ist jedoch gleichwohl systematisch.

    Der EAD muss hinsichtlich der internen Anwendung des Rechts, der Transparenz der Organisation und der Rechtsstaatlichkeit ein gutes Beispiel geben – andernfalls sind wir auf dem internationalen Parkett nicht glaubwürdig.“

    40

    Wie ebenfalls dargelegt, sind die streitigen Absätze Teil eines Textes, der das Problem der Belästigung innerhalb der europäischen Organe behandelt. Der fünfte Absatz des streitigen Textes beschreibt genauer eine „Vorgehensweise innerhalb der Hierarchie der europäischen Organe“ und fügt hinzu, dass „Vorgesetzte [systematisch] weiterhin manche Untergebene belästigen und andere bevorzugen [können]“. In diesem Zusammenhang bedeutet also diese Behauptung, insbesondere mit der Verwendung der Worte „Vorgehensweise“ und „systematisch“, dass Belästigung ein verbreitetes Phänomen in der Hierarchie der europäischen Organe sei.

    41

    Im 18. Absatz des streitigen Textes wird ferner erklärt, der EAD müsse „hinsichtlich der internen Anwendung des Rechts, der Transparenz der Organisation und der Rechtsstaatlichkeit ein gutes Beispiel geben“. Daraus folgt, dass der EAD kein „gutes Beispiel“ im Kampf gegen die Belästigung geben soll. Diese Einrichtung gebe mit anderen Worten mit ihrer Politik der Behandlung von Fällen der Belästigung innerhalb ihrer Dienste kein „gutes Beispiel“.

    42

    Außerdem greift der 18. Absatz des streitigen Textes den bereits im fünften Absatz geäußerten Gedanken auf, dass es innerhalb des EAD und allgemein innerhalb der europäischen Organe keine effektive Politik der Bekämpfung von Belästigungen gebe.

    43

    Diese Schlussfolgerungen werden darüber hinaus von der Klägerin selbst in ihrer Klageschrift bestätigt. In Rn. 44 ihrer Klageschrift räumt sie ein, dass sie in dem streitigen Text „dem Gedanken Ausdruck gegeben habe, dass Belästigungen ein weit verbreitetes Phänomen sind und dass diese Situation die Autorität des EAD und in der Folge der Union auf dem internationalen Parkett beeinträchtigen könnte“.

    44

    Daraus ergibt sich, dass die Anstellungsbehörde mit ihrer Auslegung der streitigen Absätze keinen Beurteilungsfehler begangen hat.

    45

    Somit sind die erste und die vierte Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

    46

    Mit ihrer fünften Rüge macht die Klägerin geltend, dass die streitigen Absätze weder eine Beleidigung enthielten noch Ausdruck eines Mangels an Respekt, von Aggressivität oder einer anderen Form der Feindseligkeit seien, sondern vielmehr nur ein Ausdruck ihrer Meinungsfreiheit.

    47

    Wie sich aus den vorstehenden Rn. 3 und 9 ergibt, wurde die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung jedoch nicht damit begründet, dass der streitige Text Beleidigungen enthalte oder einen Mangel an Respekt, Aggressivität oder eine andere Form der Feinseligkeit ausdrücke. In der Begründung der Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung heißt es, dass die streitigen Absätze mit der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“, die der Klägerin als Beamtin der Union gegenüber dem Unionsorgan obliege, unvereinbar seien.

    48

    Da die Anstellungsbehörde nicht angenommen hat, dass die streitigen Absätze Beleidigungen enthielten oder einen Mangel an Respekt, Aggressivität oder eine andere Form der Feinseligkeit ausdrückten, ist die fünfte Rüge somit als unbegründet zurückzuweisen.

    49

    Mit ihrer sechsten Rüge macht die Klägerin schließlich geltend, die Anstellungsbehörde habe einen „offensichtlichen“ Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, die streitigen Absätze seien mit der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“, die ihr als Beamtin der Union gegenüber dem Unionsorgan obliege, unvereinbar.

    50

    In dieser Hinsicht ist auf die Grundsätze hinzuweisen, die sich aus den Bestimmungen ergeben, die das Verhältnis der Union zu ihren Beamten und Bediensteten regeln.

    51

    So hat sich zunächst der Beamte gemäß Art. 11 Abs. 1 des Statuts bei der Ausübung seines Amtes und in seinem Verhalten ausschließlich von den Interessen der Union leiten zu lassen. Diese Bestimmung verpflichtet den Beamten außerdem, die ihm aufgetragenen Aufgaben objektiv, unparteiisch und unter Einhaltung seiner Loyalitätspflicht gegenüber der Union auszuführen.

    52

    Weiter enthält sich der Beamte gemäß Art. 12 des Statuts jeder Handlung und jedes Verhaltens, die dem Ansehen seines Amtes abträglich sein könnten.

    53

    Sodann ist gemäß Art. 12b Abs. 1 der Beamte, der eine Nebentätigkeit gegen Entgelt oder ohne Entgelt ausüben will, verpflichtet, die vorherige Zustimmung der Anstellungsbehörde einzuholen.

    54

    Schließlich und vor allem hat der Beamte gemäß Art. 17a Abs. 1 des Statuts das Recht auf freie Meinungsäußerung unter gebührender Beachtung der „Grundsätze der Loyalität und Unparteilichkeit“. Dieser Artikel ist, ebenso wie die Art. 11, 12 und 12b, eine der besonderen Ausprägungen der Loyalitätspflicht, die jedem Beamten obliegt. Diese Pflicht umfasst insbesondere die Pflicht, jedes die Würde und den dem Unionsorgan geschuldeten Respekt beeinträchtigende Verhalten zu unterlassen (vgl. zur Loyalitätspflicht im Rahmen von Art. 17a des Statuts, Urteil vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC, F‑80/11, EU:F:2013:159, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    55

    Zudem darf nach der Rechtsprechung ein Beamter seine Verpflichtungen insbesondere aus den Art. 11, 12, 12b und 17a des Statuts gegenüber dem Unionsorgan, dem er zu dienen hat, nicht durch schriftliche oder mündliche Äußerungen verletzen, da er damit die Vertrauensbeziehung, die ihn mit diesem Unionsorgan verbindet, zerstören und es diesem daher später erschweren oder unmöglich machen würde, die ihm übertragenen Aufgaben in Zusammenarbeit mit dem Beamten zu erfüllen (Urteil vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 47).

    56

    Außerdem ergibt sich aus den Ausdrücken „seines Amtes“ und „seinem Verhalten“ in Art. 11 Abs. 1 des Statuts, „jeder Handlung“ in Art. 12 des Statuts und „eine Nebentätigkeit“ in Art. 12b des Statuts, dass die Aufrechterhaltung eines Vertrauensverhältnisses nicht nur bei der Durchführung der dem Beamten übertragenen speziellen Aufgaben geboten ist, sondern auch für den gesamten Bereich der Beziehungen zwischen dem Beamten und der Union gilt (Urteil vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC, F‑80/11, EU:F:2013:159, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 26. November 1991, Williams/Rechnungshof, T‑146/89, EU:T:1991:61, Rn. 72).

    57

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung zu dem Schluss kommt, dass die streitigen Absätze mit der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ unvereinbar seien. Es ergibt sich jedoch eindeutig aus dieser Entscheidung, dass sie in Wirklichkeit einen Verstoß gegen die Loyalitätspflicht betrifft und die Pflicht zur Zurückhaltung dort nur erwähnt wird, ohne irgendeine Auswirkung auf den konkreten Fall zu haben. Der von der Klägerin geltend gemachte Beurteilungsfehler ist deshalb nur in Bezug auf die Loyalitätspflicht zu prüfen.

    58

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die streitigen Absätze herabwürdigende Behauptungen enthalten, die die Ehre aller Personen verletzen, die eine hierarchische Position in den europäischen Organen innehaben. Entgegen der Ansicht der Klägerin können die Behauptungen, dass es eine „Vorgehensweise der europäischen Organe“ oder eine „systematische Praxis“ gebe, die es den Vorgesetzten ermögliche, „manche Untergebene [zu] belästigen und andere [zu] bevorzugen“, und dass der EAD seine Pflicht, „hinsichtlich der internen Anwendung des Rechts, der Transparenz der Organisation und der Rechtsstaatlichkeit ein gutes Beispiel geben“, verletze, nicht als bloße abweichende oder Minderheitsmeinungen angesehen werden. Diese Formulierungen sind für sich genommen als geeignet anzusehen, die Würde der Personen, die eine hierarchische Position in den europäischen Organen innehaben, sowie in der Folge die Würde der Organe selbst zu verletzen.

    59

    Wie der EAD zutreffend geltend macht, sind Belästigungen eine rechtswidrige Praxis, die das Funktionieren des Organs gefährden, zumal wenn diese Praxis allgemein verbreitet ist, wie es der streitige Text behauptet. Behauptungen, die ein schweres Fehlverhalten wie etwa Belästigungen innerhalb der Hierarchie der europäischen Organe sowie das Fehlen von geeigneten Maßnahmen dieser Organe zur Abhilfe nahelegen, sind geeignet, das Bild, die Würde und den Respekt zu beeinträchtigen, der grundsätzlich allen Personen geschuldet wird, die eine hierarchische Position in diesen Organen innehaben, und folglich auch den Organen selbst und insbesondere dem EAD. Diese Behauptungen stellen also eine Verletzung der Loyalitätspflicht dar.

    60

    Folglich war die Anstellungsbehörde zu Recht der Ansicht, dass die sich aus den streitigen Absätzen ergebenden Behauptungen mit der der Klägerin als Beamtin obliegenden Loyalitätspflicht unvereinbar seien.

    61

    Diese letzte Rüge ist demnach zurückzuweisen.

    62

    In Anbetracht des Vorstehenden ist der zweite Klagegrund als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet insgesamt zurückzuweisen.

    Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung

    63

    Im Rahmen ihres ersten Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Anstellungsbehörde, indem sie nicht nachgewiesen habe, dass der streitige Text geeignet sei, den Interessen der Union ernstlich zu schaden, und indem sie ihr die Genehmigung der Veröffentlichung des streitigen Textes verweigert habe, Art. 17a des Statuts und folglich die ihr gemäß Art. 10 EMRK und gemäß Art. 11 der Charta der Grundrechte zustehende Meinungsfreiheit verletzt habe.

    64

    Die Klägerin gliedert diesen Klagegrund in drei Teile. Im ersten Teil bestreitet sie, dass die Verletzung der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ eine reale Gefahr der ernstlichen Schädigung der Interessen der Union begründe, im zweiten Teil bezweifelt sie das Erfordernis, dass ein Beamter, der einen Presseartikel veröffentlichen wolle, Beweise für seine Behauptungen haben müsse, und im dritten Teil tritt sie dem Argument entgegen, dass die streitigen Absätze die Existenz einer Politik zur Bekämpfung von Belästigungen innerhalb der Organe der Union in Abrede stellen.

    – Zum ersten Teil, mit dem bestritten wird, dass die Verletzung der Loyalitätspflicht eine reale Gefahr der ernstlichen Schädigung der Interessen der Union begründe

    65

    Als Erstes behauptet die Klägerin, dass das Urteil vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC (F‑80/11, EU:F:2013:159), auf das die Anstellungsbehörde sich für ihre Behauptung, die Verletzung der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ stelle für sich die Gefahr einer ernstlichen Schädigung des allgemeinen öffentlichen Interesses dar, gestützt habe, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei. Nach Ansicht der Klägerin sind die Umstände, die zu diesem Urteil geführt hätten, mit den Umständen der vorliegenden Rechtssache nicht vergleichbar, da dieses Urteil nicht im Kontext eines Antrags auf Veröffentlichung, sondern im Rahmen der Beendigung eines Dienstvertrags ergangen sei.

    66

    Der EAD tritt diesem ersten Argument der Klägerin entgegen.

    67

    Hierzu ist festzustellen, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde auf die Rn. 62 und 64 des Urteils vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC (F‑80/11, EU:F:2013:159), Bezug nimmt, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass „die Verletzung der Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung … an sich die Gefahr einer ernstlichen Schädigung des allgemeinen öffentlichen Interesses [begründet]“.

    68

    Die Bezugnahme auf das Urteil vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC (F‑80/11, EU:F:2013:159), stellt jedoch nicht die spezifische Grundlage der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde dar. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde wird vielmehr mit der Schlussfolgerung begründet, dass „die Verletzung der Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung … an sich die Gefahr einer ernstlichen Schädigung des allgemeinen öffentlichen Interesses [begründet]“, und nicht mit einer bloßen Anführung des Urteils vom 23. Oktober 2013, Gomes Moreira/ECDC (F‑80/11, EU:F:2013:159).

    69

    Folglich steht der Rechtmäßigkeit der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde ein eventueller Fehler bezüglich der zur Stützung dieser Entscheidung angeführten Rechtsprechung nicht entgegen.

    70

    Dieses erste Argument geht somit ins Leere.

    71

    Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Anstellungsbehörde verweise auf einen ernstlichen Schaden für „das allgemeine öffentliche Interesse“, während Art. 17a des Statuts nur die Gefahr einer Schädigung der „Interessen der Union“ erwähne. Die beiden Begriffe seien jedoch nicht gleichbedeutend und auch nicht austauschbar.

    72

    Der EAD tritt diesem zweiten Argument der Klägerin entgegen.

    73

    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde entgegen der Behauptung der Klägerin die Begriffe „allgemeines öffentliches Interesse“ und „Interessen der Union“ nicht vermischt. Wie sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Passage ergibt, ist der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde lediglich zu entnehmen, dass der Schutz der „Interessen der Union“ neben anderen Zielen ein im „öffentlichen Interesse“ liegendes Ziel darstellt:

    „Wie der Gerichtshof festgestellt hat, drückt Art. 17a des Statuts den Gedanken der ständigen Notwendigkeit eines gerechten Ausgleichs zwischen der Gewährleistung der Ausübung eines Grundrechts wie dem Schutz der freien Meinungsäußerung und dem Schutz eines legitimen im öffentlichen Interesse liegenden Ziels wie etwa der Gefahr der Beeinträchtigung der Interessen der Union infolge der Veröffentlichung eines Textes aus (Urteile vom 13. Dezember 2001, Kommission/Cwik, C‑340/00 P, EU:C:2001:701, Rn. 19, und vom 14. Juli 2000, Cwik/Kommission, T‑82/99, EU:T:2000:193, Rn. 52).“

    74

    Daher ist dieses zweite Argument zurückzuweisen.

    75

    Drittens macht die Klägerin geltend, der Rechtsprechung könne die von der Anstellungsbehörde behauptete Vermutung, dass die Verletzung der „Pflicht zur Loyalität und zur Zurückhaltung“ für sich die Gefahr einer ernstlichen Schädigung der Interessen der Union darstelle, nicht entnommen werden. Selbst wenn sich aus dem streitigen Text eine solche Verletzung ergeben sollte, lässt dies nach Ansicht der Klägerin nicht unmittelbar den Schluss zu, dass die Veröffentlichung des streitigen Textes die reale Gefahr einer ernstlichen Schädigung der Interessen der Union begründe.

    76

    Der EAD tritt diesem dritten Argument der Klägerin entgegen.

    77

    Nach ständiger Rechtsprechung genießen die Beamten und Bediensteten der Union das Recht der freien Meinungsäußerung auch in den Bereichen der Aktivitäten der Unionsorgane. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, mündlich oder schriftlich Ansichten zu äußern, die sich von denjenigen unterscheiden, die das Organ, bei dem sie beschäftigt sind, vertritt, oder die diesen gegenüber Minderheitsmeinungen darstellen (vgl. Urteil vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    78

    Gleichwohl kann nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung die Meinungsfreiheit nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 EMRK eingeschränkt werden, wonach die Ausübung dieser Freiheiten mit Pflichten und Verantwortung verbunden ist und daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden kann, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012, Strack/Kommission, T‑199/11 P, EU:T:2012:691, Rn. 137 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    79

    Insbesondere ist es legitim, die Beamten wegen ihrer Stellung Verpflichtungen zu unterwerfen, wie sie in den Art. 11, 12 und 17a des Statuts vorgesehen sind. Solche Verpflichtungen stellen zwar eine Einschränkung der Ausübung der Meinungsfreiheit dar, sie sind jedoch dazu bestimmt, das Vertrauensverhältnis aufrechtzuerhalten, das zwischen dem Organ und seinen Beamten bestehen muss, und finden ihre Rechtfertigung in dem legitimen Ziel, die Rechte anderer im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK zu schützen (Urteile vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 44, und vom 13. Dezember 2012, Strack/Kommission, T‑199/11 P, EU:T:2012:691, Rn. 138).

    80

    Außerdem ergibt sich aus Art. 17a Abs. 2 des Statuts, dass der Beamte eine Angelegenheit, die die Arbeit der Union betrifft, der Öffentlichkeit nicht bekannt machen oder bekannt machen lassen darf, ohne zuvor die Zustimmung der Anstellungsbehörde einzuholen. Diese Zustimmung darf nur verweigert werden, wenn die beabsichtigte Veröffentlichung „den Interessen der Union ernstlich schaden“ könnte.

    81

    Insoweit stellt die Rechtsprechung klar, dass die Zustimmung nach Art. 17a Abs. 2 des Statuts grundsätzlich zu erteilen ist und nur ausnahmsweise versagt werden darf. Da diese Bestimmung es den Organen nämlich erlaubt, die Zustimmung zur Veröffentlichung zu versagen, und damit die Möglichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in die Freiheit der Meinungsäußerung schafft, die eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft darstellt, ist sie eng dahin auszulegen, dass die Zustimmung nur dann versagt werden darf, wenn die Veröffentlichung geeignet ist, den Interessen der Gemeinschaften einen schweren Schaden zuzufügen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2001, Kommission/Cwik, C‑340/00 P, EU:C:2001:701, Rn. 17 und 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    82

    Diese Regelung spiegelt das Vertrauensverhältnis wider, das zwischen einem Dienstherrn und seinen Bediensteten bestehen muss, und ihre Durchführung kann nur im Licht sämtlicher Umstände des Einzelfalls und ihres Einflusses auf die Ausübung des öffentlichen Amtes beurteilt werden (Urteil vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 56).

    83

    Bei der Ausübung seiner Kontrolle muss der Unionsrichter anhand sämtlicher Umstände des jeweiligen Falls prüfen, ob ein angemessenes Gleichgewicht gewahrt ist zwischen dem Grundrecht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung und dem berechtigten Interesse des Unionsorgans, dafür zu sorgen, dass sein öffentlicher Dienst unter Beachtung seiner Pflichten und seiner Verantwortung arbeitet (Urteil vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 48).

    84

    Wie bereits oben in den Rn. 50 bis 60 ausgeführt, hat die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall keinen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die streitigen Absätze als mit der Loyalitätspflicht der Klägerin als Beamtin unvereinbar angesehen hat.

    85

    Wie bereits oben in den Rn. 39 bis 43 dargelegt, ist den streitigen Absätzen nämlich zu entnehmen, dass es ein allgemeines Phänomen der Belästigung durch Personen geben soll, die eine hierarchische Position in den europäischen Organen innehaben, und dass diese Organe keine effektive Politik zur Bewältigung dieses großen Problems hätten.

    86

    Unter diesen Umständen stellt, wie oben in den Rn. 58 bis 60 dargelegt, die Veröffentlichung eines Textes, der Absätze wie die hier streitigen Absätze enthält, durch einen Beamten eine Verletzung der Loyalitätspflicht dieses Beamten dar, soweit diese Veröffentlichung geeignet ist, das Bild und die Würde der Personen, die eine hierarchische Position in den Organen der Union innehaben, sowie der Organe im Allgemeinen und des EAD im Besonderen zu beeinträchtigen.

    87

    Der Beamte hat gemäß Art. 17a Abs. 1 des Statuts das Recht auf freie Meinungsäußerung unter gebührender Beachtung insbesondere des Grundsatzes der Loyalität (siehe oben, Rn. 54).

    88

    Außerdem stellt der Schutz der europäischen Organe vor Behauptungen, die ihr Bild schwer und ernstlich negativ beeinträchtigen können, für sich ein im allgemeinen Interesse liegendes Ziel, genauer ein berechtigtes Interesse der Union dar.

    89

    Da die streitigen Absätze das Bild und die Würde der europäischen Organe erheblich beeinträchtigen, wäre deshalb die Veröffentlichung des streitigen Textes geeignet, den Interessen der Union ernstlich zu schaden.

    90

    Jedenfalls ist festzustellen, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Grundrecht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung und dem berechtigten Interesse des Unionsorgans gewahrt ist. Die Beschränkung der Meinungsfreiheit durch die Entscheidung über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung war auf zwei von insgesamt 24 Absätzen des streitigen Textes beschränkt, was der Klägerin ausreichend Möglichkeit ließ, einen geänderten Text vorzulegen.

    91

    Die Anstellungsbehörde hat also zu Recht befunden, dass die Veröffentlichung eines Textes, der Absätze wie die streitigen Absätze enthält, im Sinne von Art. 17a Abs. 2 des Statuts den Interessen der Union ernstlich schaden kann.

    92

    Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist somit als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

    – Zum zweiten Teil, mit dem bestritten wird, dass ein Beamter, der einen Presseartikel veröffentlichen möchte, über Beweise für seine Behauptungen verfügen müsse

    93

    Die Klägerin macht geltend, erstens stelle das von der Anstellungsbehörde behauptete Erfordernis, dass ein Beamter, der eine Veröffentlichung plane, Beweise für seine Erklärungen haben müsse, eine Einschränkung der Ausübung der Meinungsfreiheit dar, zweitens sei diese Einschränkung nicht gesetzlich vorgesehen und drittens sei dieses Erfordernis, selbst wenn es eine solche Regelung gäbe, nicht verhältnismäßig.

    94

    Der EAD tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

    95

    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die in den streitigen Absätzen enthaltenen Behauptungen über ein angeblich verbreitetes Phänomen der Belästigung innerhalb der Hierarchie der europäischen Organe und das angebliche Fehlen einer Politik zu seiner Bekämpfung vage und allgemein formuliert sind, ohne dass als Beleg konkrete Tatsachen genannt würden. Diese Behauptungen sind außerdem schwerwiegend, da sie ein angeblich allgemein verbreitetes und sehr verwerfliches oder gar rechtswidriges Verhalten der Personen nahelegen, die eine hierarchische Position in diesen Organen innehaben. Schließlich sind diese Behauptungen geeignet, das Bild und die Würde dieser Organe zu beeinträchtigen und so den Interessen der Union ernstlich zu schaden.

    96

    Hier geht es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darum, von dem Beamten, der eine Veröffentlichung plant, den Besitz von „Beweisen für seine Erklärungen“ zu fordern. Es handelt sich vielmehr darum, zu fordern, dass die Behauptungen, die einer bestimmten Gruppe von Personen innerhalb der Hierarchie der Organe ein sehr verwerfliches oder gar rechtswidriges Verhalten zuschreiben, untermauert und präzisiert werden.

    97

    Folglich ist dieser zweite Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

    – Zum dritten Teil, mit dem dem Argument, dass die streitigen Absätze die Existenz einer Politik zur Bekämpfung von Belästigungen innerhalb der Organe der Union in Abrede stellten, entgegengetreten wird

    98

    Die Klägerin macht geltend, das von der Anstellungsbehörde angeführte Argument, die streitigen Absätze stellten das Bestehen einer Politik zur Bekämpfung von Belästigungen in den Organen der Union in Abrede, sei nicht durch Tatsachen untermauert. Der streitige Text behandle das Problem der Belästigung in den Organen der Union, das sie für sehr weit verbreitet halte, sie habe jedoch niemals behauptet, dass es keine Politik zur Bekämpfung dieses Problems gebe. Jedenfalls sei jedoch ein eventuelles Bestreiten der Existenz einer Politik zur Bekämpfung von Belästigungen nur eine abweichende oder eine Minderheitsmeinung im Verhältnis zu der von dem Organ vertretenen und könne deshalb keine reale Gefahr einer ernstlichen Schädigung der Interessen der Union begründen.

    99

    Der EAD tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

    100

    Hierzu genügt der Hinweis, dass die streitigen Absätze aus den oben in den Rn. 58 und 59 genannten Gründen nicht als bloße abweichende oder Minderheitsmeinungen im Verhältnis zu den von dem Organ vertretenen erachtet werden können, sondern als die Würde des betroffenen Organs verletzend angesehen werden müssen.

    101

    Der dritte Teil des ersten Klagegrundes ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

    102

    In Anbetracht des Vorstehenden stellt die Entscheidung der Anstellungsbehörde über die Verweigerung der Veröffentlichungsgenehmigung entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Verstoß gegen Art. 17a des Statuts und damit gegen die Meinungsfreiheit dar.

    103

    Der erste Klagegrund ist deshalb als teilweise ins Leere gehend, teilweise unbegründet zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

    Kosten

    104

    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    105

    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EAD die Kosten aufzuerlegen.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2.

    Frau Carina Skareby trägt die Kosten.

     

    Prek

    Schalin

    Costeira

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2017.

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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