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Document 62016TJ0131(01)

Urteil des Gerichts (Zweite erweiterte Kammer) vom 20. September 2023.
Königreich Belgien gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Von Belgien durchgeführte Beihilferegelung – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung als mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig eingestuft und die Rückforderung der gezahlten Beihilfe angeordnet wird – Steuervorbescheid (tax ruling) – Steuerpflichtige Gewinne – Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse – Vorteil – Selektivität – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Rückforderung.
Rechtssache T-131/16 RENV.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:561

 URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

20. September 2023 ( *1 )

„Staatliche Beihilfen – Von Belgien durchgeführte Beihilferegelung – Beschluss, mit dem die Beihilferegelung als mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig eingestuft und die Rückforderung der gezahlten Beihilfe angeordnet wird – Steuervorbescheid (tax ruling) – Steuerpflichtige Gewinne – Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse – Vorteil – Selektivität – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Rückforderung“

In der Rechtssache T‑131/16 RENV,

Königreich Belgien, vertreten durch C. Pochet und M. Jacobs als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwältinnen M. Segura und M. Clayton,

Kläger,

unterstützt durch

Irland, vertreten durch M. Browne, A. Joyce, D. O’Reilly und J. Quaney als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gallagher, M. Collins, C. Donnelly, SC, B. Doherty und D. Fennelly, Barristers-at-Law,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky, P.‑J. Loewenthal und F. Tomat als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli, des Richters S. Frimodt Nielsen, der Richterin V. Tomljenović (Berichterstatterin) sowie der Richter R. Norkus und W. Valasidis,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Urteils vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741),

auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2023

folgendes

Urteil

1

Mit seiner Klage nach Art. 263 AEUV begehrt das Königreich Belgien die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2016/1699 der Kommission vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61) betreffend die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt und der damit verbundene rechtliche Rahmen sind vom Gericht in den Rn. 1 bis 28 des Urteils vom 14. Februar 2019, Belgien und Magnetrol International/Kommission (T‑131/16 und T‑263/16, EU:T:2019:91), sowie vom Gerichtshof in den Rn. 1 bis 24 des Urteils vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, EU:C:2021:741), dargestellt worden. Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens lässt er sich wie folgt zusammenfassen.

3

Mittels eines Vorbescheids, der von der „Behörde für Steuervorbescheide“ des belgischen Föderalen Öffentlichen Dienstes Finanzen auf der Grundlage von Art. 185 § 2 Buchst. b des Code des impôts sur les revenus 1992 (Einkommensteuergesetzbuch 1992, im Folgenden: CIR 92) in Verbindung mit Art. 20 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 zur Abänderung der Gesellschaftsregelung in Bezug auf die Einkommensteuer und zur Einführung eines Systems der Vorausentscheidung in Steuerangelegenheiten (Moniteur belge vom 31. Dezember 2002, S. 58815) (im Folgenden: Gesetz vom 24. Dezember 2002) erlassen wurde, konnten belgische gebietsansässige Unternehmen, die Teil eines multinationalen Konzerns sind, sowie feste belgische Niederlassungen von gebietsfremden Unternehmen, die Teil eines multinationalen Konzerns sind, ihre Steuerbemessungsgrundlage in Belgien verringern, indem sie ihre als „Gewinnüberschüsse“ angesehenen Gewinne von den erzielten Gewinnen abzogen. Nach diesem System wurde ein Teil der Gewinne von belgischen Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten hatten, in Belgien nicht besteuert. Nach Ansicht der belgischen Steuerbehörden ergaben sich diese Gewinnüberschüsse aus Synergien, Skaleneffekten oder sonstigen Vorteilen, die aus der Zugehörigkeit zu einem multinationalen Konzern resultierten, und waren daher den fraglichen belgischen Unternehmen nicht zurechenbar.

4

Im Anschluss an ein Verwaltungsverfahren, das am 19. Dezember 2013 mit einem Schreiben begann, mit dem die Europäische Kommission das Königreich Belgien aufforderte, ihr Auskünfte über das System der auf Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 gestützten Steuervorbescheide betreffend die Gewinnüberschüsse zu erteilen, erließ die Kommission am 11. Januar 2016 den angefochtenen Beschluss.

5

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte die Kommission fest, dass die auf Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 gestützte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, in deren Rahmen das Königreich Belgien Steuervorbescheide für belgische Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehörten, erlassen hatte, in denen den besagten Unternehmen der Vorteil einer Körperschaftsteuerbefreiung für einen Teil des von ihnen erzielten Gewinns bewilligt werde, eine Beihilferegelung, die den begünstigten Unternehmen einen selektiven Vorteil gewähre, im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, die mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei.

6

So vertrat die Kommission die Ansicht, dass die fragliche Regelung den Begünstigten der Steuervorbescheide einen selektiven Vorteil verschaffe, da die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerbefreiung für ihre Gewinnüberschüsse vom allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien abweiche. Hilfsweise legte die Kommission dar, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse den durch die Steuervorbescheide Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffen könne, da eine solche Befreiung vom Fremdvergleichsgrundsatz abweiche.

7

Nachdem die Kommission festgestellt hatte, dass die fragliche Regelung unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV angewandt worden sei, ordnete sie die Rückforderung der gewährten Beihilfen von den Empfängern an, deren abschließende Liste das Königreich Belgien später aufzustellen hatte.

A. Zum ursprünglichen Urteil

8

Nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erhoben das Königreich Belgien und mehrere Unternehmen, die in diesem Beschluss identifiziert wurden oder die nach der fraglichen Regelung einen Steuervorbescheid erhalten hatten, Klagen auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses.

9

Mit Urteil vom 14. Februar 2019, Belgien und Magnetrol International/Kommission (T‑131/16 und T‑263/16, im Folgenden: ursprüngliches Urteil, EU:T:2019:91), wies das Gericht als Erstes die Klagegründe als unbegründet zurück, mit denen im Wesentlichen geltend gemacht wurde, dass die Kommission ihre Befugnisse im Bereich der staatlichen Beihilfen verkannt und in die ausschließliche Zuständigkeit des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Besteuerung eingegriffen habe.

10

Als Zweites vertrat das Gericht die Ansicht, dass die Kommission im vorliegenden Fall fehlerhaft das Vorliegen einer Beihilferegelung unter Verstoß gegen Art. 1 Buchst. d der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) festgestellt hatte, und erklärte folglich den angefochtenen Beschluss für nichtig, ohne dass es eine Prüfung der übrigen gegen diesen Beschluss vorgebrachten Klagegründe für erforderlich hielt.

B. Zum Rechtsmittelurteil

11

Auf das gegen das ursprüngliche Urteil eingelegte Rechtsmittel hin erließ der Gerichtshof sein Urteil vom 16. September 2021, Kommission/Belgien und Magnetrol International (C‑337/19 P, im Folgenden: Rechtsmittelurteil, EU:C:2021:741).

12

Im Rechtsmittelurteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass das ursprüngliche Urteil rechtsfehlerhaft war, soweit darin festgestellt wurde, dass die Kommission im vorliegenden Fall zu Unrecht auf das Vorliegen einer Beihilferegelung geschlossen habe.

13

Aufgrund dieser vom Gerichtshof festgestellten Fehler wurde das ursprüngliche Urteil aufgehoben.

14

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Gerichtshof beschlossen, endgültig über die Klagegründe zu entscheiden, die er für entscheidungsreif hielt, nämlich zum einen über die Klagegründe, die den Eingriff der Kommission in die ausschließliche Zuständigkeit des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Besteuerung betreffen, und zum anderen über die Klagegründe, die das Vorliegen einer Beihilferegelung betreffen.

15

So hat der Gerichtshof, ebenso wie das Gericht, zunächst die Klagegründe zurückgewiesen, die sich auf den Eingriff der Kommission in die ausschließlichen Zuständigkeiten des Königreichs Belgien im Bereich der direkten Steuern bezogen.

16

Sodann ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse als Beihilferegelung im Sinne von Art. 1 Buchst. d der Verordnung 2015/1589 angesehen werden kann und dass folglich die Klagegründe betreffend das Vorliegen einer Beihilferegelung als unbegründet zurückzuweisen sind.

17

Was schließlich die anderen vom Königreich Belgien geltend gemachten Nichtigkeitsgründe betrifft, hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif war, und die Rechtssache zur Entscheidung über diese Klagegründe an das Gericht zurückverwiesen.

II. Verfahren und Anträge der Parteien

18

Im Anschluss an das Rechtsmittelurteil ist die vorliegende Rechtssache gemäß Art. 216 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts am 20. Oktober 2021 der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts zugewiesen worden.

19

Gemäß Art. 217 Abs. 1 der Verfahrensordnung haben die Parteien fristgerecht Schriftsätze eingereicht. Außerdem haben die Hauptparteien nach Art. 217 Abs. 3 der Verfahrensordnung zusätzliche Schriftsätze eingereicht.

20

Das Königreich Belgien beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Art. 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

21

Irland beantragt, den angefochtenen Beschluss gemäß dem Antrag des Königreichs Belgien für nichtig zu erklären.

22

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

dem Königreich Belgien die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

23

Das Königreich Belgien stützt seine Klage auf fünf Gründe. Im Anschluss an das Rechtsmittelurteil, in dem der Gerichtshof über die ersten beiden Klagegründe entschieden hat, von denen der erste den Eingriff der Kommission in die ausschließlichen Zuständigkeiten des Königreichs Belgien betrifft und der zweite das Vorliegen einer Beihilferegelung, muss das Gericht erneut über den dritten, den vierten und den fünften Klagegrund entscheiden, von denen der dritte die fehlerhafte Einstufung der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV betrifft, der vierte die fehlerhafte Bestimmung der Empfänger der angeblichen Beihilfen und der fünfte einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und des Vertrauensschutzes, da die Rückforderung der angeblichen Beihilfen fehlerhaft angeordnet worden sei.

A. Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 107 AEUV und eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, da die Kommission angenommen habe, dass das System der Gewinnüberschüsse eine staatliche Beihilfemaßnahme darstelle

24

Das Königreich Belgien macht im Wesentlichen geltend, der Umstand, dass die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse als ständige Verwaltungspraxis eine Regelung darstelle, bedeute nicht, dass diese Regelung alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Voraussetzungen dafür erfülle, dass eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstelle. Zur Stützung dieses Klagegrundes trägt das Königreich Belgien somit Argumente vor, die in mehrere Teile und Unterteile gegliedert sind und mit denen es die Beurteilungen der Kommission zu diesen in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgezählten Voraussetzungen beanstandet, nämlich die Finanzierung der fraglichen Regelung aus staatlichen Mitteln, das Vorliegen eines selektiven Vorteils und das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung.

25

Nach Ansicht der Kommission ist der Klagegrund des Königreichs Belgien zurückzuweisen.

1.   Zur Finanzierung der fraglichen Regelung aus staatlichen Mitteln

26

Das Königreich Belgien macht, insoweit unterstützt durch Irland, im Wesentlichen geltend, dass ein Staat nur dann auf die Besteuerung von Einkünften verzichten könne, wenn er berechtigt sei, die entsprechenden Beiträge zu erheben. Im vorliegenden Fall entsprächen die Gewinnüberschüsse den von den betreffenden Unternehmensgruppen erzielten Gewinnen und könnten daher nicht den belgischen Unternehmen zugerechnet werden. Aus diesem Grund fielen diese Gewinne nicht unter die Steuerhoheit des Königreichs Belgien, das sie nicht besteuern könne.

27

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der „Beihilfe“ weiter als der Begriff der Subvention, da er nicht nur positive Leistungen wie etwa die Subventionen selbst, sondern auch staatliche Maßnahmen umfasst, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit, obwohl sie keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkungen gleichstehen. Daher ist eine Maßnahme, mit der die staatlichen Stellen bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Steuerpflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV (vgl. Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 71 und 72 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Erstens führte die Kommission im 114. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, dass die fragliche Regelung die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse beinhalte, was eine Verringerung der Steuer darstelle, die von den diese Regelung in Anspruch nehmenden Unternehmen zu entrichten sei, und daher einen Verlust von Steuereinnahmen, über die das Königreich Belgien normalerweise verfügt hätte. Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien tatsächlich die in die angebliche Beihilferegelung einbezogenen staatlichen Mittel identifiziert, d. h. die Steuereinnahmen, über die das Königreich Belgien nach Ansicht der Kommission ohne diese Regelung verfügt hätte.

29

Zweitens ist nach Art. 185 § 1 des CIR 92 der Gesamtbetrag der erzielten Gewinne gebietsansässiger Gesellschaften in Belgien steuerpflichtig. Daher ist davon auszugehen, dass diese Gewinne der Steuerhoheit des Königreichs Belgien unterliegen, auch wenn sie gerade nach den anwendbaren belgischen Steuervorschriften wie Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 angepasst werden können.

30

Drittens kann, soweit es sich im vorliegenden Fall um Verringerungen von steuerlichen Belastungen handelt, die von der Behörde für Steuervorbescheide zwar nach einer Verwaltungspraxis, aber nur auf Antrag des Begünstigten gewährt wurden, nicht geltend gemacht werden, dass die befreiten Gewinne im Grunde in Belgien nicht steuerpflichtige Gewinne gewesen seien. Ohne einen entsprechenden Antrag wären diese Gewinne nämlich in Belgien besteuert worden. Daher kann das Königreich Belgien nicht geltend machen, dass diese Gewinne nicht seiner Steuerhoheit unterlägen.

31

Viertens ist entgegen dem Vorbringen Irlands festzustellen, dass der Grund, aus dem die Kommission angenommen hat, dass es sich im vorliegenden Fall um staatliche Mittel handele, gerade darauf beruht, dass nach dem allgemeinen System der Besteuerung der Gewinne von Gesellschaften in Belgien, zu dem Art. 185 § 1 des CIR 92 gehört, der Gesamtbetrag der erzielten Gewinne gebietsansässiger Gesellschaften in Belgien dem Grunde nach steuerpflichtig ist. Somit konnte die Kommission unter Berücksichtigung der Entscheidung, die der belgische Gesetzgeber in Ausübung der dem Königreich Belgien zustehenden Steuerhoheit getroffen hat, den Schluss ziehen, dass, soweit die Gewinnüberschüsse nicht besteuert wurden, obwohl sie dem Grunde nach steuerpflichtige Gewinne waren, eine solche Nichtbesteuerung zu einem Verlust an Mitteln führte, die diesem Staat gehörten.

32

Nach alledem ist das Vorbringen des Königreichs Belgien, unterstützt durch Irland, mit dem die Schlussfolgerung der Kommission in Bezug auf die Finanzierung der fraglichen Regelung aus staatlichen Mitteln beanstandet wird, zurückzuweisen.

2.   Zum Vorliegen eines durch die fragliche Regelung gewährten selektiven Vorteils

33

Das Königreich Belgien tritt den Feststellungen der Kommission zum Vorliegen eines durch die fragliche Regelung gewährten Vorteils und zu seiner Selektivität entgegen. Was insbesondere die Selektivität betrifft, wendet sich das Königreich Belgien unter Berufung auf die Rechtsprechung zur Prüfung der Einstufung einer steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ gegen das von der Kommission bestimmte Bezugssystem, d. h. die anwendbare allgemeine oder „normale“ Steuerregelung, ihre Beurteilung, wonach die fragliche Regelung von diesem Bezugssystem abweiche, und die Zurückweisung der von ihm vorgebrachten Rechtfertigung der Regelung, die auf die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gestützt sei, durch die Kommission.

34

Im vorliegenden Fall ist zunächst das Vorbringen des Königreichs Belgien zu prüfen, mit dem die Bestimmung des Bezugssystems beanstandet wird, anhand dessen zu prüfen ist, ob ein Vorteil vorliegt oder nicht und ob dieser selektiv ist. Im Folgenden wird auf das Vorbringen des Königreichs Belgien eingegangen, mit dem es die Beurteilungen der Kommission sowohl zum Vorliegen eines Vorteils als auch zum selektiven Charakter dieses Vorteils aufgrund des Bestehens einer Abweichung vom Bezugssystem und auch zum Fehlen einer Rechtfertigung, die auf die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gestützt sei, in Frage stellt.

a)   Zur Bestimmung des Bezugssystems

35

Das Königreich Belgien ist im Wesentlichen der Ansicht, die Kommission habe das Bezugssystem falsch bestimmt, weil sie nicht berücksichtigt habe, dass dieses System auch die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse umfasse. Außerdem habe die Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem sie sich auf Art. 24 des CIR 92, der das steuerpflichtige Einkommen natürlicher Personen betreffe, berufen habe, der in Bezug auf die Ermittlung der steuerpflichtigen Gewinne nicht in vollem Umfang auf Gesellschaften, die zu einer internationalen Unternehmensgruppe gehörten, anwendbar sei.

36

Irland trägt vor, die Kommission habe die in Belgien geltenden Vorschriften nicht berücksichtigt, obwohl das Bezugssystem dem nationalen Steuersystem nicht fremd sein könne und jeder Staat die Steuerbemessungsgrundlage innerhalb seines Systems souverän bestimme. Daher sei es unerheblich, wie die Gewinne aus einer Transaktion in anderen Steuersystemen behandelt würden.

37

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Bestimmung des Bezugssystems im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zukommt, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann. Somit hängt die Bestimmung aller Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, von der vorherigen Definition der rechtlichen Regelung ab, im Hinblick auf deren Ziel gegebenenfalls die Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Situation der durch die fragliche Maßnahme begünstigten Unternehmen und der durch sie nicht begünstigten Unternehmen zu prüfen ist (vgl. Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

In diesem Zusammenhang ist entschieden worden, dass sich die Bestimmung des Bezugssystems, die nach einer kontradiktorischen Erörterung mit dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgen muss, aus einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Zusammenhangs und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften ergeben muss (Urteil vom 6. Oktober 2021, World Duty Free Group und Spanien/Kommission, C‑51/19 P und C‑64/19 P, EU:C:2021:793, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Außerdem dürfen nach ständiger Rechtsprechung zwar die Mitgliedstaaten keine steuerliche Maßnahme erlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann, doch ist es außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat, der in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer bestimmt, die grundsätzlich das „normale“ Bezugssystem oder die „normale“ Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist. Dies gilt insbesondere für die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und des Steuertatbestands (vgl. Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 65 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Daraus folgt, dass bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung nicht nur der Frage, ob ein Vorteil vorliegt, sondern auch der Frage, ob dieser selektiv ist.

41

Außerdem hat die Kommission für die Feststellung, ob eine steuerliche Maßnahme einem Unternehmen einen selektiven Vorteil verschafft hat, nach einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Aufbaus und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften einen Vergleich mit dem im betreffenden Mitgliedstaat normalerweise geltenden Steuersystem vorzunehmen. Bei der Prüfung der Frage, ob ein selektiver Steuervorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt, und der Feststellung, welche Steuerbelastung ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, dürfen daher Parameter und Regeln, die außerhalb des fraglichen nationalen Steuersystems liegen, nicht berücksichtigt werden, es sei denn, das nationale Steuersystem bezieht sich ausdrücklich darauf (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2022, Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C‑885/19 P und C‑898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 92 und 96).

42

Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Erwägungsgründen 121 bis 129 des angefochtenen Beschlusses ihren Standpunkt zum Bezugssystem dargelegt.

43

So hat die Kommission in den Erwägungsgründen 121 und 122 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass das Bezugssystem das allgemeinrechtliche System zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen sei, das im belgischen Körperschaftsteuersystem vorgesehen sei, dessen Zielsetzung die Besteuerung der Gewinne aller der Steuerpflicht in Belgien unterliegenden Unternehmen sei. Das Körperschaftsteuersystem in Belgien gelte für gebietsansässige belgische Unternehmen sowie für belgische Niederlassungen von gebietsfremden Unternehmen. Nach Art. 185 § 1 des CIR 92 seien gebietsansässige belgische Unternehmen zur Bezahlung von Körperschaftsteuer auf den Gesamtbetrag der erzielten Gewinne verpflichtet, außer es finde ein Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung. Außerdem unterlägen nach den Art. 227 und 229 des CIR 92 gebietsfremde Unternehmen der Körperschaftsteuer nur für bestimmte spezifische Arten von Einkünften aus belgischer Quelle. Im Übrigen sei in beiden Fällen die belgische Körperschaftsteuer auf den Gesamtgewinn zu entrichten, dessen Festlegung nach den Vorschriften zur Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne gemäß Art. 24 des CIR 92 erfolge. Nach Art. 185 § 1 des CIR 92 in Verbindung mit den Art. 1, 24, 183, 227 und 229 des CIR 92 entspreche der Gesamtgewinn den Einkünften der Unternehmen abzüglich den abzugsfähigen Kosten, die im Allgemeinen in der Buchführung erfasst seien, so dass der tatsächlich erzielte Gewinn den Ausgangspunkt für die Berechnung des steuerpflichtigen Gesamtgewinns bilde, unbeschadet der Anwendung der im Körperschaftsteuersystem in Belgien vorgesehenen positiven und negativen Anpassungen in einem zweiten Schritt.

44

In den Erwägungsgründen 123 bis 128 des angefochtenen Beschlusses erläuterte die Kommission, dass die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse kein wesentlicher Bestandteil des Bezugssystems sei.

45

Konkret stellte die Kommission im 125. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass eine solche Steuerregelung durch keine Bestimmung des CIR 92 vorgeschrieben sei. Denn Art. 185 § 2 Buchst. a des CIR 92 ermögliche der belgischen Steuerverwaltung, eine einseitige Primäranpassung der Gewinne einer Gesellschaft für die Fälle vorzunehmen, in denen Transaktionen oder Vereinbarungen mit verbundenen Gesellschaften unter Bedingungen erfolgten, die von den Fremdvergleichsbedingungen abwichen. Dagegen sehe Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 die Möglichkeit vor, negative Anpassungen der Gewinne einer Gesellschaft vorzunehmen, die durch eine konzerninterne Transaktion oder Vereinbarung erzielt worden seien, unter der zusätzlichen Bedingung, dass der anzupassende Gewinn im Gewinn der ausländischen Gegenpartei dieser Transaktion oder Vereinbarung ausgewiesen sein müsse.

46

Außerdem wies die Kommission im 126. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass das Körperschaftsteuersystem in Belgien darauf abziele, die Unternehmen zu besteuern, die der Steuer auf ihre tatsächlichen Gewinne unterlägen, unabhängig von ihrer Rechtsform, Größe oder Zugehörigkeit zu einem multinationalen Konzern.

47

Im Übrigen stellte die Kommission im 127. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass integrierte Unternehmen eines multinationalen Konzerns die für die konzerninternen Transaktionen anzuwendenden Preise festzulegen hätten, um ihren steuerpflichtigen Gewinn zu berechnen, anstatt die Preise zu verwenden, die unmittelbar von dem Markt vorgegeben würden, weshalb die belgische Steuergesetzgebung besondere Bestimmungen für Konzerne vorsehe, die im Allgemeinen darauf abzielten, die nicht integrierten Unternehmen und die in Form von Konzernen strukturierten Wirtschaftsunternehmen auf eine gleiche Stufe zu stellen.

48

Im 129. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission zur Schlussfolgerung gelangt, dass das Bezugssystem, das zu berücksichtigen sei, das Körperschaftsteuersystem in Belgien sei, das die Zielsetzung habe, die Gewinne aller Unternehmen, die gebietsansässig oder über eine feste Niederlassung in Belgien aktiv seien, in gleicher Weise zu besteuern. Dieses System umfasse die anwendbaren Anpassungen gemäß dem belgischen Körperschaftsteuersystem, die den steuerpflichtigen Gewinn von Unternehmen zur Erhebung der Körperschaftsteuer in Belgien bestimmten.

49

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass das allgemeine Körperschaftsteuersystem in Belgien das Bezugssystem darstellt.

50

Dagegen bestreitet das Königreich Belgien die Tragweite dieses von der Kommission herangezogenen allgemeinen Systems in Bezug auf die Bestimmung der steuerpflichtigen Gewinne, die Relevanz von Art. 24 des CIR 92, die Möglichkeit, Anpassungen der von den steuerpflichtigen Unternehmen erzielten Gewinne vorzunehmen, und die Frage, ob dieses System die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse umfasst.

1) Zur Berücksichtigung des nationalen Rechts

51

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission bei der Feststellung, welche die anwendbare allgemeine oder „normale“ Steuerregelung in Belgien ist, auf die anwendbaren Rechtsvorschriften, insbesondere den CIR 92, gestützt hat, wie sich aus den vorstehenden Rn. 42 bis 48 ergibt. Auf der Grundlage der vom Königreich Belgien im Rahmen des Verwaltungsverfahrens übermittelten Informationen hat die Kommission nämlich den geltenden Rechtsrahmen beschrieben und insbesondere in den Erwägungsgründen 23 bis 28 des angefochtenen Beschlusses das Körperschaftsteuersystem in Belgien, wie es im CIR 92 vorgesehen ist, dargelegt. Insbesondere hat sich die Kommission, wie oben in Rn. 43 ausgeführt, ausdrücklich auf die Art. 1, 24, 183 und 185 des CIR 92 bezogen.

52

Daraus folgt, dass sich die Kommission entgegen dem Vorbringen Irlands zur Bestimmung des Bezugssystems auf die in Belgien geltenden Steuervorschriften gestützt hat.

2) Zur Bestimmung der steuerpflichtigen Gewinne von Gesellschaften und zur Relevanz von Art. 24 des CIR 92

53

Zum Vorbringen des Königreichs Belgien, mit dem es die Feststellungen der Kommission zur Bestimmung der steuerpflichtigen Gewinne von Gesellschaften in Belgien und zur Relevanz von Art. 24 des CIR 92 beanstandet, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 122. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Festlegung des Gesamtgewinns nach den Gewinnvorschriften erfolge, die in den jeweiligen Bestimmungen zur Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne angegeben sind, gemäß Art. 24 des CIR 92.

54

Art. 24 des CIR 92 sieht vor, dass die steuerpflichtigen Einkünfte von Industrie‑, Handels- und Landwirtschaftsunternehmen alle Einkünfte aus unternehmerischen Tätigkeiten umfassen, wie z. B. die Gewinne aus „allen Verrichtungen, die durch die Niederlassungen dieser Unternehmen oder durch deren Zutun durchgeführt werden“, und aus „Wertsteigerungen der Aktiva … und Wertminderungen der Passiva …, wenn diese Mehr- oder Minderwerte verwirklicht oder in der Buchhaltung oder dem Jahresabschluss aufgezeichnet wurden“.

55

Daraus folgt, dass die steuerpflichtigen Gewinne für die Zwecke der Anwendung des CIR 92 im Grundsatz aus allen Gewinnen bestehen, die von den in Belgien steuerpflichtigen Unternehmen erzielt werden, da sie der Ausgangspunkt für die Berechnung dieser Steuer sind.

56

Zwar gehört Art. 24 des CIR 92 zu Titel II dieses Gesetzbuchs, der die Steuer der natürlichen Personen betrifft, in Kapitel II, das die Besteuerungsgrundlage betrifft, und ist insbesondere in dessen Abschnitt IV Unterabschnitt I enthalten, der die steuerpflichtigen Einkünfte betrifft. Doch bestimmt Art. 183 des CIR 92, der die Besteuerungsgrundlage der Gesellschaften betrifft, dass „Einkünfte, die der Gesellschaftssteuer unterliegen oder von dieser Steuer befreit sind, hinsichtlich ihrer Art die gleichen wie die [sind], die in Bezug auf die Steuer der natürlichen Personen vorgesehen sind; ihr Betrag wird gemäß den auf Gewinne anwendbaren Regeln festgelegt“. Diese Bestimmung führt keine Unterscheidung in Bezug auf Gesellschaften ein, die multinationalen Konzernen angehören.

57

Somit verweist der CIR 92 hinsichtlich der Steuer auf die Gewinne von Gesellschaften, insbesondere für die Zwecke der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage, auf die Bestimmungen über die Einkommensteuer natürlicher Personen.

58

Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Königreichs Belgien zurückzuweisen, mit dem die Berufung der Kommission auf Art. 24 des CIR 92 zur Bestimmung der steuerpflichtigen Gewinne von Gesellschaften in Belgien im Rahmen ihrer Prüfung der normalen Besteuerung von Gesellschaften in Belgien beanstandet wird.

3) Zur Möglichkeit, Anpassungen der von den steuerpflichtigen Unternehmen erzielten Gewinne vorzunehmen

59

Das Königreich Belgien wirft der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass die erzielten Gewinne nur den Ausgangspunkt für die Berechnung der steuerpflichtigen Gewinne darstellten.

60

Hierzu ist festzustellen, dass sich aus den Erläuterungen der Kommission im 123. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass sie berücksichtigt hat, dass die Grundlage für die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns der erzielte Gesamtgewinn des betreffenden Unternehmens war, an dem die negativen und positiven Anpassungen vorgenommen wurden, die im belgischen Körperschaftsteuersystem vorgesehen waren.

61

Insbesondere stellte die Kommission im 125. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass es sich bei den in Art. 185 § 2 Buchst. a und b des CIR 92 vorgesehenen positiven und negativen Anpassungen um besondere Steuervorschriften für Situationen handele, in denen die für eine Transaktion oder Vereinbarung festgelegten Bedingungen von denen abwichen, die unabhängige Unternehmen vereinbart hätten.

62

Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien berücksichtigt, dass in der in Belgien geltenden Steuerregelung speziell in Bezug auf die Steuerbemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer die Möglichkeit bestand, positive und negative Anpassungen der erzielten Gewinne vorzunehmen. Aus denselben Gründen können die Rügen des Königreichs Belgien, die Kommission habe verkannt, dass in der belgischen Steuerregelung ein Unterschied zwischen dem Buchgewinn und dem steuerpflichtigen Gewinn bestehe, keinen Erfolg haben.

4) Zur Nichtaufnahme der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in das Bezugssystem

63

Das Königreich Belgien macht geltend, die Kommission habe die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse zu Unrecht vom Bezugssystem ausgenommen.

64

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nicht vom Bezugssystem ausgeschlossen hat. Hingegen war sie der Ansicht, dass die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in dieser Bestimmung nicht vorgesehen und daher nicht Teil des Bezugssystems sei. Daher besteht entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien kein Widerspruch zwischen der Feststellung des Vorliegens einer auf Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 gestützten Beihilferegelung und der Feststellung, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse nicht Teil des Bezugssystems ist.

65

Zweitens ist für die Feststellung, ob die Kommission zutreffend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nicht vorgesehen sei, zum einen die Tragweite dieser Bestimmung und zum anderen die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, wie sie von den belgischen Steuerbehörden angewandt wurde, zu prüfen.

i) Zur Tragweite von Art. 185 § 2 des CIR 92

66

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Analyse von Art. 185 § 2 des CIR 92 auf den Wortlaut dieser Bestimmung und die Begleittexte zu ihrem Inkrafttreten gestützt hat. In den Erwägungsgründen 29 bis 38 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission nämlich erstens den Wortlaut von Art. 185 § 2 des CIR 92, der durch das Gesetz vom 21. Juni 2004 zur Änderung des CIR 92 und des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 eingeführt wurde (Moniteur belge vom 9. Juli 2004, S. 54623, im Folgenden: Gesetz vom 21. Juni 2004), zweitens die Begründung im Entwurf dieses Gesetzes, den die belgische Regierung am 30. April 2004 der belgischen Abgeordnetenkammer vorgelegt hatte (im Folgenden: Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004), und drittens das Rundschreiben vom 4. Juli 2006 betreffend Art. 185 § 2 des CIR 92 (im Folgenden: Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006) eingehend dargestellt.

67

Das Königreich Belgien hat sich in seiner Argumentation im Rahmen der vorliegenden Klage selbst auf diese Texte gestützt, die Teil der Akten der Rechtssache sind.

68

Zunächst lautet Art. 185 § 2 des CIR 92, auf den im 29. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, in seiner im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung wie folgt:

„Unbeschadet des Absatzes 2 gilt für zwei Gesellschaften, die Teil einer multinationalen Gruppe verbundener Gesellschaften sind, und in Bezug auf ihre gegenseitigen grenzüberschreitenden Beziehungen:

b)

Wenn in die Gewinne einer Gesellschaft Gewinne einbezogen werden, die ebenfalls in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen werden, und wenn die derart einbezogenen Gewinne Gewinne sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten, werden die Gewinne der ersten Gesellschaft entsprechend angepasst.

Unterabsatz 1 wird mittels Vorbescheid angewandt, unbeschadet der Anwendung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (90/436) vom 23. Juli 1990 und der internationalen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.“

69

Sodann heißt es in der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, auf die im 34. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, dass Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 eine angemessene korrespondierende Anpassung vorsehe, um eine (mögliche) Doppelbesteuerung zu verhindern oder zu unterbinden, und dass eine korrespondierende Anpassung nur vorzunehmen sei, wenn die Steuerverwaltung oder die Behörde für Steuervorbescheide der Auffassung sei, dass die Primäranpassung dem Grundsatz und der Höhe nach gerechtfertigt sei.

70

Im Übrigen stellt die Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004 klar, dass diese Bestimmung nicht anwendbar sei, wenn der in dem Partnerstaat erzielte Gewinn so erhöht werde, dass er höher sei als derjenige, der im Fall der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erlangt würde, da die belgischen Steuerbehörden nicht verpflichtet seien, die Folgen einer willkürlichen oder einseitigen Anpassung im Partnerstaat zu akzeptieren.

71

Schließlich wiederholt das Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006, auf das im 38. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, die Feststellung, dass eine solche negative Anpassung keine Anwendung findet, wenn die von einer anderen Rechtsordnung vorgenommene positive primäre Anpassung überhöht ist. Im Übrigen übernimmt dieses Rundschreiben weitgehend den Wortlaut der Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004, in dem darauf hingewiesen wird, dass die entsprechende negative Anpassung ihren Sinn im Fremdvergleichsgrundsatz habe, dass sie die Verhinderung oder Unterbindung einer (möglichen) Doppelbesteuerung bezwecke und dass sie in geeigneter Weise vorzunehmen sei, d. h., dass die belgischen Steuerbehörden diese Anpassung nur vornehmen dürften, wenn sie dem Grundsatz und der Höhe nach gerechtfertigt sei.

72

Folglich geht aus dem Wortlaut von Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 hervor, dass die negative Anpassung im Rahmen der grenzüberschreitenden Beziehungen zwischen zwei verbundenen Gesellschaften vorgesehen ist und in dem Sinne wechselseitig sein muss, dass sie nur unter der Voraussetzung anwendbar ist, dass die Gewinne, die Gegenstand der Anpassung sind, ebenfalls in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen werden, und die Gewinne, die derart einbezogen werden, Gewinne sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten.

73

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Königreich Belgien in Rn. 95 der Klageschrift selbst ausgeführt hat, dass Art. 185 § 2 des CIR 92 darauf abziele, die Gewinne des belgischen Unternehmens, die in Belgien steuerpflichtig seien, und die Gewinne, die nicht in seine Zuständigkeit fielen, auf der Grundlage einer Aufteilung dieser Gewinne zwischen dem belgischen Unternehmen und den verbundenen Gesellschaften, die von den in Rede stehenden grenzüberschreitenden Beziehungen innerhalb des Konzerns betroffen seien, zu bestimmen.

74

Diese Feststellung wird sowohl durch die Begründung des Gesetzes vom 21. Juni 2004 als auch durch das Verwaltungsrundschreiben vom 4. Juli 2006 bestätigt, in denen hervorgehoben wird, dass die korrespondierende Anpassung dem Grundsatz und der Höhe nach angemessen sein muss und dass diese Anpassung nicht vorgenommen wird, wenn die in einem anderen Staat erzielten Gewinne so erhöht werden, dass sie höher sind als diejenigen, die in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes erzielt worden wären. In diesen Texten heißt es nämlich, dass die in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehene negative Anpassung eine Korrelation zwischen den in Belgien nach unten angepassten Gewinnen und den Gewinnen erfordert, die bei einem anderen Konzernunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat einbezogen worden sind.

ii) Zur Steuerregelung für Gewinnüberschüsse

75

Die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse, wie sie von den belgischen Steuerbehörden angewandt wird, wird von der Kommission in den Erwägungsgründen 13 bis 22 des angefochtenen Beschlusses dargestellt. Außerdem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 39 bis 42 des angefochtenen Beschlusses die Antworten des Finanzministers auf parlamentarische Anfragen zur Anwendung von Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 vom 13. April 2005, vom 11. April 2007 und vom 6. Januar 2015 berücksichtigt. Diese Antworten legen die Verwaltungspraxis der belgischen Steuerbehörden in Bezug auf Gewinnüberschüsse dar.

76

Aus diesen Antworten geht hervor, dass im Rahmen der von den belgischen Steuerbehörden angewandten Regelung für Gewinnüberschüsse die negative Anpassung der Gewinne, mit der diese Gewinnüberschüsse von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden konnten, nicht davon abhing, dass die befreiten Gewinne in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen werden und dass diese Gewinne solche sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten. Das Königreich Belgien hat diesen Aspekt der fraglichen Regelung in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

77

Außerdem geht aus den Erläuterungen des Königreichs Belgien hervor, wie sie u. a. in den Erwägungsgründen 15 bis 20 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben sind, dass die von den belgischen Steuerbehörden im Rahmen der fraglichen Regelung angewandte Befreiung auf einem Prozentsatz der Nichtbesteuerung beruht habe, der auf der Grundlage eines hypothetischen durchschnittlichen Gewinns für das belgische Unternehmen berechnet worden sei, der anhand eines Gewinnindikators ermittelt worden sei, der sich aus einem Vergleich mit den Gewinnen vergleichbarer eigenständiger Unternehmen ergeben habe und als Wert festgesetzt werde, der in der Interquartilspanne des Gewinnindikators liege, der für eine Gruppe vergleichbarer eigenständiger Unternehmen gewählt worden sei. Dieser Prozentsatz der Nichtbesteuerung habe mehrere Jahre lang gegolten, nämlich während der Geltungsdauer des Steuervorbescheids. Daher nahm die Besteuerung der belgischen Unternehmen, die sich daraus ergab, als Ausgangspunkt nicht die Gesamtheit der tatsächlich erzielten Gewinne im Sinne der Art. 1, 24 und 183 sowie von Art. 185 § 1 des CIR 92, auf die die im Fall von Unternehmensgruppen nach Art. 185 § 2 des CIR 92 gesetzlich vorgesehenen Anpassungen angewandt worden wären, sondern vielmehr einen hypothetischen Gewinn, der den vom fraglichen belgischen Unternehmen erzielten Gesamtgewinn und die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen außer Acht lässt.

78

Im Übrigen kann der Umstand, dass das Ziel dieser Bestimmung darin besteht, eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wie das Königreich Belgien hervorgehoben hat, nicht die ausdrücklich vorgesehene Voraussetzung beseitigen, dass die anzupassenden Gewinne auch in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen worden sein müssen und dass diese Gewinne solche sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten. Gerade wenn nämlich die Gewinne eines belgischen Unternehmens auch in die Gewinne einer anderen Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Staat einbezogen sind, kann die Möglichkeit einer Doppelbesteuerung bestehen.

iii) Schlussfolgerung zur Nichtaufnahme der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in das Bezugssystem

79

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass, während Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 für die Zwecke einer negativen Anpassung verlangt, dass die anzupassenden Gewinne ebenfalls in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen wurden und diese Gewinne solche sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten, die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse von den belgischen Behörden angewandt worden war, ohne diese Bedingungen zu berücksichtigen.

80

Daraus folgt, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien zu Recht festgestellt hat, dass die von den belgischen Steuerbehörden im Rahmen der fraglichen Regelung angewandte Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse nicht Teil des Bezugssystems ist.

81

Unter diesen Umständen ist das gesamte Vorbringen des Königreichs Belgien, mit dem die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Bestimmung des Bezugssystems beanstandet wird, zurückzuweisen.

b)   Zum Vorliegen eines Vorteils aufgrund der fraglichen Regelung

82

Das Königreich Belgien wirft der Kommission im Wesentlichen vor, die Frage, ob das System der Gewinnüberschüsse den Begünstigten einen wirtschaftlichen Vorteil gewährt habe, nicht gesondert geprüft zu haben. Außerdem wirft das Königreich Belgien der Kommission vor, sie habe den Steuervorteil, den die belgischen Unternehmen, die zu einer internationalen Unternehmensgruppe gehörten, im Vergleich zu den anderen konkurrierenden eigenständigen Unternehmen erhalten hätten, weder geprüft noch bestimmt.

1) Zur Feststellung des durch die fragliche Regelung gewährten Vorteils

83

Vorab ist, wie oben in den Rn. 45 bis 47 ausgeführt, darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 125. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse im Körperschaftsteuersystem in Belgien nicht vorgesehen sei. Außerdem hob die Kommission im 126. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass bei der Berechnung dieser Befreiung der vom belgischen Unternehmen tatsächlich erzielte Gesamtgewinn und die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen außer Betracht gelassen würden. Im 127. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wies sie darauf hin, dass das belgische System zwar besondere Bestimmungen für Konzerne vorsehe, dass diese aber eher darauf abzielten, Unternehmen, die multinationalen Konzernen angehörten, mit eigenständigen Unternehmen auf eine gleiche Stufe zu stellen.

84

In diesem Rahmen wies die Kommission im 133. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass nach dem belgischen Körperschaftsteuersystem die Konzernunternehmen, die gebietsansässig oder über eine feste Niederlassung in Belgien aktiv seien, auf der Grundlage ihres Gesamtgewinns, d. h. dem tatsächlich erwirtschafteten Gewinn, besteuert würden und nicht auf der Grundlage eines hypothetischen Gewinns, weshalb die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse den die fragliche Regelung in Anspruch nehmenden belgischen Unternehmen eines Konzerns einen Vorteil gewähre.

85

Im 135. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erinnerte die Kommission an die Rechtsprechung, nach der ein wirtschaftlicher Vorteil gewährt werden kann, indem die Steuerlast eines Unternehmens verringert wird, und insbesondere, indem die Steuerbemessungsgrundlage oder der Betrag der zu entrichtenden Steuer verringert wird. Im vorliegenden Fall ermögliche es die fragliche Regelung den durch die Steuervorbescheide begünstigten Gesellschaften, ihre in Belgien zu entrichtende Steuer zu verringern, indem sie den sogenannten „Mehrgewinn“ von ihrem tatsächlich erzielten Gewinn abzögen. Dieser Mehrgewinn werde durch eine Schätzung des hypothetischen durchschnittlichen Gewinns vergleichbarer eigenständiger Unternehmen berechnet, so dass die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Gewinn und dem hypothetischen durchschnittlichen Gewinn durch einen Prozentsatz der Nichtbesteuerung angegeben werde, der die Grundlage für die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage bilde, die für die fünf Jahre der Anwendung des Steuervorbescheids gewährt werde. Da diese Steuerbemessungsgrundlage, die auf diese Weise anhand der nach der fraglichen Regelung erteilten Steuervorbescheide berechnet worden sei, niedriger gewesen sei als die Steuerbemessungsgrundlage ohne diese Steuervorbescheide, hätte sich daraus ein Vorteil ergeben.

86

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die Gesichtspunkte enthält, die die Kommission für die Feststellung des Vorliegens eines Vorteils berücksichtigt hat. Den insbesondere oben in den Rn. 83 bis 85 hervorgehobenen Erwägungsgründen lässt sich nämlich entnehmen, dass der von der Kommission festgestellte Vorteil in der Nichtbesteuerung der Gewinnüberschüsse der begünstigten Gesellschaften und in der Besteuerung von deren Gewinnen bestand, die auf der Grundlage eines hypothetischen durchschnittlichen Gewinns berechnet wurden, der gemäß den Steuervorbescheiden im Rahmen der fraglichen Regelung den von diesen Unternehmen erzielten Gesamtgewinn und die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen außer Acht ließ. Nach Ansicht der Kommission stellt eine solche Besteuerung eine Verringerung der Steuerlast der durch die Regelung Begünstigten gegenüber der Belastung dar, die sich aus einer normalen Besteuerung im Rahmen des Körperschaftsteuersystems in Belgien ergeben hätte, die sich auf die Gesamtheit der tatsächlich erzielten Gewinne nach Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Anpassungen bezogen hätte.

2) Zur gemeinsamen Prüfung des Kriteriums des Vorteils und des Kriteriums der Selektivität durch die Kommission

87

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Selektivität und Vorteil zwei unterschiedliche Kriterien darstellen. In Bezug auf den Vorteil muss die Kommission nachweisen, dass die Maßnahme die finanzielle Lage des Begünstigten verbessert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 33). Was hingegen die Selektivität angeht, muss die Kommission nachweisen, dass der Vorteil anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das Ziel des Bezugssystems in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, nicht zugutekommt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49).

88

Insoweit muss nach der Rechtsprechung das aus Art. 107 Abs. 1 AEUV folgende Erfordernis der Selektivität klar vom begleitenden Nachweis eines wirtschaftlichen Vorteils unterschieden werden, so dass die Kommission, wenn sie das Vorliegen eines Vorteils – in einem weiten Sinne – entdeckt hat, der sich unmittelbar oder mittelbar aus einer bestimmten Maßnahme ergibt, weiterhin noch nachweisen muss, dass dieser Vorteil spezifisch einem oder mehreren Unternehmen zugutekommt (Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 59).

89

Es ist jedoch klarzustellen, dass diese beiden Kriterien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zusammen als „dritte Bedingung“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV geprüft werden können, die das Vorliegen eines „selektiven Vorteils“ betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2016, Belgien/Kommission, C‑270/15 P, EU:C:2016:489, Rn. 32).

90

Im angefochtenen Beschluss finden sich die Erwägungen der Kommission zum Vorteil im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils, nämlich in Abschnitt 6.3 („Vorliegen eines selektiven Vorteils“). In diesem Rahmen hat die Kommission, wie oben in den Rn. 83 bis 85 ausgeführt, tatsächlich das Kriterium des Vorteils geprüft. Sodann findet sich die eigentliche Prüfung der Selektivität dieses Vorteils in den Erwägungsgründen 136 bis 141 des angefochtenen Beschlusses in Abschnitt 6.3.2.1 bezüglich der von der Kommission in erster Linie dargelegten Argumentation zur Selektivität, die auf das Vorliegen einer Abweichung von dem allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien gestützt ist. Im Übrigen wird die Selektivität in den Erwägungsgründen 152 bis 170 des angefochtenen Beschlusses in Abschnitt 6.3.2.2 auch in Bezug auf die von der Kommission hilfsweise dargelegte Argumentation zur Selektivität geprüft, die auf das Vorliegen einer Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz gestützt wird.

91

Die Tatsache, dass die Analyse des Vorteils in formaler Hinsicht in einen Abschnitt eingefügt wurde, der auch die Prüfung der Selektivität umfasst, lässt daher nicht erkennen, dass die beiden Begriffe nicht in der Sache geprüft worden sind, da das Vorliegen eines Vorteils und das Vorliegen seines selektiven Charakters tatsächlich geprüft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2019, Niederlande u. a./Kommission, T‑760/15 und T‑636/16, EU:T:2019:669, Rn. 129).

3) Zum Vorliegen eines Vorteils, der die Begünstigten der fraglichen Regelung bevorzugt

92

Es ist daran zu erinnern, dass als staatliche Beihilfen nach ständiger Rechtsprechung Maßnahmen gleich welcher Art gelten, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (vgl. Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 21).

93

Im Fall der steuerlichen Maßnahmen kann das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden (Urteil vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56). Folglich verschaffen solche Maßnahmen den Begünstigten dann einen wirtschaftlichen Vorteil, wenn sie die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 22).

94

Daher ist, um zu bestimmen, ob ein steuerlicher Vorteil besteht, die Situation des Begünstigten, die sich aus der Anwendung der fraglichen Maßnahme ergibt, mit seiner Situation ohne diese Maßnahme zu vergleichen, wenn die normalen Steuervorschriften angewandt werden (vgl. Urteil vom 24. September 2019, Niederlande u. a./Kommission, T‑760/15 und T‑636/16, EU:T:2019:669, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung).

95

Im Übrigen braucht die Kommission im Fall einer Beihilferegelung nur nachzuweisen, dass die fragliche Steuerregelung geeignet ist, den durch sie Begünstigten einen Vorteil zu verschaffen, indem sie prüft, ob die Regelung in der Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Merkmale, zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu einer Besteuerung führen kann, die niedriger ist als diejenige, die sich aus der Anwendung der allgemeinen Steuerregelung ergibt (vgl. Urteil vom 2. Februar 2023, Spanien u. a./Kommission, C‑649/20 P, C‑658/20 P und C‑662/20 P, EU:C:2023:60, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

96

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie oben in den Rn. 83 bis 86 ausgeführt, in den Erwägungsgründen 125 bis 127 und 133 bis 135 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die belgischen Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehörten und dies beantragt hatten, gemäß den nach der fraglichen Regelung erlassenen Steuervorbescheiden ihre in Belgien zu entrichtende Steuer hätten verringern können, indem sie von ihrer Steuerbemessungsgrundlage einen Prozentsatz ihrer Gewinne als sogenannte „Mehrgewinne“ abgezogen hätten, und zwar für die fünf Jahre der Gültigkeit dieser Steuervorbescheide.

97

Zunächst ist unstreitig, dass die fragliche Regelung als ein System konzipiert war, das in der Nichtbesteuerung eines Teils der Gewinne bestand, die von belgischen Unternehmen erzielt wurden, die einem multinationalen Konzern angehörten. Ferner steht fest, dass nach Art. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2004 nur durch einen Steuervorbescheid, der von der Behörde für Steuervorbescheide auf einen von den betreffenden belgischen Unternehmen gestellten Antrag hin erlassen wurde, ein Teil der Gewinne dieser Unternehmen als Gewinnüberschüsse im Sinne von Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 eingestuft werden konnte und dass der fragliche Prozentsatz der Nichtbesteuerung auf die Steuerbemessungsgrundlage dieser Unternehmen angewandt werden konnte, so dass nur ein Teil dieser Steuerbemessungsgrundlage besteuert wurde.

98

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 185 § 1 des CIR 92 ergibt, dass in Belgien ansässige Gesellschaften in Bezug auf den Gesamtbetrag ihrer Gewinne steuerpflichtig sind. Außerdem ergibt sich aus Art. 24 des CIR 92, wie er oben in Rn. 54 geprüft worden ist, dass die steuerpflichtigen Gewinne der Unternehmen dem Grunde nach alle Gewinne sind, die verwirklicht oder in der Buchhaltung aufgezeichnet wurden.

99

Schließlich geht, wie oben in den Rn. 66 bis 74 ausgeführt, aus Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 hervor, dass eine negative Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage vorgenommen werden kann, wenn die Gewinne der in Rede stehenden Gesellschaft auch in die Gewinne einer anderen Gesellschaft derselben Gruppe einbezogen werden und es Gewinne sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten.

100

Folglich wurden die belgischen Unternehmen nach der allgemeinen belgischen Steuerregelung auf alle erzielten Gewinne, wie sie in ihrer Buchführung aufgezeichnet waren, gegebenenfalls unter Vornahme von Anpassungen wie der in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehenen, besteuert. Da die fragliche Regelung in einer Befreiung von sogenannten „Mehrgewinnen“ bestand, die, wie oben in Rn. 80 ausgeführt, in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nicht vorgesehen war, konnte diese Regelung zu einer Minderung der Steuer führen, die die Unternehmen, die diese Entscheidungen beantragt hatten, nach den Vorschriften über die Körperschaftsteuer in Belgien andernfalls hätten zahlen müssen.

101

Unter diesen Umständen kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie festgestellt hat, dass die fragliche Steuerregelung geeignet war, den durch sie Begünstigten einen Vorteil zu verschaffen, da diese Regelung in der Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Merkmale, zu einer Besteuerung führen konnte, die niedriger war als diejenige, die sich aus der Anwendung der allgemeinen Körperschaftsteuerregelung in Belgien ergab.

102

Keines der anderen Argumente des Königreichs Belgien und Irlands ist geeignet, diese Feststellung in Frage zu stellen.

103

Was erstens das Vorbringen des Königreichs Belgien betrifft, die Kommission habe den Steuervorteil, den die belgischen Unternehmen, die zu einer internationalen Unternehmensgruppe gehörten, im Vergleich zu den anderen konkurrierenden eigenständigen Unternehmen erhalten hätten, nicht bestimmt, ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des„wirtschaftlichen Vorteils“, wie sich aus der oben in Rn. 94 angeführten Rechtsprechung ergibt, impliziert, die Situation des Begünstigten, die sich aus der Anwendung der fraglichen Maßnahme ergibt, mit seiner Situation ohne diese Maßnahme zu vergleichen, wenn die normalen Steuervorschriften angewandt werden. Somit musste die Kommission im Stadium der Analyse des Vorteils keinen Vergleich der Stellung der durch die Steuervorbescheide Begünstigten mit derjenigen der eigenständigen Unternehmen anstellen. Im Übrigen musste die Kommission entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines durch eine Beihilferegelung gewährten Vorteils weder eine Prüfung der individuellen Situation jedes Begünstigten vornehmen noch die Abweichung zwischen der Steuerlast der belgischen Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten hatten, und der Steuerlast berechnen, die ihnen ohne solche Bescheide auferlegt worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104

Was zweitens das Vorbringen betrifft, mit dem die Beurteilung der Kommission beanstandet wird, wonach sich der Vorteil aus der Differenz zwischen den steuerpflichtigen Gewinnen, die auf dem von der Kommission herangezogenen Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 107 AEUV beruhten, und den Gewinnen ergebe, die in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, wie er in den belgischen Rechtsvorschriften vorgesehen sei, bestimmt worden seien, ist festzustellen, dass die Kommission erst im Rahmen der Prüfung der Selektivität der fraglichen Regelung hilfsweise geprüft hat, inwieweit diese Regelung vom Fremdvergleichsgrundsatz abwich. Dieses Argument ist daher im Rahmen der Prüfung der Beurteilung des Vorliegens eines Vorteils durch die Kommission unerheblich.

105

Drittens macht Irland geltend, dass sich die Steuervorbescheide darauf beschränkten, das Recht auf den Sachverhalt jedes einzelnen Antrags anzuwenden, und dass sie den Steuerpflichtigen daher nicht in eine bessere wirtschaftliche Lage versetzen könnten als die, in die er hätte versetzt werden müssen. Hierzu ist festzustellen, dass der belgische Föderale Öffentliche Dienst Finanzen zwar nach Art. 20 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 im Wege eines Steuervorbescheids über alle Anträge entscheidet, die sich auf die Anwendung der Steuergesetze in einer bestimmten Situation oder auf ein bestimmtes Geschäft, die noch keine steuerliche Wirkung hatten, beziehen und dass nach Art. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2004 Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nur durch einen Steuervorbescheid angewandt werden kann. Die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse war jedoch in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nicht vorgesehen, und die Behörde für Steuervorbescheide hat die fragliche Regelung in der Praxis durchgeführt, indem sie von den in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen abgewichen ist. In diesem Rahmen bestätigte die Behörde für Steuervorbescheide auf der Grundlage der Anträge auf Steuervorbescheide die in diesen Anträgen vorgeschlagene Berechnung der Gewinnüberschüsse und bestimmte den Prozentsatz der Steuerbefreiung, der von den fraglichen belgischen Unternehmen während der Gültigkeit der Steuervorbescheide angewandt werden konnte. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Steuervorbescheide, die von der fraglichen Regelung erfasst sind, darauf beschränken, das Recht auf den Sachverhalt jedes einzelnen Antrags anzuwenden.

106

Unter diesen Umständen ist das Vorbringen des Königreichs Belgien zum offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Feststellung des Vorliegens eines Vorteils aufgrund der fraglichen Regelung zurückzuweisen.

c)   Zur Selektivität des Vorteils aufgrund des Vorliegens einer Abweichung vom Bezugssystem, mit der Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern eingeführt werden, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden

107

Das Königreich Belgien macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie festgestellt habe, dass das System der Gewinnüberschüsse den Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffe, da es eine Abweichung vom Bezugssystem, verstanden als allgemeines Körperschaftsteuersystem in Belgien, darstelle.

108

Zum einen bringt das Königreich Belgien vor, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auf Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 beruhe, der Teil des belgischen Körperschaftsteuersystems sei, und dass diese Regelung daher nicht als Abweichung vom Bezugssystem angesehen werden könne, wie es von der Kommission festgestellt worden sei.

109

Zum anderen führe die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse nicht zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden.

110

Insoweit ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach im Rahmen der Prüfung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme, nachdem in einem ersten Schritt die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung, also das Bezugssystem, ermittelt und geprüft worden ist, dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und festzustellen ist, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (vgl. Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111

Im angefochtenen Beschluss (Abschnitt 6.3.2.1) vertrat die Kommission in erster Linie die Auffassung, dass die belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse den durch sie Begünstigten einen selektiven Vorteil verschaffe, indem sie vom allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien abweiche, da dieses vorsehe, dass die Unternehmen auf der Grundlage ihres Gesamtgewinns, d. h. ihres tatsächlich erzielten Gewinns, besteuert würden, und nicht auf der Grundlage eines hypothetischen durchschnittlichen Gewinns, der den von diesen Unternehmen erzielten Gesamtgewinn und die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen außer Acht lasse.

112

So kam die Kommission im 136. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92, der vom Königreich Belgien als Grundlage für die fragliche Regelung geltend gemacht werde, weder den Sinn noch die von dieser Regelung befürwortete Wirkung habe und dass die fragliche Regelung daher eher eine Abweichung von der im belgischen Steuerrecht verankerten allgemeinen Regel darstelle, gemäß der die Steuer auf den tatsächlich erzielten Gewinn erhoben wird. Außerdem wies die Kommission darauf hin, dass in Anbetracht des Ziels des belgischen Körperschaftsteuersystems, das die Besteuerung der Gewinne aller in Belgien der Steuer unterliegenden Unternehmen sei, eine solche Regelung nicht allen Unternehmen offenstehe, die sich in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden.

113

Anschließend hat die Kommission in den Erwägungsgründen 137 bis 141 des angefochtenen Beschlusses die Gründe dargelegt, aus denen sie der Ansicht war, dass die fragliche Regelung Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführe, die sich im Hinblick auf das mit dem belgischen Steuersystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden.

1) Zum Vorliegen einer Abweichung vom Bezugssystem

114

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission davon ausgegangen ist, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse nicht Teil des Bezugssystems und damit eine Abweichung von diesem System sei, d. h. die negative Anpassung, wie sie von den belgischen Steuerbehörden auf einen Teil der steuerpflichtigen Gewinne, der sogenannten „Mehrgewinne“, vorgenommen wurde.

115

Wie oben in den Rn. 79 und 80 ausgeführt, hängt die negative Anpassung der steuerpflichtigen Gewinne im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 von der Voraussetzung ab, dass die für eine bestimmte Gesellschaft abzuziehenden Gewinne auch in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen worden sind und es Gewinne sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Gesellschaften vereinbarten Bedingungen denen entsprächen, die unabhängige Gesellschaften miteinander vereinbart hätten. Dagegen ist die Praxis der belgischen Steuerbehörden, eine einseitige negative Anpassung vorzunehmen, ohne dass nachgewiesen werden müsste, dass die anzupassenden Gewinne in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen wurden und diese Gewinne solche sind, die die andere Gesellschaft erzielt hätte, wenn die betroffenen Transaktionen zwischen unabhängigen Gesellschaften durchgeführt worden wären, in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 nicht vorgesehen.

116

Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien und wie der Gerichtshof im Rechtsmittelurteil bestätigt hat, wurde nämlich in den Steuervorbescheiden zwar formal Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 angeführt, doch beruhte die von der Kommission als Beihilferegelung eingestufte Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auf einer ständigen Verwaltungspraxis der belgischen Steuerbehörden. Wie oben in Rn. 115 festgestellt, unterschied sich diese Praxis von dem, was in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 vorgesehen war.

117

Folglich ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass die von den belgischen Steuerbehörden vorgenommene Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse eine Abweichung von dem von ihr festgestellten Bezugssystem darstellte, nämlich dem allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien, das, wie oben in Rn. 64 ausgeführt, u. a. Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 umfasste.

2) Zum Vorliegen einer Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, durch die Abweichung vom Bezugssystem

118

Zur Feststellung der Kommission, die fragliche Regelung habe eine Unterscheidung zwischen den Begünstigten der Befreiungen und den anderen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befänden, eingeführt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 138 bis 140 des angefochtenen Beschlusses drei alternative Gründe für ihre Schlussfolgerung angeführt hat, die der Vollständigkeit halber nacheinander zu prüfen sind.

i) Zur unterschiedlichen Behandlung der Begünstigten, die zu einem multinationalen Konzern gehören

119

Im 138. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass die Regelung selektiv sei, weil sie nur Unternehmen offenstehe, die einem multinationalen Konzern angehörten.

120

Zwar ist Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 auf Gesellschaften anwendbar, die einem multinationalen Konzern angehören. Wie das Königreich Belgien geltend macht, zielt der Zweck von Art. 185 § 2 des CIR 92 jedoch gerade darauf ab, verbundene Unternehmen und nicht verbundene Unternehmen auf eine gleiche Stufe zu stellen.

121

Wie oben in Rn. 49 ausgeführt, besteht das Ziel des allgemeinen Körperschaftsteuersystems in Belgien, wie es sich aus dem 129. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, darin, alle steuerpflichtigen Gewinne von Unternehmen, die in Belgien der Körperschaftsteuer unterliegen, unabhängig davon zu besteuern, ob sie eigenständig oder Teil eines multinationalen Konzerns sind. Außerdem sind, wie oben in Rn. 54 ausgeführt, nach den normalen belgischen Steuervorschriften die steuerpflichtigen Gewinne der Unternehmen dem Grunde nach alle Gewinne, die verwirklicht oder in der Buchhaltung oder ihrem Jahresabschluss aufgezeichnet wurden.

122

Dagegen gewährt die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse, soweit sie von Art. 185 § 2 des CIR 92 abweicht, den betreffenden Begünstigten eine Steuervergünstigung, da sie einem multinationalen Konzern angehörten, indem sie ihnen gestattete, von ihrer Besteuerungsgrundlage einen Teil ihrer erzielten Gewinne abzuziehen, ohne dass diese befreiten Gewinne in die Gewinne einer anderen Gesellschaft des Konzerns einbezogen wurden.

123

Es bestünde daher eine unterschiedliche Behandlung von Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehören, die nach der fraglichen Regelung in den Genuss der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse gekommen sind, in Höhe eines Prozentsatzes der Steuerbefreiung, der auf der Grundlage eines hypothetischen durchschnittlichen Gewinns berechnet wird, der den von diesen Unternehmen erzielten Gesamtgewinn und die gesetzlich vorgesehenen Anpassungen außer Acht lässt, und von anderen, eigenständigen oder einem Konzern angehörenden Unternehmen, die nach der allgemeinen Körperschaftsteuerregelung in Belgien auf die Gesamtheit ihrer tatsächlich erzielten Gewinne, gegebenenfalls bei Unternehmen, die einem Konzern angehörten, nach Anwendung der Anpassung nach Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92, unter den dort vorgesehenen Bedingungen, besteuert worden wären.

124

Somit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, festgestellt zu haben, dass die einem multinationalen Konzern angehörenden Unternehmen, denen die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse nach der fraglichen Regelung, die eine Anpassung darstellt, die als solche nicht gesetzlich vorgesehen ist, zugutegekommen ist, anders behandelt worden seien als andere Unternehmen in Belgien, denen sie nicht zugutegekommen sei, obwohl sich diese Unternehmen im Hinblick auf das Ziel des allgemeinen Körperschaftsteuersystems in Belgien – nämlich alle steuerpflichtigen Gewinne aller Unternehmen, die gebietsansässig oder über eine feste Niederlassung in Belgien aktiv sind, zu besteuern – in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befunden hätten.

ii) Zur unterschiedlichen Behandlung gegenüber Unternehmen, die in Belgien keine Investitionen getätigt, Arbeitsplätze geschaffen oder Geschäftstätigkeiten zentralisiert haben

125

Im 139. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass die fragliche Regelung selektiv sei, da sie Unternehmen, die sich dafür entschieden hätten, in Belgien keine Investitionen zu tätigen, keine Arbeitsplätze zu schaffen oder keine Geschäftstätigkeiten zu zentralisieren, nicht offenstehe. Die Kommission wies darauf hin, dass Art. 20 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 den Erlass von Steuervorbescheiden vom Vorliegen einer Situation oder eines Geschäfts abhängig mache, die noch keine steuerliche Wirkung hätten, und dass ein Steuervorbescheid erforderlich sei, um in den Genuss der Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse zu kommen.

126

Bei der von der Kommission analysierten Stichprobe der Steuervorbescheide, in denen die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse bewilligt werde, habe jeder Steuervorbescheid bedeutende Investitionen, die Zentralisierung von Geschäftstätigkeiten oder die Schaffung von Arbeitsplätzen in Belgien erwähnt. Daher begründe die Pflicht, dass eine „neue Situation“ bestehen müsse, der die Anträge auf Steuervorbescheid unterlägen, um die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in Anspruch zu nehmen, eine unterschiedliche Behandlung von multinationalen Konzernen, die ihr Geschäftsmodell änderten und neue Tätigkeiten in Belgien aufnähmen und von allen anderen Wirtschaftsteilnehmern (einschließlich multinationalen Konzernen), die ihre bestehenden Geschäftsmodelle in Belgien weiter betrieben.

127

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Rn. 142 bis 144 des Rechtsmittelurteils bestätigt hat, dass die Auswahl einer Stichprobe von 22 Steuervorbescheiden, die in den Jahren 2005, 2007, 2010 und 2013 erlassen wurden, angemessen und hinreichend repräsentativ war.

128

Außerdem ist der Begriff Vorbescheid in Art. 20 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002 definiert als der Rechtsakt, durch den der Föderale Öffentliche Dienst Finanzen nach den geltenden Vorschriften entscheidet, wie das Gesetz in einer bestimmten Situation oder auf ein bestimmtes Geschäft, das noch keine steuerliche Wirkung entfaltet hat, anwendbar ist. Im Übrigen bestimmt Art. 22 des Gesetzes vom 24. Dezember 2002, dass u. a. dann kein Steuervorbescheid erlassen werden kann, wenn sich der Antrag auf Situationen oder Geschäfte bezieht, die mit solchen identisch sind, die bereits steuerliche Wirkungen in Bezug auf den Antragsteller hatten.

129

Zwar kann aus den oben in Rn. 128 angeführten Bestimmungen nicht geschlossen werden, dass die Vornahme von Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Zentralisierung von Geschäftstätigkeiten in Belgien ausdrücklich Voraussetzungen für den Erhalt eines Steuervorbescheids sind.

130

Aus der von der Kommission im angefochtenen Beschluss geprüften Stichprobe der Steuervorbescheide geht jedoch hervor, dass diese Bescheide tatsächlich nach Vorschlägen der Antragsteller erteilt wurden, in Belgien Investitionen zu tätigen, dort bestimmte Tätigkeiten neu anzusiedeln oder eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Die drei in Fn. 80 des angefochtenen Beschlusses beschriebenen Beispiele, in denen die Antragsteller der fraglichen Steuervorbescheide ihre Pläne für Investitionen und Rezentralisierung von Geschäftstätigkeiten in Belgien beschrieben haben, zeigen nämlich, dass in der Praxis die Voraussetzung für den Erlass eines Steuervorbescheids, die das Vorliegen einer Situation betrifft, die noch keine steuerliche Wirkung hatte, durch Investitionen, die Zentralisierung von Geschäftstätigkeiten oder die Schaffung von Arbeitsplätzen in Belgien erfüllt wurde.

131

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall gerade die Verwaltungspraxis der belgischen Steuerbehörden, Gewinne durch Steuervorbescheide von der Steuer zu befreien, als Abweichung von der Bestimmung in Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 angesehen wurde. Mit diesen Steuervorbescheiden wurde den Begünstigten durch die Befreiung der sogenannten „Mehrgewinne“ ein Vorteil gewährt, der in der Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage bestand. Dagegen wurden die Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell nicht geändert hatten, um neue steuerliche Situationen zu schaffen, die im Hinblick auf diese Praxis systematisch in Investitionen, in der Zentralisierung von Geschäftstätigkeiten oder in der Schaffung von Arbeitsplätzen in Belgien bestanden, und daher keine Steuervorbescheide beantragt hatten, mit allen ihren steuerpflichtigen Gewinnen besteuert. Folglich hat die fragliche Regelung zu einer unterschiedlichen Behandlung von Gesellschaften geführt, die sich im Hinblick auf das Ziel des allgemeinen Körperschaftsteuersystems in Belgien in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befanden.

132

Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie im 139. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass das fragliche System selektiv ist, da es Unternehmen, die sich dafür entschieden hatten, in Belgien keine Investitionen zu tätigen, dort keine Geschäftstätigkeiten zu zentralisieren oder dort keine Arbeitsplätze zu schaffen, nicht offensteht.

iii) Zur unterschiedlichen Behandlung gegenüber Unternehmen, die einem kleinen Konzern angehören

133

Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 140. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die fragliche Regelung selektiv sei, da nur belgische Unternehmen, die einem großen oder mittelgroßen multinationalen Konzern angehörten, die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse auch tatsächlich in Anspruch nehmen könnten.

134

Im 140. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses legte die Kommission dar, dass nur Unternehmen, die einem multinationalen Konzern angehörten, der eine ausreichende Größe besitze, einen Anreiz gehabt hätten, einen Steuervorbescheid zu erhalten, da nur innerhalb großer Konzerne Gewinne aus Synergien, Skaleneffekten und anderen Vorteilen in erheblicher Höhe hätten erzielt werden können, die den Antrag auf Vorbescheid gerechtfertigt hätten. Außerdem habe das Verfahren zur Erwirkung eines Steuervorbescheids einen detaillierten Antrag erfordert, in dem die neue Situation, die eine Steuerbefreiung rechtfertige, dargelegt werde und Untersuchungen über die Mehrgewinne vorgelegt würden, was für kleine Konzerne deutlich lästiger gewesen sei als für große Unternehmen.

135

Insoweit ist unstreitig, dass innerhalb der von der Kommission geprüften Stichprobe von 22 Steuervorbescheiden nach der fraglichen Regelung, wie sie im 65. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beschrieben wurde und die in den Rn. 142 bis 144 des Rechtsmittelurteils als angemessen und repräsentativ eingestuft wurde, keiner dieser Bescheide Unternehmen betraf, die kleinen Konzernen angehörten.

136

Außerdem ist, wie im 66. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, unstreitig, dass es dem Königreich Belgien im Verwaltungsverfahren, nach einer solchen Feststellung durch die Kommission auf der Grundlage der Stichprobe von 22 Steuervorbescheiden und auf eine entsprechende Aufforderung der Kommission hin, nicht gelungen ist, seine Behauptung zu belegen, dass die Befreiung auch Unternehmen gewährt worden sei, die kleinen Konzernen angehörten.

137

Im Hinblick auf die von der Kommission betrachtete Verwaltungspraxis haben somit Unternehmen, die großen und mittleren Konzernen angehörten, die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in Anspruch genommen, unter Ausschluss von Unternehmen, die kleinen Konzernen angehörten.

138

Dieses Ergebnis kann durch das Vorbringen des Königreichs Belgien nicht in Frage gestellt werden. Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Belgien ergibt sich nämlich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand, dass nur ein Wirtschaftsteilnehmer eine staatliche Maßnahme in Anspruch genommen hat, nicht ausreicht, um den selektiven Charakter dieser Maßnahme nachzuweisen, da dies u. a. auf dem fehlenden Interesse jedes anderen Wirtschaftsteilnehmers beruhen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 91). Aus den Umständen des vorliegenden Falles ergibt sich, dass die Kommission gerade auf der Grundlage einer angemessenen und repräsentativen Stichprobe zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Steuervorbescheide gegenüber Unternehmen, die einem großen oder mittelgroßen multinationalen Konzern angehörten, systematisch erlassen wurden.

139

Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie im 140. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass das fragliche System selektiv sei, da es den Unternehmen, die einem kleinen Konzern angehörten, nicht offenstehe.

140

Selbst wenn man annähme, dass die Kommission zu Unrecht einen solchen Grund in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen, die einem kleinen Konzern angehörten, festgestellt hat, würde dies jedenfalls die Gültigkeit der beiden anderen von der Kommission angeführten und oben in den Rn. 119 bis 124 und 125 bis 132 geprüften Gründe nicht beeinträchtigen.

3) Ergebnis zur Hauptargumentation der Kommission

141

Nach alledem hat die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie am Ende ihrer Hauptargumentation zum einen feststellte, dass die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse vom allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien abweiche. Zum anderen hat die Kommission nicht zu Unrecht angenommen, dass in Anbetracht des Ziels des belgischen Körperschaftsteuersystems, das die Besteuerung der Gewinne aller in Belgien der Steuer unterliegenden Unternehmen sei, die fragliche Regelung nicht allen Unternehmen offenstehe, die sich in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden.

142

Unter diesen Umständen ist es nicht erforderlich, die Begründetheit des Vorbringens des Königreichs Belgien gegenüber der von der Kommission in Abschnitt 6.3.2.2 des angefochtenen Beschlusses entwickelten ergänzenden Argumentation zur Selektivität zu prüfen.

d)   Zum Vorliegen einer auf die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gestützten Rechtfertigung

143

Das Königreich Belgien macht im Wesentlichen geltend, das allgemeine System der Körperschaftsteuer in Belgien habe das Ziel der Besteuerung der Gewinne aller in Belgien der Steuer unterliegenden Unternehmen, mit Ausnahme der Gewinne, die nicht in seine Zuständigkeit fielen. Die Befreiung der Letzteren diene somit der Vermeidung möglicher Doppelbesteuerungen. Daher wäre das System der Befreiung von Gewinnüberschüssen, selbst wenn es selektiv wäre, durch die Natur und den allgemeinen Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt.

144

Es ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 173 bis 181 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es dem Königreich Belgien nicht gelungen sei, nachzuweisen, dass mit den in Rede stehenden Maßnahmen tatsächlich das Ziel verfolgt werde, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Da Art. 185 § 2 Buchst. b des CIR 92 eine negative Anpassung der Gewinne einer Gesellschaft vorsehe, wenn die Gewinne in die Gewinne einer anderen Gesellschaft einbezogen worden seien, könne die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Befreiung, ohne dass nachgewiesen werden müsse, dass die zu befreienden Gewinnüberschüsse in die Steuerbemessungsgrundlage einer anderen Gesellschaft einbezogen worden seien, nicht durch den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt werden. Die Kommission hat daraus geschlossen, dass die fragliche einseitige Befreiung nicht in notwendiger und angemessener Weise in Situationen der Doppelbesteuerung angewendet werde.

145

Hierzu ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, gerechtfertigt sein kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind. Daher können Steuerbefreiungen, denen ein Ziel zugrunde liegt, das dem Besteuerungssystem, in das sie sich einfügen, fremd ist, den Anforderungen von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht entgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 64, 65, 69 und 70).

146

Im vorliegenden Fall ist insbesondere oben in Rn. 115 festgestellt worden, dass die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse nicht an die Voraussetzung des Nachweises geknüpft war, dass diese Gewinne in die Gewinne eines anderen Unternehmens einbezogen worden waren. Es war auch nicht der Nachweis erforderlich, dass diese Gewinnüberschüsse tatsächlich in einem anderen Staat besteuert worden waren. Somit ist festzustellen, dass die fraglichen Maßnahmen nicht vom Vorliegen einer tatsächlichen oder möglichen Doppelbesteuerung abhingen.

147

Unter diesen Umständen kann nicht geltend gemacht werden, dass die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse, wie sie von den belgischen Steuerbehörden angewandt wurde, die tatsächliche oder mögliche Doppelbesteuerung vermeiden sollte. Folglich ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Befreiung nicht in notwendiger und angemessener Weise in Situationen der Doppelbesteuerung angewendet werde.

148

Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen des Königreichs Belgien in Frage gestellt werden, wonach die Natur und der innere Aufbau des belgischen Steuersystems es nur erlaube, die Gewinne zu besteuern, die in seine Zuständigkeit fielen. Wie nämlich oben in den Rn. 114 bis 117 festgestellt, war die Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse durch die belgischen Steuerbehörden im allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Belgien nicht vorgesehen. Folglich waren diese Gewinne nach diesem System trotz ihrer Befreiung nach der fraglichen Regelung dem Grunde nach in Belgien steuerpflichtig, und es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie nicht unter die Steuerhoheit des Königreichs Belgien fielen.

149

Nach alledem sind das Vorbringen des Königreichs Belgien, die Kommission habe das Nichtvorliegen einer auf die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gestützten Rechtfertigung fehlerhaft beurteilt, sowie das gesamte Vorbringen des Königreichs Belgien, mit dem die Feststellung der Kommission, dass die fragliche Regelung geeignet gewesen sei, den durch sie Begünstigten einen selektiven Vorteil zu verschaffen, in Frage gestellt wird, zurückzuweisen.

3.   Zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung

150

Mit dem vorliegenden Teil begehrt das Königreich Belgien die Feststellung, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass durch die fraglichen Maßnahmen eine Wettbewerbsverzerrung bestehe.

151

In den Erwägungsgründen 187 und 188 des angefochtenen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass die fragliche Regelung den begünstigten Unternehmen sowie den multinationalen Konzernen, denen diese angehören, einen selektiven Vorteil gewähre und dass dieser Vorteil zu einer Verringerung der Kosten führe, die normalerweise von den Begünstigten im Rahmen ihrer Tätigkeiten zu tragen wären. Daher war die Kommission der Ansicht, dass die fragliche Regelung eine Betriebsbeihilfe für die begünstigten Unternehmen sowie die multinationalen Konzerne, denen diese angehörten, darstelle. Die Kommission schloss daraus, dass die fragliche Regelung den Wettbewerb verfälsche oder diesen zu verfälschen drohe und den Handel innerhalb der Europäischen Union beeinträchtigen könne.

152

Insoweit ist auf die Rechtsprechung zur Voraussetzung der Wettbewerbsverzerrung hinzuweisen, wonach Beihilfen, die ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen verfälschen (Urteil vom 26. Oktober 2016, Orange/Kommission, C‑211/15 P, EU:C:2016:798, Rn. 66).

153

Aus der Rechtsprechung geht insbesondere hervor, dass jede einem auf dem Binnenmarkt tätigen Unternehmen gewährte Beihilfe Verfälschungen des Wettbewerbs hervorrufen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (vgl. Urteil vom 22. April 2016, Irland und Aughinish Alumina/Kommission, T‑50/06 RENV II und T‑69/06 RENV II, EU:T:2016:227, Rn. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung)

154

Erstens stellte im vorliegenden Fall, wie oben in den Rn. 100 und 101 festgestellt, die in den fraglichen Maßnahmen vorgesehene Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse für Unternehmen, denen Steuervorbescheide gewährt worden waren, einen Vorteil dar, der diese Unternehmen in eine günstigere wirtschaftliche Lage versetzte als die, die sie ohne einen Steuervorbescheid gehabt hätten.

155

Zweitens ist oben in Rn. 141 festgestellt worden, dass diese Maßnahmen, da sie vom Bezugssystem abwichen, einen Vorteil darstellten, der nur den durch die Steuervorbescheide Begünstigten offenstand, und daher selektiv waren.

156

Drittens ist festzustellen, dass die Gewinnüberschüsse, deren Befreiung Gegenstand der fraglichen Maßnahmen ist, aus belgischen Unternehmen stammten, die multinationalen Konzernen angehörten, die Geschäfte mit anderen in anderen Staaten ansässigen Gesellschaften des Konzerns tätigten. Daher haben die fraglichen Beihilfen im vorliegenden Fall zwangsläufig zu einer Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt geführt. Das System der Befreiung von Gewinnüberschüssen war nämlich geeignet, die Tätigkeiten dieser belgischen Unternehmen und der Unternehmen innerhalb der betreffenden Konzerne insbesondere im Hinblick auf Investitionen, den Standort der Tätigkeiten und die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie konzerninterne Transaktionsströme zu verändern. Innerhalb dieser Konzerne konnten solche Entscheidungen getroffen werden, damit das belgische Unternehmen Gewinne erzielt, die in der Folge in Belgien von der Steuer befreit wären. Eine solche Dynamik war daher geeignet, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfälschen.

157

Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie davon ausgegangen ist, dass die mit der fraglichen Regelung gewährten Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen können.

158

Folglich ist das Vorbringen des Königreichs Belgien im Rahmen des vierten Teils des dritten Klagegrundes zum Nichtvorliegen einer Wettbewerbsverzerrung im vorliegenden Fall zurückzuweisen.

4.   Ergebnis zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 107 AEUV und eines offensichtlichen Fehlers hinsichtlich der Beurteilung der fraglichen Regelung als staatliche Beihilfemaßnahme

159

Aus den oben in den Rn. 32, 81, 106, 141, 149 und 157 getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss weder einen Rechtsfehler noch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie zu dem Ergebnis kam, dass die fragliche Regelung aus staatlichen Mitteln finanziert worden sei, dass das Bezugssystem das allgemeinrechtliche System zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen sei und dass es nicht die von den belgischen Steuerbehörden angewandte Steuerbefreiung für Gewinnüberschüsse umfasse, dass die fragliche Regelung ihren Begünstigten einen selektiven Vorteil gewähre, der nicht durch die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gerechtfertigt sei, und dass diese Regelung eine Wettbewerbsverzerrung geschaffen habe.

160

Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 107 AEUV und eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, da die Kommission angenommen habe, dass das System der Gewinnüberschüsse eine staatliche Beihilfemaßnahme darstelle, zurückzuweisen.

B. Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission bei der Bestimmung der Empfänger der angeblichen Beihilfen

161

Das Königreich Belgien macht geltend, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, als sie sowohl die belgischen Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten hätten, als auch die multinationalen Konzerne, denen sie angehörten, als Begünstigte der angeblichen Beihilferegelung identifiziert habe.

162

Nach Ansicht der Kommission ist der Klagegrund des Königreichs Belgien zurückzuweisen.

163

Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 183. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die belgischen Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten hätten, der es ihnen gestatte, den Gewinn, der als Überschuss angesehen werde, abzuziehen, um ihren steuerpflichtigen Gewinn zu ermitteln, die Begünstigten der fraglichen staatlichen Beihilfen seien.

164

Außerdem wies die Kommission im 184. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass zur Anwendung der Regelungen für staatliche Beihilfen verschiedene Rechtseinheiten als eine wirtschaftliche Einheit angesehen werden könnten, die als Begünstigte der Beihilfe betrachtet werden könnten. Sie war daher der Ansicht, dass im vorliegenden Fall belgische Unternehmen, von denen die fragliche Regelung in Anspruch genommen werde, als Hauptunternehmen zugunsten anderer Unternehmen innerhalb des Konzerns, den sie oft kontrollierten, tätig gewesen seien. Die belgischen Unternehmen würden ihrerseits von dem Unternehmen kontrolliert, das den gesamten Konzern lenke. Folglich könne der multinationale Konzern als Ganzes als Begünstigter der Beihilfemaßnahme angesehen werden.

165

Außerdem stellte die Kommission im 185. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass es der Konzern als Ganzes sei, unabhängig davon, ob er in verschiedenen Rechtseinheiten organisiert sei, der die Zentralisierung gewisser Tätigkeiten oder die Vornahme der erforderlichen Investitionen in Belgien beschlossen habe, um die Steuervorbescheide in Anspruch zu nehmen.

166

So hat sie im 186. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses daraus den Schluss gezogen, dass, neben den belgischen Unternehmen, die in den Genuss der fraglichen Regelung gekommen seien, die multinationalen Konzerne, denen diese Unternehmen angehörten, als Begünstigte der Beihilferegelung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen seien.

167

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in einer Entscheidung über eine Beihilferegelung keine Analyse der im Einzelfall aufgrund einer solchen Regelung gewährten Beihilfe durchzuführen braucht. Erst im Stadium der Rückforderung der Beihilfen ist es erforderlich, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2002, Italien/Kommission, C‑310/99, EU:C:2002:143, Rn. 89 und 91, vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 63, und vom 13. Juni 2019, Copebi, C‑505/18, EU:C:2019:500, Rn. 28 bis 33).

168

Außerdem verfügt die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung über ein weites Ermessen, wenn sie im Rahmen der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu bestimmen hat, ob verschiedene Rechtseinheiten für die Zwecke der Anwendung dieser Vorschriften eine wirtschaftliche Einheit bilden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 63, und vom 25. Juni 1998, British Airways u. a./Kommission, T‑371/94 und T‑394/94, EU:T:1998:140, Rn. 314).

169

So ist entschieden worden, dass die Kommission bei der Beurteilung der Begünstigten einer staatlichen Beihilfe und der Folgen, die aus einem Beschluss, mit dem die Rückforderung dieser Beihilfe angeordnet wird, zu ziehen sind, davon ausgehen durfte, dass zwischen mehreren verschiedenen Rechtseinheiten eine wirtschaftliche Einheit besteht, insbesondere wenn diese durch ein Kontrollverhältnis verbunden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, EU:C:1984:345, Rn. 11, und vom 16. Dezember 2010, AceaElectrabel Produzione/Kommission, C‑480/09 P, EU:C:2010:787, Rn. 64).

170

In den Erwägungsgründen 184 bis 186 des angefochtenen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass im Rahmen der fraglichen Regelung Kontrollverhältnisse zwischen dem belgischen Unternehmen und den anderen Unternehmen des Konzerns, dem sie angehörten, bestanden hätten. So habe zum einen das belgische Unternehmen zentrale Funktionen für andere Unternehmen der Gruppe ausgeübt, die oft von diesem Unternehmen kontrolliert worden seien. Zum anderen seien die Entscheidungen innerhalb multinationaler Konzerne über die Strukturen, die zu den fraglichen Befreiungen geführt hätten, nämlich die Zentralisierung von Geschäftstätigkeiten in Belgien oder die in Belgien getätigten Investitionen, von Unternehmen innerhalb des Konzerns getroffen worden, zwangsläufig von Unternehmen, die dessen Kontrolle ausübten. Im Übrigen geht aus der Beschreibung der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse durch das Königreich Belgien, wie sie u. a. im 14. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben ist, hervor, dass die befreiten Gewinnüberschüsse durch Synergien und Skaleneffekte erzielt worden sein sollen, die sich aus der Zugehörigkeit der fraglichen belgischen Unternehmen zu einem multinationalen Konzern ergäben.

171

Daraus folgt, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss Gesichtspunkte hervorgehoben hat, die es ihr erlaubten, grundsätzlich auf das Bestehen von Kontrollverhältnissen innerhalb der multinationalen Konzerne zu schließen, denen die belgischen Unternehmen, die Steuervorbescheide erhalten haben, angehörten. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte der fraglichen Regelung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Kommission ihr Ermessen überschritten hat, als sie feststellte, dass diese Konzerne eine wirtschaftliche Einheit mit diesen Unternehmen bildeten, die staatliche Beihilfen nach dieser Regelung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten haben.

172

Nach alledem ist der Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission bei der Bestimmung der Empfänger der Beihilfen zurückzuweisen.

C. Zum hilfsweise geltend gemachten Klagegrund betreffend einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, da die Kommission die Rückforderung der angeblichen Beihilfen angeordnet habe

173

Das Königreich Belgien weist darauf hin, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit verlange, dass seine Anwendung mit der Anwendung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit verbunden werde. Die mit dem angefochtenen Beschluss angeordnete Rückforderung beruhe auf keiner Rechtsgrundlage und verstoße daher gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589.

174

Das Königreich Belgien macht im Wesentlichen zum einen einen Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Ermittlung der multinationalen Konzerne, denen die belgischen Unternehmen als Begünstigte angehörten, sowie die Bestimmung der zurückzufordernden Beträge geltend und zum anderen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit durch die angeordnete Rückforderung von diesen Konzernen.

175

Zu den Rügen eines Begründungsmangels ist auf die oben in Rn. 167 angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die Kommission im Rahmen von Entscheidungen über Beihilferegelungen keine Analyse der im Einzelfall aufgrund einer solchen Regelung gewährten Beihilfe durchzuführen braucht. Erst im Stadium der Rückforderung der Beihilfen ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens untersuchen. Die Entscheidung der Kommission muss jedoch hinreichend begründet sein, um von den nationalen Behörden durchgeführt werden zu können.

176

Im vorliegenden Fall ist, wie oben in Rn. 163 dargelegt, festzustellen, dass die Kommission im 183. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Begünstigten der fraglichen Beihilfen als die belgischen Unternehmen bestimmt hat, die gemäß einem Steuervorbescheid Gewinnüberschüsse von ihren steuerpflichtigen Gewinnen abgezogen hatten. Außerdem hat die Kommission, wie oben in den Rn. 164 bis 166 ausgeführt, in den Erwägungsgründen 184 bis 186 des angefochtenen Beschlusses die Gründe angegeben, aus denen sie der Ansicht war, dass im Licht der Rechtsprechung eine wirtschaftliche Einheit bestehe, die aus diesen belgischen Unternehmen und den mit ihnen verbundenen Unternehmen innerhalb der Konzerne, denen sie angehörten, gebildet werde.

177

Im Übrigen ist zu den zurückzufordernden Beträgen festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 207 bis 211 des angefochtenen Beschlusses die Methode zur Berechnung der zurückzufordernden Beihilfen erläutert hat. So wies die Kommission darauf hin, dass der Betrag der Steuer zu berechnen sei, die zu entrichten gewesen wäre, wenn die Steuerregelung für Gewinnüberschüsse nicht bewilligt worden wäre, unter Berücksichtigung des Steuerbetrags, der durch die gesamten Steuervorbescheide, die zugunsten des Empfängers erlassen worden seien, gespart worden sei, und aufgelaufener Zinsen aus diesem Betrag, berechnet ab dem Datum der Gewährung der Beihilfe, d. h. dem Datum, an dem der gesparte Betrag, wenn kein Steuervorbescheid vorgelegen hätte, für jedes Steuerjahr zu entrichten gewesen wäre. Darüber hinaus waren nähere Angaben für die Vornahme der Anpassungen enthalten, die den verschiedenen anwendbaren Abzügen entsprachen. Schließlich wurde darin darauf hingewiesen, dass der zurückzufordernde Betrag in der Folge noch während des Austauschs zwischen dem Königreich Belgien und der Kommission präzisiert werden könne.

178

Daraus folgt, dass die Kommission Erläuterungen gegeben hat, die es dem Königreich Belgien gestatten, die konkrete Situation jedes einzelnen betroffenen Unternehmens zu untersuchen, zum einen hinsichtlich der Begünstigten, von denen die Beihilfen zurückzufordern waren, und zum anderen hinsichtlich des zurückzufordernden Betrags. Außerdem ist in Anbetracht der im Rahmen der vorliegenden Klage erhobenen Rügen und der vorstehenden Erwägungen festzustellen, dass die Kommission ausreichende Erläuterungen gegeben hat, um es dem Königreich Belgien zu ermöglichen, die Gründe für die Entscheidung der Kommission zu erfahren, und dem Gericht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen.

179

Was den angeblichen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Gesetzmäßigkeit betrifft, stützt sich das Königreich Belgien auf den Umstand, dass die Rückforderung bei multinationalen Konzernen angeordnet worden sei, denen die belgischen Unternehmen, die einen Steuervorbescheid erhalten hätten, angehört hätten, obwohl nur diese belgischen Unternehmen in den Genuss der fraglichen Befreiungen hätten kommen können.

180

Insoweit genügt der Hinweis auf die oben in den Rn. 163 bis 170 dargelegten Erwägungen und die oben in Rn. 171 gezogene Schlussfolgerung, wonach die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass die multinationalen Konzerne, denen die belgischen Unternehmen angehörten, eine wirtschaftliche Einheit mit diesen Unternehmen bildeten, die staatliche Beihilfen nach dieser Regelung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten haben.

181

Nach alledem ist der fünfte Klagegrund des Königreichs Belgien betreffend einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, da die Kommission die Rückforderung der mit der fraglichen Regelung gewährten Beihilfen angeordnet habe, zurückzuweisen.

182

Da keiner der vom Königreich Belgien geltend gemachten Klagegründe durchgreift, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

IV. Kosten

183

Gemäß Art. 219 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht in seinen Entscheidungen nach Aufhebung und Zurückverweisung über die Kosten des Rechtsstreits vor dem Gericht und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Gerichtshof. Da der Gerichtshof im Rechtsmittelurteil die Kostenentscheidung vorbehalten hat, hat das Gericht auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden.

184

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die der Kommission im ursprünglichen Verfahren vor dem Gericht in der Rechtssache T‑131/16 und im vorliegenden Verfahren nach Zurückverweisung in der Rechtssache T‑131/16 RENV entstandenen Kosten aufzuerlegen.

185

Was die Kosten des Rechtsmittelverfahrens betrifft, sind dem Königreich Belgien angesichts dessen, dass dieses sich auf das ursprüngliche Urteil in den verbundenen Rechtssachen T‑131/16 und T‑263/16 bezog, die Hälfte der Kosten aufzuerlegen, die der Kommission im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens in der Rechtssache C‑337/19 P entstanden sind.

186

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Irland trägt daher seine eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Das Königreich Belgien trägt seine eigenen Kosten und die der Europäischen Kommission, einschließlich der Kosten, die im ursprünglichen Verfahren vor dem Gericht in der Rechtssache T‑131/16 entstanden sind, der Kosten, die im vorliegenden Verfahren nach Zurückverweisung in der Rechtssache T‑131/16 RENV entstanden sind, und der Hälfte der Kosten, die im Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache C‑337/19 P entstanden sind.

 

3.

Irland trägt seine eigenen Kosten.

 

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Tomljenović

Norkus

Valasidis

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. September 2023.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

A. Zum ursprünglichen Urteil

 

B. Zum Rechtsmittelurteil

 

II. Verfahren und Anträge der Parteien

 

III. Rechtliche Würdigung

 

A. Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 107 AEUV und eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, da die Kommission angenommen habe, dass das System der Gewinnüberschüsse eine staatliche Beihilfemaßnahme darstelle

 

1. Zur Finanzierung der fraglichen Regelung aus staatlichen Mitteln

 

2. Zum Vorliegen eines durch die fragliche Regelung gewährten selektiven Vorteils

 

a) Zur Bestimmung des Bezugssystems

 

1) Zur Berücksichtigung des nationalen Rechts

 

2) Zur Bestimmung der steuerpflichtigen Gewinne von Gesellschaften und zur Relevanz von Art. 24 des CIR 92

 

3) Zur Möglichkeit, Anpassungen der von den steuerpflichtigen Unternehmen erzielten Gewinne vorzunehmen

 

4) Zur Nichtaufnahme der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in das Bezugssystem

 

i) Zur Tragweite von Art. 185 § 2 des CIR 92

 

ii) Zur Steuerregelung für Gewinnüberschüsse

 

iii) Schlussfolgerung zur Nichtaufnahme der Steuerregelung für Gewinnüberschüsse in das Bezugssystem

 

b) Zum Vorliegen eines Vorteils aufgrund der fraglichen Regelung

 

1) Zur Feststellung des durch die fragliche Regelung gewährten Vorteils

 

2) Zur gemeinsamen Prüfung des Kriteriums des Vorteils und des Kriteriums der Selektivität durch die Kommission

 

3) Zum Vorliegen eines Vorteils, der die Begünstigten der fraglichen Regelung bevorzugt

 

c) Zur Selektivität des Vorteils aufgrund des Vorliegens einer Abweichung vom Bezugssystem, mit der Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern eingeführt werden, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden

 

1) Zum Vorliegen einer Abweichung vom Bezugssystem

 

2) Zum Vorliegen einer Unterscheidung zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, durch die Abweichung vom Bezugssystem

 

i) Zur unterschiedlichen Behandlung der Begünstigten, die zu einem multinationalen Konzern gehören

 

ii) Zur unterschiedlichen Behandlung gegenüber Unternehmen, die in Belgien keine Investitionen getätigt, Arbeitsplätze geschaffen oder Geschäftstätigkeiten zentralisiert haben

 

iii) Zur unterschiedlichen Behandlung gegenüber Unternehmen, die einem kleinen Konzern angehören

 

3) Ergebnis zur Hauptargumentation der Kommission

 

d) Zum Vorliegen einer auf die Natur und den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gestützten Rechtfertigung

 

3. Zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung

 

4. Ergebnis zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 107 AEUV und eines offensichtlichen Fehlers hinsichtlich der Beurteilung der fraglichen Regelung als staatliche Beihilfemaßnahme

 

B. Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission bei der Bestimmung der Empfänger der angeblichen Beihilfen

 

C. Zum hilfsweise geltend gemachten Klagegrund betreffend einen Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, da die Kommission die Rückforderung der angeblichen Beihilfen angeordnet habe

 

IV. Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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