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Document 62016CJ0195

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 26. Oktober 2017.
Strafverfahren gegen I.
Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Kehl.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Beförderung – Führerschein – Richtlinie 2006/126/EG – Art. 2 Abs. 1 – Gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen – Begriff ‚Führerschein‘ – Zertifikat über die Führerscheinprüfung (Certificat d’examen du permis de conduire [CEPC]), das seinen Inhaber berechtigt, vor der Aushändigung des endgültigen Führerscheins im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der das Zertifikat ausgestellt hat, ein Fahrzeug zu führen – Führen eines Fahrzeugs durch den Inhaber eines CEPC in einem anderen Mitgliedstaat – Verpflichtung zur Anerkennung des CEPC – Dem Inhaber des CEPC auferlegte Sanktionen wegen des Führens eines Fahrzeugs außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats, der das CEPC ausgestellt hat – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-195/16.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:815

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

26. Oktober 2017 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Beförderung – Führerschein – Richtlinie 2006/126/EG – Art. 2 Abs. 1 – Gegenseitige Anerkennung von Führerscheinen – Begriff ‚Führerschein‘ – Zertifikat über die Führerscheinprüfung (Certificat d’examen du permis de conduire [CEPC]), das seinen Inhaber berechtigt, vor der Aushändigung des endgültigen Führerscheins im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der das Zertifikat ausgestellt hat, ein Fahrzeug zu führen – Führen eines Fahrzeugs durch den Inhaber eines CEPC in einem anderen Mitgliedstaat – Verpflichtung zur Anerkennung des CEPC – Dem Inhaber des CEPC auferlegte Sanktionen wegen des Führens eines Fahrzeugs außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats, der das CEPC ausgestellt hat – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑195/16

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Kehl (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2016, in dem Strafverfahren gegen

I,

Beteiligte:

Staatsanwaltschaft Offenburg,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas (Berichterstatter), der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman und K. Bulterman als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2017

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV sowie des Art. 2 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. 2006, L 403, S. 18).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen I, der in Frankreich wohnhaft ist, wegen des Führens eines Kraftfahrzeugs im deutschen Hoheitsgebiet ohne Fahrerlaubnis.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 2 bis 4, 6 und 8 der Richtlinie 2006/126 lauten:

„(2)

Die Regelungen zum Führerschein sind wesentliche Bestandteile der gemeinsamen Verkehrspolitik, tragen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bei und erleichtern die Freizügigkeit der Personen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. Angesichts der Bedeutung der individuellen Verkehrsmittel fördert der Besitz eines vom Aufnahmemitgliedstaat anerkannten Führerscheins die Freizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit der Personen. …

(3)

Die in der Richtlinie 91/439/EWG [des Rates vom 29. Juli 1992 über den Führerschein (ABl. 1991, L 237, S. 1)] vorgesehene Möglichkeit, nationale Bestimmungen über die Gültigkeitsdauer zu erlassen, führt dazu, dass unterschiedliche Regelungen der einzelnen Mitgliedstaaten nebeneinander bestehen und in den Mitgliedstaaten mehr als 110 verschiedene Führerscheinmuster gültig sind. Dies führt zu Transparenzproblemen für Bürger, Ordnungskräfte und Führerscheinbehörden und zur Fälschung von Dokumenten, die zuweilen Jahrzehnte alt sind.

(4)

Um zu vermeiden, dass das einheitliche europäische Führerscheinmuster noch zu den bereits in Umlauf befindlichen 110 Mustern hinzukommt, sollten die Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit alle Führerscheininhaber dieses einheitliche Muster erhalten.

(6)

Führerscheine werden gegenseitig anerkannt. …

(8)

Aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit sollten die Mindestvoraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgelegt werden. …“

4

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten führen einen nationalen Führerschein gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem in Anhang I wiedergegebenen EG-Muster ein. Das Emblem auf Seite 1 des EG-Muster-Führerscheins enthält das Unterscheidungszeichen des ausstellenden Mitgliedstaats.“

5

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie lautet: „Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.“

6

Art. 3 der Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Vorkehrungen, um der Fälschung von Führerscheinen, einschließlich der vor Inkrafttreten dieser Richtlinie ausgestellten Führerscheinmuster, vorzubeugen. Sie unterrichten die Kommission hiervon.

(2)   Das für den Führerschein nach Anhang I benutzte Material ist mittels Spezifikationen zur Änderung von nicht wesentlichen Bestimmungen dieser Richtlinie durch Hinzufügung, die von der Kommission nach dem in Artikel 9 Absatz 2 genannten Verfahren festzulegen sind, gegen Fälschung zu sichern. Die Mitgliedstaaten können zusätzliche Sicherheitsmerkmale einführen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bis zum 19. Januar 2033 alle ausgestellten oder in Umlauf befindlichen Führerscheine alle Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.“

7

In Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:

„Der Führerschein nach Artikel 1 berechtigt zum Führen von Kraftfahrzeugen der nachstehend definierten Klassen. Er kann ab dem für die einzelnen Klassen angegebenen Mindestalter ausgestellt werden. …“

8

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sieht vor:

„Im Führerschein ist zu vermerken, unter welchen Bedingungen der Fahrer berechtigt ist, das Fahrzeug zu führen.“

9

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Ein Führerschein darf nur an Bewerber ausgestellt werden, die

a)

eine Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie eine theoretische Prüfung bestanden haben und die gesundheitlichen Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III erfüllen;

e)

im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben.“

10

Art. 13 der Richtlinie lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten legen nach Zustimmung der Kommission die Äquivalenzen zwischen den vor dem Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie erworbenen Führerscheinen und den Klassen im Sinne des Artikels 4 fest.

Die Mitgliedstaaten können nach Konsultation der Kommission die für die Anwendung von Artikel 11 Absätze 4, 5 und 6 erforderlichen Anpassungen ihrer innerstaatlichen Vorschriften vornehmen.

(2)   Eine vor dem 19. Januar 2013 erteilte Fahrerlaubnis darf aufgrund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden.“

11

Art. 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/126 bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 19. Januar 2011 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um Artikel 1 Absatz 1, Artikel 3, Artikel 4 Absätze 1, 2 und 3 sowie Absatz 4 Buchstaben b bis k, Artikel 6 Absatz 1 sowie Absatz 2 Buchstaben a, c, d und e, Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b, c und d sowie Absätze 2, 3 und 5, [den] Artikel[n] 8, 10, 13, 14 und 15 sowie Anhang I Nummer 2, Anhang II Nummer 5.2 in Bezug auf die Klassen A1, A2 und A und den Anhängen IV, V und VI nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Vorschriften mit.

(2)   Sie wenden diese Vorschriften ab 19. Januar 2013 an.“

Deutsches Recht

12

Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung begeht, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat, das Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes [StVG]), was mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Neben diesen Strafen kann ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten (§ 44 des Strafgesetzbuchs [StGB]), die Einziehung des benutzten Kraftfahrzeugs (§ 21 Abs. 3 StVG) sowie die Verhängung einer Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 1 Satz 3 StGB) angeordnet werden.

13

Führt der Fahrzeugführer seinen Führerschein nicht zum Nachweis seiner Fahrberechtigung mit sich, begeht er eine Ordnungswidrigkeit (§ 75 Nr. 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung [FeV]). Sie ist mit einer Geldbuße bedroht (§ 24 Abs. 2 StVG), die bis zu 2000 Euro betragen kann, sich im Regelfall jedoch nach Nr. 168 der Anlage zu § 1 Abs. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung auf 10 Euro beläuft.

14

Gemäß § 22 Abs. 4 FeV händigt der Prüfer dem Bewerber grundsätzlich unmittelbar nach dem Bestehen der praktischen Fahrprüfung den endgültigen Führerschein aus. Nach § 22 Abs. 4 Satz 7 FeV erhält der Bewerber ausnahmsweise, wenn der Führerschein noch nicht vorliegt, eine nur in Deutschland als Nachweis der Fahrerlaubnis geltende befristete Prüfungsbescheinigung.

15

Unter bestimmten Bedingungen kann nach den §§ 28 ff. FeV eine von einer ausländischen Behörde erteilte Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigen.

16

Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen im Ausland ansässige Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis grundsätzlich im Umfang ihrer Berechtigung in Deutschland Kraftfahrzeuge führen. Diese Fahrerlaubnis ist gemäß § 29 Abs. 2 FeV durch einen entsprechenden Führerschein nachzuweisen.

17

Gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 FeV wird die in § 29 Abs. 1 FeV vorgesehene Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis u. a. dann versagt, wenn ihr Inhaber lediglich im Besitz eines Lernführerscheins oder eines anderen vorläufig ausgestellten Führerscheins ist.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18

I wurde am 15. Mai 2015 in der Gemeinde Kehl (Deutschland) beim Führen eines Kraftfahrzeugs der Klasse B auf öffentlichen Straßen angehalten. Er war im Besitz eines gültigen Personalausweises und eines Certificat d’examen de conduire (CEPC) (Zertifikat über die Führerscheinprüfung), eines vorläufigen Dokuments, das grundsätzlich jeder Bewerber erhält, der in Frankreich die theoretische und praktische Führerscheinprüfung für die Klasse B bestanden hat, und das nach den französischen Vorschriften im Inland gegenüber den Ordnungskräften für einen Zeitraum von vier Monaten ab dem Tag des Bestehens der praktischen Prüfung als Führerschein gilt. Es steht fest, dass die französischen Behörden I, als er angehalten wurde, noch keinen endgültigen Führerschein ausgestellt hatten.

19

Die Staatsanwaltschaft Offenburg (Deutschland) war der Auffassung, I habe, da die Gültigkeit eines CEPC auf das französische Hoheitsgebiet beschränkt sei, zum fraglichen Zeitpunkt keine ausländische Fahrerlaubnis gehabt, die ihn nach den §§ 28 ff. FeV zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigt hätte. Sie erhob daher beim Amtsgericht Kehl (Deutschland) Anklage mit dem Antrag, gegen I im Wege eines Strafbefehls eine Geldstrafe wegen des Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) zu verhängen.

20

Das vorlegende Gericht führt aus, es habe im Rahmen des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis erfüllt seien oder ob I eine ihn zum Führen eines Kraftfahrzeugs in Deutschland berechtigende Fahrerlaubnis gehabt habe oder andere Gründe einer Strafbarkeit entgegenstünden. Falls die Strafbarkeit verneint werde, habe es darüber hinaus zu prüfen, ob die Tat als Ordnungswidrigkeit zu ahnden sei.

21

Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht aus, dass I nach französischem Recht seit der Ausstellung des CEPC berechtigt gewesen sei, Kraftfahrzeuge der Klasse B im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

22

Bis zur Ausstellung seines endgültigen Führerscheins, die am 9. Juli 2015 erfolgt sei, habe er diese Fahrerlaubnis im französischen Hoheitsgebiet durch Vorlage des CEPC und eines Identitätspapiers nachweisen können.

23

Mit der Ausstellung des CEPC entstehe das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeugs der entsprechenden Klasse, ohne dass dieses Recht auf das französische Hoheitsgebiet beschränkt sei. Denn das französische Recht unterscheide in gleicher Weise wie das deutsche Recht zwischen dem Recht zum Fahren (der Fahrerlaubnis) und dem Legitimationspapier (dem Führerschein), auch wenn im Französischen für beide derselbe Begriff („permis de conduire“) benutzt werde. So werde das Fahren ohne Fahrerlaubnis als Vergehen mit einer Kriminalstrafe und das Fahren ohne Mitführung des Führerscheins als Ordnungswidrigkeit mit einer Polizeistrafe geahndet.

24

Die Gültigkeit des CEPC als Legitimationspapier sei nach den französischen Rechtsvorschriften auf vier Monate beschränkt. In der Regel werde dem Führerscheinbewerber in diesem Zeitraum der endgültige Führerschein ausgestellt. Erhalte der Führerscheinbewerber den endgültigen Führerschein hingegen nicht in diesem Zeitraum, verliere das CEPC seine Funktion als Legitimationspapier, aber die Fahrberechtigung erlösche nicht. Eine Person, die nicht rechtzeitig einen ordnungsgemäßen Antrag auf Ausstellung eines Führerscheins gestellt habe und deren CEPC nach vier Monaten die Gültigkeit als Legitimationspapier verliere, fahre nach französischem Recht somit nicht ohne Fahrerlaubnis, sondern ohne Führerschein. Sie könne wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt, aber nicht wegen einer Straftat verfolgt werden.

25

Nach der Ausstellung eines CEPC hänge die Ausstellung eines Führerscheins der Klasse B nur noch davon ab, dass der Bewerber einen ordnungsgemäßen Antrag stelle. Der Führerschein werde dann quasi automatisch erteilt. Der Bewerber habe keinen Einfluss darauf, wie lange die Ausstellung des Führerscheins dauere.

26

Es stelle sich die Frage, ob Art. 2 der Richtlinie 2006/126 dahin auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten nur dann verpflichtet seien, die Fahrberechtigung anzuerkennen, wenn ein endgültiger Führerschein als Legitimationspapier ausgestellt worden sei, oder ob die Anerkennungspflicht das Recht zum Fahren als solches, unabhängig von der Ausstellung eines endgültigen Führerscheins durch die zuständige Behörde, erfasse.

27

Diese Unklarheit sei auch das Ergebnis der in der deutschen und der französischen Sprachfassung der Richtlinie 2006/126 verwendeten Terminologie.

28

Im Übrigen könnten die Versagung der Anerkennung der Fahrerlaubnis von I oder die Weigerung, das CEPC als Legitimationspapier anzuerkennen, und die daraus resultierende Ahndung des Verstoßes mit einer Kriminal- oder mit einer Polizeistrafe das allgemeine Diskriminierungsverbot im Sinne von Art. 18 AEUV sowie die in den Art. 21, 45, 49 und 56 AEUV verankerten Grundfreiheiten verletzen.

29

Für einen in Frankreich ansässigen Führerscheinbewerber wäre es nämlich unmöglich, unmittelbar nach Bestehen der praktischen Fahrprüfung eine Arbeitsstelle in Deutschland anzutreten, die er nur unter Nutzung seines eigenen Fahrzeugs erreichen könne. Ein in Deutschland ansässiger Führerscheinbewerber unterliege dieser Einschränkung dagegen nicht. Obwohl beide Führerscheinbewerber die Erfüllung der durch die Richtlinie 2006/126 harmonisierten Voraussetzungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis nachgewiesen hätten, hätten sie somit nicht die gleichen Rechte. Daher scheine eine Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat vorzuliegen.

30

Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Kehl beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist das Recht der Europäischen Union, insbesondere Art. 2 der Richtlinie 2006/126 oder die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis verweigert, insbesondere wenn diese Fahrerlaubnis nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126 erworben wurde?

2.

Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 2 der Richtlinie 2006/126 oder die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Anerkennung eines Legitimationspapiers, welches einem Inhaber einer in einem anderen Mitgliedstaat nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126 erworbenen Fahrerlaubnis von diesem Mitgliedstaat ausgestellt wurde, verweigert, auch wenn dieser Mitgliedstaat die Geltung dieses Legitimationspapiers zeitlich und auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt hat und dieses Legitimationspapier darüber hinaus nicht die Vorgaben des Führerscheinmusters der Richtlinie 2006/126 erfüllt?

3.

Für den Fall der Verneinung der Frage 1: Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 2 der Richtlinie 2006/126 oder die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die das Führen eines Kraftfahrzeugs wegen eines Vergehens mit einer Kriminalstrafe bedroht, weil der Fahrzeugführer nicht über das Recht zum Fahren verfüge, obwohl dieser Fahrzeugführer in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis nach den Vorgaben der Richtlinie 2006/126 erworben hat, ohne darüber jedoch durch ein Legitimationspapier, welches dem Führerscheinmuster der Richtlinie 2006/126 entspricht, Nachweis führen zu können?

4.

Für den Fall der Verneinung der Frage 2: Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 2 der Richtlinie 2006/126 oder die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV, dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats, in dem einem Führerscheinbewerber regelmäßig unmittelbar nach Bestehen der praktischen Fahrprüfung der endgültige Führerschein ausgehändigt wird, entgegensteht, die das Führen eines Kraftfahrzeugs wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Polizeistrafe bedroht, weil der Fahrzeugführer, der in einem anderen Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis entsprechend der Vorgaben der Richtlinie 2006/126 erworben hat, bei der Fahrt keinen endgültigen Führerschein zum Nachweis seiner Fahrberechtigung mit sich führt, weil ihm ein solcher Führerschein wegen der Besonderheiten des Verfahrens über die Ausstellung des endgültigen Führerscheins in diesem Mitgliedstaat, auf die der Fahrzeugführer keinen Einfluss hat, noch nicht ausgestellt wurde, er stattdessen aber eine amtliche Bescheinigung über das Vorliegen der für den Erwerb der Fahrerlaubnis notwendigen Voraussetzungen bei der Fahrt mit sich führt?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

31

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sowie die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, aufgrund deren dieser Mitgliedstaat die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Legitimationspapiers, mit dem das Bestehen einer Fahrerlaubnis seines Inhabers bescheinigt wird, das aber nicht den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Führerscheinmusters entspricht, auch dann verweigern kann, wenn der Inhaber des Legitimationspapiers die in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt.

32

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33

Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 werden „[d]ie von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine … gegenseitig anerkannt“.

34

Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs sieht diese Bestimmung die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. März 2012, Akyüz, C‑467/10, EU:C:2012:112, Rn. 40, vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 43 und 44, sowie vom 23. April 2015, Aykul, C‑260/13, EU:C:2015:257, Rn. 45).

35

Zur Beantwortung der ersten und der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts ist jedoch zu klären, ob diese den Mitgliedstaaten auferlegte Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung nur die Führerscheine als Dokumente, mit denen das Vorliegen einer Fahrerlaubnis nachgewiesen wird, betrifft oder ob sie sich auch auf die Fahrerlaubnis selbst bezieht, unabhängig davon, ob ein Führerschein vorhanden ist.

36

Was zunächst die Auslegung des Wortlauts der fraglichen Bestimmung angeht, hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung des Begriffs „Führerschein“ in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126. Allgemeiner führt es die sprachlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl der in dieser Richtlinie verwendeten Begriffe an und weist insbesondere darauf hin, dass nicht sicher sei, dass die Begriffe „Führerschein“ und „permis de conduire“ in der deutschen und der französischen Sprachfassung der Richtlinie lediglich das Dokument zum Nachweis des Vorliegens einer Fahrerlaubnis und die Begriffe „Fahrerlaubnis“ und „droit de conduire“ lediglich die Fahrberechtigung selbst bezeichneten.

37

Wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bezieht sich angesichts der Begriffe, die in mehreren Sprachfassungen von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 wie der französischen („permis de conduire“), der englischen („driving licences“), der tschechischen („ridičské průkazy“), der spanischen („permisos de conducción“), der italienischen („patenti di guida“), der niederländischen („rijbewijzen“), der finnischen („ajokortit“), der rumänischen („permisele de conducere“) und der schwedischen Fassung („Körkort“) verwendet werden, der Begriff „Führerschein“ in dieser Bestimmung offenbar auf das Dokument, mit dem das Vorliegen einer Fahrberechtigung nachgewiesen wird.

38

Auch die Prüfung der Systematik, in die sich Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 einfügt, führt zum selben Ergebnis.

39

Mit dieser Richtlinie wird nämlich ein einheitlicher EG-Muster-Führerschein geschaffen, der die in den Mitgliedstaaten existierenden unterschiedlichen Führerscheine ersetzen soll (Urteile vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 40, und vom 26. April 2017, Popescu, C‑632/15, EU:C:2017:303, Rn. 36).

40

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie, wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, insbesondere Anforderungen an die Gestaltung, den Inhalt, die äußeren Merkmale und die Sicherheitsmerkmale eines Dokuments enthalten, das in standardisierter und einheitlicher Weise das Bestehen der Fahrerlaubnis nachweisen soll.

41

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sieht nämlich vor, dass die Mitgliedstaaten einen nationalen Führerschein gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem in ihrem Anhang I wiedergegebenen Muster der Union einführen. Dieses Muster sieht vor, wie der Führerschein aussehen und welche Angaben er enthalten muss. Was den Inhalt des Führerscheins angeht, ist darin nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 zu vermerken, unter welchen Bedingungen der Fahrer berechtigt ist, das Fahrzeug zu führen. Zu den Sicherheitsmerkmalen zum Schutz gegen Fälschungen sieht Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang I ausdrücklich vor, dass das für den Führerschein benutzte Material gegen Fälschungen zu sichern ist.

42

Wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht insbesondere aus Anhang I der Richtlinie 91/439, der Vorläuferin der Richtlinie 2006/126, hervor, dass auch die Bestimmungen der erstgenannten Richtlinie auf eine Harmonisierung des Dokuments selbst abzielten.

43

Zum anderen nimmt die Richtlinie 2006/126, wie sich aus ihrem achten Erwägungsgrund ergibt, eine Harmonisierung der Mindestanforderungen an die Ausstellung des in ihrem Art. 1 vorgesehenen Führerscheins vor. Diese Voraussetzungen sind insbesondere in den Art. 4 und 7 der Richtlinie enthalten und betreffen u. a. das erforderliche Mindestalter, die Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs, die Prüfungen, die der Bewerber bestanden haben muss, und seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats.

44

Diese Harmonisierung der Voraussetzungen für den Erwerb des Führerscheins soll, wie der Generalanwalt in den Nrn. 58 und 59 seiner Schlussanträge dargelegt hat, u. a. die Vorbedingungen schaffen, die für eine gegenseitige Anerkennung des Führerscheins erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. November 1978, Choquet, 16/78, EU:C:1978:210, Rn. 7).

45

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine ohne jede Formalität auferlegt, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um ihr nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. März 2012, Akyüz, C‑467/10, EU:C:2012:112, Rn. 40, vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 43 und 44, sowie vom 23. April 2015, Aykul, C‑260/13, EU:C:2015:257, Rn. 45).

46

Er hat wiederholt entschieden, dass es Aufgabe des ausstellenden Mitgliedstaats ist, zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 vorgesehenen und nunmehr in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 übernommenen Voraussetzungen hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs, erfüllt sind und ob somit die Ausstellung eines Führerscheins gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Februar 2009, Schwarz, C‑321/07, EU:C:2009:104, Rn. 76, und vom 23. April 2015, Aykul, C‑260/13, EU:C:2015:257, Rn. 46).

47

Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass die übrigen Mitgliedstaaten, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 ausgestellt haben, nicht befugt sind, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen, weil der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins als Beweis dafür anzusehen ist, dass sein Inhaber am Tag seiner Ausstellung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 46 und 47, sowie vom 23. April 2015, Aykul, C‑260/13, EU:C:2015:257, Rn. 47).

48

Angesichts dieser Rechtsprechung sowie der Auslegung des Wortlauts von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 und ihrer allgemeinen Systematik bezieht sich diese Bestimmung, die die gegenseitige Anerkennung der „Führerscheine“ vorsieht, daher offensichtlich auf Führerscheine als Dokumente, die zum Nachweis des Vorliegens einer Fahrerlaubnis im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie ausgestellt wurden. Der einzige insoweit bestehende Vorbehalt betrifft Führerscheine, die von den Mitgliedstaaten vor dem Zeitpunkt, ab dem Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie anwendbar war, d. h. nach ihrem Art. 16 vor dem 19. Januar 2013, ausgestellt wurden und für die Art. 13 der Richtlinie 2006/126 die Frage der Äquivalenzen zwischen den vor dem Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie erworbenen Führerscheinen und den verschiedenen darin definierten Führerscheinklassen regeln soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 41, sowie vom 26. April 2017, Popescu, C‑632/15, EU:C:2017:303, Rn. 37).

49

Daraus folgt, dass die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis als solche nicht in der Richtlinie 2006/126 vorgesehen ist, sondern nur die Folge der mit der Richtlinie eingeführten gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine ist.

50

Wie u. a. die niederländische und die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, wird diese Auslegung der Richtlinie 2006/126 schließlich durch die mit ihr verfolgten Ziele gestützt.

51

Wie aus ihrem zweiten Erwägungsgrund hervorgeht, soll die Richtlinie 2006/126 nämlich zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen und die Freizügigkeit der Personen erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, der den Führerschein ausgestellt hat, niederlassen. Überdies geht aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Richtlinie hervor, dass sie ausdrücklich darauf abzielt, Tranzparenzprobleme für Bürger, Ordnungskräfte und Führerscheinbehörden zu lösen und Fälschungen von Führerscheinen vorzubeugen, die sich aus dem Nebeneinander unterschiedlicher Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten und aus der Tatsache ergeben, dass sich in der Union mehr als 110 verschiedene Führerscheinmuster in Umlauf befinden. Die Richtlinie soll daher, wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auf längere Sicht ein Muster eines einheitlichen Führerscheins für alle Mitgliedstaaten schaffen, dessen Mindestausstellungsvoraussetzungen durch die Richtlinie harmonisiert werden und der die verschiedenen in den Mitgliedstaaten existierenden Führerscheine ersetzen soll, so dass die Anerkennung der nationalen Nachweise der Fähigkeit zum Führen eines Fahrzeugs schrittweise auslaufen wird.

52

Diesen verschiedenen Zielen liefe es jedoch zuwider, wenn ein Mitgliedstaat verpflichtet wäre, von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Legitimationspapiere wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CEPC anzuerkennen, die nicht den von der Richtlinie 2006/126 vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen und auch nicht zu den Führerscheinen gehören, deren Äquivalenz mit den in Art. 4 der Richtlinie festgelegten Klassen in ihrem Art. 13 vorgesehen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Inhaber eines solchen Legitimationspapiers in seinem Wohnsitzmitgliedstaat die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie erfüllt und die Berechtigung erworben hat, in dessen Hoheitsgebiet ein Kraftfahrzeug zu führen. Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde es dem Ziel der Richtlinie 2006/126, einen standardisierten Führerschein einzuführen, der eine einfache und sofortige Identifizierung durch jede Behörde in der gesamten Union ermöglicht, eindeutig zuwiderlaufen, wenn sie dahin ausgelegt würde, dass sie einen Mitgliedstaat dazu verpflichtet, verschiedene und unter Umständen vorläufige Dokumente anzuerkennen, die ein anderer Mitgliedstaat zum Nachweis des Bestehens einer Fahrerlaubnis ausgestellt hat.

53

Die Prüfung der Gültigkeit solcher von einem Mitgliedstaat ausgestellter Legitimationspapiere durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats könnte nämlich schwierig sein, was das Betrugsrisiko erhöhen könnte.

54

Daraus folgt, dass die Weigerung eines Mitgliedstaats, ein von einem anderen Mitgliedstaat zum Nachweis des Bestehens einer Fahrerlaubnis ausgestelltes Dokument anzuerkennen, das – wie hier das CEPC – nicht den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Führerscheinmusters genügt, nicht gegen Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie verstößt.

55

Eine solche Weigerung ist nur anhand der letztgenannten Bestimmung zu prüfen und nicht anhand der Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV, die in der ersten und der zweiten Frage ebenfalls angeführt werden.

56

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist nämlich jede nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf der Ebene der Europäischen Union umfassend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen der fraglichen Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts zu beurteilen (Urteil vom 12. November 2015, Visnapuu, C‑198/14, EU:C:2015:751, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57

Die Richtlinie 2006/126 schreibt zwar nur eine Mindestharmonisierung der nationalen Vorschriften über die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins vor (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2012, Akyüz, C‑467/10, EU:C:2012:112, Rn. 53), nimmt jedoch eine umfassende Harmonisierung in Bezug auf die Dokumente vor, die das Bestehen einer Fahrerlaubnis nachweisen und von den Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie anzuerkennen sind.

58

Im Übrigen werden mit der Richtlinie 2006/126, wie die Kommission hervorgehoben hat, zwar die Mindestvoraussetzungen festgelegt, unter denen Führerscheine ausgestellt werden dürfen, aber sie regelt nicht das Verwaltungsverfahren für ihre Ausstellung. Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten, dieses Verfahren zu regeln und insbesondere festzulegen, wann dem Bewerber, der diese Mindestvoraussetzungen erfüllt hat, der Führerschein auszustellen ist.

59

Das vorlegende Gericht geht offenbar davon aus, dass die Weigerung eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Fahrerlaubnis anzuerkennen, wenn sie nicht durch einen den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein nachgewiesen werden kann, eine vom Unionsrecht verbotene Diskriminierung aufgrund des Wohnorts darstellen könnte.

60

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts könnte das Bestehen von Unterschieden in den Verwaltungsverfahren der Mitgliedstaaten, die für die Ausstellung diesen Anforderungen entsprechender Führerscheine gelten, wie im Ausgangsverfahren zur Folge haben, dass eine Person, die die in der Richtlinie 2006/126 aufgestellten Voraussetzungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat erfüllt, einen diesen Anforderungen entsprechenden Führerschein erst nach Ablauf einer Übergangszeit erhält, während der sie lediglich über ein vorläufiges und territorial begrenztes Zertifikat verfügt, wohingegen Personen, die in anderen Mitgliedstaaten wohnen und ebenfalls die genannten Voraussetzungen erfüllen, einen solchen Führerschein unmittelbar nach dem Bestehen der praktischen Fahrprüfung erhalten.

61

Entgegen der offenbar vom vorlegenden Gericht vertretenen Auffassung kann insoweit auch dann, wenn zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede bei dem Verfahren zur Ausstellung der Führerscheine bestehen, die Weigerung eines Mitgliedstaats, ein von einem anderen Mitgliedstaat zum Nachweis der Fahrerlaubnis ausgestelltes Dokument – wie im Ausgangsverfahren das CEPC – anzuerkennen, wenn dieses Dokument nicht den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Führerscheinmusters genügt, weder das in Art. 18 AEUV verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot noch das den Unionsbürgern durch Art. 21 AEUV zuerkannte Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, oder die in den Art. 45, 49 und 56 gewährleisteten Grundfreiheiten beeinträchtigen.

62

Die Ungleichbehandlung der in Deutschland wohnhaften und der in Frankreich wohnhaften Führerscheinbewerber, die sich daraus ergibt, dass nach den vom vorlegenden Gericht mitgeteilten Informationen die in Deutschland wohnhaften Führerscheinbewerber den Führerschein in diesem Mitgliedstaat grundsätzlich unmittelbar nach dem Bestehen der praktischen Fahrprüfung erhalten, wohingegen für die in Frankreich wohnhaften Führerscheinbewerber im Allgemeinen eine Übergangszeit besteht, während der sie nur über ein vorläufiges und territorial begrenztes Legitimationspapier zum Nachweis ihrer Fahrerlaubnis verfügen, bevor sie einen den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein erhalten, ergibt sich nicht aus einer diskriminierenden Praxis in einem dieser Mitgliedstaaten, sondern ist die Folge davon, dass es in diesen Mitgliedstaaten in einem nicht harmonisierten Bereich unterschiedliche Vorschriften über das Verwaltungsverfahren gibt (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Juli 2005, Schempp, C‑403/03, EU:C:2005:446, Rn. 45, und vom 29. November 2011, National Grid Indus, C‑371/10, EU:C:2011:785, Rn. 62). Wie in den Rn. 43, 44 und 57 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sieht die Richtlinie 2006/126 beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nur eine Mindestharmonisierung bestimmter materieller Voraussetzungen vor, unter denen der in ihrem Art. 1 vorgesehene Führerschein ausgestellt wird.

63

Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sowie die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, aufgrund deren dieser Mitgliedstaat die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Legitimationspapiers, mit dem das Bestehen einer Fahrerlaubnis seines Inhabers bescheinigt wird, das aber nicht den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Führerscheinmusters entspricht, auch dann verweigern kann, wenn der Inhaber des Legitimationspapiers die in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt.

Zur dritten und zur vierten Frage

64

Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sowie die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat daran hindern, eine Strafsanktion oder eine Verwaltungssanktion gegen eine Person zu verhängen, die zwar die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt hat, aber in seinem Hoheitsgebiet ein Kraftfahrzeug führt, ohne im Besitz eines den Anforderungen des in dieser Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins zu sein, und die bis zur Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins durch einen anderen Mitgliedstaat das Bestehen ihrer in diesem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis ausschließlich durch ein von ihm ausgestelltes vorläufiges Legitimationspapier nachweisen kann.

65

Wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, enthält die Richtlinie 2006/126 keine Bestimmung über etwaige Sanktionen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis oder wegen Nichtvorlage eines den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins oder eines anderen Nachweises der Fahrerlaubnis.

66

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Richtlinie auch keine Vorschriften in Bezug auf die Pflicht der Fahrzeugführer enthält, einen Führerschein mitzuführen, der im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie ausgestellt wurde.

67

Im Übrigen schließt die in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 vorgesehene Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine nicht aus, dass die Mitgliedstaaten gegen Fahrzeugführer, die nicht in der Lage sind, den zuständigen Behörden einen im Einklang mit den genannten Anforderungen ausgestellten Führerschein zum Nachweis ihrer Fahrerlaubnis vorzulegen, Sanktionen verhängen können.

68

Mangels einer einschlägigen Unionsregelung bleiben die Mitgliedstaaten somit grundsätzlich befugt, Verstöße gegen die Pflicht zur Vorlage eines den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins zu ahnden, die sie den Personen auferlegen können, die in ihrem Hoheitsgebiet ein Kraftfahrzeug führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos, C‑193/94, EU:C:1996:70, Rn. 36, sowie vom 29. Oktober 1998, Awoyemi, C‑230/97, EU:C:1998:521, Rn. 25).

69

Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch in diesem Bereich keine Sanktion vorsehen, die das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das den Unionsbürgern durch Art. 21 AEUV verliehen wird und dessen Ausübung die Richtlinie 2006/126 erleichtern soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos, C‑193/94, EU:C:1996:70, Rn. 36, vom 29. Oktober 1998, Awoyemi, C‑230/97, EU:C:1998:521, Rn. 26, sowie vom 26. April 2012, Hofmann, C‑419/10, EU:C:2012:240, Rn. 77), oder die in den Art. 45, 49 und 56 AEUV gewährleisteten Grundfreiheiten beeinträchtigen würde.

70

In Bezug auf Art. 18 AEUV, den das vorlegende Gericht ebenfalls anführt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung, in der der allgemeine Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verankert ist, eigenständig nur bei unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen zur Anwendung kommt, für die der AEU-Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Mai 1998, Gilly, C‑336/96, EU:C:1998:221, Rn. 37, sowie vom 18. Juli 2017, Erzberger, C‑566/15, EU:C:2017:562, Rn. 25).

71

Im vorliegenden Fall gibt das vorlegende Gericht nicht an, weshalb sich I in Deutschland befand. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu klären, ob die Ausübung einer der in den Art. 45, 49 und 56 AEUV gewährleisteten Grundfreiheiten, mit denen das Diskriminierungsverbot umgesetzt wird, durch die Verhängung einer Sanktion gegen I berührt sein könnte.

72

Ist das nicht der Fall, dann dürfte I, bei dem es sich um einen Unionsbürger zu handeln scheint, was das vorlegende Gericht ebenfalls zu prüfen hat, dadurch, dass er sich von Frankreich nach Deutschland begab, jedenfalls in seiner Eigenschaft als Unionsbürger von seinem in Art. 21 AEUV gewährleisteten Recht Gebrauch gemacht haben, sich in der Union frei zu bewegen.

73

Aus der Vorlageentscheidung sowie aus der Antwort auf die erste und die zweite Frage geht jedoch hervor, dass I im vorliegenden Fall – anders als die Personen, um deren Verfolgung es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos (C‑193/94, EU:C:1996:70), ergangen ist – zwar in Frankreich über eine Fahrerlaubnis verfügte, aber zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt zumindest nach Unionsrecht in den anderen Mitgliedstaaten nicht über eine solche Berechtigung verfügte, die die Behörden dieser Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 hätten anerkennen müssen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er nämlich keinen Führerschein, der den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Musters entsprach und belegte, dass er die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllte. Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass das ihm in Frankreich ausgestellte CEPC nur im französischen Hoheitsgebiet Gültigkeit hatte.

74

Es verstößt daher nicht gegen die Art. 21, 45, 49 und 56 AEUV, wenn einem Fahrzeugführer wie I, der nicht über eine Fahrerlaubnis in Deutschland verfügt, in diesem Mitgliedstaat eine Sanktion auferlegt wird.

75

Die auferlegte Sanktion darf jedoch nicht außer Verhältnis zur Schwere der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tat stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos, C‑193/94, EU:C:1996:70, Rn. 36 und 38).

76

Der Unrechtsgehalt der Führung eines Fahrzeugs im Gebiet eines Mitgliedstaats durch einen Fahrzeugführer, der zwar über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis, aber noch nicht über einen den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein verfügt, erscheint insbesondere unter Berücksichtigung des in Rn. 51 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Ziels der Richtlinie, zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beizutragen, erheblich geringer als der Unrechtsgehalt der Führung eines Fahrzeugs im Gebiet eines Mitgliedstaats ohne jede Fahrerlaubnis.

77

Würde ein Mitgliedstaat einem Fahrzeugführer wie I, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erworben hat, dem aber noch kein den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechender Führerschein ausgestellt wurde, eine harte – straf- oder verwaltungsrechtliche – Sanktion wie eine Freiheitsstrafe oder eine hohe Geldstrafe auferlegen, stünde dies daher außer Verhältnis zur Schwere der in Rede stehenden Tat und würde damit das Recht dieses Fahrzeugführers, sich im Gebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das Art. 21 AEUV den Unionsbürgern verleiht, oder die in den Art. 45, 49 und 56 AEUV gewährleisteten Grundfreiheiten beeinträchtigen. Nicht unverhältnismäßig wäre dagegen die Auferlegung einer milden Sanktion wie einer Geldbuße in angemessener Höhe.

78

Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, im Rahmen seiner Würdigung der Schwere des von I begangenen Verstoßes und der Härte der ihm aufzuerlegenden Sanktion als etwaigen mildernden Umstand zu berücksichtigen, dass er in Frankreich eine Fahrerlaubnis erworben hatte, wie durch das CEPC bescheinigt wird, das, wie das vorlegende Gericht selbst ausgeführt hat, grundsätzlich vor Ablauf seiner Gültigkeit auf Antrag des Betroffenen gegen einen den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein ausgetauscht wird. Das Gericht wird in diesem Kontext ebenfalls zu prüfen haben, welche konkrete Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs im deutschen Hoheitsgebiet von I ausging.

79

Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sowie die Art. 21, 45, 49 und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, eine Sanktion gegen eine Person zu verhängen, die zwar die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt hat, aber in seinem Hoheitsgebiet ein Kraftfahrzeug führt, ohne im Besitz eines den Anforderungen des in dieser Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins zu sein, und die bis zur Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins durch einen anderen Mitgliedstaat das Bestehen ihrer in diesem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis ausschließlich durch ein von ihm ausgestelltes vorläufiges Legitimationspapier nachweisen kann, sofern diese Sanktion nicht außer Verhältnis zur Schwere der in Rede stehenden Tat steht. Insoweit hat das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Würdigung der Schwere des von der betreffenden Person begangenen Verstoßes und der Härte der ihr aufzuerlegenden Sanktion als etwaigen mildernden Umstand zu berücksichtigen, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erworben hat, wie durch ein von diesem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Legitimationspapier nachgewiesen wird, das grundsätzlich vor Ablauf seiner Gültigkeit auf Antrag der betreffenden Person gegen einen den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein ausgetauscht wird. Das vorlegende Gericht muss im Kontext seiner Untersuchung ebenfalls prüfen, welche konkrete Gefahr für die Sicherheit des inländischen Straßenverkehrs von der betreffenden Person ausging.

Kosten

80

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein sowie die Art. 18, 21, 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, aufgrund deren dieser Mitgliedstaat die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Legitimationspapiers, mit dem das Bestehen einer Fahrerlaubnis seines Inhabers bescheinigt wird, das aber nicht den Anforderungen des in der Richtlinie vorgesehenen Führerscheinmusters entspricht, auch dann verweigern kann, wenn der Inhaber des Legitimationspapiers die in der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt.

 

2.

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 sowie die Art. 21, 45, 49 und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, eine Sanktion gegen eine Person zu verhängen, die zwar die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins erfüllt hat, aber in seinem Hoheitsgebiet ein Kraftfahrzeug führt, ohne im Besitz eines den Anforderungen des in dieser Richtlinie vorgesehenen Musters entsprechenden Führerscheins zu sein, und die bis zur Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins durch einen anderen Mitgliedstaat das Bestehen ihrer in diesem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis ausschließlich durch ein von ihm ausgestelltes vorläufiges Legitimationspapier nachweisen kann, sofern diese Sanktion nicht außer Verhältnis zur Schwere der in Rede stehenden Tat steht. Insoweit hat das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Würdigung der Schwere des von der betreffenden Person begangenen Verstoßes und der Härte der ihr aufzuerlegenden Sanktion als etwaigen mildernden Umstand zu berücksichtigen, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erworben hat, wie durch ein von diesem anderen Mitgliedstaat ausgestelltes Legitimationspapier nachgewiesen wird, das grundsätzlich vor Ablauf seiner Gültigkeit auf Antrag der betreffenden Person gegen einen den Anforderungen des in der Richtlinie 2006/126 vorgesehenen Musters entsprechenden Führerschein ausgetauscht wird. Das vorlegende Gericht muss im Kontext seiner Untersuchung ebenfalls prüfen, welche konkrete Gefahr für die Sicherheit des inländischen Straßenverkehrs von der betreffenden Person ausging.

 

Ilešič

Rosas

Toader

Prechal

Jarašiūnas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Oktober 2017.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Zweiten Kammer

M. Ilešič


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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