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Document 62016CC0571

Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 7. Juni 2018.
Nikolay Kantarev gegen Balgarska Narodna Banka.
Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Einlagensicherungssysteme – Richtlinie 94/19/EG – Art 1 Nr. 3 Ziff. i – Art. 10 Abs. 1 – Begriff ,nichtverfügbare Einlage‘ – Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Unionsrecht entstanden sind – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht – Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten – Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Art. 4 Abs. 3 EUV – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität.
Rechtssache C-571/16.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:412

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE KOKOTT

vom 7. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑571/16

Nikolay Kantarev

(Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna [Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien])

„Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme – Feststellung der Nichtverfügbarkeit einer Einlage – Mitgliedstaatliche Haftung für Schäden, die durch eine Verletzung des Unionsrechts verursacht werden – Rechtsweg“

I. Einleitung

1.

Zahlreiche Einleger haben erst anlässlich der Banken- und Finanzkrise, die sich ab 2007 weltweit entwickelt hat, erfahren, dass ihre Einlagen bei in den EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstituten bis zu einem Betrag von 100000 Euro garantiert sind. Dieses Einlagensicherungssystem wurde aber auf europäischer Ebene schon 1994 durch die Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme ( 2 ) eingeführt ( 3 ): Im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarkts für Bankdienstleistungen am 1. Januar 1993 hat der europäische Gesetzgeber die Wettbewerbsbedingungen angeglichen und u. a. dafür gesorgt, dass ein „Mindestmaß an Harmonisierung der Einlagensicherung … gewährleistet [ist] ohne Rücksicht darauf, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind“ ( 4 ).

2.

Schon 1994 verfolgte die Richtlinie ein doppeltes Ziel, nämlich sowohl den Schutz der Einleger als auch die Stabilität des Bankensystems, wobei beide eng zusammenhängen. Ein hohes Risiko für das Bankensystem besteht in der Tat darin, dass Einleger – sei es aufgrund von Gerüchten oder aufgrund fundierter Informationen – alle gleichzeitig ihre Einlagen abheben. Denn „keine Bank … hält so viel liquide Mittel vor, dass sie das gesamte bei ihr eingelegte Geld oder einen erheblichen Teil davon auf der Stelle zurückzahlen könnte“ ( 5 ). Es geht also darum, sogenannte „Bank-Runs“ dadurch zu verhindern, dass die Einleger ihre Einlagen durch eine Garantie für sicher halten.

3.

Im vorliegenden Fall ist der von der Richtlinie 94/19 garantierte Betrag in Folge von Liquiditätsproblemen einer bulgarischen Bank vom Einlagensicherungssystem in voller Höhe an den Kläger im Ausgangsverfahren gezahlt worden. Allerdings ist dieser der Auffassung, dass die Zahlung verspätet erfolgt sei. Er konnte nämlich ca. sechs Monate lang nicht über seine Einlagen verfügen. Vor dem vorlegenden Gericht macht er demnach einen Verstoß gegen das Unionsrecht geltend.

4.

Dem Kläger zufolge ist die Einlagensicherungsrichtlinie in Bulgarien falsch umgesetzt und angewandt worden: Die Feststellung der Nichtverfügbarkeit der Einlage, die Bedingung für das Einschalten des Einlagensicherungssystems ist, sei vom Widerruf der Bankzulassung abhängig gemacht worden, obwohl die Richtlinie für diese Feststellung eine unabhängig von diesem Ereignis feste Frist vorsähe.

5.

Wenn auch sowohl das betroffene nationale Recht – das die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen nicht mehr vom Widerruf der Bankzulassung abhängig macht – als auch das EU-Recht – das keine feste Frist mehr für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen vorschreibt – inzwischen geändert wurden, bleiben die Vorlagefragen aktuell, da eine effektive Entschädigung der Einleger in angemessener Frist auch heute noch vom EU-Recht gefordert wird und nichts von ihrer Wichtigkeit eingebüßt hat.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

6.

Den unionsrechtlichen Rahmen des Falles bilden der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV und die Richtlinie 94/19 ( 6 ).

7.

Einleitend ist auf die Erwägungsgründe 1, 4, 8, 9 und 24 der Richtlinie 94/19 hinzuweisen ( 7 ):

„[1]

Gemäß den Zielen des Vertrages empfiehlt es sich, die harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute in der Gemeinschaft durch die Aufhebung aller Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu fördern und gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Sparer zu erhöhen.

[4]

Die den Kreditinstituten aus der Teilnahme an einem Sicherungssystem erwachsenden Kosten stehen in keinem Verhältnis zu denjenigen, die bei einem massiven Abheben von Einlagen nicht nur bei dem sich in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen, sondern auch bei an sich gesunden Unternehmen entstehen würden, wenn das Vertrauen der Einleger in die Stabilität des Bankensystems erschüttert wird.

[8]

Die Harmonisierung muss sich auf die wesentlichen Aspekte der Einlagensicherungssysteme beschränken und die Zahlung der entsprechend der harmonisierten Mindestdeckung berechneten Entschädigung aus der Einlagensicherung innerhalb kürzester Frist gewährleisten.

[9]

Die Einlagensicherungssysteme müssen tätig werden, sobald Einlagen nicht verfügbar werden.

[24]

Die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden können aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.“

8.

Die Richtlinie 2009/14 zur Änderung der Richtlinie 94/19 enthält insbesondere folgende Erwägungsgründe:

„(1)

Bei seinem Treffen am 7. Oktober 2008 stimmte der Rat darin überein, dass es zurzeit vor allem darum geht, das Vertrauen in den Finanzsektor wiederherzustellen und sein reibungsloses Funktionieren zu gewährleisten. Er verpflichtete sich, alle notwendigen Maßnahmen im Hinblick darauf zu treffen, die Einlagen der Sparer zu schützen …

(3)

… Um das Vertrauen der Einleger zu erhalten und eine größere Stabilität der Finanzmärkte zu erzielen, sollte daher die Mindestdeckungssumme auf 50000 EUR erhöht werden. Bis zum 31. Dezember 2010 sollte für die Gesamteinlagen eines jeden Einlegers die Deckungssumme auf 100000 EUR festgesetzt werden …

(12)

Einlagen können als nicht verfügbar angesehen werden, sobald eine frühzeitige Intervention oder Umstrukturierungsmaßnahmen sich als erfolglos erweisen. Dies sollte die zuständigen Behörden nicht daran hindern, während des Auszahlungszeitraums weitere Umstrukturierungsbemühungen zu unternehmen.“

9.

Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 definiert den Begriff der Einlage:

Einlage: ein Guthaben, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist, sowie Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat. …“

10.

Art. 1 Nr. 3 definiert, was im Sinne der Richtlinie 94/19 unter dem Begriff „Nichtverfügbare Einlage“ zu verstehen ist:

Nichtverfügbare Einlage: eine Einlage, die gemäß den für sie geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zwar fällig und von einem Kreditinstitut zu zahlen ist, jedoch noch nicht gezahlt wurde, wobei einer der beiden folgenden Fälle vorliegt:

i)

Die jeweils zuständigen Behörden haben festgestellt, dass ihrer Auffassung nach das Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht.

Die zuständigen Behörden treffen diese Feststellung so rasch wie möglich, jedenfalls jedoch spätestens fünf Arbeitstage, nachdem sie erstmals festgestellt haben, dass ein Kreditinstitut die fälligen und rückzahlbaren Einlagen nicht zurückgezahlt hat.

ii)

Ein Gericht hat aus Gründen, die mit der Finanzlage des Kreditinstituts unmittelbar zusammenhängen, eine Entscheidung getroffen, die ein Ruhen der Forderungen der Einleger gegen das Institut bewirkt, sofern diese Entscheidung vor der Feststellung nach Ziffer i) erfolgt ist.“

11.

Art. 7 Abs. 1 und Abs. 1a Unterabs. 1 der Richtlinie 94/19 regelt die Gewährleistung des Deckungsbetrags an die Einleger:

„(1)

Für den Fall, dass Einlagen nicht verfügbar sind, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers mindestens 50000 EUR beträgt.

(1a)

Ab 31. Dezember 2010 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers auf 100000 EUR festgesetzt ist, wenn die Einlagen nicht verfügbar sind.

…“

12.

Art. 10 der Richtlinie 94/19 regelt die Modalitäten der Entschädigungszahlung aus dem Einlagensicherungssystem:

„(1)

Die Einlagensicherungssysteme treffen Vorkehrungen, um ordnungsgemäß geprüfte Forderungen der Einleger in Bezug auf nicht verfügbare Einlagen binnen 20 Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt zahlen zu können, zu dem die zuständigen Behörden eine Feststellung nach Artikel 1 Nummer 3 Ziffer i getroffen haben oder ein Gericht eine Entscheidung nach Artikel 1 Nummer 3 Ziffer ii getroffen hat.

Diese Frist umfasst die Erhebung und Übermittlung der einschlägigen Angaben zu den Einlegern und Einlagen, die für die Überprüfung der Forderungen erforderlich sind. Bei in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Umständen kann ein Einlagensicherungssystem bei den zuständigen Behörden eine Fristverlängerung beantragen. Diese Verlängerung darf zehn Arbeitstage nicht überschreiten.

(3)

Ein Sicherungssystem darf sich nicht auf die in den Absätzen 1 und 2 genannte Frist berufen, um einem Einleger das Recht auf Sicherung zu verweigern, der seinen Anspruch auf Entschädigung aus der Einlagensicherung nicht rechtzeitig geltend machen konnte.

…“

B.   Nationales Recht

13.

Für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen sind zum einen die bulgarischen Vorschriften relevant, die als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch in Betracht kommen. Zum anderen sind die Vorschriften zu berücksichtigen, die in Umsetzung der Richtlinie 94/19 erlassen worden sind, sowie weitere Vorschriften über die Balgarska Narodna Banka (Bulgarische Zentralbank, im Folgenden: BNB).

1. Haftungsvorschriften

14.

Das Zakon za zadalzheniata i dogovorite (Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge, im Folgenden auch: ZZD) regelt in seinem Art. 45 einen allgemeinen Anspruch auf Schadensersatz. Danach ist derjenige, der infolge seines Verschuldens bei einer anderen Person einen Schaden verursacht hat, zur Wiedergutmachung dieses Schadens verpflichtet. Art. 49 ZZD regelt die Haftung des Auftraggebers für Schäden, die der Auftragnehmer bei Erfüllung des Auftrags verursacht hat. Auf die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche aus dem ZZD findet der Grazhdanski protsesualen kodeks (Zivilprozessordnung) Anwendung. Dieser sieht u. a. die Zahlung einer Gebühr vor, die von der staatlichen Steuertabelle auf 4 Prozent des Streitgegenstands, mindestens jedoch 50 Lew (BGN) festgelegt wird, und bestimmt als Gerichtsstand den Wohnort des Beklagten oder den Ort der unerlaubten Handlung.

15.

Art. 1 des Zakon za otgovornostta na darzhavata i obshtinite za vredi (Staatshaftungsgesetz, im Folgenden auch: ZODOV) regelt in seinem Abs. 1 die Voraussetzungen des Staatshaftungsanspruchs. Danach haften der Staat und die Gemeinden für Schäden, die infolge von rechtswidrigen Rechtsakten und rechtswidrigem Handeln oder Unterlassen ihrer Organe oder Angestellten in der Ausübung von deren Verwaltungstätigkeit bei natürlichen und juristischen Personen entstanden sind. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs kann gemäß Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 ZODOV, alternativ zum allgemeinen Verfahren nach der Zivilprozessordnung, das Administrativnoprotsesualen kodeks (Verwaltungsgerichtsordnung) angewandt werden.

16.

In Bezug auf Verwaltungsentscheidungen knüpft Art. 204 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung die Möglichkeit einer Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs an die vorherige Aufhebung des Rechtsakts nach dem entsprechenden Verfahren. Das für den Schadensersatzanspruch angerufene Gericht entscheidet aber selbst über die Rechtswidrigkeit, wenn die Verwaltungsentscheidung nichtig war oder zurückgenommen wurde (Abs. 3), sowie grundsätzlich, wenn sich der Schadensersatzanspruch auf ein (schlichtes) Handeln oder Unterlassen der Verwaltungsbehörden gründet (Abs. 4).

17.

Des Weiteren sieht die Verwaltungsgerichtsordnung die Zahlung einer Gebühr vor, die von der staatlichen Steuertabelle auf 10 bzw. 25 BGN festgesetzt wird, und das Staatshaftungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, den Wohnort des Geschädigten als Gerichtsstand zu bestimmen.

2. Einlagensicherung

18.

Das Zakon za Balgarskata Narodna Banka (Gesetz über die Bulgarische Zentralbank) regelt in seinem Art. 16 insbesondere die Zuständigkeit der Zentralbank für die Zulassung der Banken, den Widerruf dieser Zulassung und Maßnahmen der besonderen Aufsicht. Gemäß Art. 2 Abs. 6 dieses Gesetzes übt die Zentralbank ihre Kompetenzen mit Blick auf die Wahrung der Stabilität des Bankensystems sowie auf den Schutz der Interessen der Einleger aus.

19.

Das Zakon za garantirane na vlogovete v bankite (Gesetz über die Sicherung der Bankeinlagen) ( 8 ) setzt die Richtlinie 94/19 in bulgarisches Recht um. Art. 23 dieses Gesetzes sieht in seinem Abs. 1 vor, dass der Fond za garantirane na vlogovete v bankite (Fonds für die Sicherung von Bankeinlagen, im Folgenden: Einlagensicherungsfonds oder FGVB) die Verbindlichkeiten der betroffenen Bank bis zur garantierten Höhe begleicht, wenn die BNB die Bankzulassung widerrufen hat. Abs. 5 dieses Artikels legt fest, dass der Fonds mit der Auszahlung spätestens am 20. Werktag nach dem Tag des Widerrufs der Zulassung beginnt.

20.

Das Zakon za kreditnite institutsii (Gesetz über die Kreditinstitute, im Folgenden auch: ZKI) ( 9 ) regelt in seinem Art. 36 Abs. 2 Nr. 1, dass die BNB die Zulassung aus Gründen der Zahlungsunfähigkeit zwingend entzieht, wenn eine Bank seit mehr als sieben Werktagen ihre fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bedient, dies unmittelbar mit der finanziellen Lage dieser Bank verknüpft ist und die BNB es für unwahrscheinlich hält, dass die fälligen Forderungen innerhalb angemessener Frist erfüllt werden. Nach Nr. 2 dieses Absatzes wird die Zulassung auch dann zwingend entzogen, wenn das Eigenkapital der Bank einen negativen Wert aufweist. Art. 36 Abs. 3 ZKI legt fest, dass der Entzug der Bankzulassung binnen fünf Werktagen ab der Feststellung des Zustands der Zahlungsunfähigkeit erfolgt. Nach Abs. 7 dieses Artikels folgt auf den Entzug der Zulassung die Zwangsliquidation. Art. 79 Abs. 8 ZKI sieht eine Begrenzung der Haftung der BNB auf vorsätzliches Verhalten vor. Art. 115 ZKI regelt die Voraussetzungen dafür, dass die BNB eine Bank unter besondere Aufsicht stellen kann. Gemäß Art. 115 Abs. 3 darf die besondere Aufsicht eine Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten. Art. 116 Abs. 2 ZKI ermächtigt die BNB in einem solchen Fall dazu, die Zinssätze für Einlagen bei der betroffenen Bank auf die durchschnittliche marktübliche Höhe zu senken und die Erfüllung aller oder Teile der Verbindlichkeiten der Bank einzustellen.

III. Ausgangsverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

21.

Am 4. März 2014 eröffnete Herr Nikolay Kantarev bei der Korporativna Targovska Banka (im Folgenden: KTB) ein Bankkonto. Die Verzinsung der eingezahlten Einlagen sollte nach einem festgelegten Zinssatz einmal jährlich oder bei Kündigung erfolgen und die Einlagenbeträge durch den FGVB gesichert werden.

22.

Am 20. Juni 2014 beantragten die Vertreter der KTB bei der BNB, die KTB unter besondere Aufsicht zu stellen. Mit Schreiben vom selben Tag unterrichtete die KTB die BNB, dass sie alle Bankgeschäfte eingestellt habe. Mit Entscheidung der BNB vom selben Tag wurde die KTB für den Zeitraum von zunächst drei Monaten wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nach den Art. 115 und 116 ZKI unter besondere Aufsicht gestellt und die Erfüllung aller Verbindlichkeiten der KTB eingestellt. Mit Entscheidung vom 30. Juni 2014 senkte die BNB die Zinssätze für Einlagen bei der KTB auf die durchschnittliche marktübliche Höhe im Bankensystem. Diese Maßnahmen wurden am 16. September 2014 bis zum 20. November 2014 verlängert.

23.

Am 4. November 2014 stellte die BNB auf Grundlage einer externen Wirtschaftsprüfung, der Jahresabschlüsse und der Aufsichtsberichte über die KTB fest, dass das Eigenkapital der KTB einen negativen Wert von minus 3745313 BGN habe.

24.

Mit Entscheidung vom 6. November 2014 entzog die BNB die Zulassung der KTB und verpflichtete sie dazu, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen und den Einlagensicherungsfonds zu unterrichten. Am selben Tag wurde das Einlagenkonto von Herrn Kantarev von Amts wegen gekündigt.

25.

Am 4. Dezember 2014 zahlte eine der durch den Einlagensicherungsfonds verpflichteten Banken 86973,81 BGN an Herrn Kantarev aus, wovon 84300 BGN auf die Hauptforderung und 2673,81 BGN auf die Zinsen entfielen. Der Zinssatz richtete sich für den Zeitraum vom 5. März bis zum 1. Juli 2014 nach den vertraglichen Bedingungen und für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 6. November 2014 nach der Entscheidung der BNB vom 30. Juni 2014.

26.

Mit Entscheidung des Sofiyski gradski sad (Stadtgericht Sofia, Bulgarien) Nr. 664 vom 22. April 2015 wurde die KTB mit Wirkung ab dem 6. November 2014 für zahlungsunfähig erklärt. Am 3. Juli 2015 hob das Sofiyski apelativen sad (Berufungsgericht Sofia, Bulgarien) diese Festsetzung auf und bestimmte als Beginn der Zahlungsunfähigkeit den 20. Juni 2014, da der Zustand unzureichenden Eigenkapitals bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe.

27.

Im Ausgangsverfahren klagt Herr Kantarev gegen die BNB auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3710,91 BGN (ca. 2000 Euro) wegen verspäteter Auszahlung seiner Einlagen für den Zeitraum vom 30. Juni bis zum 4. Dezember 2014. Die BNB habe gegen Unionsrecht verstoßen, da sie Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19, der insoweit nicht richtig in nationales Recht umgesetzt worden sei, aber unmittelbare Wirkung entfalte, nicht richtig angewandt habe.

28.

Vor diesem Hintergrund hat das Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind Art. 4 Abs. 3 EUV sowie der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass sie es in Ermangelung einer nationalen Regelung zulassen, dass sich die zuständige Gerichtsbarkeit und das Verfahren für Schadensersatzklagen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht nach der Behörde, die den Verstoß begangen hat, und nach der Art des Tuns/des Unterlassens, durch das der Verstoß begangen wurde, bestimmen, wenn die Anwendung dieser Kriterien dazu führt, dass die Klagen vor unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten – der allgemeinen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit – nach unterschiedlichen Verfahrensordnungen – der Zivilprozessordnung und der Verwaltungsgerichtsordnung – verhandelt werden, die die Zahlung unterschiedlicher Gebühren, nämlich anteiliger und einfacher, und den Nachweis unterschiedlicher Voraussetzungen, einschließlich des Verschuldens, erfordern?

2.

Sind Art. 4 Abs. 3 EUV und die vom Gerichtshof im Urteil Francovich aufgestellten Anforderungen dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass Schadensersatzklagen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht nach einem Verfahren wie dem gemäß den Art. 45 und 49 des Gesetzes über Schuldverhältnisse und Verträge, das die Zahlung einer anteiligen Gebühr und den Nachweis eines Verschuldens erfordert, und auch nach einem Verfahren wie dem gemäß Art. 1 des Staatshaftungsgesetzes verhandelt werden können, das zwar eine objektive Haftung vorsieht und besondere Regeln enthält, die den Zugang zu einem Gericht erleichtern sollen, gleichwohl aber nur auf Schäden anwendbar ist, die durch aufgehobene rechtswidrige Rechtsakte und rechtswidriges Tun/Unterlassen der Verwaltung entstanden sind, und Verstöße gegen das Unionsrecht, die von anderen Staatsorganen durch nach dem jeweiligen Verfahren nicht aufgehobene Rechtshandlungen/Unterlassungen begangen wurden, nicht erfasst?

3.

Sind Art. 1 Nr. 3 Ziff. i und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen, dass sie einen legislativen Ansatz wie den zulassen, der in Art. 36 Abs. 3 des Gesetzes über die Kreditinstitute und Art. 23 Abs. 5 des Gesetzes über die Sicherung von Bankeinlagen gewählt wurde, wonach „die Voraussetzung, dass das Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht“, mit der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Instituts und dem Widerruf seiner Zulassung gleichbedeutend ist und das Einlagensicherungssystem ab dem Zeitpunkt des Widerrufs der Banklizenz tätig wird?

4.

Ist Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen, dass für die Qualifizierung einer Einlage als „nicht verfügbar“ deren Nichtverfügbarkeit von den „jeweils zuständigen Behörden“ nach erfolgter Beurteilung gemäß Ziff. i dieser Vorschrift ausdrücklich festgestellt werden muss, oder lässt er es zu, dass bei einer Lücke im nationalen Recht die Beurteilung und der Wille der „jeweils zuständigen Behörde“ im Wege der Auslegung anderen Rechtsakten dieser Behörde entnommen werden – im vorliegenden Fall beispielsweise der Entscheidung Nr. 73 vom 20. Juni 2014 des Verwaltungsrats (upravitelen savet) der BNB, mit der die KTB unter besondere Aufsicht gestellt wurde – oder aufgrund von Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens vermutet werden?

5.

Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wo mit der Entscheidung Nr. 73 des Verwaltungsrats der BNB vom 20. Juni 2014 alle Zahlungen und Geschäfte eingestellt wurden und die Einleger im Zeitraum vom 20. Juni bis zum 6. November 2014 weder Auszahlungsanträge stellen konnten noch Zugang zu ihren Einlagen hatten, davon auszugehen, dass alle gesicherten unbefristeten Einlagen (über die ohne Voranzeige verfügt werden darf und die bei Aufforderung sofort auszuzahlen sind) im Sinne von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 nicht verfügbar geworden sind, oder erfordert die Voraussetzung, dass eine Einlage „zwar fällig und von einem Kreditinstitut zu zahlen ist, jedoch noch nicht gezahlt wurde“, dass die Einleger vom Kreditinstitut die Zahlung (durch Antrag, Aufforderung) verlangt haben müssen, ohne dass dem Folge geleistet wurde?

6.

Sind Art. 1 Nr. 3 Ziff. i, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 und der achte Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/14 dahin auszulegen, dass der Ermessensspielraum der „jeweils zuständigen Behörden“ bei der Beurteilung nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i jedenfalls durch die Frist nach Ziff. i Satz 2 begrenzt ist, oder lassen sie es zu den Zwecken der besonderen Aufsicht wie der nach Art. 115 ZKI zu, dass die Einlagen länger als in der Richtlinie vorgesehen nicht verfügbar bleiben?

7.

Haben Art. 1 Nr. 3 Ziff. i und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 unmittelbare Wirkung, und verleihen sie den Inhabern von Einlagen in einer Bank, die einem Einlagensicherungssystem angeschlossen ist, zusätzlich zu ihrem Recht auf Entschädigung durch dieses System bis zu dem Betrag nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 auch das Recht, den Staat wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht haftbar zu machen, indem sie die zur Feststellung der Nichtverfügbarkeit der Einlagen verpflichtete Behörde auf Ersatz des Schadens verklagen, der durch die verspätete Zahlung des gesicherten Einlagenbetrags entstanden ist, wenn die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i nach Ablauf der in der Richtlinie festgelegten Frist von fünf Tagen getroffen wurde und diese Verspätung der Wirkung einer Sanierungsmaßnahme geschuldet ist, die die Bank vor der Zahlungsunfähigkeit schützen sollte und von dieser Behörde angeordnet wurde, oder lassen sie unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine nationale Regelung wie die des Art. 79 Abs. 8 ZKI zu, wonach die BNB, ihre Organe und die von ihnen bevollmächtigten Personen für die in Wahrnehmung ihrer Aufsichtstätigkeit entstandenen Schäden nur dann haften, wenn diese vorsätzlich herbeigeführt wurden?

8.

Stellt ein Verstoß gegen das Unionsrecht, der darin besteht, dass „die jeweils zuständige Behörde“ keine Entscheidung nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 getroffen hat, einen „hinreichend qualifizierten Verstoß“ dar, der die Haftung eines Mitgliedstaats für Schäden im Wege einer Klage gegen die Aufsichtsbehörde auslösen kann, und unter welchen Voraussetzungen ist dies der Fall und sind in diesem Zusammenhang folgende Umstände von Bedeutung: a) dass der FGVB nicht über genügend Mittel verfügte, um alle gesicherten Einlagen abzudecken; b) dass in dem Zeitraum, in dem die Zahlungen eingestellt blieben, das Kreditinstitut zum Schutz vor Zahlungsunfähigkeit unter besondere Aufsicht gestellt wurde; c) dass die Einlage des Klägers ausgezahlt wurde, nachdem die BNB die Erfolglosigkeit der Sanierungsmaßnahmen festgestellt hatte; d) dass die Einlage des Klägers ausgezahlt wurde, zuzüglich des Ertrags aus den Zinsen, einschließlich der Zinsen für den Zeitraum vom 20. Juni bis zum 6. November 2014?

29.

Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben Herr Kantarev, die BNB und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen.

IV. Würdigung

30.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs der nicht verfügbaren Einlage wie er in Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 definiert ist, sowie die Möglichkeit für den Einzelnen, Schadensersatzansprüche wegen Nichtbeachtung dieser Bestimmung geltend zu machen.

31.

Mit den ersten beiden Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Unionsrecht dem Umstand entgegensteht, dass in Bulgarien zwei verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen materiellen Voraussetzungen, Gebühren und Gerichtsständen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Staat wegen der Verletzung von Unionsrecht Anwendung finden.

32.

Die Fragen 3 bis 6 betreffen die Voraussetzungen, unter denen eine nicht verfügbare Einlage vorliegt. Zu klären ist, ob die Nichtverfügbarkeit erst mit der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und dem Widerruf der Zulassung des Kreditinstituts einsetzt, ob eine ausdrückliche Feststellung der Nichtverfügbarkeit der Einlagen erforderlich ist, ob der Einleger die Bank zur Auszahlung aufgefordert haben muss und letztendlich, ob den zuständigen Behörden ein Ermessen in Bezug auf die Frist zur Feststellung der Nichtverfügbarkeit zusteht.

33.

Die siebte und die achte Vorlagefrage kreisen schließlich darum, ob den relevanten Bestimmungen der Richtlinie 94/19 unmittelbare Wirkung zukommt und inwieweit eine fehlende oder nicht rechtzeitige Entscheidung über die Nichtverfügbarkeit von Einlagen einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, der eine Staatshaftung nach sich ziehen kann.

A.   Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

34.

Bevor ich mich der inhaltlichen Würdigung der Vorlagefragen zuwende, sind einige Worte zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geboten, da die BNB die Erheblichkeit der gestellten Fragen für die Entscheidung im Ausgangsverfahren anzweifelt.

35.

Zunächst trägt die BNB vor, der Gerichtshof habe im Urteil Paul ( 10 ) bereits entschieden, dass dem Einzelnen kein Schadensersatzanspruch wegen unzureichender Bankenaufsicht zustehe, sofern die in der Richtlinie 94/19 vorgesehene Entschädigung der Einleger gewährleistet ist. Da Gegenstand der vorliegenden Rechtsstreitigkeit ein Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelnder Bankenaufsicht seitens der BNB und der garantierte Einlagebetrag an Herrn Kantarev ausgezahlt worden sei, seien angesichts des Urteils Paul die Antworten auf die Vorlagefragen nicht (mehr) erforderlich.

36.

Aus der Tatsache, dass der Gerichtshof eine Vorlagefrage bereits beantwortet hat, kann jedoch nicht entnommen werden, dass diese Frage unerheblich und daher unzulässig geworden wäre. Art. 267 AEUV gestattet es den nationalen Gerichten, dem Gerichtshof Auslegungsfragen erneut vorzulegen, wenn sie dies für angebracht halten ( 11 ). Die Bedeutung des Urteils Paul ist insofern im Rahmen der materiell-rechtlichen Würdigung zu prüfen und kann die Zulässigkeit der Vorlage nicht beeinflussen.

37.

Nach Auffassung der BNB ist das Vorabentscheidungsersuchen auch deshalb unzulässig, weil im Ausgangsverfahren entschieden werden soll, ob Herr Kantarev tatsächlich einen Schaden erlitten habe. Dies festzustellen sei Sache des nationalen Gerichts und nicht des Gerichtshofs, und die Vorlagefragen seien hierfür ohne Bedeutung.

38.

Auch dieser Einwand verfängt nicht. Denn zum einen lässt die erbetene Auslegung des Unionsrechts die konkrete Schadensbeurteilung durch das nationale Gericht als Tatsachengericht unberührt. Und zum anderen gilt für Vorlagefragen, die das Unionsrecht betreffen, eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit ( 12 ). Das vorlegende Gericht hat insoweit im Übrigen ausführlich dargelegt, weshalb ihm die Beantwortung seiner Fragen notwendig erscheint, um über den Schadensersatzanspruch von Herrn Kantarev entscheiden zu können.

39.

Schließlich wendet die BNB ein, die Vorlagefragen seien für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auch nicht relevant, weil der bulgarische Gesetzgeber und nicht sie für die Umsetzung der Richtlinie in bulgarisches Recht zuständig sei.

40.

Dieses Vorbringen ist jedoch ebenfalls zu verwerfen. Denn die bei dem vorlegenden Gericht anhängige Schadensersatzklage ist gegen die BNB gerichtet, die als nationale Behörde die Richtlinie nach Auffassung des Klägers nicht richtig angewandt habe.

41.

Unter diesen Umständen ist nicht offensichtlich, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht. Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit zulässig.

B.   Inhaltliche Würdigung der Vorlagefragen

42.

Ich halte es für sinnvoll, zunächst die Fragen zu beantworten, die den Inhalt der von der Richtlinie 94/19 auferlegten Verpflichtung, die Nichtverfügbarkeit von Einlagen festzustellen, betreffen, bevor ich mich den etwaigen Konsequenzen der Nichteinhaltung dieser Verpflichtung widme.

1. Dritte bis sechste Vorlagefrage

43.

Der Begriff „Nichtverfügbare Einlage“, der im Mittelpunkt der Vorlagefragen 3 bis 6 steht, ist von zentraler Bedeutung für die Richtlinie 94/19. Denn für den Fall, dass Einlagen nicht verfügbar sind, gewährleisten die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie, dass anstelle der säumigen Kreditinstitute die von den Mitgliedstaaten errichteten Einlagensicherungssysteme binnen 20 Arbeitstagen ( 13 ) die Forderungen der Einleger auszahlen. Nach Art. 7 Abs. 1a derselben Richtlinie beträgt die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers 100000 Euro.

a) Zur Beantwortung der dritten und der sechsten Vorlagefrage

44.

Mit der dritten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der bulgarischen zur Zeit der streitigen Ereignisse entgegensteht, nach der eine „Nichtverfügbare Einlage“ erst gegeben ist, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts feststeht und dessen Zulassung widerrufen wurde.

45.

Die dritte Vorlagefrage ist eng verbunden mit der sechsten Vorlagefrage, die sich auf den Spielraum der zuständigen Behörde hinsichtlich der Frist für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen bezieht. Insbesondere möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Behörde von der Feststellungsfrist nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i Satz 2 der Richtlinie 94/19 abweichen kann, um das entsprechende Finanzinstitut unter besondere Aufsicht zu stellen. Beide Fragen sind gemeinsam zu beantworten.

46.

Nach dem Wortlaut von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i Satz 1 ist eine fällige, aber noch nicht gezahlte Einlage im Sinne der Richtlinie 94/19 nicht verfügbar, wenn die zuständige Behörde festgestellt hat, dass „ihrer Auffassung nach“ das Kreditinstitut „vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht“. Die Verwendung der Begriffe „Auffassung“, „vorerst“ und „gegenwärtig“ spricht dafür, dass erstens der zuständigen Behörde ein gewisser Ermessensspielraum zusteht, was die Einschätzung der Lage betrifft, und zweitens die Rückzahlung der Einlagen noch nicht endgültig ausgeschlossen sein muss, um die Feststellung der Nichtverfügbarkeit auszulösen. Die zuständige Behörde hat vielmehr eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob auf Grundlage der aktuellen Umstände eine Aussicht darauf besteht, dass die Einlagen in der Zukunft ( 14 ) zurückgezahlt werden. Diese Prognoseentscheidung ist zugleich Voraussetzung und hinreichende Bedingung dafür, dass Einlagen im Sinne der Richtlinie 94/19 nicht verfügbar sind.

47.

Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts oder der Widerruf der Banklizenz sind hingegen keine Umstände, an die der Wortlaut von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i Satz 1 der Richtlinie 94/19 anknüpft. Auch stehen beide Begriffe für Tatbestände, die mit den Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht notwendigerweise übereinstimmen. So beruhte im konkreten Fall der Widerruf der Banklizenz nicht unmittelbar auf einer Bewertung, ob „gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung“ seitens der KTB bestand, sondern auf einer Unterbilanz.

48.

In jedem Fall setzt Art. 1 Nr. 3 Ziff. i Satz 2 der Richtlinie 94/19 der zuständigen Behörde eine klare zeitliche Grenze für ihre Prognoseentscheidung. Diese Vorschrift verpflichtet die betroffene Behörde nämlich dazu, die Feststellung der Nichtverfügbarkeit so rasch wie möglich zu treffen, spätestens jedoch innerhalb von fünf Arbeitstagen, nachdem sie erstmals festgestellt hat, dass ein Kreditinstitut die fälligen und rückzahlbaren Einlagen nicht zurückgezahlt hat.

49.

Durch diese Formulierung wird deutlich, dass ein Mitgliedstaat die Pflicht der zuständigen Behörde zur alsbaldigen Feststellung der Nichtverfügbarkeit nicht aufweichen oder die hierfür vorgesehene Frist verlängern kann, indem er diese Feststellung von der Bedingung abhängig macht, dass die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts festgestellt und dessen Banklizenz widerrufen wurde. Verginge dadurch mehr Zeit ( 15 ), als der Behörde in Art. 1 Nr. 3 Ziff. i Satz 2 der Richtlinie 94/19 zugestanden wird, würde dies dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung widersprechen.

50.

Diese Auslegung wird durch die mit der Richtlinie 94/19 verfolgten Ziele gestützt.

51.

Die Richtlinie 94/19 dient nämlich sowohl der Stabilität des Bankensystems als auch dem Schutz der Sparer ( 16 ). Diese beiden Ziele sind eng miteinander verbunden: Der Schutz der Einleger dient deren Vertrauen in das Bankensystem, und die Stabilität des Bankensystems hängt wiederum vom Vertrauen der Einleger ab. Der durch das Einlagensicherungssystem garantierte Schutz der Einleger soll genügend Vertrauen wecken, um ein massives Abheben von Einlagen zu vermeiden. Denn ein plötzlicher und massiver Liquiditätsentzug kann nicht nur für ein sich in Schwierigkeiten befindliches Kreditinstitut, sondern auch für ein an sich gesundes Kreditinstitut erhebliche Folgen haben ( 17 ).

52.

Um diesen Ansteckungseffekt zu vermeiden, sollen die Einleger die Gewissheit haben, dass sie bei einem voraussichtlich dauerhaften Ausfall ihrer Kreditinstitute ihre Einlagen in der garantierten Höhe innerhalb kürzester und vorhersehbarer Zeit zurückerstattet bekommen, unabhängig von der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eines Kreditinstituts und dem Widerruf von dessen Zulassung. Das Vertrauen der Einleger in diese schnelle Rückerstattung darf auch nicht durch mögliche Verzögerungen aufgrund von Aufsichtsmaßnahmen erschüttert werden. Daher dürfen insbesondere Maßnahmen, die die Rückzahlung der Einlagen durch das Finanzinstitut für einen längeren Zeitraum aussetzen, nicht die Rückerstattung der Einlagen durch das Einlagensicherungssystem verschieben. Denn in diesem Fall sind ja gerade die Voraussetzungen für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit der Einlagen erfüllt.

53.

Im Übrigen zeigt die Begründung des Richtlinienentwurfs der Kommission, dass die Definition der nicht verfügbaren Einlage bewusst nicht an die Risiken der Sanierungs- und Liquidationsverfahren der Kreditinstitute geknüpft wurde ( 18 ). Auch der zwölfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/14 erwähnt die Möglichkeit, dass die Rückerstattung durch das Einlagensicherungssystem parallel zu Umstrukturierungsmaßnahmen stattfinden kann.

54.

Dass eine besonders schnelle Auszahlung dem europäischen Gesetzgeber wichtig war, wird auch dadurch deutlich, dass die Fristen zur Feststellung der Nichtverfügbarkeit (Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19) bzw. zur Auszahlung des Garantiebetrags (Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19) infolge der Änderung der Richtlinie 94/19 durch die Richtlinie 2009/14 von 21 auf fünf Tage bzw. von drei Monaten auf 20 Tage verkürzt wurden. Auch die Erwägungsgründe 8 und 9 der Richtlinie 94/19 unterstreichen, dass die Einlagensicherungssysteme tätig werden müssen, sobald Einlagen nicht verfügbar werden, und dass die Entschädigung aus der Einlagensicherung innerhalb kürzester Zeit gewährt werden muss.

55.

Daraus folgt, dass Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen innerhalb von fünf Arbeitstagen erfolgen muss, nachdem die zuständige Behörde erstmals festgestellt hat, dass ein Kreditinstitut die fälligen und rückzahlbaren Einlagen nicht zurückzugezahlt hat, unabhängig von der Entscheidung über die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts und dem Widerruf von dessen Zulassung. Auch besondere Aufsichtsmaßnahmen dürfen keine aufschiebende Wirkung auf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen haben.

b) Zur Beantwortung der vierten Vorlagefrage

56.

Mit der vierten Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Wesentlichen um Auskunft darüber, ob Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass die Nichtverfügbarkeit von Einlagen durch die zuständige Behörde ausdrücklich festgestellt werden muss, oder ob diese Nichtverfügbarkeit sich auch aus anderen Umständen ergeben kann, wie z. B. vorliegend aus der Entscheidung der BNB, die KTB unter besondere Aufsicht zu stellen.

57.

Die Richtlinie 94/19 schreibt für die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen durch die zuständige Behörde keine Form vor. Allerdings ist diese Feststellung von erheblicher Bedeutung für die Einlagensicherungssysteme, die diese Richtlinie eingeführt hat. Denn die Feststellung der Nichtverfügbarkeit ist nicht nur Voraussetzung für das Einschalten des Einlagensicherungssystems ( 19 ) sondern markiert auch den Beginn der Frist für die Entschädigung der Einleger.

58.

In der Tat sind nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 die Einlagensicherungssysteme gehalten, entsprechende Forderungen der Einleger binnen 20 Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Nichtverfügbarkeit von deren Einlagen zu begleichen. Nur bei „in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Umständen“ kann diese Frist auf Antrag des Einlagensicherungssystems verlängert werden, wobei diese Verlängerung zehn Arbeitstage nicht überschreiten darf.

59.

Aufgrund der zwingenden Frist, die das Einlagensicherungssystem für die Entschädigung der Einleger einzuhalten hat, muss es eindeutig und rasch erkennen können, wann diese Frist zu laufen beginnt. Das bedeutet, dass die Feststellung nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 sich klar auf diese Bestimmung beziehen und dem Einlagensicherungssystem unverzüglich zur Kenntnis gebracht werden muss. Eine Feststellung, die das Einlagensicherungssystem konkludent aus anderen Umständen entnehmen müsste, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

60.

Daraus folgt, dass Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen in einer Weise erfolgen muss, die dem Einlagensicherungssystem zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass die Frist aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 zu laufen begonnen hat.

c) Zur Beantwortung der fünften Vorlagefrage

61.

Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht herausfinden, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Nichtverfügbarkeit einer Einlage gemäß Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 erst festgestellt werden kann, wenn der Einleger beim Kreditinstitut ( 20 ) einen erfolglosen Antrag auf Auszahlung gestellt hat.

62.

Diese Ansicht wird vorliegend von der BNB vertreten, welche geltend macht, die Antwort auf die Frage, wann eine Einlage fällig und zu zahlen ist, hänge nach dem Wortlaut der Richtlinie von den jeweils einschlägigen gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen und damit vom nationalen Recht ab. Im konkreten Fall sähen sowohl das nationale Recht als auch der zwischen Herrn Kantarev und der KTB geschlossene Vertrag vor, dass vor Auszahlung der Einlagen ein entsprechender Antrag zu stellen sei. Im Übrigen sei, da die Fälligkeit und Zahlbarkeit einer Einlage vom nationalen Recht abhänge, die Antwort auf die fünfte Vorlagefrage der Kompetenz des Gerichtshofs entzogen.

63.

Dieser Einwand ist zunächst zurückzuweisen. Denn ungeachtet des Verweises auf die „gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen“, die für eine Einlage gelten, enthält Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 94/19 eine eigenständige und damit unionsrechtliche Definition der „nichtverfügbaren Einlage“. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass Art. 1 einleitend mit den Worten „[i]m Sinne dieser Richtlinie bedeuten“ überschrieben ist. Es ist Aufgabe des Gerichtshofs, im Rahmen der Auslegung dieser unionsrechtlichen Definition die Tragweite des Verweises auf die „gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen“ für die Fälligkeit und Zahlbarkeit einer Einlage zu ermitteln.

64.

Diesbezüglich kann die Ansicht der BNB auch inhaltlich nicht durchgreifen, da sie verkennt, dass die Definition der nicht verfügbaren Einlage in Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 94/19 zwei Funktionen hat: Zum einen dient sie der zuständigen Behörde bzw. einem Gericht dazu, festzustellen, dass ein Haftungsfall vorliegt, welcher das Tätigwerden des Einlagensicherungssystems auslöst; zum anderen bestimmt sie die Einlagen, welche aufgrund des Eintritts dieses Haftungsfalls vom Einlagensicherungssystem an die Einleger auszuzahlen sind.

65.

Diese zwei Funktionen der Definition der Nichtverfügbarkeit von Einlagen ergeben sich aus dem Zusammenspiel von Art. 1 Nr. 3, Art. 7 Abs. 1 und 1a und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19: Zunächst garantieren gemäß Art. 7 Abs. 1 und 1a die Mitgliedstaaten im Fall der Nichtverfügbarkeit die Einlagen eines jeden Einlegers in der von der Richtlinie festgelegten Höhe (erste Funktion). Sodann treffen die Einlagensicherungssysteme gemäß Art. 10 Abs. 1 Vorkehrungen, um im Fall der Nichtverfügbarkeit Forderungen der Einleger in Bezug auf nicht verfügbare Einlagen innerhalb der von der Richtlinie festgelegten Frist auszahlen zu können (zweite Funktion).

66.

Dass die Definition der nicht verfügbaren Einlage in ihrer ersten Funktion zunächst der Feststellung des Haftungsfalls durch die zuständige Behörde bzw. ein Gericht dient, wird sowohl durch den Wortlaut von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i und ii der Richtlinie 94/19 als auch durch den Sinn und Zweck dieser Bestimmung bestätigt: Hieraus ergibt sich nämlich, dass die Nichtverfügbarkeit eintritt, wenn fällige und rückzahlbare Einlagen aus Gründen der Finanzlage eines Kreditinstituts nicht zurückgezahlt werden. In diesem Moment ist in der Tat der Fall der Zahlungsunfähigkeit gegeben, für den die Einlagensicherungssysteme geschaffen und Einlagen in Höhe des festgelegten Betrags garantiert sind.

67.

Die für eine Einlage geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen sind damit im Rahmen der Feststellung der Nichtverfügbarkeit lediglich relevant, um zu bestimmen, ob ein Kreditinstitut zahlungsunfähig ist. So kann in der Tat nur die Tatsache, dass ein Kreditinstitut Einlagen, die gemäß den jeweiligen vertraglichen Bestimmungen fällig und rückzahlbar wären, nicht zurückzahlt, ein Indiz dafür sein, dass es nicht mehr zahlungsfähig ist. Denn dass Einlagen, die gemäß den anwendbaren Bestimmungen nicht fällig und rückzahlbar sind, nicht zurückgezahlt werden, liegt zunächst einmal genauso in der Natur der Sache wie umgekehrt der Umstand, dass beim normalen Funktionieren einer Bank fällige und rückzahlbare Einlagen nicht unaufgefordert ausgezahlt werden.

68.

Ist die Nichtverfügbarkeit aber einmal festgestellt, gelten sämtliche Einlagen eines Einlegers, die noch auf seinen Konten verbleiben und unter die Definition der Richtlinie 94/19 fallen ( 21 ), bis zu dem von dieser Richtlinie garantierten Betrag als fällig, rückzahlbar, noch nicht gezahlt und damit nicht verfügbar, so dass sie gemäß Art. 1 Nr. 3 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 vom Einlagensicherungssystem zurückzuzahlen sind.

69.

Bestehen die vom Einlagensicherungssystem zu zahlenden Einlagen somit schlichtweg aus dem Betrag, der in dem Moment, in dem die Nichtverfügbarkeit festgestellt wird, auf dem Konto des Einlegers verblieben ist, spielt die Frage, ob eine betroffene Einlage gemäß den für sie geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen „fällig, von einem Kreditinstitut zu zahlen und noch nicht gezahlt worden“ ist, in diesem Stadium keine Rolle mehr. Damit ist wahrscheinlich, dass im Moment der Nichtverfügbarkeit nicht nur Sichteinlagen wie die vorliegend betroffenen, sondern auch Festgeld, welches für einen gewissen Zeitraum angelegt und nur mit Kündigungsfrist verfügbar ist, im Sinne der Richtlinie 94/19 „fällig und von einem Kreditinstitut zu zahlen“ ( 22 ). Dies ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Frage und muss somit hier nicht abschließend geklärt werden.

70.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedenfalls, dass dem Einleger im Moment der Nichtverfügbarkeit von Einlagen keine noch so geartete Antragspflicht entgegengehalten werden kann, welche im Normalfall für die Rückzahlung seiner Einlagen gegeben ist. In der Situation der Zahlungsunfähigkeit wird von der Richtlinie vielmehr fingiert, dass Einleger ihre Einlagen zurückhaben wollen und die noch bei der Bank verbliebenen Einlagen somit als „noch nicht gezahlt“ im Sinne der Richtlinie zu gelten haben.

71.

Im Übrigen wäre es – wie die Umstände des Ausgangsverfahrens, in denen die betroffene Bank offensichtlich faktisch geschlossen war und ihre Geschäftsbeziehungen eingestellt hatte – nicht praktikabel, von den Einlegern zu verlangen, einen Antrag auf Auszahlung ihrer Einlagen zu stellen. Auch ist fraglich, wie sich das Stellen eines solchen Antrags – der sich bei jederzeit fälligen Sichteinlagen ja oftmals durch den Versuch, bei einem Bankautomat Geld abzuheben oder eine Überweisung im Internet zu tätigen, materialisiert – nachweisen lassen könnte. Somit wäre es auch für das Einlagensicherungssystem selbst problematisch, wenn es sich vergewissern müsste, dass die Einleger einen Antrag auf Auszahlung ihrer Einlagen gestellt haben ( 23 ). Dies würde auch weitere praktische Probleme nach sich ziehen: Wenn der Einleger nur versucht hätte, 500 Euro anzuheben, würde er dann dennoch in Höhe des von der Richtlinie vorgesehenen Betrags von 100000 Euro entschädigt?

72.

Schließlich ist eine Antragspflicht auch nicht damit zu vereinbaren, dass das erklärte Ziel der Richtlinie 94/19 ja gerade ist, sogenannte „Bank Runs“ und damit einen Ansturm der Einleger auf ein angeschlagenes oder auch gesundes Kreditinstitut zu verhindern. Es würde diesem Ziel zuwiderlaufen, wenn von den Einlegern erwartet würde, dass sie sich zuerst an ihre Bank gewendet haben, um vom Einlagensicherungssystem entschädigt zu werden.

73.

Der einzige Antrag, der von der Richtlinie 94/19 vorgesehen ist, ist der Antrag auf Entschädigung, welcher ans Einlagensicherungssystem selbst zu stellen ist ( 24 ). Und selbst diese Antragspflicht ist von der Richtlinie 2014/49 nicht mehr vorgesehen, da eine Pflicht zum Tätigwerden nicht geeignet ist, das Vertrauen der Einleger in die sofortige Rückzahlung zu begründen ( 25 ).

74.

Daraus folgt, dass Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass die Feststellung der Nichtverfügbarkeit einer Einlage nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Einleger das Kreditinstitut zur Rückzahlung aufgefordert haben muss.

d) Zwischenergebnis

75.

Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 ist dahin auszulegen, dass die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen innerhalb von fünf Arbeitstagen erfolgen muss, nachdem die zuständige Behörde erstmals festgestellt hat, dass ein Kreditinstitut die fälligen und rückzahlbaren Einlagen nicht zurückgezahlt hat, unabhängig von der Entscheidung über die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts und dem Widerruf von dessen Zulassung. Auch besondere Aufsichtsmaßnahmen dürfen keine aufschiebende Wirkung auf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen haben. Diese Feststellung muss weiter in einer Weise erfolgen, die dem Einlagensicherungssystem zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass die Frist aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 zu laufen begonnen hat. Schließlich darf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Einleger das Kreditinstitut zur Rückzahlung aufgefordert haben muss.

2. Siebte und achte Vorlagefrage

76.

Mit seinen letzten beiden Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dahin auszulegen ist, dass die Nichteinhaltung der dort vorgesehenen Frist zur Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen die Haftung eines Mitgliedstaats wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht auslöst. Insbesondere fragt das vorlegende Gericht, ob dies einen „hinreichend qualifizierten Verstoß“ darstellt und ob die Staatshaftung diesbezüglich auf vorsätzlich herbeigeführte Schäden beschränkt werden kann.

77.

Die BNB wendet ein, das Urteil Paul ( 26 ) habe schon ausgeschlossen, dass der Einzelne den betreffenden Mitgliedstaat auf der Grundlage der Richtlinie 94/19 über die vorgesehene Entschädigung hinaus haftbar machen kann ( 27 ).

a) Abgrenzung gegenüber dem Urteil Paul

78.

Dieser Einwand überzeugt aus den folgenden Gründen nicht. In der Rechtssache Paul hatte der betroffene Mitgliedstaat die Richtlinie 94/19 verspätet umgesetzt. Die durch den Konkurs ihrer Bank geschädigten Einleger wurden nicht durch ein Einlagensicherungssystem entschädigt. Demzufolge wurde der Mitgliedstaat wegen qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht von einem nationalen Gericht dazu verurteilt, die Einleger in Höhe des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 garantierten Betrags zu entschädigen.

79.

Der finanzielle Verlust der Einleger ging aber über den von der Richtlinie garantierten Betrag hinaus. Der Gerichtshof wurde daher mit der Frage befasst, ob die Richtlinie 94/19 dem Einleger neben dem Recht auf Erstattung des garantierten Betrags nach Art. 7 Abs. 1 auch weiter gehend ein Recht darauf verleiht, dass die zuständige Behörde bestimmte Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 3 Abs. 2 bis 5 (z. B. den Widerruf der Zulassung) trifft. In diesem Zuge stellte sich die Frage, ob Schäden, die bei Vornahme einer solchen Aufsichtsmaßnahme nicht entstanden wären, auch über den Garantiebetrag hinaus ersetzt werden müssten.

80.

So hielten in der Rechtssache Paul die geschädigten Einleger die Bankenaufsichtsbehörde für mitverantwortlich dafür, dass es überhaupt zum Verlust ihrer Einlagen gekommen war. Der Gerichtshof hat jedoch einen Anspruch der Einleger darauf, dass die zuständigen Behörden Aufsichtsmaßnahmen in ihrem Interesse ergreifen, verneint und einen Ersatzanspruch für den durch eine unzureichende Aufsicht entstandenen Schaden abgelehnt.

81.

In der Rechtssache Paul ging es demnach vor dem Gerichtshof gerade „nicht darum …, ob die nicht korrekte Umsetzung oder nicht korrekte Anwendung von Art. 7 der Richtlinie 94/19“ ( 28 ), also ein fehlerhaftes Funktionieren des Entschädigungsmechanismus, Staatshaftungsansprüche auslösen konnte. Vielmehr ging es um Staatshaftungsansprüche, die ihren Ursprung in der Nichtvornahme bestimmter, in Art. 3 der Richtlinie 94/19 vorgesehener Aufsichtsmaßnahmen hatten.

82.

Vorliegend geht es hingegen um die Frage, ob die nicht korrekte Umsetzung und Anwendung des Entschädigungsmechanismus Staatshaftungsansprüche auslösen kann. Herr Kantarev macht die Aufsichtsbehörden nicht für den Verlust seiner Einlage verantwortlich, sondern für die Nichtbeachtung der von der Richtlinie 94/19 vorgesehenen Entschädigungsmodalitäten.

83.

Der 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19 schließt die Haftung der Mitgliedstaaten nur aus, wenn diese für Systeme gesorgt haben, die die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe der Richtlinie gewährleisten. Herr Kantarev ist jedoch der Ansicht, dass der garantierte Betrag ihm nicht nach Maßgabe von Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie, sondern verspätet ausgezahlt wurde.

84.

Wie bereits erläutert ist aber gerade eine schnelle Entschädigung Zweck der Richtlinie 94/19. Die Staatshaftung wegen nicht korrekter Umsetzung oder nicht korrekter Anwendung von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i, der die Entschädigung nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 bedingt, ist also grundsätzlich nicht – weder vom Urteil Paul noch vom 24. Erwägungsgrund der Richtlinie – ausgeschlossen.

85.

Ein Anspruch besteht aber nur, wenn die Voraussetzungen der Staatshaftung vorliegen.

b) Die Voraussetzungen der Staatshaftung

86.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht ein Entschädigungsanspruch des Einzelnen für Schäden, die ihm durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Einzelnen; der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert; zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang ( 29 ). Es ist grundsätzlich Aufgabe der nationalen Gerichte, festzustellen, ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind und der Staat für den Ersatz des Schadens haftet ( 30 ). Dementsprechend streiten vorliegend die Parteien im Ausgangsverfahren darüber, ob die drei kumulativen Voraussetzungen für eine Staatshaftung aufgrund eines Verstoßes gegen das Unionsrecht vorliegen.

87.

Vorab ist festzuhalten, dass diese drei Voraussetzungen ausreichend sind, um einen Entschädigungsanspruch des Einzelnen zu begründen ( 31 ). Folglich schließt das Unionsrecht nicht aus, dass ein Staat nach nationalem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen für einen Verstoß gegen das Unionsrecht haftet. Es erlaubt jedoch nicht, dass im nationalen Recht zusätzliche Voraussetzungen für diese Haftung aufgestellt werden ( 32 ). Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Ersatz des Schadens im Rahmen des nationalen Rechts nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass den staatlichen Amtsträger ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) trifft, das über den Begriff des hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht hinausgeht, wenngleich dieser bestimmte objektive und subjektive Elemente erfasst, die im Rahmen einer nationalen Rechtsordnung an den Begriff des Verschuldens geknüpft sein können ( 33 ).

88.

Weiter ist vorab festzuhalten, dass – wie die Kommission zu Recht betont – die unmittelbare Wirkung einer Vorschrift keine Voraussetzung für die Staatshaftung ist ( 34 ).

89.

Für die Staatshaftung ist vielmehr zu prüfen, ob die Bestimmung, deren Verletzung geltend gemacht wird, dem Einzelnen Rechte verleiht.

90.

Vorliegend verleiht Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 dem Einzelnen kein Recht darauf, dass die zuständige Behörde automatisch die Nichtverfügbarkeit seiner Einlagen feststellt, wenn diese Nichtverfügbarkeit sich tatsächlich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt ( 35 ). Wie oben gesehen verfügt die zuständige Behörde vielmehr über einen gewissen Ermessensspielraum was diese Feststellung betrifft, da es sich vor allem um eine Prognoseentscheidung handelt ( 36 ).

91.

Allerdings sieht Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 vor, dass, wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, dass das Kreditinstitut aufgrund seiner Finanzlage vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht, diese Behörde die entsprechende Feststellung innerhalb von fünf Tagen, nachdem sie erstmals zur Kenntnis genommen hat, dass ein Kreditinstitut die Einlagen nicht zurückgezahlt hat, treffen muss.

92.

Dies bedeutet, dass diese Bestimmung dem Einzelnen zwar kein Recht auf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit seiner Einlage verleiht, wohl aber ein Recht darauf, dass die Behörde, wenn sie die Nichtverfügbarkeit feststellt, dies innerhalb von fünf Tagen tut.

93.

Die Vorschrift ist klar und genau, was die Frist anbelangt ( 37 ).

94.

Aufgrund der Aufsichtsmaßnahmen, die vorliegend von der BNB vorgenommen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diese Behörde der Auffassung war, dass das Kreditinstitut aufgrund seiner Finanzlage vorerst nicht in der Lage war, die Einlagen zurückzuzahlen. Am selben Tag, an dem sie von der KTB erfahren hat, dass diese die Zahlungen eingestellt hatte, hat die BNB die KTB wegen drohender Zahlungsunfähigkeit unter besondere Aufsicht gestellt. Dass zum damaligen Zeitpunkt auch keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung bestand, wurde sogar durch die Entscheidung der BNB selbst festgelegt, die Erfüllung aller Verbindlichkeiten der KTB einzustellen.

95.

Obwohl die BNB der Auffassung war, dass der KTB die Zahlungsunfähigkeit drohte und die BNB die Rückzahlung der betroffenen Einlage durch ihre eigene Entscheidung für längere Zeit verhindert hat, hat sie nicht innerhalb der Fünf-Tages-Frist die Feststellung nach Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 getroffen, die die Entschädigung der betroffenen Einleger nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 ausgelöst hätte. Das stellt einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie dar.

96.

Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob es einen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem gerügten Schaden gibt.

97.

Daraus folgt, dass unter Umständen wie den vorliegenden die nicht korrekte Anwendung von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht darstellt, um die Haftung des betroffenen Mitgliedstaats auszulösen. Die vom vorlegenden Gericht in seiner achten Frage zusätzlich genannten Umstände ändern hieran nichts.

3. Erste und zweite Vorlagefrage

98.

Mit seinen ersten beiden Vorlagefragen möchte das vorlegende Gericht schließlich wissen, ob das Unionsrecht dem Umstand entgegensteht, dass in Bulgarien zwei verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Staat wegen der Verletzung von Unionsrecht Anwendung finden können.

99.

In Bulgarien komme einerseits, in Anwendung des Gesetzes über Schuldverhältnisse und Verträge, das einen allgemeinen Schadensersatzanspruch vorsieht, die Zivilprozessordnung in Betracht. Andererseits könne in Anwendung des Staatshaftungsgesetzes, das die Haftung des Staates und der Gemeinden für Schäden infolge von rechtswidrigen Rechtsakten und rechtswidrigem Tun oder Unterlassen ihrer Organe und Angestellten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben regelt, die Verwaltungsgerichtsordnung einschlägig sein ( 38 ).

100.

Nach den Erklärungen des vorlegenden Gerichts unterscheiden sich beide Verfahren wie folgt: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat den Vorteil, dass die Haftung nicht verschuldensabhängig ist, die Verfahrensgebühren geringer sind und als Gerichtsstand auch der Wohnort des Geschädigten in Betracht kommt. Allerdings sei dieses Verfahren nur dann anwendbar, wenn ein Schaden durch aufgehobene rechtswidrige Rechtsakte und rechtswidriges Tun oder Unterlassen der Verwaltung entstanden ist. Darüber hinaus sei streitig, ob ein solches Verfahren gegen die BNB gerichtet werden kann, da es sich bei ihr zwar um eine staatliche, aber nicht um eine Verwaltungsbehörde handele.

101.

Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten ( 39 ). Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten zwar die Folgen eines vom Staat verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts beheben müssen, die Bestimmung der zuständigen Gerichte und des Verfahrens für die Geltendmachung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs aber grundsätzlich der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unterfällt.

102.

Das Unionsrecht hat demnach nicht zu bestimmen, welches Verfahren – wenn mehrere in Betracht kommen – zur Anwendung kommen soll. Dennoch enthält das Unionsrecht Grundsätze, die im Rahmen der Auswahl des geeigneten Verfahrens beachtet werden müssen.

103.

So erlaubt es das Unionsrecht nicht, dass im nationalen Recht strengere Voraussetzungen für die unionsrechtliche Staatshaftung aufgestellt werden als diejenigen, welche der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelt hat. Eine verschuldensabhängige Haftung, wie vorliegend vom Gesetz über Schuldverhältnisse und Verträge im Rahmen der Zivilprozessordnung verlangt, geht jedoch über die drei vorgesehenen Voraussetzungen für die unionsrechtliche Staatshaftung (eine Norm, die dem Einzelnen Rechte verleiht, ein hinreichend qualifizierter Verstoß und eine unmittelbare Kausalität zwischen diesem Verstoß und dem entstandenen Schaden) ( 40 ) hinaus ( 41 ).

104.

Auch sieht das Unionsrecht vor, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz für jeden Fall des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht zum Tragen kommt. Dies gilt unabhängig davon, welche staatliche Stelle den Verstoß begangen hat und welche Stelle nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats diesen Schadensersatz grundsätzlich zu leisten hat ( 42 ).

105.

Daraus folgt, dass aus unionsrechtlicher Sicht die Verpflichtung zum Schadensersatz grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten als Ganzes liegt und nicht bei der jeweiligen staatlichen Stelle, die für einen Verstoß gegen das Unionsrecht verantwortlich ist. So darf das innerstaatliche Recht zwar durchaus vorsehen, dass die staatliche Stelle, die für den entstandenen Schaden verantwortlich ist, in Haftung genommen wird und dies gegebenenfalls ein bestimmtes Verfahren nach sich zieht. Dies darf aber nicht dazu führen, dass der Rechtsschutz des Einzelnen geschwächt wird.

106.

Vorliegend sieht das innerstaatliche Recht für die Haftung des Staates, nicht aber für diejenige der BNB die Anwendung des Staatshaftungsgesetzes im Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung vor. Da die BNB zweifellos eine staatliche Stelle im Sinne des Unionsrechts ist, obliegt es dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob die Haftungsregelung für die BNB die Stellung des Einzelnen im Vergleich zur Staatshaftungsregelung für andere Staatsorgane in einem Maße schwächt, das die Durchsetzung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs beeinträchtigt.

107.

Im Rahmen seiner Verfahrensautonomie hat der Mitgliedstaat darüber hinaus die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten: Die im Schadensersatzrecht der Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Verstößen gegen das Unionsrecht dürfen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und nicht so ausgestaltet sein, dass sie es praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen (Effektivitätsgrundsatz) ( 43 ).

108.

Was den Äquivalenzgrundsatz anbelangt, ist vorliegend festzuhalten, dass keine der vom vorlegenden Gericht genannten Vorschriften ihrem Wortlaut nach danach unterscheidet, ob die Staatshaftung auf einen Verstoß gegen Unionsrecht oder gegen innerstaatliches Recht gestützt wird. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht auch nicht hervor, dass unionsrechtliche Sachverhalte ungünstiger behandelt würden als innerstaatliche ( 44 ).

109.

Dagegen begründet vorliegend allein schon die Unsicherheit über das Verfahren, das auf die Geltendmachung staatshaftungsrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung von Unionsrecht anzuwenden ist, einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz. Denn diese Unsicherheit erschwert dem Einzelnen übermäßig den Rechtsweg zur Erlangung einer Entschädigung, beginnend mit der Identifizierung des Gerichts – Verwaltungsgericht oder Zivilgericht –, vor dem er Klage erheben soll.

110.

Fraglich ist darüber hinaus, ob der Effektivitätsgrundsatz einer nationalen Regelung wie vorliegend der bulgarischen Verwaltungsgerichtsordnung entgegensteht, wonach der der Verletzung des Unionsrechts zugrunde liegende rechtswidrige Rechtsakt aufgehoben bzw. die Rechtswidrigkeit des Tuns oder Unterlassens, welches zur Verletzung geführt hat, festgestellt worden sein muss.

111.

Insoweit hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass das nationale Gericht prüfen kann, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht und ob er insbesondere rechtzeitig von allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat ( 45 ).

112.

Jedoch widerspräche es dem Grundsatz der Effektivität, von den Geschädigten zu verlangen, systematisch von allen ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen ( 46 ). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen, ob es Herrn Kantarev zumutbar war, vor seinem Rechtsmittel zur Erlangung von Schadensersatz weitere Rechtsmittel zur Aufhebung der Akte der BNB oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit von deren Handeln oder Unterlassen einzulegen ( 47 ).

113.

Fraglich ist schließlich, ob der Umstand, dass die Geltendmachung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs nach bulgarischem Recht von der Zahlung eines – auch anteiligen – Gerichtskostenvorschusses in Form einer Gebühr abhängt, dem Effektivitätsgrundsatz widerspricht. Der Umstand, dass das nationale Recht einen – auch anteiligen – Gerichtskostenvorschuss vorsieht, ist in vielen Mitgliedstaaten üblich und verstößt für sich genommen nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz. Das zuständige Gericht hat dennoch zu prüfen, ob er für den Zugang zum Recht gegebenenfalls ein unüberwindliches Hindernis darstellt ( 48 ) und ob in diesem Fall die Möglichkeit besteht, von der Zahlung befreit zu werden.

114.

Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist damit festzuhalten, dass das Unionsrecht nicht verbietet, dass in Bulgarien je nach handelnder staatlicher Stelle zwei verschiedene Verfahren zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen aufgrund von Verstößen gegen das Unionsrecht zur Anwendung kommen können, solange für den Einzelnen klar erkennbar ist, auf welches Verfahren er im Einzelfall zurückgreifen muss und dieses Verfahren eine effektive Durchsetzung des unionsrechtlichen Schadensersatzanspruchs ermöglicht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen gegen die BNB anwendbare Verfahren diesen Voraussetzungen genügt.

V. Ergebnis

115.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf das Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) wie folgt zu antworten:

1.

Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 ist dahin auszulegen, dass die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen innerhalb von fünf Arbeitstagen erfolgen muss, nachdem die zuständige Behörde erstmals festgestellt hat, dass ein Kreditinstitut die fälligen und rückzahlbaren Einlagen nicht zurückgezahlt hat, unabhängig von der Entscheidung über die Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts und dem Widerruf von dessen Zulassung. Auch besondere Aufsichtsmaßnahmen dürfen keine aufschiebende Wirkung auf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit von Einlagen haben. Diese Feststellung muss weiter in einer Weise erfolgen, die dem Einlagensicherungssystem zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass die Frist aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 zu laufen begonnen hat. Schließlich darf die Feststellung der Nichtverfügbarkeit nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Einleger das Kreditinstitut zur Rückzahlung aufgefordert haben muss.

2.

Unter Umständen wie den vorliegenden stellt die nicht korrekte Anwendung von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i der Richtlinie 94/19 einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar, um die Haftung des betroffenen Mitgliedstaats auszulösen.

3.

Das Unionsrecht verbietet es nicht, dass in Bulgarien je nach handelnder staatlicher Stelle zwei verschiedene Verfahren zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen aufgrund von Verstößen gegen das Unionsrecht zur Anwendung kommen können, solange für den Einzelnen klar erkennbar ist, auf welches Verfahren er im Einzelfall zurückgreifen muss und dieses Verfahren eine effektive Durchsetzung des unionsrechtlichen Schadensersatzanspruchs ermöglicht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob das zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen gegen die BNB anwendbare Verfahren diesen Voraussetzungen genügt.


( 1 ) Originalsprache: Deutsch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5).

( 3 ) Der garantierte Betrag war allerdings ursprünglich niedriger. Ab 2009 ist er von 20000 ECU stufenweise auf 100000 Euro erhöht worden (Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, ABl. 2009, L 68, S. 3).

( 4 ) Vgl. zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19.

( 5 ) Vorschlag vom 12. Juli 2010 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufassung], KOM(2010)368 endgültig.

( 6 ) In der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung. Die Richtlinie 94/19 wurde zwischenzeitlich aufgehoben und durch eine Neufassung ersetzt, allerdings erst mit Wirkung vom 4. Juli 2019 (vgl. Art. 21 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme, ABl. 2014, L 173, S. 149), wobei manche Bestimmungen der Neufassung bereits zum 3. Juli 2015 umgesetzt werden mussten (vgl. Art. 20 der Richtlinie 2014/49). Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt fand im vorliegenden Fall allein die Richtlinie 94/19 (in der durch die Richtlinie 2009/14 geänderten Fassung) Anwendung.

( 7 ) Nummerierung durch die Verfasserin.

( 8 ) In seiner für das Ausgangsverfahren einschlägigen Fassung.

( 9 ) In seiner für das Ausgangsverfahren einschlägigen Fassung.

( 10 ) Urteil vom 12. Oktober 2004, Paul u. a. (C‑222/02, EU:C:2004:606).

( 11 ) Urteil vom 12. Oktober 2010, Rosenbladt (C‑45/09, EU:C:2010:601, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 12 ) Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Die Richtlinie 2014/49 sieht vor, dass diese Frist auf sieben Arbeitstage – nach Wahl der Mitgliedstaaten schrittweise bis zum 31. Dezember 2023 – herabgesetzt wird (Art. 8 Abs. 1 und 2).

( 14 ) In manchen Sprachfassungen dieser Vorschrift handelt es sich genauer um die nahe Zukunft (Französisch: „pas de perspective rapprochée“; Italienisch: „non ha, a breve, la prospettiva“; Niederländisch: „op afzienbare termijn“).

( 15 ) Die Zuständigkeit für den Entzug der Zulassung von Kreditinstituten wurde ab dem 4. November 2014 auf die Europäische Zentralbank übertragen (Verordnung [EU] Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. 2013, L 287, S.63). Die in Art. 14 Abs. 5 und 6 dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen lassen erkennen, dass bis zum Entzug der Banklizenz eine längere Zeit vergehen kann.

( 16 ) Siehe erster Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19 sowie Erwägungsgründe 1 und 3 der Richtlinie 2009/14.

( 17 ) Siehe vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19.

( 18 ) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Einlagensicherungssysteme (KOM[92] 188 endg., S. 11).

( 19 ) Siehe oben, Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.

( 20 ) Aus der Frage des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass es sich bei dem Antrag, dessen Notwendigkeit es erfragt, um einen Antrag bei dem betreffenden Kreditinstitut und nicht um einen Antrag beim zuständigen Einlagensicherungssystem handelt. Siehe hierzu unten, Nr. 73.

( 21 ) Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 94/19 können nur die in Anhang I dieser Richtlinie aufgelisteten Einlagen von der Sicherung ausgenommen werden. Ist eine Einlage nicht gesichert, muss das Kreditinstitut die Einleger entsprechend informieren (vgl. Art. 9 Abs. 1).

( 22 ) Hierfür spricht, dass die Richtlinie 2014/49, welche die Richtlinie 94/19 zwar ablöst, jedoch deren Definition der „nichtverfügbaren Einlage“ beibehält, Festgeld ausdrücklich in die Definition der Einlage mit einschließt. Darüber hinaus sieht sie vor, dass Einlagenzinsen, die bis zum Zeitpunkt der Feststellung der Nichtverfügbarkeit aufgelaufen, aber noch nicht gutgeschrieben sind, vom Einlagensicherungssystem erstattet werden; vgl. Art. 2, Abs. 1, Nrn. 3 und 8 sowie Art. 7 Abs. 7 der Richtlinie 2014/49 (oben, Fn. 6).

( 23 ) Zumal die Entschädigung rasch erfolgen muss: innerhalb von 20 Arbeitstagen gemäß Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 94/19 und sogar innerhalb von sieben Tagen gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2014/49.

( 24 ) Vgl. Art 9 Abs. 1 Unterabs. 2 sowie Art 10 Abs. 3 der Richtlinie 94/19.

( 25 ) Vgl. Art 8 Abs. 6 der Richtlinie 2014/49: „Der zu erstattende Betrag ist zur Verfügung zu stellen, ohne dass dafür ein Antrag beim Einlagensicherungssystem gestellt werden muss.“

( 26 ) Urteil vom 12. Oktober 2004, Paul u. a. (C‑222/02, EU:C:2004:606).

( 27 ) Siehe schon oben, Nrn. 35 und 36 der vorliegenden Schlussanträge.

( 28 ) Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache Paul u. a. (C‑222/02, EU:C:2003:637, Nr. 87).

( 29 ) Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 51), vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 20), vom 26. Januar 2010, Transportes Urbanos y Servicios Generales (C‑118/08, EU:C:2010:39, Rn. 30), und vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 47).

( 30 ) Vgl. Urteile vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 62), und vom 9. September 2015, Ferreira da Silva e Brito u. a. (C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 50).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Vgl. Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 33 ) Vgl. Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 78 bis 80), vom 4. Juli 2000, Haim (C‑424/97, EU:C:2000:357, Rn. 39), und vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 67).

( 34 ) Vgl. Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 21 und 22).

( 35 ) Hier unterscheidet sich die Richtlinie vom ursprünglichen Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Einlagensicherungssysteme, wo nicht erforderlich war, dass die Zahlungsaussetzung von einer Verwaltungsbehörde festgestellt wird; dem Entwurf nach genügte es vielmehr, dass „die Zahlungsaussetzung sich tatsächlich über mehr als zehn aufeinanderfolgende Tage erstreckt“ (KOM[92] 188 endg., S. 29).

( 36 ) Siehe oben, Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.

( 37 ) Das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift gehört zu den Gesichtspunkten, die gegebenenfalls im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht zu berücksichtigen sind, vgl. Urteil vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 55 und 56).

( 38 ) Siehe Ausführungen zum nationalen Recht in den Nrn. 14 bis 17 der vorliegenden Schlussanträge.

( 39 ) Vgl. Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 50), und vom 14. September 2017, Petrea (C‑184/16, EU:C:2017:684, Rn. 58).

( 40 ) Siehe oben, Nr. 86 der vorliegenden Schlussanträge.

( 41 ) Siehe Nr. 87 der vorliegenden Schlussanträge.

( 42 ) Vgl. Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 32), und vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 43 ) Vgl. Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428, Rn. 43), vom 30. September 2003, Köbler (C‑224/01, EU:C:2003:513, Rn. 58), vom 26. Januar 2010, Transportes Urbanos y Servicios Generales (C‑118/08, EU:C:2010:39, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie vom 9. September 2015, Ferreira da Silva e Brito u. a. (C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 50).

( 44 ) Vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall Urteil vom 15. März 2017, Aquino (C‑3/16, EU:C:2017:209, Rn. 50 und 51).

( 45 ) Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 75); vgl. auch Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 84), vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 124), sowie vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 60).

( 46 ) Urteile vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 77), und vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 62).

( 47 ) Urteil vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 64).

( 48 ) Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB (C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 61).

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