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Document 62016CC0186

Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 27. April 2017.
Ruxandra Paula Andriciuc u. a. gegen Banca Românească SA.
Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Oradea.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 – Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln – In einer Fremdwährung geschlossener Kreditvertrag – Wechselkursrisiko vollständig vom Verbraucher zu tragen – Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner – Zeitpunkt, auf den für die Beurteilung des Missverhältnisses abzustellen ist – Bedeutung des Begriffs ‚Klauseln, die klar und verständlich abgefasst sind‘ – Umfang der von der Bank zur Verfügung zu stellenden Informationen.
Rechtssache C-186/16.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:313

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 27. April 2017 ( 1 )

Rechtssache C‑186/16

Ruxandra Paula Andriciuc u. a.

gegen

Banca Românească SA

(Vorabentscheidungsersuchen der Curtea de Apel Oradea [Berufungsgericht Oreada, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Richtlinie 93/13/EWG – Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 – Auf eine Fremdwährung lautende Kreditverträge – Klauseln, die der Beurteilung der Missbräuchlichkeit unterliegen – Klare und verständliche Vertragsklauseln betreffend die Definition des Hauptgegenstands des Vertrags oder die Angemessenheit des Preises – Zeitpunkt der Beurteilung des Vorliegens eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten der Vertragspartner – Umfang und Stand der von der Bank zu erteilenden Informationen“

1. 

In der vorliegenden Rechtssache befragt uns die Curtea de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea, Rumänien) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem Bankinstitut und mehreren privaten Darlehensnehmern zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG ( 2 ). In diesem Rechtsstreit geht es um Klagen auf Nichtigerklärung bestimmter vermeintlich missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherkreditverträgen in Fremdwährungen, insbesondere solchen, die das „Wechselkursrisiko“ und die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kredits in der Fremdwährung betreffen, in der er abgeschlossen wurde.

2. 

Der Gerichtshof hat zwar bereits bestimmte Erläuterungen zur Auslegung der Richtlinie 93/13 in dem sehr spezifischen Kontext von Kreditverträgen in Fremdwährungen gegeben, mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird er aber um zusätzliche Klarstellungen ersucht, nämlich erstens zum Zeitpunkt der Beurteilung des Vorliegens eines „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“ zum Nachteil des Verbrauchers im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie und zweitens zur Tragweite von Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie, der insbesondere Klauseln, die „den Hauptgegenstand“ eines Vertrags definieren, von der Beurteilung der Missbräuchlichkeit ausschließt. Noch grundlegender bietet diese Rechtssache die Gelegenheit, sich zu der Frage zu äußern, ob Darlehen in Fremdwährungen ( 3 ) in einem besonders sensiblen Kontext ( 4 ) überhaupt unionsrechtskonform sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3.

Art. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„(1)   Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.

(2)   Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft – insbesondere im Verkehrsbereich – Vertragsparteien sind, unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“

4.

Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie ist „[e]ine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, … als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten des Vertragspartners verursacht“.

5.

Art. 4 der Richtlinie 93/13 lautet:

„(1)   Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.

(2)   Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

6.

Art. 5 der Richtlinie bestimmt:

„Sind alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln schriftlich niedergelegt, so müssen sie stets klar und verständlich abgefasst sein. …“

Rumänisches Recht

Gesetz Nr. 193/2000

7.

Die Legea nr. 193/2000 privind clauzele abuzive din contractele încheiate între comercianţi şi consumatori (Gesetz Nr. 193/2000 über missbräuchliche Klauseln in zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geschlossenen Verträgen) vom 10. November 2000 in der erneut veröffentlichten Fassung ( 5 ) dient der Umsetzung der Richtlinie 93/13.

8.

Art. 4 dieses Gesetzes lautet:

„(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht unmittelbar mit dem Verbraucher ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie allein oder in Verbindung mit anderen Vertragsbestimmungen zum Nachteil des Verbrauchers entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

(6)   Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln bezieht sich weder auf den Hauptgegenstand des Vertrags oder die Fähigkeit zur Erfüllung der Preis- oder Zahlungsanforderungen einerseits noch auf die als Gegenleistung zu erbringenden Dienstleistungen bzw. zu liefernden Güter andererseits, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“

9.

Nach Nr. 1 Buchst. p des Anhangs des Gesetzes Nr. 193/2000 gelten Vertragsklauseln als missbräuchlich, die vorsehen, dass „der Preis der Waren zum Zeitpunkt der Lieferung bestimmt wird, oder die den Verkäufern der Waren oder Erbringern der Dienstleistungen erlauben, den Preis zu erhöhen, ohne dass jeweils der Verbraucher den Vertrag kündigen kann, falls der endgültige gegenüber dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbarten Preis übermäßig hoch ist“. Weiter heißt es dort dass „[d]ie Bestimmungen dieses Buchstabens Preisindexierungsklauseln nicht entgegen[stehen], wenn diese rechtmäßig sind und der Modus der Preisänderung darin ausdrücklich beschrieben wird“.

10.

Nr. 2 des Anhangs sieht vor:

„Die Bestimmungen des Abs. 1 Buchst. a, p und t finden keine Anwendung auf

a)

Geschäfte mit Wertpapieren, Finanzpapieren und anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen, bei denen der Preis von den Veränderungen einer Notierung oder eines Börsenindex oder von Kursschwankungen auf dem Kapitalmarkt abhängt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat;

b)

Verträge über den Kauf oder Verkauf von Fremdwährungen, Reiseschecks, internationalen Postanweisungen in Fremdwährung oder anderen internationalen Zahlungsinstrumenten.“

11.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Art. 4 Abs. 6 und Nr. 2 des Anhangs durch das Gesetz Nr. 363/2007 eingeführt wurden, das am 31. Dezember 2007 in Kraft trat, und dass Nr. 1 Buchst. p davor wie folgt lautete:

„Als missbräuchliche Klauseln sind Vertragsbestimmungen anzusehen, die die Festlegung oder die Erhöhung des Preises zum Zeitpunkt der Lieferung gegenüber dem bei Vertragsschluss vereinbarten Preis gestatten, wenn der Verbraucher nicht zur Kündigung des Vertrags berechtigt ist, falls der Preis seiner Auffassung nach im Verhältnis zum anfangs vereinbarten zu hoch ist.“

Bürgerliches Gesetzbuch

12.

Art. 1578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmte in der bei Abschluss der Verträge geltenden Fassung:

„Die Verpflichtung aus einem Darlehen ist stets auf den im Vertrag angegebenen bezifferten Betrag beschränkt.

Steigt oder fällt der Preis der Währungen vor Ablauf der Zahlungsfrist, hat der Schuldner den Darlehensbetrag zurückzuzahlen und ist verpflichtet, ihn nur in der zum Zeitpunkt der Zahlung geltenden Währung zurückzuzahlen.“

13.

Art. 970 des Bürgerlichen Gesetzbuchs lautete in der bei Abschluss der Verträge geltenden Fassung wie folgt:

„Verträge sind nach Treu und Glauben zu erfüllen.

Sie verpflichten nicht nur zu dem, was ausdrücklich in ihnen vereinbart ist, sondern zu allem Weiteren, wozu die Gerechtigkeit, die Verkehrssitte oder das Gesetz entsprechend dem Wesen des jeweiligen Vertrags verpflichtet.“

Gesetz Nr. 190/1999

14.

In Art. 8 des Gesetzes Nr. 190/1999 über Hypothekenkredite für Immobilienanlagen (im Folgenden: Gesetz Nr. 190/1999) heißt es in der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge geltenden Fassung:

„Vor Unterzeichnung des Vertrags über einen Hypothekenkredit für Immobilienanlagen stellt das zugelassene Unternehmen dem Kreditnehmer ein schriftliches Angebot zur Verfügung, das sämtliche Vertragsbedingungen und die Gültigkeitsdauer des Angebots enthält, die nicht weniger als zehn Tage ab Erhalt des Angebots durch den potenziellen Schuldner betragen darf.“

15.

Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 190/1999 sieht vor:

„Bei einem Hypothekenkredit für Immobilienanlagen darf die bewilligte Kreditsumme auf Lei oder auf eine konvertible Währung lauten und dem Kreditnehmer in einer oder mehreren Auszahlungen zur Verfügung gestellt werden.“

Verordnung Nr. 3

16.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Art. 4 der Verordnung Nr. 3 der Banca Naţională a Romaniei (Rumänische Nationalbank) vom 12. März 2007 zur Begrenzung des Risikos bei an natürliche Personen zu vergebenden Krediten am 22. August 2008 in Kraft trat und Folgendes vorsieht:

„Die Kreditgeber sind verpflichtet, die Kunden durch Angabe im Kredittilgungsplan für die betreffenden Verträge oder, wenn sie keine Kredittilgungspläne erstellen, durch gesonderte Angabe in den Kreditverträgen über die Möglichkeit zu unterrichten, dass sich die geschuldeten Beträge erhöhen können, sofern sich das Wechselkurs- und/oder das Zinsrisiko verwirklicht oder falls die Kreditkosten durch Provisionen und andere im Vertrag vorgesehene Kreditverwaltungskosten steigen.“

Ausgangsverfahren, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

17.

Aus der Sachverhaltsschilderung des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass Frau Ruxandra Paula Andriciuc und 68 weitere Personen (im Folgenden: Kreditnehmer) zwischen April 2007 und Oktober 2008 mit der Bank Banca Românească SA (im Folgenden: Bank) Kreditverträge in Schweizer Franken für den Erwerb von Immobilien, für die Anschlussfinanzierung anderer Kredite oder zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse abschlossen.

18.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 des von jedem der Kreditnehmer unterzeichneten Vertrags sind die monatlichen Kreditraten in Schweizer Franken zu zahlen. Art. 8 Abs. 2 des Vertrags legt fest, dass „[j]ede vom Kreditnehmer zum Zweck der Kreditrückzahlung bewirkte Zahlung … in der Währung zu erfolgen [hat], in der der Kredit gewährt wurde“. Außerdem enthalten die Art. 9.1 und 10.3.9. dieses Vertrags zwei Klauseln, die es der Bank gestatten, bei Fälligkeit der monatlichen Tilgungsraten oder bei Nichteinhalten der sich aus diesen Verträgen ergebenden Pflichten durch den Kreditnehmer dessen Konto zu belasten und, soweit erforderlich, auf diesem Konto verfügbare flüssige Mittel zu dem Wechselkurs, den die Bank am Tag dieser Operation anwendet, in die Währung des Vertrags umzuwandeln. Nach diesen Klauseln sind Differenzen des Wechselkurses allein vom Kreditnehmer zu tragen.

19.

Nach Ansicht der Kreditnehmer war die Bank in der Lage, die Entwicklung und die Schwankungen des Wechselkurses für den Schweizer Franken vorherzusehen. Da die Bank sie nicht transparent über diese Schwankungen informiert habe, habe sie gegen ihre Informations-, Warn- und Beratungspflichten verstoßen sowie gegen ihre Pflicht zur klaren und verständlichen Abfassung der Vertragsklauseln, damit der Kreditnehmer das Ausmaß der Verpflichtungen aus dem von ihm abgeschlossenen Vertrag ermessen könne.

20.

Da sie die Klauseln, die eine Rückzahlung des Kredits in Schweizer Franken vorsehen und das Wechselkursrisiko auf die Kreditnehmer abwälzen, für missbräuchlich halten, reichten die Kreditnehmer am 2. April 2014 beim Tribunalul Bihor (Landgericht Bihor, Rumänien) Klage ein, die im Wesentlichen darauf gerichtet war, diese Klauseln für absolut nichtig zu erklären und die Bank zu verurteilen, für jeden Kreditvertrag einen neuen Fälligkeitsplan für die Rückzahlung zu erstellen, der eine Umrechnung des Darlehens in rumänische Lei zu dem Wechselkurs, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags in Kraft war, vorsieht.

21.

Mit seinem Urteil Nr. 280/COM vom 30. April 2015 wies dieses Gericht die Klage ab.

22.

Die Kreditnehmer haben gegen dieses Urteil Berufung bei dem vorlegenden Gericht eingelegt, das aufgrund von Zweifeln an der Auslegung einiger Bestimmungen der Richtlinie 93/13 beschlossen hat, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Vorlagefragen vorzulegen:

1.

Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass bei der Beurteilung, ob ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner vorliegt, strikt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, oder erfasst er auch den Fall, dass während der Erfüllung eines Vertrags über wiederkehrende Leistungen die Leistung des Verbrauchers aufgrund von, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, erheblichen Änderungen des Wechselkurses zu einer übermäßigen Belastung geworden ist?

2.

Ist eine Vertragsklausel schon dann klar und verständlich im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, wenn sie nur die Gründe für ihre Aufnahme in den Vertrag und ihre Funktionsweise angibt, oder muss sie auch alle ihre möglichen Folgen vorsehen, aufgrund deren sich der vom Verbraucher gezahlte Preis ändern kann, beispielsweise das Wechselkursrisiko, und kann im Licht der Richtlinie 93/13 davon ausgegangen werden, dass die Verpflichtung der Bank, den Kunden zum Zeitpunkt der Kreditgewährung zu unterrichten, ausschließlich die Kreditbedingungen betrifft, d. h. die Zinsen, die Provisionen, die vom Kreditnehmer gestellten Sicherheiten, in diese Verpflichtung die mögliche Auf- oder Abwertung einer Fremdwährung aber nicht einbezogen werden kann?

3.

Ist Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass die Wendungen „Hauptgegenstand des Vertrages“ und „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“ für eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel in einem in einer Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher gelten, nach der der Kredit in eben dieser Währung zurückzuzahlen ist?

23.

Die Kreditnehmer, die Bank, die rumänische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben Erklärungen eingereicht.

24.

Am 9. Februar 2017 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, an der die Kreditnehmer, die Bank, die rumänische Regierung und die Kommission teilgenommen haben.

Würdigung

25.

Bevor ich nacheinander die Fragen des vorlegenden Gerichts prüfe, möchte ich zunächst einige Bemerkungen zur Zulässigkeit dieser Vorlage machen, die von der Bank in Frage gestellt wird.

26.

Die Bank hat Zweifel an der Zulässigkeit der gestellten Fragen geäußert, weil sie die Vorlagefragen weder für erforderlich im Sinne der hierzu vorliegenden Rechtsprechung noch für sachdienlich angesichts der Art des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren hält. Die Vorlage zur Vorabentscheidung ziele in Wirklichkeit auf eine individuelle Lösung im Hinblick auf eine konkrete Beilegung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren.

27.

Insoweit genügt der Hinweis, dass Vorabentscheidungsersuchen zum einen die Vermutung der Sachdienlichkeit genießen und dass es zum anderen nicht offensichtlich ist, dass die im vorliegenden Fall gestellten Fragen keinen Nutzen für den vorlegenden Richter aufweisen, der am besten in der Lage ist, über die Zweckmäßigkeit der Vorlage zur Vorabentscheidung zu entscheiden ( 6 ).

28.

Es ist insoweit anerkannt, dass ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts vom Gerichtshof nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind ( 7 ).

29.

Was sodann den Inhalt der hier gestellten Fragen angeht, so betreffen sie erstens die Bewertung einer auf den Vertragsabschluss folgenden Entwicklung aus der Sicht der Richtlinie 93/13, zweitens die Beurteilung der Klarheit und Verständlichkeit von Vertragsklauseln in einem solchen Kontext und drittens die Definition dessen, was unter „Hauptgegenstand des Vertrages“ und „Angemessenheit [des Preises]“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie zu verstehen ist.

30.

Wie von der rumänischen Regierung vorgeschlagen, sind die Fragen auch meiner Ansicht nach in umgekehrter Reihenfolge zu prüfen. Die Frage nach der Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13, der bestimmte Vertragsklauseln von der Missbrauchskontrolle ausnimmt, und die Frage, ob die in Rede stehenden Klauseln „klar und verständlich“ abgefasst sind, stellen sich vor einer Beurteilung der Missbräuchlichkeit dieser Klauseln ( 8 ).

31.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es zwar allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, diese Klauseln in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls auszulegen, jedoch ist der Gerichtshof dafür zuständig, aus den Bestimmungen der Richtlinie 93/13, hier Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 2, die Kriterien herzuleiten, die das nationale Gericht anwenden kann oder muss, wenn es Vertragsklauseln an diesen Bestimmungen misst ( 9 ).

Zur dritten Frage: Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13

32.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Vertragsklausel, nach der der Kredit in derselben Währung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde – und die nach Ansicht der Kreditnehmer somit dem Verbraucher das „Wechselkursrisiko“ auferlegt –, unter Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt.

33.

Nach einleitenden Ausführungen zur Tragweite dieser Bestimmung im Licht der Grundlinien der Rechtsprechung werde ich Kreditverträge wie die im Ausgangsverfahren prüfen.

Einleitende Ausführungen zur Tragweite von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13

34.

Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 sind Klauseln, die sich auf den „Hauptgegenstand des Vertrages“ und die „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“, beziehen, der Beurteilung der Missbräuchlichkeit entzogen. Diese Bestimmung beruht auf dem Gedanken, dass der Kern des Vertragsverhältnisses (die essentialia negotii) grundsätzlich nicht durch einen Eingriff von außen beeinträchtigt werden darf ( 10 ), und zwar u. a. auch nicht durch den Eingriff eines Richters.

35.

Der Gerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung einige wichtige Klarstellungen zur Tragweite dieser Bestimmung und zu den Kriterien vorgenommen, die das nationale Gericht bei der Prüfung der Vertragsklauseln auf diese anwenden darf oder muss.

36.

Zunächst hat er festgestellt, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 eng auszulegen ist, da er eine Ausnahme von der in der Richtlinie 93/13 geregelten Inhaltskontrolle missbräuchlicher Klauseln vorsieht ( 11 ).

37.

Sodann hat er darauf hingewiesen, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 verwendeten Ausdrücke eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss ( 12 ).

38.

Was als Erstes den Ausdruck „Hauptgegenstand des Vertrages“ angeht, so verweist er auf Klauseln, die die Hauptleistungen nach diesem Vertrag festlegen und ihn als solche charakterisieren. Akzessorische Klauseln können gegenüber solchen, die das Wesen des Vertragsverhältnisses selbst definieren, somit nicht unter den Ausdruck „Hauptgegenstand des Vertrages“ fallen. Zu betonen ist, dass für die Unterscheidung, was in einem Vertrag „wesentlich“ und was „akzessorisch“ ist, die Natur, die Systematik und die Bestimmungen des betreffenden Kreditvertrags sowie sein rechtlicher und tatsächlicher Kontext zu berücksichtigen sind ( 13 ).

39.

Als Zweites ist klargestellt worden, dass den Preis und das Entgelt betreffende Klauseln eine eingeschränkte Tragweite haben, da sie nicht die Angemessenheit des Preises bzw. des Entgelts betreffen. Da es an einem Rahmen oder an Leitlinien fehlt, die den Richter bei seiner Prüfung leiten können, kann der Ausschluss der Prüfung der Missbräuchlichkeit tatsächlich nicht greifen ( 14 ).

Beziehen sich Klauseln, die die Rückzahlung eines Kredits in einer bestimmten Währung festlegen, auf den Hauptgegenstand des Vertrags oder auf die Angemessenheit des Preises und des Entgelts?

40.

Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Klausel in einem in einer Fremdwährung geschlossenen Kreditvertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, nach der der Kredit in eben dieser Währung zurückzuzahlen ist, unter eine der beiden Ausschlussalternativen von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt.

41.

Unter Berücksichtigung der oben in Rn. 39 angesprochenen eingeschränkten Tragweite des Ausschlusses von Klauseln über den Preis und das Entgelt halte ich es für ausgeschlossen, dass eine Klausel, wonach der Kredit in der Währung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, einen Bezug zum zweiten Ausschlussgrund haben könnte.

42.

Ich bin vielmehr der Ansicht, dass sich diese Klausel auf den Hauptgegenstand des Vertrags bezieht. Meines Erachtens bildet nämlich die Klausel, die die Rückzahlung eines Kredits in der Währung festlegt, in der er gewährt wurde, einen wesentlichen Bestandteil der Leistung des Kreditschuldners, die in der Rückzahlung des ihm vom Kreditgeber zur Verfügung gestellten Betrags besteht.

43.

Allgemein ist darauf hinzuwiesen, dass bei Kreditverträgen die Hauptleistung der Bank in der Bereitstellung des geliehenen Betrags besteht und die des Kreditnehmers in der Rückzahlung des Kapitals und der Zinsen (die den Preis des Kredits darstellen). Diese Leistungen sind aber untrennbar mit der Währung verbunden, in der der Kredit gewährt wird, und es kann nicht gesagt werden, dass nur die angegebenen bezifferten Beträge unter Ausschluss der Referenzwährung zum Hauptgegenstand des Vertrags zählen ( 15 ).

44.

Der Umstand, dass ein Kredit in einer bestimmten Währung zurückzuzahlen ist, ist offenkundig einer der Pfeiler eines Kreditvertrags, zumal wenn er auf eine Fremdwährung lautet. Mit einem Kreditvertrag verpflichtet sich der Kreditgeber, dem Kreditnehmer einen bestimmten Geldbetrag zur Verfügung zu stellen. Dieser verpflichtet sich, den Betrag, im Allgemeinen zuzüglich Zinsen, zu den vorgesehenen Fälligkeitsterminen zurückzuzahlen. Diese Hauptleistungen beziehen sich also auf einen Geldbetrag, der notwendigerweise unter Bezugnahme auf einen bestimmten Wertmaßstab festgelegt werden muss, nämlich die Währung, in der die im Kreditvertrag vereinbarte Zahlung und Rückzahlung erfolgt.

45.

Dieses Ergebnis wird meiner Ansicht nach dadurch gestützt, dass ohne eine Klarstellung, in welcher Währung der Kredit zurückgezahlt wird, angenommen wird, dass er in derselben Währung zurückzuzahlen ist, in der der Kredit gewährt wurde. Nach dem Nominalitätsgrundsatz, einem u. a. in den Rechtssystemen mit zivilistischer Tradition weit verbreiteten Grundsatz, hat die Tilgung einer finanziellen Verbindlichkeit durch die Zahlung des numerischen Betrags zu erfolgen, der in der Vereinbarung der Parteien aufgeführt ist, ohne dass dieser Betrag durch Werterwägungen berührt wird. Dieser Grundsatz, der u. a. in Art. 1578 des rumänischen Bürgerlichen Gesetzbuchs verankert ist (siehe oben, Nr. 12), verbietet es grundsätzlich, zur Berücksichtigung monetärer Wertschwankungen nach oben oder nach unten einzugreifen, um den am Fälligkeitstag geschuldeten Betrag zu verändern. Auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage hat die rumänische Regierung bestätigt, dass bei Fehlen einer Festlegung im Kreditvertrag hinsichtlich der Währung, in der der Kredit zurückzuzahlen ist, gefolgert werden muss, dass die Rückzahlung in derselben Währung erfolgen muss, in der der Kredit bereitgestellt wurde.

46.

Was im Übrigen die im Ausgangsverfahren streitigen Kreditverträge angeht, hat die Rückzahlungsverpflichtung in Schweizer Franken in Anbetracht der Natur, der Systematik und der Bestimmungen des Vertrags meiner Ansicht nach wesentlichen Charakter.

47.

Dieses Ergebnis ist angesichts des Wortlauts der in Rede stehenden Vertragsklauseln (siehe oben, Rn. 18) wie auch des tatsächlichen und rechtlichen Kontexts geboten, in dem die streitigen Kreditverträge geschlossen wurden.

48.

Insoweit scheinen mir zwei Aspekte des Ausgangsverfahrens entscheidend zu sein.

49.

Der erste ist, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fremdwährungskredite im Allgemeinen niedrigere Zinssätze aufweisen als solche in nationaler Währung, nämlich gerade als Gegenleistung zum „Wechselkursrisiko“, das sie im Fall einer Abwertung der nationalen Währung mit sich bringen ( 16 ).

50.

Der zweite erwähnenswerte Aspekt ist, dass die Bank die Kredite konkret in Schweizer Franken gewährt und Anspruch auf Rückzahlung dieser Kredite in derselben Währung hat. Sie führt zu keinem Zeitpunkt, wie die Kommission anzudeuten scheint, ein Devisengeschäft durch, denn den Kreditnehmern steht es frei, die monatlichen Tilgungsraten in Schweizer Franken aus beliebiger Quelle zu leisten. Die Rückzahlungspflicht in monatlichen Raten in Schweizer Franken ist weit davon entfernt, ein Nebenbestandteil des Vertrags zu sein. Sie bezieht sich nicht auf eine akzessorische Zahlungsmodalität, sondern sehr wohl auf die Natur selbst der Pflicht des Schuldners.

51.

Insoweit ist anzumerken, dass sich die Umstände der vorliegenden Rechtssache von denen der Rechtssache, in der das Urteil Kásler und Káslerné Rábai ( 17 ) ergangen ist, unterscheiden. Nicht nur lautete in dieser Rechtssache der Kredit auf Schweizer Franken und war in der nationalen Währung (ungarische Forint) zurückzuzahlen, sondern die monatlichen Tilgungsraten wurden auch anhand des von dem Bankinstitut angewandten Verkaufskurses dieser Währung berechnet. Entgegen der von der polnischen Regierung vertretenen Auffassung bin ich der Ansicht, dass zwischen Kreditverträgen in ausländischer Währung und Krediten, die durch eine Indexklausel an ausländische Währungen gebunden sind, ein Unterschied besteht. Im letzteren Fall erfolgt nämlich die Rückzahlung immer in der nationalen Währung. Meiner Meinung nach kann die Klausel über die Rückzahlung in einer ausländischen Währung nicht mit einer sogenannten „Währungs“‑Klausel gleichgesetzt werden. Eine Umqualifizierung des in Rede stehenden Vertrags in einen Kreditvertrag, der einfach „an eine ausländische Währung gebunden“ ist, verkennt den Umstand, dass der Bezug auf die ausländische Währung ein zentrales Element der gegenseitigen Pflichten der Parteien bei Abschluss des Kreditvertrags ist.

52.

Anders als eine Klausel, die einen Mechanismus für die Änderung der Kosten der den Verbrauchern zu erbringenden Dienstleistungen (wie in der Rechtssache Invitel ( 18 )) oder der von einem Gewerbetreibenden angebotenen Leistungen betrifft, gehört das „Wechselkursrisiko“ sehr wohl zu den Hauptbestandteilen des Fremdwährungskredits. Auch wenn der Gerichtshof in der Rechtssache Matei ( 19 ) entschieden hat, dass der Ausdruck „Gesamtkosten des Kredits“ im Sinne von Art. 3 Buchst. g der Richtlinie 2008/48/EG ( 20 ) nicht mit dem Ausdruck „Hauptgegenstand des Vertrages“ gleichgesetzt werden kann, ist die Währung, in der ein Kredit zurückzuzahlen ist, eine Hauptleistung, die den Kreditvertrag charakterisiert.

53.

Bevor ich mit der dritten Frage des vorlegenden Gerichts abschließe, scheint es mir von Bedeutung zu sein, kurz auf die Frage einzugehen, ob Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 in dem besonderen Kontext der vorliegenden Rechtssache herangezogen werden kann.

54.

Diese Bestimmung sieht vor, dass „Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen, bei denen die Mitgliedstaaten oder die [Union] … Vertragsparteien sind“, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie unterliegen. Dieser Ausschluss ist durch die legitime Annahme gerechtfertigt, dass der nationale Gesetzgeber eine ausgewogene Regelung aller Rechte und Pflichten der Parteien bestimmter Verträge getroffen hat ( 21 ).

55.

Insoweit hindert der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage der Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung dieser Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen ( 22 ).

56.

Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache haben jedoch insbesondere die rumänische Regierung und die Bank vorgetragen, dass sich die Frage stelle, ob die in Rede stehenden Klauseln nicht nur ein Ausdruck des Nominalitätsgrundsatzes seien, der in Art. 1578 des rumänischen Bürgerlichen Gesetzbuchs verankert sei (siehe oben, Nr. 12).

57.

Der Gerichtshof hat bestätigt, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass eine in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltene Klausel nur dann vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, wenn sie auf dem Inhalt einer bindenden Rechtsvorschrift beruht, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist ( 23 ).

58.

Im vorliegenden Fall darf bezweifelt werden, ob zum einen der Nominalitätsgrundsatz zum Zeitpunkt des Abschlusses der in Rede stehenden Verträge uneingeschränkt anwendbar war und ob zum anderen der vermeintliche Missbrauch allein aus dem nationalen Recht resultiert oder aus der kombinierten Wirkung des nationalen Rechts und der in Rede stehenden Klauseln. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Tragweite des Ausschlusses in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist nicht sicher, ob dieser anwendbar ist, da Art. 1578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als abdingbar angesehen werden kann. Jedenfalls obliegt diese Prüfung allein dem nationalen Gericht.

59.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das vorlegende Gericht angesichts der Natur, der Systematik und der Bestimmungen der betreffenden Kreditverträge sowie des rechtlichen und tatsächlichen Kontexts dieser Verträge zu beurteilen hat, ob die betroffene Klausel, nach der der Kredit in derselben Währung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, auf Rechtsvorschriften des nationalen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie beruht. Ist dies nicht der Fall, muss das nationale Gericht feststellen, dass diese Klausel unter den Begriff „Hauptgegenstand des Vertrages“ fällt, wodurch sie von der Prüfung ihrer möglichen Missbräuchlichkeit ausgenommen ist. Dies kann bei einer Klausel in einem Kreditvertrag der Fall sein, nach der der Kreditnehmer den Betrag in derselben Währung zurückzuzahlen hat, in der er gewährt wurde.

Zur zweiten Vorlagefrage: „klar und verständlich“ abgefasste Vertragsklauseln

60.

Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Aufnahme einer Vertragsklausel, die wie im vorliegenden Fall vorsieht, dass der Verbraucher den ihm gewährten Kredit in derselben Währung zurückzuzahlen hat, von einer umfassenden Information über die wirtschaftlichen Folgen, die sich aus dieser Klausel ergeben können, begleitet sein muss.

61.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis einer klaren und verständlichen Abfassung der Klauseln eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden selbst dann zu beachten ist, wenn die Klausel unter Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 fällt ( 24 ). Die von dieser Bestimmung erfassten Klauseln gehören zu dem von der Richtlinie geregelten Bereich, sind aber der Missbrauchskontrolle nur entzogen, wenn das zuständige nationale Gericht nach einer Einzelfallbeurteilung zu der Auffassung gelangen sollte, dass sie vom Gewerbetreibenden klar und verständlich abgefasst wurden ( 25 ). Mit anderen Worten gilt unabhängig von dem Ergebnis, zu dem das vorlegende Gericht hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 auf die streitigen Klauseln gelangt, das Erfordernis ihrer „klaren und verständlichen“ Abfassung.

62.

Es ist nunmehr anerkannt, dass das Erfordernis der klaren und verständlichen Abfassung von Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern, das im Licht des 20. Erwägungsgrundes der Richtlinie 93/13 ( 26 ) zu prüfen ist und dieselbe Tragweite hat wie das Erfordernis nach Art. 5 dieser Richtlinie, von grundlegender Bedeutung ist und bedingt, dass der Verbraucher tatsächlich von allen Klauseln Kenntnis nimmt. Der Verbraucher entscheidet nämlich auf der Grundlage der vom Gewerbetreibenden zur Verfügung gestellten Informationen, ob er sich gegenüber diesem vertraglich bindet ( 27 ).

63.

Schließlich steht auch fest, dass dieses Erfordernis weit zu verstehen ist: Es kann nicht auf einen formellen und grammatikalischen Aspekt begrenzt werden, sondern bedeutet, dass ein Verbraucher die sich daraus für ihn ergebenden wirtschaftlichen Folgen auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien, wie einer etwaigen Änderung der von ihm zu tragenden Kosten, absehen können muss ( 28 ). In diesem Zusammenhang ist der Aufmerksamkeitsgrad zu berücksichtigen, der von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher erwartet werden kann ( 29 ).

64.

Insoweit scheint mir, zumal bei besonders belastenden finanziellen Verpflichtungen wie solchen aus Krediten mit langer Laufzeit, grundlegend zu sein, dass die Gewerbetreibenden den Verbrauchern ausreichende Informationen zur Verfügung stellen, um es ihnen zu ermöglichen, sich in voller Kenntnis der Sachlage zu binden.

65.

Konkret muss der Gewerbetreibende, wenn er einem Verbraucher einen Kreditvertrag anbietet, mittels einfach zu verstehender Informationen die etwaigen Auswirkungen des Kreditvertrags auf die wirtschaftliche Situation des Verbrauchers darlegen. Dieser muss u. a. in der Lage sein, zu verstehen, dass er im Gegenzug zu bestimmten finanziellen Vorteilen (wie z. B. einem niedrigen Zinssatz) ein gewisses Risiko eingeht. Es ist darauf hinzuweisen, dass bei Krediten, die keine Immobilienkredite sind, zu der allgemeinen Informationspflicht aus der Richtlinie 93/13 genauere Pflichten hinzukommen, die aus den Richtlinien über Verbraucherkreditverträge folgen ( 30 ).

66.

Zurück zum vorliegenden Fall: Auch wenn der angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher grundsätzlich in der Lage ist, zu verstehen, dass ein Wechselkurs Schwankungen unterliegt, muss er doch klar darüber informiert werden, dass er sich durch den Abschluss eines auf eine ausländische Währung lautenden Kreditvertrags einem gewissen Wechselkursrisiko aussetzt, das er im Fall einer Abwertung der Währung, in der er sein Einkommen erhält, eventuell schwer wird tragen können ( 31 ).

67.

In einem solchen Kontext muss vom Gewerbetreibenden, im vorliegenden Fall also der Bank, angesichts seiner Expertise und seiner Fachkenntnisse gefordert werden, dass er die möglichen Änderungen der Wechselkurse und die Risiken des Abschlusses eines Fremdwährungskredits insbesondere dann darlegt, wenn der den Kredit aufnehmende Verbraucher sein Einkommen nicht in dieser Währung erhält.

68.

Es scheint mir jedoch nicht vertretbar, vom Gewerbetreibenden zu fordern, dass er den Verbraucher im Stadium des Abschlusses des Kreditvertrags über den Eintritt von Ereignissen oder Entwicklungen nach Abschluss des Vertrags informieren soll, die er nicht vorhersehen kann. Von Gewerbetreibenden kann nicht verlangt werden, dass sie Verbrauchern andere Informationen zur Verfügung stellen als die, die sie zum Zeitpunkt dieses Vertragsschlusses haben oder haben sollten.

69.

Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Bank in der Lage gewesen wäre, die letztendlich historische Entwicklung des Wechselkurses zwischen rumänischem Leu und Schweizer Franken in dem seit 2007 beobachteten Umfang vorherzusehen, und dass sie es absichtlich unterlassen hätte, die Kreditnehmer darüber zu informieren, scheint es mir eindeutig nicht vertretbar, vom Gewerbetreibenden zu fordern, dass er das Wechselrisiko allein trägt. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Gewerbetreibende sich tatsächlich vergewissert hat, dass die betroffenen Verbraucher den Inhalt der Klauseln des Kreditvertrags richtig verstanden haben und somit vollständig in der Lage waren, die wirtschaftlichen Folgen zu bewerten.

70.

Insoweit ist die hier vorgelegte Problematik von der in der Rechtssache zu unterscheiden, in der das Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282), ergangen ist.

71.

In dieser Rechtssache kam es darauf an, ob ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in Anbetracht aller einschlägigen Tatsachen, einschließlich der vom Darlehensgeber im Rahmen der Aushandlung eines Darlehensvertrags betriebenen Werbung und bereitgestellten Informationen, nicht nur wissen konnte, dass auf dem Wertpapiermarkt beim Umtausch einer ausländischen Währung im Allgemeinen ein Unterschied zwischen dem Verkaufs- und dem Ankaufskurs besteht, sondern auch die für ihn möglicherweise erheblichen wirtschaftlichen Folgen der Heranziehung des Verkaufskurses bei der Berechnung der von ihm letztlich geschuldeten Rückzahlungen und damit die Gesamtkosten seines Darlehens einschätzen konnte ( 32 ). Ich weise darauf hin, dass es in dieser Sache nicht unmittelbar um Wechselkursschwankungen ging, sondern darum, dass die monatlichen Tilgungsraten auf der Grundlage des von der Bank angewandten Devisenverkaufskurses berechnet wurden.

72.

Im Ergebnis bedeutet das Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit einer Vertragsklausel, dass die Klausel betreffend die Rückzahlung des Kredits in derselben Währung vom Verbraucher sowohl formell und grammatikalisch als auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite verstanden wird, und zwar in dem Sinne, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, in der der Kredit abgeschlossen wurde, erkennen konnte, sondern auch die möglicherweise erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Klausel auf seine finanziellen Verpflichtungen. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass dem Gewerbetreibenden auferlegt wird, nicht absehbare spätere Entwicklungen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wechselkursschwankungen, vorherzusehen und den Verbraucher darüber zu informieren sowie die Folgen daraus zu tragen.

Zur ersten Vorlagefrage: Zeitpunkt der Beurteilung eines „erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses“

73.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 allein unter Bezugnahme auf die Situation zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu prüfen ist oder ob Entwicklungen nach Abschluss dieses Vertrags berücksichtigt werden können, durch die die finanziellen Verpflichtungen des Verbrauchers im Verhältnis zu den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden übermäßig belastend werden.

74.

Vorab weise ich darauf hin, dass, wie aus der Systematik der Richtlinie 93/13 und ihrem Schutzsystem hervorgeht, diese Frage nur dann Sinn ergibt, wenn entschieden wird, dass die in Rede stehende Klausel nicht unter Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie fällt – da sie sich weder auf den Vertragsgegenstand noch auf den Preis bzw. das Entgelt bezieht und auch nicht unklar und unverständlich abgefasst ist – und dass sie somit auf ihre Missbräuchlichkeit zu prüfen ist. Andernfalls ist diese Frage irrelevant.

75.

Für den Fall, dass sich der Gerichtshof veranlasst sehen sollte, nähere Angaben zu dem Zeitpunkt zu machen, zu dem ein „erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis“ zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorliegt ( 33 ), ergibt sich meines Erachtens sowohl aus dem Wortlaut der Bestimmungen dieser Richtlinie als auch aus der Natur des Schutzes, den sie den Verbrauchern bietet, dass die Beurteilung, ob ein solches Missverhältnis vorliegt, auf der Grundlage der bei Abschluss des in Rede stehenden Vertrags gegebenen Umstände und verfügbaren Informationen vorzunehmen ist.

76.

Was erstens den Wortlaut der relevanten Bestimmungen dieser Richtlinie angeht, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel mit Bezug auf „ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten“ zu prüfen. Diese Bestimmung schließt von vornherein jeden Bezug auf Ereignisse oder Entwicklungen nach Abschluss des in Rede stehenden Vertrags aus.

77.

Ebenso wird gemäß Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie „[d]ie Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel … unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt“ ( 34 ).

78.

Diese Bestimmungen weisen klar darauf hin, dass für die Prüfung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des in Rede stehenden Vertrags abzustellen ist.

79.

Was zweitens das von der Richtlinie 93/13 verfolgte Ziel angeht, so zielt diese auf den Schutz des Verbrauchers davor ab, dass die Gewerbetreibenden Klauseln in den Vertrag aufnehmen, von denen sich angesichts der Begleitumstände des Vertragsabschlusses sowie der anderen Vertragsklauseln herausstellt ( 35 ), dass sie ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Vertragsparteien schaffen. In diesem Zusammenhang muss geprüft werden, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt ( 36 ).

80.

So selbstverständlich es in Anwendung der Richtlinie 93/13 ist, dass bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel – und somit eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Parteien zum Nachteil des Verbrauchers – die gesamten Umstände berücksichtigt werden müssen, von denen der Gewerbetreibende bei Vertragsabschluss Kenntnis haben konnte und die die spätere Vertragserfüllung beeinflussen, so wenig kann diese Beurteilung vom Eintritt von Ereignissen nach Vertragsabschluss abhängen, die vom Willen der Parteien unabhängig sind.

81.

Wenn Vertragsklauseln, die ein Missverhältnis zugunsten des Gewerbetreibenden schaffen, aus der Sicht der Richtlinie 93/13 beanstandet werden müssen, so kann dieser meiner Ansicht nach hingegen nicht für Entwicklungen nach Vertragsabschluss verantwortlich gemacht werden, die nicht seinem Willen unterliegen. Nicht nur würden andernfalls dem Gewerbetreibenden unverhältnismäßige Pflichten auferlegt, sondern es würde auch der Grundsatz der Rechtssicherheit in Frage gestellt.

82.

Insoweit ist der Fall, dass eine Vertragsklausel ein Missverhältnis zwischen den Parteien bewirken kann, das sich erst im Laufe der Vertragserfüllung herausstellt, von dem zu unterscheiden, dass zwar keine missbräuchliche Klausel vorliegt, der Verbraucher jedoch aufgrund einer nach Vertragsabschluss liegenden, vom Willen der Parteien unabhängigen Veränderung der Umstände die ihn treffenden Pflichten als belastender empfindet.

83.

Der erste Fall entspricht u. a. dem Fall, über den der Gerichtshof mit dem Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180), entschieden hat und der die Möglichkeit für einen Gewerbetreibenden betraf, aufgrund einer im Vertrag enthaltenen Standardklausel einseitig den Preis von Dienstleistungen (Gaslieferung) zu ändern; die „nachträgliche Entwicklung“ des Vertrags betraf dort den Rückgriff auf eine Vertragsklausel, die von Beginn an missbräuchlich war, da sie ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Parteien beinhaltete.

84.

Der zweite Fall, nämlich der, dass keine missbräuchliche Klausel vorliegt, dass aber der Verbraucher die auf ihm lastenden Pflichten durch die Entwicklung der Umstände als übermäßig empfindet, wird hingegen von dem durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutz nicht erfasst ( 37 ).

85.

Dies scheint mir der Fall zu sein bei der Klausel eines auf eine Fremdwährung lautenden Kreditvertrags, nach der die monatlichen Tilgungsraten in derselben Währung zu leisten sind und die so dem Verbraucher bei einer Abwertung der nationalen Währung gegenüber dieser Fremdwährung das Wechselkursrisiko „auferlegt“.

86.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine solche Klausel an sich ein Missverhältnis beinhaltet. Tatsächlich ist festzustellen, dass Wechselkursschwankungen, zu denen es sowohl nach oben als auch nach unten kommen kann, nicht dem Willen einer der Parteien des Kreditvertrags unterliegen. Der Umstand, dass die vom Kreditnehmer geschuldete Leistung aufgrund der Entwicklung des Wechselkurses beim Umtausch in die nationale Währung eine größere Belastung darstellt, führt nicht zu einer Verlagerung des Wechselkursrisikos auf den Kreditgeber.

87.

Um ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis festzustellen, müsste zudem eine Differenz zwischen dem geliehenen und dem zurückgezahlten Betrag bestehen. Eine solche Differenz liegt hier aber nicht vor: Das Bankinstitut hat eine bestimmte Anzahl von Währungseinheiten verliehen und hat Anspruch auf Rückzahlung derselben Anzahl von Währungseinheiten.

88.

Der Umstand, dass das Wechselkursrisiko den Verbraucher trifft, schafft mit anderen Worten an sich kein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis, da der Gewerbetreibende (im vorliegenden Fall die Bank) den nach Vertragsabschluss geltenden Wechselkurs nicht beherrscht.

89.

Wenn das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses auch bezüglich von Ereignissen beurteilt wird, die der gewerbetreibende Gläubiger bei Vertragsabschluss kannte oder vorhersehen konnte, so kann dies doch nicht für Ereignisse gelten, die während der Laufzeit des Vertrags unabhängig vom Willen der Parteien eintreten.

90.

Als Ergebnis schlage ich für den Fall, dass die Beantwortung der ersten Frage für notwendig erachtet wird, dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien aus dem Vertrag in Bezug auf sämtliche Umstände, die der Gewerbetreibende bei Vertragsabschluss vernünftigerweise vorhersehen konnte, zu beurteilen ist. Dieses Missverhältnis kann hingegen nicht nach den Entwicklungen beurteilt werden, die nach Vertragsabschluss eintreten, wie etwa Schwankungen des Wechselkurses, die der Gewerbetreibende nicht beherrschte und nicht vorhersehen konnte.

Ergebnis

91.

Nach alledem schlage ich vor, die von der Curtea de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea, Rumänien) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass das vorlegende Gericht angesichts der Natur, der Systematik und der Bestimmungen der betreffenden Kreditverträge sowie des rechtlichen und tatsächlichen Kontexts dieser Verträge zu beurteilen hat, ob die betroffene Klausel, nach der der Kredit in derselben Währung zurückzuzahlen ist, in der er gewährt wurde, auf Rechtsvorschriften des nationalen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie beruht. Ist dies nicht der Fall, muss das nationale Gericht feststellen, dass diese Klausel unter den Begriff „Hauptgegenstand des Vertrages“ fällt, wodurch sie von der Prüfung ihrer möglichen Missbräuchlichkeit ausgenommen ist. Dies kann bei einer Klausel in einem Kreditvertrag der Fall sein, nach der der Kreditnehmer den Betrag in derselben Währung zurückzuzahlen hat, in der er gewährt wurde.

2.

Das Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit einer Vertragsklausel bedeutet, dass die Klausel betreffend die Rückzahlung des Kredits in derselben Währung vom Verbraucher sowohl formell und grammatikalisch als auch hinsichtlich ihrer konkreten Tragweite verstanden wird, und zwar in dem Sinne, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher nicht nur die Möglichkeit einer Auf- oder Abwertung der Fremdwährung, in der der Kredit abgeschlossen wurde, erkennen konnte, sondern auch die möglicherweise erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Klausel auf seine finanziellen Verpflichtungen. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht soweit gehen, dass dem Gewerbetreibenden auferlegt wird, nicht absehbare spätere Entwicklungen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Wechselkursschwankungen, vorherzusehen und den Verbraucher darüber zu informieren sowie die Folgen daraus zu tragen.

3.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass das Vorliegen eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Parteien aus dem Vertrag in Bezug auf sämtliche Umstände, die der Gewerbetreibende bei Vertragsabschluss vernünftigerweise vorhersehen konnte, zu beurteilen ist. Dieses Missverhältnis kann hingegen nicht nach den Entwicklungen beurteilt werden, die nach Vertragsabschluss eintreten, wie etwa Schwankungen des Wechselkurses, die der Gewerbetreibende nicht beherrschte und nicht vorhersehen konnte.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

( 3 ) Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich sowohl von der Rechtssache, in der das Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282), über Vertragsklauseln über die für Auszahlung und Rückzahlung eines Darlehens geltenden Kurse ergangen ist, als auch von der, in der das Urteil vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127), über Klauseln, die zum einen dem Kreditgeber unter bestimmten Voraussetzungen erlauben, den Zinssatz zu ändern und zum anderen die Erhebung einer Risikoprovision durch ihn vorsehen, ergangen ist.

( 4 ) Vgl. Nr. 1 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:85). Nach den mir vorliegenden Informationen wurden die Kredite in Schweizer Franken von mehr als 50000 Haushalten in Rumänien abgeschlossen. Aus den in der vorliegenden Rechtssache mitgeteilten Informationen geht außerdem hervor, dass sich der Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und rumänischem Leu zwischen 2007 und 2014 zugunsten des Schweizer Franken nahezu verdoppelt hat. Zu beachten ist auch, dass die Curtea Constituțională (Verfassungsgerichtshof, Rumänien) als Plenum mit Urteil vom 7. Februar 2017 ein rumänisches Gesetz aufhob, das den Wechselkurs für die Rückzahlung von Darlehen in Schweizer Franken senkte, wahrscheinlich um Überschuldungen zu vermeiden und zu beheben. Der Verfassungsgerichtshof war u. a. der Ansicht, der Gesetzgeber habe damit den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt und somit gegen verfassungsrechtliche Vorschriften verstoßen. Schließlich ist festzustellen, dass weitere derzeit anhängige Rechtssachen (vgl. u. a. die Rechtssachen C‑627/15, Gavrilescu, C‑483/16, Sziber, C‑38/17, GT, C‑51/17, Ilyés und Kiss, C‑118/17, Dunai, C‑119/17, Lupean und Lupean sowie C‑126/17, Czakó) ebenfalls Kredite in Fremdwährungen betreffen.

( 5 ) Zuletzt veröffentlicht im Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 543 vom 3. August 2012.

( 6 ) Selbst wenn eine Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der betreffenden Rechtsfrage vorliegt, bleibt es den innerstaatlichen Gerichten unbenommen, den Gerichtshof zu befassen, wenn sie es für angebracht halten (vgl. insbesondere Urteil vom 17. Juli 2014, Torresi, C‑58/13 und C‑59/13, EU:C:2014:2088, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Für eine Anwendung dieser Grundsätze in jüngster Zeit vgl. u. a. das Urteil vom 26. Januar 2017, Banco Primus (C‑421/14, EU:C:2017:60, Rn. 29 bis 34).

( 8 ) Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 41 und 42).

( 9 ) Vgl. u. a. Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 48), vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 45), und vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 53).

( 10 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:85, Nr. 33).

( 11 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 42), vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 49), und vom 23. April 2015, Van Hove (C‑96/14, EU:C:2015:262, Rn. 31).

( 12 ) Vgl. Urteil vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 49 und 50), vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 53 und 54), und vom 23. April 2015, Van Hove (C‑96/14, EU:C:2015:262, Rn. 33).

( 14 ) Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 54 und 55), und vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 55 und 56).

( 15 ) Ich erlaube mir, für eine detailliertere Prüfung der „Hauptleistungen“ eines Kreditvertrags auf meine Schlussanträge in der Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:85, Nrn. 56 bis 65) zu verweisen.

( 16 ) Vgl. insbesondere Urteil Nr. 2/2014 PJE der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn), das im Interesse einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts erging, auf das sich das Urteil vom 3. Dezember 2015, Banif Plus Bank (C‑312/14, EU:C:2015:794, Rn. 43 bis 45), ausdrücklich bezieht. In diesem Urteil hat die Kúria (Oberster Gerichtshof) entschieden, dass sich die Klauseln eines auf Devisen lautenden Darlehensvertrags, die bewirkten, dass das Risiko der Bewertung der Devisen – als Gegenleistung für einen günstigeren Zinssatz als den für auf nationale Währung lautende Darlehen – vollständig beim Verbraucher liege, grundsätzlich auf den Hauptgegenstand des Vertrags bezögen.

( 17 ) Vgl. Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282).

( 18 ) Vgl. Urteil vom 26. April 2012, Invitel (C‑472/10, EU:C:2012:242).

( 19 ) Urteil vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127).

( 20 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66).

( 21 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 28), und 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13.

( 22 ) Vgl. insbesondere die Urteile vom 27. Oktober 2009, ČEZ (C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 23 ) Vgl. z. B. Urteil vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 80).

( 24 ) Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 68).

( 25 ) Vgl. Urteil vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid (C‑484/08, EU:C:2010:309, Rn. 32).

( 26 ) Dieser Erwägungsgrund lautet: „Die Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. Der Verbraucher muss tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. Im Zweifelsfall ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung anzuwenden.“

( 27 ) Vgl. Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 66 bis 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 28 ) Vgl. Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 71 und 72), vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 73), und vom 9. Juli 2015, Bucura (C‑348/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:447, Rn. 51, 52, 55 und 60).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 74), vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127, Rn. 75).

( 30 ) Vgl. insbesondere Art. 4 bis 6 der Richtlinie 2008/48.

( 31 ) Vgl. insoweit die Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 21. September 2011 zu Fremdwährungskrediten (ESRB/2011/1) (ABl. 2011, C 342, S. 1), Empfehlung A – Risikobewusstsein der Kreditnehmer, Nr. 1.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 74).

( 33 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164), und vom 16. Januar 2014, Constructora Principado (C‑226/12, EU:C:2014:10).

( 34 ) Hervorhebung nur hier.

( 35 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 16. Januar 2014, Constructora Principado (C‑226/12, EU:C:2014:10, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 69).

( 37 ) Die Richtlinie 93/13 ist nur darauf gerichtet, die Verwendung von Klauseln, die ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis beinhalten, durch Gewerbetreibende zu verhindern und zu ahnden und nicht darauf, „unvorhersehbare“ rechtliche Situationen zu regeln, die gegebenenfalls vom nationalen Recht erfasst werden können.

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