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Document 62016CC0109

Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 15. Juni 2017.
Verfahren auf Betreiben von Agnieška Anisimovienė u. a.
Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme – Richtlinie 94/19/EG – Art. 1 Nr. 1 – Einlagen – Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften – Richtlinie 97/9/EG – Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 – Gelder, die einem Anleger geschuldet werden oder gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden – Kreditinstitut, das Wertpapiere ausgibt – Gelder, die Privatpersonen bei dem Kreditinstitut für die Zeichnung neuer Wertpapiere eingezahlt haben – Anwendung der Richtlinie 2004/39/EG – Insolvenz des Kreditinstituts vor Ausgabe der Wertpapiere – Öffentliches Unternehmen, das für die Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungssysteme zuständig ist – Möglichkeit, sich gegenüber diesem Unternehmen auf die Richtlinien 94/19/EG und 97/9/EG zu berufen.
Verbundene Rechtssachen C-688/15 und C-109/16.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:475

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 15. Juni 2017 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑688/15 und C‑109/16

Agnieška Anisimovienė u. a.

gegen

BAB bankas Snoras,

Indėlių ir investicijų draudimas VĮ

(C‑688/15)

und

Indėlių ir investicijų draudimas VĮ

gegen

Alvydas Raišelis

(C‑109/16)

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas [Oberster Gerichtshof, Litauen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Einlagensicherungssysteme und Systeme für die Entschädigung der Anleger – Richtlinie 94/19/EG – Richtlinie 97/9/EG – Begriff ‚Einlage‘ – Begriff ‚normales Bankgeschäft‘ – Begriff ‚Gelder, die im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften für Rechnung des Anlegers gehalten werden‘ – Unmittelbare Wirkung der Richtlinie 94/19 und der Richtlinie 97/9 – Gelder, die von den Bankkonten Einzelner auf ein auf den Namen eines Kreditinstituts eröffnetes Konto überwiesen werden und für die Bezahlung von Finanzinstrumenten, die dieses Institut ausgibt, bestimmt sind“

1. 

Das Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof, Litauen) ruft im Kontext zweier Rechtsstreitigkeiten, die es zu entscheiden hat und die auf die Insolvenz eines Kreditinstituts dieses Mitgliedstaats zurückgehen, erneut den Gerichtshof an.

2. 

Wie schon in der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas ( 2 ), ergangen ist, bittet das vorlegende Gericht um Auslegung der Richtlinien 94/19/EG ( 3 ) und 97/9/EG ( 4 ), um den Umfang des Schutzes, den sie den Sparern bzw. Anlegern jeweils gewähren, zu präzisieren.

3. 

Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Richtlinien auf Gelder angewandt werden können, die einem Kreditinstitut von seinen Kunden für den Erwerb von Aktien bzw. die Zeichnung von Schuldverschreibungen dieses Kreditinstituts überlassen worden sind. Beide Geschäfte scheiterten letztlich daran, dass das Bankinstitut später insolvent wurde.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Richtlinie 94/19

4.

Die Erwägungsgründe 1, 18 und 20 lauten:

„[1]

Gemäß den Zielen des Vertrages empfiehlt es sich, die harmonische Entwicklung der Tätigkeiten der Kreditinstitute in der Gemeinschaft durch die Aufhebung aller Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zu fördern und gleichzeitig die Stabilität des Bankensystems und den Schutz der Sparer zu erhöhen.“

„[18]

Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, dass bestimmte Gruppen von Einlagen oder Einlegern, die ausdrücklich genannt werden müssen, keines besonderen Schutzes bedürfen, so muss er die Möglichkeit haben, sie von der durch die Einlagensicherungssysteme gebotenen Sicherung auszunehmen.“

„[20]

Der harmonisierte Mindestbetrag gilt grundsätzlich pro Einleger und nicht pro Einlage. Zu berücksichtigen sind daher auch die Einlagen von Einlegern, die nicht als Inhaber figurieren oder die nicht die ausschließlichen Inhaber sind. Der Schwellenwert gilt daher für jeden identifizierbaren Einleger. Organismen für gemeinsame Anlagen, für die besondere Schutzvorschriften gelten, die auf die vorgenannten Einlagen keine Anwendung finden, sollten allerdings von dieser Regelung ausgenommen werden.“

5.

Art. 1 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten:

1.

Einlage: ein Guthaben, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist, sowie Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat.

3.

Nichtverfügbare Einlage: eine Einlage, die gemäß den für sie geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zwar fällig und von einem Kreditinstitut zu zahlen ist, jedoch noch nicht gezahlt wurde, wobei einer der beiden folgenden Fälle vorliegt:

i)

Die jeweils zuständigen Behörden haben festgestellt, dass ihrer Auffassung nach das Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen, und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht.

ii)

Ein Gericht hat aus Gründen, die mit der Finanzlage des Kreditinstituts unmittelbar zusammenhängen, eine Entscheidung getroffen, die ein Ruhen der Forderungen der Einleger gegen das Institut bewirkt, sofern diese Entscheidung vor der Feststellung nach Ziffer i) erfolgt ist.

4.

Kreditinstitut: ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren;

…“

6.

Art. 2 sieht vor:

„Folgende Einlagen sind von einer Rückzahlung durch die Einlagensicherungssysteme ausgeschlossen:

vorbehaltlich des Artikels 8 Absatz 3 Einlagen, die andere Kreditinstitute im eigenen Namen und auf eigene Rechnung getätigt haben;

alle Instrumente, die unter die Definition der ‚Eigenmittel‘ in Artikel 2 der Richtlinie 89/299/EWG des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten fallen;

…“

7.

In Art. 3 Abs. 1 heißt es:

„Jeder Mitgliedstaat sorgt in seinem Hoheitsgebiet für die Errichtung und amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Einlagensicherungssysteme. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Absatz 4 genannten Fällen darf ein in dem Mitgliedstaat nach Artikel 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen, wenn es einem dieser Systeme angeschlossen ist.

…“

8.

Art. 7 bestimmt:

„(1)   Für den Fall, dass Einlagen nicht verfügbar sind, gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers mindestens 50000 EUR beträgt.

(1a)   Ab 31. Dezember 2010 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Deckungssumme für die Gesamtheit der Einlagen desselben Einlegers auf 100000 EUR festgesetzt ist, wenn die Einlagen nicht verfügbar sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten können jedoch vorsehen, dass bestimmte Einleger oder bestimmte Einlagen von dieser Sicherung ausgenommen oder in geringerem Umfang gesichert werden. Die Liste dieser Ausnahmen ist in Anhang I beigefügt.“

9.

Art. 8 Abs. 3 sieht vor:

„Kann der nicht uneingeschränkt über den Einlagebetrag verfügen, so wird der uneingeschränkt Nutzungsberechtigte gesichert, sofern dieser bekannt ist oder ermittelt werden kann, bevor die zuständigen Behörden die Feststellung nach Artikel 1 Nummer 3 Ziffer i) treffen oder das Gericht die Entscheidung nach Artikel 1 Nummer 3 Ziffer ii) trifft. Gibt es mehrere uneingeschränkte Nutzungsberechtigte, so wird der auf jeden von ihnen gemäß den für die Verwaltung der Einlagen geltenden Vorschriften entfallende Anteil bei der Berechnung der Obergrenzen nach Artikel 7 Absätze 1, 3 und 4 berücksichtigt.“

10.

Anhang I („Liste der Ausnahmen gemäß Artikel 7 Absatz 2“) Nr. 12 lautet: „Schuldverschreibungen des Kreditinstituts und Verbindlichkeiten aus eigenen Akzepten und Solawechseln“.

2. Richtlinie 97/9

11.

Die Erwägungsgründe 4, 8 und 9 lauten:

„(4)

Der Schutz der Anleger und die Erhaltung des Vertrauens in das Finanzsystem sind wichtige Aspekte der Vollendung und des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts in diesem Bereich, weshalb es wichtig ist, dass in allen Mitgliedstaaten Anlegerentschädigungssysteme vorhanden sind, die zumindest für Kleinanleger einen harmonisierten Mindestschutz für den Fall gewährleisten, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Anleger-Kunden nachzukommen.“

„(8)

Alle Mitgliedstaaten sollten daher verpflichtet sein, ein Anlegerentschädigungssystem oder ‑systeme zu haben, denen alle diese Wertpapierfirmen angehören. Das System sollte Gelder oder Instrumente abdecken, die von einer Wertpapierfirma im Rahmen der Wertpapiergeschäfte eines Anlegers gehalten werden und die in dem Fall, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Anleger-Kunden nachzukommen, nicht an den Anleger zurückgegeben werden können. Die in den Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften und Verfahren für Entscheidungen im Falle der Insolvenz oder der Liquidation einer Wertpapierfirma bleiben hiervon unberührt.“

„(9)

Die Definition einer Wertpapierfirma schließt Kreditinstitute ein, denen die Erlaubnis zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erteilt wurde. Diese Kreditinstitute sollten ebenfalls verpflichtet sein, sich für ihre Wertpapiergeschäfte einem Anlegerentschädigungssystem anzuschließen. Diese Kreditinstitute sollten jedoch nicht verpflichtet sein, zwei getrennten Systemen anzugehören, wenn ein einziges System sowohl den Anforderungen dieser Richtlinie als auch denen der Richtlinie 94/19... entspricht. Bei Wertpapierfirmen, die Kreditinstitute sind, kann es in bestimmten Fällen schwierig sein, zwischen Einlagen zu unterscheiden, die unter die Richtlinie [94/19] fallen, und Geldern, die im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften gehalten werden. Den Mitgliedstaaten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, selbst zu entscheiden, unter welche Richtlinie diese Forderungen fallen sollten.“

12.

Art. 1 der Richtlinie lautet:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.

‚Wertpapierfirma‘ eine Wertpapierfirma gemäß Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 93/22/EWG[ ( 5 )],

die nach deren Artikel 3 zugelassen ist oder

die als Kreditinstitut gemäß der Richtlinie 77/780/EWG und der Richtlinie 89/646/EWG zugelassen wurde und deren Zulassung eine oder mehrere der Wertpapierdienstleistungen abdeckt, die in Abschnitt A des Anhangs zur Richtlinie [93/22] aufgeführt sind;

2.

‚Wertpapiergeschäft‘ jede Wertpapierdienstleistung im Sinne des Artikels 1 Nummer 1 der Richtlinie [93/22] und die in Abschnitt C Nummer 1 von deren Anhang genannte Dienstleistung;

3.

‚Instrumente‘ die in Abschnitt B des Anhangs der Richtlinie [93/22] aufgeführten Instrumente;

4.

‚Anleger‘ eine Person, die einer Wertpapierfirma im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften Gelder oder Instrumente anvertraut hat;

…“

13.

Art. 2 der Richtlinie schreibt vor:

„(1)   Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist.

(2)   Das System gewährt Anlegern gemäß Artikel 4 Deckung, wenn:

die zuständigen Behörden festgestellt haben, dass ihrer Auffassung nach die Wertpapierfirma aus Gründen, die mit ihrer Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen aus den Forderungen der Anleger nachzukommen und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Erfüllung dieser Verpflichtungen besteht, oder

ein Gericht aus Gründen, die mit der Finanzlage der Wertpapierfirma unmittelbar zusammenhängen, eine Entscheidung getroffen hat, die ein Ruhen der Forderungen der Anleger gegen diese Firma bewirkt;

maßgebend ist dabei, welches dieser Ereignisse zuerst eingetreten ist.

Es muss eine Deckung für die Forderungen gewährt werden, die dadurch entstanden sind, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage war, entsprechend den einschlägigen Rechtsvorschriften und Vertragsbedingungen:

Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern geschuldet werden oder gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden, oder

den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden.

(3)   Forderungen gemäß Absatz 2 an ein Kreditinstitut, welche in einem Mitgliedstaat sowohl unter diese Richtlinie als auch die Richtlinie 94/19/EG fallen, werden nach dem Ermessen dieses Staates gemäß der einen oder der anderen Richtlinie einem System zugeordnet. Keine Forderung darf aufgrund der beiden Richtlinien doppelt entschädigt werden.

…“

3. Richtlinie 2004/39/EG ( 6 )

14.

In den Erwägungsgründen 2, 26 und 31 wird ausgeführt:

„[(2)]

In den letzten Jahren wurden immer mehr Anleger auf den Finanzmärkten aktiv; ihnen wird ein immer komplexeres und umfangreicheres Spektrum an Dienstleistungen und Finanzinstrumenten angeboten. Angesichts dieser Entwicklungen sollte der Rechtsrahmen der Gemeinschaft das volle Angebot der anlegerorientierten Tätigkeiten abdecken. Folglich ist es erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und Wertpapierfirmen das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht zu gestatten. In Anbetracht dessen sollte die Richtlinie [93/22] durch eine neue Richtlinie ersetzt werden.“

„(26)

Um die Eigentumsrechte des Anlegers an Wertpapieren und andere eigentumsähnliche Rechte sowie seine Rechte an den der Wertpapierfirma anvertrauten Geldern zu schützen, sollten diese Rechte insbesondere von den Rechten der Wertpapierfirma abgegrenzt werden. Dieser Grundsatz sollte eine Wertpapierfirma jedoch nicht hindern, im eigenen Namen, aber im Interesse des Anlegers zu handeln, wenn dies aufgrund der besonderen Natur des Geschäfts erforderlich ist und der Anleger dazu seine Zustimmung erteilt hat, z. B. bei Wertpapierleihgeschäften.“

„(31)

Ein Ziel dieser Richtlinie ist der Anlegerschutz. …“

15.

Art. 4 Abs. 1 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„1.

Wertpapierfirma: jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt.

2.

Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten: jede in Anhang I Abschnitt A genannte Dienstleistung und Tätigkeit, die sich auf eines der Instrumente in Anhang I Abschnitt C bezieht.

17.

Finanzinstrument: die in Anhang I Abschnitt C genannten Instrumente.

18.

Übertragbare Wertpapiere: die Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, wie:

a)

Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktien-zertifikate;

b)

Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere;

…“

16.

Anhang I („Liste der Dienstleistungen und Tätigkeiten und Finanzinstrumente“) enthält einen Abschnitt A („Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten“) mit folgenden Nummern:

„1.

Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die ein oder mehrere Finanzinstrument(e) zum Gegenstand haben

2.

Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden

3.

Handel für eigene Rechnung

4.

Portfolio-Verwaltung

5.

Anlageberatung

6.

Übernahme der Emission von Finanzinstrumenten und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung

7.

Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung

8.

Betrieb eines multilateralen Handelssystems (MTF)“.

17.

Abschnitt C desselben Anhangs („Finanzinstrumente“) nennt in Nr. 1 „Übertragbare Wertpapiere“.

4. Richtlinie 2006/48/EG ( 7 )

18.

Die Erwägungsgründe 5 und 6 lauten:

„(5)

Die Koordinierungsmaßnahmen in Bezug auf die Kreditinstitute sollten zum Schutz der Sparer und zur Schaffung gleicher Bedingungen für den Wettbewerb unter diesen Kreditinstituten für den gesamten Kreditsektor gelten. Jedoch sollten objektive Unterschiede in ihrem Status und ihrer Aufgabenstellung nach den nationalen Vorschriften berücksichtigt werden.

(6)

Daher ist es notwendig, den Anwendungsbereich der Koordinierungsmaßnahmen möglichst weit auszudehnen und alle Institute zu erfassen, die rückzahlbare Gelder des Publikums sowohl in Form von Einlagen als auch in anderen Formen, zum Beispiel die laufende Ausgabe von Schuldverschreibungen und ähnlichen Wertpapieren, entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung gewähren. Allerdings sollten Ausnahmen für gewisse Kreditinstitute vorgesehen werden, auf die diese Richtlinie keine Anwendung finden kann. Diese Richtlinie sollte die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht beeinträchtigen, welche besondere zusätzliche Genehmigungen vorsehen, durch die es den Kreditinstituten ermöglicht wird, spezifische Tätigkeiten auszuüben oder bestimmte Arten von Geschäften zu tätigen.“

19.

Art. 5 lautet:

„Die Mitgliedstaaten untersagen Personen oder Unternehmen, die keine Kreditinstitute sind, die Tätigkeit der Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern des Publikums gewerbsmäßig zu betreiben.

Von Absatz 1 ausgenommen ist die Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern durch einen Mitgliedstaat, durch Gebietskörperschaften eines Mitgliedstaats oder durch öffentliche internationale Einrichtungen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten angehören, sowie für die in den nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften ausdrücklich genannten Fälle, sofern diese Tätigkeiten Regelungen und Kontrollen unterworfen sind, die den Schutz von Einlegern und Anlegern bezwecken und auf diese Fälle anwendbar sind.“

B.   Litauisches Recht

20.

Art. 2 des Gesetzes Nr. IX-975 vom 20. Juni 2002 über die Einlagenversicherung ( 8 ) enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„3.   Einleger‘: eine natürliche oder juristische Person, die über eine Einlage bei einer Bank, einer Zweigstelle einer Bank oder einer Genossenschaftsbank verfügt, mit Ausnahme der Personen, deren Einlagen nach diesem Gesetz nicht Gegenstand der Versicherung sein können. Hält eine natürliche oder juristische Person (mit Ausnahme der Verwaltungsgesellschaften, die gemeinsame Anlagefonds oder Rentenfonds verwalten) die Einlage treuhänderisch, gilt der Treuhänder als Einleger. Ist hingegen eine Gruppe von Personen aufgrund eines Vertrags Inhaberin von Ansprüchen an den Geldern, wird jede dieser Personen als Einleger angesehen und die Gelder werden zu gleichen Teilen unter ihnen aufgeteilt, sofern nicht die Verträge, auf die ihre Ansprüche zurückgehen, oder eine gerichtliche Entscheidung etwas anderes vorsehen.

4.   ‚Einlage‘: der Gesamtbetrag der Gelder (einschließlich der Zinsen) eines Einlegers, die sich aufgrund eines Depotvertrags und/oder einer Kontovereinbarung bei einer Bank, einer Zweigstelle einer Bank oder einer Genossenschaftsbank befinden, sowie andere Gelder, auf die der Einleger aufgrund der Verpflichtung des Kreditinstituts, mit den Geldern des Einlegers Geschäfte durchzuführen oder Wertpapierdienstleistungen zu erbringen, einen Anspruch hat.

11.   ‚Anleger‘: eine natürliche oder juristische Person, die dem Versicherungsnehmer Gelder oder Wertpapiere zur Verfügung gestellt hat, um dessen Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Hat eine Gruppe von Personen aufgrund eines Vertrags Ansprüche an den Geldern oder Wertpapieren, wird jede dieser Personen als Anleger angesehen und die Gelder werden zu gleichen Teilen unter ihnen aufgeteilt, sofern nicht die Verträge, auf die ihre Ansprüche zurückgehen, oder eine gerichtliche Entscheidung etwas anderes vorsehen. Handelt die Person, die die Gelder oder Wertpapiere zur Verfügung gestellt hat (mit Ausnahme der Verwaltungsgesellschaften, die gemeinsame Anlagefonds oder Rentenfonds verwalten) als Treuhänder, gilt der Treugeber als Anleger.

12.   ‚Pflichten gegenüber dem Anleger‘: Verpflichtung des Versicherungsnehmers, der Wertpapierdienstleistungen für einen Anleger erbringt, ihm die ihm zustehenden Gelder oder Wertpapiere zurückzugeben.“

21.

Gemäß Art. 3 Abs. 1 sind Gegenstand der Einlagenversicherung die Einlagen der Einleger in nationaler Währung und in Fremdwährungen. Abs. 4 dieses Artikels bestimmt, dass u. a. die vom Versicherungsnehmer selbst ausgegebenen Schuldverschreibungen nicht Gegenstand der Versicherung sein können.

22.

Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Einlagenversicherung entsteht der Anspruch auf die Versicherungsentschädigung in der Person des Anlegers am Tag des Eintritts des Versicherungsfalls nur, wenn der Versicherungsnehmer die Wertpapiere und/oder Geldmittel des Anlegers ohne dessen Zustimmung übertragen oder verwendet hat.

II. Sachverhalt

A.   Rechtssache C‑688/15

23.

Am 21. Dezember 2010 wurde in der Hauptversammlung der Aktionäre der BBA bankas Snoras (im Folgenden: Snoras) beschlossen, das Kapital von Snoras durch die Ausgabe von Aktien über öffentliche Zeichnungsangebote mit Aktienvorkaufsrechten zu erhöhen.

24.

Am 3. Februar 2011 genehmigte die Vertybinių popierių komisija (Wertpapieraufsichtsbehörde) den Wertpapierprospekt.

25.

Am 1. März 2011 wurde bei der AB bankas FINASTA (im Folgenden: FINASTA) ein Konto für Snoras eröffnet, auf dem die für den Erwerb der ausgegebenen Aktien bestimmten Kundengelder hinterlegt werden sollten.

26.

Zwischen dem 9. März 2011 und dem 16. Mai 2011 schlossen Frau Agnieška Anisimovienė und 256 weitere Kunden von Snoras Aktienzeichnungsverträge mit dieser Bank. Nach diesen Verträgen erwarb Snoras das Recht, den Betrag für den Kauf der Aktien von den Konten, die Frau Anisimovienė und die weiteren Kunden bei Snoras besaßen, abzubuchen und auf das bei FINASTA für Snoras eröffnete Konto zu überweisen. Frau Anisimovienė und die übrigen Kläger konnten die Gelder auch direkt auf dieses Konto einzahlen.

27.

Am 5. Mai 2011 beantragte Snoras bei der Lietuvos Bankas (Bank von Litauen), die Eintragung der Satzungsänderungen aufgrund des Beschlusses über die Kapitalerhöhung zu genehmigen.

28.

Am 16. November 2011 entschied die Bank von Litauen, die Geschäfte von Snoras bis zum 16. Januar 2012 auszusetzen und die Aktien von Snoras aus Gründen des öffentlichen Interesses zu enteignen.

29.

Am 22. November 2011 lehnte es die Bank von Litauen ab, eine Genehmigung für die Eintragung der zuvor erwähnten Satzungsänderungen zu erteilen, und widerrief mit Entscheidung vom 24. November 2011 die Banklizenz von Snoras.

30.

Am 7. Dezember 2011 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von Snoras mit Wirkung vom 20. Dezember 2011 eingeleitet.

31.

Frau Anisimovienė und die übrigen Betroffenen riefen das Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius, Litauen) an und beantragten die Anerkennung ihrer Stellung als Einleger dieser Bank. Das Gericht wies ihre Klage mit Urteil vom 29. September 2014 mit der Begründung ab, dass sie als Anleger anzusehen seien und die von ihnen für den Kauf der Aktien gezahlten Beträge nicht zu Einlagen geworden seien.

32.

Das Lietuvos apeliacinis teismas (Berufungsgericht, Litauen) wies die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung mit Urteil vom 12. März 2015 zurück, das beim Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) mit Kassationsbeschwerde angefochten worden ist.

B.   Rechtssache C‑109/16

33.

Die litauische Wertpapierbehörde genehmigte mit Entscheidungen vom 16. Juni 2011 und vom 14. Juli 2011 einen Wertpapierprospekt über neue Schuldverschreibungen von Snoras.

34.

Nach diesem Prospekt konnte Snoras vorbehaltlich der vorherigen Veröffentlichung der für die jeweilige Emission geltenden endgültigen Bedingungen mehrmals handelbare Schuldverschreibungen auf mittelfristiger Basis ausgeben.

35.

Aus dem genannten Prospekt ergab sich, dass 1. Privatpersonen die Schuldverschreibungen bei den Zweigstellen, Agenturen und sonstigen Dienstleistern von Snoras erwerben konnten, 2. der Preis für die Schuldverschreibungen am Tag des Abschlusses des Vertrags über die Zeichnung zu entrichten war, wofür der Erwerber über den entsprechenden Betrag auf einem bei Snoras eröffneten Konto verfügen und die Bank ermächtigen musste, ihn von ihm abzuheben, 3. das in den endgültigen Emissionsbedingungen angegebene Datum das der Ausgabe der Schuldverschreibungen war und 4. Letztere in einem bei Snoras auf den Namen des Erwerbers geführten Wertpapierdepot verbucht werden mussten.

36.

Am 2. November 2011 veröffentlichte Snoras die endgültigen Bedingungen der 11. Ausgabe mittelfristiger Schuldverschreibungen zu einem festen Zinssatz.

37.

Am 10. und 11. November 2011 schloss Herr Alvydas Raišelis mit Snoras zwei Verträge über die Zeichnung von Schuldverschreibungen dieser Ausgabe und zahlte auf sein persönliches Konto bei Snoras einen Betrag ein, der ihrem Gesamtkaufpreis entsprach. Die Verträge enthielten eine Klausel, nach der Snoras berechtigt war, ohne seine Zustimmung den eingezahlten Betrag abzubuchen, um die erworbenen Schuldverschreibungen zu bezahlen.

38.

Snoras überwies nach Maßgabe der geschlossenen Verträge die von Herrn Raišelis eingezahlten Beträge auf ein in ihrem eigenen Namen eröffnetes Konto.

39.

Infolge der bereits erwähnten Krise, in die Snoras geraten war, kam es nicht zur Ausgabe der von Herrn Raišelis gezeichneten Schuldverschreibungen.

40.

Herr Raišelis rief das Vilniaus miesto 2-asis apylinkės teismas (Zweites Bezirksgericht Vilnius, Litauen) an und begehrte vom Indėlių ir investicijų draudimas VĮ (öffentlich-rechtliches Unternehmen, dessen Gegenstand die Sicherung der Einlagen und Anlagen bei einer Insolvenz von Finanzinstituten ist; im Folgenden: IID) Versicherungsentschädigung.

41.

Mit Urteil vom 7. September 2012 wies das Bezirksgericht den Antrag des Klägers zurück. Das Gericht führte aus, auch wenn die Ausgabe der Schuldverschreibungen nicht stattgefunden habe, hätte Herr Raišelis nur dann einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung, wenn Snoras die Wertpapiere und/oder das Geld des Anlegers ohne Einverständnis des Anlegers übertragen oder verwendet hätte. Dies sei nicht der Fall gewesen. Zudem erfasse die Versicherung nicht die von Snoras ausgegebenen Schuldverschreibungen.

42.

Am 17. Oktober 2013 hob das Vilniaus apygardos teismas (Regionalgericht Vilnius) das im ersten Rechtszug ergangene Urteil auf und bejahte den Anspruch des Berufungsführers auf die beantragte Versicherungsleistung.

43.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass, auch wenn die Schuldverschreibungen erst am Geltungstag, der in den Emissionsbedingungen festgelegt worden sei (1. Dezember 2011), ausgegeben und im persönlichen Wertpapierdepot des Klägers verbucht worden wären, die Ausgabe nicht stattgefunden habe und aufgrund der Entscheidung der Bank von Litauen, die Banklizenz von Snoras dauerhaft zu widerrufen, nicht wirksam geworden sei. Das Gericht entschied, der Kläger müsse als Anleger behandelt werden und sein Geld, das sich am Tag des Eintritts des Versicherungsfalls auf dem Konto von Snoras befunden habe, müsse als versicherte Einlage angesehen werden, so dass Herr Raišelis einen Anspruch auf die begehrte Entschädigung habe.

44.

IID focht das in zweiter Instanz ergangene Urteil beim Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) an.

III. Vorlagefrage

45.

Das Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) hat zwei Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, die am 21. Dezember 2015 (C‑688/15) und am 25. Februar 2016 (C‑109/16) in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden sind, mit denen die folgenden Fragen gestellt werden:

A.   Rechtssache C‑688/15

1.

Ist die Einlagenrichtlinie dahin auszulegen, dass Gelder, die mit Zustimmung der betreffenden Personen auf ein Konto, das auf den Namen eines Kreditinstituts eröffnet wurde und bei einem anderen Kreditinstitut geführt wird, gebucht oder von diesen Personen selbst überwiesen oder eingezahlt wurden, als Einlage im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden können?

2.

Ist Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 3 der Einlagenrichtlinie dahin zu verstehen, dass an jede Person, deren Anspruch vor dem Zeitpunkt festgestellt werden kann, zu dem die in Art. 1 Abs. 3 Ziff. i und ii der Einlagenrichtlinie genannte Feststellung getroffen bzw. Entscheidung erlassen wird, eine Zahlung bis zur Höhe des in Art. 7 Abs. 1 genannten Betrags aus der Einlagensicherung zu erfolgen hat?

3.

Ist für die Zwecke der Einlagenrichtlinie die Definition des „normalen Bankgeschäfts“ für die Auslegung des Begriffs der Einlage als Guthaben, das sich aus Bankgeschäften ergibt, relevant? Ist diese Definition auch bei der Auslegung des Begriffs der Einlage in nationalen Rechtsvorschriften, mit denen die Einlagenrichtlinie umgesetzt wurde, heranzuziehen?

4.

Falls die dritte Frage bejaht wird: Wie ist der in Art. 1 Abs. 1 der Einlagenrichtlinie verwendete Begriff des normalen Bankgeschäfts zu verstehen und auszulegen:

a)

Welche Bankgeschäfte sind als normal anzusehen oder welche Kriterien bilden die Grundlage für die Feststellung, ob es sich bei einem bestimmten Bankgeschäft um ein normales handelt?

b)

Ist der Begriff des normalen Bankgeschäfts unter Berücksichtigung des Zwecks der vorgenommenen Bankgeschäfte oder der Parteien, zwischen denen solche Bankgeschäfte durchgeführt werden, zu beurteilen?

c)

Ist der in der Einlagenrichtlinie verwendete Begriff der Einlage als Guthaben, das sich aus normalen Bankgeschäften ergibt, dahin auszulegen, dass er nur Fälle erfasst, in denen alle Geschäfte, die zur Bildung eines Guthabens führen, als normal anzusehen sind?

5.

Wenn Gelder nicht unter die Definition einer Einlage nach der Einlagenrichtlinie fallen, der Mitgliedstaat sich aber dafür entschieden hat, die Einlagenrichtlinie und die Anlegerrichtlinie auf eine Weise in nationales Recht umzusetzen, dass Gelder, auf die der Einleger aufgrund einer Verpflichtung des Kreditinstituts, Wertpapierdienstleistungen zu erbringen, Ansprüche hat, auch als Einlage anzusehen sind, kann die Einlagendeckung dann nur angewandt werden, nachdem festgestellt wurde, dass das Kreditinstitut in einem konkreten Fall als Wertpapierfirma gehandelt hat und ihm Beträge überwiesen wurden, damit es Wertpapiergeschäfte/Anlagetätigkeiten im Sinne der Anlegerrichtlinie und der Richtlinie 2004/39 durchführt?

B.   Rechtssache C‑109/16

1.

Wenn ein Kreditinstitut als Wertpapierfirma tätig ist, der Geldmittel zum Erwerb von Schuldverschreibungen, die ebendieses Kreditinstitut ausgeben sollte, überlassen worden sind, diese Schuldverschreibungen aber tatsächlich nicht ausgegeben und dem Geldgeber nicht übereignet werden, wobei das Geld schon vom Bankkonto des Geldgebers abgebucht und auf ein auf den Namen des Kreditinstituts eröffnetes Konto weitergeleitet wurde und nicht zurückgezahlt werden kann, und die Intention des nationalen Rechts in einem solchen Fall im Hinblick auf die Anwendung eines spezifischen Schutzsystems nicht eindeutig ist, sind dann Art. 1 Nr. 1 der Einlagenrichtlinie und Art. 1 Nr. 4 der Anlegerrichtlinie unmittelbar anwendbar, um das anwendbare Schutzsystem zu bestimmen, und ist die beabsichtigte Verwendung des Geldes insoweit das entscheidende Kriterium? Sind die Bestimmungen dieser Richtlinien hinreichend klar, genau und unbedingt und schaffen sie subjektive Rechte, so dass Einzelpersonen vor nationalen Gerichten ihre Entschädigungsklagen gegen die Versicherungsschutz gewährende staatliche Einrichtung auf sie stützen können?

2.

Ist Art. 2 Abs. 2 der Anlegerrichtlinie, in dem festgelegt wird, welche Arten von Ansprüchen vom System für die Entschädigung der Anleger erfasst sind, dahin gehend zu verstehen und auszulegen, dass auch Ansprüche auf Erstattung von Beträgen, die eine Wertpapierfirma Anlegern schuldet und die nicht für Rechnung der Anleger gehalten werden, erfasst sind?

3.

Falls die zweite Frage bejaht wird, ist Art. 2 Abs. 2 der Anlegerrichtlinie, in dem festgelegt wird, welche Arten von Ansprüchen vom System für die Entschädigung der Anleger erfasst sind, hinreichend klar, genau und unbedingt und schafft er subjektive Rechte, so dass Einzelpersonen vor nationalen Gerichten ihre Entschädigungsklagen gegen die Versicherungsschutz gewährende staatliche Einrichtung auf ihn stützen können?

4.

Ist Art. 1 Nr. 1 der Einlagenrichtlinie dahin gehend zu verstehen und auszulegen, dass die Definition der „Einlage“ im Sinne dieser Richtlinie auch solche Beträge einschließt, die von einem persönlichen Konto mit Einverständnis seines Inhabers auf ein Konto übertragen werden, das im Namen des Kreditinstituts bei ebendiesem Kreditinstitut geführt wird und zur Bezahlung der zukünftigen Ausgabe von Schuldverschreibungen durch dieses Institut dienen soll?

5.

Sind Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Einlagenrichtlinie zusammengenommen dahin auszulegen, dass eine Leistung der Einlagenversicherung bis zum in Art. 7 Abs. 1 festgelegten Betrag an jede Person erfolgen muss, die vor dem Zeitpunkt, zu dem die Feststellung oder Entscheidung im Sinne von Art. 1 Nr. 3 Ziff. i und ii der Einlagenrichtlinie getroffen wurde, nachweislich einen Anspruch hatte?

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

46.

IID, die litauische Regierung und die Kommission haben in den Rechtssachen C‑688/15 und C‑109/16 schriftliche Erklärungen eingereicht. Frau Anisimovienė und die übrigen 256 Personen haben solche in der Rechtssache C‑688/15 eingereicht.

47.

In der mündlichen Verhandlung am 30. März 2017, in der beide Rechtssachen gemeinsam verhandelt worden sind, sind Frau Anisimovienė u. a., IID, die litauische Regierung und die Kommission erschienen.

V. Prüfung

48.

In diesen Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Frage, ob Beträge, die Kunden an ein Kreditinstitut (Snoras) gezahlt haben, um entweder Aktien dieser Bank (Rechtssache C‑688/15) oder von ihr ausgegebene Schuldverschreibungen (Rechtssache C‑109/16) zu erwerben, durch die Richtlinien 94/19 und 97/9 gedeckt sind.

49.

Im ersten Fall zahlten die Kunden das Geld entweder direkt auf ein Konto ein, das Snoras bei einem anderen Kreditinstitut (FINASTA) hatte, oder es wurde mit ihrer Zustimmung von Snoras von den Konten, die diese Privatpersonen bei ihren Zweigstellen eröffnet hatten, abgebucht und auf dieses Konto überwiesen.

50.

Im zweiten Fall wurden die Gelder ebenfalls mit Zustimmung des Kunden von seinem bei Snoras geführten Konto auf ein anderes, auf den Namen dieser Bank bei diesem Institut eröffnetes Konto überwiesen.

51.

In keinem der beiden Fälle konnte das geplante Geschäft durchgeführt werden, da Snoras 2011 ihre Banklizenz verlor und das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eingeleitet wurde.

52.

Es geht nunmehr zuerst darum, ob sowohl die für den Erwerb von Aktien von Snoras (Rechtssache C‑688/15) als auch die für die Zeichnung von Schuldverschreibungen dieses Kreditinstituts (Rechtssache C‑109/16) bestimmten Gelder als „Einlage“ im Sinne der Richtlinie 94/19 eingeordnet werden können.

53.

Sodann (und nur in Bezug auf die Rechtssache C‑109/16) muss geprüft werden, ob die Beträge, die für die Zeichnung der Schuldverschreibungen gezahlt wurden, den Anlegerschutz nach der Richtlinie 97/9 genießen.

54.

Die beiden Fragen stellen sich im Kontext einer nationalen Regelung, mit der sowohl die Einlagenrichtlinie (94/19) als auch die Anlegerrichtlinie (97/9) in einem einzigen Gesetz umgesetzt wurden.

55.

Die Fragen, die das Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) vorgelegt hat, lassen sich meines Erachtens in drei Fragen zusammenfassen und neu formulieren.

56.

An erster Stelle ist zu prüfen, a) ob die Gelder in der Rechtssache C‑688/15 für die Zwecke der Richtlinie 94/19 eine „Einlage“ darstellen, eine Frage, auf die sich die Fragen 1, 3, 4 und 5 des vorlegenden Gerichts und am Rande die Frage 2 beziehen, und b) ob die Gelder in der Rechtssache C‑109/16 ebenfalls als „Einlage“ im Sinne der Richtlinie 94/19 eingestuft werden können (Frage 4 in der Rechtssache C‑109/16). Nur wenn die jeweiligen Gelder unter die Richtlinie 94/19 fallen, müsste geprüft werden, wer Begünstigter der Versicherung ist (Frage 2 in der Rechtssache C‑688/15 und Frage 5 in der Rechtssache C‑109/16).

57.

An zweiter Stelle ist zu prüfen, ob die Beträge in der Rechtssache C‑109/16 unter die Richtlinie 97/9 fallen, denn das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie auf Gelder anzuwenden ist, die eine Wertpapierfirma Anlegern schuldet.

58.

Die Fragen 1 und 3 in der Rechtssache C‑109/16 betreffen schließlich eine mögliche unmittelbare Wirkung der Richtlinien 94/19 und 97/9.

A.   Zum Begriff „Einlage“ im Sinne der Richtlinie 94/19 und zu den durch ihre Sicherung Begünstigten (Fragen 1 bis 5 in der Rechtssache C‑688/15 und Fragen 4 und 5 in der Rechtssache C‑109/16)

1. Vorbringen der Parteien

59.

Frau Anisimovienė und die übrigen Kläger meinen, die Gelder, die sie aufgrund der Verträge über die Zeichnung der Aktien an Snoras gezahlt hätten, fielen unter die Richtlinie 94/19. Ihre Zahlungen seien ihnen seit dem Zeitpunkt zu erstatten, zu dem diese Verträge dadurch gegenstandslos geworden seien, dass die Bank von Litauen die Eintragung der Erhöhung des Kapitals von Snoras nicht genehmigt habe.

60.

Die Kläger meinen, es sei eine „Zwischenposition“ entstanden, in deren Folge die Gelder, die Snoras ihnen habe zurückzahlen müssen, wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Bank nicht erstattet worden seien. Mit anderen Worten sei es aufgrund der Situation, in der sich Snoras befunden habe, nicht möglich gewesen, ein „normales Bankgeschäft“ durchzuführen, wie beispielsweise die Überweisung der Beträge, die auf das Konto von Snoras eingezahlt worden seien, aber nicht für den Erwerb der Aktien hätten verwendet werden können, an Frau Anisimovienė und die übrigen Kläger.

61.

Eine enge Auslegung der anzuwendenden Vorschriften würde bedeuten, ihnen nicht nur die Anlegerentschädigung vorzuenthalten, sondern auch die Entschädigung für Einleger. Ein Einleger, dem es nicht gelinge, zum Anleger zu werden (dies sei bei ihnen der Fall), müsse durch die Richtlinie 94/19 geschützt werden.

62.

Zudem müsse, wer zum Zeitpunkt der Entscheidungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Ziff. i und ii der Richtlinie 94/19 Inhaber eines Anspruchs auf Erstattung von Geldern gewesen sei, als Einleger angesehen werden.

63.

Sowohl IID als auch die litauische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, die in den beiden Verfahren streitigen Gelder seine keine Einlagen im Sinne der Richtlinie 94/19.

64.

IID bringt, auf einer Linie mit der Kommission, vor, dass es sich bei den Geldern in der Rechtssache C‑688/15 vielmehr um eine Einlage von Snoras bei FINASTA (und nicht um eine Einlage von Frau Anisimovienė und den übrigen Klägern) handle, denn die entsprechenden Beträge seien, wie in einem anderen Verfahren gerichtlich festgestellt worden sei, an Snoras überwiesen worden, die dadurch zu ihrer Eigentümerin geworden sei, und fielen daher nicht unter die Richtlinie 94/19.

65.

IID, die litauische Regierung und die Kommission meinen, diese Gelder fielen nicht unter die Sicherung nach der Richtlinie 94/19, denn sie seien weder auf den Konten von Frau Anisimovienė und der übrigen Kläger eingelegt noch durch von Snoras ausgestellte Einlagenzertifikate verbrieft gewesen. Daher sei einzig zu entscheiden, ob sie zu den „Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften“ gehörten. Dies sei nicht der Fall, denn der Begriff „normales Bankgeschäft“ erstrecke sich nicht auf die Entgegennahme von für den Erwerb ihrer Aktien bestimmtes Kapital durch eine Bank.

66.

IID meint, die Richtlinie 94/19 sei auf den Sachverhalt der Rechtssache C‑688/15 nicht anwendbar, da Snoras als Wertpapierfirma gehandelt und die Gelder entgegengenommen habe, um Wertpapiergeschäfte zu tätigen. Die beiden in Rede stehenden Sicherungssysteme seien unterschiedlicher Natur. Zwar könne es Überschneidungen geben, doch sei dies in dieser Rechtssache nicht der Fall, denn die Kläger hätten die Gelder für eine Anlage überwiesen, die letztendlich gescheitert sei. Weder sei die Überweisung dieser Gelder eine durch die Richtlinie 94/19 geschützte Einlage, noch sei das der Anlage eigene Risiko von der Richtlinie 97/9 gedeckt.

67.

Zur Rechtssache C‑688/15 führt die litauische Regierung aus, der nationale Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, dass die Einlagensicherung der Richtlinie 94/19 eintrete, wenn ein Kreditinstitut sich verpflichte, Wertpapierdienstleistungen zu erbringen. Daher sei die Frage nach der Zweckbestimmung der bei Snoras befindlichen Gelder hypothetisch. Hilfsweise führt sie aus, dass die einem Kreditinstitut für den Erwerb von Finanzinstrumenten oder andere Zwecke anvertrauten Gelder im Falle seiner Insolvenz zu einer Entschädigungsleistung gemäß der Richtlinie 94/19 berechtigen könnten, sofern man sie als in deren Anwendungsbereich fallend ansehen könnte.

68.

Die Kommission führt zur Rechtssache C‑688/15 aus, dass die Richtlinien 94/19 und 97/9 keine vollständige Harmonisierung des geregelten Bereichs gewährleisteten. Die Mitgliedstaaten könnten einen höheren Schutz gewähren, sofern dadurch weder die praktische Wirksamkeit der Richtlinien geschwächt noch in die durch andere Unionsbestimmungen harmonisierten Bereiche eingegriffen werde.

69.

Die Kommission meint, die Mitgliedstaaten könnten den Schutz des Einlagensicherungssystems auf Gelder erstrecken, die unter keine der beiden Richtlinien fielen. Würden von diesem Schutz die Ansprüche erfasst, die aufgrund der Verpflichtung eines Bankinstituts, Wertpapierdienstleistungen für seine Kunden zu erbringen, entstanden seien, brauche dieses Institut im vorliegenden Fall nicht wie eine Wertpapierfirma im Sinne der Richtlinie 97/9 gehandelt zu haben.

70.

Für den Fall, dass die streitigen Gelder als Einlagen eingestuft werden könnten, steht nach Ansicht der litauischen Regierung die Entschädigung nicht dem Inhaber des Kontos zu, sondern dem Eigentümer dieser Gelder, dessen Identität vor dem Datum der Insolvenz des Kreditinstituts nachgewiesen sein müsse.

71.

IID merkt hierzu an, dass die Banklizenz von Snoras am 24. November 2011 widerrufen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien weder dieses Institut noch FINASTA zur Rückzahlung der Gelder verpflichtet gewesen, denn die Entscheidung, das Kapital zu erhöhen, sei bis zum 20. Dezember 2011 wirksam gewesen, also dem Tag, an dem Snoras die Gelder an Frau Anisimovienė und die übrigen Kläger habe zurückzahlen müssen.

72.

In Bezug auf die Gelder in der Rechtssache C‑109/16 stimmen IID, die litauische Regierung und die Kommission im Wesentlichen dahin überein, dass diese nicht als Einlagen eingestuft werden könnten. Es handle sich um Gelder, die mit Zustimmung der betreffenden Person auf ein Konto von Snoras überwiesen worden seien, um Zugang zu einer künftigen Ausgabe von Schuldverschreibungen dieses Kreditinstituts zu erhalten. Ein solcher Sachverhalt falle nicht unter den Begriff der „Einlage“ der Richtlinie 94/19.

2. Prüfung der Frage

a) Zum Begriff der Einlage nach der Richtlinie 94/19 – allgemeine Erwägungen

73.

Gemäß Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 umfasst der Begriff „Einlage“ zum einen jedes „Guthaben, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist“, und zum anderen „Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat“.

74.

Generalanwalt Cruz Villalón hat in den Schlussanträgen in der (ersten) Rechtssache Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas ( 9 ) ausgeführt, dass es sich „[i]n beiden Fällen … um Forderungen [handelt], zu deren Rückzahlung das Kreditinstitut verpflichtet ist, sei es in einem Fall an den Inhaber eines Kontos, auf dem Beträge verblieben sind, die zu einem Guthaben geführt haben, oder mit dem normale Bankgeschäfte durchgeführt wurden, aus denen Zwischenpositionen entstanden sind, die ebenfalls zu einem Guthaben geführt haben, sei es in einem anderen Fall an den Inhaber eines Einlagenzertifikats“ ( 10 ).

75.

Die Verpflichtung zur Rückzahlung ist mithin bei der Definition des Begriffs „Einlage“ von grundlegender Bedeutung ( 11 ). Dies wird durch Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 94/19 bestätigt, nach dem ein Kreditinstitut ein „Unternehmen [ist], dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen“ ( 12 ).

76.

Das zweite Schlüsselelement des Begriffs „Einlage“ im Sinne der Richtlinie 94/19 besteht genau darin, dass der Verwahrer ein Kreditinstitut sein muss.

77.

Ein drittes Element dieses Begriffs betrifft schließlich die Eigenschaft des Einlegers. Unbeschadet der in der Richtlinie 94/19 vorgesehenen ( 13 ) bzw. zugelassenen ( 14 ) Ausschlüsse sind die Einleger im Wesentlichen die „Sparer“, deren Schutz eines der Ziele dieser Richtlinie darstellt, wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt ( 15 ).

78.

Unstreitig sind in den Rechtsstreitigkeiten, die diesen Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegen, zwei dieser drei Elemente gegeben: Es handelt sich um Beträge, die ein Kreditinstitut von Privatleuten (Sparer im weiten Sinne), die grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie 94/19 ausgenommen sind, entgegengenommen hat. Es muss sich noch zeigen, ob auch das dritte Element vorliegt, dessen Feststellung problematischer ist.

79.

Zu den in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 genannten Guthaben zählen solche, die einem Kreditinstitut aufgrund eines Vertrags über ein Girokonto oder ein Sparkonto anvertraut wurden; diese Begriffe sind nicht besonderes komplex. Nicht besonders schwierig – unbeschadet der sprachlichen Probleme, auf die ich später eingehen werde –, erscheint mir auch die Feststellung, was unter den „certificados de depósito“ [in der deutschsprachigen Fassung: „durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft“] zu verstehen ist, die der letzte Halbsatz von Art. 1 Nr. 1 der Bestimmung regelt ( 16 ). Wie ich sogleich darlegen werde, liegt in der Rechtssache C‑688/15 keine dieser beiden Kategorien vor.

80.

Schwieriger ist die Frage, was Guthaben sind, die sich „aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften“ ergeben, also solche, auf die sich der zweite in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 normierte Tatbestand bezieht.

81.

Grundsätzlich kann man sich darauf einigen, dass „normale Bankgeschäfte“ solche sind, die Kreditinstitute im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit durchführen, die im Wesentlichen darin besteht, „rückzahlbare Gelder des Publikums sowohl in Form von Einlagen als auch in anderen Formen, zum Beispiel die laufende Ausgabe von Schuldverschreibungen und ähnlichen Wertpapieren, entgegen[zu]nehmen und Kredite für eigene Rechnung [zu] gewähren“ ( 17 ).

82.

Gewiss spricht sich die Richtlinie 2006/48, worauf der Prozessbevollmächtigte von Frau Anisimovienė und der übrigen Kläger in der Rechtssache C‑688/15 in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, in ihrem sechsten Erwägungsgrund für eine „möglichst weit[e]“ Sicht des Anwendungsbereichs der Koordinierungsmaßnahmen im Bereich der Kreditinstitute aus. Sie tut dies aber in dem Sinne, dass dieser Anwendungsbereich „alle Institute … erfassen [muss], die rückzahlbare Gelder des Publikums“ ( 18 ) entgegennehmen, und nachdem sie im fünften Erwägungsgrund ausdrücklich auf den „Schutz der Sparer“ Bezug genommen hat. Folglich kann, so unterschiedlich heutzutage auch die Aufgaben der Kreditinstitute sein mögen, für die Zwecke der Richtlinie 94/19 nur die banktypische Tätigkeit relevant sein, also die Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Entgegennahme von rückzahlbaren Geldern und der Gewährung von Krediten steht.

83.

Bei den „Zwischenpositionen“, die das Ergebnis derartiger normaler Geschäfte sind, dürfte es sich um solche handeln, die in dem Zeitraum entstehen, in dem diese Geschäfte durchgeführt werden. Es würde sich somit um die Zwischenpositionen zwischen zwei Kontoständen handeln, deren Differenz auf das Bankgeschäft zurückzuführen ist, das zwischen ihnen stattgefunden hat und das eine nahtlose Kontinuität zwischen ihnen herstellt.

84.

In einer ersten Annäherung wären daher die durch die Richtlinie 94/19 gesicherten „Einlagen“ – neben den gegebenenfalls auf diese Zwischenpositionen zurückzuführenden Guthaben – die Guthaben, die durch jedes konkrete normale oder übliche Bankgeschäft (das mit oder ausgehend von den „auf einem Konto verbliebenen Beträgen“ durchgeführt wurde), entstanden sind, und die Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat,.

85.

Bei alledem muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Schlüssel für die Eingrenzung des Begriffs „Einlage“, den die Richtlinie 94/19 verwendet, die Verpflichtung zur Rückzahlung ist. Für den Verwahrvertrag ist kennzeichnend, dass eine fremde Sache verbunden mit der Verpflichtung entgegengenommen wird, sie zu verwahren und zurückzugeben. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass mit der Richtlinie 94/19 im Wesentlichen versucht wird, die Sparer für den Fall der Schließung eines insolventen Kreditinstituts zu schützen ( 19 ). Dadurch soll in erster Linie für die Sparer gewährleistet werden, dass die Rückzahlung ihrer Gelder, zu deren Rückerstattung das Kreditinstitut gesetzlich verpflichtet war, durch die Insolvenz (zumindest bis zu einer gewissen Grenze) nicht unmöglich wird.

86.

Aus der Sicht des Sparerschutzes bin ich daher der Ansicht, dass die Einlagen, die die Richtlinie 94/19 sichert, solche sind, die (von den Kunden) im Vertrauen und mit der Gewissheit, sie jederzeit allein nach den für eine normale Abhebung geltenden Bedingungen zurückerlangen zu können, an ein Kreditinstitut gezahlt wurden.

87.

Es handelt sich letztlich um Gelder, die nach dem Willen ihres Inhabers auf einem Konto verbleiben – um den in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 verwendeten Begriff zu gebrauchen –, um sie dort zu halten, bis er sich entschließt, sie abzuheben. Selbstverständlich kann der Inhaber sie auch, solange sie auf diesem Konto verbleiben, für Zahlungsvorgänge verwenden (Einzugsermächtigungen u. Ä.), mit denen er das Konto im Einvernehmen mit dem Bankinstitut belasten will.

88.

Mit der Richtlinie soll das Vertrauen der Sparer darauf geschützt werden, die bei einem Kreditinstitut verbliebenen Gelder auch dann wiedererlangen zu können, wenn dieses insolvent geworden ist. Der Unionsgesetzgeber versucht auf diese Weise, die Kosten zu vermeiden, „die bei einem massiven Abheben von Einlagen nicht nur bei dem sich in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen, sondern auch bei an sich gesunden Unternehmen entstehen würden, wenn das Vertrauen der Einleger in die Stabilität des Bankensystems erschüttert wird“ ( 20 ).

89.

Dieses spezifische Vertrauen und nicht dasjenige, das jedes Rechtsgeschäft allgemein voraussetzt, soll die Richtlinie 94/19 schützen. Sie garantiert nicht die Rückzahlung der Gelder, die als Gegenleistung für irgendeine vertragliche Verpflichtung gezahlt wurden, sondern ausschließlich derjenigen, die die Sparer einem Kreditinstitut in der Gewissheit anvertraut haben, sie jederzeit wiedererlangen zu können.

90.

Selbstverständlich genießen Gelder, die zur Erfüllung einer Verpflichtung verwendet werden, die im Rahmen einer anderen Vertragsbeziehung eingegangen wurde, den allgemeinen Schutz, den die Rechtsordnung wirksam geschlossenen Verträgen gewährt. Aber dieser (allgemeine) Schutz muss erlangt werden über die jeweils vorgesehenen Verfahren zur Geltendmachung der rechtlichen Haftung desjenigen, der seine vertraglichen Verpflichtungen verletzt, zu denen die in der Richtlinie 94/19 geregelten nicht zählen.

b) Zur möglichen Einstufung der streitigen Gelder als „Einlage“ in der Rechtssache C‑688/15

91.

Der Gerichtshof hat im Urteil vom 21. Dezember 2016 ( 21 ) klar festgestellt, dass die Richtlinie 94/19 für den Erwerb von Aktien keinerlei Absicherung vorsieht. In jener Rechtssache ging es darum, ob der Schutz von Anteilen an im Finanzsektor tätigen zugelassenen Genossenschaften unter diese Richtlinie fällt. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass „[d]er Erwerb solcher Anteile … somit eher mit dem Erwerb von Aktien, für die die Richtlinie 94/19 keinerlei Absicherung vorsieht, als mit der Einzahlung auf ein Bankkonto vergleichbar“ ist ( 22 ).

92.

Da in der genannten Rechtssache nur zu klären war, ob der Erwerb dieser konkreten Anteile unter den Begriff „Einlage“ der Richtlinie 94/19 fiel, bestand für den Gerichtshof keine Notwendigkeit, den Fall der Zeichnung von Aktien eingehender zu prüfen, und er konnte sich auf die Feststellung beschränken, dass sie von der Richtlinie 94/19 ausgeschlossen sind. Die Frage stellt sich jetzt hingegen direkt, so dass auf die Gründe einzugehen ist, auf denen diese kategorische Feststellung des Gerichtshofs konkret beruht.

93.

In Anbetracht der Umstände der Rechtssache C‑688/15, wie sie in der Vorlageentscheidung dargestellt sind, bin ich der Ansicht, dass die dort streitigen Gelder nicht als „Einlage“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 eingestuft werden können.

94.

Ich erinnere daran, dass es sich um Beträge handelte, die auf ein Konto eingezahlt wurden, das bei einem Kreditinstitut (FINASTA) auf den Namen eines anderen Instituts (Snoras) eröffnet worden war, und die für den Erwerb neuer Aktien, die von Letzterem ausgegeben wurden, bestimmt waren. Die Einzahlung erfolgte entweder direkt (durch die Privatpersonen) auf das von Snoras bei FINASTA eröffnete Konto oder durch Überweisung von Snoras von den Konten, die ihre Kunden (die damit einverstanden waren) bei Snoras hatten, auf dieses Konto. Bevor der Erwerb der Aktien zustande kommen konnte, beschloss die litauische Regierung die Enteignung von Snoras aus Gründen des öffentlichen Interesses.

95.

Ich bin der Ansicht, dass Beträge, die Gegenstand dieser Geschäfte waren, keine Beträge sind, die „auf einem Konto [verblieben]... und vom Kreditinstitut … zurückzuzahlen [sind]“. Tatsächlich waren die Beträge nicht einmal auf den Konten der Privatpersonen verblieben, sondern auf dem Konto, das Snoras bei FINASTA unterhielt, so dass, worauf IID und die Kommission hinweisen, ein eventuelles Guthaben nur ein solches von Snoras bei FINASTA wäre.

96.

Dennoch ließe sich die Ansicht vertreten, dass die von Snoras bei FINASTA „eingelegten“ Beträge tatsächlich weiterhin den Privatpersonen gehörten, die sie eingezahlt hatten. Die durch Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 94/19 gewährleistete Sicherung müsste folglich die Kläger schützen. Dieser Sichtweise stehen jedoch zwei Gründe entgegen.

97.

Erstens könnten die bei FINASTA eingezahlten Gelder gegebenenfalls nur Gegenstand der durch die Richtlinie 94/19 gewährten Sicherung sein, wenn FINASTA selbst in ihrer Eigenschaft als Verwahrerin sich in Insolvenz befinden würde und sie daher nicht zurückzahlen könnte, was nicht geschehen ist.

98.

Zweitens (und ungeachtet dessen, dass offenbar gerichtlich festgestellt wurde, dass die in Rede stehenden Gelder im Eigentum von Snoras stehen ( 23 )) geht die Rückzahlungsverpflichtung, die Snoras möglicherweise trifft, auf die Nichterfüllung des zwischen dieser Bank und ihren Kunden geschlossenen Vertrags über den Erwerb von Aktien zurück. Diese Verpflichtung darf nicht verwechselt werden mit der Verpflichtung zur Rückzahlung der einem Kreditinstitut in der Gewissheit anvertrauten Gelder, sie jederzeit wiedererlangen zu können, was das Unterscheidungsmerkmal der durch die Richtlinie 94/19 geschützten Gelder darstellt.

99.

Mit anderen Worten haben Frau Anisimovienė und die übrigen Kläger die Gelder an Snoras weniger im Vertrauen darauf gezahlt, dass Snoras sich verpflichtete, sie jederzeit auf ihr Verlangen zurückzuzahlen, sondern als Gegenleistung (Zahlung des Preises) für den Erwerb des Eigentums an einer bestimmten Anzahl von Aktien von Snoras. Dass es letzten Endes nicht zu diesem Erwerb kam, könnte eine Vertragsverletzung darstellen, der über die im litauischen Zivil- und Handelsrecht vorgesehenen Verfahren abgeholfen werden muss, nicht aber über den Schutz, den die Richtlinie 94/19 Bankguthaben gewährt.

100.

Die Situation, die sich aus der Nichterfüllung der von Snoras mit den Verträgen über die Zeichnung von Aktien eingegangenen Verpflichtung ergeben hat, lässt sich meines Erachtens auch nicht unter die „Zwischenpositionen“ im Sinne des Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 subsumieren.

101.

Die Kläger vertreten die Auffassung, Snoras sei verpflichtet gewesen, ihnen die Gelder, die sie ihr anvertraut hätten, zurückzuzahlen, denn ihre Hingabe stelle ein „normales Bankgeschäft“ dar, auch wenn es nicht zu einem Abschluss gekommen sei, weil es zwischen der Einzahlung der Gelder und ihrer Rückzahlung (eine „Zwischenposition“) zunächst zur Aussetzung der Geschäfte von Snoras und danach zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen sei.

102.

Ich meine jedoch, dass Snoras die Gelder, die sie als Gegenleistung für die Ausgabe der Aktien entgegengenommen hat, nach deren Scheitern nicht deshalb hätte zurückzahlen müssen, weil es sich um ein „normales Bankgeschäft“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 gehandelt hätte. Wie ich bereits ausgeführt habe, kennzeichnet das Adjektiv „normal“ die von Kreditinstituten im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit durchgeführten Geschäfte (Beschaffung von rückzahlbaren Mitteln und Gewährung von Krediten für eigene Rechnung), nicht aber die Zeichnung von Aktien.

103.

Im vorliegenden Fall wurden die Gelder nicht als solche rückzahlbare Mittel entgegengenommen, sondern als Geldbeträge, die Snoras erhielt, um ihr Stammkapital zu erhöhen, wobei sich diese Erhöhung in den neuen von den Kunden erworbenen Aktien widerspiegelte. Die von Frau Anisimovienė und den übrigen Klägern gezahlten Beträge stellten mithin eine Gegenleistung dar, die mit der Verwahrung, dem Verbleib und gegebenenfalls der Rückzahlung einer Einlage nichts zu tun hatte.

104.

Die „Zwischenposition“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 ist, wie bereits dargelegt, diejenige, die zwischen „normalen“ Bankgeschäften liegt, und nicht eine solche, die zwischen dem Entstehen einer Verpflichtung aufgrund der Nichterfüllung eines Vertrags über den Erwerb von Aktien auf der einen und der tatsächlichen Erfüllung dieser Verpflichtung auf der anderen Seite entsteht. In diesem Fall handelt es sich nicht um zwei „normale Bankgeschäfte“, zwischen denen eine Zwischenposition liegt, sondern eher um den Ausdruck des Aufeinanderfolgens einer Vertragsverletzung und des Eintritts der sich aus ihr ergebenden Rechtsfolge.

105.

Schließlich lässt sich kaum in Abrede stellen, dass die in dem Rechtsstreit streitigen Gelder auch nicht als „Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat“, eingestuft werden können, so dass auch der dritte in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 geregelte Tatbestand nicht erfüllt ist.

106.

Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass die in der Rechtssache C‑688/15 streitigen Gelder keine Einlage im Sinne der Richtlinie 94/19 sind.

107.

Das vorlegende Gericht möchte allerdings in Anbetracht dessen, dass die Richtlinien 94/19 und 97/9 durch ein einziges Gesetz in nationales Recht umgesetzt wurden ( 24 ), auch wissen, ob der nationale Gesetzgeber unter den Begriff „Einlage“ auch „Gelder“ fassen kann, „auf die der Einleger aufgrund einer Verpflichtung des Kreditinstituts, Geschäfte mit den Geldern des Einlegers durchzuführen oder Wertpapierdienstleistungen zu erbringen, Ansprüche hat“. Dem vorlegenden Gericht zufolge ist dies in Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Einlagenversicherung so geregelt.

108.

Das vorlegende Gericht führt aus, der litauische Gesetzgeber habe mit dieser Bestimmung die Sicherung des Einlagensystems auf sämtliche auf Bankkonten verbliebene Gelder unabhängig vom Zweck der dem jeweiligen Konto gutgeschriebenen Gelder erstrecken wollen. Sie erfasse daher auch die Gelder, die im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stünden, die die Banken für ihre Kunden erbrächten.

109.

Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, den von der Richtlinie 94/19 garantierten Schutzbereich auszuweiten, da diese nur eine Mindestharmonisierung vorsieht, sofern „eine solche Ausweitung … die praktische Wirksamkeit der Einlagensicherungsregelung [nicht beeinträchtigt], die einzuführen ihnen die genannte Richtlinie vorschreibt“ ( 25 ).

110.

Unter diesem spezifischen Vorbehalt ist der nationale Gesetzgeber, wenn er sich dafür entscheidet, die an die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gebundenen Gelder als „Einlage“ einzustufen, durch die Richtlinie 94/19 hieran nicht gehindert. Mit derselben Maßgabe ist es nicht unerlässlich, für die Anwendung seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften durch Auslegung zu ermitteln, was nach der Richtlinie 97/9 genau unter Anlagetätigkeit zu verstehen ist.

111.

Wenn das vorlegende Gericht daher meint, Snoras habe außerhalb der Richtlinie 97/9 als Wertpapierfirma gehandelt und die streitigen Gelder seien an sie zu Anlagezwecken gezahlt worden, muss es entscheiden, ob dies nach nationalem Recht ausreicht, ihnen einen Schutz zu gewähren, den die Richtlinie 94/19 nicht garantiert und der ihr System nicht beeinträchtigen darf.

c) Zur möglichen Einstufung der streitigen Gelder als „Einlage“ in der Rechtssache C‑109/16

112.

In der Rechtssache C‑109/16 wollte Herr Raišelis festverzinsliche mittelfristige Schuldverschreibungen zeichnen, die von Snoras auszugeben waren. Hierzu stimmte er der Überweisung bestimmter Gelder von einem Konto (bei Snoras), dessen Inhaber er war, auf ein eigenes Konto dieses Kreditinstituts zu. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese Gelder unter diesen Voraussetzungen als „Einlage“ gemäß Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 eingestuft werden können.

113.

Meiner Ansicht nach gelten die Gründe, aus denen die Gelder in der Rechtssache C‑688/15 nicht als Einlage einzustufen sind, auch für die Gelder in der Rechtssache C‑109/16.

114.

Auch in diesem Fall handelte es sich nicht um Einlagen, die auf dem Konto von Herrn Raišelis verblieben sind, denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lizenz von Snoras widerrufen wurde, waren die Gelder bereits auf ein auf den Namen dieses Kreditinstituts eröffnetes Konto eingezahlt worden. Daher muss ich an dieser Stelle wiederholen, was ich zur Natur der Rückzahlungsverpflichtung, die Snoras treffen könnte, gesagt habe.

115.

Die oben dargelegten Gründe gelten entsprechend für den Begriff der „Zwischenposition“, die zwischen dem Entstehen dieser Verpflichtung ex contracto und ihrer tatsächlichen Erfüllung bestehen muss.

116.

Die Gelder, um die es in diesem Vorabentscheidungsersuchen geht, können auch nicht als „Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat“, eingeordnet werden, wenngleich diese Feststellung näher erläutert werden muss, denn im Unterschied zum Sachverhalt der Rechtssache C‑688/15 wollte Herr Raišelis nicht Aktien von Snoras erwerben, sondern von diesem Institut auszugebende Schuldverschreibungen ( 26 ) zeichnen.

117.

Mit den in Rede stehenden Geldern sollte eine Form von „übertragbaren Wertpapieren“ geschaffen werden. Diesen Ausdruck verwendet Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Richtlinie 2004/39, der eine bestimmte Gattung von Wertpapieren aufführt, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können („Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten [Hinterlegungsscheinen] für solche Wertpapiere“).

118.

Dieser Umstand könnte für die Zwecke der Richtlinie 94/19 von Bedeutung sein, denn zu den Forderungen, auf die sich ihr Art. 1 Abs. 1 im Rahmen der Definition des Begriffs „Einlage“ bezieht, gehören gerade solche, die den „Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen)“ entsprechen.

119.

In materieller Hinsicht steht fest, dass die Forderung ab dem Zeitpunkt bestand, zu dem Herr Raišelis und Snoras die Verträge über die Zeichnung abschlossen und er den gesamten Preis für die Schuldverschreibungen auf das Konto des Kreditinstituts einzahlte.

120.

Rein formal betrachtet wurde die Forderung jedoch letztendlich nicht „verbrieft“, so sehr dies auch versucht worden sein mag. Daher liegt hier meiner Ansicht nach nicht der in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 geregelte Sachverhalt vor.

121.

Ich räume jedoch ein, dass es hypothetisch denkbar wäre, die Bestimmung weniger eng auszulegen und die Auffassung zu vertreten, dass die Richtlinie 94/19 mit der Anforderung, dass die Forderung in einer Urkunde „verbrieft“ ist, letztendlich das Ziel verfolgt, (bis zu einer Grenze) Forderungen zu sichern, deren Bestehen hinreichend nachgewiesen ist.

122.

Stellt man auf das Ziel des Sparerschutzes ab, auf das ich bereits Bezug genommen habe, würde es eine weite Auslegung des Begriffs „verbrieft“ eventuell ermöglichen, jeden „hinreichenden Nachweis“ des Bestehens einer Forderung, die das Kreditinstitut zurückzahlen muss, unter ihn zu fassen.

123.

Allerdings wäre es auch aus dieser Perspektive Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob mit dem zwischen Herrn Raišelis und Snoras geschlossenen Vertrag über die Zeichnung von Schuldverschreibungen und angesichts der Tatsache, dass Herr Raišelis seiner vertraglichen Verpflichtung, die vereinbarten Gelder an Snoras zu zahlen, nachgekommen ist, das Bestehen einer Forderung auf dieselbe Weise wie bei einer Verbriefung der von Herrn Raišelis an Snoras gezahlten Gelder in einer Urkunde nachgewiesen ist.

124.

Geht man von dieser Auslegung des Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 aus, müsste man zudem berücksichtigen, dass das litauische Recht von der Möglichkeit des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 94/19 Gebrauch gemacht und bestimmte von einem Kreditinstitut ausgegebene Einlagenzertifikate von der Sicherung ausgenommen hat ( 27 ).

125.

Die funktionelle Auslegung, auf die ich soeben Bezug genommen habe, würde wahrscheinlich die Grenzen des Tatbestands überschreiten, wie ihn der Unionsgesetzgeber in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 normiert hat. Er spricht von „Forderungen, die … durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft“ worden sind, also von Forderungen, die nicht nur materiell als solche bestehen, sondern formell anhand eines spezifischen Rechtstitels nachgewiesen werden können.

126.

Möglicherweise ist die spanische Fassung der Vorschrift bei der Definition dieses Rechtstitels, wonach es sich dabei um ein „certificado de depósito” handeln muss, besonders rigoros. Andere Sprachfassungen scheinen weniger restriktiv zu sein: Die französische spricht beispielweise von „toute créance représentée par un titre de créance“ ( 28 ). Auch sie bezieht sich aber auf einen „Rechtstitel“, also eine Urkunde, in der eine Forderung „verbrieft“, also förmlich niedergelegt, sein muss.

127.

Es dürfte letztendlich nicht ausreichen, dass das Bestehen der Forderung in anderer Weise festgestellt werden kann als durch die Ausstellung einer Urkunde. Im Umkehrschluss ist der bloße Nachweis des Willens, eine Forderung zu verbriefen, oder wie im vorliegenden Fall die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung durch den Zeichner der von dem Kreditinstitut auszugebenen Schuldverschreibungen ausgeschlossen ( 29 ).

128.

Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass die Gelder in der Rechtssache C‑109/16 ebenfalls nicht als „Einlage“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 eingestuft werden können, ungeachtet dessen, dass diese Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die unter Wahrung der Wirksamkeit des mit ihr eingeführten Sicherungssystems sowohl diese als auch die in der Rechtssache C‑688/15 betroffenen Gelder als Einlagen behandeln.

B.   Zur Deckung durch das System der Anlegerentschädigung der Richtlinie 97/9 (Frage 2 in der Rechtssache C‑109/16)

129.

Im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 97/9 wird eingeräumt, dass es unter bestimmten Umständen „schwierig sein [kann], zwischen Einlagen zu unterscheiden, die unter die Richtlinie [94/19] fallen, und Geldern, die im Zusammenhang mit der Abwicklung von Wertpapiergeschäften gehalten werden“. Zudem können bestimmte Forderungen sowohl durch die Richtlinie 94/19 als auch die Richtlinie 97/9 geschützt sein. Art. 2 Abs. 3 der Letztgenannten verbietet für diesen Fall eine doppelte Entschädigung.

130.

Das vorlegende Gericht fragt, ob die in der Rechtssache C‑109/16 streitigen Gelder – bei denen es sich, wie ich bereits vorausgeschickt habe, nicht um eine Einlage im Sinne der Richtlinie 94/19 handelt – vom Anwendungsbereich der Richtlinie 97/9 umfasst sind.

1. Vorbringen der Parteien

131.

IID vertritt die Ansicht, dass diese Gelder nicht durch die Richtlinie gedeckt seien. Snoras habe nicht als Wertpapierfirma gehandelt, sondern als Ausstellerin von Schuldverschreibungen, so dass der den Kunden entstandene Schaden auf die Verwirklichung des Anlagerisikos zurückgehe, das als solches vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sei.

132.

Auf derselben Linie führt die litauische Regierung aus, Snoras könne nicht als Unternehmen angesehen werden, das Wertpapierdienstleistungen erbringe, denn sie entspreche nicht dem von der Richtlinie 2004/39 vorausgesetzten Profil, da sie als Ausgeberin von Schuldverschreibungen und nicht als Wertpapierfirma gehandelt habe. Herrn Raišelis sei ein Schaden entstanden, der dem jeder Anlage eigenen Risiko innewohne.

133.

Die Kommission führt aus, Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9 müsse unabhängig vom Wortlaut seiner litauischen Fassung dahin ausgelegt werden, dass die Deckung der Forderungen, die aufgrund dessen entstanden seien, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage sei, den Anlegern die Gelder zurückzuzahlen, die ihnen geschuldet würden oder ihnen gehörten und die sie auf eigene Rechnung im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts eingelegt hätten, sicherzustellen sei. Es sei irrelevant, ob die Gelder im Namen der Wertpapierfirma oder des Anlegers eingelegt worden seien.

2. Prüfung der Frage

134.

Wie aus ihrem Titel deutlich wird ( 30 ), hat die Richtlinie 97/9 nicht der Schutz von Anlagen zum Gegenstand. Sie soll also nicht das finanzielle Risiko, das jede Wertpapieranlage mit sich bringt, decken oder beseitigen. Ihr Ziel ist der Schutz der Anleger, konkreter oder spezifischer der „Kleinanleger“, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund ergibt.

135.

Es geht um den Schutz vor der Gefahr, dass „eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Anleger-Kunden nachzukommen“ ( 31 ) d. h. davor, dass die Verpflichtungen, „Wertpapierdienstleistungen zu erbringen“ oder „Anlagetätigkeiten auszuüben“, nicht erfüllt werden ( 32 ). Der Anleger soll also davor geschützt werden, dass die Firma, die er um professionelle Hilfe bei der Anlage ersucht hat, insolvent wird oder allgemein „nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Anleger-Kunden nachzukommen“.

136.

Letztlich wird gewährleistet, dass die Sparer (oder zumindest einige von ihnen) ( 33 ) im Vertrauen auf die Existenz eines Sicherungssystems, das sie in gewissen Grenzen schützt und die „Gelder oder Instrumente [abdeckt], die von einer Wertpapierfirma … gehalten werden“ ( 34 ), wenn diese ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, investieren können.

137.

Es handelt sich also wiederum um eine Garantie, die den Rückgriff auf die üblichen Mechanismen überlagert, die das Zivil- bzw. Handelsrecht den Parteien eines Vertrags zur Verfügung stellt. Außerhalb der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung der Wertpapierfirmen, die gegenüber ihren Kunden nicht mit der erforderlichen Ehrlichkeit, Redlichkeit und Professionalität handeln oder ihnen unklare oder irreführende Informationen über die von ihnen eingegangenen Risiken geben, wird das Sicherungssystem der Richtlinie 97/9 objektiv angewandt. Das heißt aber nicht, dass dem Risiko begegnet wird, dass eine Anlage, nachdem sie getätigt wurde, der harten Logik des Marktes ausgesetzt ist.

138.

Das Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) scheint es für erwiesen zu erachten, dass Snoras unter den Umständen der Rechtssache C‑109/16 als Wertpapierfirma handelte ( 35 ). Seine Zweifel beziehen sich spezifisch darauf, ob Herr Raišelis unter den Begriff des Anlegers fällt, und folglich darauf, ob er möglicherweise einen Anspruch auf den Schutz nach der Richtlinie 97/9 hat.

139.

Der Gerichtshof muss daher bei der Beantwortung der konkreten Frage, die ihm das vorlegende Gericht stellt, davon ausgehen, dass Snoras in diesem Fall die Voraussetzungen für ihre Einstufung als Wertpapierfirma erfüllte ( 36 ).

140.

Vor diesem Hintergrund ist hervorzuheben, dass die von Herrn Raišelis gewollte finanzielle Transaktion wegen der Insolvenz eines Instituts (Snoras) nicht durchgeführt werden konnte, das gleichzeitig die Ausgeberin der Schuldverschreibungen war, die ihr Kunde zeichnen wollte, und die Wertpapierfirma, die er mit diesem Geschäft beauftragt hatte.

141.

Unter diesen Umständen ist es schwierig, festzustellen, auf welche der Rollen, die Snoras Herrn Raišelis gegenüber eingenommen hatte, der ihm entstandene wirtschaftliche Schaden zurückzuführen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welchem dieser Fälle die Umstände des Ausgangsverfahrens entsprechen. Wenn es am Ende feststellt, dass erstens Snoras als Wertpapierfirma gehandelt hat und zweitens sich die Zeichnung der Schuldverschreibungen in den Rahmen des mit Herrn Raišelis geschlossenen Vertrags über Finanzdienstleistungen einfügte, müsste es entscheiden, bis zu welchem Punkt das nachträgliche „Unvermögen“ von Snoras die Entschädigungspflicht entstehen lässt. Insoweit fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9.

142.

Diese Frage steht im Kontext eines bemerkenswerten Unterschieds zwischen dem litauischen Wortlaut der Bestimmung und den übrigen Sprachfassungen. In den Letztgenannten heißt es, dass „eine Deckung für die Forderungen gewährt werden [muss], die dadurch entstanden sind, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage war, … Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern geschuldet werden oder gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden“ ( 37 ). In der litauischen Fassung ist hingegen ausschließlich von Geldern die Rede, die den Anlegern gehören, ohne dass Gelder genannt werden, die ihnen die Wertpapierfirma schuldet ( 38 ).

143.

Wie ich gleich im Anschluss darlegen werde, umfasst der Wortlaut der anwendbaren Bestimmung die Gelder, die den Anlegern geschuldet werden ( 39 ), und konkret darum geht es dem vorlegenden Gericht. Da diese Bezugnahme in der litauischen Fassung des Wortlauts fehlt, fragt es den Gerichtshof, ob sie sich im Wege der Auslegung ergibt.

144.

Das Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) möchte wissen, ob Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9 dahin auszulegen ist, „dass auch Ansprüche auf Erstattung von Beträgen, die eine Wertpapierfirma Anlegern schuldet und die nicht für Rechnung der Anleger gehalten werden, erfasst sind“ ( 40 ).

145.

Die Frage ist zum einen deshalb zu bejahen, weil der Wortlaut der Bestimmung in den meisten Sprachfassungen (mit Ausnahme der litauischen) übereinstimmt. In diesen Fällen besteht keine Notwendigkeit, durch Auslegung eine Regelung abzuleiten, die unzweifelhaft und vorbehaltslos in den Wortlaut der Vorschrift selbst aufgenommen wurde. Zum anderen lässt sich diese Lösung am besten mit dem mit der Norm verfolgten Zweck des Anlegerschutzes vereinbaren.

146.

Darüber hinaus ist der in Rede stehende Artikel hinreichend klar, genau und unbedingt, so dass sich der Einzelne auf ihn berufen kann, wie im Folgenden dargelegt wird.

C.   Zur unmittelbaren Wirkung der Richtlinien 94/19 und 97/9 (Fragen 1 und 3 der Rechtsache C‑109/16)

147.

Das vorlegende Gericht fragt auch, ob sich Einzelne vor den Gerichten unmittelbar auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9 berufen können.

148.

Die Kommission bejaht dies, da die Bezugnahme auf die „einschlägigen Rechtsvorschriften und Vertragsbedingungen“ es nicht verhindere, dass der Teil der Vorschrift über die Rückzahlungsverpflichtung hinreichend klar, genau und unbedingt sei und subjektive Rechte begründe, beträfen diese „Bedingungen“ doch lediglich die Modalitäten der Entschädigungszahlung.

149.

Der Zweifel wurde im Urteil vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas ( 41 ), ausgeräumt, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass „die Richtlinie 97/9 …, soweit sie sich auf die Bestimmung der Fälle, in denen Schutz besteht, bezieht, hinreichend klar, genau und unbedingt [ist], so dass sich der Einzelne unmittelbar auf sie berufen kann“.

150.

Dasselbe lässt sich von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 und der in dieser Bestimmung enthaltenen Definition der „Einlage“ sagen, nach deren unmittelbarer Wirksamkeit das vorlegende Gericht ebenfalls fragt.

151.

Wie auch in der Rechtssache Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas ( 42 ) muss das vorlegende Gericht jedenfalls „prüfen, ob IID, die unstreitig zur Aufgabe hat, den Anlegern im Fall einer Insolvenz des Finanzinstituts Schutz der Einlagen und Anlagen zu gewähren“, die Voraussetzungen erfüllt, die „eine Einrichtung, die … zu den Rechtssubjekten gehört, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können“, erfüllen muss, wozu u. a. gehört, dass es sich um eine „Einrichtung [handelt], die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichen Rechtsakts unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen“ ( 43 ).

VI. Ergebnis

152.

Aufgrund der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof, Litauen) wie folgt zu antworten:

1.

Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme in der Fassung durch die Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 ist dahin auszulegen, dass

Gelder, die von einem persönlichen Konto mit Einverständnis seines Inhabers auf ein Konto übertragen werden, das auf den Namen eines Kreditinstituts geführt wird und zur Zeichnung von durch dieses Institut auszugebenden Schuldverschreibungen dienen soll, und

Gelder, die unter denselben Umständen übertragen werden, um Aktien zu erwerben, die über öffentliche Zeichnungsangebote ausgegeben werden,

nicht unter den Begriff der „Einlage“ fallen.

2.

Die Richtlinie 94/19 steht dem Schutz solcher Gelder als gesicherte Einlagen durch das Recht eines Mitgliedstaats nicht entgegen, sofern dadurch die Effizienz des durch diese Richtlinie eingerichteten Schutzsystems nicht beeinträchtigt wird.

3.

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger findet Anwendung, wenn eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, ihren Kunden die Gelder zurückzuzahlen, die sie ihnen schuldet.

4.

Sowohl Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 als auch Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9 sind hinreichend klar, genau und unbedingt, so dass Einzelne sich vor nationalen Gerichten gegenüber einer Einrichtung unmittelbar auf sie berufen können, die unabhängig von ihrer Rechtsform eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden Vorschriften hinausgehen, was festzustellen Sache des nationalen Gerichts ist.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) C‑671/13, EU:C:2015:418.

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 1994, L 135, S. 5) in der durch die Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 (ABl. 2009, L 68, S. 3) geänderten Fassung.

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. 1997, L 84, S. 22).

( 5 ) Richtlinie des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABl. 1993, L 141, S. 27).

( 6 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1).

( 7 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1).

( 8 ) Žin., 2002, Nr. 65-2635. Mit diesem Gesetz (im Folgenden: Gesetz über die Einlagenversicherung) wurden die Richtlinien 94/19 und 97/9 in litauisches Recht umgesetzt.

( 9 ) C‑671/13, EU:C:2015:129, Nr. 36.

( 10 )

( 11 ) Nicht entscheidend ist hingegen, ob es sich um übertragbare oder nicht übertragbare Instrumente handelt. Auch wenn grundsätzlich die „Rückzahlungspflicht die Möglichkeit ausschließt, dass die Forderungen Gegenstand einer Übertragung oder eines Handels sein können, denn es handelt sich im engen Sinne um ein Guthaben, das einem Institut anvertraut worden ist“ (Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache C‑671/13, EU:C:2015:129, Nr. 37), bezieht sich Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 94/19 auch auf die Einlagenzertifikate, also eine Art der Gattung „Einlage“, die sich gerade durch ihre Übertragbarkeit auszeichnet (vorgenannte Schlussanträge, Nr. 39), wodurch nach dem in dieser Rechtssache ergangenen Urteil vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas (C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 36), „die darin verkörperte Forderung handelbar“ wird. Das Merkmal der Handelbarkeit war darüber hinaus für die Feststellung des Gerichtshofs von Bedeutung, dass Art. 7 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang I Nr. 12 der Richtlinie 94/19 einer nationalen Vorschrift, wonach Einlagenzertifikate, die vom Versicherten selbst ausgegeben werden, von der Einlagensicherung ausgenommen sind, nicht entgegensteht, „sofern es sich um übertragbare Urkunden handelt“ (vorgenanntes Urteil, Rn. 38).

( 12 ) Auf derselben Linie behält Art. 5 der Richtlinie 2006/48 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute den „Unternehmen, die … Kreditinstitute sind, die [gewerbsmäßige] Tätigkeit der Entgegennahme von Einlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern des Publikums“ vor. Hervorhebungen nur hier.

( 13 ) Dies gilt unter gewissen Voraussetzungen für die Kreditinstitute selbst, wie sich aus Art. 2 der Richtlinie ergibt.

( 14 ) Die in Anhang I, auf den Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 94/19 verweist, aufgeführt sind.

( 15 ) Auf den Schutz der Verbraucher bezieht sich in ihrem 16. Erwägungsgrund auch die Richtlinie 94/19.

( 16 ) Finanzinstrumente, die Cortés, L. J., in „Contratos bancarios (II)“, in Uría, R., und Menéndez, A., Curso de Derecho Mercantil, Bd. II, Civitas, Madrid, 2001, S. 541, definiert als „Wertpapiere auf Order, die durch Indossament übertragen werden, so dass ihr Inhaber sie veräußern und die eingelegten oder fest angelegten Gelder zurückerlangen kann, ohne dass der Vertrag mit dem Kreditinstitut aufgehoben oder beendet wird“.

( 17 ) Sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/48.

( 18 ) Hervorhebung nur hier.

( 19 ) Erster und zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19.

( 20 ) Vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 94/19.

( 21 ) Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975, Rn. 67).

( 22 ) Ebd.

( 23 ) Dies behauptet IID in Rn. 70 ihrer schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache C‑688/15 unter Anführung des Urteils des Lietuvos Aukščiausiasis Teismas (Oberster Gerichtshof) vom 2. Oktober 2013 (Zivilsache Nr. 3K 3 470/2013). Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ebenfalls darauf Bezug genommen.

( 24 ) Ein Vorgehen, das das Unionsrecht nicht verbietet, wenngleich der Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass „es... jedoch geboten [ist], wie im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 97/9 hervorgehoben wird, dass die mit diesem Rechtsetzungsakt geschaffene Regelung den Anforderungen beider Richtlinien genügt“ (Urteil vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas, C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 45).

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Vervloet u. a. (C‑76/15, EU:C:2016:975, Rn. 83).

( 26 ) Die Schuldverschreibung ist ein Finanzinstrument, mit dem im Wesentlichen die Gewährung eines Darlehens vereinbart wird, das sich aus Mitteln zusammensetzt, die in der Frist und unter den entsprechend festgelegten Bedingungen an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sind.

( 27 ) Im Urteil vom 25. Juni 2015, Indėlių ir investicijų draudimas und Nemaniūnas (C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 38), wird festgestellt, dass durch Art. 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Einlagenversicherung „Schuldverschreibungen (Einlagenzertifikate), die vom Versicherten selbst ausgegeben werden“, von der Einlagensicherung ausgenommen sind. Der Gerichtshof hielt diese Ausnahme für vereinbar mit der Richtlinie 94/19, sofern es sich „um übertragbare Urkunden handelt“. In der mündlichen Verhandlung hat die litauische Regierung bestätigt, dass das litauische Recht an diesem Punkt nicht geändert wurde. Es wäre daher Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die streitigen Verpflichtungen diese Voraussetzung erfüllen oder nicht, um sie möglicherweise von der Einlagensicherung auszunehmen.

( 28 ) Auf derselben Linie sprechen die italienische und die portugiesische Fassung von „debiti rappresentati da titoli“ bzw. „dívidas representadas por títulos“.

( 29 ) Andere Sprachfassungen bestätigen die Bedeutung der Form. So spricht die englische von „any debt evidenced by a certificate“ und die deutsche von „Forderungen, die das Kreditinstitut durch Ausstellung einer Urkunde verbrieft hat“.

( 30 ) Richtlinie „über Systeme für die Entschädigung der Anleger“.

( 31 ) Vierter Erwägungsgrund der Richtlinie 97/9.

( 32 ) Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/39.

( 33 ) Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 97/9 können die Mitgliedstaaten „vorsehen, dass bestimmte Anleger von der Deckung durch das System ausgeschlossen sind oder dass ihnen eine weniger umfangreiche Deckung gewährt wird. Die ausgeschlossenen Anleger sind in Anhang I aufgeführt.“

( 34 ) Achter Erwägungsgrund der Richtlinie 97/9.

( 35 ) Nach Rn. 22 des Vorlagebeschlusses hatte Herr Raišelis mit Snoras neben dem Vertrag über die Zeichnung von Schuldverschreibungen auch einen Vertrag über Finanzdienstleistungen für nicht gewerbliche Kunden geschlossen.

( 36 ) Die in Rede stehende Prämisse findet sich in der Rechtssache C‑688/15 nicht, in der alles darauf hindeutet, dass Snoras keine Wertpapierdienstleistungen erbracht hat. Vielleicht hat das vorlegende Gericht deshalb die in jener Rechtssache gestellten Fragen auf den Anwendungsbereich der Richtlinie 94/19 und die mögliche Einstufung der streitigen Gelder als „Einlagen“ konzentriert.

( 37 ) So in der deutschen und in anderen Fassungen, wie der spanischen („cobertura respecto de los créditos resultantes de la incapacidad de la empresa de inversión para reembolsar a los inversores los fondos que se les adeuda o que les pertenecen y que la empresa [de inversión] tenga depositados por cuenta de aquellos en relación con operaciones de inversión“), der englischen („repay money owed to or belonging to investors and held on their behalf in connection with investment business“), der französischen („rembourser aux investisseurs les fonds leur étant dus ou leur appartenant et détenus pour leur compte en relation avec des opérations d’investissement“), der italienischen („rimborsare i fondi dovuti o appartenenti agli investitori e detenuti per loro conto in relazione ad operazioni d’investimento“) oder der portugiesischen („reembolsar os investidores dos fundos que lhes sejam devidos ou que lhes pertençam e que sejam detidos por sua conta no âmbito de operações de investimento“); Hervorhebungen nur hier.

( 38 ) „[G]rąžinti pinigus, priklausančius investuotojams ir laikomus jų vardu ryšium su investicine veikla“. Mit diesem Wortlaut wurde auch Art. 2 Abs. 12 des Gesetzes über die Einlagenversicherung abgefasst.

( 39 ) Im Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 2016, Ambisig (C‑46/15, EU:C:2016:530, Rn. 48), wird darauf hingewiesen, dass „die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen kann. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört.“

( 40 ) Wortlaut der zweiten Frage in der Rechtssache C‑109/16; Hervorhebung nur hier.

( 41 ) C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 58.

( 42 ) Urteil vom 25. Juni 2015 (C‑671/13, EU:C:2015:418, Rn. 59).

( 43 ) Ebd.

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