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Document 62015TO0384

    Beschluss des Gerichts (Zweite Kammer) vom 13. September 2016.
    EDF Luminus gegen Europäisches Parlament.
    Schiedsklausel – Stromliefervertrag CNT(2009) Nr. 137 – Zahlung des von der Klägerin an die Region Brüssel-Hauptstadt entrichteten und auf der Grundlage der dem Parlament vorgehaltenen Leistung berechneten regionalen Beitrags durch das Parlament – Fehlen einer vertraglichen Verpflichtung – Fehlen einer sich aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ergebenden Verpflichtung.
    Rechtssache T-384/15.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2016:512

    BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

    13. September 2016 ( *1 )

    „Schiedsklausel — Stromliefervertrag CNT(2009) Nr. 137 — Zahlung des von der Klägerin an die Region Brüssel-Hauptstadt entrichteten und auf der Grundlage der dem Parlament vorgehaltenen Leistung berechneten regionalen Beitrags durch das Parlament — Fehlen einer vertraglichen Verpflichtung — Fehlen einer sich aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ergebenden Verpflichtung“

    In der Rechtssache T‑384/15

    EDF Luminus mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Verhoeven und O. Vanden Berghe,

    Klägerin,

    gegen

    Europäisches Parlament, vertreten durch L. Darie und P. Biström als Bevollmächtigte,

    Beklagter,

    unterstützt durch

    Europäische Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und I. Martínez del Peral als Bevollmächtigte,

    Streithelferin,

    wegen einer Klage nach Art. 272 AEUV auf Verurteilung des Parlaments zur Zahlung eines dem von der Klägerin an die Region Brüssel-Hauptstadt entrichteten regionalen Beitrags entsprechenden und auf der Grundlage der dem Parlament vorgehaltenen Leistung berechneten Betrags von 439672,95 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin

    erlässt

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Gervasoni (Berichterstatter) und L. Madise,

    Kanzler: E. Coulon,

    folgenden

    Beschluss

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    1

    Nach den Art. 343 AEUV und 191 EA genießen die Europäische Union und die Europäische Atomgemeinschaft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union, das ursprünglich dem Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1967, Nr. 152, S. 13) beigefügt war und sodann durch den Vertrag von Lissabon dem EU-Vertrag, dem AEU-Vertrag und dem EAG-Vertrag beigefügt wurde (im Folgenden: Protokoll).

    2

    Art. 3 des Protokolls bestimmt:

    „Die Union, ihre Guthaben, Einkünfte und sonstigen Vermögensgegenstände sind von jeder direkten Steuer befreit.

    Die Regierungen der Mitgliedstaaten treffen in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern und Verkaufsabgaben, die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind, wenn die Union für ihren Dienstbedarf größere Einkäufe tätigt, bei denen derartige Steuern und Abgaben im Preis enthalten sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen darf jedoch den Wettbewerb innerhalb der Union nicht verfälschen.

    Von den Abgaben, die lediglich die Vergütung für Leistungen gemeinnütziger Versorgungsbetriebe darstellen, wird keine Befreiung gewährt.“

    Belgisches Recht

    3

    Die Ordonnanz der Region Brüssel‑Hauptstadt (Belgien) vom 19. Juli 2001 über die Organisation des Elektrizitätsmarkts in der Region Brüssel-Hauptstadt (Moniteur belge vom 17. November 2001, S. 39135, im Folgenden: Elektrizitätsordonnanz) sieht in Art. 26 vor:

    „§ 1.   Für den Besitz einer auf der Grundlage von Art. 21 erteilten Liefererlaubnis wird monatlich eine Abgabe bei der natürlichen oder juristischen Person, die die Erlaubnis erhalten hat, im Folgenden Abgabenpflichtiger genannt, erhoben.

    § 3.   Die Abgabe wird auf der Grundlage der den zugelassenen Endkunden mittels Netzen, Anschlüssen und Direktleitungen von 70 kV und weniger an Verbrauchsstätten in der Region Brüssel-Hauptstadt vorgehaltenen Leistung berechnet. Für die Hochspannungsabnehmer besteht die vorgehaltene Leistung in der Leistung des Anschlusses. Diese entspricht der in kVa ausgedrückten, gemäß dem Anschlussvertrag vorgehaltenen Maximalleistung. Fehlt eine Regelung im Anschlussvertrag oder wird die genutzte Leistung in Bezug auf die gemäß dem Anschlussvertrag vorgehaltene Maximalleistung überschritten, entspricht die Anschlussleistung der in kVa ausgedrückten Maximalleistung, die in den vorherigen 36 Monaten genutzt wurde, multipliziert mit dem Faktor 1,2.

    § 4.   Die für die Hochspannung monatlich zu erhebende Abgabe wird auf 0,67 Euro pro kVa festgesetzt.

    Dieser Betrag wird jährlich dem Verbraucherpreisindex des Königreichs angepasst. …

    § 5.   Die Regierung legt die Durchführungsbestimmungen dieses Artikels fest. Sie kann u. a. dem Verteilernetzbetreiber, dem regionalen Transportnetzbetreiber und den Benutzern direkter Linien auferlegen, ihr die für die Erhebung der Abgaben nützlichen Daten zu liefern.

    Die Regierung kann dem Verteilernetzbetreiber auferlegen, die Abgabenpflichtigen zur Entrichtung der Abgabe aufzufordern. Die Aufforderung enthält u. a. die Angabe des Wirtschaftsjahrs, der Bemessungsgrundlage, des Tarifs, des Fälligkeitszeitpunkts der Zahlung und der Zahlungsweise der Abgabe. Die Folgeleistung oder Unterlassung dieser Aufforderung lässt die Rechte und Pflichten des Abgabenpflichtigen jedoch unberührt.

    § 6.   Die Abgabe wird nach den in Kapitel VI der Ordonnanz vom 23. Juli 1992 über die regionale Steuer zulasten der Nutzer bebauter Grundstücke und der Inhaber dinglicher Rechte an bestimmten Immobilien erhoben und eingefordert. Die Frist für die Entrichtung der Abgabe ist jedoch gemäß Abs. 3 dieses Artikels festgelegt.

    …“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    4

    Am 10. Juli 2009 unterzeichnete das Europäische Parlament einen Vertrag mit Referenznr. CNT(2009) Nr. 137 (im Folgenden: Vertrag) über die Belieferung seiner in der Region Brüssel belegenen Immobilien mit Ökostrom durch die Klägerin, EDF Luminus. Der Vertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren wurde mit der tatsächlichen Lieferung von Elektrizität durch die Klägerin wirksam. Er wurde durch eine am 15. Juli 2011 unterzeichnete Zusatzvereinbarung für ein Jahr, d. h. bis zum 31. Juli 2012, verlängert.

    5

    Mit Schreiben vom 13. Mai 2011 setzte die Klägerin das Parlament davon in Kenntnis, dass sie nunmehr verpflichtet sei, ihm die in Art. 26 der Elektrizitätsordonnanz vorgesehene Abgabe auf die Lieferung von Elektrizität (im Folgenden: Beitrag) in Rechnung zu stellen, und dass sie zudem die rückwirkende Zahlung des Beitrags ab dem Inkrafttreten des Vertrags fordere. Diesen Beitrag hatte die Klägerin seit dem Jahr 2009 an die Region Brüssel-Hauptstadt gezahlt, dem Parlament bislang aber nicht in Rechnung gestellt.

    6

    Nachdem das Parlament diese Forderung zurückgewiesen hatte, übermittelte ihm die Klägerin stets zwei Arten von Rechnungen, nämlich eine über den Beitrag und eine weitere über die unbestrittenen Bestandteile der Stromlieferung. Das Parlament zahlte die letzteren Rechnungen, lehnte es aber ab, die ersteren zu zahlen.

    7

    Nach einer erneuten Aufforderung, den Beitrag zu zahlen, und einer erneuten Weigerung durch das Parlament erhob die Klägerin die vorliegende Klage.

    8

    Die Klägerin erhob außerdem beim Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz, Brüssel) eine Klage gegen die Region Brüssel-Hauptstadt auf Erstattung des entrichteten Beitrags.

    9

    Außerdem erhob die Europäische Kommission am 4. April 2014 eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV gegen das Königreich Belgien. Mit Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), entschied der Gerichtshof, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 des Protokolls verstoßen habe, dass es den Einrichtungen der Union keine Befreiung von dem durch Art. 26 der Elektrizitätsordonnanz eingeführten Beitrag gewährt und sich geweigert habe, den von der Region Brüssel-Hauptstadt erhobenen Beitrag zu erstatten.

    Anträge der Parteien und Verfahren

    10

    Die Klägerin beantragt,

    das Parlament zu verurteilen, ihr 439672,95 Euro zu zahlen;

    das Parlament zu verurteilen, ihr die vertraglichen Zinsen auf diesen Betrag ab Fälligkeit der Rechnungen zu zahlen;

    dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

    11

    Das Parlament beantragt,

    festzustellen, dass die vorliegende Klage infolge des Urteils vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), gegenstandslos geworden ist;

    hilfsweise, die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen;

    festzustellen, dass es Sache der Region Brüssel-Hauptstadt ist, der Klägerin den geltend gemachten Betrag zu erstatten;

    der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

    12

    Die Klägerin erläutert, dass sie die Klage erhoben habe, „weil sie in einem Verfahren vor dem Tribunal de première instance francophone de Bruxelles [(französischsprachiges Gericht erster Instanz, Brüssel)] von der Region Brüssel-Hauptstadt keine Erstattung [des Beitrags] erlangen“ könne.

    13

    Die Kommission hat beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung des Parlaments zugelassen zu werden. Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 16. Februar 2016 ist sie in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Parlaments zugelassen worden.

    14

    Der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts hat beschlossen, das Verfahren gemäß Art. 69 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts bis zur Verkündung der das Verfahren beendenden Entscheidung in der Rechtssache C‑163/14, Kommission/Belgien, auszusetzen. Das Verfahren ist am 14. Januar 2016, dem Tag der Verkündung des Urteils in dieser Rechtssache, fortgesetzt worden.

    15

    Das Parlament hat am 22. März 2016 bei der Kanzlei des Gerichts seine Klagebeantwortung eingereicht. Darin hat es sich insbesondere auf das Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), berufen.

    16

    Mit einer prozessleitenden Maßnahme hat das Gericht die Klägerin und die Kommission aufgefordert, zu den Folgen Stellung zu nehmen, die aus diesem Urteil für die vorliegende Rechtssache abzuleiten sind. Diese Stellungnahmen sind fristgerecht eingegangen.

    Rechtliche Würdigung

    17

    Ist das Gericht für die Entscheidung über eine Klage offensichtlich unzuständig oder ist eine Klage offensichtlich unzulässig oder fehlt ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage, so kann es nach Art. 126 der Verfahrensordnung auf Vorschlag des Berichterstatters jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.

    18

    Das Gericht hält im vorliegenden Fall die in den Akten enthaltenen Angaben für ausreichend und beschließt, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

    19

    Zunächst ist der Antrag des Parlaments zu prüfen, das Gericht möge die Hauptsache für erledigt erklären.

    Zum Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären

    20

    Das Parlament hält die Hauptsache in Anbetracht des Urteils vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), für erledigt. Es macht geltend, dass die von der Region Brüssel-Hauptstadt zu Unrecht erhobenen Beiträge nach diesem Urteil zwangsläufig der Klägerin zu erstatten seien, so dass für sie keine Veranlassung mehr bestehe, vom Parlament die diesen Beiträgen entsprechenden Beträge zu verlangen.

    21

    Hierzu ist zu bemerken, dass die Klägerin in der vorliegenden Rechtssache, die auf der Grundlage des zwischen ihr und dem Parlament geschlossenen Vertrags anhängig gemacht wurde, beantragt, das Parlament auf Zahlung eines Betrags, der dem von ihr an die Region Brüssel-Hauptstadt entrichteten und auf der Grundlage der dem Parlament gemäß diesem Vertrag vorgehaltenen Leistung berechneten Beitrag entspricht, sowie der insoweit angefallenen vertraglichen Zinsen zu verurteilen.

    22

    Selbst wenn die Erstattung der von der Klägerin geforderten Beträge durch die Region Brüssel-Hauptstadt, die weder Partei des vorliegenden Rechtsstreits noch des Vertrags ist, den Schluss zulassen könnte, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits entfallen ist, ist jedenfalls festzustellen, dass das Parlament und die Kommission weder nachweisen noch auch nur vortragen, dass die Erstattung der geforderten Beträge, einschließlich der vertraglichen Zinsen, erfolgt ist oder dass die Klägerin insoweit über eine Forderung gegenüber der Region Brüssel-Hauptstadt verfügt. Eine solche Forderung könnte sich z. B. aus einem Urteil des Tribunal de première instance francophone de Bruxelles (französischsprachiges Gericht erster Instanz, Brüssel) ergeben, mit dem über die Klage entschieden wird, die die Klägerin bei ihm erhoben hat (siehe oben, Rn. 8). Überdies macht die Klägerin in ihrer am 10. Mai 2016 in Beantwortung der oben in Rn. 16 genannten prozessleitenden Maßnahme abgegebenen Stellungnahme geltend, dass die Region Brüssel-Hauptstadt es zu diesem Zeitpunkt „trotz des in der Rechtssache C‑163/14 ergangenen Urteils ablehnt, ihr die gezahlten streitigen Beiträge zu erstatten“.

    23

    Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof zwar mit Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), entschieden hat, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 des Protokolls verstoßen hat, dass es den Einrichtungen der Union keine Befreiung von den durch Art. 26 der Elektrizitätsordonnanz eingeführten Beiträgen gewährt und sich geweigert hat, die von der Region Brüssel-Hauptstadt erhobenen Beiträge zu erstatten, dass die Elektrizitätsordonnanz aber in dem oben wiedergegebenen Wortlaut so lange bestehen bleibt, bis das Königreich Belgien dieses Urteil durchführt. Das Parlament hat jedoch nichts vorgetragen, was den Schluss zuließe, dass das geltende Recht bereits geändert worden ist.

    24

    Nach alledem ist die vorliegende Klage nicht gegenstandslos, da das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht entfallen ist, so dass dem Antrag des Parlaments, die Hauptsache für erledigt zu erklären, nicht stattzugeben ist.

    Zur Begründetheit der Klage

    25

    Zur Begründung ihrer auf der Grundlage von Art. 272 AEUV gestellten Anträge macht die Klägerin drei Klagegründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß des Parlaments gegen seine vertraglichen Verpflichtungen, zweitens einen Verstoß gegen Art. 26 der Elektrizitätsordonnanz und schließlich drittens einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

    Zum ersten Klagegrund

    26

    Die Klägerin trägt vor, der Vertrag erlaube es ihr, vom Parlament die Zahlung des Beitrags zu verlangen.

    27

    Zunächst ist festzustellen, dass der Vertrag nicht vorsieht, dass der Beitrag dem Parlament in Rechnung gestellt wird. Insbesondere fehlt in Anhang 2 des Vertrags, der die Modalitäten für die Berechnung des Preises der Lieferung von Elektrizität nennt, jede Bezugnahme auf den Beitrag.

    28

    Zudem werden nach Art. 3 Nr. 3.2 des Vertrags „[d]ie Preise … unter Berücksichtigung der Tatsache festgelegt, dass die europäischen Organe von Zöllen, indirekten Steuern und Verkaufsabgaben befreit sind, insbesondere von der Mehrwertsteuer“.

    29

    In Nr. 3.2 des Vertrags heißt es weiter, dass „die Steuern, Vergütungen und anderen regionalen und föderalen Beiträge nicht in Rechnung gestellt werden“ können.

    30

    Der Vertrag sieht demnach keine Verpflichtung für das Parlament vor, den auf der Grundlage der ihm gemäß dem Vertrag vorgehaltenen Leistung berechneten Beitrag an die Klägerin zu zahlen.

    31

    Hinzuzufügen ist, dass für den Vertrag nach seinem Art. 19 „belgisches Recht gilt; er wird im Einklang mit diesem Recht angewandt und ausgelegt, sofern die betreffenden Fragen nicht durch das Recht der [Union], einschließlich der Haushaltsordnung, geregelt werden“. Daher ist der Vertrag zunächst anhand des Unionsrechts auszulegen.

    32

    Im Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4, Rn. 39), hat der Gerichtshof entschieden, dass der Beitrag als indirekte Steuer gemäß Art. 3 Abs. 2 des Protokolls anzusehen ist.

    33

    Somit ist der Verweis auf „indirekte Steuern“ im Vertrag und insbesondere in dessen Nr. 3.2 so zu verstehen, dass er sich auf den Beitrag bezieht. Dies bestätigt, dass die Vertragsparteien das Parlament von der Zahlung des Beitrags befreien wollten.

    34

    Die Verpflichtungen der Parteien hinsichtlich der Zahlung des Beitrags am 15. Juli 2011 werden durch die abgeschlossene Zusatzvereinbarung in keiner Weise berührt.

    35

    Die Schlussfolgerung, zu der das Gericht oben in Rn. 33 gelangt ist, lässt sich durch das weitere Vorbringen der Klägerin nicht entkräften.

    36

    Erstens lässt sich Art. 8 („Steuervorschriften“) Nr. 8.1 des Vertrags, der bestimmt, dass der „Auftragnehmer allein für die Einhaltung der für ihn geltenden Steuervorschriften verantwortlich ist“, nicht entnehmen, dass eine Verpflichtung des Parlaments bestünde, den Beitrag an seinen Vertragspartner, d. h. die Klägerin, zu zahlen.

    37

    Zweitens lässt der Verweis auf eine mit der „Verteilung“ verbundene Preiserhöhung in Anhang 2 Abs. 2 des Vertrags unter Berücksichtigung der allgemeinen Systematik des Vertrags und insbesondere der oben angeführten Nr. 3.2 nicht den Schluss zu, dass eine Verpflichtung des Parlaments bestünde, den Beitrag an seinen Vertragspartner, d. h. die Klägerin, zu zahlen.

    38

    Nach alledem ist der erste Klagegrund als offensichtlich unbegründet abzuweisen.

    Zum zweiten Klagegrund

    39

    Die Klägerin trägt vor, das Parlament sei gemäß Art. 26 der Elektrizitätsordonnanz verpflichtet, den Beitrag an sie zu zahlen.

    40

    Hierzu ist festzustellen, dass die Elektrizitätsordonnanz zwar die Steuerpflichten der Stromversorger gegenüber einer nationalen Verwaltung, der Region Brüssel-Hauptstadt festlegt, dass sie jedoch für den Endverbraucher keine Verpflichtung vorsieht, den Beitrag an seinen Stromversorger zu zahlen. Die Klägerin kann sich somit nicht darauf berufen, dass das Parlament gegen eine solche Verpflichtung verstoßen habe.

    41

    Diese Feststellung steht nicht in Widerspruch zu der Schlussfolgerung, dass das den Beitrag betreffende Steuersystem zu dem Zweck konzipiert und eingeführt wurde, den Beitrag auf den Endverbraucher abzuwälzen (Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien, C‑163/14, EU:C:2016:4, Rn. 48). Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen den Zielen eines Steuersystems und einer sich aus diesem System ergebenden zwingenden Verpflichtung, deren Verletzung die vertragliche oder sogar außervertragliche Haftung des Endverbrauchers gegenüber seinem Stromversorger auslösen könnte. Fehlt es an einer solchen zwingenden Verpflichtung, hängt die Abwälzung des Beitrags auf den Endverbraucher allein von den vertraglichen Beziehungen zwischen dem Lieferanten und dem Endverbraucher ab.

    42

    Selbst wenn die Elektrizitätsordonnanz dahin ausgelegt werden könnte, dass der Endverbraucher den auf der Grundlage der ihm vorgehaltenen Leistung berechneten Beitrag an seinen Stromversorger zu zahlen hat, wäre der Klagegrund dennoch zurückzuweisen.

    43

    Die Tatsache, dass die Elektrizitätsordonnanz keine Befreiung von dem Beitrag zugunsten der Einrichtungen der Union vorsieht, hat den Gerichtshof nämlich dazu veranlasst, mit Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), festzustellen, dass das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 des Protokolls verstoßen hat.

    44

    Gemäß Art. 19 des Vertrags hat das Gericht als vertraglich bestimmtes Gericht das nationale Recht wie ein nationales Gericht anzuwenden.

    45

    Aufgrund der Rechtskraft des Urteils vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), darf das Gericht die Elektrizitätsordonnanz daher nicht anwenden, um ein Unionsorgan zur Zahlung des Beitrags zu verpflichten (vgl. entsprechend, zu Verpflichtungen nationaler Behörden, Urteil vom 13. Juli 1972, Kommission/Italien, 48/71, EU:C:1972:65, Rn. 7).

    46

    Wollte die Klägerin mit dem vorliegenden Klagegrund eine außervertragliche Haftung des Parlaments geltend machen, ist ein solches Vorbringen im Rahmen einer auf Art. 272 AEUV gestützten Klage nicht zulässig. Jedenfalls würden es die vorstehenden Ausführungen erlauben, den Klagegrund zurückzuweisen, soweit er zu diesem Zweck geltend gemacht worden wäre.

    47

    Im Übrigen kann die Schlussfolgerung, zu der das Gericht oben in Rn. 40 gelangt ist, nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Klägerin den Beitrag zu tragen hat. Dieser Umstand hat nämlich keine Auswirkungen auf die Auslegung der Elektrizitätsordonnanz.

    48

    Insoweit ist festzustellen, dass es der Klägerin – wenn sie einen Anspruch zu haben glaubt – freisteht, das von ihr angerufene nationale Gericht zu ersuchen, sich zu der Frage zu äußern, ob die Befreiung, die das Königreich Belgien den Einrichtungen der Union zu gewähren hat, es gebietet, die Stromversorger ihrerseits von einem solchen Beitrag zu befreien, wenn ihr Kunde eine Einrichtung der Union ist.

    49

    Schließlich kann die oben in Rn. 40 dargelegte Schlussfolgerung nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass das Parlament und die anderen Einrichtungen der Union bereit gewesen sein sollen, den Beitrag an andere Stromversorger zu zahlen. Ein solcher Umstand, der im Rahmen des dritten Klagegrundes erneut zu prüfen sein wird, wirkt sich nämlich nicht auf die Auslegung der Elektrizitätsordonnanz aus.

    50

    Nach alledem ist der zweite Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

    Zum dritten Klagegrund

    51

    Die Klägerin trägt vor, das Parlament habe es zu Unrecht abgelehnt, den Beitrag an sie zu zahlen, obwohl die Einrichtungen der Union den Beitrag an Electrabel, einen anderen Stromversorger, gezahlt hätten. Damit habe das Parlament gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

    52

    Hierzu ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund, mit dem kein Verstoß des Parlaments gegen seine vertraglichen Verpflichtungen oder das auf den Vertrag anzuwendende Recht gerügt wird, im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2016, Hydrex/Kommission, T‑45/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:151, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    53

    Es ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Nichtdiskriminierung oder Gleichbehandlung, der einen fundamentalen Rechtsgrundsatz darstellt, es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Oktober 1986, Christ-Clemen u. a./Kommission, 91/85, EU:C:1986:373, Rn. 19; vgl. auch Urteil vom 8. Januar 2003, Hirsch u. a./EZB,T‑94/01, T‑152/01 und T‑286/01, EU:T:2003:3, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54

    Im vorliegenden Fall muss die Klägerin daher insbesondere Gesichtspunkte anführen, die die Feststellung zulassen, dass Electrabel und sie sich in einer vergleichbaren Lage befinden.

    55

    Insoweit geht aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2015:441, Nrn. 19 und 24) hervor, dass der mit Electrabel geschlossene Vertrag vorsah, dass die Einrichtungen der Union den Beitrag zu zahlen haben. Die Klägerin, die in ihrer Klageschrift im Übrigen bestimmte Nummern dieser Schlussanträge beanstandet, trägt nichts vor, was es zuließe, diese Tatsache in Zweifel zu ziehen.

    56

    Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 30), sieht der zwischen der Klägerin und dem Parlament geschlossene Vertrag aber nicht vor, dass dieses den Beitrag zahlt.

    57

    Somit befinden sich die Klägerin und Electrabel nicht in einer vergleichbaren Lage, da der von der Klägerin unterzeichnete Vertrag nicht vorsieht, dass das Parlament den Beitrag zahlen muss.

    58

    Dass die Klägerin das Parlament zur Zahlung des Beitrags aufgefordert hat, ist insoweit unerheblich.

    59

    Vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns, wonach sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, in Einklang gebracht werden muss (Urteil vom 4. Juli 1985, Williams/Rechnungshof, 134/84, EU:C:1985:297, Rn. 14). Da, wie aus dem Urteil vom 14. Januar 2016, Kommission/Belgien (C‑163/14, EU:C:2016:4), hervorgeht, das Erfordernis der Zahlung des den Einrichtungen der Union auferlegten Beitrags gegen das Unionsrecht verstößt, kann der vorliegende Klagegrund nicht durchgreifen.

    60

    Nach alledem ist der dritte Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Daher sind alle Anträge der Klägerin zurückzuweisen.

    Zum Feststellungsantrag des Parlaments

    61

    Das Parlament beantragt, festzustellen, dass „es Sache der Region Brüssel-Hauptstadt ist, der Klägerin den geltend gemachten Betrag zu erstatten“.

    62

    Nach ständiger Rechtsprechung schließt die dem Gericht nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 272 AEUV eingeräumte Zuständigkeit für die Entscheidung über eine aufgrund einer Schiedsklausel erhobene Klage zwangsläufig die Zuständigkeit für die Entscheidung über eine im Rahmen dieser Klage erhobene Widerklage ein, die auf die vertragliche Beziehung oder auf den der Klage zugrunde liegenden Sachverhalt gestützt wird oder die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verpflichtungen aus dem Vertrag steht (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, Isotis/Kommission, T‑59/11, EU:T:2014:679, Rn. 265 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    63

    Im vorliegenden Fall steht der Antrag des Parlaments jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Vertrag, da er nicht gegenseitige Verpflichtungen der Vertragsparteien betrifft, die sich aus dem Vertrag ergeben sollen, sondern Verpflichtungen, die die Region Brüssel-Hauptstadt, die weder Vertragspartei noch Partei des Rechtsstreits ist, gegenüber der Klägerin haben soll.

    64

    Das Gericht ist daher auf der Grundlage der hier aufgrund einer Schiedsklausel erhobenen Klage nicht befugt, über den Antrag des Parlaments zu entscheiden.

    65

    Dies gälte – aus denselben Gründen – auch dann, wenn anzunehmen wäre, dass die Schiedsklausel in Art. 20 des Vertrags, wonach „jede auf diesem Vertrag beruhende Streitigkeit zwischen dem … Parlament und dem Vertragspartner, die nicht gütlich beigelegt werden kann, gemäß Art. 255 Abs. 1 EG‑Vertrag dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, vorgelegt wird“, nach ihrem Wortlaut die Zuständigkeit des Gerichts oder des Gerichtshofs für die Entscheidung über eine Feststellungsklage, die eine Streitigkeit zwischen dem Parlament und der Klägerin hinsichtlich der Gültigkeit, der Anwendung oder der Auslegung des Vertrags betrifft, begründen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2015, Planet/Kommission, C‑564/13 P, EU:C:2015:124, Rn. 26).

    66

    Nach alledem ist die Klage abzuweisen, da sie offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrt, und der Feststellungsantrag des Parlaments ist zurückzuweisen, da das Gericht insoweit offensichtlich unzuständig ist, ohne dass eine Fortsetzung des Verfahrens erforderlich wäre.

    Kosten

    67

    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    68

    Da im vorliegenden Fall die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen.

    69

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

    70

    Die Kommission trägt daher ihre eigenen Kosten.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    beschlossen:

     

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2.

    Der Feststellungsantrag des Europäischen Parlaments wird zurückgewiesen.

     

    3.

    EDF Luminus trägt neben ihren eigenen Kosten die dem Parlament entstandenen Kosten.

     

    4.

    Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

    Luxemburg, den 13. September 2016

     

    Der Kanzler

    E. Coulon

    Der Präsident

    M. E. Martins Ribeiro


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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