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Document 62015CC0544

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 29. November 2016.
    Sahar Fahimian gegen Bundesrepublik Deutschland.
    Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Richtlinie 2004/114/EG – Art. 6 Abs. 1 Buchst. d – Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen – Ablehnung der Zulassung – Begriff der ‚Bedrohung für die öffentliche Sicherheit‘ – Beurteilungsraum.
    Rechtssache C-544/15.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:908

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 29. November 2016 ( 1 )

    Rechtssache C‑544/15

    Sahar Fahimian

    gegen

    Bundesrepublik Deutschland

    (Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Berlin [Deutschland])

    „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Richtlinie 2004/114/EG — Art. 6 Abs. 1 Buchst. d — Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums — Versagung der Zulassung einer Person — Begriff der ‚Bedrohung für die öffentliche Sicherheit‘ — Beurteilungsspielraum des Mitgliedstaats — Gerichtliche Überprüfung“

    1. 

    Frau Fahimian ist eine iranische Staatsangehörige, die in Deutschland ein Visum zur Aufnahme eines Promotionsstudiums begehrt. Die deutschen Behörden lehnen die Erteilung eines solchen Visums mit der Begründung ab, dass sie an einer Universität studiert habe, die vom Rat der Europäischen Union als der iranischen Regierung nahestehende Organisation, die Forschung zu militärischen Zwecken betreibe, geführt werde. Die deutschen Behörden betrachten Frau Fahimian als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit.

    2. 

    Zur Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Sicherheit besteht zwar gefestigte Rechtsprechung im Bereich der Binnenmarktfreiheiten und der Unionsbürgerschaft; dies gilt jedoch nicht für die Bedingungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit im Bereich der Einwanderungspolitik der Union.

    3. 

    Die Fragen, die die vorliegende Rechtssache als zweite Rechtssache zur Auslegung einer Bestimmung der Richtlinie 2004/114/EG ( 2 ) aufwirft, betreffen den Kern der Einwanderungspolitik der Union. Der Gerichtshof wird über den den Behörden eines Mitgliedstaats in diesem Kontext zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum sowie über den Grad der gerichtlichen Kontrolle zu befinden haben. Dabei sollte der Gerichtshof die unterschiedlichen Ziele des Binnenmarkts und der Einwanderungspolitik berücksichtigen.

    I – Rechtlicher Rahmen

    A –Unionsrecht

    1. Richtlinie 2004/114

    4.

    Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2004/114 (im Folgenden: Richtlinie) lautet wie folgt:

    „Zweck dieser Richtlinie ist die Festlegung

    a)

    der Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten zu Studienzwecken oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst;

    b)

    der Bestimmungen über die Verfahren, nach denen Drittstaatsangehörige in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu diesen Zwecken zugelassen werden.“

    5.

    Nach Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 gilt die Richtlinie „für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf Zulassung ins Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu Studienzwecken stellen“.

    6.

    Kapitel II der Richtlinie 2004/114 umfasst die Art. 5 bis 11 und regelt die „Zulassungsbedingungen“.

    7.

    Der in Art. 5 geregelte „Grundsatz“ ist, dass „[e]in Drittstaatsangehöriger … nach dieser Richtlinie nur dann zugelassen [wird], wenn sich nach Prüfung der Unterlagen zeigt, dass er die Bedingungen von Artikel 6 und – je nach Kategorie – der Artikel 7, 8, 9, 10 oder 11 erfüllt“.

    8.

    Art. 6 („Allgemeine Bedingungen“) der Richtlinie 2004/114 lautet wie folgt:

    „(1)   Ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Artikeln 7 bis 11 genannten Zwecken beantragt, muss folgende Bedingungen erfüllen:

    a)

    Er muss ein nach einzelstaatlichem Recht gültiges Reisedokument vorlegen. Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass die Geltungsdauer des Reisedokuments mindestens die Dauer des geplanten Aufenthalts abdeckt.

    b)

    Sofern er nach dem einzelstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaats minderjährig ist, muss er eine Erlaubnis der Eltern für den geplanten Aufenthalt vorlegen.

    c)

    Er muss über eine Krankenversicherung verfügen, die sich auf alle Risiken erstreckt, die normalerweise in dem betreffenden Mitgliedstaat für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind.

    d)

    Er darf nicht als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet werden.

    e)

    Er muss auf Verlangen des Mitgliedstaats einen Nachweis über die Zahlung der Gebühr für die Bearbeitung des Antrags nach Artikel 20 erbringen.

    (2)   Die Mitgliedstaaten erleichtern das Zulassungsverfahren für die in den Artikeln 7 bis 11 bezeichneten Drittstaatsangehörigen, die an Gemeinschaftsprogrammen zur Förderung der Mobilität in die Gemeinschaft oder innerhalb der Gemeinschaft teilnehmen.“

    9.

    Der in Kapitel V („Verfahren und Transparenz“) der Richtlinie 2004/114 enthaltene Art. 18 („Verfahrensgarantien und Transparenz“) regelt in Abs. 4, dass, wenn „ein Antrag abgelehnt oder ein gemäß dieser Richtlinie erteilter Aufenthaltstitel entzogen [wird], … der betroffenen Person das Recht einzuräumen [ist], vor den öffentlichen Stellen des betreffenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf einzulegen“.

    2. Verordnung (EU) Nr. 267/2012 und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1202/2014

    10.

    Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EU) Nr. 267/2012 ( 3 ) werden „[s]ämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang IX aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, … eingefroren. In Anhang IX sind die natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt, in Bezug auf die festgestellt wurde, dass sie im Sinne von Artikel 20 Absatz 1 Buchstaben b und c des Beschlusses 2010/413/GASP des Rates … sonstige Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind, die die iranische Regierung beispielsweise materiell, logistisch oder finanziell unterstützen, oder Organisationen, die in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehen, oder Personen, die mit ihnen in Verbindung stehen“.

    11.

    Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1202/2014 des Rates ( 4 ) führt in ihrem Anhang in Abschnitt I. I. Personen und Organisationen auf, „die an nuklearen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Raketen beteiligt sind, und Personen und Organisationen, die die Regierung Irans unterstützen“ ( 5 ). In Nr. 161 des Anhangs ist Folgendes geregelt:

    „Sharif University of Technology (SUT) hat eine Reihe von Kooperationsabkommen mit iranischen Regierungsorganisationen, die von den VN und/oder der EU benannt sind und in militärischen oder militärisch relevanten Bereichen tätig sind, insbesondere im Bereich der Herstellung und Beschaffung ballistischer Raketen. Dazu gehören: [e]in Abkommen mit der von der EU benannten Organisation der Luft- und Raumfahrtindustrien unter anderem über die Herstellung von Satelliten; Zusammenarbeit mit dem iranischen Verteidigungsministerium und dem Korps der Iranischen Revolutionsgarde (IRGC) bei Smartboat-Wettkämpfen; ein umfassenderes Abkommen mit der Luftwaffe des IRGC über den Ausbau und die Stärkung der Beziehungen der Universität, der organisatorischen und strategischen Zusammenarbeit.

    SUT beteiligt sich an einem Abkommen zwischen sechs Universitäten, mit dem die iranische Regierung durch verteidigungsrelevante Forschung unterstützt wird; und SUT bietet Ingenieur-Studiengänge im Bereich der unbemannten Luftfahrzeuge (UAV) an, die unter anderem vom Wissenschaftsministerium konzipiert wurden. Alles in allem ergibt sich ein umfangreiches Engagement gegenüber der iranischen Regierung in militärischen und militärisch relevanten Bereichen, das als Unterstützung der iranischen Regierung zu werten ist.“

    B –Deutsches Recht

    12.

    Das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG ( 6 )) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. 2008 I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 (BGBl. 2015 I S. 1386), regelt u. a. ein Recht auf Einreise von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland.

    13.

    § 4 Abs. 1 AufenthG bestimmt:

    „Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

    1.

    Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,

    …“

    14.

    § 6 Abs. 3 AufenthG bestimmt:

    „Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.“

    15.

    § 16 Abs. 1 AufenthG lautet wie folgt:

    „Einem Ausländer kann zum Zweck des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. … Die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer von der Ausbildungseinrichtung zugelassen worden ist; eine bedingte Zulassung ist ausreichend. Ein Nachweis von Kenntnissen in der Ausbildungssprache wird nicht verlangt, wenn die Sprachkenntnisse bei der Zulassungsentscheidung bereits berücksichtigt worden sind oder durch studienvorbereitende Maßnahmen erworben werden sollen. Die Geltungsdauer bei der Ersterteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ein Studium beträgt mindestens ein Jahr und soll bei Studium und studienvorbereitenden Maßnahmen zwei Jahre nicht überschreiten; sie kann verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann.“

    II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

    16.

    Frau Fahimian, eine 1985 geborene iranische Staatsangehörige, verfügt über einen Hochschulabschluss (Master of Science) im Gebiet Informationstechnologie der Sharif University of Technology (SUT) in Teheran. Diese Universität ist auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisiert.

    17.

    Am 21. November 2012 beantragte sie bei der deutschen Botschaft in Teheran die Erteilung eines Visums zur Aufnahme eines Promotionsstudiums an der Technischen Universität Darmstadt, Center for Advanced Security Research Darmstadt (CASED), im Rahmen des Projekts „Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme“. Dem Antrag waren ein Zulassungsnachweis der Universität und auch ein Schreiben des Managing Director des CASED vom 14. November 2012 beigefügt. In diesem Schreiben heißt es, dass „[Frau] Fahimian … ihre Forschung im Forschungsgebiet Sichere Dinge betreiben [wird], insbesondere im Projekt ‚Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme‘ … Ihre Forschungsfragen reichen von Sicherheit mobiler Systeme, insbesondere Angriffserkennung auf Smartphones bis hin zu Sicherheitsprotokollen. Ihre Aufgabe wird sein, neue effiziente und effektive Schutzmechanismen für Smartphones unter den bekannten Beschränkungen beschränkter Energie, beschränkter Computer-Ressourcen und beschränkter Bandbreite zu finden.“

    18.

    Das CASED bot Frau Fahimian ferner ein Promotionsstipendium in Höhe von 1468 Euro pro Monat an.

    19.

    Mit Bescheid vom 27. Mai 2013 lehnte die deutsche Botschaft den Visumsantrag von Frau Fahimian ab. Der von ihr gegen diesen Bescheid eingelegte außergerichtliche Rechtsbehelf („Remonstrationsverfahren“) blieb ohne Erfolg.

    20.

    Am 22. November 2013 erhob Frau Fahimian vor dem vorlegenden Gericht Klage gegen die deutsche Regierung, mit der sie ihr auf die Erteilung eines Visums zu Studienzwecken gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Sie macht ein Recht auf Einreise nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/114 geltend. Die deutsche Regierung ist ihrerseits der Ansicht, dass sie eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 darstelle.

    21.

    Im Rahmen dieses Verfahrens hat das Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Beschluss vom 14. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2015, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.

    a)

    Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 dahin auszulegen, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Prüfung, ob ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit betrachtet wird, über einen Beurteilungsspielraum verfügen, aufgrund dessen die behördliche Einschätzung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt?

    1.

    b)

    Im Fall einer Bejahung von Frage 1 a: Welchen rechtlichen Grenzen unterliegen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Einschätzung, dass ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 der Richtlinie 2004/114 genannten Zwecken beantragt, als eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit zu betrachten ist, insbesondere im Hinblick auf die der Einschätzung zugrunde zu legenden Tatsachen und deren Würdigung?

    2.

    Unabhängig von der Beantwortung von Fragen 1 a und 1 b: Ist Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten hiernach befugt sind, in einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, in dem eine Drittstaatsangehörige aus dem Iran, die ihren Hochschulabschluss im Iran an der auf Technik, Ingenieurwissenschaften und Physik spezialisierten Sharif University of Technology (Teheran) erworben hat, die Einreise zum Zweck der Aufnahme eines Promotionsstudiums im Bereich der IT‑Sicherheitsforschung im Projekt „Vertrauenswürdige Eingebettete und Mobile Systeme“, insbesondere Entwicklung effektiver Schutzmechanismen für Smartphones, anstrebt, die Zulassung in ihr Hoheitsgebiet mit Hinweis darauf zu versagen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die im Zusammenhang mit dem Forschungsvorhaben erlangten Fähigkeiten im Iran missbräuchlich eingesetzt würden, etwa zur Verschaffung von vertraulichen Informationen in westlichen Ländern, zum Zweck der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen?

    22.

    Frau Fahimian und die Regierungen Deutschlands, Belgiens, Griechenlands, Frankreichs, Italiens und Polens haben ebenso wie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. Frau Fahimian und die Regierungen Deutschlands, Griechenlands und Frankreichs sowie die Europäische Kommission haben ferner in der Sitzung vom 20. September 2016 mündlich vorgetragen.

    III – Würdigung

    23.

    Ich schlage vor, die drei Fragen des vorlegenden Gerichts vor dem Hintergrund umzuformulieren, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben, und dass der Gerichtshof hierzu aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Normen und Grundsätze des Unionsrechts herausarbeiten kann, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen ( 7 ).

    24.

    Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt wissen, ob Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat verwehrt, einem Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Visums unter Umständen wie denen in der vorliegenden Rechtssache zu versagen, in der eine Drittstaatsangehörige aus Iran, die ihren Hochschulabschluss an einer Einrichtung erworben hat, die in der Durchführungsverordnung Nr. 1202/2014 als eine der Organisationen, „die an nuklearen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Raketen beteiligt sind, und Personen und Organisationen, die die Regierung Irans unterstützen“, aufgeführt ist, beabsichtigt, in einem Mitgliedstaat ein Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der IT‑Sicherheit aufzunehmen.

    25.

    In diesem Zusammenhang ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise zum Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114, zum Umfang des Beurteilungsspielraums der zuständigen nationalen Behörden und zum Umfang der späteren gerichtlichen Kontrolle in dieser Hinsicht.

    A –Zur Auslegung der Richtlinie 2004/114

    26.

    Da es sich vorliegend erst um die zweite Rechtssache handelt, die den Gerichtshof zur Auslegung einer Bestimmung der Richtlinie 2004/114 erreicht hat, ist es meines Erachtens hilfreich, einige grundlegende Merkmale dieser Richtlinie festzuhalten und in Erinnerung zu bringen.

    1. Völkerrecht und Recht auf Einreise

    27.

    Nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts ist die erste Einreise im Sinne der legalen Zuwanderung ein Bereich, in dem weitgehend uneingeschränktes staatliches Ermessen besteht ( 8 ). Was die Zulassung von Ausländern und die Bedingungen hierfür angeht, unterliegen die Staaten traditionell keiner völkerrechtlichen Verpflichtung ( 9 ). Generalanwalt Mengozzi formulierte es in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Koushkaki ( 10 ) so: „Denn wenn es einen Grundsatz des Völkerrechts gibt, der als eine der charakteristischen Erscheinungen der staatlichen Souveränität angesehen wird, dann ist es der Grundsatz, dass die Staaten das Recht haben, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen zu kontrollieren.“

    28.

    Diese Souveränität wird im Übrigen nicht durch völkerrechtliche Verträge über die Menschenrechte in Frage gestellt, die traditionell stets als Garantien innerhalb bestehender Staaten und nicht als Garantien grenzüberschreitender Mobilität verstanden worden sind ( 11 ). Ebenso gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass die Vertragsstaaten grundsätzlich aufgrund gefestigten Völkerrechts und vorbehaltlich ihrer Vertragspflichten das Recht zur Kontrolle über Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern haben ( 12 ). Der EGMR hat diesen Grundsatz zwar für die beiden gesonderten Fälle von Nichtzurückweisung nach Art. 3 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ( 13 ) und für den Bereich der Familienzusammenführung nach Art. 8 EMRK ( 14 ) leicht abgemildert, dies ändert jedoch nichts an dem vorgenannten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz.

    2. Charta

    29.

    Das Gleiche gilt für die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), die Drittstaatsangehörigen im Kontext der Freizügigkeit in zwei besonderen Fällen Rechte gewährt: Art. 15 Abs. 3 der Charta sieht für Drittstaatsangehörige, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten arbeiten dürfen, einen Anspruch auf Arbeitsbedingungen vor, die denen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entsprechen, und Art. 45 Abs. 2 der Charta regelt, dass „Staatsangehörigen von Drittländern, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten, … nach Maßgabe der Verträge Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit gewährt werden [kann]“ ( 15 ). Die Charta setzt daher eine legale Einreise in die Union voraus; ein Recht darauf ergibt sich aus ihr nicht.

    3. Einwanderungsrecht der Union

    30.

    Das Einwanderungsrecht der Union im Allgemeinen ist untrennbar mit dem Funktionieren des Binnenmarkts im Sinne von Art. 26 Abs. 2 AEUV verbunden ( 16 ), da aus der Abschaffung von Binnengrenzen, einschließlich Grenzkontrollen, zwangsläufig die Notwendigkeit folgt, eine gemeinsame Regelung für die Außengrenzen zu treffen ( 17 ). Deshalb spricht Art. 61 Buchst. a, der durch den Vertrag von Amsterdam in den EG-Vertrag eingefügt wurde ( 18 ) und zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2004/114 anwendbar war, von Kontrollen an den Außengrenzen, Asyl und Einwanderung als „flankierenden Maßnahmen“, die mit dem freien Personenverkehr „unmittelbar zusammenhängen“ ( 19 ).

    4. Ziel der Richtlinie 2004/114

    31.

    Die Richtlinie 2004/114 ist in diesem Kontext zu sehen.

    32.

    Auf der Grundlage des jetzigen, nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltenden, Art. 79 Abs. 2 AEUV ( 20 ) ist Zweck der Richtlinie 2004/114 die Festlegung „der Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten zu Studienzwecken …“ ( 21 ) und „der Bestimmungen über die Verfahren, nach denen Drittstaatsangehörige in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu diesen Zwecken zugelassen werden“ ( 22 ). Auf einer allgemeineren Ebene ist den Erwägungsgründen ( 23 ) der Richtlinie zu entnehmen, dass die Förderung der Bereitschaft von Drittstaatsangehörigen, sich in die Union zu begeben, ein wesentliches Element dabei ist, darauf hinzuwirken, dass ganz Europa im Bereich von Studium und beruflicher Bildung weltweit Maßstäbe setzt ( 24 ), und dass die Zuwanderung zu den in der Richtlinie genannten Zwecken sowohl für die betreffenden Personen als auch für ihren Herkunfts- und den Aufnahmestaat eine Bereicherung darstellt und zugleich allgemein zu einem besseren interkulturellen Verständnis beiträgt ( 25 ).

    33.

    Ihr Hauptzweck liegt im Interesse der Union, für die Union qualifizierte Drittstaatsangehörige zu Studienzwecken oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst anzuziehen. Die Schaffung von Rechten für Drittstaatsangehörige, die in die Union einreisen möchten, ist lediglich ein Mittel zur Erfüllung dieses Zwecks. Grob ausgedrückt, ist die Richtlinie 2004/114 daher, im Vergleich etwa zum Sekundärrecht im Bereich Asyl, keine „Menschenrechtsrichtlinie“.

    5. Ziel der Richtlinie 2016/801

    34.

    Um das Bild zu vervollständigen, ist zu erwähnen, dass der Unionsgesetzgeber zwischenzeitlich die Richtlinie (EU) 2016/801 ( 26 ) erlassen hat, die die Gegenstände der Richtlinie 2004/114 und der Richtlinie 2005/71/EG ( 27 ) miteinander verbindet und diese beiden Rechtsinstrumente mit Wirkung vom 24. Mai 2018 aufhebt ( 28 ). Auch wenn die Richtlinie 2016/801 auf den vorliegenden Fall zeitlich nicht anwendbar ist, lässt sie gleichwohl die Absichten des Gesetzgebers nach dem Stand von 2016 erkennen.

    35.

    Die vom Rat und vom Parlament zwölf Jahre nach der Richtlinie 2004/114 erlassene Richtlinie 2016/801 verhält sich deutlich ausführlicher zu ihrem Zweck, wie ihren Erwägungsgründen zu entnehmen ist. So heißt es in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2016/801, dass hoch qualifizierte Personen angezogen werden sollen, die als Humankapital für die Union ausgesprochen wichtig sind und zum Wachstum beitragen ( 29 ), dass persönliche Kontakte und die Mobilität ( 30 ) sowie eine Bereicherung für die betreffenden Migranten, ihren Herkunftsstaat und den betreffenden Mitgliedstaat gefördert und zugleich die kulturellen Bindungen gestärkt und zur kulturellen Vielfalt beigetragen werden soll ( 31 ), dass der Ruf der Union als attraktiver Standort für Wissenschaft gefestigt und dadurch die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum gestärkt werden sollen, was zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führt, die einen größeren Beitrag zum BIP-Wachstum leisten ( 32 ), und dass die Attraktivität der Union für Drittstaatsangehörige, die eine Forschungstätigkeit in der Union aufnehmen möchten, erhöht werden soll ( 33 ). Gleichwohl möchte der Unionsgesetzgeber keine Abwanderung der fähigsten Köpfe aus Schwellen- oder Entwicklungsländern begünstigen, weshalb im Sinne einer umfassenden Migrationspolitik gemeinsam mit den Herkunftsländern Maßnahmen zur Förderung der Wiedereingliederung der Forscher in ihre Herkunftsländer ergriffen werden sollen ( 34 ). Zugleich sollen der Ruf Europas als internationaler Exzellenzstandort für Studium und berufliche Bildung gefestigt und hierzu die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt verbessert und vereinfacht werden ( 35 ).

    36.

    Dies dürfte kaum „Menschenrechtsterminologie“, sondern wohl eher „Binnenmarktsprech“ sein.

    6. Recht auf Einreise nach dem Urteil Ben Alaya

    37.

    Der oben genannte völkerrechtliche Grundsatz ist natürlich stark eingeschränkt, soweit es um unionsinterne Binnenmarktsituationen, einschließlich der Unionsbürgerschaft, geht, wo die Union eher einer föderalen Einheit mit umfassendem freiem Personenverkehr ähnelt. Aber auch im Hinblick auf die Außengrenze der Union hat das Sekundärrecht begonnen, den oben genannten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz einzuschränken, wie aus der Richtlinie 2004/114 ersichtlich wird.

    38.

    Die Rechtssache Ben Alaya ( 36 ) verdeutlicht dies anschaulich.

    39.

    Herr Ben Alaya, ein in Deutschland geborener tunesischer Staatsangehöriger, der Deutschland im Alter von sechs Jahren verlassen hatte, um in Tunesien zu leben, wollte nach seinem Abitur nach Deutschland zurückkehren, um ein Hochschulstudium aufzunehmen. Obwohl er von der Universität zum Studium im Studiengang Mathematik zugelassen worden war, lehnten die deutschen Behörden die Erteilung eines Visums zu Studienzwecken ab, da sie, insbesondere im Hinblick auf seine zuvor erzielten ungenügenden Noten, seine geringen Kenntnisse der deutschen Sprache und den fehlenden Zusammenhang zwischen der angestrebten Ausbildung und seinen beruflichen Plänen, Zweifel an seiner Studienmotivation in Deutschland hatten ( 37 ). Vor allem aber hatte Herr Ben Alaya die allgemeinen und besonderen Bedingungen nach den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 erfüllt. Die deutschen Behörden wollten vielmehr weitere, in der Richtlinie nicht vorgesehene Bedingungen verlangen.

    40.

    In diesem konkreten Kontext legte der Gerichtshof die Richtlinie dahin aus, dass gemäß ihrem Art. 12 Studenten aus Drittstaaten ein Aufenthaltstitel erteilt werden muss, wenn sie die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie abschließend aufgezählten allgemeinen und besonderen Bedingungen erfüllen ( 38 ). Der Gerichtshof führte ergänzend aus, dass „die Richtlinie 2004/114 den Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Zulassungsanträge einen Beurteilungsspielraum zuerkennt“ ( 39 ), der sich jedoch „allein auf die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen und in diesem Rahmen auf die Würdigung der Tatsachen [bezieht], die für die Feststellung maßgeblich sind, ob die in den genannten Artikeln aufgezählten Bedingungen erfüllt sind, darunter insbesondere für die Feststellung, ob der Zulassung des Drittstaatsangehörigen Gründe entgegenstehen, aus denen sich eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ergibt“ ( 40 ).

    41.

    Folglich hätte Herrn Ben Alaya ein Aufenthaltstitel erteilt werden müssen ( 41 ). Die deutschen Behörden durften keine Bedingungen zusätzlich zu den in den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 aufgeführten aufstellen.

    42.

    Unter den allgemeinen und besonderen Bedingungen nach den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 hat ein Drittstaatsangehöriger daher ein Recht auf Einreise in die Union. Durch den Beurteilungsspielraum, über den ein Mitgliedstaat bei der Prüfung verfügt, ob die allgemeinen und besonderen Bedingungen erfüllt sind, unterscheidet sich dieses Recht jedoch in seinem Umfang wesentlich von den Rechten, die sich aus dem freien Personenverkehr im Binnenmarkt ergeben.

    7. Urteile Koushkaki und Air Baltic Corporation

    43.

    An dieser Stelle sind zwei weitere Urteile zu erwähnen: das Urteil Koushkaki ( 42 ) zur Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (Visakodex) ( 43 ) und das Urteil Air Baltic Corporation ( 44 ) zur Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) ( 45 ).

    44.

    Der Antrag von Herrn Koushkaki, eines iranischen Staatsangehörigen, auf ein einheitliches Visum war von den deutschen Behörden mit der Begründung abgelehnt worden, dass er nicht den Nachweis erbracht habe, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat verfügte. Diese Voraussetzung ist im Visakodex nicht vorgesehen. Es war keiner der Gründe für eine Visumverweigerung nach Art. 32 Abs. 1 des Visakodex anwendbar. Der Gerichtshof stellte dementsprechend fest, dass die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einem Antragsteller auf einen Antrag auf ein einheitliches Visum hin ein solches Visum nur dann verweigern dürfen, wenn ihm einer der im Visakodex aufgezählten Gründe für die Verweigerung des Visums entgegengehalten werden kann ( 46 ).

    45.

    Im Urteil Air Baltic Corporation war der Gerichtshof mit der Frage befasst, ob eine nationale Regelung, wonach die Einreise von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats von der in Art. 5 des Schengener Grenzkodex nicht vorgesehenen Voraussetzung abhängig war, dass bei der Grenzübertrittskontrolle das vorgelegte gültige Visum notwendigerweise auf einem gültigen Reisedokument angebracht sein musste, mit dem Schengener Grenzkodex vereinbar war. In entsprechender Anwendung des Urteils Koushkaki entschied der Gerichtshof, dass die Liste von Einreisevoraussetzungen in Art. 5 des Schengener Grenzkodex abschließend sei ( 47 ).

    B –Zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114

    46.

    Auch wenn sich das vorlegende Gericht in seinen Vorlagefragen auf die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Gesundheit bezieht, laufen diese Fragen meines Erachtens eindeutig auf die „öffentliche Sicherheit“ hinaus, was daran deutlich wird, dass das vorlegende Gericht im Vorabentscheidungsersuchen durchgängig allein von der „öffentlichen Sicherheit“ spricht, soweit es um den Fall von Frau Fahimian geht.

    47.

    Die deutsche Regierung betrachtet Frau Fahimian als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114. Sie stützt ihre Auffassung darauf, dass die tatsächliche Lage in Iran in hinreichendem Maß die Gefahr begründe, dass die während des Forschungsaufenthalts der Klägerin erlangten Fähigkeiten in ihrem Heimatland missbräuchlich eingesetzt werden könnten. Das Promotionsvorhaben in einem sensiblen und sicherheitsrelevanten Forschungsgebiet könne mit dem Erwerb von Wissen verbunden sein, das für militärische Zwecke und/oder für Maßnahmen der internen Repression oder allgemein im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Iran missbräuchlich eingesetzt werden könne. Ferner könne das erworbene Wissen über Systeme und Ausrüstung für Telekommunikations- und Internetdienste sowie über Verschlüsselungstechnologien und Kryptotechnik von Polizei- oder Geheimdienstbehörden zur Überwachung der Bevölkerung missbräuchlich eingesetzt werden.

    48.

    Es stellt sich daher die Frage, ob diese Erwägungen unter den Begriff „öffentliche Sicherheit“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 fallen.

    1. Zur „öffentlichen Sicherheit“

    49.

    Eine allgemeine Definition des Begriffs „öffentliche Sicherheit“ gibt es auf der Unionsebene nicht. Es ist grundsätzlich Sache eines Mitgliedstaats, den Inhalt der „öffentlichen Sicherheit“ zu definieren. Das Unionsrecht wird dann auf zwei Ebenen relevant: erstens bei der Ausgestaltung dieses Inhalts und zweitens im Verhältnis zwischen dem einzelnen Betroffenen und der „öffentlichen Sicherheit“.

    50.

    Der Gerichtshof verfolgt auf der ersten Ebene, was die Ausgestaltung dessen angeht, was „öffentliche Sicherheit“ ist, keine allzu strenge Tendenz. Im Kontext des Binnenmarkts entscheidet der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ( 48 ), dass „den Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern“ ( 49 ). Wichtig ist, dass die Tragweite der Erfordernisse nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Kontrolle durch die Organe der Union bestimmt werden kann ( 50 ). Die gleiche Formel wird vom Gerichtshof auch für die „öffentliche Ordnung“ nach Art. 7 Abs. 4 ( 51 ) der Richtlinie 2008/115/EG ( 52 ) verwendet ( 53 ).

    51.

    Der Begriff „öffentliche Sicherheit“ wird im Zusammenhang mit allen Binnenmarktfreiheiten, einschließlich in der Richtlinie 2004/38/EG ( 54 ), die die Freizügigkeit und die Unionsbürgerschaft im Zusammenhang mit dem freien Personenverkehr regelt ( 55 ), als Rechtfertigungsgrund für eine Abweichung von der Verkehrsfreiheit verwendet ( 56 ). Ferner hat der Gerichtshof kürzlich eine Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Sicherheit im Zusammenhang mit den Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft zugelassen, indem er im Urteil CS entschied, „dass Art. 20 AEUV die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lässt, sich u. a. auf eine Ausnahme wegen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu berufen“ ( 57 ).

    52.

    In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die öffentliche Sicherheit „sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst“ ( 58 ) und dass damit „die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen“ verbunden sein können ( 59 ). Ferner hat der Gerichtshof auch entschieden, dass der Begriff „öffentliche Sicherheit“ die Bekämpfung der mit bandenmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität ( 60 ), die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern ( 61 ) und die Bekämpfung des Terrorismus ( 62 ) umfasst.

    53.

    Angesichts dieser weiten Auslegung hätte ich gegen eine Subsumtion der deutschen Bedenken unter den Begriff „öffentliche Sicherheit“ keine Einwände. Die hauptsächliche Sorge der deutschen Behörden ist offenbar, dass Frau Fahimian ihr Wissen für militärische Zwecke weitergeben wird, sobald sie zurück in Iran ist. Sicherheitsaspekte im Rahmen der internationalen und auswärtigen Beziehungen eines Mitgliedstaats sollten daher unter „öffentliche Sicherheit“ fallen. Zu erinnern ist daran, dass der Visakodex insbesondere eine „Gefahr … für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats“ ( 63 ) als Grund für eine Visumverweigerung nennt. Dass eine solche Formulierung in Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 fehlt, bedeutet meines Erachtens nicht, dass ein Mitgliedstaat bei der Bestimmung der öffentlichen Sicherheit nicht Erwägungen im Zusammenhang mit internationalen Beziehungen heranziehen kann.

    2. Zum Beurteilungsspielraum ( 64 ) der deutschen Behörden bei der Feststellung einer „Bedrohung“ für die öffentliche Sicherheit

    54.

    Können die deutschen Behörden sich indes auf der zweiten Ebene darauf berufen, dass sie Frau Fahimian „als eine Bedrohung“ für die öffentliche Sicherheit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie „betrachten“? Mit anderen Worten, wie weit ist der Beurteilungsspielraum, über den die deutschen Behörden verfügen?

    55.

    Im Rahmen der Binnenmarktfreiheiten, wo die Mitgliedstaaten den Binnenverkehr aus Gründen der öffentlichen Sicherheit einschränken können, werden diese Gründe als eine Ausnahme von der allgemeinen Regel der Verkehrsfreiheit aufgefasst. Im Rahmen der Regelungen über den freien Personenverkehr darf für die „öffentliche Sicherheit“ ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein, so dass strafrechtliche Verurteilungen für sich allein diese Maßnahmen nicht begründen können und ferner das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt ( 65 ). Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig ( 66 ). Es muss „eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr [vorliegen], die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ ( 67 ).

    56.

    Diese Gesichtspunkte sind im Kontext des Binnenmarkts völlig angemessen. Es ist nachvollziehbar, dass Ausnahmen von den Regelungen über den freien Verkehr eng ausgelegt werden. Die Regelungen über den freien Verkehr sind und bleiben der Grundpfeiler des gesamten Integrationsprojekts und haben konstitutionelles Gewicht.

    57.

    Im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 sollte jedoch ein anderer Ansatz gewählt werden. Die oben genannte Rechtsprechung sollte somit nicht auf die Regelungen der Union für die Außengrenzen übertragen werden, wie ich jetzt skizzieren werde.

    58.

    Zunächst unterscheidet sich der Wortlaut der Binnenmarkt-Ausnahmen von dem des Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114. Nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie darf ein Drittstaatsangehöriger, der die Zulassung zu den in den Art. 7 bis 11 genannten Zwecken beantragt, „nicht“ als Bedrohung u. a. für die öffentliche Sicherheit „betrachtet werden“. Die Formulierung „betrachtet werden“ impliziert meines Erachtens, dass der betreffende Mitgliedstaat einen größeren Spielraum bei seiner Beurteilung hat. Der Begriff „Bedrohung“ ist nicht eingeschränkt, wie dies im Kontext des freien Personenverkehrs der Fall ist. Für eine Bedrohung werden die Begriffe „tatsächlich, gegenwärtig und erheblich“ nicht verwendet. Die Schwelle für eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit liegt somit meines Erachtens erheblich niedriger, als dies im Kontext des freien Personenverkehrs der Fall ist.

    59.

    Zweitens ist der Umstand, nicht als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet zu werden, keine Ausnahme von einem weit ausgelegten Recht auf Einreise, sondern lediglich eine negative Voraussetzung für ein Recht auf Einreise. Der Kontext ist daher einfach ein anderer als im Binnenmarkt, und der Kontext ist wichtig. Der konkrete Kontext des Einwanderungsrechts der Union impliziert, dass einem Drittstaatsangehörigen nicht die gleichen Rechte zuteilwerden wie dem Angehörigen eines Mitgliedstaats, d. h. einem Unionsbürger ( 68 ).

    60.

    Drittens gibt das Gesetzgebungsverfahren insbesondere des Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 einen wertvollen Einblick, der meine Ansicht stützt. Die Richtlinie 2004/114 wurde ganz kurz nach der Richtlinie 2004/38 erlassen ( 69 ). Der oben dargestellte klare Unterschied im Wortlaut kann nur auf eine bewusste Absicht zurückgehen. Der ursprüngliche Vorschlag war nämlich darauf gerichtet, den Wortlaut dieser beiden Richtlinien einander anzugleichen. Er enthielt zweimal die Formulierung: „Die Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit müssen ausschließlich auf der persönlichen Verhaltensweise des betreffenden Drittstaatsangehörigen beruhen.“ ( 70 ) Der Rat entschied gegen eine Übernahme dieser Formulierungen ( 71 ).

    61.

    Schließlich ist auch im Blick zu behalten, dass die Richtlinie 2004/114 auf Art. 79 AEUV (zuvor Art. 63 EG) im Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags beruht. Dieser Titel enthält Art. 72 AEUV, wonach „[d]ieser Titel … nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit [berührt]“. Auch wenn die genaue Bedeutung dieser Bestimmung auf den ersten Blick nicht ganz klar ist, weist sie doch auf einen Unterschied zwischen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Recht des freien Personenverkehrs und im Einwanderungsrecht hin ( 72 ).

    62.

    Dies führt mich zu der Frage, wie weit der Beurteilungsspielraum der deutschen Behörden ist und was von ihnen in einem Fall wie dem vorliegenden erwartet werden kann. Das vorlegende Gericht möchte geklärt wissen, ob dieser „weite Beurteilungsspielraum“ bedeutet, dass es ausreicht, wenn die deutschen Behörden festgestellt haben, dass 1. Frau Fahimian eine iranische Staatsangehörige ist, 2. sie ihren Abschluss an der SUT erworben hat, 3. die SUT in Anhang IX der Verordnung Nr. 267/2012 als eine Einrichtung eingestuft ist, die die iranische Regierung unterstützt ( 73 ), und 4) ihr angestrebtes Forschungsgebiet der Bereich IT‑Sicherheit ist.

    63.

    Im Urteil Ben Alaya hat der Gerichtshof festgestellt, dass den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Bedingungen nach den Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 „bei der Prüfung der Zulassungsanträge [ein] Beurteilungsspielraum zuerk[annt wird]“ ( 74 ). Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auf die Würdigung der Tatsachen, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob die Bedingungen der Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 erfüllt sind ( 75 ).

    64.

    Neun Monate vorher hatte die Große Kammer des Gerichtshofs den Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Art. 21 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 6 des Visakodex einen „weiten Beurteilungsspielraum“ im Rahmen der Prüfung von Visaanträgen zuerkannt ( 76 ). Dieser bezieht sich dem Gerichtshof zufolge „auf die Würdigung der Tatsachen …, die für die Feststellung maßgeblich sind, ob die in [Art. 32 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 6 des Visakodex] genannten Gründe der Erteilung des beantragten Visums entgegenstehen“ ( 77 ).

    65.

    Was kann ausgehend hiervon von den deutschen Behörden erwartet werden?

    66.

    In erster Linie muss ein Mitgliedstaat sorgfältig und umfassend alle relevanten Tatsachen klären, bestimmen und ermitteln, um eine informierte Entscheidung treffen zu können. Insoweit möchte ich auch auf den 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/114 hinweisen, wonach eine „auf Tatsachen gestützte Beurteilung“ erfolgen muss.

    67.

    Insoweit ist jedoch daran zu erinnern, dass eine Reihe von tatsächlichen Umständen, die ein Mitgliedstaat in einer Rechtssache wie der vorliegenden heranzieht, außerhalb seiner Rechtsordnung und sogar außerhalb des Unionsgebiets zu verorten sind. Dies macht die Sache für einen Mitgliedstaat offensichtlich schwieriger und verdient gebührende Berücksichtigung. Für die deutschen Behörden ist es schwieriger, Tatsachen festzustellen, die im Zusammenhang mit Iran stehen, als solche, die im Zusammenhang mit Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat stehen. Außerdem ist die Bewertung einer künftigen Entwicklung ihrem Wesen nach komplex ( 78 ). Ein solcher Entscheidungsprozess muss zwangsläufig in gewissem Umfang auf eine Risikobewertung künftiger Ereignisse gestützt werden. Es besteht somit für einen Mitgliedstaat bei der Prüfung der Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/114 ein erheblicher „Beurteilungsspielraum bei der ‚Tatsachenfeststellung‘“ ( 79 ).

    68.

    Zweitens findet die für den freien Personenverkehr geltende relativ hohe Schwelle des persönlichen Verhaltens ( 80 ) zwar keine Anwendung, es muss jedoch ein Zusammenhang zwischen der einzelnen Person und der getroffenen Maßnahme bestehen. Alles andere liefe auf eine Art Pauschalverbot hinaus, das für einen Drittstaatsangehörigen selten zu einem Recht auf Einreise auf der Grundlage der Richtlinie 2004/114 führen würde. Eine nationale Behörde muss also überzeugend konkrete Umstände dafür beibringen, warum der Betroffene als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet wird.

    69.

    Ferner brauchen, je sensibler die Sache ist, umso weniger individuelle Umstände beigebracht werden, um eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit zu begründen.

    70.

    Schließlich sollte ein Mitgliedstaat eine umfassende Abwägung seiner eigenen Interessen und der Interessen der Union an der Einreise, d. h. an der Anziehung in hohem Maße qualifizierter Studenten für eine Forschungstätigkeit in der Union, gegen Sicherheitsbelange vornehmen.

    71.

    Auch wenn es selbstverständlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, ob die deutschen Behörden diese Anforderungen erfüllt haben, haben sie meinem Eindruck nach die Grenzen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht überschritten.

    C –Zur gerichtlichen Überprüfung

    72.

    Ein weiter Beurteilungsspielraum bedingt eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung. Anderenfalls würde der Beurteilungsspielraum ausgehöhlt, und die Judikative nähme die Aufgabe der Exekutive wahr. Aus der Formulierung der Frage 1 a) ( 81 ) wird deutlich, dass das vorlegende Gericht sich dessen voll bewusst ist.

    73.

    Gleichwohl muss eine gerichtliche Überprüfung zur Verfügung stehen.

    74.

    Nach Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2004/114 ist für den Fall, dass ein Antrag abgelehnt oder ein gemäß dieser Richtlinie erteilter Aufenthaltstitel entzogen wird, der betroffenen Person das Recht einzuräumen, vor den öffentlichen Stellen des betreffenden Mitgliedstaats einen Rechtsbehelf einzulegen.

    75.

    Entgegen dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag ( 82 ) bezieht sich das Recht auf eine Anfechtung nicht mehr auf die „Gerichte“ des betreffenden Mitgliedstaats. Es stellt sich daher die Frage, ob die Richtlinie einen gerichtlichen Rechtsbehelf verlangt oder nicht und ob ein Ausschluss eines gerichtlichen Rechtsbehelfs auf der nationalen Ebene mit der Richtlinie oder auch mit Art. 47 der Charta und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist ( 83 ). Ich hielte es für zweifelhaft, dass ein solcher Ausschluss vor dem Hintergrund des eindeutigen Wortlauts von Art. 47 der Charta möglich wäre, der jeder Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, einen wirksamen Rechtsbehelf gewährt.

    76.

    Dies ist jedoch für die vorliegende Rechtssache nicht die Frage, da ein solcher Rechtsbehelf in Deutschland gegeben ist. Wie das Vorabentscheidungsersuchen zeigt, steht auf der nationalen Ebene ein gerichtliches Verfahren zur Verfügung. Ferner ist die gerichtliche Kontrolle von Entscheidungen der Verwaltungsbehörden in Deutschland tendenziell insoweit sehr weitreichend, als die dortigen Gerichte für die Kontrolle dieser Entscheidungen eine umfassende Zuständigkeit haben ( 84 ). Diese Zuständigkeit ist jedoch eingeschränkt, soweit die Verwaltungsbehörden über einen Beurteilungsspielraum verfügen ( 85 ).

    77.

    Gerichtliche Kontrolle, die im Kontext der Verfahrensautonomie grundsätzlich dem nationalen Verfahrensrecht unterliegt, muss wirksam sein.

    78.

    Kann der nationale Richter natürlich nur entscheiden, ob die Grenzen des von dem Mitgliedstaat ausgeübten Ermessens überschritten sind, muss er doch in der Lage sein, alle prozessualen Aspekte sowie die materiellen Teile der Entscheidung zu überprüfen. Ein wirksamer Rechtsbehelf setzt voraus, dass der nationale Richter in der Lage ist, zu beurteilen, ob die Behörden die oben festgehaltenen Anforderungen erfüllt haben, d. h., ob sie alle relevanten Tatsachen bestimmt und ermittelt haben und warum dieser Betroffene als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet wird.

    79.

    Insoweit kann es sein, wie die deutsche Regierung ebenfalls ausführt, dass Prognosen eines Mitgliedstaats in einer Angelegenheit wie der in Rede stehenden auf Informationen beruhen, die nur eingeschränkt öffentlich gemacht werden könnten, um Informationsquellen oder die auswärtigen politischen Interessen der Mitgliedstaaten nicht zu gefährden. In diesem Zusammenhang möchte ich den Gerichtshof auf das Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission ( 86 ) hinweisen, in dem der Gerichtshof selbst auf die einschlägige Rechtsprechung des EGMR ( 87 ) verweist, dass „der Gemeinschaftsrichter im Rahmen der von ihm ausgeübten gerichtlichen Kontrolle Techniken anwenden [muss], die es ermöglichen, die legitimen Sicherheitsinteressen in Bezug auf die Art und die Quellen der Informationen, die beim Erlass des betreffenden Rechtsakts berücksichtigt worden sind, auf der einen und das Erfordernis, dem Einzelnen hinreichende Verfahrensgarantien zu gewähren, auf der anderen Seite zum Ausgleich zu bringen“ ( 88 ).

    IV – Ergebnis

    80.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Verwaltungsgerichts Berlin (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

    1.

    Um festzustellen, ob ein Drittstaatsangehöriger als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet wird im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst, hat eine mitgliedstaatliche Behörde innerhalb des weiten Beurteilungsspielraums, über den sie verfügt,

    umfassend alle relevanten Tatsachen zu klären, zu bestimmen und zu ermitteln,

    konkrete Informationen zu den Gründen beizubringen, aus denen ein Betroffener als eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit betrachtet wird, und

    eine umfassende Abwägung aller relevanten Interessen vorzunehmen.

    In einem solchen Fall ist die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten worden sind.

    2.

    Einem Mitgliedstaat ist es nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2004/114 nicht verwehrt, einem Drittstaatsangehörigen, der einen Hochschulabschluss an einer Einrichtung, die in einer Verordnung des Rates als eine der Organisationen, die an nuklearen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit ballistischen Raketen beteiligt sind, und unter Personen und Organisationen, die die Regierung eines Drittstaats unterstützen, aufgeführt ist, erworben hat und der beabsichtigt, in diesem Mitgliedstaat ein Forschungsvorhaben aufzunehmen, die Erteilung eines Visums zu versagen, wenn die Behörden dieses Mitgliedstaats festgestellt haben, dass die Gefahr besteht, dass der Drittstaatsangehörige das in diesem Mitgliedstaat erworbene Wissen für Zwecke missbräuchlich einsetzen wird, die eine Bedrohung für die äußere oder innere Sicherheit des Mitgliedstaats darstellen.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Rates vom 13. Dezember 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an einem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst (ABl. 2004, L 375, S. 12).

    ( 3 ) Verordnung des Rates vom 23. März 2012 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 961/2010 (ABl. 2012, L 88, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2015/1328 des Rates vom 31. Juli 2015 (ABl. 2015, L 206, S. 20) geänderten Fassung.

    ( 4 ) Durchführungsverordnung vom 7. November 2014 zur Durchführung der Verordnung Nr. 267/2012 (ABl. 2012, L 325, S. 3).

    ( 5 ) Genau genommen sind die Personen und Organisationen, die in diesem Anhang aufgeführt sind, in die Liste in Teil I des Anhangs IX der Verordnung Nr. 267/2012 aufzunehmen.

    ( 6 ) Eine englische Fassung dieses Gesetzes ist unter https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_aufenthg/englisch_aufenthg.html#p0046 verfügbar.

    ( 7 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. September 2014, eco cosmetics und Raiffeisenbank St. Georgen (C‑119/13 und C‑120/13, EU:C:2014:2144, Rn. 33), und vom 23. April 2015, Aykul (C‑260/13, EU:C:2015:257, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 8 ) Vgl. Thym, D., „Legal framework for entry and border controls“, in Hailbronner, K., und Thym, D. (Hrsg.), EU immigration and asylum law – a commentary, 2. Aufl., C. H. Beck, Hart, Nomos, München, Oxford, Baden-Baden, 2016, Rn. 32.

    ( 9 ) Vgl. Hailbronner, K., und Gogolin, J., „Aliens“, in Wolfrum, R. (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Oxford University Press, Online-Ausgabe (http://opil.ouplaw.com/home/EPIL), Rn. 14.

    ( 10 ) C‑84/12, EU:C:2013:232, Nr. 47.

    ( 11 ) Vgl. Hailbronner, K., und Gogolin, J., a. a. O., Rn. 14 bis 22.

    ( 12 ) Ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des EGMR vom 18. Februar 1991, Nr. 12313/86, Moustaquim/Belgien (CE:ECHR:1991:0218JUD001231386, Rn. 43). Vgl. z. B. auch Urteil des EGMR vom 26. Juli 2005, Nr. 38885/02, N./Finnland (CE:ECHR:2003:0923DEC003888502, Rn. 158).

    ( 13 ) Ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des EGMR vom 7. Juli 1989, Nr. 14038/88, Soering/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:1989:0707JUD001403888, Rn. 91). Vgl. auch Urteil des EGMR vom 15. November 1996, Nr. 22414/93, Chahal/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:1996:1115JUD002241493, Rn. 73 bis 74).

    ( 14 ) Vgl. Urteile des EGMR vom 21. Dezember 2001, Nr. 31465/96, Sen/Niederlande (CE:ECHR:2001:1221JUD003146596, Rn. 40), vom 1. Dezember 2005, Nr. 60665/00, Tuquabo-Tekle u. a./Niederlande (CE:ECHR:2005:1201JUD006066500, Rn. 50), und vom 14. Juni 2011, Nr. 38058/09, Osman/Dänemark (CE:ECHR:2011:0614JUD003805809, Rn. 53 ff.).

    ( 15 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 16 ) Danach umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.

    ( 17 ) Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Drittstaatsangehöriger automatisch ein Recht auf Mobilität hat, sobald er in einen Mitgliedstaat zugelassen ist. Die auf der Grundlage von Art. 79 AEUV erlassenen Richtlinien enthalten nämlich wesentliche Einschränkungen der Mobilität innerhalb der Union. Vgl. beispielsweise Art. 8 der Richtlinie 2004/114, der die Mobilität (wiederum) von der Erfüllung der allgemeinen und besonderen Bedingungen in den Art. 6 und 7 dieser Richtlinie abhängig macht.

    ( 18 ) Damit wurde übrigens der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen. Dies geschah im Anschluss an einen Transfer dieser mit dem freien Personenverkehr eng zusammenhängenden Bereiche von der dritten Säule (EUV) in die erste Säule (EGV). Seitdem war dieser Bereich bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ein säulenübergreifender Bereich, dessen Bestimmungen teils im EG-Vertrag und anderenteils im EU-Vertrag geregelt waren.

    ( 19 ) Dieser Wortlaut ist erst mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 weggefallen.

    ( 20 ) Gemeinsame Einwanderungspolitik. Früher Art. 63 Abs. 3 und 4 EG.

    ( 21 ) Siehe Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/114. Hervorhebung nur hier.

    ( 22 ) Siehe Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/114. Hervorhebung nur hier.

    ( 23 ) Die Erwägungsgründe eines Unionsrechtsakts können den Inhalt des Rechtsakts präzisieren, vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann (C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 24 ) Siehe sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/114.

    ( 25 ) Siehe siebter Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/114.

    ( 26 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (Neufassung) (ABl. 2016, L 132, S. 21).

    ( 27 ) Richtlinie vom 12. Oktober 2005 über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (ABl. 2005, L 289, S. 15).

    ( 28 ) Siehe Art. 41 der Richtlinie 2016/801.

    ( 29 ) Siehe dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 30 ) Siehe sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 31 ) Siehe siebter Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 32 ) Siehe achter Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 33 ) Siehe elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 34 ) Siehe zwölfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 35 ) Siehe 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2016/801.

    ( 36 ) Urteil vom 10. September 2014 (C‑491/13, EU:C:2014:2187).

    ( 37 ) Vgl. Urteil vom 10. September 2014, Ben Alaya (C‑491/13, EU:C:2014:2187, Rn. 16).

    ( 38 ) Ebd. (Rn. 27).

    ( 39 ) Ebd. (Rn. 33).

    ( 40 ) Ebd.

    ( 41 ) Ebd. (Rn. 35).

    ( 42 ) Urteil vom 19. Dezember 2013 (C‑84/12, EU:C:2013:862).

    ( 43 ) ABl. 2009, L 243, S. 1.

    ( 44 ) Urteil vom 4. September 2014 (C‑575/12, EU:C:2014:2155).

    ( 45 ) ABl. 2006, L 105, S. 1.

    ( 46 ) Urteil vom 19. Dezember 2013, Koushkaki (C‑84/12, EU:C:2013:862, Rn. 63).

    ( 47 ) Vgl. Urteil vom 4. September 2014, Air Baltic Corporation (C‑575/12, EU:C:2014:2155, Rn. 62).

    ( 48 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 17. November 2011, Gaydarov (C‑430/10, EU:C:2011:749, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 49 ) Vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, I (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 50 ) Ebd.

    (

    51

    )

    „Besteht Fluchtgefahr oder ist der Antrag auf einen Aufenthaltstitel als offensichtlich unbegründet oder missbräuchlich abgelehnt worden oder stellt die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit dar, so können die Mitgliedstaaten davon absehen, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, oder sie können eine Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen einräumen.“

    ( 52 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98).

    ( 53 ) Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Zh. und O. (C‑554/13, EU:C:2015:377, Rn. 48).

    ( 54 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77), vgl. Art. 1 Buchst. c, Art. 15 Abs. 1, Art. 27, Art. 28, Art. 30 Abs. 2, Art. 31, Art. 32 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2.

    ( 55 ) Dementsprechend finden sich die Rechtsgrundlagen dieser Richtlinie in den Kapiteln über die Unionsbürgerschaft (Art. 18 und 21 AEUV), die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 46 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 50 AEUV) und den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 59 AEUV).

    ( 56 ) Freier Warenverkehr (Art. 36 AEUV), Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 Abs. 3 AEUV), Niederlassungsrecht (Art. 52 Abs. 1 AEUV), freier Dienstleistungsverkehr (Art. 56, 61 und 52 Abs. 2 AEUV), freier Kapitalverkehr (Art. 65 Abs. 1 Buchst. b AEUV). Weiterhin wird dieser Begriff in Art. 202 AEUV erwähnt, der die Rechtsgrundlage für die Handlungen der Union im Bereich der Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten ist.

    ( 57 ) Vgl. Urteil vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 36), insoweit meinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen Rendón Marín und CS (C‑165/14 und C‑304/14, EU:C:2016:75) folgend, vgl. Nrn. 140 ff. meiner Schlussanträge.

    ( 58 ) Vgl. beispielsweise Urteil vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch meine Schlussanträge in den Rechtssachen Rendón Marín und CS (C‑165/14 und C‑304/14, EU:C:2016:75, Nr. 170). Im Urteil CS ging es um die Unionsbürgerschaft, die Formel hat ihre Ursprünge jedoch in den Binnenmarktfreiheiten und wird bei allen Binnenmarktfreiheiten herangezogen.

    ( 59 ) Vgl. Urteil vom 13. September 2016, CS (C‑304/14, EU:C:2016:674, Rn. 39).

    ( 60 ) Vgl. Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 45 und 46).

    ( 61 ) Vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, I (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 28).

    ( 62 ) Vgl. Urteil vom 26. November 2002, Oteiza Olazabal (C‑100/01, EU:C:2002:712, Rn. 12 und 35).

    ( 63 ) Siehe Art. 32 Abs. 1 Buchst. a Ziff. vi des Visakodex.

    ( 64 ) Im Gegensatz zum Unionsrecht unterscheidet das deutsche Verwaltungsrecht zwischen einem sogenannten Beurteilungsspielraum und einem sogenannten Ermessen. Während Ersterer die materiellen Voraussetzungen einer Norm betrifft, wird Letzterer erst auf der Ebene der Rechtsfolgen relevant, wenn eine Norm erfüllt ist („Rechtsfolgenseite“). Diese Unterscheidung ist indes für die vorliegende Rechtssache nicht von Bedeutung, da das Unionsrecht eine solche Unterscheidung nicht vornimmt, weshalb der Begriff „Beurteilungsspielraum“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs bisweilen als „Beurteilungsspielraum“ und bisweilen als „Ermessen“ bezeichnet wird.

    ( 65 ) Siehe Art. 27 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/38, die als Kodifizierung früherer Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Vertragsfreiheiten gilt.

    ( 66 ) Siehe Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38.

    ( 67 ) Ebd.

    ( 68 ) Eine ähnliche Ansicht vertreten im Schrifttum Hailbronner, K., und Thym, D., „Constitutional framework and principles for interpretation“, in Hailbronner, K., und Thym, D. (Hrsg.), EU immigration and asylum law – a commentary, 2. Aufl., C. H. Beck, Hart, Nomos, München, Oxford, Baden-Baden, 2016, Rn. 20.

    ( 69 ) Die Richtlinie 2004/38 datiert vom 29. April 2004, während die Richtlinie 2004/114 am 13. Dezember 2004 erlassen wurde.

    ( 70 ) In den „allgemeinen Bedingungen“ im Rahmen der Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt in der Entwurfsfassung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und im Rahmen der „Entziehung“ in der Entwurfsfassung von Art. 15 Abs. 2. Vgl. Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Aufnahme eines Studiums, einer Berufsbildung oder eines Freiwilligendienstes, KOM(2002) 548 endgültig, auf S. 26 bzw. 30.

    ( 71 ) Dies geschah im Anschluss an einen Vorschlag der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates. Vgl. „Beratungsergebnisse, Arbeitsgruppe Integration, Migration und Rückführung – Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Aufnahme eines Studiums, einer Berufsbildung oder eines Freiwilligendienstes“ [Outcome of proceedings, Working Party on Migration and Expulsion – Proposal for a Council Directive on the conditions of entry and residence of third-country nationals for the purposes of studies, vocational training or voluntary service], Brüssel, 28.11.2003, 1513/03 MIGR 103, S. 9.

    ( 72 ) Dieser Ansicht sind auch Hailbronner, K., und Gies, S., „Council Directive 2004/114/EC of 13 December 2004 on the conditions of admission of third-country nationals for the purposes of studies, pupil exchange, unremunerated training or voluntary service“, in Hailbronner, K., und Thym, D. (Hrsg.), EU immigration and asylum law – a commentary, 2. Aufl., C. H. Beck, Hart, Nomos, München, Oxford, Baden-Baden, 2016, Art. 6, Rn. 7. Nach der Gegenansicht im Schrifttum gibt es im Text oder in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2004/114 keine Bezugnahme auf Art. 72 AEUV, so diese Ansicht, dass „eine enge Auslegung der Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Ordnung dem Normzweck, Studenten in die Union anzuziehen, zuträglich wäre“, vgl. Peers, S., in Peers, S, Guild, E., Acosta Arcarazo, D., Groenendijk, K., Moreno-Lax, V. (Hrsg.), EU Immigration and Asylum Law (Text and Commentary): Second Revised Edition, Volume 2: EU Immigration Law, Martinus Nijhoff Publishers, Leiden, Boston, 2012, Kapitel 7, S. 202.

    ( 73 ) Und die darüber hinaus in Abschnitt I Nr. 161 des Anhangs der Durchführungsverordnung Nr. 1202/2014 als eine solche Organisation aufgeführt ist.

    ( 74 ) Vgl. Urteil vom 10. September 2014, Ben Alaya (C‑491/13, EU:C:2014:2187, Rn. 33).

    ( 75 ) Ebd.

    ( 76 ) Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2013, Koushkaki (C‑84/12, EU:C:2013:862, Rn. 60, 61, 63 und Tenor). Hervorhebung nur hier.

    ( 77 ) Ebd. (Rn. 60).

    ( 78 ) Zuzugestehen ist allerdings, dass das gleiche Hindernis bei den Regelungen über den freien Personenverkehr besteht, wo ein Mitgliedstaat die Freizügigkeit nicht als Sanktion für etwas einschränken kann, das jemand getan hat, sondern nur wegen etwas, das er oder sie mutmaßlich künftig tun wird.

    ( 79 ) In der griffigen Formulierung („‚fact-finding‘ discretion“) von Hailbronner, K., und Gies, S., „Council Directive 2004/114/EC of 13 December 2004 on the conditions of admission of third-country nationals for the purposes of studies, pupil exchange, unremunerated training or voluntary service“, in Hailbronner, K., und Thym, D., (Hrsg.), EU immigration and asylum law – a commentary, 2. Aufl., C. H. Beck, Hart, Nomos, München, Oxford, Baden-Baden, 2016, Art. 5, Rn. 15.

    ( 80 ) Nach Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 hat für die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend zu sein. Dieses persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

    ( 81 ) „… aufgrund dessen die behördliche Einschätzung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt“.

    ( 82 ) Vgl. die Entwurfsfassung von Art. 20 Abs. 3 des Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Aufnahme eines Studiums, einer Berufsbildung oder eines Freiwilligendienstes, KOM(2002) 548 endgültig, auf S. 40.

    ( 83 ) Vgl. Hailbronner, K., und Gies, S., „Council Directive 2004/114/EC of 13 December 2004 on the conditions of admission of third-country nationals for the purposes of studies, pupil exchange, unremunerated training or voluntary service“, in Hailbronner, K., und Thym, D. (Hrsg.), EU immigration and asylum law – a commentary, 2. Aufl., C. H. Beck, Hart, Nomos, München, Oxford, Baden-Baden, 2016, Art. 18 bis 21, Rn. 8.

    ( 84 ) Insbesondere im Vergleich zu anderen nationalen Rechtsordnungen, vgl. von Danwitz, T., Europäisches Verwaltungsrecht, Springer, Berlin, Heidelberg, 2008, S. 589 ff.

    ( 85 ) Sei es in Form eines „Beurteilungsspielraums“ oder eines „Ermessens“. Vgl. auch von Danwitz, T., a. a. O.

    ( 86 ) Urteil vom 3. September 2008 (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461).

    ( 87 ) Vgl. Urteil des EGMR vom 15. November 1996, No 22414/93, Chahal/Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:1996:1115JUD002241493, Rn. 131).

    ( 88 ) Vgl. Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 344).

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