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Document 62015CC0085

Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 8. Dezember 2016.
Feralpi Holding SpA gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Kartelle – Italienische Hersteller von Bewehrungsrundstahl – Festsetzung der Preise sowie Beschränkung und Kontrolle der Produktion und des Absatzes – Verstoß gegen Art. 65 KS – Nichtigerklärung der ursprünglichen Entscheidung durch das Gericht der Europäischen Union – Aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 neu erlassene Entscheidung – Keine Versendung einer neuen Mitteilung der Beschwerdepunkte – Keine Anhörung nach der Nichtigerklärung der ursprünglichen Entscheidung – Verzögerungen im Verfahren vor dem Gericht.
Rechtssache C-85/15 P.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:940

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 8. Dezember 2016 ( 1 )

Rechtssache C‑85/15 P, verbundene Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P, Rechtssachen C‑88/15 P und C‑89/15 P

Feralpi Holding SpA (C‑85/15 P),

Ferriera Valsabbia SpA und Valsabbia Investimenti SpA (C‑86/15 P),

Alfa Acciai SpA (C‑87/15 P),

Ferriere Nord SpA (C‑88/15 P),

Riva Fire SpA, in Liquidation (C‑89/15 P)

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Wettbewerb – EGKS-Vertrag – Verteidigungsrechte – Mitteilung der Beschwerdepunkte – Anhörung – Beratender Ausschuss – Überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht – Wiederholungsfall – Offene Distanzierung„

Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung

1. 

Mit ihren Rechtsmitteln beantragen Feralpi Holding, Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti (im Folgenden: Valsabbia), Alfa Acciai, Ferriere Nord und Riva Fire (im Folgenden zusammen: Rechtsmittelführerinnen) im Wesentlichen die Aufhebung der Urteile des Gerichts ( 2 ), mit denen Letzteres ihre Klagen auf Nichtigerklärung einer nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates ( 3 ) ergangenen Kommissionsentscheidung (vollumfänglich oder größtenteils) abgewiesen hatte, mit der wegen ihrer Beteiligung zwischen 1989 und 2000 an einem Kartell auf dem Markt für Beton-Bewehrungsrundstahl Geldbußen gegen sie verhängt worden waren.

2. 

Diese Rechtsmittel werfen eine Reihe von Verfahrensfragen auf, wie etwa die nach der ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens gemäß den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 ( 4 ), nach den Voraussetzungen, unter denen von dem erschwerenden Umstand eines Wiederholungsfalls auszugehen ist, und nach den Rechtsbehelfen, die bei überlanger Dauer von Verfahren vor dem Gericht zur Verfügung stehen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werden diese Fragen in den vorliegenden Schlussanträgen gemeinsam untersucht.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl

3.

Art. 65 EGKS bestimmte:

„1.   Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, alle Beschlüsse von Verbänden von Unternehmen und alle verabredeten Praktiken, die darauf abzielen würden, auf dem gemeinsamen Markt unmittelbar oder mittelbar den normalen Wettbewerb zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, insbesondere

a)

die Preise festzusetzen oder zu bestimmen;

b)

die Erzeugung, die technische Entwicklung oder die Investitionen einzuschränken oder zu kontrollieren;

c)

die Märkte, Erzeugnisse, Abnehmer oder Versorgungsquellen aufzuteilen.

4.   Nach § 1 dieses Artikels untersagte Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig; eine Berufung auf sie ist vor keinem Gericht der Mitgliedstaaten zulässig.

Vorbehaltlich der bei dem Gerichtshof zu erhebenden Klagen ist die Kommission ausschließlich zuständig, darüber zu entscheiden, ob die genannten Vereinbarungen oder Beschlüsse mit den Bestimmungen dieses Artikels im Einklang stehen.

5.   Gegen Unternehmen, die eine nichtige Vereinbarung getroffen … haben … oder … zu den Bestimmungen des § 1 im Widerspruch stehende Praktiken anwenden, kann die Kommission Geldbußen und Zwangsgelder festsetzen; der Höchstbetrag dieser Geldbußen und Zwangsgelder darf das Doppelte des Umsatzes nicht überschreiten, der in den Erzeugnissen erzielt worden ist, die Gegenstand der Vereinbarung, des Beschlusses oder der Praktiken waren, die zu den Bestimmungen dieses Artikels im Widerspruch stehen; war eine Beschränkung der Produktion, der technischen Entwicklung oder der Investitionen beabsichtigt, so wird dieser Höchstbetrag bis auf höchstens 10 v. H. des Jahresumsatzes der betreffenden Unternehmen erhöht, soweit es sich um die Geldbuße handelt, und bis auf höchstens 20 v. H. des Tagesumsatzes, soweit es sich um die Zwangsgelder handelt.“

4.

Die Geltungsdauer des EGKS-Vertrags endete nach seinem Art. 97 am 23. Juli 2002.

B – Verordnung Nr. 1/2003

4.

Art. 7 Abs. 1 („Feststellung und Abstellung von Zuwiderhandlungen“) der Verordnung Nr. 1/2003 sieht Folgendes vor:

„Stellt die Kommission auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen [Art. 101 oder Art. 102 AEUV] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. …“

5.

In Art. 14 („Beratender Ausschuss“) dieser Verordnung heißt es:

„(1)

Vor jeder Entscheidung, die nach Maßgabe der Artikel 7, 8, 9, 10 und 23, Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 29 Absatz 1 ergeht, hört die Kommission einen Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen.

(2)

Für die Erörterung von Einzelfällen setzt der Beratende Ausschuss sich aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen. …

(3)

Die Anhörung kann in einer von der Kommission einberufenen Sitzung, in der die Kommission den Vorsitz führt, frühestens 14 Tage nach Absendung der Einberufung, der eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag beigefügt wird, erfolgen. … Der Beratende Ausschuss nimmt zu dem vorläufigen Entscheidungsvorschlag der Kommission schriftlich Stellung. …

(5)

Die Kommission berücksichtigt so weit wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses. Sie unterrichtet den Ausschuss darüber, inwieweit sie seine Stellungnahme berücksichtigt hat.

…“

6.

Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV verstoßen.

7.

Schließlich sieht Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vor:

„Vor einer Entscheidung gemäß den Artikeln 7, 8, 23 oder 24 Absatz 2 gibt die Kommission den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die sich das von ihr betriebene Verfahren richtet, Gelegenheit, sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern, die sie in Betracht gezogen hat. Die Kommission stützt ihre Entscheidung nur auf die Beschwerdepunkte, zu denen sich die Parteien äußern konnten. …“

C – Verordnung Nr. 773/2004

8.

Art. 10 der Verordnung Nr. 773/2004 ( 5 ) („Mitteilung der Beschwerdepunkte und Erwiderung“) sieht Folgendes vor:

„(1)

Die Kommission teilt den Parteien die gegen sie erhobenen Beschwerdepunkte mit. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte wird jeder der Parteien zugestellt.

(2)

Bei Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte setzt die Kommission den Parteien eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. …

(3)

Die Parteien können in ihren schriftlichen Ausführungen alle ihnen bekannten Tatsachen vortragen, die für ihre Verteidigung gegen die von der Kommission angeführten Beschwerdepunkte relevant sind. …“

9.

Art. 11 („Anspruch auf rechtliches Gehör“) der Verordnung Nr. 773/2004 lautet:

„(1)

Die Kommission gibt den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit zur Äußerung, bevor sie den Beratenden Ausschuss nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 hört.

(2)

Die Kommission zieht in ihren Entscheidungen nur Beschwerdepunkte in Betracht, zu denen sich die in Absatz 1 genannten Parteien äußern konnten.“

10.

Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004 sieht vor:

„Die Kommission gibt den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit, ihre Argumente in einer Anhörung vorzutragen, wenn sie dies in ihren schriftlichen Ausführungen beantragen.“

11.

Gemäß Art. 14 Abs. 3 („Durchführung der Anhörung“) dieser Verordnung „[werden die] Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten … von der Kommission zu der Anhörung eingeladen“.

II – Hintergrund der Verfahren

12.

Von Oktober bis Dezember 2000 nahm die Kommission bei bestimmten italienischen Herstellern von Bewehrungsrundstahl und bei einem Verband italienischer Stahlhersteller Nachprüfungen vor. Darüber hinaus übersandte sie ihnen gemäß Art. 47 KS Auskunftsersuchen. Am 26. März 2002 leitete die Kommission das Verwaltungsverfahren ein und formulierte nach Art. 36 KS die Beschwerdepunkte. Die Klägerinnen äußerten sich schriftlich zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte und mündlich in der Anhörung vom 13. Juni 2002. Am 12. August 2002 übermittelte die Kommission eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte. In dieser ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte erläuterte die Kommission ihren Standpunkt zur Fortsetzung des Verfahrens nach Auslaufen des EGKS-Vertrags und teilte mit, dass sie ein Verfahren nach der Verordnung Nr. 17 ( 6 ) eingeleitet habe. Die Klägerinnen äußerten sich schriftlich zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte. Am 30. September 2002 fand in Anwesenheit der Vertreter der Mitgliedstaaten eine zweite Anhörung statt.

13.

Am 17. Dezember 2002 erließ die Kommission die Entscheidung K(2002) 5087 endg. betreffend ein Verfahren nach Art. 65 KS (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl; im Folgenden: Entscheidung von 2002), in der sie feststellte, dass mehrere Unternehmen (darunter die Rechtsmittelführerinnen) gegen Art. 65 Abs. 1 KS verstoßen hatten, und Geldbußen gegen diese verhängte. Mehrere dieser Unternehmen fochten die Entscheidung von 2002 vor dem Gericht an.

14.

Mit Urteilen vom 25. Oktober 2007 (im Folgenden: Urteile von 2007) erklärte das Gericht die Entscheidung von 2002 für nichtig ( 7 ). In Anbetracht des völligen Fehlens eines Verweises auf Art. 3 und Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 sah das Gericht Art. 65 Abs. 4 und 5 KS als verfahrensrechtliche Grundlage der Entscheidung an. Es wies sodann darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die Bestimmung, die die Rechtsgrundlage einer Maßnahme bilde, bei deren Erlass in Kraft sein müsse und dass die Geltungsdauer von Art. 65 Abs. 4 und 5 KS am 23. Juli 2002 geendet habe. Das Gericht gelangte daher zu dem Ergebnis, dass die Kommission nicht mehr befugt gewesen sei, nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage von Art. 65 Abs. 4 und 5 KS einen Verstoß gegen Art. 65 Abs. 1 KS festzustellen und gegen die verantwortlichen Unternehmen Geldbußen zu verhängen.

15.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 unterrichtete die Kommission die Rechtsmittelführerinnen und die anderen betroffenen Unternehmen von ihrer Absicht, auf der Grundlage einer anderen Rechtsvorschrift eine neue Entscheidung zu erlassen. Die Kommission teilte außerdem mit, dass die neue Entscheidung angesichts des begrenzten Anwendungsbereichs der Urteile von 2007 auf die Beweise gestützt sein werde, die in der ursprünglichen und in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte, die den betreffenden Unternehmen im Jahr 2002 übermittelt worden seien, angeführt gewesen seien. Die betroffenen Unternehmen erhielten eine Frist zur Einreichung schriftlicher Erklärungen, die sie entsprechend nutzten.

16.

Am 30. September 2009 erließ die Kommission ihre Entscheidung C(2009) 7492 final betreffend ein Verfahren gemäß Art. 65 KS (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl, Neuentscheidung). Diese Entscheidung wurde später durch die Entscheidung C(2009) 9912 final vom 8. Dezember 2009 geändert ( 8 ). In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission einen Verstoß der Rechtsmittelführerinnen gegen Art. 65 KS fest und verhängte gegen sie eine Geldbuße.

III – Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Urteile

17.

Mit ihren am 17. Februar 2010 (T‑92/10), 18. Februar 2010 (T‑85/10) und 19. Februar 2010 (T‑83/10, T‑70/10 und T‑90/10) nach Art. 263 AEUV eingereichten Klagen beantragten die Rechtsmittelführerinnen die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung.

18.

Das Gericht wies mit Urteilen am 9. Dezember 2014 die Klagen in allen fünf Rechtssachen vollumfänglich bzw. überwiegend ab.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und beantragte Anordnungen

19.

Mit ihren am 19. Februar 2015 (C‑85/15 P), 20. Februar 2015 (C‑86/15 P, C‑87/15 P und C‑88/15 P) und 24. Februar 2015 (C‑89/15 P) eingelegten Rechtsmitteln beantragen die Rechtsmittelführerinnen jeweils, das gegen sie im ersten Rechtszug ergangene Urteil des Gerichts aufzuheben, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären oder die ihnen jeweils auferlegte Geldbuße herabzusetzen (hilfsweise, die Sache zur erneuten Überprüfung an das Gericht zurückzuverweisen) und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Riva Fire beantragt außerdem, festzustellen, dass das Verfahren vor dem Gericht wegen seiner Dauer gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) verstößt. Ferner beantragen Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai, festzustellen, dass ein Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta und Art. 6 Abs. 1 EMRK vorliegt, wenn der Gerichtshof die Geldbuße nicht aus diesem Grund herabsetzt.

20.

Die Kommission beantragt in allen Rechtssachen jeweils, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

21.

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 7. Juni 2016 sind die Rechtssachen C‑86/15 P bis C‑87/15 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. In einer gemeinsamen Sitzung vom 20. Oktober 2016 haben die Rechtsmittelführerinnen und die Kommission mündlich verhandelt.

V – Würdigung der Rechtsmittelgründe

22.

In ihren Rechtsmittelschriften tragen die Rechtsmittelführerinnen jeweils sechs (C‑85/15 P), sieben (verbundene Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P), neun (C‑88/15 P) und vier Rechtsmittelgründe (C‑89/15 P) vor.

23.

In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich zunächst einen Rechtsmittelgrund untersuchen, der allen Rechtsmitteln gemein ist und der die Wahrung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens betrifft. Aus den nachfolgend dargelegten Gründen bin ich der Auffassung, dass dieser Rechtsmittelgrund begründet ist und dass die angefochtenen Urteile und die angefochtene Entscheidung daher aufzuheben sind.

24.

Für den Fall, dass der Gerichtshof meiner Würdigung dieses Rechtsmittelgrundes nicht folgt, werde ich auch die übrigen vorgebrachten Rechtsmittelgründe untersuchen. Zu den meisten Rechtsmittelgründen werde ich jedoch nur kurz Stellung nehmen, da sie offensichtlich unzulässig oder unbegründet erscheinen.

A – Verteidigungsrechte und ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens

25.

Die Rechtsmittelführerinnen rügen, dass das Gericht ihr Vorbringen einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und eines Verstoßes gegen eine Reihe von Bestimmungen der Verordnung Nr. 773/2004 zurückgewiesen habe ( 9 ). Auch wenn ihre jeweils vorgetragenen Argumente sich geringfügig unterscheiden ( 10 ), machen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe unbeanstandet gelassen, dass die Kommission vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht das in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehene Verfahren eingehalten habe.

26.

Die Kommission verteidigt die Feststellungen des Gerichts. Sie vertritt den Standpunkt, dass sie den Grundsatz tempus regit actum strikt beachtet habe, indem sie die Verfahrensvorschriften angewandt habe, die zum maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft gewesen seien, und dass den Rechtsmittelführerinnen pflichtgemäß Gelegenheit gegeben worden sei, ihren Standpunkt zu allen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Aspekten des Falles darzulegen. Die Kommission weist außerdem darauf hin, dass die Aufhebung der Entscheidung von 2002 die vor dem Erlass dieser Entscheidung unternommenen Verfahrensschritte, darunter diejenigen aus der Zeit, als der EGKS-Vertrag noch in Kraft gewesen sei, nicht ungültig gemacht habe.

27.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1/2003 die Kommission nach ständiger Rechtsprechung ermächtigt, Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die in Wirtschaftszweigen tätig sind, welche sachlich und zeitlich in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fallen, nach dem 23. Juli 2002 festzustellen und zu ahnden, auch wenn die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 nicht ausdrücklich auf Art. 65 KS Bezug nehmen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn eine Entscheidung gemäß Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nach einem Verfahren ergeht, das gemäß der besagten Verordnung geführt wurde ( 11 ). Die vollständige Einhaltung der Verordnung Nr. 1/2003 impliziert – wie hier kaum hinzugefügt zu werden braucht – auch die Einhaltung der diese durchführenden Verordnung Nr. 773/2004 ( 12 ).

28.

Vor diesem Hintergrund halte ich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu diesem Punkt für begründet. Wie im Folgenden zu erläutern sein wird, hat die Kommission vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung das in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehene Verfahren nicht vollständig eingehalten. Tatsächlich wurden einige wesentliche Verfahrensschritte gemäß (und nur gemäß) den Bestimmungen vorgenommen, die bei Geltung des EGKS-Vertrags in Kraft waren. Auch wenn diese Bestimmungen denen ähnlich sind, die zur Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV erlassen wurden, sind sie doch mit diesen nicht identisch. Folglich hat sich das von der Kommission in den vorliegenden Sachen angewandte Verfahren nachteilig auf die Möglichkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ausgewirkt, sich an diesem Verfahren zu beteiligen. Diese Beteiligung ist wichtig, und über das Versäumnis der Kommission, sie sicherzustellen, darf nicht hinweggesehen werden.

1. Wurde das in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehene Verfahren nach der Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 eingehalten?

29.

Im vorliegenden Fall wird in Rn. 370 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass Letztere „in Übereinstimmung mit den Verfahrensvorschriften des [AEU-Vertrags] und dem aus diesem Vertrag folgenden Sekundärrecht, darunter insbesondere der Verordnung Nr. 1/2003, neu erlassen wurde“. Daher muss zunächst einmal festgestellt werden, ob diese Aussage zutrifft.

30.

Insoweit wird nicht bestritten, dass nach der Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 abgesehen von der Konsultation des Beratenden Ausschusses keine Schritte unternommen wurden, die dem in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehenen Verfahren entsprachen. Tatsächlich wurde – basierend auf Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 – eine neue Entscheidung erlassen, nachdem den Rechtsmittelführerinnen Gelegenheit gegeben worden war, zu dem Schreiben vom 30. Juni 2008 Stellung zu nehmen. Vor Erlass dieser Entscheidung wurde keine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt und keine neue Anhörung durchgeführt.

31.

An dieser Stelle erscheint der Hinweis angezeigt, dass die Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 keine allgemeine Ausnahme hinsichtlich der Vornahme dieser beiden Verfahrensschritte vorsehen. Nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 gibt die Kommission vor einer Entscheidung gemäß u. a. den Art. 7 und 23 den geprüften Unternehmen „Gelegenheit, sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern, die sie in Betracht gezogen hat“. Die Kommission darf ihre Entscheidungen „nur auf Beschwerdepunkte [stützen], zu denen sich die Parteien äußern konnten“. Art. 27 Abs. 2 dieser Verordnung sieht vor, dass „[d]ie Verteidigungsrechte der Parteien … während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden [müssen]“. Die Art. 10 bis 14 der Verordnung Nr. 773/2004 wiederum betreffen die Verpflichtung der Kommission, die Beschwerdepunkte schriftlich mitzuteilen und auf entsprechenden Antrag hin eine Anhörung durchzuführen. Das in den betreffenden Bestimmungen verwendete imperative Präsens („Die Kommission teilt … mit“) lässt keinen Zweifel an dem verpflichtenden Charakter dieser Vorgaben.

32.

Die Kommission vertritt jedoch den Standpunkt, dass die betreffenden Schritte gemäß den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 im Rahmen der in Rede stehenden Verfahren nicht erforderlich gewesen seien, weil entsprechende Schritte bereits vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 stattgefunden hätten. Die Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 lasse diese Schritte nicht ungültig werden. Zur Untermauerung dieses Arguments verweist die Kommission auf die vom Gericht in seinen Urteilen angeführte Rechtsprechung, insbesondere das Urteil PVC II ( 13 ).

33.

In der Rechtssache PVC II wies der Gerichtshof das Vorbringen der Klägerinnen zurück, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, weil sie nach der Nichtigerklärung der ersten Entscheidung und vor Erlass einer neuen Entscheidung keine neue Anhörung durchgeführt und den Beratenden Ausschuss nicht erneut konsultiert habe. Der Gerichtshof verwies dabei insbesondere auf die ständige Rechtsprechung, wonach die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Gemeinschaft nicht notwendig die vorbereitenden Handlungen berührt, da das Verfahren zur Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes grundsätzlich genau an dem Punkt wieder aufgenommen werden kann, an dem der Rechtsverstoß eingetreten ist ( 14 ).

34.

Dementsprechend muss untersucht werden, ob diese Rechtsprechung auf die vorliegenden Fälle übertragbar ist. Meines Erachtens ist sie in zwei Fallgestaltungen einschlägig und zu beachten, nämlich i) wenn das nunmehr in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehene Verfahren vor der Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 korrekt befolgt wurde oder ii) wenn die auf der Grundlage anderer Verfahrensvorschriften vorgenommenen Verfahrensschritte als denjenigen gleichwertig angesehen werden können, die gemäß den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 hätten vorgenommen werden müssen. Diese beiden Konstellationen werden im Folgenden geprüft.

2. Wurde das in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehene Verfahren vor der Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 eingehalten?

35.

Da die Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht in Kraft waren, sind die entsprechenden Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 17 und 2842/98 ( 15 ) heranzuziehen.

36.

Auf diese Frage gibt es allerdings eine sehr einfache Antwort. In Rn. 352 der Entscheidung von 2002 heißt es:

„Aus dieser Sicht entspricht die Anwendung der Verordnung Nr. 17 im weiteren Verlauf des Verfahrens dem Grundsatz, dass die Verfahrensvorschriften anwendbar sind, die bei Erlass der fraglichen Maßnahme gelten. Aus dem gleichem Grund erschien es nicht notwendig, die erste Anhörung, an der die Vertreter der Mitgliedstaaten nicht teilgenommen hatten, zu wiederholen, da die zu diesem Zeitpunkt geltenden Verfahrensvorschriften des EGKS-Vertrags deren Teilnahme nicht vorsahen. Wie in Nr. 26 der Mitteilung [vom 18. Juni 2002] … ausgeführt, ist zudem davon auszugehen, dass die wirksam auf der Grundlage der EGKS-Vorschriften ergriffenen Verfahrensmaßnahmen bei Auslaufen des EGKS-Vertrags die Anforderungen der entsprechenden Verfahrensbestimmungen des EG-Vertrags erfüllten. Schließlich ist zu betonen, dass es keine förmliche Verknüpfung zwischen den Bestimmungen über die Beteiligung der Mitgliedstaaten an [einer] Anhörung … und denen über die Konsultation des Beratenden Ausschusses … gibt.“ ( 16 )

37.

Somit hat die Kommission im Kern ausdrücklich erklärt, dass sie das in den Verordnungen Nrn. 17 und 2842/98 vorgesehene Verfahren nicht vollumfänglich eingehalten hat. Sie hielt dies nicht für notwendig, da die im EGKS-Rechtsrahmen ergriffenen Verfahrensmaßnahmen ihrer Ansicht nach den in den entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen geforderten Standards genügten.

38.

An dieser Stelle ist zu prüfen, ob diese Erklärungen zutreffen. Allerdings ist zuvor Folgendes anzumerken.

39.

Die Kommission hat bereits vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 bestimmte Verfahrensmaßnahmen gemäß der Verordnung Nr. 17 ergriffen. Wie bereits oben in Nr. 13 erwähnt, hat die Kommission insbesondere am 12. August 2002 eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt, und am 30. September 2002 wurde in Anwesenheit von Vertretern der Mitgliedstaaten eine zweite Anhörung durchgeführt.

40.

Gleichwohl ist unstreitig, dass diese Maßnahmen nur die einschlägigen Verfahrensbestimmungen und die sich aus ihnen ergebenden Folgen betrafen. Die materiell-rechtlichen Aspekte der Fälle wurden generell weder in der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte noch in der zweiten Anhörung erörtert. Wenn es also ein nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gültiges Verfahren gab, wurden in diesem Verfahren nur verfahrensrechtliche und keine materiell-rechtlichen Fragen behandelt.

3. Sind die gemäß den Bestimmungen des EGKS-Vertrags ergriffenen Verfahrensmaßnahmen gültige vorbereitende Handlungen für die angefochtene Entscheidung?

41.

Es muss nun untersucht werden, ob – wie die Kommission geltend macht – die vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 im EGKS-Rechtsrahmen ergriffenen Verfahrensmaßnahmen den Anforderungen der entsprechenden Gemeinschafts-/Unionsbestimmungen genügen. Tatsächlich kann wie in der Rechtssache PVC II kein Zweifel daran bestehen, dass die in den vorliegenden Fällen vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 ergriffenen Verfahrensmaßnahmen grundsätzlich ihre Gültigkeit behalten.

42.

Da die Verfahrensmaßnahmen, auf die sich die Kommission beruft, meistenteils im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung gemäß Art. 65 Abs. 4 und 5 KS ergriffen wurden, ist zu prüfen, ob sie als „vorbereitende Handlungen“ ( 17 ) zwecks Erlass einer Entscheidung gemäß Art. 7 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden können.

43.

Dies ist meines Erachtens zu verneinen. Ich sehe nämlich einige bedeutsame Unterschiede zwischen der vom Gerichtshof in der Rechtssache PVC II untersuchten Situation und dem Sachverhalt der vorliegenden Fälle.

44.

Erstens untersuchte der Gerichtshof im ersteren Fall zwei nacheinander ergangene Entscheidungen, die dieselbe Rechtsgrundlage hatten und im Wesentlichen identisch waren. Besonders aufschlussreich sind insoweit die Ausführungen in Rn. 98 des Urteils, wo es heißt: „Beschließt die Kommission nach der Nichtigerklärung einer Wettbewerbsentscheidung, den oder die festgestellten Rechtsfehler zu beseitigen und eine identische, nicht mit diesen Fehlern behaftete Entscheidung zu erlassen, so betrifft diese Entscheidung genau die Beschwerdepunkte, zu denen sich die Unternehmen bereits geäußert haben.“ In den vorliegenden Fällen ist die angefochtene Entscheidung jedoch nicht „identisch“ mit der vorherigen Entscheidung, die vom Gericht für nichtig erklärt wurde. Die beiden Entscheidungen beruhen auf verschiedenen Rechtsvorschriften, die zwar zu zwei zugegebenermaßen ähnlichen und eng verknüpften, jedoch auch unterschiedlichen Regelwerken gehören.

45.

Dies ist kein unerhebliches Detail. Innerhalb des von den Unionsverträgen geschaffenen Systems, das auf dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung beruht, ist die Wahl der richtigen Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt der Organe von verfassungsrechtlicher Bedeutung. Diese Wahl entscheidet darüber, ob die Union handlungsbefugt ist, zu welchem Zweck sie handeln darf und welches Verfahren sie zu befolgen hat, wenn sie handelt.

46.

Als die Kommission die angefochtene Entscheidung erließ, machte sie von den ihr durch die Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 übertragenen Befugnissen Gebrauch. Hierbei handelt es sich um andere Befugnisse als diejenigen, die der EGKS-Vertrag ihr vor seinem Auslaufen verlieh. Wie bereits erwähnt, sind die beiden Systeme einander zwar in weiten Teilen ähnlich, sie sind jedoch nicht identisch. Der Rückgriff auf den einen oder auf den anderen Bestand von Befugnissen kann bestimmte rechtliche Folgen haben: beispielsweise für die Obergrenze für Geldbußen, die die Kommission verhängen darf – ein Punkt, der im Verfahren vor der Kommission und im ersten Rechtszug ausgiebig erörtert worden ist. Offensichtlich sind auch noch andere Folgen denkbar.

47.

In ihrem Schreiben vom 30. Juni 2008 spielte die Kommission die Bedeutung dieses Punktes herunter, indem sie ausführte, dass die Nichtigerklärung der Entscheidung von 2002 insofern nur begrenzte Auswirkungen habe, als lediglich eine andere Rechtsgrundlage herangezogen werden müsse. Unabhängig davon, ob dies zutrifft, vertraten die Rechtsmittelführerinnen einen anderen Standpunkt und waren durchaus berechtigt, ihre Argumentation im Kontext des Verfahrens zu entwickeln, das in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 niedergelegt ist. Mir scheint, dass das Ersetzen der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts kaum als bloße „Beseitigung eines Rechtsverstoßes“ eingestuft werden kann, die Situation, der sich der Gerichtshof in der Rechtssache PVC II gegenübersah.

48.

Zweitens und vor allem gab es, wie oben in Nr. 38 erwähnt, kein – gemäß den Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 17 und 2842/98, die den nun in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 vorgesehenen Bestimmungen entsprechen, durchgeführtes – Verfahren, das die Kommission dergestalt wiederaufgreifen konnte, dass sie unmittelbar die neue Entscheidung erließ. Anders ausgedrückt kann nicht bestritten werden, dass das in den Verordnungen Nrn. 17 und 2842/98 niedergelegte Verfahren vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 nicht vollständig und konsequent eingehalten worden war.

49.

In diesem Zusammenhang sei auf den Wortlaut des Art. 34 Abs. 2 („Übergangsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1/2003 hingewiesen: „Die Wirksamkeit von nach Maßgabe der Verordnung Nr. 17 … vorgenommenen Verfahrensschritten bleibt für die Anwendung der vorliegenden Verordnung unberührt.“ ( 18 ) Obwohl der EGKS-Vertrag nur wenige Monate vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1/2003 ausgelaufen war, werden gemäß diesem Vertrag vorgenommene Verfahrensschritte nicht ausdrücklich erwähnt.

50.

Hierauf gestützt machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung eine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte hätte übermittelt werden müssen.

51.

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals anmerken, dass die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 12. August 2002 eine Bezugnahme auf die Verordnung Nr. 17 enthielt, jedoch nur die Wahl der passenden Rechtsgrundlage und andere hieraus abgeleitete Punkte betraf. Dies vorausgeschickt kann vielleicht argumentiert werden, dass die ursprüngliche Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 26. März 2002 mit dem Inhalt, wie er sich aus dem ergänzenden Schreiben vom 30. Juni 2008 ergibt, möglicherweise den Anforderungen der Verordnung Nr. 1/2003 genügt.

52.

Andererseits trifft es zu, dass der Gerichtshof wiederholt die entscheidende Bedeutung der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Verfahren betreffend Zuwiderhandlungen gegen Wettbewerbsregeln betont hat, indem er diesen Akt als eine fundamentale verfahrensrechtliche Schutzvorschrift zur Sicherstellung der Wahrung der Verteidigungsrechte der Unternehmen bezeichnet hat ( 19 ). Allerdings gibt es offenbar keinen großen Unterschied zwischen einer gemäß den EGKS-Vorschriften und einer gemäß den gemeinschafts‑/unionsrechtlichen Vorschriften ergangenen Mitteilung der Beschwerdepunkte. Ferner wurden die betroffenen Beteiligten, auch wenn das Schreiben vom 30. Juni 2008 nicht ausdrücklich als „ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte“ bezeichnet war, durch dieses Schreiben (wenn auch nur durch Verweis auf die frühere Mitteilung der Beschwerdepunkte) von den gegen sie erhobenen Vorwürfen unterrichtet, wobei ihnen wie in Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 vorgeschrieben Gelegenheit zur Äußerung hierzu gegeben wurde.

53.

Dennoch braucht die Frage, ob die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Beachtung der Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 versandt hat, nicht weiter erörtert zu werden, da jedenfalls wenigstens ein anderer gemäß den EGKS-Vorschriften vorgenommener Verfahrensschritt eindeutig nicht den in den gemeinschafts‑/unionsrechtlichen Vorschriften niedergelegten Anforderungen genügt.

54.

Nach Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004 hat die Kommission den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit zu geben, ihre Argumente in einer Anhörung vorzutragen, wenn sie dies in ihren schriftlichen Ausführungen beantragen. Dadurch, dass die Kommission keine neue ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte versandt hat, hat sie den Parteien im Kern ihr Recht vorenthalten, eine solche Anhörung zu beantragen. Wie oben ausgeführt, ist unstreitig, dass vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine neue Anhörung stattfand.

55.

Innerhalb des vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Systems der Regeln zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Union ist die Durchführung einer Anhörung jedoch ein Verfahrensschritt von großer Bedeutung. Einer der Hauptgründe hierfür ist, dass die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004 zu der Anhörung eingeladen werden. Ihre Teilnahme an der Anhörung ist keine reine Formalität, da die Vertreter der betreffenden Behörden dem Beratenden Ausschuss angehören, der gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 von der Kommission angehört werden muss, bevor nach Maßgabe u. a. der Art. 7 und 23 dieser Verordnung eine Entscheidung ergeht. Obwohl es, wie von der Kommission geltend gemacht, zutrifft, dass zwischen diesen beiden Verfahrensschritten keine ausdrückliche Verknüpfung besteht, kann nicht geleugnet werden, dass der erste Verfahrensschritt sehr zweckdienlich im Hinblick auf den zweiten ist.

56.

Daher hätte den Rechtsmittelführerinnen Gelegenheit gegeben werden müssen, ihre Argumente gegen die von der Kommission in Aussicht genommene Entscheidung in Anwesenheit von Vertretern der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten mündlich vorzutragen. Die Möglichkeit, dass das Ergebnis des Verfahrens wenigstens in gewissem Umfang anders ausgefallen wäre, kann nicht ausgeschlossen werden, da die betreffenden Behörden über den Beratenden Ausschuss, der vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung zusammentrat, Einfluss auf die Kommission hätten ausüben können. Wie sich aus Art. 14 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt, „[berücksichtigt d]ie Kommission … so weit wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses. Sie unterrichtet den Ausschuss darüber, inwieweit sie seine Stellungnahme berücksichtigt hat.“ Die Aufgabe des Beratenden Ausschusses ist – so möchte ich hinzufügen – ausweislich des 19. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1/2003 innerhalb des mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 eingeführten dezentralen Systems der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts von besonderer Wichtigkeit.

57.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass das Gericht selbst festgestellt hat, dass die Anhörung, an der die Vertreter der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten teilnahmen, bevor die Entscheidung von 2002 erging, nicht den materiellen Gehalt des Falles, sondern nur die in zeitlicher Hinsicht korrekte Anwendung des EGKS- und des EG-Vertrags auf die behaupteten Verstöße betraf ( 20 ). Dementsprechend können die vor dem Erlass der Entscheidung von 2002 durchgeführten Anhörungen – entgegen der Auffassung des Gerichts – nicht als den Anforderungen des Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004 genügend angesehen werden.

58.

Eine Erörterung des Falles, an der die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, darunter insbesondere die italienische, – sowohl während der Anhörung als auch im Beratenden Ausschuss – stärker beteiligt gewesen wären, wäre hier meines Erachtens umso mehr angezeigt gewesen, als die behaupteten Verstöße einen Bezug zu nur einem Mitgliedstaat, nämlich Italien, aufweisen. Zudem bin ich der Auffassung, dass eine solche formale Anforderung nicht bedeutet hätte, der Kommission besondere Kosten oder einen besonderen Zeitaufwand aufzuerlegen.

59.

Der Umstand, dass die Kommission die betreffenden Behörden – um den vom Gericht in den angefochtenen Urteilen verwendeten Ausdruck zu benutzen – über den Gang des Verfahrens durch andere Mittel „umfassend unterrichtet“ gehalten hat, ist offensichtlich irrelevant ( 21 ). Die Kommission kann und darf kein Verfahren sui generis, an dem die Wettbewerbsbehörden informell beteiligt sind, durchführen, anstatt das vom Unionsgesetzgeber in den Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 niedergelegte Verfahren einzuhalten.

60.

Aufgrund des Vorstehenden vertrete ich den Standpunkt, dass das von der Kommission im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung befolgte Verfahren nicht den Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1/2003 und 773/2004 genügte. Insbesondere bin ich der Auffassung, dass gegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 verstoßen wurde und somit die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen verletzt wurden.

61.

Nach alledem gelange ich zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu diesem Punkt in den angefochtenen Urteilen zu Unrecht zurückgewiesen wurde, so dass diese Urteile aufzuheben sind und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären ist.

B – Sonstige Rechtsmittelgründe

62.

Sollte der Gerichtshof meiner Würdigung der vorstehend untersuchten Rechtsmittelgründe nicht zustimmen, bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof die Rechtsmittel vollumfänglich mit einer (begrenzten) Ausnahme, die das Rechtsmittel von Ferriere Nord betrifft, zurückweisen sollte. Im Folgenden befasse ich mich nur mit drei der in den Rechtsmitteln angesprochenen Problempunkte ausführlicher. Die meisten Rechtsmittelgründe werden stattdessen nur knapp behandelt, da sie wie oben erwähnt offensichtlich unzulässig oder unbegründet sind.

1. Überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht

63.

Mit Ausnahme von Ferriere Nord rügen alle anderen Rechtsmittelführerinnen die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens ( 22 ). Sie heben hervor, dass die Gesamtdauer des Verfahrens fast fünf Jahre betragen habe, und weisen darauf hin, dass zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens und dem Beginn des mündlichen Verfahrens drei Jahre und zwei Monate verstrichen seien. Das Gericht habe über ihre Fälle nicht innerhalb angemessener Frist entschieden, worin ein Verstoß gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta und gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK liege. Daher beantragen Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai die Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße gemäß dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Baustahlgewebe ( 23 ). Hilfsweise beantragen diese Unternehmen, festzustellen, dass die Verfahren vor dem Gericht wegen ihrer Dauer gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta und Art. 6 Abs. 1 EMRK verstießen. Riva Fire stellt denselben Antrag.

64.

Ich bin der Auffassung, dass diesen Anträgen nicht stattgegeben werden sollte. Was erstens den Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen angeht, ist Folgendes zu sagen.

65.

Wie die Rechtsmittelführerinnen selbst bestätigen, hat der Gerichtshof in einer Reihe von Urteilen klargestellt, welche Rechtsmittel privaten Parteien zur Verfügung stehen, die der Auffassung sind, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (also der Gerichtshof als Unionsorgan) oder genauer gesagt eines seiner Gerichte ihr Recht, innerhalb angemessener Frist angehört zu werden, verletzt hat. Zum Vorwurf einer Verletzung dieses Rechts durch das Gericht hat der Gerichtshof in den Urteilen Der Grüne Punkt und Gascogne Sack entschieden, dass dann, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die überlange Verfahrensdauer Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits gehabt hat, die Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist nicht zu einer Aufhebung des betreffenden Urteils führen kann. Zudem kann ein Rechtsmittelführer nicht aus dem bloßen Grund der Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist eine Geldbuße dem Grund oder der Höhe nach in Frage stellen, obwohl sämtliche Rechtsmittelgründe, die er gegen die Feststellungen des Gerichts zur Höhe dieser Geldbuße und zu dem mit ihr geahndeten Verhalten vorgebracht hat, als unbegründet zurückgewiesen worden sind ( 24 ).

66.

Der Gerichtshof hat außerdem erläutert, dass sein Urteil Baustahlgewebe aus praktischen Gründen und solchen der Prozessökonomie gerechtfertigt war, dass jedoch im Grundsatz ein Schadensersatzanspruch wegen Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist durch das Gericht nicht unmittelbar gegenüber dem Gerichtshof im Kontext eines Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht werden kann. Ein solcher Anspruch muss gemäß den Art. 268 und 340 AEUV vor dem Gericht erhoben werden ( 25 ).

67.

Die Rechtsprechung im Urteil Baustahlgewebe scheint mir nun vom Gerichtshof im Wesentlichen aufgegeben worden zu sein. Wie dem auch sei, ich sehe in den vorliegenden Fällen keinen Grund, warum eine Rückkehr zu dieser früheren Rechtsprechung gerechtfertigt sein sollte – ginge man einmal davon aus, dass sie in Ausnahmefällen noch heranzuziehen ist.

68.

Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, es sei in den vorliegenden Fällen angemessen, der Rechtsprechung im Urteil Baustahlgewebe zu folgen, weil die langwierigen Verfahren vor dem Gericht den letzten Schritt innerhalb des Gesamtverfahrens bildeten, das zwei Verwaltungsverfahren vor der Kommission ( 26 ) und weitere Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Union umfasse.

69.

Die Lage, in der sich die Rechtsmittelführerinnen befanden, mag misslich gewesen sein, sie hat jedoch keinesfalls Ausnahmecharakter. Die Möglichkeit, dass die Fälle von Unternehmen, die sich in einer Situation wie der der Rechtsmittelführerinnen befinden, gegebenenfalls mehr als einmal von den Verwaltungsbehörden und gegebenenfalls von den Justizorganen der Union geprüft werden, ist die natürliche Folge der Art und Weise, wie die Urheber der Unionsverträge und der Unionsgesetzgeber das System hoheitlichen Handelns in diesem Bereich konzipiert haben. Tatsächlich soll die Notwendigkeit, dass eine Reihe von (gegebenenfalls zeitaufwendigen) Verfahrensschritten durchlaufen werden muss, bevor die zuständige Behörde eine abschließende Entscheidung erlässt, nicht nur ein korrektes Ergebnis, sondern die Fairness des Verfahrens selbst sicherstellen.

70.

Allenfalls ist die Gesamtdauer der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ein Aspekt, den der Gerichtshof im Zusammenhang mit gemäß Art. 268 AEUV eingeleiteten Verfahren berücksichtigen kann, um festzustellen, ob den Rechtsmittelführerinnen ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV zusteht, und, falls dem so ist, die Höhe eines solchen Schadens zu bestimmen.

71.

Ich gelange daher zu dem Ergebnis, dass der Gerichtshof den Antrag von Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai auf Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbußen unabhängig von der tatsächlichen Richtigkeit ihres Vorbringens zurückweisen sollte. Was schließlich den Antrag der Rechtsmittelführerinnen auf bloße Feststellung eines Rechtsverstoßes angeht, schlage ich ebenfalls dessen Zurückweisung vor.

72.

Zugegebenermaßen hat der Gerichtshof in einer Reihe von Fällen festgestellt, dass er, wenn in der von ihm geprüften Sache für ihn eindeutig ersichtlich ist, dass das Gericht in nicht nur unerheblicher Art und Weise gegen seine Pflicht zur Einhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist verstoßen hat, und wenn es insoweit keiner weiteren Beweise durch die Parteien bedarf, dies in seinem Urteil erwähnen kann ( 27 ).

73.

Der vom Gerichtshof in diesen Fällen verfolgte Ansatz überzeugt mich nicht. Der Gerichtshof hat dort in der Sache entschieden, ohne die für den behaupteten Verstoß verantwortliche Partei anzuhören: Tatsächlich war Gegenpartei im Rechtsmittelverfahren die Kommission und nicht der Gerichtshof der Europäischen Union. Wie das Gericht jedoch kürzlich bestätigt hat, müsste in einem möglichen Rechtsstreit wegen Verletzung des Rechts auf eine vom Gerichtshof der Europäischen Union oder genauer gesagt von einem seiner Gerichte innerhalb angemessener Frist durchzuführende mündlichen Verhandlung das betreffende Organ die beklagte Partei sein ( 28 ). Dem stimme ich zu. Bereits 1973 hat der Gerichtshof befunden, dass „die Gemeinschaft, wenn durch das Verhalten eines ihrer Organe ihre Haftung ausgelöst wird, vor dem Gerichtshof durch das oder die Organe vertreten wird, denen das die Haftung auslösende Verhalten zur Last fällt“ ( 29 ). Schließlich ist das für den behaupteten Verstoß verantwortliche Organ nicht nur befugt, sondern auch tatsächlich in der Lage, die seiner Verteidigung dienenden rechtlichem und tatsächlichen Argumente vorzutragen.

74.

Daher ergibt die von den Rechtsmittelführerinnen angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs – an der festzuhalten ich dem Gerichtshof nicht empfehle – nur dann einen Sinn, wenn ihre Heranziehung auf echte Ausnahmefälle beschränkt wird, in denen die Länge des Verfahrens so offenkundig und unzweifelhaft unangemessen ist, dass sie objektiv betrachtet unter keinen Umständen gerechtfertigt werden kann. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen sollte über eine geltend gemachte Verletzung des Rechts auf eine innerhalb angemessener Frist durchzuführende Anhörung notwendig nur in einem Inter-partes-Verfahren entschieden werden, in dessen Rahmen dem Beklagten Gelegenheit gegeben wurde, seine Gegenargumente vorzutragen und hierfür bei Bedarf Beweis anzutreten. Wie der Gerichtshof stets erklärt hat, ist „[d]ie Angemessenheit einer Verfahrensdauer … jedoch nach den Umständen jeder einzelnen Rechtssache, insbesondere nach den Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, nach der Komplexität der Rechtssache sowie nach dem Verhalten des Klägers und dem der zuständigen Behörden, zu beurteilen“ ( 30 ). Meines Erachtens ist diese Beurteilung aller Umstände in den meisten Fällen keineswegs eine einfache und leichte Übung.

75.

Dies vorausgeschickt muss ich hier betonen, dass ein Zeitraum von fast fünf Jahren für die Entscheidung über eine Gruppe von Fällen wie die vorliegenden zwar erheblich, aber nicht notwendig unangemessen ist. Dies gilt umso mehr, als die problematische und langwierige Geschichte der Verfahren betreffend das Bewehrungsrundstahlkartell vor der Kommission und den Gerichten der Europäischen Union auf eine ziemlich komplexe Rechtslage hinzudeuten scheint.

76.

Darüber hinaus weist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen das Verstreichen eines Zeitraums von drei Jahren und zwei Monaten zwischen dem Ende des schriftlichen und dem Beginn des mündlichen Verfahrens nicht darauf hin, dass das Gericht während dieses Zeitraums untätig gewesen ist. Bekanntlich wird in diesem Zeitraum eine Reihe von Verfahrensschritten vorgenommen, auch wenn diese für die Parteien nicht sichtbar sein mögen. Ich persönlich bin ziemlich skeptisch, ob in der Länge des Zeitraums zwischen dem Ende des schriftlichen und dem Beginn des mündlichen Verfahrens überhaupt ein Zeichen für Untätigkeit seitens des Gerichts gesehen werden kann ( 31 ). Allgemeiner gesprochen erscheint mir die Aufspaltung des Verfahrens insgesamt in verschiedene Phasen, um so die Angemessenheit der Dauer einer oder mehrerer dieser Phasen in „klinischer Sonderung“ von den anderen Phasen zu beurteilen, künstlich: Ich halte die Gesamtdauer der Verfahren für einen angemesseneren Anknüpfungspunkt.

77.

Daher meine ich, dass der Gerichtshof sich in den vorliegenden Rechtssachen nicht in der oben in Nr. 73 bezeichneten Lage befindet. Hier erscheint es nämlich erforderlich, dass die Parteien im Verlauf eines Inter-partes-Verfahrens zusätzliche Argumente und Nachweise beibringen, damit der Gerichtshof darüber entscheiden kann, ob die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht unverhältnismäßig war ( 32 ).

78.

Im Ergebnis ist dieser Rechtsmittelgrund daher zurückzuweisen. Sollten die Rechtsmittelführerinnen der Auffassung sein, dass das Gericht mit der Behandlung ihrer Sache gegen Art. 47 Abs. 2 der Charta verstoßen hat, können sie gemäß den Art. 268 und 340 Abs. 2 AEUV eine Klage wegen außervertraglicher Haftung der Union erheben.

2. Wiederholungsfall

79.

Als siebten Rechtsmittelgrund macht Ferriere Nord geltend, dass das Gericht ihr Vorbringen, die Erhöhung der auferlegten Geldbuße wegen Annahme eines Wiederholungsfalls sei unberechtigt gewesen, weil die Kommission diesen erschwerenden Umstand in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 26. März 2002 nicht ausdrücklich erwähnt habe, rechtsirrig zurückgewiesen habe. Die Kommission habe lediglich mitgeteilt, dass sie bei der Festsetzung der Geldbußen sämtliche mildernden und erschwerenden Umstände berücksichtigen werde, und zwar unter Betrachtung des Verhaltens jedes einzelnen Unternehmens. Eine solch vage Aussage genüge ersichtlich nicht, um einem Unternehmen die Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte zu ermöglichen.

80.

Mit ihrem achten Rechtsmittelgrund beanstandet Ferriere Nord ferner die Feststellung des Gerichts, dass der für die Prüfung der Berücksichtigung dieses erschwerenden Umstands heranzuziehende Zeitraum derjenige zwischen der Feststellung des ersten Verstoßes durch die Kommission und dem Beginn des neuen rechtswidrigen Verhaltens von Ferriere Nord sei. Stattdessen müsse dieser Zeitraum an dem Tag beginnen, an dem der erste Verstoß geendet habe. In ihrem Fall würde dies bedeuten, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Verstoß etwa 13 Jahre verstrichen wären. Angesichts dieses langen Zeitraums sei es nicht ausgeschlossen, dass das Management von der ersten Entscheidung der Kommission keine Kenntnis gehabt habe, so dass der erschwerende Umstand einer wiederholten Rechtsverletzung nach dem Grundsatz in dubio pro reo nicht hätte herangezogen werden dürfen.

81.

Schließlich macht Ferriere Nord als neunten Rechtsmittelgrund geltend, dass – sollte der Gerichtshof ihrem vierten Rechtsmittelgrund ( 33 ) folgen – der Verstoß als weniger gravierend als in der angefochtenen Entscheidung behauptet angesehen werden müsse. Wenn dem so sei, habe das Gericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fehlerhaft ausgelegt und angewandt: Eine Erhöhung der Geldbuße um 50 % wegen eines weniger schwerwiegenden Verhaltens erscheine unverhältnismäßig.

82.

Ich werde mit der Prüfung des achten Rechtsmittelgrundes beginnen.

83.

Zunächst möchte ich daran erinnern, dass die Wiederholung von Zuwiderhandlungen (allgemein als „Rückfall“ bekannt) nach ständiger Rechtsprechung zu den Faktoren gehört, die bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln der Union zu berücksichtigen sind, um den Betrag der Geldbuße zu bestimmen, die dem Zuwiderhandelnden aufzuerlegen ist ( 34 ). Der Grund hierfür ist, wie vom Gericht erläutert, dass ein „Wiederholungsfall … beweist, dass die zuvor verhängte Sanktion nicht abschreckend genug war“ ( 35 ). Etwaige Wiederholungsfälle sind demgemäß im Allgemeinen als rechtfertigender Grund für höhere Geldbußen anzusehen ( 36 ), und zwar um den Zuwiderhandelnden zu veranlassen, sein zukünftiges Verhalten zu ändern ( 37 ).

84.

Der Gerichtshof hat jedoch ebenfalls klargestellt, dass im Interesse der Wahrung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit eine Erhöhung der einem Unternehmen wegen eines Wiederholungsfalls auferlegten Geldbuße nicht automatisch erfolgen kann. In diesem Zusammenhang hat die Kommission alle Umstände jedes Einzelfalls zu berücksichtigen, darunter auch die Zeit, die zwischen der untersuchten und einer früheren Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln verstrichen ist ( 38 ).

85.

Vor diesem Hintergrund erscheint der von Ferriere Nord geltend gemachte achte Rechtsmittelgrund unbegründet. Erstens bin ich der Ansicht, dass die vom Gericht für die Berechnung des betreffenden Zeitraums gewählte Methode – die auf die Zeit zwischen der Feststellung des ersten Verstoßes durch die Kommission und dem Zeitpunkt des Beginns des neuerlichen rechtswidrigen Verhaltens desselben Unternehmens abstellt – aus den in den Rn. 342 und 343 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründen korrekt ist: Ein Wiederholungsfall setzt notwendig die Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung durch die Kommission voraus, und er tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem das gegen Art. 101 oder Art. 102 AEUV verstoßende Verhalten beginnt. Daher hat das Gericht zu Recht befunden, dass der im vorliegenden Fall fragliche Zeitraum weniger als vier Jahre betrug.

86.

Zweitens ist der Umstand, dass ein oder mehrere Mitglieder der jeweils aktuell amtierenden Geschäftsführung des Unternehmens keine Kenntnis von der Existenz der besagten Entscheidung oder den sich aus ihr ergebenden Folgen hatten, ohne Bedeutung ( 39 ). Zunächst einmal ist die Behauptung, die Geschäftsleitung des Unternehmens Ferriere Nord habe womöglich keine Kenntnis von der früheren Entscheidung der Kommission gehabt, kaum glaubhaft. Einerseits bezog sich die Kommission anlässlich der Anhörung auf ein in der angefochtenen Entscheidung erwähntes Schriftstück, aus dem hervorging, dass die Geschäftsführung von Ferriere Nord im Jahr 1997 Kenntnis sowohl von der früheren Entscheidung der Kommission als auch von der neuerlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung hatte. Ferriere Nord hat dies nicht bestritten. Andererseits wurde die Entscheidung 89/515/EWG ( 40 ) von Ferriere Nord vor den Gerichten der Europäischen Union in Verfahren angefochten, die im Juli 1997 endeten ( 41 ). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Eventualverbindlichkeiten in Jahresabschlüssen von Unternehmen, zu denen auch Verluste und Geldbußen aus Rechtsstreitigkeiten gehören, angegeben werden müssen ( 42 ). Daher bin ich der Auffassung, dass einem ordentlichen und umsichtigen Kaufmann die Existenz der früheren Entscheidung nicht unbekannt sein konnte und durfte.

87.

Noch wichtiger ist allerdings, dass grundsätzlich stets davon ausgegangen wird, dass die Geschäftsführung weiß, wie sich das Unternehmen auf dem Markt verhält oder in der jüngeren Vergangenheit verhalten hat. Es gibt keine Grundlage für das Vorbringen, dass ein Unternehmen allein deshalb von einer Haftung verschont bleiben sollte, weil seine Geschäftsführung gegebenenfalls keine Kenntnis von einem bestimmten Verhalten hatte. Ein Unternehmen muss unabhängig davon, ob bestimmte natürliche Personen innerhalb der Geschäftsführung (oder der Organe der Gesellschaft) Kenntnis von einem konkreten Verhalten des Unternehmens haben, für sein gegenwärtiges und in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten rechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die vorliegenden Fälle u. a. eine Sanktion betreffen, die Ferriere Nord und nicht etwa natürlichen Personen, die im Unternehmen bestimmte Posten innehatten, auferlegt worden ist.

88.

In Bezug auf den siebten Rechtsmittelgrund möchte ich sodann darauf hinweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Versalis speziell zu dem erschwerenden Umstand eines Wiederholungsfalls klargestellt hat, dass dann, wenn die Kommission einer juristischen Person, die für einen Wettbewerbsverstoß verantwortlich ist, diesen erschwerenden Umstand zurechnen möchte, „die Mitteilung der Beschwerdepunkte alle Angaben enthalten [muss], die es dieser … Person ermöglichen, sich zu verteidigen“. Der Gerichtshof führte außerdem aus, dass die Kommission bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkt die Angaben bereitstellen muss, die beweisen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines erschwerenden Umstands erfüllt sind ( 43 ).

89.

Der Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Kommission nicht unbedingt verpflichtet ist, in jedem Einzelfall in der Mitteilung der Beschwerdepunkte sämtliche erschwerenden Umstände ausdrücklich zu erwähnen, die sie einem geprüften Unternehmen gegebenenfalls anlastet. Andererseits räumt die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen selbst ein, dass es Situationen geben kann, in denen es sehr wohl erforderlich sein kann, einen erschwerenden Umstand ausdrücklich zu erwähnen, den die Kommission einem bestimmten Unternehmen anlasten möchte. Dem stimme ich zu: Die Absichten der Kommission lassen sich auf der Grundlage der Angaben in der Mitteilung der Beschwerdepunkte möglicherweise nicht leicht erkennen. Auch ist es tatsächlich nicht Aufgabe eines Unternehmens, die Absichten der Kommission zu erraten und alle erdenklichen der Verteidigung dienenden Argumente gegen alle möglichen erschwerenden Faktoren vorzutragen, die die Kommission gegebenenfalls zu berücksichtigen beabsichtigt. Ob die in einer bestimmten Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Angaben ausreichen, um es einem Unternehmen zu ermöglichen, seine Verteidigungsrechte umfassend auszuüben, obwohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine ausdrücklichen Angaben gemacht wurden, hängt daher von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

90.

Im vorliegenden Fall sind, wie Ferriere Nord geltend macht, die in der ersten Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Angaben – wonach die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen bezogen auf das Verhalten eines jeden Unternehmens sämtliche mildernden und erschwerenden Umstände berücksichtigen werde – ziemlich vage. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie zwingend unzureichend sind. Ein solcher Hinweis ist dann als ausreichend anzusehen, wenn das Unternehmen sich vor dem Hintergrund der konkreten Situation, in der es sich befand, und angesichts der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Angaben erschließen konnte, welcher erschwerende Umstand aus welchen Gründen wahrscheinlich berücksichtigt werden würde.

91.

Es trifft zu, dass es sich bei der Gesellschaft, die wiederholt eine Zuwiderhandlung beging, im vorliegenden Fall und anders als in der Rechtssache Versalis um ein und dieselbe Gesellschaft handelte: Im Jahr 1989 war tatsächlich in einer Entscheidung festgestellt worden, dass Ferriere Nord sich einer Zuwiderhandlung gegen den (jetzigen) Art. 101 AEUV schuldig gemacht hatte, wobei diese Entscheidung – wie Ferriere Nord einräumt – in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, wenn auch nur nebenbei, erwähnt wurde. Wie oben in Nr. 86 erläutert, trifft es außerdem zu, dass der zwischen dem Erlass der früheren Kommissionsentscheidung und dem Beginn der neuerlichen Zuwiderhandlung verstrichene Zeitraum relativ kurz ist. Gleichwohl hätte die Kommission zumindest die Gründe angeben müssen, aus denen sie der Ansicht war, dass die frühere und die neue Zuwiderhandlung eine „gleichartige Zuwiderhandlung“ im Sinne der Leitlinien von 1998 ( 44 ) darstellten. Auch wenn dies heute vergleichsweise offensichtlich erscheint, gab es im Jahr 2002 doch kaum Rechtsprechung, die sich mit Wiederholungsfällen befasste. Der Umstand, dass in der Mitteilung der Beschwerdepunkte kein Hinweis hierzu enthalten war, erschwerte Ferriere Nord die Ausübung ihrer Verteidigungsrechte nicht unerheblich.

92.

Demzufolge vertrete ich den Standpunkt, dass der Gerichtshof dann, wenn er meiner Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes von Ferriere Nord nicht beipflichten sollte, er doch ihrem siebten Rechtsmittelgrund folgen sollte. Daher sollte das Urteil in der Rechtssache T‑90/10 insoweit aufgehoben werden, als es die Berücksichtigung des erschwerenden Umstands eines Wiederholungsfalls betrifft. Der Gerichtshof sollte die angefochtene Entscheidung meines Erachtens außerdem in diesem Punkt für nichtig erklären und die gegen Ferriere Nord verhängte Geldbuße neu festsetzen, ohne den erschwerenden Umstand des Wiederholungsfalls zu berücksichtigen.

93.

Unter diesen Umständen bedarf es keiner Prüfung des neunten Rechtsmittelgrundes von Ferriere Nord. Jedenfalls halte ich diesen Rechtsmittelgrund für unbegründet, da der vierte Rechtsmittelgrund, wie ich in Nr. 117 dieser Schlussanträge erläutern werde, ebenfalls zurückzuweisen ist.

3. Offene Distanzierung

94.

Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai ( 45 ) machen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler bei der Anwendung des Begriffs „offene Distanzierung“ begangen und so zu Unrecht ihre Beteiligung an bestimmten Teilen der Zuwiderhandlung bejaht, obwohl sie Preise veröffentlicht hätten, die von den mit ihren Wettbewerbern vereinbarten abwichen. In diesem Zusammenhang verweisen sie darauf, dass Art. 60 KS es Unternehmen verboten habe, Kunden ungleich zu behandeln und von den veröffentlichten Preisen abzuweichen.

95.

Obwohl mich dieses Vorbringen nicht überzeugt, verdient es doch eine genauere Prüfung.

96.

In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Total Marketing Services hatte ich die Gelegenheit, darzulegen, dass das Fehlen einer offenen Distanzierung ein Umstand ist, der – gestützt auf von der Kommission gesammelte konkrete Indizien – vermuten lassen kann, dass ein Unternehmen, das an wettbewerbswidrigen Sitzungen teilgenommen hat, sich an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV beteiligt hat. Nimmt ein Unternehmen mit seinen Wettbewerbern an Sitzungen teil, aus denen eine wettbewerbswidrige Vereinbarung hervorgeht, so ermöglicht mit anderen Worten die beweisrechtliche Vermutungsregel, daraus – vorbehaltlich des ausdrücklichen Beweises des Gegenteils – abzuleiten, dass dieses Unternehmen an dem Verstoß beteiligt war. Andererseits gleicht die Tatsache, dass ein Unternehmen sich nicht offen distanziert, nicht das Fehlen eines Beweises für eine, und sei es auch nur passive, Beteiligung an einer wettbewerbswidrigen Sitzung aus ( 46 ).

97.

Eine andere Beurteilung würde einen Verstoß gegen die in Art. 48 Abs. 1 der Charta anerkannte Unschuldsvermutung darstellen und wäre mit Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ( 47 ) unvereinbar. Gleichermaßen kann bei der Prüfung der Beweise, die von einem Unternehmen für eine behauptete offene Distanzierung vorgelegt worden sind, der Begriff der offenen Distanzierung nicht so eng gefasst und so rigide gehandhabt werden, dass es dem betreffenden Unternehmen praktisch unmöglich ist, die Vermutung zu widerlegen.

98.

Die Stoßrichtung der Kritik in den vorliegenden Fällen geht jedoch nicht dahin, dass das Gericht den Begriff der offenen Distanzierung falsch ausgelegt oder angewandt hat. Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai haben im fraglichen Zeitraum an einer oder mehreren wettbewerbswidrigen Sitzungen teilgenommen ( 48 ), und es gab andere Indizien, die auf ihre Teilnahme an einem kollusiven Zusammenwirken hindeuteten ( 49 ). Auch machen Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai nicht geltend, dass das Gericht ihnen eine inakzeptable Beweislast auferlegt habe. Sie rügen im Wesentlichen die Auffassung des Gerichts, dass ein bestimmtes Verhalten (die Veröffentlichung von Preisen, die von den mit ihren Wettbewerbern vereinbarten abwichen) nicht den Anforderungen einer „offenen Distanzierung“ genügt haben soll.

99.

Dies ist jedoch kein auf ein Rechtsmittel hin nachprüfbarer Rechtsfehler. Wie der Gerichtshof im Urteil Toshiba ( 50 ) ausgeführt hat, gibt der Begriff der offenen Distanzierung einen Sachverhalt wieder, dessen tatsächliches Vorliegen vom Gericht im Einzelfall auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller relevanten Beweise und Indizien festgestellt wird. Sofern diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren beachtet worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen ( 51 ).

100.

Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Bezug auf den von Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai bestrittenen Zeitraum die Auffassung vertreten, dass die Kommission die Beteiligung dieser Unternehmen an der Zuwiderhandlung anhand einer Reihe von Indizien (darunter der Teilnahme an einer oder mehreren wettbewerbswidrigen Sitzungen) ausreichend nachgewiesen hat. Der Umstand, dass Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai der Öffentlichkeit andere Preise als diejenigen bekannt gaben, die sie mit den anderen Kartellbeteiligten vereinbart hatten, wurde als solcher vom Gericht nicht als ein Akt der „offenen Distanzierung“ angesehen, der die aus diesen anderen Indizien gezogene Schlussfolgerung widerlegen konnte.

101.

Zu definieren, worin a priori ein ausreichender Akt der „offenen Distanzierung“ besteht, ist gewiss nicht einfach. Ob ein bestimmtes Verhalten den insoweit bestehenden Anforderungen genügt, muss meines Erachtens anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. In den vorliegenden Fällen kann ich in den angefochtenen Urteilen keinen Fehler ausmachen: Ich erkenne keine Verfälschung der klaren Bedeutung der Beweise, keinen Verstoß gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz oder eine Verfahrensregel und keinen Widerspruch in der Begründung des Gerichts. Seine Feststellungen erscheinen mir zudem mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Einklang zu stehen, wonach die Art, wie die anderen Kartellbeteiligten die Absichten des betreffenden Unternehmens verstehen, für die Beurteilung, ob ein Unternehmen sich tatsächlich distanziert hat, ein entscheidendes Moment darstellt ( 52 ). Wenn es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass die Veröffentlichung der betreffenden Preise von den anderen Kartellteilnehmern als ein unzweideutiges Zeichen dafür verstanden wurde, dass Feralpi, Valsabbia und Alfa Acciai sich nicht an die Vereinbarung zu halten beabsichtigten, stützt dieser Umstand sehr die Schlussfolgerung, dass keine offene Distanzierung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorlag.

4. Übrige Rechtsmittelgründe

102.

Die meisten der übrigen Rechtsmittelgründe verdienen meines Erachtens nur eine kurze Erörterung.

a) Rechtssache C‑85/15 P

103.

Als ersten Rechtsmittelgrund macht Feralpi geltend, dass das Gericht die Rüge eines Verstoßes der Kommission gegen das Kollegialitätsprinzip rechtsirrig zurückgewiesen habe. Dieser Verstoß beruhe darauf, dass die Entscheidung vom 30. September 2009, wie sie vom Kollegium der Kommissare erlassen worden sei, wegen des Fehlens bestimmter Tabellen in den beigefügten Anlagen unvollständig gewesen sei. Dieser Rechtsmittelgrund ist meines Erachtens teils unzulässig (soweit er die Würdigung des in den Rn. 62 bis 81 des Urteils in der Rechtssache T‑70/10 dargestellten Sachverhalts in Frage stellt) und teils unbegründet (da das Kollegium der Kommissare auch den Änderungsbeschluss vom 8. Dezember 2009 angenommen hat).

104.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt Feralpi, dass das Gericht die überlange Dauer des Verfahrens vor der Kommission nicht beanstandet habe. In den Rn. 152 bis 161 des angefochtenen Urteils finde ich jedoch weder rechtsirrige noch unzureichend begründete Ausführungen. Zudem ist dieser Rechtsmittelgrund insoweit unzulässig, als Feralpi die Würdigung des in den Rn. 157 bis 160 des angefochtenen Urteils dargestellten Sachverhalts moniert.

105.

In ihrem vierten Rechtsmittelgrund bündelt Feralpi verschiedene gegen das angefochtene Urteil gerichtete Rügen, die die Beurteilung der Beteiligung von Feralpi an der Zuwiderhandlung im Zeitraum der Jahre 1989 bis 1995 betreffen. Ihres Erachtens hat das Gericht Art. 65 Abs. 1 KS, die Grundsätze der Beweislast und die Unschuldsvermutung fehlinterpretiert. Darüber hinaus leide das angefochtene Urteil an einem Begründungsmangel, und bestimmte Tatsachen seien im Urteil verzerrt dargestellt.

106.

Eines dieser Argumente ist bereits in den vorstehenden Nrn. 95 bis 102 behandelt worden. Hinsichtlich der sonstigen Argumente bin ich der Ansicht, dass Feralpi, wie die Kommission vorträgt, ungeachtet dessen, dass sie Rechtsfehler geltend macht, hauptsächlich die Beurteilung von Tatsachen durch das Gericht in Frage stellt, die die Verwicklung von Feralpi in Vorgänge in dem oben erwähnten Zeitraum betrifft. Da die Rechtsmittelführerin nicht in der Lage ist, eine eindeutige Verfälschung von Tatsachen oder Beweismitteln durch die Richter des ersten Rechtszugs darzutun, ist dieser Rechtsmittelgrund weitgehend unzulässig. Was die Beweise angeht, auf die sich das Gericht zur Bestätigung der Analyse der Kommission stützt, lässt Feralpi mehrere Abschnitte des angefochtenen Urteils außer Acht, in denen das Gericht sehr wohl andere Beweise als die Teilnahme von Feralpi an der Sitzung vom 6. Dezember 1989 erwähnt: In den Rn. 240 bis 246 sowie 250 bis 252 bezieht sich das Gericht auf andere Indizien und erläutert, warum die von der Rechtsmittelführerin angebotene abweichende Erklärung nicht überzeugend ist.

107.

Der fünfte Rechtsmittelgrund betrifft die Methode der Festsetzung der Geldbußen durch die Kommission, nach der die verantwortlichen Unternehmen auf der Grundlage ihrer jeweiligen Marktanteile während des betreffenden Zeitraums in drei Gruppen eingeteilt wurden. In diesem Rechtsmittelgrund bündelt Feralpi erneut verschiedene vermeintliche Rechtsfehler. Allerdings stellt sie ihre Argumente nur knapp dar, und die Kritik richtet sich offenbar hauptsächlich an die Kommission und nicht gegen das Gericht. Ich halte diesen Rechtsmittelgrund daher für unzulässig.

108.

Jedenfalls entbehrt der Vortrag, dass das Gericht einen Verstoß der Kommission gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hätte ahnden müssen, der Logik. Es trifft zu, dass das Gericht die Berechnung der Marktanteile einer dieser drei Gruppen für fehlerhaft befunden hat. Dieser Fehler bedeutet jedoch nicht, dass die Geldbuße der zu den anderen beiden Gruppen gehörenden Unternehmen (darunter Feralpi) hätte angepasst werden müssen. Er impliziert vielmehr, dass nur die gegen die Unternehmen der erstgenannten Gruppe verhängten Geldbußen abzuändern waren. Da das Verfahren zur Berechnung der gegen die Unternehmen der anderen beiden Gruppen verhängten Geldbußen korrekt ist, ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht einen Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen zurückgewiesen hat.

b) Verbundene Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P

109.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund machen Valsabbia und Alfa Acciai geltend, das Gericht habe rechtsirrig ihr Vorbringen zurückgewiesen, dass die Kommission gegen das Kollegialitätsprinzip verstoßen habe. Dieser Rechtsmittelgrund ist aus den oben in Nr. 104 dargelegten Gründen teils unzulässig und teils unbegründet.

110.

Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund machen Valsabbia und Alfa Acciai geltend, das Gericht habe rechtsirrig ihr Vorbringen eines Verstoßes gegen Art. 47 der Charta zurückgewiesen und es zu Unrecht abgelehnt, den Betrag der Geldbuße herabzusetzen. Ihrer Ansicht nach hätte die Dauer des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission als überlang eingestuft werden müssen. Aus den Gründen, die oben in Nr. 105 dargelegt worden sind, erachte ich diesen Rechtsmittelgrund als teils unzulässig und teils unbegründet.

111.

Der siebte Rechtsmittelgrund von Valsabbia und Alfa Acciai entspricht im Wesentlichen dem fünften Rechtsmittelgrund von Feralpi: Er betrifft die Weigerung des Gerichts, den Betrag der Geldbußen wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz herabzusetzen, weil die Geldbußen in Bezug auf andere Unternehmen fehlerhaft berechnet worden seien. Ich habe bereits oben in Nr. 109 erläutert, dass es für dieses Begehren keine rechtliche Grundlage gibt.

c) Rechtssache C‑88/15

112.

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Ferriere Nord geltend, dass die angefochtene Entscheidung sich wesentlich von der Entscheidung von 2002 unterscheide, weil Erstere einen Verstoß gegen die für den Binnenmarkt und Letztere einen solchen gegen die für den italienischen Markt geltenden Wettbewerbsregeln betreffe. Aus diesem Grund sei die Auffassung des Gerichts rechtsirrig, dass vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung keine neue Mitteilung der Beschwerdepunkte erforderlich gewesen sei.

113.

Dieses Argument scheint auf einer Fehlinterpretation der einschlägigen Bestimmungen des EGKS- und des AEU-Vertrags oder zumindest auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Urteils zu beruhen. Hätte die Kommission die materiell-rechtliche Grundlage ihrer Entscheidung von Art. 65 Abs. 1 KS in Art. 101 Abs. 1 AEUV abgeändert, hätte das Argument eine genauere Prüfung verdient. Anders als Art. 65 Abs. 1 KS gilt Art. 101 Abs. 1 AEUV nur für Vereinbarungen, „welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind“. Beide Entscheidungen betreffen jedoch einen Verstoß gegen Art. 65 Abs. 1 KS, der Vereinbarungen verbietet, die den Wettbewerb „auf dem gemeinsamen Markt“ verfälschen. Daher ist es ohne Belang, ob der Text der Entscheidung (oder der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sich auf eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem italienischen Markt (so im Fall der Entscheidung von 2002) oder auf dem Gemeinsamen Markt (so im Fall der angefochtenen Entscheidung) bezieht. Es bedarf in diesem Zusammenhang kaum des Hinweises, dass eine Vereinbarung, die sich auf das italienische Staatsgebiet bezieht, dieses Kriterium erfüllt, da der italienische Markt ein erheblicher Teil des Gemeinsamen Marktes ist.

114.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht Ferriere Nord geltend, das Gericht habe rechtsirrig einen Verstoß der Kommission gegen die Verfahrensregeln der Kommission unbeanstandet gelassen. Der Bericht des Anhörungsbeauftragten, der dem Entscheidungsentwurf für das Kollegium der Kommissare für dessen Sitzung vom 30. September 2009 beigefügt gewesen sei, habe lediglich in Englisch, Französisch und Deutsch zur Verfügung gestanden, nicht jedoch in Italienisch. Dies stelle einen Verstoß gegen die internen Verfahrensregeln der Kommission dar.

115.

Ich stimme dem Gericht darin zu, dass die von Ferriere Nord zu diesem Punkt vorgetragenen Argumente nicht durchgreifen. Die Gerichte der Europäischen Union entscheiden in ständiger Rechtsprechung, dass die Nichteinhaltung einer nur internen Verfahrensregel durch ein Organ die verfahrensabschließende Entscheidung nicht rechtswidrig werden lässt, es sei denn, der Verstoß ist hinreichend schwerwiegend und hat sich nachteilig auf die Rechtsposition und tatsächliche Lage der Partei ausgewirkt, die eine Unregelmäßigkeit im Verfahren behauptet ( 53 ). Meines Erachtens liegen keine Anhaltspunkte vor, die an der vom Gericht vorgenommenen Würdigung des Sachverhalts und der Beweise, wonach keine solchen nachteiligen Auswirkungen auf die Situation von Ferriere Nord nachgewiesen wurden, zweifeln lassen.

116.

Der vierte Rechtsmittelgrund von Ferriere Nord – der die Feststellungen des Gerichts zu Art und Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung betrifft – ist meiner Ansicht nach unzulässig. Wiederum wird mit den Argumenten im Wesentlichen die Würdigung des Sachverhalts durch das Gericht in Frage gestellt.

117.

Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht Ferriere Nord geltend, das Gericht habe seine Entscheidung, den Grundbetrag der Geldbuße um 6 % herabzusetzen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Ferriere Nord für drei Jahre an einem Teil der wettbewerbswidrigen Vereinbarung nicht beteiligt gewesen sei, unzureichend begründet. Nach ständiger Rechtsprechung ist es jedoch nicht Sache des Gerichtshofs, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Würdigung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln der Union festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Würdigung zu ersetzen ( 54 ). Im vorliegenden Fall sehe ich keinen Anhaltspunkt dafür, dass der endgültige Betrag der gegen Ferriere Nord verhängten Geldbuße unverhältnismäßig oder übertrieben hoch ist. Ich erkenne im angefochtenen Urteil auch keine Mängel oder Widersprüche in der Begründung.

118.

Schließlich macht Ferriere Nord mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht den Betrag der von ihm um 6 % herabgesetzten Geldbuße fehlerhaft berechnet habe. Während es ausgeführt habe, dass die Herabsetzung auf den Grundbetrag angewandt werden würde, habe es sie sodann wegen Berücksichtigung eines mildernden Umstands vorgenommen, was zu einer etwas geringeren Herabsetzung geführt habe.

119.

Zunächst möchte ich festhalten, dass die genauen Grenzen des Begriffs der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung noch unklar sind. Ob eine Partei eine Geldbuße der Höhe nach unabhängig von der Geltendmachung eines von der Kommission begangenen Fehlers anfechten kann, ist noch eine offene Frage. Dieser Punkt ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, da das Gericht einen Fehler in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, soweit es um die Beteiligung von Ferriere Nord an der Zuwiderhandlung geht, und daher entschieden hat, den Betrag der von der Kommission gegen dieses Unternehmen verhängten Geldbuße herabzusetzen. Die eigentliche Frage scheint hier eher zu sein, ob das Gericht bei der Nachprüfung einer Geldbuße wegen der Fehler, die es in der von einem Kläger angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, an die Beachtung bestimmter Kriterien oder Grundsätze gebunden ist.

120.

Aus dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Galp ( 55 ) scheint hervorzugehen, dass den Befugnissen der Gerichte der Europäischen Union bei der unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen, die von der Kommission gemäß der Verordnung Nr. 1/2003 verhängt worden sind, Grenzen gesetzt sind. Dem stimme ich zu. Auch wenn hier keine Notwendigkeit besteht, diesem Punkt weiter nachzugehen, möchte ich doch wenigstens anmerken, dass sich bestimmte Beschränkungen, denen die Befugnisse der Gerichte der Europäischen Union aus Art. 261 AEUV und aus Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 unterliegen, notwendigerweise aus Grundsätzen wie denen der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung ergeben. Dies vorausgeschickt erkenne ich in der vorliegenden Sache kein überzeugendes Argument dafür, dass das Gericht von seiner Befugnis zur Nachprüfung gemäß Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 falschen Gebrauch gemacht haben sollte.

121.

Auch wenn der Wortlaut des angefochtenen Urteils in diesem Punkt kein Muster an Klarheit sein mag, ist unbestreitbar, dass das Gericht den herabgesetzten Betrag der gegen Ferriere Nord verhängten Geldbuße in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzt und dabei grundsätzlich der von der Kommission in den Leitlinien von 1998 vorgeschlagenen Methode (bei der es sich offensichtlich auch um die in der angefochtenen Entscheidung verwendete Methode handelt) gefolgt ist.

122.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Auffassung, dass das Gericht die teilweise Nichtbeteiligung von Ferriere Nord an der Zuwiderhandlung nicht unzutreffend als einen mildernden Umstand erachtet hat. Gemäß den Leitlinien von 1998 ist dies tatsächlich der richtige Ansatz. Diese Leitlinien benennen die Schwere und Dauer als Anhaltspunkte, die die Kommission bei der Festsetzung des Grundbetrags zu berücksichtigen hat. Allerdings ist klar, dass diese Anhaltspunkte im Verhältnis zum Verstoß in seiner Gesamtheit zu bewerten sind. Aus diesem Grund hat die Kommission die verantwortlichen Unternehmen vor dem Hintergrund der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung insgesamt nach Maßgabe ihrer jeweiligen Marktanteile in drei verschiedene Gruppen eingeordnet. Wie sich aus den Leitlinien von 1998 ergibt, ist für die Differenzierung bei der Festsetzung des Grundbetrags hauptsächlich „das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“.

123.

Im vorliegenden Fall gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die über einen bestimmten Zeitraum erstreckende teilweise Nichtbeteiligung von Ferriere Nord an der Zuwiderhandlung auf die Schwere (oder Dauer) der Zuwiderhandlung insgesamt ausgewirkt hätte. Das Gericht hat den individuellen Beitrag von Ferriere Nord zu dem Kartell zutreffend als einen Faktor berücksichtigt, der für die Beurteilung der mildernden Umstände relevant sein kann.

124.

In diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf das Urteil Solvay Solexis angebracht, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Kommission gemäß den Leitlinien von 1998 berechtigt ist, die mindere Schwere der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung entweder zur Differenzierung bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße oder als mildernden Umstand zur Herabsetzung des Grundbetrags zu berücksichtigen ( 56 ). Diese Rechtsprechung darf meines Erachtens jedoch nicht so verstanden werden, dass die Kommission in diesem Punkt freie Hand hat. Vielmehr ist ihr eher zu entnehmen, dass die Frage, ob die geringere Schwere der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung bei der Berechnung des Grundbetrags oder als mildernder Umstand zu berücksichtigen ist, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Dieser Grundsatz scheint mir umso mehr für das Gericht zu gelten, wenn es von seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung einer von der Kommission verhängten Geldbuße Gebrauch macht.

d) Rechtssache C‑89/15 P

125.

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt Riva Fire die Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 3 % durch das Gericht. Sie hält i) die Herabsetzung für unzureichend und ii) die Begründung des angefochtenen Urteils in diesem Punkt für widersprüchlich oder doch jedenfalls unzureichend.

126.

Die von Riva Fire vorgetragenen Hauptargumente entsprechen weitgehend denjenigen, die Ferriere Nord mit dem fünften und dem sechsten Rechtsmittelgrund entwickelt hat. Sie sind daher aus den oben in den Nrn. 118 bis 125 erläuterten Gründen zurückzuweisen. Was die Rüge von Riva Fire angeht, das Gericht habe rechtsirrig ihre Haftung für das Verhalten anderer Unternehmen angenommen, bin ich der Auffassung, dass dieses Argument (soweit die Feststellungen des Gerichts betreffend die Beteiligung von Riva Fire an einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung in Frage gestellt werden) unzulässig und (vor dem Hintergrund der in den Rn. 116 und 214 des Urteils in der Rechtssache T‑83/10 erwähnten Rechtsprechung) unbegründet ist. Das von Riva Fire vorgebrachte Argument schließlich, das Gericht sei irrig zu dem Ergebnis gelangt, dass das besagte Unternehmen sich nicht offen von dem Kartell distanziert habe, ist in der Rechtsmittelinstanz unzulässig ( 57 ).

127.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht Riva Fire geltend, dass das Gericht rechtsfehlerhaft ihre Beteiligung an der Vereinbarung vom Dezember 1998 bejaht und diesen Umstand demzufolge fälschlich bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße berücksichtigt habe. Dieser Rechtsmittelgrund ist meines Erachtens unzulässig, da Riva Fire im Kern die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung des Gerichts in Frage stellt. Ferner ist der Umstand, dass Riva Fire im erstinstanzlichen Verfahren ihre Beteiligung an der Vereinbarung bestritten hat ( 58 ), angesichts dessen, dass das Gericht der Analyse der Kommission aufgrund von urkundlichen Beweisen und nicht, wie von Riva Fire unzutreffend behauptet, aufgrund von Vermutungen gefolgt ist, ohne Belang.

128.

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund kritisiert Riva Fire schließlich die Feststellung des Gerichts betreffend die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 375 %, mit der sichergestellt werden sollte, dass die verhängte Geldbuße abschreckende Wirkung entfaltet. Das Gericht vertrat den Standpunkt, dass der in Rn. 604 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Verweis auf die Verwicklung der Geschäftsleitung von Riva Fire (und von Lucchini/Siderpotenza) in die Zuwiderhandlung lediglich der Vollständigkeit halber erfolgt sei. Der Betrag der Erhöhung stützte sich – so das Gericht – nur auf den Umsatz dieser Unternehmen auf dem betreffenden Markt ( 59 ).

129.

Die Bedeutung der Ausführungen in Rn. 604 der angefochtenen Entscheidung ist zugegebenermaßen nicht völlig klar. Die Auslegung dieses Abschnitts durch das Gericht stellt jedoch eine der möglichen Deutungen dar, und Riva Fire trägt nichts Konkretes dafür vor, dass das Gericht den erkennbaren Sinngehalt der angefochtenen Entscheidung verfälscht hätte. Zudem hat das Gericht die verschiedenen von Riva Fire gegen eine Erhöhung um 375 % sprechenden Argumente in der Sache geprüft und zurückgewiesen ( 60 ). Folglich ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig oder jedenfalls unbegründet.

VI – Folgen der Würdigung

130.

Wie bereits oben in den Nrn. 23 bis 25 und 63 ausgeführt, sind, wenn der Gerichtshof meiner Würdigung der Rechtsmittelgründe, die die Verletzung der Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen betreffen, zustimmt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären.

131.

Sollte der Gerichtshof meiner Würdigung dieser Rechtsmittelgründe dagegen nicht folgen, sind die Rechtsmittel – außer in Bezug auf die Berücksichtigung des erschwerenden Umstands eines Wiederholungsfalls im Fall von Ferriere Nord – vollumfänglich zurückzuweisen.

VII – Kosten

132.

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

133.

Sollte der Gerichtshof meiner Würdigung der Rechtsmittel folgen, sind der Kommission nach den Art. 137, 138 und 184 der Verfahrensordnung grundsätzlich die Kosten des vorliegenden Verfahrens, und zwar sowohl des Verfahrens im ersten Rechtszug als auch des Rechtsmittelverfahrens, aufzuerlegen.

134.

Ich kann jedoch nicht umhin, festzustellen, dass alle von den Rechtsmittelführerinnen eingereichten Rechtmittelschriften (meines Erachtens übermäßig) lang und komplex sind. Bestimmte Rechtsmittelgründe umfassen mehrere Teile, die entsprechenden Argumente sind jedoch nicht unbedingt gut dargelegt. Zudem werden bestimmte Rügen fast bei jedem Rechtsmittelgrund wiederholt, etwa die Behauptung, dass die angefochtenen Urteile lückenhaft und unzureichend begründet seien. Demgegenüber bin ich zu der Feststellung gelangt, dass das Gericht durchgehend sehr wohl begründet hat, warum es zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist, und die Rechtsmittelführerinnen haben im Kern lediglich die Richtigkeit dieser Begründungen in Frage gestellt. So offensichtlich dies auch erscheinen mag, muss ich hier doch betonen, dass zwischen der Behauptung, das Gericht habe es versäumt, sich mit einem bestimmten Argument (überhaupt oder angemessen) zu befassen, und der Behauptung, dass das Gericht ein Argument rechtsfehlerhaft beurteilt habe, ein Unterschied besteht.

135.

Schließlich waren mehrere Rechtsmittelgründe offensichtlich unzulässig oder unbegründet. Beispielsweise wurden mit einer Reihe von Rechtsmittelgründen ungeachtet der Tatsache, dass eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt wurde, eindeutig Sachverhaltsfeststellungen des Gerichts in Frage gestellt. Ferner steht den Argumenten der Rechtsmittelführerinnen in vielen von diesen vorgebrachten Punkten eine gefestigte Rechtsprechung entgegen. Die Rechtsmittelführerinnen haben keine überzeugenden Argumente dafür vorgetragen, dass sich ihre Fälle von den in der Rechtsprechung behandelten Fällen unterscheiden oder eine Abweichung von dieser Rechtsprechung rechtfertigen.

136.

Kurz gesagt ist unübersehbar, dass die meisten der von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragenen Rechtmittelgründe zurückzuweisen sind und die Rechtsmittelführerinnen sich dessen hätten bewusst sein müssen. Das Vorstehende gilt entsprechend für das Verfahren des ersten Rechtszugs. Die Haltung der Rechtsmittelführerinnen stellt meines Erachtens keinen gedeihlichen Beitrag zur Rechtspflege dar und sollte daher bei der Kostenentscheidung berücksichtigt werden.

137.

Es kann aber auch nicht unbeachtet bleiben, dass die Kommission dadurch zu einer unnötigen Komplexität und Dauer der vorliegenden Verfahren beigetragen hat, dass sie eine ganze Reihe von Unzulässigkeitseinreden vorgebracht hat, die ersichtlich keine Grundlage hatten. In vielen Fällen war klar erkennbar, dass die Rechtsmittelführerinnen Rechtsfragen aufwarfen und keine Sachverhaltsfeststellungen in Frage stellten oder Beweiswürdigungen kritisierten. Diese Feststellung gilt entsprechend für das Verhalten der Kommission im ersten Rechtszug. Die Haltung der Kommission, ihre schriftlichen Erklärungen im Sinne eines „Für-den-Fall-der-Fälle“-Ansatzes mit Unzulässigkeitseinreden „aufzufüllen“, ist zu beanstanden und bei der Kostenverteilung zu berücksichtigen.

138.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung vor, i) der Kommission aufzuerlegen, ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der den Rechtsmittelführerinnen entstandenen Kosten zu tragen, und ii) den Rechtsmittelführerinnen aufzuerlegen, ein Drittel ihrer eigenen Kosten zu tragen.

VIII – Ergebnis

139.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

die Urteile des Gerichts vom 9. Dezember 2014, Feralpi/Kommission (T‑70/10), Riva Fire/Kommission (T‑83/10), Alfa Acciai/Kommission (T‑85/10), Ferriere Nord/Kommission (T‑90/10) sowie Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission (T‑92/10), aufzuheben;

die Entscheidung C(2009) 7492 final der Kommission vom 30. September 2009 betreffend ein Verfahren nach Art. 65 KS (Sache COMP/37.956 – Bewehrungsrundstahl, Neuentscheidung) für nichtig zu erklären;

der Kommission ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der den Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen;

den Rechtsmittelführerinnen ein Drittel ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Urteile vom 9. Dezember 2014, Feralpi/Kommission (T‑70/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1031), Riva Fire/Kommission (T‑83/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1034), Alfa Acciaio/Kommission (T‑85/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1037), Ferriere Nord/Kommission (T‑90/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1035) sowie Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission (T‑92/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1032) (im Folgenden: angefochtene Urteile).

( 3 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

( 4 ) Verordnung der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18).

( 5 ) In der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung.

( 6 ) EWG – Rat: Verordnung [vom 6. Februar 1962]: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, P 13, S. 204).

( 7 ) Urteile vom 25. Oktober 2007, SP u. a./Kommission (T‑27/03, T‑46/03, T‑58/03, T‑79/03, T‑80/03, T‑97/03 und T‑98/03, EU:T:2007:317), Riva Acciai/Kommission (T‑45/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:318), Feralpi Siderurgica/Kommission (T‑77/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:319) und Ferriere Nord/Kommission (T‑94/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2007:320).

( 8 ) Die erste Entscheidung in der Fassung der Änderungsentscheidung wird als „die angefochtene Entscheidung“ bezeichnet.

( 9 ) Zweiter Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑85/15 P, erster und zweiter Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P, zweiter Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑88/15 P und erster Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑89/15 P.

( 10 ) Jedenfalls kann der Gerichtshof die mit diesen Rechtsmittelgründen aufgeworfene Frage einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften von Amts wegen prüfen. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission (T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 477 bis 488).

( 11 ) Vgl. Urteile vom 29. März 2011, Arcelor Mittal Luxembourg/Kommission und Kommission/Arcelor Mittal Luxembourg u. a. (C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 74) und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission (C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 87).

( 12 ) Vgl. hierzu Art. 33 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 und den ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 773/2004.

( 13 ) Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582; im Folgenden: Urteil PVC II).

( 14 ) Vgl. Rn. 70 bis 119 und insbesondere Rn. 73 des Urteils PVC II.

( 15 ) Verordnung (EG) der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [101 und 102 AEUV] (ABl. 1998, L 354, S. 18).

( 16 ) Vgl. Rn. 20 der Urteile von 2007.

( 17 ) Vgl. Urteil vom 12. November 1998, Spanien/Kommission (C‑415/96, EU:C:1998:533, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 19 („Übergangsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 773/2004.

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a. (C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 93 bis 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 9. Dezember 2014, Alfa Acciai/Kommission (T‑85/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1037, Rn. 148).

( 21 ) Vgl. Urteil vom 9. Dezember 2014, Alfa Acciai/Kommission (T‑85/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1037, Rn. 149).

( 22 ) Sechster Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑85/15 P und vierter Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P. In der Rechtssache C‑89/15 P spricht Riva Fire nicht von einem Rechtsmittelgrund, sondern von einem „Inzidentantrag“.

( 23 ) Urteil vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission (C‑185/95 P, EU:C:1998:608).

( 24 ) Urteile vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission (C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 190 bis 196), und vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 81 bis 85).

( 25 ) Urteil vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768, Rn. 86 bis 89).

( 26 ) Ich möchte hier anmerken, dass sowohl das erste als auch das zweite Verfahren vor der Kommission vergleichsweise zügig durchgeführt wurden (siehe oben, Nrn. 13 bis 17).

( 27 ) Urteile vom 26. November 2013, Gascogne Sack Deutschland/Kommission (C‑40/12 P, EU:C:2013:768), vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission (C‑580/12 P, EU:C:2014:2363), vom 9. Juni 2016, CEPSA/Kommission (C‑608/13 P, EU:C:2016:414), und vom 9. Juni 2016, Repsol Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission (C‑617/13 P, EU:C:2016:416).

( 28 ) Vgl. u. a. Beschlüsse vom 6. Januar 2015, Kendrion/Gerichtshof (T‑479/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:2), vom 9. Januar 2015, Marcuccio/Europäische Union (T‑409/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:18), und vom 13. Februar 2015, Aalberts Industries/Europäische Union (T‑725/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:107).

( 29 ) Urteil vom 13. November 1973, Werhahn Hansamühle u. a./Rat und Kommission (63/72 bis 69/72, EU:C:1973:121, Rn. 7), bestätigt durch Urteil vom 23. März 2004, Bürgerbeauftragter/Lamberts (C‑234/02 P, EU:C:2004:174).

( 30 ) Vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission (C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 29), und PVC II (Rn. 210).

( 31 ) Die für die Entscheidung in einer Rechtssache zuständigen Kammern haben durchaus die Wahl, die Arbeit möglichst vor die mündliche Verhandlung „vorzuverlagern“ oder umgekehrt eine mündliche Verhandlung bald nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens abzuhalten, so dass erhebliche Teile der Arbeit nach der mündlichen Verhandlung abzuschließen sind. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten kann von verschiedenen Faktoren abhängen: der Arbeitsweise der in der Kammer tätigen Richter, ihrer zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenen Arbeitsbelastung und den konkreten Eigenheiten der jeweiligen Sache (z. B. ob in einer mündlichen Verhandlung viele Punkte zu klären sind). Offensichtlich hilft ein kurzer Zeitraum zwischen dem schriftlichen und dem mündlichen Verfahren den Parteien wenig, wenn die nachfolgende Beratung besonders lang ausfällt.

( 32 ) Vgl. Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission (C‑519/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:682, Rn. 68).

( 33 ) Dieser Rechtsmittelgrund betrifft Art und Dauer der Beteiligung von Ferriere Nord an dem Verstoß: siehe unten, Nr. 117.

( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 91), vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission (C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 26, 29 und 39), und vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission (C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 61 bis 65).

( 35 ) Urteil vom 27. Juni 2012, YKK u. a./Kommission (T‑448/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:322, Rn. 211 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 36 ) Vgl. z. B. OECD, Roundtable on promoting compliance with competition law – Issues Paper by the Secretariat, DAF/COMP(2011)4 vom 1. Juni 2001, Punkt 2.

( 37 ) Urteil vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission (C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 39).

( 38 ) Urteil vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission (C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 39), und Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission (C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 69 und 70).

( 39 ) Der Gerichtshof hat nicht ausgeschlossen, dass „die strukturelle Entwicklung des Unternehmens“ bei der Prüfung der Berücksichtigung des erschwerenden Umstands eines Wiederholungsfalls berücksichtigt werden darf (vgl. Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a., C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 97). Der Gerichtshof bezog sich auf diesen Gesichtspunkt jedoch in einem anderen Zusammenhang, in dem die Kommission den erschwerenden Umstand eines Wiederholungsfalls auf eine juristische Person angewandt hatte, gegen die sich das Verfahren betreffend die erste Zuwiderhandlung nicht richtete. Mit anderen Worten scheint der Gerichtshof sich auf konzerninterne strukturelle Veränderungen und nicht auf Veränderungen in der Geschäftsleitung zu beziehen, die innerhalb ein und derselben Gesellschaft stattfinden. In letzterer Situation ist das Gewicht etwaiger struktureller Veränderungen erheblich geringer als in ersterer.

( 40 ) Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (IV/31.553, Betonstahlmatten) (ABl. 1989, L 260, S. 1).

( 41 ) Vgl. Urteil vom 6. April 1995, Ferriere Nord/Kommission (T‑143/89, EU:T:1995:64), und auf Rechtsmittel hin Urteil vom 17. Juli 1997Ferriere Nord/Kommission (C‑219/95 P, EU:C:1997:375).

( 42 ) Gemäß den US-amerikanischen Buchführungsvorschriften US-GAAP (Generally Accepted Accounting Principles) z. B. müssen mögliche Verluste, die „probable“ oder „reasonably possible“ sind, zusammen mit einer Verlustschätzung angegeben werden. Ähnliche Regeln gelten gemäß den internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS (International Financial Reporting Standards).

( 43 ) Urteil vom 5. März 2015, Kommission u. a./Versalis u. a. (C‑93/13 P und C‑123/13 P, EU:C:2015:150, Rn. 96 und 98).

( 44 ) Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3)

( 45 ) Vierter Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑85/15 P und fünfter Rechtsmittelgrund in den Rechtssachen C‑86/15 P und C‑87/15 P.

( 46 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Total Marketing Services/Kommission (C‑634/13 P, EU:C:2015:208, Nrn. 43 bis 61). Vgl. in demselben Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2015:427, Nrn. 123 bis 136) und Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, EU:C:2003:85, Nrn. 127 bis 131).

( 47 ) Nach dieser Bestimmung ist es Sache der Kommission, einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nachzuweisen.

( 48 ) Urteile vom 9. Dezember 2014, Feralpi/Kommission (T‑70/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1031, Rn. 231 bis 234), Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission (T 92/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1032, Rn. 218 bis 221) und Alfa Acciai/Kommission (T‑85/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1037, Rn. 217 bis 220).

( 49 ) So gab es z. B. Anhaltspunkte, die darauf hindeuteten, dass die fraglichen Unternehmen ihre Preise nicht an die in den betreffenden Sitzungen vereinbarten anglichen (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2014, Feralpi/Kommission, T‑70/10, EU:T:2014:1031, Rn. 231 bis 233), oder allgemeiner nicht die in diesen Sitzungen getroffenen Vereinbarungen einhielten (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2014, Alfa Acciai/Kommission, T‑85/10, EU:T:2014:1037, Rn. 220, sowie Ferriera Valsabbia und Valsabbia Investimenti/Kommission, T‑92/10, EU:T:2014:1032, Rn. 221).

( 50 ) Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26).

( 51 ) Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 63).

( 52 ) Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 53 ) Vgl. die in Rn. 158 des Urteils vom 9. Dezember 2014, Ferriere Nord/Kommission (T‑90/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1035), angeführte Rechtsprechung.

( 54 ) Urteil vom 7. September 2016, Pilkington Group u. a./Kommission (C‑101/15 P, EU:C:2016:631, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 55 ) Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission (C‑603/13 P, EU:C:2016:328).

( 56 ) Urteil vom 5. Dezember 2013, Solvay Solexis/Kommission (C‑449/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:802, Rn. 78).

( 57 ) Siehe auch oben, Nrn. 95 bis 102.

( 58 ) Wie in den Rn. 222 und 223 des Urteils vom 9. Dezember 2014, Riva Fire/Kommission (T‑83/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1034), festgestellt, was Riva Fire bestreitet.

( 59 ) Urteil vom 9. Dezember 2014, Riva Fire/Kommission (T‑83/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1034, Rn. 276).

( 60 ) Vgl. Urteil vom 9. Dezember 2014, Riva Fire/Kommission (T‑83/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1034, Rn. 262 bis 275 und 277).

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