EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62014TJ0671

Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 12. September 2017.
Bayerische Motoren Werke AG gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Regionale Investitionsbeihilfen – Beihilfe Deutschlands zugunsten eines großen, die Herstellung von zwei Elektrofahrzeugmodellen (i3 und i8) betreffenden Investitionsvorhabens von BMW in Leipzig – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt teilweise vereinbar und teilweise unvereinbar erklärt wird – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV – Anreizeffekt der Beihilfe – Notwendigkeit der Beihilfe.
Rechtssache T-671/14.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2017:599

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

12. September 2017 ( *1 )

„Staatliche Beihilfen – Regionale Investitionsbeihilfen – Beihilfe Deutschlands zugunsten eines großen, die Herstellung von zwei Elektrofahrzeugmodellen (i3 und i8) betreffenden Investitionsvorhabens von BMW in Leipzig – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt teilweise vereinbar und teilweise unvereinbar erklärt wird – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV – Anreizeffekt der Beihilfe – Notwendigkeit der Beihilfe“

In der Rechtssache T‑671/14

Bayerische Motoren Werke AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Rosenthal, G. Drauz und M. Schütte,

Klägerin,

unterstützt durch

Freistaat Sachsen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt T. Lübbig und Rechtsanwältin K. Gaßner,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch F. Erlbacher, T. Maxian Rusche und R. Sauer, dann durch T. Maxian Rusche und R. Sauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4531 final der Kommission vom 9. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.32009 (2011/C) (ex 2010/N), die die Bundesrepublik Deutschland zugunsten von BMW für ein großes Investitionsvorhaben in Leipzig gewähren will,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, des Richters J. Schwarcz (Berichterstatter) und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Die Klägerin, die Bayerische Motoren Werke AG, ist die Muttergesellschaft der BMW Group (im Folgenden: BMW), die insbesondere in der Herstellung von Kraftfahrzeugen und Krafträdern der Marken BMW, MINI und Rolls-Royce tätig ist.

2

Am 30. November 2010 meldete die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem [Binnenmarkt] in Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3) eine Beihilfe von nominal 49 Mio. Euro an, die sie nach dem Investitionszulagengesetz 2010 vom 7. Dezember 2008 in geänderter Fassung (BGBl. 2008 I S. 2350, im Folgenden: IZG) für die Errichtung einer Produktionsanlage von BMW zur Herstellung des Elektrofahrzeugs i3 und des Plug-In-Hybridfahrzeugs i8 in Leipzig (Deutschland) gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007‑2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13, im Folgenden: Leitlinien) zu gewähren beabsichtigte. In der Anmeldung waren Investitionskosten von 392 Mio. Euro (abgezinst 368,01 Mio. Euro) und eine Beihilfeintensität von 12,5 % angegeben. Die tatsächliche Zahlung der Beihilfe stand unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission.

3

Nachdem die Kommission bestimmte zusätzliche Informationen eingeholt hatte, beschloss sie am 13. Juli 2011, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, und erhielt daraufhin hierzu eine Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland. Am 13. Dezember 2011 wurde der Beschluss mit dem Titel „Staatliche Beihilfen – Deutschland – Staatliche Beihilfe SA.32009 (11/C) (ex 10/N) – Großes Investitionsvorhaben – Beihilfe für BMW Leipzig – Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV“ im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2011, C 363, S. 20). Mit Schreiben vom 3. Februar 2012 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass bei ihr keine Stellungnahmen Dritter eingegangen seien.

4

Am 17. Januar 2012 änderten die deutschen Behörden die ursprüngliche Anmeldung dahin ab, dass sie nunmehr eine Beihilfe für ein weiteres Investitionselement enthielt. Der Beihilfeempfänger traf diese Investitionsentscheidung, nachdem der Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ergangen war. In diesem Zusammenhang übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission auf deren Bitte einige Erläuterungen. Mit Schreiben vom 5. August 2013 unterrichtete die Bundesrepublik Deutschland die Kommission ferner von weiteren, die Reduzierung des Betrags und der Intensität der Beihilfe betreffenden Änderungen des Beihilfevorhabens.

5

Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 4531 final über die staatliche Beihilfe SA.32009 (2011/C) (ex 2010/N) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Dessen Art. 1 lautet:

„Die staatliche Beihilfe in Höhe von 45257273 [Euro], die [die Bundesrepublik] Deutschland der [Klägerin] für die Investition in Leipzig gewähren will, ist nur dann mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn sie auf den Betrag von 17 Mio. [Euro] beschränkt bleibt (zu Preisen von 2009); der darüber hinausgehende Betrag (28257273 [Euro]) ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Die Beihilfe darf daher nur bis zu dem Betrag von 17 Mio. [Euro] gewährt werden.“

6

Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in dessen 113. Erwägungsgrund festgestellt hat, mit der Anmeldung der geplanten Beihilfemaßnahme vor ihrer Durchführung sei die Bundesrepublik Deutschland ihren Verpflichtungen nach Art. 108 Abs. 3 AEUV und der Einzelanmeldepflicht nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 nachgekommen. In den Erwägungsgründen 114 bis 123 des Beschlusses hat die Kommission sodann u. a. erklärt, sie gehe nach den Leitlinien vor, insbesondere nach deren Abschnitt 4.3 („Beihilfen für große Investitionsvorhaben“), sowie nach ihrer Mitteilung betreffend die Kriterien für die eingehende Prüfung staatlicher Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zur Förderung großer Investitionsvorhaben (ABl. 2009, C 223, S. 3, im Folgenden: Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben). In diesem Zusammenhang hat die Kommission nach der Feststellung, dass Fn. 65 der Leitlinien, die die Schaffung eines neuen Produktmarkts betreffe, in dieser Sache nicht greife, eine Beurteilung gemäß Punkt 68 Buchst. a und b der Leitlinien vorgenommen, um festzustellen, ob die dort vorgesehenen Schwellenwerte überschritten würden und sie daher eine eingehende Prüfung der angemeldeten Beihilfe durchzuführen hatte. Dabei sah sie sich veranlasst, anhand der von der Bundesrepublik Deutschland erhaltenen Informationen zu beurteilen, ob der Beihilfeempfänger über einen Anteil von mehr als 25 % an dem sachlich und räumlich relevanten Markt verfügen würde. Die Kommission hat ausgeführt, wenn sich diese Märkte nicht schlüssig abgrenzen ließen, werde sie prüfen, ob der Beihilfeempfänger auf mindestens einem der plausiblen Märkte über einen derartigen Marktanteil verfüge. Im Übrigen sei zu betonen, dass solch eine eingehende Prüfung, falls sie tatsächlich erfolge, in keiner Weise der Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt vorgreife.

7

Speziell zur Bestimmung der sachlich relevanten Märkte hat die Kommission erstens in den Erwägungsgründen 124 bis 127 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen angegeben, sie habe „Zweifel“, ob Elektro- und Hybridfahrzeuge zum allgemeinen Markt für konventionelle Fahrzeuge gehörten. Zweitens hat sie in den Erwägungsgründen 128 bis 132 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben, dass die Marktbestimmung in Bezug auf die rein elektrisch angetriebenen i3-Fahrzeuge (Battery Electric Vehicles) besonders bedeutsam sei, da die eingehende Prüfung schon dann durchzuführen sei, wenn dieses Modell auf mindestens einem der plausiblen Märkte die maßgeblichen Schwellenwerte überschreite, ohne dass sie sich dann noch mit der Bestimmung des relevanten Marktes für die i8-Fahrzeuge mit Plug-In-Hybridantrieb (Plug-In Hybrid Electric Vehicles) befassen müsste. Sie könne aber nicht mit Sicherheit zu dem Schluss gelangen, dass diese Fahrzeuge zu den Segmenten C oder D des konventionellen Marktes nach der „Klassifikation von IHS Global Insight“ gehörten. Drittens hat die Kommission in den Erwägungsgründen 133 und 134 des angefochtenen Beschlusses auch Vorbehalte dazu geäußert, ob das kombinierte Elektroautosegment C/D der relevante Markt sei. Nach der Feststellung, dass plausible Produktmärkte das niedrigste Niveau beinhalten sollten, für das statistische Daten verfügbar seien, hat sie nämlich betont, dass sie die besondere Situation berücksichtigen müsse, die sich möglicherweise ergeben könne, nämlich die beherrschende Stellung des Empfängers einer Beihilfe in nur einem der Segmente C oder D des Elektroautomarkts.

8

In Bezug auf den räumlich relevanten Markt hat die Kommission in den Erwägungsgründen 135 bis 140 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass der Weltmarkt als der relevante Markt für Elektroautos festzulegen sei, fehle es an hinreichend ausführlichen Angaben zu den in der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5) beschriebenen Faktoren. Auf der Grundlage der eingereichten Informationen könne sie daher nicht zweifelsfrei ausschließen, dass der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) den räumlich relevanten Markt für Elektro- oder Hybridautos darstelle.

9

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in den Erwägungsgründen 141 bis 154 des angefochtenen Beschlusses geprüft, welche Marktanteile die Klägerin als Beihilfeempfängerin theoretisch auf bestimmten potenziellen Märkten erhalten würde. Dabei ist sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben anwendbar sei. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass sie gemäß dem Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission (T‑304/08, EU:T:2012:351), aufgerufen sei, eine eingehende Beurteilung in allen Fällen vorzunehmen, in denen die positiven Auswirkungen einer Regionalbeihilfe nicht offenkundig ihre möglichen negativen Auswirkungen überwögen, selbst wenn die Schwellenwerte nach Punkt 68 der Leitlinien nicht überschritten würden. Zuvor war die Kommission im 155. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Schluss gelangt, dass der Nachweis dafür, dass eine „nennenswerte Wettbewerbsverzerrung“ nicht gegeben sei, nicht erbracht worden sei und dass eine Beihilfe in Höhe von 50 Mio. Euro für ein Investitionsvorhaben von 400 Mio. Euro durchaus über ein nennenswertes Potenzial zur Verfälschung des Wettbewerbs verfüge.

10

Im Rahmen der näheren Prüfung der angemeldeten Beihilfe hat die Kommission sodann im 157. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses betont, sie müsse anhand der in der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben dargelegten Kriterien eingehend prüfen, ob die Beihilfe erforderlich sei, um einen Anreizeffekt zugunsten des Investitionsvorhabens zu schaffen, und ob die Vorteile der Maßnahme stärker ins Gewicht fielen als die dadurch entstehenden Wettbewerbsverzerrungen und die dadurch hervorgerufene Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.

11

Hierzu hat die Kommission in den Erwägungsgründen 160 bis 173 des angefochtenen Beschlusses insbesondere festgestellt, die Bundesrepublik Deutschland habe den Anreizeffekt der angemeldeten Beihilfe nachgewiesen, und zwar auf der Grundlage des in der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben vorgesehenen Szenarios 2, wonach die fragliche Investition ohne die Beihilfe an einem anderen Standort in der Europäischen Union vorgenommen worden wäre. Insoweit habe die Bundesrepublik Deutschland den Bau der Produktionsanlage in München (Deutschland) als Alternative zum Standort Leipzig präsentiert. Aus den ausschlaggebenden Dokumenten, die dem Vorstand der Klägerin im Dezember 2009 vorgelegt worden seien, gehe hervor, dass „der Standort München ohne Beihilfe … 17 Mio. [Euro] weniger Kosten verursacht hätte als der Standort Leipzig“. Ein weiterer Faktor, der bei der Auswahl des Investitionsstandorts ins Gewicht gefallen sei, habe in der langfristigen strategischen Möglichkeit zum künftigen Ausbau der Produktionskapazität bestanden, jedoch sei dieser Faktor seitens des Unternehmens nicht in Geldwert wiedergegeben worden. Andere unternehmensinterne Unterlagen belegten, „dass die Verfügbarkeit einer staatlichen Beihilfe in Höhe von 50 Mio. [Euro] im Vorfeld der Entscheidung über die Investition/den Standort analysiert wurde“.

12

Zur Verhältnismäßigkeit der angemeldeten Beihilfe hat die Kommission in den Erwägungsgründen 174 bis 189 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, bei einer Situation des Szenarios 2 werde nach Nr. 33 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben „davon ausgegangen, dass in Bezug auf einen Standortanreiz die Beihilfe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt, wenn sie der Differenz zwischen den Nettokosten, die dem Empfängerunternehmen für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Nettokosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet/andere Gebiete entstehen würden, entspricht“.

13

In Bezug auf den vorliegenden Fall hat die Kommission im Wesentlichen die Ansicht vertreten, der Betrag von 17 Mio. Euro, auf den sich die Kostendifferenz zwischen den beiden Standorten (Leipzig und München) belaufe – berechnet auf der Grundlage der produktbezogenen Investitionskosten, der Strukturinvestitionskosten, der Planungs- und Anlaufkosten, der Produktionskosten, der Versorgungskosten, der Festkosten, der Logistikkosten und der Zölle für internationale Fracht – sei als die Höhe der Beihilfe anzusehen, die dem für die Änderung der Standortentscheidung des Beihilfeempfängers erforderlichen Minimum entspreche. Dieser Betrag erfülle folglich in Bezug auf das mit der Beihilfe verfolgte Ziel der Förderung der regionalen Entwicklung den Grundsatz der Angemessenheit. In diesem Zusammenhang sei die strategische Option zum Ausbau der Produktionskapazität in Leipzig, die am Standort München nicht gegeben sei, bei der Beurteilung der Angemessenheit der angemeldeten Beihilfe nicht zu berücksichtigen, da diese Möglichkeit nur sehr langfristig und somit jenseits des Lebenszyklus des in Rede stehenden Investitionsvorhabens relevant werde.

14

In den Erwägungsgründen 176 ff. des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen, wonach über die Angemessenheit einer Maßnahme nicht ausschließlich auf der Grundlage von Unterlagen entschieden werden solle, die die Situation zum Zeitpunkt der Standort-/Investitionsentscheidung widerspiegelten, sondern auch im Licht der effektiven Zusatzkosten, d. h. in diesem Fall unter Berücksichtigung eines Gesamtbetrags von 50 Mio. Euro einschließlich Mehrkosten von 29 Mio. Euro, die „vor dem Ende des Jahres 2012“ entstanden seien. Hierzu hat die Kommission im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht zulässig sein, den Anreizeffekt und die Angemessenheit der Beihilfe anhand von Unterlagen nachzuweisen, die vollkommen unterschiedliche Zahlen in Bezug auf die Nettonachteile und ‑kosten der Investition an einem Standort im Fördergebiet enthielten. Nicht gestattet sei insbesondere die Heranziehung von Unterlagen, die Kosten enthielten, die erst mehrere Jahre nach der betreffenden Investitions‑/Standortentscheidung angefallen seien, nachdem die Arbeiten am Investitionsvorhaben bereits begonnen hätten.

15

In den Erwägungsgründen 190 bis 198 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission nach einer Bewertung der positiven und negativen Folgen der angemeldeten Beihilfe diese Folgen gegeneinander abgewogen und dabei festgestellt, dass die positiven Folgen einer Beihilfe in Höhe von 17 Mio. Euro die negativen Folgen für den Handel zwischen Mitgliedstaaten sowie etwaige soziale und wirtschaftliche Folgen am Alternativstandort, der in einem weniger benachteiligten Gebiet liege, überwögen.

16

Schließlich hat die Kommission in den Erwägungsgründen 199 bis 202 des angefochtenen Beschlusses das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zurückgewiesen, wonach ihre Befugnis, die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme mit dem Binnenmarkt gemäß der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben zu prüfen, auf den Anteil des Beihilfebetrags begrenzt sei, der über der Anmeldeschwelle nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 liege.

Verfahren und Anträge der Parteien

17

Mit Klageschrift, die am 19. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Am 4. Dezember 2014 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

18

Gemäß Art. 24 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ist im Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. Dezember 2014 (ABl. 2014, C 439, S. 30) eine Mitteilung über die in der vorliegenden Rechtssache erhobene Klage veröffentlicht worden.

19

Am 28. Januar 2015 hat die Klägerin ihre Erwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, und am 11. März 2015 hat die Kommission ihre Gegenerwiderung eingereicht.

20

Am 16. Januar 2015 hat der Streithelfer, der Freistaat Sachsen, einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Klägerin eingereicht. Die Kommission und die Klägerin haben ihre Stellungnahmen dazu am 4. und am 10. Februar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht. Dem Streithilfeantrag ist durch Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 11. Mai 2015 stattgegeben worden.

21

Am 3. Juli 2015 hat der Streithelfer bei der Kanzlei des Gerichts seinen Streithilfeschriftsatz eingereicht, zu dem die Klägerin und die Kommission am 14. September 2015 Stellung genommen haben.

22

Am 17. September 2015 hat die Kanzlei des Gerichts den Parteien den Abschluss des schriftlichen Verfahrens bekannt gegeben. Die Kommission hat am 22. September 2015 mitgeteilt, dass sie keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stelle. Die Klägerin hat am 7. Oktober 2015 mitgeteilt, dass sie gehört werden möchte.

23

Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

24

In der Sitzung vom 8. September 2016 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, „soweit darin der über den Betrag von 17 Mio. Euro hinausgehende Betrag (28257273 Euro) der beantragten Beihilfe in Höhe von 45257273 Euro als mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird“;

hilfsweise, den angefochtenen Beschluss „insoweit für nichtig zu erklären, als darin der nach Art. 6 Abs. 2 [der Verordnung Nr. 800/2008] anmeldefreie Betrag in Höhe von 22,5 Mio. Euro als mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt wird“;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

27

Der Streithelfer beantragt sinngemäß, den Anträgen der Klägerin stattzugeben.

Rechtliche Würdigung

28

Die Klägerin führt drei Klagegründe an. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV, mit dem zweiten Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV und mit dem dritten Klagegrund, den sie hilfsweise geltend macht, einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und die Verordnung Nr. 800/2008 durch eine Begrenzung der Beihilfehöhe auf einen geringeren als den von der Notifizierungspflicht ausgenommenen Betrag.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV

29

Der erste von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil wird das Fehlen einer sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens beanstandet. Mit dem zweiten Teil wird der Vorwurf erhoben, dass im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens keine sorgfältige und unvoreingenommene Prüfung erfolgt sei. Mit dem dritten Teil wird geltend gemacht, dass die Anwendbarkeit der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben offenkundig fehlerhaft beurteilt worden sei.

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes

30

Die Klägerin ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Kommission gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie gegen ihre Pflicht zur Sorgfalt und zur ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, indem sie im Laufe des Vorprüfungsverfahrens keinen Versuch unternommen habe, die Schwierigkeiten bei der Definition des relevanten Marktes zu überwinden. Hätte die Kommission die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung beachtet und Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien korrekt ausgelegt, wäre sie nicht zu einer eingehenden Prüfung der in Rede stehenden Beihilfe übergegangen. Außerdem habe die Kommission keinen konstruktiven Dialog mit der Bundesrepublik Deutschland und ihr gesucht.

31

Der Streithelfer trägt im Wesentlichen vor, das Beweislastargument, auf das die Kommission die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens stütze, sei nicht überzeugend. Es habe nicht der Bundesrepublik Deutschland oblegen, das Fehlen „besonderer Schwierigkeiten“, d. h. eine negative Tatsache, zu beweisen. Die Kommission habe sich auch nicht darauf zurückziehen dürfen, dass sie keine ausreichenden Informationen erhalten habe.

32

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und des Streithelfers entgegen.

33

Das Gericht weist einleitend darauf hin, dass die von der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgenommene Prüfung beabsichtigter staatlicher Beihilfen dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die teilweise oder völlige Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu ermöglichen. Demgegenüber soll das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV die Rechte möglicherweise betroffener Dritter schützen und außerdem die Kommission in die Lage versetzen, sich vor Erlass ihrer Entscheidung umfassend über alle Umstände des Sachverhalts zu unterrichten, insbesondere durch Einholung von Stellungnahmen der betroffenen Dritten und der Mitgliedstaaten. Auch wenn sie in ihrer Entscheidung über die Verfahrenseröffnung gebunden ist, hat sie doch einen gewissen Spielraum bei der Ermittlung und Prüfung der Umstände des Einzelfalls, um festzustellen, ob diese ernsthafte Schwierigkeiten begründen. Im Einklang mit dem Zweck des Art. 108 Abs. 3 AEUV und ihrer Pflicht zu ordnungsgemäßer Verwaltung kann die Kommission insbesondere einen Dialog mit dem anmeldenden Staat oder mit Dritten führen, um etwa auftretende Schwierigkeiten im Verlauf des Vorprüfungsverfahrens zu überwinden (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Nach der Rechtsprechung ist das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren unerlässlich, sobald die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Die Kommission hat daher anhand der tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Falles zu beurteilen, ob die Schwierigkeiten, auf die sie bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt gestoßen ist, die Eröffnung dieses Verfahrens erforderlich machen. Diese Beurteilung muss drei Anforderungen genügen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Erstens beschränkt Art. 108 AEUV die Befugnis der Kommission zur Entscheidung über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt am Ende des Vorprüfungsverfahrens auf Maßnahmen, die keine ernsthaften Schwierigkeiten aufwerfen, womit dies das ausschließliche Kriterium darstellt. Die Kommission darf also die Eröffnung des förmlichen Prüfungsverfahrens nicht wegen anderer Umstände wie Interessen Dritter oder Erwägungen der Verfahrensökonomie oder der administrativen oder politischen Zweckmäßigkeit ablehnen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Zweitens ist die Kommission, wenn sie ernsthaften Schwierigkeiten begegnet, zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens verpflichtet und verfügt insoweit über keinerlei Ermessen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Drittens ist der Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten seinem Wesen nach objektiv. Ob solche Schwierigkeiten vorliegen, ist anhand der Umstände des Erlasses des angefochtenen Rechtsakts sowie seines Inhalts in objektiver Weise zu beurteilen, wobei die Gründe der Entscheidung zu den Angaben in Beziehung zu setzen sind, über die die Kommission verfügt, wenn sie sich zur Vereinbarkeit der streitigen Beihilfen mit dem Binnenmarkt äußert. Die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts hinsichtlich der Frage, ob ernsthafte Schwierigkeiten vorgelegen haben, geht deshalb ihrem Wesen nach über die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler hinaus (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass es einen Anhaltspunkt für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten darstellt, wenn die Prüfung durch die Kommission im Vorprüfungsverfahren unzureichend oder unvollständig war (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung des Bestehens ernsthafter Schwierigkeiten auf die Feststellung abzielt, ob die Kommission beim Erlass der Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, über ausreichende Informationen verfügte, um die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahme mit dem Binnenmarkt beurteilen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2010, Bundesverband deutscher Banken/Kommission, T‑36/06, EU:T:2010:61, Rn. 129). Die Kommission darf sich für den Erlass einer positiven Entscheidung über eine staatliche Maßnahme nur dann auf die Vorprüfungsphase des Art. 108 Abs. 3 AEUV beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnen kann, dass diese Maßnahme entweder keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder, falls sie als Beihilfe eingestuft wird, mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. März 2010, Bundesverband deutscher Banken/Kommission, T‑36/06, EU:T:2010:61, Rn. 125 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der staatlichen Beihilfen mit dem Binnenmarkt im Hinblick auf die Ausnahme gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV hat die Kommission überdies das Interesse der Union zu berücksichtigen und darf nicht davon absehen, die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den oder die relevanten Märkte im gesamten EWR zu untersuchen. In einem solchen Fall muss die Kommission nicht nur prüfen, ob die Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Gebiete zu fördern, sondern sie muss auch die Auswirkungen der Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beurteilen und insbesondere die möglichen sektoralen Auswirkungen in der gesamten Union bewerten (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Die Kommission verfügt bei der Anwendung des Art. 107 Abs. 3 AEUV über ein weites Ermessen, das sie nach Maßgabe komplexer wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Union als Ganzes zu beziehen sind. In diesem Rahmen ist die gerichtliche Nachprüfung der Ausübung dieses Ermessens auf die Überprüfung der Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie auf die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der festgestellten Tatsachen und des Fehlens von Rechtsfehlern, von offensichtlichen Fehlern bei der Bewertung der Tatsachen und von Ermessensmissbrauch beschränkt (vgl. Urteile vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 2. März 2012, Niederlande/Kommission, T‑29/10 und T‑33/10, EU:T:2012:98, Rn. 102 ff.).

43

Wenn die Kommission Verhaltensnormen erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, beschränkt sie jedoch selbst die Ausübung ihres Ermessens und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde – es sei denn, sie gibt Gründe an, die im Hinblick auf diese Grundsätze eine Abweichung von ihren eigenen Normen rechtfertigen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Punkt 68 der Leitlinien u. a. einen Schwellenwert für den Marktanteil (25 %) festlegt, bei dessen Überschreitung die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV eröffnen muss, und zwar selbst dann, wenn sie die fragliche Beihilfe a priori für mit dem Binnenmarkt vereinbar hält. Aus dieser Norm ergibt sich aber nicht, dass die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ausgeschlossen wäre, wenn die Schwellenwerte nicht überschritten werden, und dass die Kommission in solch einem Fall verpflichtet wäre, die Beihilfe unmittelbar als mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 85, 86 und 88). Im letztgenannten Fall hat die Kommission nämlich zwar stets die Möglichkeit, das förmliche Prüfverfahren nicht zu eröffnen, kann dies aber nicht damit begründen, dass sie dazu durch Punkt 68 der Leitlinien gezwungen sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 88).

45

Im vorliegenden Fall hat es die Kommission für notwendig erachtet, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen. Hierzu hat sie insbesondere ausgeführt, sie könne nicht ausschließen, dass der in Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien festgelegte Schwellenwert zumindest auf bestimmten relevanten Produktmärkten überschritten werde.

46

Es ist festzustellen, dass die Kommission mit ihrer Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, weder gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV noch gegen ihre Pflicht zur Sorgfalt und zur ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat.

47

Zum einen ist die Kommission, wie aus der obigen Rn. 44 hervorgeht, im Fall von ernsthaften Schwierigkeiten berechtigt, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, und zwar unabhängig davon, ob die in Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien festgelegte Marktanteilsschwelle von 25 % überschritten wird.

48

Zum anderen ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission mit dem Erlass von Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien verpflichtet hat, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, wenn die Marktanteilsschwelle von 25 % überschritten wird (siehe oben, Rn. 44). Insoweit hat die Kommission im Vorprüfungsverfahren rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sie eine Überschreitung dieses Schwellenwerts nicht ausschließen könne.

49

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann nämlich nicht angenommen werden, dass die Kommission im Vorprüfungsverfahren überhaupt nicht versucht hätte, die aufgetretenen Schwierigkeiten zu überwinden. Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission im Anschluss an die Notifizierung durch die Bundesrepublik Deutschland – in der als relevanter Produktmarkt der Markt für Elektrofahrzeuge oder, hilfsweise, für alle konventionellen Fahrzeuge und in diesem Rahmen gegebenenfalls die Segmente C und D nach der „Klassifikation von IHS Global Insight“ angegeben waren, wobei auf die Problematik einer solchen Segmentierung hinsichtlich des Elektrofahrzeugsektors hingewiesen wurde, während in Bezug auf die Bestimmung des räumlich relevanten Marktes der Weltmarkt bezeichnet wurde – mit Schreiben vom 31. Januar 2011, das die Bundesrepublik Deutschland am 1. März 2011 beantwortete, um zusätzliche Informationen bat.

50

Konkret ergibt sich aus dem Schreiben der Kommission vom 31. Januar 2011, dass die erbetenen Zusatzinformationen vor allem die Gründe betrafen, aus denen der Elektrofahrzeugmarkt und nicht ein enger oder anders definierter Markt als relevanter Markt vorgeschlagen wurde, sowie die Gründe, aus denen die Bundesrepublik Deutschland davon ausging, dass sich ein voll integrierter Weltmarkt für Elektrofahrzeuge mit allgemeinen Handelsströmen entwickeln würde. Außerdem ging es der Kommission darum, weitere unabhängige Studien und Analysen bezüglich der voraussichtlichen Segmentierung des betreffenden Marktes zu erhalten. All diese Auskunftsersuchen sind in dem Kontext zu betrachten, der sich aus den Rn. 14 und 15 des fraglichen Schreibens ergibt, aus denen geschlossen werden kann, dass die Kommission es für schwierig hielt, im betreffenden Sektor eine Trendanalyse zu erstellen. Unter diesen Umständen war nach Ansicht der Kommission nicht auszuschließen, dass die Klägerin insbesondere im kombinierten C/D-Segment des Elektrofahrzeugmarkts im EWR einen Marktanteil von über 25 % erreichen könnte. Sie hielt es daher für notwendig, detaillierte Informationen über die verschiedenen möglicherweise relevanten Segmente anzufordern.

51

Nach der Antwort der Bundesrepublik Deutschland vom 1. März 2011, in der u. a. auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der relevanten Märkte hingewiesen wurde, bat die Kommission mit Schreiben vom 20. April 2011 um weitere Auskünfte, insbesondere hinsichtlich der Zuordnung der Modelle i3 und i8, sowie um detaillierte Angaben zum räumlich relevanten Markt. Die Antwort wurde ihr am 25. Mai 2011 übermittelt.

52

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat sich die Kommission nicht darauf beschränkt, die Unzulänglichkeit bestimmter von der Bundesrepublik Deutschland erhaltener Informationen über den sachlich und räumlich relevanten Markt zu bemängeln. Aus den verschiedenen oben genannten Schreiben in Verbindung mit dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens geht nämlich hervor, dass die Kommission die bereits erhaltenen Informationen in ihrem Kontext würdigte und den Schluss zog, dass es ihr insbesondere hinsichtlich der Abgrenzung der relevanten Märkte nicht möglich sei, abschließend Stellung zu beziehen, ohne das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen, um Dritte zu den Punkten zu befragen, in denen sie sich weiterhin mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert sah. Was den räumlichen Markt anbelangt, auf den das Vorbringen der Klägerin besonders abstellt, vertrat die Kommission im Wesentlichen die Auffassung, dass die erhaltenen Angaben nicht ausreichten, um das gegenwärtige Bestehen eines Weltmarkts für die betreffenden Produkte rechtlich hinreichend nachzuweisen. Mit Schreiben vom 17. Februar 2012 forderte die Kommission erneut zusätzliche Angaben an.

53

Im Übrigen hat die Kommission die aufgetretenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten insofern zu Recht hervorgehoben, als die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Schreiben vom 1. März 2011 selbst die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung der relevanten Märkte hervorhob. Erstens erklärte sie, der Markt für Elektrofahrzeuge bzw. Elektroleichtfahrzeuge sei noch nicht definierbar, und der Markt für Hybridfahrzeuge eröffne sich „tendenziell in den oberen Klassen“, d. h. in den Segmenten E und F. Relevant sei daher der globale PKW-Gesamtfahrzeugmarkt ohne jede Unterscheidung nach Segmenten. Zweitens gab die Bundesrepublik Deutschland auf konkrete Fragen der Kommission zu den Segmenten, zu denen die Elektrofahrzeuge gehören könnten, an, von ihrer Länge her gehörten die i3-Fahrzeuge zu den Segmenten B und C, jedoch seien sie aufgrund ihres Preises eher in das Segment D einzuordnen. Drittens seien die von Konkurrenten der Klägerin hergestellten Elektrofahrzeuge mangels detaillierter Informationen noch schwer einzuordnen, könnten aber hauptsächlich in die Segmente A, B oder C fallen. Zudem führten neue Produktionskapazitäten, da Elektrofahrzeuge erst seit kurzer Zeit serienmäßig hergestellt würden, automatisch dazu, dass der Pionierunternehmer in statistischer Sicht erhebliche Marktanteile gewinne. Dies sei jedoch nicht bei der Prüfung nach Punkt 68 der Leitlinien zu berücksichtigen, da diese eher darauf abzielten, Überkapazitäten bzw. eine marktbeherrschende Stellung von Unternehmen zu verhindern.

54

All dies bewog die Kommission dazu, die oben in den Rn. 49 bis 51 genannten Zusatzauskünfte anzufordern. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission mit der Bundesrepublik Deutschland keinen echten Dialog geführt habe. Soweit die Klägerin im Übrigen das Fehlen eines Dialogs zwischen der Kommission und ihr selbst geltend macht, genügt die Feststellung, dass nach dem Urteil vom 8. Juli 2004, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission (T‑198/01, EU:T:2004:222, Rn. 191 bis 193), dessen Erwägungen im vorliegenden Fall entsprechend auf das Vorprüfungsverfahren zu übertragen ist, keine derartige Verpflichtung für die Kommission bestand.

55

Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass auf die Begründetheit weiteren Parteivortrags – wie etwa des Arguments des Streithelfers, dass es der Klägerin unmöglich sei, eine negative Tatsache zu beweisen – eingegangen zu werden braucht und ohne dass es erforderlich wäre, sich zu der Frage zu äußern, ob ein etwaiger Fehler im Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen könnte.

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes

56

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die insbesondere aus dem angefochtenen Beschluss hervorgehenden Zweifel bei der Marktdefinition, die sich im Rahmen der Prüfung nach Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien ergeben hätten, spätestens im förmlichen Prüfverfahren hätten ausgeräumt werden müssen. Da diese Zweifel unmittelbar auf der von der Kommission gewählten Vorgehensweise beruht hätten, habe diese sich nicht darauf berufen dürfen, dass angeblich weder die Beteiligten noch Dritte als Reaktion auf die Veröffentlichung der Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens die relevanten Informationen geliefert hätten. Unter den Umständen des vorliegenden Falles sei es ihre Aufgabe gewesen, andere Mittel einzusetzen, um sich umfassend über alle Umstände des Sachverhalts zu unterrichten, beispielsweise durch die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen oder die Durchführung eines Markttests. Die von der Kommission gewählte Vorgehensweise habe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung geführt.

57

Der Streithelfer beanstandet die von der Kommission angewandte Methode zur Feststellung des relevanten Marktes. Erstens führe diese Methode zu rechtlich relevanten Beeinträchtigungen und könne als willkürlich bezeichnet werden. Zweitens beeinträchtige die Marktdefinition die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten. Drittens seien keine Begründung und kein sachlicher Grund für die gewählte Marktdefinition ersichtlich. Und schließlich verstoße die Marktdefinition gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung.

58

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und des Streithelfers entgegen.

59

Das Gericht pflichtet zunächst der Kommission bei, dass die vorliegende Rüge der Klägerin angesichts ihres Inhalts so zu verstehen ist, dass ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV und nicht gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gerügt wird. Sie betrifft nämlich den Vorwurf einer Verletzung der Prüfpflichten im förmlichen Prüfverfahren.

60

Ferner weist das Gericht darauf hin, dass die Hauptkritik der Klägerin im Wesentlichen die Art und Weise betrifft, in der die Kommission die Informationen bewertete, anhand deren sie den relevanten Markt und den Anteil der Klägerin an diesem Markt bestimmen konnte. Insbesondere macht die Klägerin geltend, aufgrund des Fehlens hinreichend genauer Untersuchungen bezüglich der Definition des relevanten Marktes habe die Kommission Fehler begangen, als sie ermittelt habe, ob bei der Prüfung der Vereinbarkeit der angemeldeten Beihilfe mit dem Binnenmarkt die Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben oder nur die Leitlinien anzuwenden seien.

61

Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass es in Punkt 68 der Leitlinien heißt:

„68.

Wenn die Gesamthöhe der Beihilfen aus allen Quellen mehr als 75 % des Höchstbetrags ausmacht, der für ein Investitionsvorhaben mit förderfähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] nach den für große Unternehmen in der genehmigten Fördergebietskarte am Tag der Beihilfegewährung geltenden Standardhöchstsätzen gezahlt werden könnte, und wenn

(a)

der Beihilfeempfänger vor der Investition für mehr als 25 % des Verkaufs des/der betreffenden Produkts/Produkte auf dem (den) betreffenden Markt (Märkten) verantwortlich ist oder nach der Investition in der Lage sein wird, mehr als 25 % des Umsatzes zu gewährleisten,

wird die Kommission eine regionale Investitionsbeihilfe nur genehmigen, nachdem sie nach Eröffnung des Verfahrens des Artikels [108] Absatz 2 [AEUV] eingehend geprüft hat, ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig ist und die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fallen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.“

62

In der zu Punkt 68 der Leitlinien gehörenden Fn. 63 heißt es, die Kommission werde die Kriterien, die sie bei der Bewertung anwenden werde, ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig sei und die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fielen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, vor dem Inkrafttreten dieser Leitlinien, d. h. vor dem 1. Januar 2007, weiter präzisieren.

63

Wie die Kommission vorträgt, ist bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen für große, die Schwellenwerte in den Punkten 68 bis 70 der Leitlinien überschreitende Investitionsvorhaben mit Art. 107 Abs. 3 AEUV aufgrund der damit verbundenen besonderen Risiken von Wettbewerbsverzerrungen und Handelsbeeinträchtigungen die Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben anzuwenden.

64

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus den Nrn. 6 und 7 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben hervorgeht, die Punkte 68 bis 70 der Leitlinien unter Berücksichtigung der Tatsache zu lesen sind, dass bestimmte umfangreiche Regionalbeihilfen zur Förderung großer Investitionsvorhaben wesentliche Auswirkungen auf den Handel haben und erhebliche Wettbewerbsverzerrungen verursachen können. Deshalb hat die Kommission früher Beihilfen für große Investitionsvorhaben in der Regel nicht genehmigt, wenn sie bestimmte Schwellenwerte überschritten, und verfolgte zu der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeit den Ansatz, solche Beihilfen unter detailliert dargelegten Voraussetzungen zu prüfen.

65

Auch wenn Punkt 68 der Leitlinien eine Pflicht der Kommission begründet, eingehend zu prüfen, ob die betreffende Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig ist und ob die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fallen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, hindert diese Norm die Kommission allerdings keineswegs daran, eine solche Prüfung durchzuführen, wenn die fraglichen Schwellenwerte nicht überschritten werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 88). Der bloße Umstand, dass die in den Leitlinien vorgesehenen Schwellenwerte nicht überschritten werden, bedeutet nämlich nicht automatisch, dass die Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar wäre. Im Gegenteil ist die Kommission selbst dann, wenn die Schwellenwerte nicht überschritten werden und die übrigen Voraussetzungen der Leitlinien erfüllt sind, zur Prüfung berechtigt, ob die Vorteile für die regionale Entwicklung stärker ins Gewicht fallen als die Nachteile des betreffenden Vorhabens in Form von Wettbewerbsverzerrungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2012, Smurfit Kappa Group/Kommission, T‑304/08, EU:T:2012:351, Rn. 90 bis 97), was nicht zuletzt die Prüfung der Notwendigkeit der betreffenden Beihilfe impliziert.

66

Aufgrund dieser Erwägungen ist die Schlussfolgerung der Kommission im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu bestätigen, dass sie zu einer eingehenden Prüfung der in Rede stehenden Beihilfe berechtigt gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob die Schwellenwerte in Punkt 68 der Leitlinien überschritten würden. Insbesondere sprach nichts dagegen, dass die Kommission im Rahmen dieser Kontrolle bei der Prüfung der Notwendigkeit der in Rede stehenden Beihilfe die in der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben genannten Kriterien anwandte.

67

In diesem Zusammenhang ist auch der von der Klägerin erhobene Vorwurf einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zurückzuweisen. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission entgegen der Darstellung der Klägerin auch im Fall von Beihilfen an Unternehmen mit einem Marktanteil von weniger als 25 % eine Prüfung anhand der Voraussetzungen von Art. 107 Abs. 3 AEUV vornimmt, die gegebenenfalls eine Prüfung der Notwendigkeit der betreffenden Beihilfe impliziert.

68

Folglich ist der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen, ohne dass auf die Argumente eingegangen zu werden braucht, mit denen dargetan werden soll, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht von einer Überschreitung des Schwellenwerts in Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien hätte ausgehen dürfen und dass die Begründung des angefochtenen Beschlusses insoweit unzulänglich sei.

Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes

69

Dieser Teil untergliedert sich seinerseits in vier Rügen. Mit der ersten Rüge wird eine offenkundig fehlerhafte Nichtbeurteilung des relevanten Marktes beanstandet, mit der zweiten eine offenkundig fehlerhafte Beurteilung des für die Marktanteilsbestimmung relevanten Produktmarkts, mit der dritten eine offenkundig fehlerhafte Beurteilung des für die Marktanteilsbestimmung relevanten räumlichen Marktes und mit der vierten schließlich eine offenkundig fehlerhafte Bestimmung der Marktanteile.

70

Übergreifend für alle diese Rügen macht die Klägerin geltend, der Verstoß gegen die Pflicht zur sorgfältigen und unvoreingenommenen Prüfung habe zu einem offensichtlichen Beurteilungsfehler dahin gehend geführt, dass die Kommission es für gerechtfertigt gehalten habe, „in die nächste Phase des förmlichen Prüfverfahrens“ einzutreten und dabei die Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben zur Anwendung zu bringen.

71

Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass die Schlussfolgerung der Kommission im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass sie zu einer eingehenden Prüfung der in Rede stehenden Beihilfe berechtigt gewesen sei, und zwar unabhängig davon, ob die Schwellenwerte in Punkt 68 der Leitlinien überschritten würden, zu bestätigen ist.

72

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass diese Schlussfolgerung für sich genommen die Entscheidung der Kommission rechtfertigt, eine detaillierte Prüfung der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt und insbesondere ihrer Notwendigkeit durchzuführen.

73

Folglich sind alle von der Klägerin im Rahmen des dritten Teils des ersten Klagegrundes vorgebrachten Argumente, mit denen dargetan werden soll, dass die Kommission keine Überschreitung der Marktanteilsschwelle von 25 % in Punkt 68 der Leitlinien hätte feststellen dürfen, als ins Leere gehend zurückzuweisen, so dass der erste Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen ist.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV

74

Der zweite von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund besteht aus vier Teilen. Die ersten drei Teile betreffen eine offenkundig fehlerhafte Beurteilung des Anreizeffekts, der Angemessenheit und der Auswirkungen der Beihilfe. Der vierte Teil betrifft eine offenkundig fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der tatsächlichen Mehrkosten.

75

Zunächst weist die Klägerin darauf hin, dass weder die Verordnung Nr. 800/2008 noch die Leitlinien eine Quantifizierung des Anreizeffekts vorsähen. Insbesondere müssten keine Standortnachteile nachgewiesen werden, die durch einen „Anreiz“ ausgeglichen werden könnten. Für die Angemessenheit der Beihilfe sei nach der Systematik von Art. 107 Abs. 3 AEUV und der Verordnung Nr. 800/2008 keine Kopplung der Beihilfehöhe an den Nachweis von Mehrkosten vorgesehen. Selbst wenn das Gericht dies anders sehen sollte, wäre jedenfalls davon auszugehen, dass für die Angemessenheit der Beihilfe auf die tatsächlich entstandenen Mehrkosten und nicht auf die ex ante geschätzten Planungskosten abzustellen sei. Die Kommission habe sich, statt die Vor- und Nachteile des Investitionsvorhabens abzuwägen, auf die Feststellung beschränkt, dass jede über den ursprünglich geschätzten Differenzkostenbetrag hinausgehende Beihilfe eine starke Wettbewerbsverzerrung bewirke.

Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes

76

Die Klägerin beanstandet als offenkundig fehlerhaft die Auffassung der Kommission, dass für die über den Betrag von 17 Mio. Euro hinausgehende Beihilfe „weder der Anreizeffekt noch die Angemessenheit [der Beihilfe] nachgewiesen“ worden sei. Die Voraussetzungen der „getrennten“ Prüfung des Anreizeffekts seien in Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Verordnung Nr. 800/2008 festgelegt. Der Anreizeffekt der Beihilfebewilligung von 49 Mio. Euro sei, wie insbesondere aus dem 172. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, unstreitig. Mit der Förderung in dieser Höhe hätten sich nicht nur die Standortnachteile ausgleichen, sondern auch andere, zum Teil „nicht bezifferbare“ Nachteile abdecken lassen, die mit den Risiken einer Investition in ein völlig neuartiges, außerhalb des Heimatstandorts des Unternehmens hergestelltes Fahrzeug verbunden seien. Es sei zweifelhaft, ob der zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung auf 17 Mio. Euro geschätzte Differenzkostenbetrag für BMW ein ausreichender Anreiz gewesen wäre, das Projekt in Leipzig durchzuführen. Eine solche Frage sei dem Vorstand des Unternehmens im Übrigen gar nicht gestellt worden.

77

Der Streithelfer trägt vor, nach Art. 107 Abs. 3 AEUV müssten die mit einer Investition einhergehenden Nachteile „mindestens … ausgeglichen werden“, da nur so ein Anreiz geschaffen werden könne, in die geförderten Gebiete zu investieren. Jedoch müssten noch zusätzliche Anreize geschaffen werden, damit die benachteiligten Regionen wirtschaftlich aufholen könnten. Das Primärrecht verbiete zwar die Überkompensation, gebiete deshalb aber nicht die Unterkompensation. Daraus folge, dass die gesamten durch die Investition anfallenden Mehrkosten bis zu den genehmigten Höchstsätzen mit dem Binnenmarkt vereinbar seien.

78

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und des Streithelfers entgegen.

79

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich, soweit bestimmte Gründe einer Entscheidung diese für sich allein rechtlich hinreichend rechtfertigen können, etwaige Mängel der übrigen Begründung des Rechtsakts keinesfalls auf dessen verfügenden Teil auswirken. Zudem ist, sofern der verfügende Teil einer Entscheidung der Kommission auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder für sich allein ausreichen würde, um ihn zu tragen, dieser Rechtsakt grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jeder dieser Pfeiler rechtswidrig ist. Ein Fehler oder sonstiger Rechtsverstoß, der nur einen Begründungspfeiler berührt, genügt in diesem Fall nicht, um die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung zu rechtfertigen, da er den von dem Organ, das Urheber dieser Entscheidung ist, beschlossenen verfügenden Teil nicht entscheidend beeinflussen konnte (Urteil vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 62).

80

Sodann ist festzustellen, dass der von der Klägerin angeführte Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 800/2008 Folgendes bestimmt:

„Beihilfen für Großunternehmen, die unter diese Verordnung fallen, gelten als Beihilfen mit Anreizeffekt, wenn die Voraussetzung von Absatz 2 erfüllt ist und der Mitgliedstaat zudem vor der Bewilligung der betreffenden Einzelbeihilfe überprüft hat, dass der Beihilfeempfänger die Erfüllung eines oder mehrerer der folgenden Kriterien in seinen Unterlagen nachgewiesen hat:

e)

Im Falle regionaler Investitionsbeihilfen nach Artikel 13: Das Investitionsvorhaben wäre ohne die Beihilfe im betreffenden Fördergebiet nicht in der Form durchgeführt worden.“

81

Im vorliegenden Fall handelte es sich bei der in Rede stehenden Beihilfe – wie aus den Anmeldeunterlagen, insbesondere den Ziff. 2.3.1 und 2.3.2 des Anmeldeformulars, hervorgeht – um eine Investitionsbeihilfe, die die Bundesrepublik Deutschland gemäß einer Beihilferegelung (dem IZG) gewähren wollte, die aber der Pflicht zur Einzelnotifizierung unterlag (siehe oben, Rn. 2). Wie die Kommission in den Rn. 71 und 72 ihrer Klagebeantwortung sowie in Rn. 40 ihrer Gegenerwiderung unter Verweis auf Art. 3 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 zu Recht geltend macht, handelte es sich nicht um eine Beihilfe, die im Sinne ihres Art. 8 Abs. 3 „unter diese Verordnung [fällt]“, sondern um eine einzeln zu notifizierende Beihilfe (vgl. auch die Erwägungsgründe 1 bis 7 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008).

82

Wie im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes dargelegt worden ist, war die Kommission berechtigt, die Notwendigkeit der Beihilfe zu prüfen, und nichts sprach dagegen, dass sie in diesem Zusammenhang prüfte, ob das Vorhaben ohne die Beihilfe nicht im betreffenden Fördergebiet durchgeführt worden wäre.

83

Die Hauptfrage lautet, ob die einen Anreiz schaffende und zudem als angemessen anzusehende Beihilfe 17 Mio. Euro betrug, wie die Kommission meint, oder 49 Mio. Euro, wie die Klägerin geltend macht.

84

Es ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht eine differenzierte Prüfung des Anreizcharakters und der Angemessenheit der Beihilfe vornahm. Eine solche Differenzierung steht im Einklang mit der Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 60 bis 101). Soweit bestimmte Ausführungen der Klägerin, obwohl sie im Rahmen der den Anreizcharakter betreffenden Rüge vorgebracht worden sind, in Wirklichkeit eher mit der Angemessenheit der Beihilfe zusammenhängen, werden sie in dem der nächsten Rüge gewidmeten Abschnitt geprüft.

85

Was den Anreizeffekt der Beihilfe anbelangt, hat die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 160 ff. des angefochtenen Beschlusses ergibt, zu Recht geprüft, ob die Beihilfe tatsächlich dazu beitrug, die Pläne ihres Empfängers dahin gehend zu verändern, dass sie ihn dazu bewog, deshalb in der Zielregion zu investieren.

86

Insoweit hat die Kommission die beiden in der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben vorgesehenen Szenarien geprüft (vgl. in diesem Sinne Nrn. 19 ff. dieser Mitteilung und Erwägungsgründe 163 ff. des angefochtenen Beschlusses).

87

Nachdem sie u. a. darauf hingewiesen hatte, dass dem notifizierenden Mitgliedstaat insoweit die Beweislast obliege, hat die Kommission in den Erwägungsgründen 163 bis 167 des angefochtenen Beschlusses das Szenario 1 ausgeschlossen, das nach Nr. 22 Ziff. 1 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben in dem Nachweis bestünde, dass „[d]ie Beihilfe … ein Anreiz [ist], sich für eine Investition zu entscheiden, da in dem Fördergebiet eine Investition getätigt werden kann, die andernfalls für das Unternehmen an einem anderen Standort nicht wirtschaftlich gewesen wäre“. Diese Schlussfolgerung der Kommission wird im vorliegenden Fall vor dem Gericht nicht beanstandet.

88

In Bezug auf das in Nr. 22 Ziff. 2 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben vorgesehene Szenario 2, d. h. die Frage, ob „[d]ie Beihilfe … ein Anreiz [ist], die geplante Investition in dem jeweiligen Gebiet und nicht anderswo zu tätigen, da sie die mit dem Fördergebiet verbundenen Nettonachteile und Kosten ausgleicht“, hat die Kommission in den Erwägungsgründen 168 bis 173 des angefochtenen Beschlusses die Auffassung vertreten, dass dieses Szenario dem vorliegenden Fall entspreche.

89

In diesem Zusammenhang hat die Kommission insbesondere im 170. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die von der Bundesrepublik Deutschland erhaltenen Informationen verwiesen, die zum einen die weiteren ursprünglich für die Investition in Betracht gezogenen Standorte und deren Prüfung durch BMW und zum anderen die Daten betrafen, anhand deren die Investitionskosten in München und in Leipzig verglichen werden sollten, d. h. in den beiden Städten, die sich nach den Vorprüfungen noch auf der Liste der in Betracht kommenden Standorte befanden.

90

Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass die aus Unterlagen vom Dezember 2009 hervorgehenden Berechnungen zeigten, dass ohne die fragliche Beihilfe die Investitionskosten in München um 17 Mio. Euro niedriger gewesen wären als in Leipzig. Außerdem hat die Kommission auf die strategischen Vorteile von Leipzig gegenüber anderen zuvor geprüften Standorten hingewiesen, nämlich außer der Möglichkeit, die Produktion einfach zu steigern, auch die Umstände, dass der Bau nicht „auf der grünen Wiese“ beginnen müsse, dass der Produktionsstandort nicht weit von den Standorten der Produktion von kohlefaserverstärkten Kunststoffen entfernt sei, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gebe, dass der Schutz des Know-how gewährleistet sei und dass der Standort nicht allzu weit vom Entwicklungszentrum des Beihilfeempfängers entfernt sei.

91

Nach dem weiteren Hinweis, dass die Unterlagen belegten, dass die Verfügbarkeit einer staatlichen Beihilfe in Höhe von 50 Mio. Euro im Vorfeld der Entscheidung über die Investition und den Standort analysiert worden sei, ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass „[die Bundesrepublik] Deutschland anhand der vorgenannten echten und aktuellen Dokumente unter Beweis gestellt hat, dass die Entscheidung, das Investitionsvorhaben zur Herstellung des Modells i3 in Leipzig und nicht in München anzusiedeln, durch die Verfügbarkeit der staatlichen Beihilfe hervorgerufen wurde“.

92

Somit ist zu betonen, dass die Kommission auf Unterlagen Bezug nahm, die dem Vorstand der BMW Group im Dezember 2009 vorgelegt wurden und Mehrkosten in Höhe von 17 Mio. Euro für die Investition in Leipzig auswiesen, aber auch andere Unterlagen berücksichtigte, die belegten, dass die Verfügbarkeit einer höheren Beihilfe, nämlich 50 Mio. Euro, ebenfalls im Vorfeld der Entscheidung über die Investition und den Standort geprüft worden war.

93

Insoweit hebt das Gericht außerdem hervor, dass die Kommission, wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, der Beihilfe weder in Höhe von 17 Mio. Euro noch in der nach den internen Unterlagen des begünstigten Unternehmens als „mögliche Fördermittel“ angesehenen Höhe von 50 Mio. Euro den Anreizcharakter absprach. Die Kommission stellte lediglich fest, dass hinsichtlich des über 17 Mio. Euro hinausgehenden Beihilfebetrags das Erfordernis der Angemessenheit nicht erfüllt sei, was im vorliegenden Verfahren Gegenstand einer eigenständigen Rüge ist.

94

Im Übrigen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass der Anreizeffekt für BMW nur in der möglichen Bewilligung der Beihilfe in Höhe von ca. 50 Mio. Euro – gemäß der Schätzung dieses Unternehmens – und nicht in Höhe von 17 Mio. Euro bestand, wie sie auch der entsprechenden Empfehlung an den Unternehmensvorstand entnehmen zu können glaubt. Wie nachfolgend in den die „Notwendigkeit“ der Beihilfe betreffenden Rn. 113 ff. ausführlich dargelegt wird, war es nämlich bereits der als voraussichtliche Kostendifferenz zwischen den Standorten München und Leipzig ermittelte Betrag von 17 Mio. Euro, der von den Entscheidungsgremien des begünstigten Unternehmens bei der Bewertung der Machbarkeit der fraglichen Investition in Leipzig zugrunde gelegt worden war und der letztlich tatsächlich dazu beitrug, dass die Investition als Vorhaben, das dieses Unternehmen nicht aus eigenen Mitteln im Fördergebiet zum Abschluss gebracht hätte, getätigt wurde.

95

Vor diesem Hintergrund ist überdies festzustellen, dass die verschiedenen Ausführungen der Klägerin zu dem als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehenden Beihilfebetrag, darunter die Kritik, dass eine „rechtswidrige Verquickung“ von Anreizeffekt und Angemessenheit der Beihilfe vorliege, die Frage der „Quantifizierung“ des Anreizeffekts oder auch die Frage, ob „die Beihilfenhöhe auf den ex ante geschätzten Differenzkostenbetrag zu begrenzen“ war, in Wirklichkeit die Angemessenheit der Beihilfe betreffen und im Rahmen der folgenden Rüge geprüft werden.

96

Desgleichen ist die in der Erwiderung erhobene Rüge der Klägerin, die sich auf die Vereinbarkeit der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben mit höherrangigem Recht bezieht – soweit sie so zu verstehen ist, dass mit ihr die Rechtswidrigkeit dieser Mitteilung geltend gemacht wird –, nicht schon in der Klageschrift eindeutig geltend gemacht worden und ist auch nicht substantiiert. Somit ist sie unzulässig. Im Übrigen ist die rechtliche Tragweite dieser Mitteilung bereits untersucht worden (siehe oben, Rn. 43).

97

Was schließlich die oben in Rn. 77 zusammengefassten Ausführungen des Streithelfers angeht, ist zum einen das Vorbringen, dass im vorliegenden Fall eine Wettbewerbsverzerrung zulasten des Investors und Beihilfeempfängers entstehe, der daher geschützt werden müsse, zurückzuweisen, da es nicht mit einer hinreichend klaren Rechtsgrundlage in Verbindung gebracht werden kann. Sollte dieses Vorbringen insbesondere so zu verstehen sein, dass eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gegenüber Unternehmen mit einem Marktanteil von weniger als 25 % geltend gemacht wird, so ist bereits darauf hingewiesen worden, dass eine Verletzung dieses Grundsatzes hier nicht vorliegen kann, da die Kommission unabhängig von einer Überschreitung dieses Schwellenwerts eingehende Prüfungen vornehmen darf (siehe oben, Rn. 67). Sollte das genannte Vorbringen umfassender zu verstehen sein, genügt die Feststellung, dass es Aufgabe der Kommission ist, im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion über staatliche Beihilfen deren Auswirkungen auf den Wettbewerb als Ganzes zu beurteilen.

98

Was zum anderen das Vorbringen des Streithelfers anbelangt, dass eine „Unterkompensation“ zulasten des Investors vorliege, so wird es im Rahmen der folgenden Rüge geprüft, da es möglicherweise an die Frage anknüpft, ob die Angemessenheit der Beihilfe von der Kommission tatsächlich beurteilt worden war.

99

Nach alledem und angesichts dessen, dass die Kommission im 173. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses den Anreizcharakter der Beihilfe zu Recht bejaht hat, ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes

100

Dieser Teil untergliedert sich seinerseits in drei Rügen. Die erste Rüge betrifft eine unzulässige Verschränkung von Anreizeffekt und Angemessenheit der Beihilfe, die zweite eine offenkundig fehlerhafte Prüfung ihrer Angemessenheit anhand von Planungskosten anstelle der tatsächlichen Kosten und die letzte die offenkundig fehlerhafte Feststellung eines die Standortnachteile übersteigenden Betrags.

101

Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Angemessenheit der Beihilfe offenkundig fehlerhaft beurteilt, indem sie die Prüfung von Anreizeffekt und Angemessenheit miteinander verschränkt habe. Insoweit habe die Kommission im 183. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass in Nr. 33 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben ausdrücklich festgelegt werde, „dass die Beihilfe der Differenz zwischen den Nettokosten der beiden Standortalternativen entsprechen muss, damit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt ist“. Deshalb sei die Beihilfe nur bis zur Höhe des Betrags als verhältnismäßig anzusehen, der „zur Auslösung der Investitionsentscheidung … zugunsten des betreffenden Standorts notwendig war“. Dabei habe die Kommission auf dieselben Unterlagen abgestellt, die zum Nachweis des Anreizeffekts der Beihilfe herangezogen worden seien, nämlich die Dokumente, die dem Vorstand von BMW zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung im Dezember 2009 vorgelegen hätten und im Vergleich der Standorte Leipzig und München einen Differenzbetrag bei den Planungskosten von 17 Mio. Euro ausgewiesen hätten. Zurückgewiesen habe die Kommission dagegen spätere Unterlagen, die Kosten enthalten hätten, die erst im Anschluss an die betreffende Investitions- bzw. Standortentscheidung über mehrere Jahre hinweg angefallen seien (vgl. den 180. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

– Zur ersten Rüge

102

Unter Verweis auf Nr. 7 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben trägt die Klägerin vor, die Kommission hätte im Rahmen ihrer Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe eine vertiefte wettbewerbsrechtliche Würdigung dahin gehend vornehmen müssen, ob die Beihilfe angesichts der Durchführungskosten der Investition über das erforderliche Maß hinausgehe und dadurch den Wettbewerb beeinträchtige. Für die Angemessenheit der Beihilfe sei nach der Systematik von Art. 107 Abs. 3 AEUV und der Verordnung Nr. 800/2008 keine schematische Kopplung der Beihilfehöhe an den Nachweis von Mehrkosten vorgesehen, sondern es bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, Beihilfen im Rahmen der genehmigten Höchstsätze zu gewähren. Etwas anderes folge auch nicht aus Nr. 33 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, die im Übrigen die Vorschriften der Verordnung nicht verdrängen könne. Die Kommission begehe einen offenkundigen Ermessensfehler, indem sie davon ausgehe, dass Nr. 33 dieser Mitteilung als „allgemeine Regel“ und „keinesfalls als Beispiel“ zu verstehen sei. Vorliegend hätte sie berücksichtigen müssen, dass die Marktmachtprüfung nach Punkt 68 Buchst. a der Leitlinien keine eindeutigen Ergebnisse geliefert habe. Zu verweisen sei außerdem auf den dynamischen Charakter der in Rede stehenden Märkte.

103

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

104

Das Gericht stellt fest, dass nach dem Vorbringen der Klägerin die „Förderzusage“ in Höhe von – ihr zufolge – 49 Mio. Euro aus zwei Teilen bestand. Nach ihrer Darstellung bestand der erste Teil in dem Betrag, mit dem sich die Standortnachteile ausgleichen ließen, und der zweite Teil diente der Abdeckung anderer im Rahmen der Projektdurchführung bekannt werdender Nachteile sowie der nicht bezifferten (und zum Teil nicht bezifferbaren) Nachteile, die notwendigerweise damit verbunden seien, dass eine Investition in ein völlig neuartiges und knapp kalkuliertes Fahrzeug nicht am Heimatstandort des Unternehmens, sondern an einem anderen Fertigungsstandort vorgenommen werde.

105

Wie die Kommission ist das Gericht in Bezug auf diesen zweiten Teil der Auffassung, dass keine Veranlassung besteht, mittels staatlicher Beihilfen jedes mit einem bestimmten Projekt verbundene Investitionsrisiko abzuwenden. Solche Risiken fallen vielmehr in die Verantwortung des durch die Beihilfe begünstigten Unternehmens, insbesondere wenn sie vorab nicht beziffert oder zum Teil nicht einmal bezifferbar waren. Das ausschlaggebende Kriterium bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Beihilfe ist allein, ob die Beihilfe notwendig war, um die Durchführung des Investitionsvorhabens im betreffenden Fördergebiet zu veranlassen. Gemäß Nr. 33 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben ist dies der Fall, wenn die Beihilfe „der Differenz zwischen den Nettokosten, die dem Empfängerunternehmen für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Nettokosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet/andere Gebiete entstehen würden, entspricht“.

106

Was das Vorbringen der Klägerin angeht, dass nach Art. 13 der Verordnung Nr. 800/2008 und Punkt 38 der Leitlinien die zulässige Beihilfeintensität „allein anhand der beihilfefähigen Kosten“ bemessen werde, ist darauf hinzuweisen, dass daraus nicht klar hervorgeht, inwiefern diese Bestimmungen im vorliegenden Fall die Position der Klägerin stärken könnten. Ihr Wortlaut begründet nämlich keine Verpflichtung zur nachträglichen Berücksichtigung von Kosten, die für ein konkretes, durch eine staatliche Regionalbeihilfe begünstigtes Vorhaben tatsächlich angefallen sind.

107

Im Übrigen folgt schon aus dem Grundgedanken von Punkt 38 der Leitlinien, dass die Kosten, die Gegenstand der staatlichen Beihilfe sein werden, grundsätzlich vor Beginn der Arbeiten absehbar sein müssen. So ist vorgesehen, dass eine Beihilfe im Rahmen einer Beihilferegelung nur gewährt werden kann, wenn der Empfänger einen entsprechenden Antrag gestellt und die für die Verwaltung zuständige Behörde „vor Beginn der Arbeiten“ schriftlich bestätigt hat, dass das Vorhaben vorbehaltlich einer detaillierten Überprüfung die Förderwürdigkeitsbedingungen grundsätzlich erfüllt. Im gleichen Sinne sieht die genannte Bestimmung für „Ad-hoc-Beihilfen“ vor, dass die zuständige Behörde „vor Beginn der Arbeiten“ eine „schriftliche Absichtserklärung“ abgeben muss, die von der Genehmigung der Beihilfe durch die Kommission abhängig ist. Außerdem ist ausdrücklich geregelt, dass, wenn die Arbeiten begonnen werden, „bevor [die in der fraglichen Bestimmung vorgesehenen] Bedingungen erfüllt sind, … das Vorhaben keine Beihilfen erhalten [kann]“. Schließlich kann auch nicht von der – unter Verweis auf die Verordnung Nr. 800/2008, insbesondere deren Art. 6 Abs. 2, geäußerten – Prämisse der Klägerin ausgegangen werden, dass „die Möglichkeit [besteht], die Beihilfe im Rahmen der genehmigten Höchstsätze zu gewähren“, da dieses Vorbringen impliziert, dass es nicht notwendig sei, die Höhe der Beihilfe unter dem Aspekt der Angemessenheit zu prüfen.

108

In Bezug auf das Vorbringen, dass die Kommission bei der Prüfung sowohl des Anreizeffekts als auch der Angemessenheit der Beihilfe auf dieselben Unterlagen abgestellt habe, ist festzustellen, dass nach der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben und insbesondere ihrer Nr. 34 eine solche Vorgehensweise nicht ausgeschlossen ist. Denn nach dieser Regelung „[bewirken die] durch die regionalen Nachteile bedingten Nettokosten [im Sinne von Nr. 33] … eine geringere Rentabilität der Investition. Deshalb können die für die Analyse des Anreizeffekts verwendeten Berechnungen auch bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe zugrunde gelegt werden.“

109

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung eine Beihilfe nur dann für mit Art. 107 Abs. 3 AEUV vereinbar erklären kann, wenn sie feststellen kann, dass die Beihilfe zur Verwirklichung eines der genannten Ziele beiträgt, die das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen durch eigene Maßnahmen nicht erreichen könnte. Den Mitgliedstaaten darf mit anderen Worten nicht erlaubt werden, Zahlungen zu leisten, die die finanzielle Lage des begünstigten Unternehmens verbessern würden, ohne zur Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ziele notwendig zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

110

Nach dieser Rechtsprechung kann nämlich nicht zugelassen werden, dass die Modalitäten und insbesondere die Höhe einer Beihilfe beschränkende Auswirkungen haben, die über das hinausgehen, was erforderlich ist, um mit der Beihilfe die nach dem Vertrag zulässigen Ziele erreichen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

111

Dass eine Beihilfe nicht notwendig ist, kann sich im Übrigen insbesondere daraus ergeben, dass das Beihilfevorhaben vom betroffenen Unternehmen bereits in Angriff genommen oder sogar abgeschlossen wurde, bevor der Beihilfeantrag den zuständigen Behörden zugeleitet wird, so dass die betreffende Beihilfe keinen Anreiz mehr bieten kann (Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 69).

112

Vorliegend ist zunächst daran zu erinnern, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht nachgewiesen worden ist, dass der Anreizeffekt und die Notwendigkeit der Beihilfe für BMW nur aufgrund der möglichen Bewilligung einer Beihilfe in Höhe von ca. 50 Mio. Euro bestanden (siehe oben, Rn. 94).

113

Hierzu ergibt sich aus dem Dokument, das die Bundesrepublik Deutschland der Kommission am 5. April 2012 in Beantwortung ihrer Schreiben vom 17. Februar und vom 21. März 2012 übermittelte und das insbesondere die Analyse einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Gegenstand hat, dass der Vergleich zwischen den Standorten München und Leipzig zur Feststellung einer Differenz von 17 Mio. Euro führte, wobei in diesem Betrag eine ganze Reihe von maßgeblichen Daten Berücksichtigung fanden, die in Rn. 77 des genannten Schreibens aufgezählt wurden. In die Analyse einbezogen wurden die Strukturinvestitionskosten, die Planungskosten, die Fixkosten, die Materialkosten und weitere Kosten. Darüber hinaus wurde der Umstand, dass der Standort Leipzig gegebenenfalls eine künftige Produktionssteigerung ermöglichen würde, in der Entscheidung zu seinen Gunsten berücksichtigt.

114

Wie sich aus Rn. 81 des oben genannten Schreibens vom 5. April 2012 ergibt – die auf eben die Tabelle folgt, die die Differenz von 17 Mio. Euro zwischen den beiden in Rede stehenden Standorten enthält –, war die staatliche Beihilfe in dieser Höhe von zentraler Bedeutung für die Entscheidung über den Investitionsstandort. Diese staatliche Beihilfe wurde für notwendig erachtet, um die Investition in Leipzig dem Standort München anzugleichen, dessen Vorteil in der Nutzung bereits vorhandener Gebäude bestand. Dieselbe Schlussfolgerung ergibt sich aus verschiedenen internen Unterlagen von BMW, auf die sich die Bundesrepublik Deutschland im Verwaltungsverfahren stützte, wie etwa diejenigen vom Dezember 2009, insbesondere das Protokoll einer Vorstandssitzung vom 15. Dezember 2009, auf das in den Erwägungsgründen 170, 175 und 176 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird.

115

In diesem besonderen Zusammenhang ist auch die interne Empfehlung der Klägerin zu sehen, die aus Anlage 2 des Schreibens vom 5. April 2012 (S. 489) hervorgeht und – ohne nähere Erläuterungen hierzu – darin bestand, eine staatliche Beihilfe in Höhe von 50 Mio. Euro zu beantragen. Im Übrigen ist festzustellen, dass in der auf dieser Seite wiedergegebenen Tabelle nur „Möglichkeiten der Investitionszulage und des Investitionszuschusses“ erwähnt werden, nämlich der mögliche Erhalt einer Beihilfe in Höhe von 12,5 % der Investition, d. h. von 50 Mio. Euro, ohne dass ein klarer Bezug zu den vorangegangenen Analysen hergestellt wird. Dieselbe Feststellung gilt für das Aufgreifen dieser Empfehlung in Anlage 3 des in Rede stehenden Schreibens (S. 496 bis 501), die ein internes Protokoll der Klägerin vom 15. Dezember 2009 zum Gegenstand hat, und in Anlage 4 des Schreibens (S. 505), die Schlussfolgerungen aus einer Bewertung der Möglichkeiten des Erhalts steuerlicher oder anderer Vergünstigungen an den verschiedenen miteinander verglichenen Standorten enthält; auf diese Analysen nimmt auch die Klägerin in den Rn. 39 ff. ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts Bezug. Insbesondere ergibt sich weder aus den der Kommission von der Bundesrepublik Deutschland übermittelten Unterlagen noch aus dem Vorbringen der Klägerin vor dem Gericht, dass der Betrag von 50 Mio. Euro zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Standort der zu tätigenden Investition anhand von Gesichtspunkten wie vorhersehbaren oder gar wahrscheinlichen Szenarien, die sich im Zuge der Vornahme der Investition ergeben konnten, beziffert worden wäre. Zu ergänzen ist, wie die Kommission hervorhebt, dass die fragliche Investition für Leipzig geplant wurde, dass sie endgültig beschlossen wurde und dass das Vorhaben bereits im Anschluss an die Genehmigung der Beihilfe in Höhe von 17 Mio. Euro umgesetzt wurde (vgl. auch den 176. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

116

Dies waren die Umstände, unter denen die Kommission sodann in ihrem Schreiben vom 10. August 2012 der Bundesrepublik Deutschland mitteilte, dass die mit der Investition in Leipzig verbundenen Zusatzkosten auf der Grundlage der von ihr erhaltenen Informationen durch einen geringeren Beihilfebetrag als den im Antrag von BMW genannten ausgeglichen werden könnten.

117

Nach Ansicht der Kommission waren die negativen Auswirkungen der Beihilfe in ihrer ursprünglich beantragten Höhe zu stark und konnten nicht durch die Verfolgung eines regionalpolitischen Ziels kompensiert werden. Dies wird in den Erwägungsgründen 174 ff. des angefochtenen Beschlusses näher ausgeführt.

118

Zu Recht berücksichtigte die Kommission im Einklang mit Nr. 29 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, dass „Regionalbeihilfen … dem Grundsatz der Angemessenheit [entsprechen], wenn ihre Höhe und Intensität auf das für die Investition in dem Fördergebiet erforderliche Minimum beschränkt sind“. Nach Nr. 33 dieser Mitteilung wird in Bezug auf einen Standortanreiz in der Regel davon ausgegangen, dass die Beihilfe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfüllt, wenn sie der Differenz zwischen den Nettokosten, die dem Empfängerunternehmen für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Nettokosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet/andere Gebiete entstehen würden, entspricht.

119

Im vorliegenden Fall hat die Kommission hinsichtlich des über 17 Mio. Euro hinausgehenden Betrags keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie festgestellt hat, dass es sich nicht um eine Beihilfe handele, die als Investitionsanreiz „notwendig“ sei, wie es Nr. 21 der genannten Mitteilung, die auf Punkt 68 der Leitlinien verweist, vorsieht.

120

Zu Recht hat die Kommission im 182. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeute, dass der Anteil der Beihilfe, der über das für die Auslösung der Entscheidung zur Investition im Fördergebiet erforderliche Minimum hinausgehe, als überflüssig anzusehen sei, weil dies eine nicht an Bedingungen geknüpfte finanzielle Zuwendung zugunsten des Beihilfeempfängers darstelle, die keinem Zweck diene, der mit den Beihilfevorschriften vereinbar wäre.

121

Im vorliegenden Fall ist aber nicht nachgewiesen worden, dass auch über den Betrag von 17 Mio. Euro hinaus „die Beihilfe tatsächlich dazu [beigetragen hat], das Verhalten des Beihilfeempfängers dahin gehend zu beeinflussen, dass er in dem betreffenden Fördergebiet (zusätzliche) Investitionen tätigt“.

122

Der bloße Umstand, dass in der Empfehlung an die Entscheidungsgremien von BMW die Möglichkeit erwähnt wurde, eine Beihilfe in Höhe von 50 Mio. Euro zu erhalten, kann nicht als ausschlaggebend angesehen werden, wenn man ihn in dem Kontext betrachtet, dass die technischen Unterlagen zugleich eine Analyse enthielten, wonach sich die Kostendifferenz zwischen der Vornahme der Investition in München oder in Leipzig nur auf 17 Mio. Euro belief, ohne dass eindeutig erläutert worden wäre, weshalb der beantragte Betrag höher war. Der Akteninhalt erlaubt im Wesentlichen nur die Feststellung, dass eine mögliche Beihilfe in Höhe von bis zu 50 Mio. Euro insbesondere vom BMW-Vorstand als Höchstbetrag angesehen wurde, der gegebenenfalls erreicht werden konnte.

123

Insoweit kann es nicht als ausreichend angesehen werden, sich allgemein auf die für eine Investition in einem Fördergebiet vorgesehene Obergrenze zu beziehen oder auf künftige mit der Investition verbundene Risiken, etwa aufgrund veränderter Arbeitskosten, zu verweisen, ohne dass diese Angaben genau zu beziffern wären. Ebenso irrelevant ist es für die Bewilligung einer Beihilfe in Höhe von 50 Mio. Euro, zu betonen, dass die Beihilfe zur Verbesserung der Rentabilität des betreffenden Vorhabens beigetragen hätte, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat.

124

Zur Bezugnahme der Klägerin und des Streithelfers auf den Beschluss C(2014) 5071 final der Kommission vom 23. Juli 2014 über die staatliche Beihilfe SA.30743 (2012/C) (ex N 138/2010) – Germany – Financing of infrastructure projects at Leipzig/Halle airport in der die Finanzierung der Infrastruktur des Flughafens Leipzig/Halle betreffenden Sache ist zum einen festzustellen, dass diese Sache einen anderen Sektor betrifft, für den besondere Rechtsnormen gelten (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 8, 315 und 352 dieses Beschlusses).

125

Zum anderen unterscheiden sich die in der soeben in Rn. 124 erwähnten Sache aufgeworfenen Fragen – darunter die Frage, welcher Teil der Investition im öffentlichen Interesse liegt – vom vorliegenden Fall (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 209 ff. des soeben in Rn. 124 erwähnten Beschlusses). Zudem wurde, wie sich aus den Erwägungsgründen 326 und 337 dieses Beschlusses ergibt, die Prüfung des Anreizeffekts auch dort aus der Ex-ante-Perspektive vorgenommen. Derselbe Ansatz wurde in den Erwägungsgründen 340 und 341 des Beschlusses bei der Beurteilung der Angemessenheit der Beihilfe verfolgt. Zur materiellen Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe ergibt sich insbesondere aus dem 317. Erwägungsgrund des soeben in Rn. 124 erwähnten Beschlusses und dessen Erwägungsgründen 340 ff., dass die Kommission prüfte, ob die Beihilfe „auf das erforderliche Minimum beschränkt“ war. Lediglich ergänzend heißt es im 342. Erwägungsgrund dieses Beschlusses:

„Die Beihilfeintensität darf keinesfalls über die tatsächliche Finanzierungslücke im Rahmen des Investitionsvorhabens hinausgehen.“

126

Zu den von der Bundesrepublik Deutschland im vorliegenden Fall im September 2012 bei der Kommission eingereichten Unterlagen, mit denen die tatsächlichen Investitionskosten nachgewiesen werden sollten, ist Folgendes festzustellen.

127

In den Erwägungsgründen 186 ff. des angefochtenen Beschlusses führt die Kommission aus, es sei nicht möglich, nachträglich und somit verspätet eingereichte Angaben zu berücksichtigen, deren Beweiskraft zudem zweifelhaft sei. Ohne dass es notwendig wäre, über die Beweiskraft der fraglichen Unterlagen zu befinden, stellt das Gericht fest, dass in der Tat auch die Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung vorzunehmen ist, d. h. in dem Kontext, in dem das begünstigte Unternehmen über den Standort seines Vorhabens entscheidet.

128

Dies folgt nämlich bereits aus dem Grundgedanken von Nr. 21 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, die auf Punkt 68 der Leitlinien verweist und die Kommission verpflichtet, zu prüfen, ob die Beihilfe als Investitionsanreiz „notwendig“ ist. Zu der Tatsache, dass der „Anreizeffekt“ bereits vor der Investitionsentscheidung zu prüfen ist, kommt hinzu, dass die Frage, ob die Beihilfe insoweit „notwendig“ ist, zur Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe gehört. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin können diese Kriterien unmöglich dergestalt getrennt werden, dass eines von ihnen vorab und das andere nachträglich geprüft wird.

129

Hinzuzufügen ist, dass die von der Klägerin befürwortete Lösung dazu führen würde, dass selbst eine staatliche Beihilfe, die über das für das angestrebte Ziel absolut Notwendige hinausgeht, allein deshalb als Anreiz entfaltend und angemessen angesehen werden könnte, weil sie möglicherweise zur Verwirklichung eines Vorhabens im Sinne von Nr. 22 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben führt, ohne dass berücksichtigt würde, ob diese Beihilfe nicht in Wirklichkeit eine Zahlung darstellt, durch die sich die finanzielle Lage des begünstigten Unternehmens verbessert, ohne dass sie zur Erreichung der in Art. 107 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Ziele notwendig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, EU:T:2009:2, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch entsprechend Urteil vom 14. Januar 1997, Spanien/Kommission, C‑169/95, EU:C:1997:10, Rn. 17). Diese Auslegung, nach der sowohl die Notwendigkeit als auch der Anreizeffekt der Beihilfe zum Zeitpunkt der Investition zu prüfen sind, steht im Einklang mit Nr. 29 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben sowie mit deren Nr. 26, die sich u. a. auf „einem Investitionsausschuss vorgelegte Unterlagen, in denen verschiedene Investitionsszenarios untersucht werden“, bezieht.

130

Schließlich kann, wie die Kommission im 187. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausführt, die Prüfung des Anreizeffekts der Beihilfe und ihrer Angemessenheit im Zusammenhang mit der Wahl des Standorts Leipzig nicht von der Investition in das Vorhaben der Fertigung von i8-Fahrzeugen abhängen, da diese Investition erst dann zum ursprünglichen Vorhaben der Fertigung von i3-Fahrzeugen hinzukam, als der Standort Leipzig bereits feststand. Die Klägerin hat vor dem Gericht selbst vorgetragen, dass die ursprüngliche Entscheidung von 2009 zugunsten von Leipzig nur das Modell i3 betroffen habe, wohingegen über die Fertigung des Modells i8 erst 2011 entschieden worden sei. Wie die Kommission ausführt, war die das Modell i8 betreffende Entscheidung im Zusammenhang mit dem Szenario 2 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben (siehe oben, Rn. 88), d. h. vor dem Hintergrund, dass die Investition bereits geografisch festgelegt war, gar nicht mehr zu prüfen. Denn wie in dem genannten Erwägungsgrund dargelegt wird, kam angesichts der geringen Zahl von Fahrzeugen, die hergestellt werden sollten, kein anderer Standort als Leipzig in Betracht. Im Übrigen hatte die Bundesrepublik Deutschland selbst angegeben, dass die ursprünglich geplanten Stückzahlen von Elektrofahrzeugen durch die Einbeziehung des Modells i8 nicht verändert würden, und sie hatte auch nicht geltend gemacht, dass insoweit die Prüfung der angemeldeten Beihilfe zu modifizieren sei.

131

Nach alledem weist das Gericht die vorliegende Rüge der Klägerin zurück, da die Angemessenheit der Beihilfe nicht für ihre gesamte Höhe, d. h. über 17 Mio. Euro hinaus, nachgewiesen worden ist.

– Zur zweiten Rüge

132

Nach Ansicht der Klägerin war die Zugrundelegung von „Planungskosten“ bei der Ermittlung der Angemessenheit der Beihilfe ein offenkundiger Fehler, da es für die Angemessenheit auf die „tatsächlich anfallenden Kosten“ ankomme. Die Angemessenheit der Beihilfe und die beihilfefähigen Kosten seien stets ex post zu prüfen, um die ökonomische Wirklichkeit mit einzubeziehen. Nur der Anreizeffekt könne ex ante, d. h. zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung, geprüft werden. Jede andere Vorgehensweise sei unverhältnismäßig, verkenne die ökonomische Wirklichkeit und öffne dem Missbrauch durch Angabe überhöhter Planungskosten Tür und Tor. Im vorliegenden Fall seien die Mehrkosten der Kommission im Laufe des Verfahrens mitgeteilt worden. Überdies sei die Klägerin auch nach den Vorschriften des IZG verpflichtet gewesen, die tatsächlichen Bedingungen der Vornahme der Investition nachzuweisen. Die Kommission sei schematisch vorgegangen, d. h. ohne Prüfung der Auswirkungen des Teils der Beihilfe, der über den auf 17 Mio. Euro geschätzten Differenzkostenbetrag hinausgehe. Damit habe sie ihr Ermessen nicht ausgeschöpft.

133

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

134

Das Gericht verweist insoweit auf die bereits im Rahmen der vorhergehenden Rügen vorgenommenen Prüfungen. Die Klägerin gibt nämlich keine genaue Rechtsgrundlage an, die die Feststellung erlauben würde, dass im vorliegenden Fall die „tatsächlichen“ und nicht die ursprünglich bei der Investitionsentscheidung geplanten Kosten zu berücksichtigen wären.

135

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist es nicht als „unverhältnismäßig“ anzusehen, dass die Kommission bei der Prüfung der Notwendigkeit und des Anreizcharakters der Beihilfe die ihr zur Verfügung stehenden Informationen würdigte und dabei auf die Situation zum Zeitpunkt der Entscheidung abstellte, die eine endgültige Wahl des Investitionsstandorts ermöglichte.

136

Zum Vorbringen der Klägerin, dass diese Vorgehensweise der Kommission dem Missbrauch durch Angabe überhöhter Planungskosten Tür und Tor öffne, genügt die Feststellung, dass die Kommission, wie insbesondere aus dem letzten Satz von Nr. 25 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben hervorgeht, im Rahmen der Bewertung der verschiedenen vom notifizierenden Mitgliedstaat dargelegten kontrafaktischen Szenarien zu prüfen hat, ob die geplanten Kosten „realistisch“ waren.

137

Schließlich besteht nach Nr. 28 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, wenn „die Beihilfe das Verhalten des Empfängers nicht dahin gehend [ändert], dass er (zusätzliche) Investitionen in dem betreffenden Fördergebiet tätigt, … kein ausreichender Anreiz, die regionale Zielsetzung zu verwirklichen“. Weiter heißt es dort: „Daher werden Regionalbeihilfen zur Förderung großer Investitionsvorhaben, die Gegenstand einer eingehenden Prüfung sind, nicht genehmigt, wenn sich zeigt, dass die jeweilige Investition in dem betreffenden Gebiet auch ohne die Beihilfe getätigt worden wäre“ (vgl. den letzten Satz von Nr. 3 dieser Mitteilung).

138

Aus dem Grundgedanken dieser Bestimmung folgt, dass die Kommission zu prüfen hat, ob eine Beihilfe geeignet ist, das Verhalten eines Unternehmens zu beeinflussen und es dazu zu bewegen, eine Investition zu tätigen, die es ohne eine Beihilfe in vorab festgelegter und „notwendiger“ Höhe nicht getätigt hätte. Die nachträgliche Würdigung der tatsächlichen Kosten wirkt sich nicht mehr auf diesen Prüfungsaspekt aus, sondern erlaubt es allenfalls, Gesichtspunkte herauszuarbeiten, die zum unternehmerischen Risiko des durch die Beihilfe begünstigten Unternehmens gehören.

139

Somit ist auch diese Rüge zurückzuweisen.

– Zur dritten Rüge

140

Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe in offenkundig fehlerhafter Weise im 182. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der über das erforderliche Minimum für die Auslösung der Entscheidung zur Investition im Fördergebiet hinausgehende Teil der Beihilfe als überflüssig anzusehen sei, weil dieser Teil der finanziellen Zuwendung zugunsten des Beihilfeempfängers keinem mit den Beihilfevorschriften vereinbaren Zweck diene. Diese Feststellung beruhe auf der fehlerhaften Erwägung, dass die Investition von BMW zwingend auch dann in Leipzig vorgenommen worden wäre, wenn die Förderzusage nur 17 Mio. Euro betragen hätte. Das Unternehmen sei aber im Gegenteil von einer Förderzusage in Höhe von 49 Mio. Euro ausgegangen, was die Entscheidung für die Investition im Fördergebiet ausgelöst habe. Die Beihilfe habe einem mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbaren Zweck gedient, denn sie habe die Voraussetzungen des IZG erfüllt, das nach der Verordnung Nr. 800/2008 eine mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilferegelung darstelle. Der Vorwurf der versuchten Umgehung der Beihilferegeln werde zurückgewiesen.

141

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

142

Das Gericht stellt fest, dass diese Rüge aus denselben Gründen zurückzuweisen ist wie die vorhergehenden Rügen. Zu ergänzen ist, dass die in Rede stehende Investitionsentscheidung, wie die Kommission in Rn. 93 der Klagebeantwortung mitteilt, von dem begünstigten Unternehmen bereits auf der Grundlage einer Förderzusage der Bundesrepublik Deutschland getroffen worden war, die unter dem Vorbehalt der endgültigen Genehmigung durch die Kommission stand. Die Kommission hat aber nur den Betrag von 17 Mio. Euro genehmigt, der an die bezifferten Angaben zu den Kostenunterschieden zwischen den Standorten Leipzig und München anknüpft; diese Angaben wurden in der Dokumentation, die den zuständigen Gremien von BMW als Grundlage diente, präsentiert und waren in der Folge Teil der Anmeldeunterlagen.

Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes

143

Die Klägerin meint, die Feststellung der Kommission im 189. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach der zusätzliche Betrag von 28257273 Euro negative Folgen hätte und den Wettbewerb stark verfälschen würde, zumal Wettbewerber infolgedessen vor Investitionen in ähnliche Produkte zurückschrecken könnten, was zur Verdrängung von privaten Investoren aus dem relevanten Markt beitragen würde, entbehre mangels Prüfung und mangels kritischer Stellungnahmen Dritter im Verwaltungsverfahren jeder Grundlage. Die Kommission habe ihr Ermessen nicht ausgeübt. Man könne nicht annehmen, dass sich jede über die Kostendifferenz zwischen den fraglichen Standorten hinausgehende Beihilfe automatisch wettbewerbsverfälschend auswirke, insbesondere nicht ohne Prüfung der Marktmacht von BMW und ohne Abwägung der Vor- und Nachteile der geförderten Investition. Im vorliegenden Fall lägen die positiven Auswirkungen der Maßnahme auf der Hand, da sie die Entwicklung der betreffenden Region fördere und der Erreichung vorrangiger Ziele der Union im Bereich von Umweltschutz und Energie diene.

144

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

145

Insoweit erinnert das Gericht daran, dass eine Regionalbeihilfe nur dann angemessen ist, wenn sich ihre Höhe und ihre Intensität auf das Minimum beschränken, das erforderlich ist, damit die Investition im Fördergebiet durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Nr. 30 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, zu deren Anwendung die Kommission im vorliegenden Fall berechtigt war (siehe oben, Rn. 66 am Ende), auf die Leitlinien und auf bestimmte Obergrenzen für Regionalbeihilfen, nach Maßgabe der Probleme in den betreffenden Fördergebieten, verweist. Ferner bestimmt Nr. 33 dieser Mitteilung, wann eine Beihilfe in der Regel als angemessen angesehen wird. Es wird auf den Umstand verwiesen, dass die Beihilfe der Differenz zwischen den Nettokosten, die dem Empfängerunternehmen für die Investition in das Fördergebiet entstehen, und den Nettokosten, die ihm für die Investition in ein anderes Gebiet/andere Gebiete entstehen würden, entspricht. Verschiedene dabei zu berücksichtigende Kriterien werden aufgezählt. Im Übrigen ist zu betonen, dass ein solcher Grundsatz der Angemessenheit, der darin besteht, eine Beihilfe auf das erforderliche Minimum zu beschränken, um Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt zu verringern, auch in anderen Bereichen des Rechts der staatlichen Beihilfen relevant ist (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 54, 57 und 59).

146

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, da das Kriterium der „Angemessenheit“ für den über 17 Mio. Euro hinausgehenden Teil der Beihilfe nicht nachgewiesen worden war, weder einen Rechtsfehler noch einen offenkundigen Beurteilungsfehler begangen, als sie feststellte, dass der zusätzliche Betrag von 28257273 Euro negative Folgen hätte und den Wettbewerb stark verfälschen würde, zumal Wettbewerber infolgedessen vor Investitionen in ähnliche Produkte zurückschrecken könnten, was zur Verdrängung von privaten Investoren aus dem relevanten Markt beitragen würde. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass dieser Teil der Beihilfe nur dazu diente, die Finanzierung eines mit der Investition verbundenen „Risikos“ abzuwenden und auf diesem Weg dem begünstigten Unternehmen Liquidität zuzuführen. Unter diesen Umständen durfte die in einer möglichen Wettbewerbsverzerrung und einer abschreckenden Wirkung für die Durchführung konkurrierender privater Investitionen bestehende negative Folge von der Kommission vermutet werden. Dies gilt insofern, als die Beihilfe in einer unangemessenen Stärkung der Marktposition des Unternehmens besteht, indem sie es ihm ermöglicht, seinen Finanzbedarf über das zur Verwirklichung der angestrebten Ziele – einen Anreiz zu seiner Investitionsentscheidung im Fördergebiet zu geben – erforderliche Maß hinaus zu decken. Daher durfte die Kommission die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären, ohne etwaige weitere, positive Folgen zu prüfen.

147

Dieses Vorgehen wird durch die Nrn. 6 und 7 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben gestützt. Zum einen können bestimmte umfangreiche Regionalbeihilfen zur Förderung großer Investitionsvorhaben, wie aus Nr. 6 der Mitteilung hervorgeht, wesentliche Auswirkungen auf den Handel haben und erhebliche Wettbewerbsverzerrungen verursachen.

148

Zum anderen besteht nach Nr. 7 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben und Punkt 68 der Leitlinien, auf den dort Bezug genommen wird, das Ziel der förmlichen Untersuchung der Kommission, die einem individuellen Ansatz unterliegt, gerade darin, eingehend zu prüfen, „ob die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig ist“ und ob „die Vorteile der Beihilfemaßnahme stärker ins Gewicht fallen als die Wettbewerbsverzerrungen und die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“. Da es sich um kumulative Voraussetzungen handelt, muss die Kommission nur dann, wenn die Antwort auf den ersten Teil positiv ausfällt, zur Prüfung des zweiten Teils übergehen. Desgleichen folgt aus Nr. 52 der Mitteilung, dass die Kommission erst dann, wenn sie „festgestellt [hat], dass eine regionale Investitionsbeihilfe als Anreiz für ein großes Investitionsvorhaben in einem bestimmten Gebiet notwendig ist“, die positiven und negativen Auswirkungen einer regionalen Beihilfe für ein solches Vorhaben gegeneinander abzuwägen hat.

149

Somit war die Kommission, da sie zutreffend dargelegt hatte, inwiefern die fragliche Beihilfe den Wettbewerb zu verfälschen drohte, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet, eine wirtschaftliche Analyse der tatsächlichen Lage auf dem betreffenden Markt vorzunehmen (vgl. entsprechend Urteil vom 30. April 2009, Kommission/Italien und Wam, C‑494/06 P, EU:C:2009:272, Rn. 58).

150

Folglich ist auch die vorliegende Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

Zum vierten Teil des zweiten Klagegrundes

151

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, falls das Gericht die Beihilfe nur insofern für mit dem Binnenmarkt vereinbar halten sollte, als durch sie die tatsächlichen Mehrkosten ausgeglichen würden – quod non –, sei festzustellen, dass BMW im Rahmen der Mitteilung der Bundesrepublik Deutschland vom 28. September 2012 angegeben habe, dass zum damaligen Zeitpunkt die Investitionskosten am Standort Leipzig um 46 Mio. Euro höher gewesen seien als die Kosten einer vergleichbaren Investition in München. Diese Mitteilung enthalte eine detaillierte Aufschlüsselung der – im Vergleich zu den Planzahlen von 17 Mio. Euro, die zum Zeitpunkt der Standortentscheidung im Dezember 2009 geschätzt worden seien – zusätzlichen ca. 29 Mio. Euro als tatsächlichem standortbedingtem Nettomehraufwand. Der beantragte Betrag von 45257260,13 Euro sei somit voll und ganz gerechtfertigt.

152

Bezüglich der Feststellung der Kommission im 178. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass „die Unterlagen, die [die Bundesrepublik] Deutschland im September 2012 eingereicht hat und in denen die Zusatzkosten aufgelistet werden, weder echt sind noch aus einer Zeit stammen, [zu der] eine Standortentscheidung gleich welcher Art getroffen wurde, da sie erst im September 2012 erstellt wurden“, trägt die Klägerin zum einen vor, dass es sich im Gegenteil um Auszüge aus den von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüften Jahresabschlüssen von BMW handele. Zum anderen führt sie aus, dass diese Unterlagen erstellt worden seien, damit die Kommission die Angemessenheit der in Rede stehenden Beihilfe bewerte. Dabei seien offensichtlich auch die auf die Produktionskapazität des Modells i8 bezogenen Zusatzkosten zu berücksichtigen gewesen. Der Streithelfer unterstützt im Wesentlichen die Ausführungen der Klägerin.

153

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

154

Diese Rüge greift im Wesentlichen Aspekte auf, die bereits untersucht worden sind. Da das fragliche Schreiben der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission vom 28. September 2012 datiert, kann es nicht für die Frage maßgeblich sein, ob „die Beihilfe als Investitionsanreiz notwendig“ im Sinne von Nr. 7 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben war. Der Kommission ist beizupflichten, dass bei der Prüfung anhand des zweiten in Nr. 22 dieser Mitteilung genannten Kriteriums – wonach zu klären ist, ob die Beihilfe ein Anreiz war, die geplante Investition im jeweiligen Gebiet und nicht anderswo zu tätigen, da sie die mit dem Fördergebiet verbundenen Nettonachteile und Kosten ausglich – nur auf die erste, die Produktion der i3-Fahrzeuge betreffende Investition abzustellen ist. Die Klägerin hat nämlich nicht autonom vorgetragen, dass auch das Vorhaben der Fertigung von i8-Fahrzeugen hinsichtlich des Produktionsstandorts vergleichend analysiert worden sei.

155

Insoweit ist auch der 187. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorzuheben, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass das Modell i8 im Jahr 2009 noch nicht in die Entscheidung, am Standort Leipzig zu investieren, einbezogen war. Erst nachdem BMW für das Modell i3 die Entscheidung zugunsten des Standorts Leipzig getroffen hatte, wurde mit einer weiteren Entscheidung das Modell i8 hinzugefügt. Aus den von der Bundesrepublik Deutschland eingereichten Unterlagen geht nicht hervor, dass auch diese zweite Entscheidung eine eigenständige Gebietswahl betroffen hätte, sondern dass eine angemessene Entscheidung darüber zu treffen war, ob an dem bereits gewählten Standort Leipzig zusätzlich das Modell i8 produziert werden sollte. Eine solche Situation gleicht aber eher dem Szenario 1 von Nr. 22 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben.

156

Im Übrigen war keinerlei zusätzliche, unabhängige Beihilfe speziell für das Fahrzeugmodell i8 beantragt worden, und die Bundesrepublik Deutschland hatte bestätigt, dass die Hinzufügung dieses Modells zum ursprünglichen Vorhaben nicht zu einer Steigerung des Produktionsvolumens der Elektrofahrzeuge am Standort Leipzig führen würde (vgl. in diesem Sinne das Schreiben der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission vom 25. Mai 2011).

157

In ihrem Schreiben an die Kommission vom 25. Mai 2011 kam die Bundesrepublik Deutschland zu dem Schluss, dass die geschätzte Gesamtinvestition nicht überschritten werde, selbst wenn sich die Produktion der i8-Fahrzeuge in den ersten beiden Produktionsjahren am oberen Rand des vorgesehenen Umfangs bewegen sollte. Sie erklärte ausdrücklich, die Produktionsvolumen sowohl des Modells i3 als auch des Modells i8 würden in den Standort Leipzig integriert. Eine Änderung der Notifizierung sei insoweit nicht beabsichtigt.

158

Hervorzuheben ist ferner, dass die Bundesrepublik Deutschland erklärt hatte, erst nach Überwindung bestimmter Auswirkungen der Weltfinanzkrise habe das Projekt innovativere, ja sogar luxuriöse Gestalt angenommen, unter Einbeziehung von Karbontechnologien und der Errichtung eines Technikzentrums für neue Kompetenzen in Leipzig, was die Planung eines neuen Vorhabens namens i8 impliziert habe. In diesem Kontext beschloss BMW im Jahr 2010, an dem in Rede stehenden Standort zusätzlich das innovative Modell i8 sowie Kunststoff zu produzieren, was gegenüber den ursprünglichen Planungen zu einer erheblichen Steigerung der Investitionskosten führte.

159

Die Bundesrepublik Deutschland erläutert zwar in der Folge, das Modell i8 hätte am Standort München zu geringeren Kosten produziert werden können, doch wurde insoweit – anders als bei der Entscheidung für die i3-Investition in Leipzig – kein Vergleichswert angegeben. Im Übrigen ist nicht nachgewiesen worden, dass die Darstellung der Kommission, es sei sinnvoll erschienen, das Modell i8 an dem bereits für das Modell i3 vorgesehenen Standort Leipzig zu produzieren, da die Herstellungsmaterialien und die Techniken sich überschnitten hätten, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler unterliegt.

160

Unter diesen Umständen hat die Kommission zu Recht allein die ursprünglichen Kostenschätzungen für maßgeblich erachtet. Die neue Aufstellung der tatsächlichen Kosten kann daher – ungeachtet dessen, dass die Kommission vor Erlass des angefochtenen Beschlusses darüber informiert wurde – nicht berücksichtigt werden.

161

Somit ist auch diese Rüge und demzufolge der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum hilfsweise geltend gemachten dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und die Verordnung Nr. 800/2008 durch eine Begrenzung der Beihilfehöhe auf einen geringeren als den von der Notifizierungspflicht ausgenommenen Betrag

162

Nach Ansicht der Klägerin konnte sie von der Bundesrepublik Deutschland für das im angefochtenen Beschluss geschilderte Investitionsvorhaben jedenfalls eine Beihilfe aus dem nach der Verordnung Nr. 800/2008 als genehmigte Beihilferegelung geltenden IZG in Höhe von 22,5 Mio. Euro erhalten, da die in diesem deutschen Gesetz genannten Bedingungen erfüllt gewesen seien. Dies gelte „unabhängig davon, ob eine Notifizierung nach Art. 6 Abs. 2 [der Verordnung Nr. 800/2008] erfolgt ist oder nicht“. Daher beantragt die Klägerin hilfsweise, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit die Kommission die Gewährung einer Beihilfe von 22,5 Mio. Euro an BMW ausdrücklich untersagt.

163

Die Kommission verbiete es der Bundesrepublik Deutschland damit – anders als im Fall einer unterbliebenen oder zurückgenommenen Anmeldung –, eine Beihilfe in Höhe von 22,5 Mio. Euro zu gewähren. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und die Verordnung Nr. 800/2008 sowie einen Missbrauch der Befugnisse der Kommission dar und begrenze rechtswidrig die Kompetenzen der Bundesrepublik Deutschland. Da das IZG eine „bestehende Beihilferegelung“ sei, könne die Kommission nur einzelne Maßnahmen prüfen, die aufgrund einer Überschreitung der Anmeldeschwelle notifiziert würden. Unterhalb der Schwelle seien Beihilfen nach dem IZG stets als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen. Der Streithelfer unterstützt im Wesentlichen das Vorbringen der Klägerin.

164

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und des Streithelfers entgegen.

165

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Anmeldepflicht ein Grundbestandteil des mit dem AEU-Vertrag im Bereich der staatlichen Beihilfen eingerichteten Kontrollsystems ist. Im Rahmen dieses Systems sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zum einen bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeführt oder umgestaltet werden soll, und zum anderen gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission nicht abschließend über sie entschieden hat (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 31).

166

Die dem betroffenen Mitgliedstaat obliegende Verpflichtung, jede neue Beihilfe bei der Kommission anzumelden, wird in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) präzisiert (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 32).

167

Nach Art. 109 AEUV kann der Rat der Europäischen Union alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Art. 107 und 108 AEUV erlassen und insbesondere die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 108 Abs. 3 AEUV sowie die Arten von Beihilfen festlegen, die von dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Verfahren ausgenommen sind (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 33).

168

Ferner kann die Kommission nach Art. 108 Abs. 4 AEUV Verordnungen zu den Arten staatlicher Beihilfen erlassen, für die der Rat nach Art. 109 AEUV festgelegt hat, dass sie von dem in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Verfahren ausgenommen werden können (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 34).

169

Dementsprechend wurde gemäß Art. 109 AEUV die Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel [107 und 108 AEUV] auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. 1998, L 142, S. 1) erlassen, auf deren Grundlage später die Verordnung Nr. 800/2008 erging (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 35).

170

Daraus ergibt sich unabhängig von der den Mitgliedstaaten nach den Verträgen obliegenden und einen Grundbestandteil des Kontrollsystems von staatlichen Beihilfen darstellenden Pflicht zur vorherigen Anmeldung aller Maßnahmen, mit denen eine neue Beihilfe eingeführt oder umgestaltet werden soll, dass sich ein Mitgliedstaat, wenn eine von ihm erlassene Beihilfemaßnahme die einschlägigen Voraussetzungen der Verordnung Nr. 800/2008 erfüllt, auf die Möglichkeit einer Freistellung von seiner Anmeldepflicht berufen kann. Umgekehrt ergibt sich aus dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 800/2008, dass staatliche Beihilfen, die nicht von dieser Verordnung erfasst werden, weiterhin der in Art. 108 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegen (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 36).

171

Daraus folgt, dass die Verordnung Nr. 800/2008 und die von ihr vorgesehenen Voraussetzungen als Ausnahme von der allgemeinen Regel der Anmeldepflicht eng auszulegen sind (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 37).

172

Dieser Ansatz wird durch die mit den allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnungen für Beihilfen verfolgten Ziele bestätigt, wie sie in den Erwägungsgründen 4 und 5 der Verordnung Nr. 994/98 dargestellt sind. Kann die Kommission solche Verordnungen erlassen, um eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln im Bereich staatlicher Beihilfen zu gewährleisten und die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen – ohne die Kontrolle der Kommission in diesem Bereich zu schwächen –, so haben sie auch die Erhöhung der Transparenz und der Rechtssicherheit zum Ziel. Die Einhaltung der von diesen Verordnungen – also auch der Verordnung Nr. 800/2008 – vorgesehenen Voraussetzungen ermöglicht es, die vollständige Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten (Urteil vom 21. Juli 2016, Dilly’s Wellnesshotel, C‑493/14, EU:C:2016:577, Rn. 38).

173

Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass speziell Regionalbeihilfen, die die Schwellenwerte überschreiten, ab denen nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 die Pflicht zur Einzelnotifizierung bei der Kommission besteht, nicht auf der Grundlage dieser Verordnung geprüft werden können, da sie von ihr nicht erfasst werden, sondern anhand der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben zu prüfen sind, wenn die in den Leitlinien aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, sowie allgemeiner nach Maßgabe der Anforderungen von Art. 107 Abs. 3 AEUV (siehe auch oben, Rn. 65 bis 67).

174

Bezüglich der Anwendung von Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 ist nämlich hervorzuheben, dass diese Vorschrift im Licht und im Kontext von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung zu sehen ist, wonach diese „weder für Einzelbeihilfen, die als Ad-hoc-Beihilfen gewährt werden, noch für Einzelbeihilfen auf der Grundlage einer Beihilferegelung, deren Bruttosubventionsäquivalent die [vorgesehenen] Schwellenwerte übersteigt“, gilt. Dagegen ist, anders als die Klägerin vorbringt, allein bei Beihilfen, die im Einklang mit der Verordnung stehen und die Anmeldeschwelle nicht überschreiten, auf den fünften Erwägungsgrund dieser Verordnung zu verweisen, der lautet:

„Diese Freistellungsverordnung sollte für alle Beihilfen gelten, die sämtliche einschlägigen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, wie auch für alle Beihilferegelungen, bei denen gewährleistet ist, dass auf der Grundlage solcher Regelungen gewährte Einzelbeihilfen ebenfalls sämtliche einschlägigen Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen. Im Interesse der Transparenz und einer wirksameren Beihilfenkontrolle sollten alle nach dieser Verordnung gewährten Einzelbeihilfemaßnahmen einen ausdrücklichen Verweis auf die maßgebliche Bestimmung von Kapitel II [dieser Verordnung] und die einzelstaatliche Rechtsgrundlage enthalten.“

175

Desgleichen ist daran zu erinnern, dass nach den Leitlinien, insbesondere nach deren Punkt 64, die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bestimmte aufgrund bestehender Beihilferegelungen gewährte Beihilfen für große Investitionsvorhaben bei der Kommission einzeln anzumelden, wenn die Beihilfe die in diesen Leitlinien festgelegten Voraussetzungen erfüllt.

176

Unter diesen Umständen kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin und des Streithelfers nicht angenommen werden, dass die in Rede stehende Beihilfe Gegenstand einer Freistellung war, weil sie der Verordnung Nr. 800/2008 oder dem IZG unterlag. Da sie die Schwelle zur Anmeldepflicht überschritt, ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass sie sie als Einzelbeihilfe und nicht als eine unter die Gruppenfreistellungsverordnung fallende Beihilfe oder als eine genehmigte bestehende Beihilfe zu prüfen hatte (vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Kommission/Italien, C‑467/15 P, EU:C:2017:24, Nrn. 61 bis 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177

Im vorliegenden Fall kann keine der von der Klägerin oder vom Streithelfer angeführten Vorschriften ihr Vorbringen stützen, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten habe, als sie die angemeldete Beihilfe in vollem Umfang und nicht nur in der die Anmeldeschwelle überschreitenden Höhe einer Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt unterzogen habe. Insoweit ist insbesondere zu betonen, dass die Entscheidung der Kommission, eine bei ihr angemeldete Beihilfe zu genehmigen, wichtige und zwingende Rechtsfolgen nach sich zieht, die allein unter dem Vorbehalt einer etwaigen Anfechtung vor den Unionsgerichten stehen. Es handelt sich somit um eine andere Verfahrensregelung als im Fall einer Gruppenfreistellung, bei der die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt vermutet wird. Unter Umständen wie den vorliegenden kann eine Vermutung, dass die Beihilfe bis zu einer bestimmten Schwelle mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, keinen Vorrang vor ihrer individuellen Prüfung haben, wenn feststeht, dass die Beihilfe einzeln zu notifizieren war, d. h., dass ihr dem ersten Anschein nach hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf den Wettbewerb besondere Bedeutung beizumessen war.

178

Überdies ergibt sich schon aus Nr. 56 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben, dass „[d]ie Kommission … entscheiden [kann], die Beihilfe zu genehmigen, mit Bedingungen und Auflagen zu versehen oder zu untersagen“. Ferner heißt es darin zum einen, dass die Kommission, wenn sie eine an Bedingungen und Auflagen gebundene Entscheidung gemäß Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/1999 erlässt, entsprechende Bedingungen und Auflagen festlegen kann, um die mögliche Wettbewerbsverzerrung zu beschränken und die Angemessenheit zu gewährleisten, und zum anderen, dass sie insbesondere den angemeldeten Beihilfebetrag oder die angemeldete Beihilfeintensität auf ein Maß verringern kann, das als angemessen und daher als mit dem Binnenmarkt vereinbar betrachtet werden kann.

179

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin werden die oben genannten Schlussfolgerungen nicht durch die Fußnote zu Nr. 56 der Mitteilung betreffend die Prüfkriterien bei großen Investitionsvorhaben entkräftet, die lautet: „Werden Beihilfen auf der Grundlage einer bestehenden Regionalbeihilferegelung gewährt, behält der Mitgliedstaat allerdings die Möglichkeit, derartige Beihilfen bis zu einer Höhe zu gewähren, die dem zulässigen Höchstbetrag entspricht, der im Rahmen der anwendbaren Bestimmungen für eine Investition mit beihilfefähigen Ausgaben von 100 Mio. [Euro] gewährt werden darf.“ Diese Fußnote kann nämlich nicht so verstanden werden, dass sie Vorrang vor dem Umstand hätte, dass die hier in Rede stehende, nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 800/2008 angemeldete Beihilfe als Einzelbeihilfe und nicht als eine nach einer genehmigten Regionalbeihilferegelung gewährte Beihilfe zu beurteilen war. Insoweit ist bereits festgestellt worden, dass die Kommission im Einklang mit der in Rede stehenden Mitteilung im Rahmen der Prüfung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV insbesondere den Anreizcharakter und die Angemessenheit der Beihilfe zu prüfen hatte. Auf eben dieser Grundlage hat die Kommission die Beihilfe aber nur in Höhe von 17 Mio. Euro, der zum Zeitpunkt der Investitions- und Standortentscheidung geschätzten Kostendifferenz zwischen den Standorten München und Leipzig, für mit dem Binnenmarkt vereinbar erachtet.

180

Aus den angegebenen Gründen ist auch das Vorbringen des Streithelfers in den Rn. 61 bis 67 seines Streithilfeschriftsatzes zurückzuweisen, das im Wesentlichen dahin geht, im vorliegenden Fall sei anzunehmen, dass die fragliche Beihilfe bis zur Anmeldeschwelle unter eine bestehende Beihilferegelung falle, die von der Kommission bereits auf ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt geprüft worden sei. Das Gericht kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass die im vorliegenden Fall angemeldete Beihilfe, die die für eine Einzelnotifizierung vorgesehenen Schwellenwerte überschritt, von der Genehmigung oder Freistellung, die für die betreffende allgemeine Beihilferegelung, d. h. das IZG, erteilt worden sein soll, ausgenommen sein muss (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Juli 1995, AITEC u. a./Kommission, T‑447/93 bis T‑449/93, EU:T:1995:130, Rn. 124 bis 131).

181

Daraus ist zu schließen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass nur eine individuelle Prüfung es ermögliche, eine solche Beihilfe oder einen Teil von ihr zu genehmigen. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Notwendigkeit einer solchen Prüfung dem Zweck von Art. 107 AEUV entspricht, der als Wettbewerbsregel grundsätzlich verhindern soll, dass die Bewilligung von Beihilfen durch die Mitgliedstaaten den Wettbewerb verfälscht oder den Handel im Binnenmarkt beeinträchtigt. Dieser Ansatz steht auch im Einklang mit den im Urteil vom 6. März 2002, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission (T‑127/99, T‑129/99 und T‑148/99, EU:T:2002:59, Rn. 228 und 229), aufgestellten Grundsätzen, wonach Beihilfen, die die in einer Beihilferegelung vorgesehenen Grenzwerte überschreiten, auch dann, wenn es sich um eine allgemeine Beihilferegelung handelt, die Gegenstand einer Genehmigungsentscheidung war, nicht als vollständig von dieser Regelung gedeckt angesehen werden können.

182

Folglich ist auch der dritte von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen, ohne dass jedenfalls in der Sache darüber entschieden werden müsste, ob die geplante Beihilfe, wenn sie sich auf 22,5 Mio. Euro beschränkt hätte, die Voraussetzungen des IZG erfüllt hätte. Somit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

183

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

184

Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

185

Der Streithelfer trägt gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Bayerische Motoren Werke AG trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

 

3.

Der Freistaat Sachsen trägt seine eigenen Kosten.

 

Dittrich

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. September 2017.

Der Kanzler

E. Coulon

Der Präsident

H. Kanninen


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

Top