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Document 62014CJ0560

    Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 9. Februar 2017.
    M gegen Minister for Justice and Equality, Ireland und Attorney General.
    Vorabentscheidungsersuchen des Supreme Court (Irland).
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Richtlinie 2004/83/EG – Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge – Antrag auf subsidiären Schutz – Rechtmäßigkeit des nationalen Verfahrens bei der Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz, der nach Ablehnung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt wird – Anspruch auf rechtliches Gehör – Umfang – Anspruch auf eine mündliche Anhörung – Recht, Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen.
    Rechtssache C-560/14.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:101

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    9. Februar 2017 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung — Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Richtlinie 2004/83/EG — Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge — Antrag auf subsidiären Schutz — Rechtmäßigkeit des nationalen Verfahrens bei der Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz, der nach Ablehnung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt wird — Anspruch auf rechtliches Gehör — Umfang — Anspruch auf eine mündliche Anhörung — Recht, Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen“

    In der Rechtssache C‑560/14

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 24. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2014, in dem Verfahren

    M

    gegen

    Minister for Justice and Equality,

    Ireland,

    Attorney General

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

    Generalanwalt: P. Mengozzi,

    Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2016,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von M, vertreten durch B. Burns und S. Man, Solicitors, sowie durch I. Whelan und P. O’Shea, BL,

    Irlands, vertreten durch E. Creedon, J. Davis und J. Stanley als Bevollmächtigte im Beistand von N. Butler, SC, und K. Mooney, BL,

    der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

    der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F.‑X. Bréchot als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und M. Condou-Durande als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Mai 2016

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Rahmen des Verfahrens der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12).

    2

    Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen M, einem ruandischen Staatsangehörigen, einerseits und dem Minister for Justice and Equality (Minister für Justiz und Gleichberechtigung, Irland) (im Folgenden: Minister), Irland und dem Attorney General andererseits wegen der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zur Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz, den M bei den irischen Behörden gestellt hat.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2004/83

    3

    Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2004/83 bestimmte:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    e)

    ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz‘ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

    …“

    4

    Art. 4 („Prüfung der Ereignisse und Umstände“) der Richtlinie 2004/83 lautete:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten können es als Pflicht des Antragstellers betrachten, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen. Es ist Pflicht des Mitgliedstaats, unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte zu prüfen.

    (2)   Zu den in Absatz 1 genannten Anhaltspunkten gehören Angaben des Antragstellers zu Alter, familiären und sozialen Verhältnissen – auch der betroffenen Verwandten –, Identität, Staatsangehörigkeit(en), Land/Ländern und Ort(en) des früheren Aufenthalts, früheren Asylanträgen, Reisewegen, Identitätsausweisen und Reisedokumenten sowie zu den Gründen für seinen Antrag auf internationalen Schutz und sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen hierzu.

    (3)   Die Anträge auf internationalen Schutz sind individuell zu prüfen, wobei Folgendes zu berücksichtigen ist:

    a)

    alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind, einschließlich der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Herkunftslandes und der Weise, in der sie angewandt werden;

    b)

    die maßgeblichen Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten Unterlagen, einschließlich Informationen zu der Frage, ob er verfolgt worden ist bzw. verfolgt werden könnte oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. erleiden könnte;

    c)

    die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers, einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht seiner persönlichen Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind;

    d)

    die Frage, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftslandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung des internationalen Schutzes erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, um bewerten zu können, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt oder ernsthaften Schaden erleiden würde;

    e)

    die Frage, ob vom Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er den Schutz eines anderen Staates in Anspruch nimmt, dessen Staatsangehörigkeit er für sich geltend machen könnte.

    (4)   Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

    (5)   Wenden die Mitgliedstaaten den in Absatz 1 Satz 1 genannten Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

    a)

    der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu substanziieren;

    b)

    alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

    c)

    festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

    d)

    der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war;

    e)

    die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist.“

    5

    Art. 15 („Ernsthafter Schaden“) der Richtlinie 2004/83 bestimmte:

    „Als ernsthafter Schaden gilt:

    a)

    die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

    b)

    Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

    c)

    eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.“

    Richtlinie 2005/85/EG

    6

    Art. 3 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. 2005, L 326, S. 13) sah vor:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für alle Asylanträge, die im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden, sowie für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

    (3)   Wenn Mitgliedstaaten ein Verfahren anwenden oder einführen, nach dem Asylanträge sowohl als Anträge aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention als auch als Anträge auf Gewährung anderer Formen internationalen Schutzes, der unter den in Artikel 15 der Richtlinie 2004/83 … definierten Umständen gewährt wird, geprüft werden, wenden sie die vorliegende Richtlinie während des gesamten Verfahrens an.

    …“

    Irisches Recht

    7

    Das irische Recht unterscheidet bei der Gewährung von internationalem Schutz zwischen zwei Arten von Anträgen, nämlich

    dem Asylantrag und

    dem Antrag auf subsidiären Schutz.

    8

    Jeder der beiden Anträge ist Gegenstand eines spezifischen Verfahrens, wobei das Verfahren im Zusammenhang mit einem Antrag auf subsidiären Schutz, das nur nach Zurückweisung eines Asylantrags eröffnet ist, im Anschluss an das Verfahren zur Prüfung des betreffenden Asylantrags durchgeführt wird.

    9

    Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die nationalen Bestimmungen zur Regelung der Behandlung von Asylanträgen im Wesentlichen im Refugee Act 1996 (Gesetz von 1996 über Flüchtlinge) in seiner zur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung enthalten sind. Das Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen umfasst u. a. eine persönliche Anhörung des Antragstellers.

    10

    Die Bestimmungen, die sich auf das Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf subsidiären Schutz beziehen, sind in den European Communities (Eligibility for Protection) Regulations 2006 (Verordnung von 2006 betreffend die Europäischen Gemeinschaften [Voraussetzungen für die Gewährung von Schutz]) des Ministers vom 9. Oktober 2006 geregelt, mit denen u. a. die Richtlinie 2004/83 umgesetzt werden sollte.

    11

    Der Antrag auf subsidiären Schutz ist unter Verwendung eines Formblatts nach dem Muster im Anhang dieser Verordnung zu stellen.

    12

    Keine Bestimmung in der Verordnung sieht vor, dass derjenige, der subsidiären Schutz beantragt, im Rahmen der Prüfung seines Antrags mündlich angehört wird.

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

    13

    Im September 2006 reiste M mit einem Studentenvisum nach Irland ein. Nach seinem Studium stellte er einen Asylantrag, der am 30. August 2008 vom Refugee Applications Commissioner (Kommissar für die Anträge von Flüchtlingen, Irland) abgelehnt wurde. Ein gegen diese Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf wurde mit Urteil des Refugee Appeals Tribunal (Gericht für Rechtsbehelfe in Flüchtlingssachen, Irland) vom 28. Oktober 2008 zurückgewiesen.

    14

    M stellte sodann einen Antrag auf subsidiären Schutz. Dieser wurde am 30. September 2010 abgelehnt, und am 5. Oktober 2010 verfügte der Minister die Abschiebung von M. Der Minister stützte sich in seiner Entscheidung vom 30. September 2010 weitgehend auf die vorangegangenen Entscheidungen über den Asylantrag von M und kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller das Vorliegen schwerwiegender Gründe, die die Annahme rechtfertigten, dass er Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, nicht dargelegt habe, insbesondere deshalb, weil ernste Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben in seinem Antrag bestünden.

    15

    Am 6. Januar 2011 erhob M gegen die Ablehnung seines Antrags auf subsidiären Schutz Klage vor dem High Court (Hoher Gerichtshof, Irland).

    16

    Im Rahmen der Prüfung dieser Klage legte der High Court (Hoher Gerichtshof) dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

    Sind in dem Fall, dass ein Antragsteller nach Ablehnung seiner Anerkennung als Flüchtling einen Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus stellt und dieser Antrag abgelehnt werden soll, aufgrund des für die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/83 bestehenden Erfordernisses, mit dem Antragsteller zusammenzuarbeiten, die Verwaltungsbehörden des betreffenden Mitgliedstaats verpflichtet, dem Antragsteller dieses Ergebnis der Prüfung vor dem Erlass einer endgültigen Entscheidung mitzuteilen, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu den zur Ablehnung führenden Gesichtspunkten der beabsichtigten Entscheidung zu geben?

    17

    In seinem Urteil vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744), kam der Gerichtshof u. a. zu dem Schluss, dass es bei einem System wie dem durch die in jener Rechtssache in Rede stehende nationale Regelung eingerichteten, das dadurch gekennzeichnet ist, dass zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Anerkennung als Flüchtling bzw. des Antrags auf subsidiären Schutz bestehen, dem nationalen Gericht obliegt, im Rahmen beider Verfahren für die Wahrung der Grundrechte des Antragstellers und insbesondere des Rechts auf Anhörung in dem Sinne Sorge zu tragen, dass er in der Lage ist, vor dem Erlass einer Entscheidung, mit der der beantragte Schutz nicht gewährt wird, sachdienlich Stellung zu nehmen. Dass der Betroffene bereits bei der Prüfung seines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling ordnungsgemäß angehört worden ist, bedeutet in einem solchen System nicht, dass von dieser Formvorschrift im Rahmen des Verfahrens über den Antrag auf subsidiären Schutz abgesehen werden könnte.

    18

    Im Anschluss an das Urteil vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744), entschied der High Court (Hoher Gerichtshof) am 23. Juni 2013, dass der Minister bei der Prüfung des Antrags von M auf subsidiären Schutz eine effektive Anhörung hätte durchführen müssen.

    19

    Der Minister legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) ein. M legte seinerseits Anschlussrechtsmittel gegen das Urteil ein.

    20

    Vor diesem Hintergrund hat der Supreme Court (Oberster Gerichtshof) mit Entscheidung vom 24. November 2014 beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Gebietet der unionsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör, dass einer Person, die gemäß der Richtlinie 2004/83 subsidiären Schutz beantragt, eine mündliche Anhörung über diesen Antrag gewährt wird, einschließlich des Rechts, Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen, wenn der Antrag im Zuge einer Regelung des betreffenden Mitgliedstaats gestellt wird, wonach zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des Antrags auf subsidiären Schutz bestehen?

    Zur Vorlagefrage

    21

    Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass, wenn eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Antrags auf subsidiären Schutz vorsieht, der Person, die subsidiären Schutz beantragt, das Recht auf eine mündliche Anhörung über ihren Antrag und das Recht, bei dieser Anhörung Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen, gewährt wird.

    22

    Die Richtlinie 2005/85 legt Mindestnormen für Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz fest und regelt die Rechte der Asylbewerber. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 und 3 gilt sie für Asylanträge, die sowohl als Anträge aufgrund des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) als auch als Anträge auf Gewährung anderer Formen internationalen Schutzes, der unter den in Art. 15 der Richtlinie 2004/83 definierten Umständen gewährt wird, geprüft werden (Urteil vom 20. Oktober 2016, Danqua, C‑429/15, EU:C:2016:789, Rn. 26).

    23

    Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass die Richtlinie 2005/85 keine Anwendung auf Anträge auf subsidiären Schutz findet, sofern ein Mitgliedstaat nicht ein einheitliches Verfahren eingeführt hat, in dessen Rahmen er einen Antrag unter dem Aspekt beider Formen internationalen Schutzes – Schutz im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz – prüft (Urteil vom 20. Oktober 2016, Danqua, C‑429/15, EU:C:2016:789, Rn. 27).

    24

    Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass dies zur Zeit des Ausgangsverfahrens in Irland nicht der Fall war, so dass die Richtlinie 2005/85 in diesem Mitgliedstaat nicht für die Behandlung von Anträgen auf subsidiären Schutz gilt.

    25

    Da aber der Anspruch auf rechtliches Gehör zur Wahrung der Verteidigungsrechte gehört, die einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, sind die Verwaltungen der Mitgliedstaaten, wenn sie Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich des Unionsrechts fallen, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Adressaten von Entscheidungen, die ihre Interessen spürbar beeinträchtigen, grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn die anwendbare Regelung solche Verfahrensrechte nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. November 2014, Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 49 und 50, sowie vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 39 und 40).

    26

    Sieht eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren für die Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Antrags auf subsidiären Schutz vor, ist daher, wie der Gerichtshof in Rn. 91 des Urteils vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744), festgestellt hat, der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör im Rahmen beider Verfahren vollständig zu gewährleisten.

    27

    Aus dem Vorstehenden lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dieser Anspruch unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens verlangt, dass im Rahmen des Verfahrens zur Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz zwingend eine mündliche Anhörung durchgeführt wird.

    28

    Erstens geht nämlich aus den Ausführungen im Urteil vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744), nicht hervor, dass im Rahmen des Verfahrens zur Gewährung subsidiären Schutzes zwingend eine mündliche Anhörung durchzuführen ist.

    29

    Wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 bis 55 seiner Schlussanträge festgestellt hat, hat sich der Gerichtshof in Rn. 90 des Urteils vom 22. November 2012, M. (C‑277/11, EU:C:2012:744), darauf beschränkt, klarzustellen, dass der Ansicht des vorlegenden Gerichts und Irlands nicht gefolgt werden konnte, wonach der Umstand, dass dem Antragsteller bereits eine Anhörung im Rahmen der Prüfung des Asylantrags gewährt wurde, die Durchführung einer Anhörung im Rahmen der Prüfung eines darauffolgenden Antrags auf subsidiären Schutz überflüssig machen sollte. Damit hat der Gerichtshof lediglich darauf hingewiesen, dass die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör desjenigen, der subsidiären Schutz beantragt, gewährleistet sein muss, auch wenn diese Person bereits im Rahmen der Prüfung ihres Asylantrags angehört wurde, ohne insoweit eine Pflicht festzustellen, unter allen Umständen eine mündliche Anhörung über den Antrag auf subsidiären Schutz durchzuführen.

    30

    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass es mangels einer in Irland geltenden einschlägigen Unionsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats ist, die Verfahrensmodalitäten für die Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz zu regeln, wobei dieser Mitgliedstaat in diesem Rahmen die Verantwortung für den wirksamen Schutz der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte und insbesondere die Beachtung des Anspruchs der Person, die subsidiären Schutz beantragt, auf rechtliches Gehör trägt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2016, Lesoochranárske zoskupenie VLK, C‑243/15, EU:C:2016:838, Rn. 65).

    31

    Insoweit ist hervorzuheben, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör dem Antragsteller die Möglichkeit gewährleistet, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam seinen Standpunkt zu seinem Antrag auf subsidiären Schutz vorzutragen und Gründe anzuführen, die es rechtfertigen können, dass die zuständige Behörde vom Erlass einer Entscheidung zu seinen Ungunsten absieht (vgl. entsprechend Urteile vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 54, und vom 17. März 2016, Bensada Benallal, C‑161/15, EU:C:2016:175, Rn. 33).

    32

    Ferner soll der Anspruch auf rechtliches Gehör es dieser Behörde ermöglichen, Verfahren so durchzuführen, dass sie in Kenntnis aller Umstände unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte entscheiden und ihre Entscheidung angemessen begründen kann, damit der Antragsteller gegebenenfalls von seinem Recht, einen Rechtsbehelf einzulegen, Gebrauch machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Dezember 2008, Sopropé, C‑349/07, EU:C:2008:746, Rn. 49, und vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 59).

    33

    Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Frage, ob eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt, u. a. anhand der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    34

    Bei der Beurteilung der Modalitäten, nach denen eine Person, die subsidiären Schutz beantragt, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Erlass einer endgültigen Entscheidung über ihren Antrag wahrnehmen können muss, sind daher die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83 zu berücksichtigen, die u. a. Mindestnormen für die Voraussetzungen aufstellen, die Drittstaatsangehörige erfüllen müssen, um subsidiären Schutz zu erlangen (vgl. entsprechend Urteile vom 5. November 2014, Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 55, und vom 11. Dezember 2014, Boudjlida, C‑249/13, EU:C:2014:2431, Rn. 45).

    35

    Für die Entscheidung über einen Antrag auf subsidiären Schutz muss die zuständige Behörde prüfen, ob der Antragsteller die Voraussetzungen nach Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie erfüllt, wozu auch gehört, dass festzustellen ist, ob stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, wobei er den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.

    36

    Aus Art. 4 der Richtlinie ergibt sich insoweit, dass zu den maßgeblichen Anhaltspunkten, die die zuständige Behörde berücksichtigen muss, u. a. Angaben und Unterlagen zum Alter des Antragstellers, zu seinen Verhältnissen, seiner Identität, seiner Staatsangehörigkeit oder seinen Staatsangehörigkeiten, den Ländern des früheren Aufenthalts, früheren Asylanträgen, Reisewegen, den Gründen für seinen Antrag und in einem weiteren Sinne den ernsthaften Schäden, die er erlitten hat oder erleiden könnte, gehören. Gegebenenfalls muss die zuständige Behörde auch Erklärungen für das Fehlen von Beweisen und die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers berücksichtigen.

    37

    Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor dem Erlass einer Entscheidung über einen Antrag auf subsidiären Schutz muss es dem Antragsteller daher ermöglichen, seinen Standpunkt zu allen diesen Anhaltspunkten darzulegen, um seinen Antrag zu substantiieren und es der Verwaltung zu ermöglichen, in voller Kenntnis der Sache die in Art. 4 der Richtlinie 2004/83 vorgesehene individuelle Prüfung der Ereignisse und Umstände vorzunehmen, um festzustellen, ob die tatsächliche Gefahr besteht, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland einen ernsthaften Schaden im Sinne dieser Richtlinie erleidet.

    38

    Dass eine Person, die subsidiären Schutz beantragt, einen solchen Standpunkt nur in schriftlicher Form geltend machen konnte, kann daher nicht generell als Umstand angesehen werden, der die tatsächliche Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör vor dem Erlass einer Entscheidung über ihren Antrag nicht zulässt.

    39

    Angesichts des Wesens der in Rn. 36 des vorliegenden Urteils genannten Anhaltspunkte kann nämlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass diese der zuständigen Behörde im Wege schriftlicher Erklärungen der Person, die subsidiären Schutz beantragt, oder unter Verwendung eines hierzu geeigneten Formblatts, denen bzw. dem gegebenenfalls Unterlagen beigefügt sind, die der Antragsteller seinem Antrag beifügen möchte, sachdienlich zur Kenntnis gebracht werden können.

    40

    Lässt ein solches Verfahren dem Antragsteller einen ausreichenden Spielraum, um seinen Standpunkt darzulegen, und kann er bei Bedarf angemessene Unterstützung in Anspruch nehmen, so wird es ihm dadurch ermöglicht, sich im Einzelnen zu den von der zuständigen Behörde zu berücksichtigenden Anhaltspunkten zu äußern und, falls er dies für sachdienlich erachtet, andere Informationen oder Bewertungen vorzulegen als die, die die zuständige Behörde bereits bei der Prüfung seines Asylantrags erhalten hat.

    41

    Dieses Verfahren kann der zuständigen Behörde auch die in Art. 4 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2004/83 genannten Anhaltspunkte zu der Person, die internationalen Schutz beantragt, liefern, auf deren Grundlage sie eine individuelle Prüfung der maßgebenden Ereignisse und Umstände vorzunehmen hat, und es ihr daher ermöglichen, ihre Entscheidung in voller Kenntnis der Sache zu treffen und angemessen zu begründen.

    42

    Ferner ist festzustellen, dass die Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens im Anschluss an ein Asylverfahren erfolgt, in dem die Person, die internationalen Schutz beantragt, zu ihrem Asylantrag mündlich angehört wurde.

    43

    Bestimmte Informationen oder bestimmte Anhaltspunkte, die bei dieser Anhörung ermittelt wurden, könnten sich aber auch für die Prüfung der Begründetheit des Antrags auf subsidiären Schutz als sachdienlich erweisen. Insbesondere könnten Anhaltspunkte zum individuellen Status des Antragstellers oder zu seinen persönlichen Umständen sowohl für die Prüfung seines Asylantrags als auch für die seines Antrags auf subsidiären Schutz von Bedeutung sein.

    44

    Demnach lässt sich, auch wenn eine mündliche Anhörung des Antragstellers während des Asylverfahrens als solche nicht ausreicht, um die Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Hinblick auf seinen Antrag auf subsidiären Schutz zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 90), deswegen nicht ausschließen, dass die zuständige Behörde für die Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz bestimmte Informationen oder bestimmte Anhaltspunkte berücksichtigt, die während einer solchen Anhörung ermittelt wurden und die dazu beitragen können, dass sie über diesen Antrag in voller Kenntnis der Sache entscheiden kann.

    45

    Insoweit ist zudem darauf hinzuweisen, dass das Recht der Person, die subsidiären Schutz beantragt, ihren Antrag schriftlich zu substantiieren, ihr die Gelegenheit bietet, ihren Standpunkt zu der Einschätzung dieser Informationen oder Anhaltspunkte darzulegen, die die zuständige Behörde im Hinblick auf die Entscheidung über den Asylantrag vorgenommen hat.

    46

    Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass die Durchführung einer erneuten mündlichen Anhörung bei der Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz zwar geeignet ist, dem Antragsteller eine Gelegenheit zu geben, den bereits schriftlich vorgetragenen Anhaltspunkten neue hinzuzufügen, der Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch nicht impliziert, dass ihm eine solche Möglichkeit geboten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. November 2014, Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 71).

    47

    In bestimmten Fällen können allerdings besondere Umstände die Durchführung einer mündlichen Anhörung erfordern, damit der Anspruch desjenigen, der einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, auf rechtliches Gehör tatsächlich gewahrt wird.

    48

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 der betreffende Mitgliedstaat, wenn die von der Person, die internationalen Schutz beantragt, vorgetragenen Anhaltspunkte aus irgendeinem Grund nicht vollständig, aktuell oder maßgeblich sind, aktiv mit dem Antragsteller zusammenarbeiten muss, um die Zusammenstellung aller Anhaltspunkte zu ermöglichen, anhand deren sein Antrag beurteilt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 66).

    49

    Daher ist eine mündliche Anhörung durchzuführen, wenn die zuständige Behörde aufgrund der Anhaltspunkte, über die sie nach dem schriftlichen Verfahren und der mündlichen Anhörung des Antragstellers bei der Prüfung seines Asylantrags verfügt, objektiv nicht in der Lage ist, in voller Kenntnis der Sache zu bestimmen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, wobei er den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will.

    50

    In einem solchen Fall könnte eine mündliche Anhörung die zuständige Behörde nämlich in die Lage versetzen, den Antragsteller zu den Anhaltspunkten zu befragen, die zur Entscheidung über seinen Antrag fehlen, und gegebenenfalls zu überprüfen, ob die in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

    51

    Eine mündliche Anhörung ist auch durchzuführen, wenn sie sich wegen des persönlichen oder allgemeinen Rahmens des Antrags auf subsidiären Schutz, u. a. einer möglichen besonderen Verletzbarkeit des Antragstellers beispielsweise wegen seines Alters, seines Gesundheitszustands oder des Umstands, dass er schwere Formen von Gewalt erfahren hat, als erforderlich erweist, damit er sich umfassend und zusammenhängend zu den Anhaltspunkten, die diesen Antrag stützen können, äußern kann.

    52

    Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob in der Ausgangsrechtssache besondere Umstände vorliegen, die eine mündliche Anhörung der Person, die subsidiären Schutz beantragt, zur tatsächlichen Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erfordern.

    53

    Für den Fall, dass eine solche Anhörung in einem Verfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden hätte durchgeführt werden müssen, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Person, die subsidiären Schutz beantragt, das Recht haben muss, bei dieser Anhörung Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen.

    54

    Hierzu ist zum einen festzustellen, dass ein solches Recht über die Anforderungen hinausgeht, die sich gewöhnlich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör in Verwaltungsverfahren – wie er aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 200) – ergeben, und zum anderen, dass die für die Prüfung von Anträgen auf subsidiären Schutz geltenden Bestimmungen, insbesondere die Bestimmungen in Art. 4 der Richtlinie 2004/83, Zeugenaussagen keine besondere Bedeutung für die Prüfung der maßgebenden Ereignisse und Umstände beimessen.

    55

    Folglich umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht das Recht der Person, die subsidiären Schutz beantragt, bei einer möglichen Anhörung im Rahmen der Prüfung ihres Antrags Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen.

    56

    Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er im Rahmen der Richtlinie 2004/83 gilt, grundsätzlich nicht verlangt, dass, wenn eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Antrags auf subsidiären Schutz vorsieht, der Person, die subsidiären Schutz beantragt, das Recht auf eine mündliche Anhörung über ihren Antrag und das Recht, bei dieser Anhörung Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen, gewährt wird.

    57

    Eine mündliche Anhörung ist jedoch durchzuführen, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, die mit den der zuständigen Behörde vorliegenden Anhaltspunkten oder dem persönlichen oder allgemeinen Rahmen des Antrags auf subsidiären Schutz zusammenhängen, erforderlich ist, um diesen Antrag in voller Kenntnis der Sache zu prüfen; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    Kosten

    58

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Der Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er im Rahmen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes gilt, verlangt grundsätzlich nicht, dass, wenn eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zwei getrennte und aufeinanderfolgende Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des Antrags auf subsidiären Schutz vorsieht, der Person, die subsidiären Schutz beantragt, das Recht auf eine mündliche Anhörung über ihren Antrag und das Recht, bei dieser Anhörung Zeugen aufzurufen und einem Kreuzverhör zu unterziehen, gewährt wird.

     

    Eine mündliche Anhörung ist jedoch durchzuführen, wenn sie aufgrund besonderer Umstände, die mit den der zuständigen Behörde vorliegenden Anhaltspunkten oder dem persönlichen oder allgemeinen Rahmen des Antrags auf subsidiären Schutz zusammenhängen, erforderlich ist, um diesen Antrag in voller Kenntnis der Sache zu prüfen; dies festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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