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Document 62014CJ0349

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 21. Mai 2015.
Ministre délégué, chargé du budget gegen Marlène Pazdziej.
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d'État (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union – Art. 12 Abs. 2 – Steuer, deren Aufkommen den Gemeinden zufließt und die von Personen erhoben wird, die dort eine Wohnung besitzen oder nutzen – Deckelung – Soziale Maßnahme – Berücksichtigung der den Beamten und sonstigen Bediensteten von der Europäischen Union gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge.
Rechtssache C-349/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:338

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

21. Mai 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union — Art. 12 Abs. 2 — Steuer, deren Aufkommen den Gemeinden zufließt und die von Personen erhoben wird, die dort eine Wohnung besitzen oder nutzen — Deckelung — Soziale Maßnahme — Berücksichtigung der den Beamten und sonstigen Bediensteten von der Europäischen Union gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge“

In der Rechtssache C‑349/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Frankreich) mit Entscheidung vom 2. Juli 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Juli 2014, in dem Verfahren

Ministre délégué, chargé du budget

gegen

Marlène Pazdziej

erlässt

der Gerichtshof (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J.‑S. Pilczer als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch S. Vanrie und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart, I. Martínez del Peral und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 des dem EU-, dem AEU- und dem EAG-Vertrag beigefügten Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministre délégué, chargé du budget, und Frau Pazdziej wegen der Berücksichtigung der ihr von der Europäischen Union gezahlten Dienstbezüge bei der Deckelung des Betrags einer Steuer („taxe d’habitation“, Wohnungssteuer), deren Aufkommen den Gebietskörperschaften zufließt und die von Personen erhoben wird, die am 1. Januar des Veranlagungsjahrs in Frankreich Wohnräume unter Ausschluss Dritter besitzen oder nutzen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 12 des Protokolls lautet:

„Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlt, wird zugunsten der Union eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die vom Europäischen Parlament und vom Rat durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung der betroffenen Organe festgelegt werden.

Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.“

Französisches Recht

4

In Art. 1414 A des französischen Code général des impôts (Steuergesetzbuch) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung sind die Berechnungsmodalitäten der Deckelung des Betrags der geschuldeten Wohnungssteuer wie folgt geregelt:

„I. Bei anderen als den in Art. 1414 genannten Steuerpflichtigen, deren Vorjahreseinkünfte den in Art. 1417 unter II vorgesehenen Höchstbetrag nicht überschreiten, wird die Wohnungssteuer für ihre Hauptwohnung von Amts wegen ermäßigt, soweit sie 3,44 % ihrer um folgende Beträge verminderten Einkünfte im Sinne von IV des Art. 1417 überschreitet:

a)

im französischen Mutterland: 5038 Euro für den ersten Teil des Familienquotienten zuzüglich 1456 Euro für die ersten vier Halbteile und 2 575 Euro für jeden weiteren Halbteil ab dem fünften;

II. 1. Im Sinne von I sind

a)

Einkünfte die Einkünfte des steuerlichen Haushalts des veranlagten Steuerpflichtigen;

…“

5

Art. 1417 des Steuergesetzbuchs regelt die Schwellenwerte und die Berechnungsweise der steuerlichen Referenzeinkünfte:

„…

II. Die Bestimmungen von Art. 1414 A gelten für Steuerpflichtige, deren Einkünfte im Jahr vor dem der Veranlagung für den ersten Teil des Familienquotienten 23224 Euro nicht übersteigen, zuzüglich 5426 Euro für den ersten Halbteil und 4 270 Euro für jeden weiteren ab dem zweiten bei der Berechnung der Einkommensteuer auf die genannten Einkünfte herangezogenen Halbteil …

IV. 1. Unter Einkünften im Sinne dieses Artikels ist der Nettobetrag, nach etwaiger Anwendung der Quotientenregelung gemäß Art. 163‑0 A, der bei der Erhebung der Einkommensteuer für das Vorjahr herangezogenen Einkünfte und Gewinne zu verstehen.

Dieser Betrag erhöht sich

c)

um die Einkünfte … der Beamten internationaler Organisationen …;

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

6

Frau Pazdziej, eine Beamtin der Union, ist zusammen mit ihrem Partner, mit dem sie durch einen „pacte civil de solidarité“ (ziviler Solidaritätspakt) im Sinne des französischen Zivilrechts verbunden ist, Eigentümerin eines Hauses in Lomme (Frankreich).

7

Da ihres Erachtens bei der Berechnung der steuerlichen Referenzeinkünfte für die Deckelung der Wohnungssteuer auf das Haus, das sie zusammen mit ihrem Partner bewohnt, die Dienstbezüge, die sie von der Union erhält, nach Art. 12 Abs. 2 des Protokolls nicht zu berücksichtigen sind, beantragte sie bei der zuständigen Finanzverwaltung, diese Steuer für das Jahr 2010 von Amts wegen zu ermäßigen.

8

Das Tribunal administratif de Lille (Verwaltungsgericht Lille, Frankreich) gab diesem Antrag mit Urteil vom 13. Mai 2013 statt.

9

Gegen dieses Urteil hat der Ministre délégué, chargé du budget, beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde eingelegt. Dieses weist darauf hin, dass Art. 12 Abs. 2 des Protokolls nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur jede unmittelbare, sondern auch jede mittelbare Besteuerung der von der Union gezahlten Dienstbezüge durch die Mitgliedstaaten ausschließe.

10

Nach dem Urteil Vander Zwalmen und Massart (C‑229/98, EU:C:1999:501) sei es aber mit diesen Bestimmungen vereinbar, dass ein Steuervorteil, der in nicht diskriminierender Weise allen Haushalten, deren Einkünfte einen bestimmten Betrag nicht überstiegen, gewährt werde, Haushalten versagt werde, bei denen einer der Ehegatten Beamter oder sonstiger Bediensteter der Union sei und seine Dienstbezüge den genannten Betrag überstiegen.

11

Hingegen sei dem Urteil Bourgès-Maunoury und Heintz (C‑558/10, EU:C:2012:418), in dem es um die Art der Festsetzung des Höchstbetrags der französischen Solidaritätssteuer auf das Vermögen gegangen sei, zu entnehmen, dass eine Berücksichtigung der Dienstbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Union bei der Berechnung der Steuer nicht mit Art. 12 des Protokolls vereinbar sei.

12

Vor diesem Hintergrund hat der Conseil d’État das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht Art. 12 Abs. 2 des Protokolls jeder Berücksichtigung der Bezüge eines einem steuerlichen Haushalt angehörenden Beamten oder sonstigen Bediensteten der Union bei der Berechnung des theoretischen Einkommens dieses Haushalts entgegen, wenn diese Berücksichtigung geeignet ist, die Höhe des von dem Haushalt zu entrichtenden Steuerbetrags zu beeinflussen, oder sind weiterhin die sich aus dem Urteil Vander Zwalmen und Massart (C‑229/98, EU:C:1999:501) ergebenden Folgerungen in Fällen zu ziehen, in denen die Berücksichtigung solcher Bezüge im Hinblick auf die mögliche Anwendung einer sozialen Maßnahme, die in der Gewährung einer Befreiung von der Steuer, einer Verminderung ihrer Bemessungsgrundlage oder allgemein einer Steuerermäßigung besteht, nur der Feststellung dient, ob das theoretische Einkommen des steuerlichen Haushalts unter der Schwelle liegt, die das innerstaatliche Steuerrecht für die – gegebenenfalls nach Maßgabe dieses theoretischen Einkommens modifizierte – Gewährung der in dieser sozialen Maßnahme bestehenden Vergünstigung festlegt?

Zur Vorlagefrage

13

Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 12 Abs. 2 des Protokolls dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende bei der Ermittlung der Deckelung des Betrags einer Wohnungssteuer, deren Aufkommen den Gebietskörperschaften zufließt, im Hinblick auf eine eventuelle Ermäßigung dieser Steuer die von der Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge berücksichtigt.

14

Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 des Protokolls eine einheitliche Besteuerung der besagten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge aller Beamten und sonstigen Bediensteten der Union gewährleistet, indem er zum einen verhindert, dass infolge der Erhebung unterschiedlich hoher innerstaatlicher Steuern ihre effektiven Bezüge je nach ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Wohnsitz schwanken, und zum anderen, dass diese Bezüge infolge einer Doppelbesteuerung stärker als gewöhnlich belastet werden (Urteil Brouerius van Nidek, 7/74, EU:C:1974:73, Rn. 11).

15

Das Unionsrecht sieht folglich eine deutliche Trennung zwischen den der fiskalischen Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten unterliegenden Einkünften und den Gehältern der Beamten und sonstigen Bediensteten der Union vor, wobei diese Gehälter hinsichtlich ihrer etwaigen Besteuerbarkeit ausschließlich dem Unionsrecht unterliegen, während die übrigen Einkünfte der Beamten der Besteuerung durch die Mitgliedstaaten unterworfen bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil Humblet/État belge, 6/60‑IMM, EU:C:1960:48, S. 1197).

16

Die in Art. 12 Abs. 2 des Protokolls vorgesehene Befreiung gilt mithin nur für innerstaatliche Steuern, die den von der Union auf dieselben Einkommensquellen erhobenen Steuern vergleichbar sind (Urteil Brouerius van Nidek, 7/74, EU:C:1974:73, Rn. 12).

17

Wie ferner bereits entschieden worden ist, bezweckt Art. 12 Abs. 2 des Protokolls die Befreiung von jeder innerstaatlichen Besteuerung, die unmittelbar oder mittelbar auf den von der Union ihren Beamten oder sonstigen Bediensteten gezahlten Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen beruht. Sie steht daher jeder innerstaatlichen Besteuerung entgegen, die die Beamten oder sonstigen Bediensteten deshalb unmittelbar oder mittelbar belastet, weil sie ein Gehalt von der Union beziehen, unabhängig von der Natur einer solchen Besteuerung oder den Modalitäten ihrer Erhebung und selbst dann, wenn die fragliche Steuer nicht anhand der Höhe dieses Gehalts berechnet wird (Urteile Kommission/Belgien, 260/86, EU:C:1988:91, Rn. 10, Tither, C‑333/88, EU:C:1990:131, Rn. 12, Kristoffersen, C‑263/91, EU:C:1993:207, Rn. 14, sowie Vander Zwalmen und Massart, C‑229/98, EU:C:1999:501, Rn. 24).

18

Art. 12 Abs. 2 des Protokolls verbietet daher, wenn das nationale Recht eine progressive Besteuerung vorsieht, eine Berücksichtigung der Gehälter, die die Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlt, bei der Ermittlung des Satzes der auf andere, steuerpflichtige Einkünfte erhobenen Steuern. Die privaten Einkünfte eines Beamten würden dann nämlich deshalb stärker besteuert, weil er ein Gehalt von der Union bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil Humblet/État belge, 6/60‑IMM, EU:C:1960:48, S. 1199).

19

Hingegen verpflichtet Art. 12 des Protokolls die Mitgliedstaaten nicht, den Beamten und sonstigen Bediensteten der Union die gleichen Steuervorteile zu gewähren wie den in den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften definierten Begünstigten. Er verlangt lediglich, dass ein solcher Bediensteter, wenn er bestimmten Steuern unterliegt und die Voraussetzungen der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften erfüllt, in den Genuss aller den Steuerpflichtigen normalerweise zustehenden Steuervorteile kommen kann, damit er nicht höher besteuert (Urteil Tither, C‑333/88, EU:C:1990:131, Rn. 15) oder gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen benachteiligt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Vander Zwalmen und Massart, C‑229/98, EU:C:1999:501, Rn. 26).

20

Ob Art. 12 Abs. 2 des Protokolls den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

21

Wie aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervorgeht, knüpft die Wohnungssteuer an den Besitz oder die Nutzung einer Wohnung in einer französischen Gemeinde unter Ausschluss Dritter an. Die Bemessungsgrundlage der Steuer ist der Katasternettomietwert, und der Steuersatz wird von den Gemeindebehörden festgelegt.

22

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es sich bei der Besteuerung des Mietwerts der Wohnung eines Beamten oder sonstigen Bediensteten der Union um einen objektiven Vorgang handelt und dass eine solche Besteuerung in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den von der Union gezahlten Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen steht (Urteil Kristoffersen, C‑263/91, EU:C:1993:207, Rn. 15).

23

Folglich kann die Wohnungssteuer, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht mit einer Besteuerung der von der Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge gleichgesetzt werden.

24

Insoweit ist nicht entscheidend, dass die Höhe der geschuldeten Wohnungssteuer gegebenenfalls je nach der Höhe der von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge variieren kann.

25

Im Ausgangsverfahren geht es nämlich nicht darum, dass ein Beamter oder sonstiger Bediensteter der Union grundsätzlich der Wohnungssteuer unterliegt, sondern allein um die Berücksichtigung der von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge bei der Berechnung des Einkommens des steuerlichen Haushalts, von dem abhängt, ob der Steuerpflichtige in den Genuss einer Deckelung des Betrags der geschuldeten Steuer kommen kann.

26

Erstens ist aber festzustellen, dass die nationalen Rechtsvorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, keine Bestimmung enthalten, die die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union daran hindern würde, unter denselben Voraussetzungen in den Genuss einer teilweisen Ermäßigung der Wohnungssteuer zu kommen, wie sie für jeden anderen Steuerpflichtigen gelten, der in den Genuss dieses Steuervorteils kommen kann, nämlich, dass das steuerliche Referenzeinkommen die gesetzlich festgelegte Schwelle nicht überschreitet.

27

Der Grund für den Ausschluss von der teilweisen Ermäßigung der Wohnungssteuer besteht nämlich nicht in der Eigenschaft als Beamter oder sonstiger Bediensteter der Union mit einem die Schwelle des steuerlichen Referenzeinkommens überschreitenden Gehalt, sondern hängt mit der allgemeinen Voraussetzung der Höhe der Einkünfte zusammen, die den Anspruch auf den betreffenden Steuervorteil eröffnen. Diese Voraussetzung gilt für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union in nicht diskriminierender Weise wie für jeden anderen Steuerpflichtigen des betreffenden Mitgliedstaats.

28

Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Steuer, um die es im Ausgangsverfahren geht, hauptsächlich vom Mietwert der Wohnung abhängt und weder auf die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen noch auf dessen gesamtes Vermögen abstellt, wie aus Rn. 21 des vorliegenden Urteils hervorgeht. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen wird nämlich lediglich bei der Erlangung des Steuervorteils berücksichtigt und ist nicht im eigentlichen Sinne Gegenstand der Wohnungssteuer.

29

Insoweit ist hervorzuheben, dass der Mechanismus der teilweisen Ermäßigung der Wohnungssteuer eingeführt wurde, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, und eine soziale Maßnahme darstellt, die es steuerlichen Haushalten mit geringem Einkommen ermöglicht, die Gemeindesteuern zu zahlen. Ließe man einen Ausschluss der von der Union gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge auf der Grundlage von Art. 12 des Protokolls zu, würde dies zu einer Zweckentfremdung der getroffenen sozialen Maßnahme führen.

30

In allen diesen Aspekten unterscheidet sich das Ausgangsverfahren von dem Verfahren, das zu dem Urteil Bourgès-Maunoury und Heintz (C‑558/10, EU:C:2012:418) geführt hat, in dem der Gerichtshof zum einen entschieden hat, dass die Regelung über die Solidaritätssteuer auf das Vermögen, um die es dort ging, insofern einen Bezug zu den von der Union gezahlten Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen aufwies, als diese bei der Festsetzung des endgültigen Steuersatzes berücksichtigt wurden, und zum anderen, dass diese Besteuerung die Bezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Union mittelbar belastete.

31

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 des Protokolls dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende bei der Ermittlung der Deckelung des Betrags einer Wohnungssteuer, deren Aufkommen den Gebietskörperschaften zufließt, im Hinblick auf eine eventuelle Ermäßigung dieser Steuer die von der Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge berücksichtigt.

Kosten

32

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 12 Abs. 2 des dem EU-, dem AEU- und dem EAG-Vertrag beigefügten Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende bei der Ermittlung der Deckelung des Betrags einer Wohnungssteuer, deren Aufkommen den Gebietskörperschaften zufließt, im Hinblick auf eine eventuelle Ermäßigung dieser Steuer die von der Europäischen Union ihren Beamten und sonstigen Bediensteten gezahlten Gehälter, Löhne und anderen Bezüge berücksichtigt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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