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Document 62014CJ0255

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 16. Juli 2015.
Robert Michal Chmielewski gegen Nemzeti Adó- és Vámhivatal Dél-alföldi Regionális Vám- és Pénzügyőri Főigazgatósága.
Vorabentscheidungsersuchen des Kecskeméti Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 – Überwachung von Barmitteln, die in die Europäische Union oder aus der Europäischen Union verbracht werden – Art. 3 und 9 – Anmeldepflicht – Verletzung – Sanktionen – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-255/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:475

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

16. Juli 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 — Überwachung von Barmitteln, die in die Europäische Union oder aus der Europäischen Union verbracht werden — Art. 3 und 9 — Anmeldepflicht — Verletzung — Sanktionen — Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑255/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Kecskeméti Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 19. Mai 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Mai 2014, in dem Verfahren

Robert Michal Chmielewski

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Dél-alföldi Regionális Vám- és Pénzügyőri Főigazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev, J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Dél-alföldi Regionális Vám- és Pénzügyőri Főigazgatósága, vertreten durch B. Gyenge als Bevollmächtigten,

der ungarischen Regierung, vertreten durch Z. Fehér, G. Koós und M. M. Tátrai als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch J.‑C. Halleux, M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Grønfeldt und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Mai 2015

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 65 AEUV und Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (ABl. L 309, S. 9).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Chmielewski und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Dél-alföldi Regionális Vám- és Pénzügyőri Főigazgatósága (Zoll- und Finanzhauptdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung für die Region Del-alföld) wegen einer von dieser gegen Herrn Chmielewski deshalb verhängten Geldbuße, weil er bei seiner Einreise in die Europäische Union mit sich geführte Barmittel nicht angemeldet hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 1 bis 3, 5, 6 und 13 der Verordnung Nr. 1889/2005 haben folgenden Wortlaut:

„(1)

Die Gemeinschaft hat unter anderem die Aufgabe, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens zu fördern. Der Binnenmarkt umfasst daher einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist.

(2)

Die Einleitung der Erlöse aus rechtswidrigen Handlungen in das Finanzsystem und ihre Investition im Anschluss an eine Geldwäsche schaden der gesunden und nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung. Daher wurde mit der Richtlinie 91/308/EWG des Rates vom 10. Juni 1991 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche [ABl. L 166, S. 77] auf Gemeinschaftsebene ein Mechanismus zur Verhinderung von Geldwäsche eingeführt, indem Transaktionen, die von Finanz- und Kreditinstituten sowie bestimmten Berufsgruppen abgewickelt werden, überwacht werden. Da die Gefahr besteht, dass die Anwendung dieses Mechanismus zu einem Anstieg der Bewegungen von Barmitteln für illegale Zwecke führt, sollte die Richtlinie 91/308… durch ein System zur Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, ergänzt werden.

(3)

Solche Überwachungssysteme werden derzeit nur von einigen Mitgliedstaaten auf der Grundlage des nationalen Rechts angewendet. Die Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften wirken sich negativ auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts aus. Daher sollten die Grundelemente auf Gemeinschaftsebene harmonisiert werden, um ein gleichwertiges Niveau der Überwachung der Bewegungen von Barmitteln über die Grenzen der Gemeinschaft hinweg sicherzustellen. Diese Harmonisierung sollte allerdings die Möglichkeit der Mitgliedstaaten nicht berühren, im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des Vertrags nationale Kontrollen der Bewegungen von Barmitteln innerhalb der Gemeinschaft vorzunehmen.

(5)

Daher sollten Barmittel, die von natürlichen Personen bei der Einreise in die oder bei der Ausreise aus der Gemeinschaft mitgeführt werden, dem Grundsatz der obligatorischen Anmeldung unterliegen. Dieser Grundsatz würde es den Zollbehörden ermöglichen, Informationen über derartige Bewegungen von Barmitteln zu sammeln und diese Informationen gegebenenfalls anderen Behörden zu übermitteln. …

(6)

Angesichts ihres präventiven Zwecks und abschreckenden Charakters sollte die Anmeldepflicht bei der Einreise in die oder bei der Ausreise aus der Gemeinschaft erfüllt werden. Damit sich die Behörden jedoch auf die wesentlichen Bewegungen von Barmitteln konzentrieren können, sollte diese Anmeldepflicht nur für Bewegungen von Barmitteln in Höhe von 10000 [Euro] oder mehr gelten. Ferner sollte klargestellt werden, dass die Anmeldepflicht für die natürliche Person gilt, die die Barmittel mit sich führt, unabhängig davon, ob es sich dabei um den Eigentümer handelt.

(13)

Die Befugnisse der zuständigen Behörden sollten um die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Festlegung von Sanktionen ergänzt werden. Jedoch sollten Sanktionen nur wegen des Fehlens einer Anmeldung im Sinne dieser Verordnung verhängt werden.“

4

Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„Diese Verordnung ergänzt die Bestimmungen der Richtlinie 91/308 … betreffend Transaktionen, die von Finanz- und Kreditinstituten sowie bestimmten Berufsgruppen abgewickelt werden, indem sie harmonisierte Vorschriften für die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, durch die zuständigen Behörden festlegt.“

5

Art. 3 der Verordnung bestimmt:

„(1)   Jede natürliche Person, die in die Gemeinschaft einreist oder aus der Gemeinschaft ausreist und Barmittel in Höhe von 10000 [Euro] oder mehr mit sich führt, muss diesen Betrag gemäß dieser Verordnung bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, über den sie in die Gemeinschaft einreist oder aus der Gemeinschaft ausreist, anmelden. Die Anmeldepflicht ist nicht erfüllt, wenn die übermittelten Informationen unrichtig oder unvollständig sind.

(2)   Die Anmeldung im Sinne des Absatzes 1 enthält Angaben

e)

zu Herkunft und Verwendungszweck der Barmittel,

…“

6

Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung lautet:

„Bei einer Verletzung der Anmeldepflicht nach Artikel 3 können die Barmittel im Einklang mit den nach nationalem Recht festgelegten Bedingungen auf dem Verwaltungsweg einbehalten werden.“

7

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 sieht vor:

„Jeder Mitgliedstaat legt Sanktionen fest, die bei Verletzung der Anmeldepflicht nach Artikel 3 verhängt werden. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“

Ungarisches Recht

8

Nach § 1 des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1889/2005 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. XLVIII von 2007) sind die Zollbehörden für die Durchführung der Verordnung Nr. 1889/2005 zuständig.

9

§ 3 des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 sieht vor, dass die Zollbehörden im Interesse der Barmittelüberwachung zur Überwachung der Erfüllung der Anmeldepflicht nach Art. 3 der Verordnung im Rahmen der zollbehördlichen Befugnisse befugt sind, natürliche Personen, ihr Gepäck und ihr Verkehrsmittel zu kontrollieren.

10

§ 5/A Abs. 1 des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 bestimmt:

„Jede natürliche Person, die in das Gebiet der Europäischen Union einreist oder aus diesem Gebiet ausreist und die ihr nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung [Nr. 1889/2005] obliegende Anmeldepflicht in Bezug auf von ihr mitgeführte Barmittel im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung [Nr. 1889/2005] unrichtig, unvollständig oder überhaupt nicht erfüllt, muss gemäß Art. 9 der Verordnung [Nr. 1889/2005] an Ort und Stelle eine in [ungarischen] Forint [HUF] festgesetzte Geldbuße in folgender Höhe entrichten:

a)

bei Barmitteln im Wert von mindestens 10000 und höchstens 20000 Euro in Höhe von 10 % des mitgeführten Betrags,

b)

bei Barmitteln im Wert von mehr als 20000 und höchstens 50000 Euro in Höhe von 40 % des mitgeführten Betrags,

c)

bei Barmitteln im Wert von mehr als 50000 Euro in Höhe von 60 % des mitgeführten Betrags.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

Am 9. August 2012 reiste Herr Chmielewski aus Serbien kommend nach Ungarn ein, ohne die Barmittel anzumelden, die er mit sich führte, nämlich einen Gesamtbetrag von 147492 Euro, der sich aus 249150 bulgarischen Lewa (BGN), 30000 türkischen Lire (TRY) und 29394 rumänischen Lei (RON) zusammensetzte.

12

Mit Entscheidung vom 4. Oktober 2013 verpflichtete die Nemzeti Adó- és Vámhivatal Dél-alföldi Regionális Vám- és Pénzügyőri Főigazgatósága Herrn Chmielewski zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 24532000 HUF, weil er durch das Unterlassen der Anmeldung des Betrags bei seiner Einreise in die Union die ihm nach der Verordnung Nr. 1889/2005 und dem Gesetz Nr. XLVIII von 2007 obliegende Pflicht nicht beachtet habe.

13

Herr Chmielewski erhob beim vorlegenden Gericht Klage gegen diese Entscheidung und machte dabei u. a. geltend, die Bestimmungen des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 verstießen gegen das Unionsrecht.

14

Unter diesen Umständen hat das Kecskeméti Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Kecskemét) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Entspricht die Höhe der gemäß § 5/A des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1889/2005 festgelegten Geldbuße dem Erfordernis nach Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung, dass die im nationalen Recht festgelegten Sanktionen wirksam und abschreckend und gleichzeitig gemessen an dem Rechtsverstoß und im Hinblick auf das zu erreichende Ziel verhältnismäßig sein müssen?

2.

Verstößt § 5/A des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 wegen der dort festgelegten Höhe der Geldbuße gegen den Vertrag über die Europäische Union und gegen das Verbot der verschleierten Beschränkung des Kapitalverkehrs nach Art. 65 Abs. 3 AEUV?

Zu den Vorlagefragen

15

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 65 Abs. 3 AEUV und Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die zur Ahndung einer Verletzung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung die Zahlung einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel vorsieht, wenn deren Betrag 50000 Euro übersteigt.

16

Da die Verordnung Nr. 1889/2005 harmonisierte Vorschriften für die Überwachung von Barmitteln, die in die Union oder aus der Union verbracht werden, festlegt, ist die im Ausgangsverfahren streitige Regelung zunächst anhand der Bestimmungen dieser Verordnung zu prüfen.

17

Wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 1 bis 3 ergibt, bezweckt diese Verordnung im Kontext der Förderung einer harmonischen, ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung des Wirtschaftslebens in der ganzen Union eine Ergänzung der Bestimmungen der Richtlinie 91/308, indem sie harmonisierte Vorschriften für die Überwachung von Barmitteln festlegt, die in die Union oder aus der Union verbracht werden.

18

Gemäß ihren Erwägungsgründen 2, 5 und 6 soll die Verordnung Nr. 1889/2005 somit abschrecken und verhindern, dass Erlöse aus rechtswidrigen Handlungen in das Finanzsystem eingeleitet sowie im Anschluss an eine Geldwäsche investiert werden, wozu sie u. a. den Grundsatz der obligatorischen Anmeldung solcher Bewegungen aufstellt, der es ermöglicht, Informationen über diese zu sammeln.

19

Zu diesem Zweck sieht Art. 3 Abs. 1 der Verordnung für jede natürliche Person, die in die Union einreist oder aus der Union ausreist und Barmittel in Höhe von 10000 Euro oder mehr mit sich führt, die Verpflichtung vor, diesen Betrag anzumelden.

20

Nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 muss jeder Mitgliedstaat Sanktionen vorsehen, die bei Nichtbeachtung dieser Anmeldepflicht verhängt werden. Dieser Vorschrift zufolge müssen diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

21

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, befugt sind, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind allerdings verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten (vgl. Urteile Ntionik und Pikoulas, C‑430/05, EU:C:2007:410, Rn. 53, sowie Urbán, C‑210/10, EU:C:2012:64, Rn. 23).

22

Insbesondere dürfen die administrativen oder repressiven Maßnahmen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften gestattet sind, nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgten Ziele erforderlich ist (vgl. Urteile Ntionik und Pikoulas, C‑430/05, EU:C:2007:410, Rn. 54, sowie Urbán, C‑210/10, EU:C:2012:64, Rn. 24 und 53).

23

In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Härte der Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen muss, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. Urteile Asociația Accept, C‑81/12, EU:C:2013:275, Rn. 63, und LCL Le Crédit Lyonnais, C‑565/12, EU:C:2014:190, Rn. 45).

24

Was den Ausgangsrechtsstreit betrifft, ist weder vor dem vorlegenden Gericht noch vor dem Gerichtshof bestritten worden, dass die in § 5/A des Gesetzes Nr. XLVIII von 2007 vorgesehenen Sanktionen wirksam und abschreckend sind.

25

Insoweit genügt die Feststellung, dass sich Sanktionen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als geeignet darstellen, die mit der Verordnung Nr. 1889/2005 verfolgten Ziele zu erreichen und eine tatsächliche Befolgung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung sicherzustellen, da sie so ausgestaltet sind, dass sie die Betroffenen von einer Verletzung dieser Pflicht abschrecken.

26

Ferner stellt sich ein System, bei dem die Höhe der Sanktionen im Sinne von Art. 9 dieser Verordnung je nach Höhe der nicht angemeldeten Barmittel unterschiedlich ausfällt, für sich genommen nicht grundsätzlich als unverhältnismäßig dar.

27

Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen, die die im Ausgangsverfahren streitige Regelung vorsieht, ist festzustellen, dass die Höhe der darin vorgesehenen Geldbußen mit dem Umfang des Betrags der nicht angemeldeten Barmittel ansteigt.

28

Entgegen der von der Europäischen Kommission vertretenen Auffassung erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 1889/2005 eingeführten Sanktionen genügen müssen, nicht, dass die zuständigen Behörden die konkreten und besonderen Umstände jedes Einzelfalls berücksichtigen müssen.

29

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 79 bis 81 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verfügen die Mitgliedstaaten nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 über einen Wertungsspielraum bei der Entscheidung darüber, welche Sanktionen sie einführen, um die Einhaltung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung sicherzustellen, wobei eine Verletzung dieser Pflicht einfach, wirksam und effizient geahndet werden können muss, ohne dass die zuständigen Behörden zwangsläufig andere Umstände – wie etwa den Umstand, dass es sich um eine Vorsatz- oder Wiederholungstat handelt – berücksichtigen müssen.

30

In Anbetracht der Art der betreffenden Zuwiderhandlung, nämlich einer Verletzung der Anmeldepflicht nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1889/2005, zeigt sich jedoch, dass eine Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel, wenn deren Betrag 50000 Euro übersteigt, nicht verhältnismäßig ist. Eine solche Geldbuße überschreitet nämlich die Grenzen dessen, was erforderlich ist, um die Beachtung dieser Pflicht zu gewährleisten und die Erreichung der mit dieser Verordnung verfolgten Ziele sicherzustellen.

31

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit der in Art. 9 der Verordnung Nr. 1889/2005 vorgesehenen Sanktion nicht mögliche betrügerische oder widerrechtliche Handlungen geahndet werden sollen, sondern allein eine Verletzung der Anmeldepflicht.

32

Wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 15 hervorgeht, soll diese Verordnung – unter Einhaltung der von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätze – sicherstellen, dass Bewegungen von Barmitteln, die in die Union oder aus der Union verbracht werden, wirksamer überwacht werden, um zu verhindern, dass Erlöse aus rechtswidrigen Handlungen in das Finanzsystem eingeleitet werden.

33

Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1889/2005 sieht außerdem vor, dass Barmittel, bei denen die nach Art. 3 der Verordnung vorgesehene Anmeldung unterblieben ist, im Einklang mit den nach nationalem Recht festgelegten Bedingungen auf dem Verwaltungsweg einbehalten werden können, u. a. um den zuständigen Behörden zu ermöglichen, die erforderlichen Kontrollen und Überprüfungen in Bezug auf die Herkunft und den Verwendungszweck der Barmittel und deren Bestimmungsort durchzuführen. Somit wäre eine Sanktion in Gestalt einer niedrigeren Geldbuße in Verbindung mit einer Maßnahme, bei der die nicht nach Art. 3 der Verordnung angemeldeten Barmittel einbehalten werden, geeignet, die mit der Verordnung verfolgten Ziele zu erreichen, ohne die Grenzen des hierfür Erforderlichen zu überschreiten. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung eine solche Möglichkeit nicht vorsieht.

34

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist nicht zu prüfen, ob eine Beschränkung im Sinne von Art. 65 Abs. 3 AEUV vorliegt.

35

Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1889/2005 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die zur Ahndung einer Verletzung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung die Zahlung einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel vorsieht, wenn deren Betrag 50000 Euro übersteigt.

Kosten

36

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die Gemeinschaft oder aus der Gemeinschaft verbracht werden, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die zur Ahndung einer Verletzung der Anmeldepflicht nach Art. 3 dieser Verordnung die Zahlung einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße in Höhe von 60 % der nicht angemeldeten Barmittel vorsieht, wenn deren Betrag 50000 Euro übersteigt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Ungarisch.

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