EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62014CJ0040

Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 20. November 2014.
Direction générale des douanes et droits indirects u. a. gegen Utopia SARL.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Frankreich].
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif – Befreiung von den Eingangsabgaben – Zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere – Öffentliche oder gemeinnützige Einrichtung oder ermächtigte private Einrichtung – Importeur, der solche Einrichtungen als Kunden hat – Verpackungen – Käfige, die zum Transport von Tieren dienen.
Rechtssache C‑40/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2389

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

20. November 2014 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif — Befreiung von den Eingangsabgaben — Zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere — Öffentliche oder gemeinnützige Einrichtung oder ermächtigte private Einrichtung — Importeur, der solche Einrichtungen als Kunden hat — Verpackungen — Käfige, die zum Transport von Tieren dienen“

In der Rechtssache C‑40/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Frankreich) mit Entscheidung vom 21. Januar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Januar 2014, in dem Verfahren

Direction générale des douanes et droits indirects,

Chef de l’Agence de poursuites de la Direction nationale du renseignement et des enquêtes douanières,

Direction régionale des douanes et droits indirects de Lyon

gegen

Utopia SARL

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Utopia SARL, vertreten durch M. Le Berre, avocat,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und C. Candat als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Caeiros und F. Dintilhac als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 60 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 918/83) und der Allgemeinen Vorschrift 5 b) der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003 (ABl. L 281, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Direction générale des douanes et droits indirects, dem Chef de l’Agence de poursuites de la Direction nationale du renseignement et des enquêtes douanières und der Direction régionale des douanes et droits indirects de Lyon (drei Organe der Zollverwaltung) einerseits und der Utopia SARL (im Folgenden: Utopia) andererseits wegen eines von dieser Gesellschaft angefochtenen Beitreibungsbescheids.

Rechtlicher Rahmen

3

Durch die Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 324, S. 23) wurde die Verordnung Nr. 918/83 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 aufgehoben und ersetzt. Dessen ungeachtet ist auf den Ausgangsrechtsstreit – angesichts der Zeit, in der sich die maßgeblichen Vorgänge ereignet haben – noch die Verordnung Nr. 918/83 anzuwenden.

4

Art. 60 („Tiere für Laborzwecke und biologische und chemische Stoffe für Forschungszwecke“) der Verordnung Nr. 918/83, der einzige Artikel in deren Titel XIII, bestimmt:

„(1)   Von den Eingangsabgaben befreit sind

a)

zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere,

(2)   Die Befreiung nach Absatz 1 ist auf Tiere … beschränkt, die bestimmt sind für

öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, sowie solche Abteilungen einer öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtung, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, oder

private Einrichtungen, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist und die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zum Empfang dieser Waren unter Abgabenbefreiung ermächtigt sind.

…“

5

Art. 128 der Verordnung Nr. 918/83 sieht vor:

„Ist die Befreiung von den Eingangsabgaben von einer bestimmten Verwendung der Waren durch den Empfänger abhängig, so kann diese Befreiung nur von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats gewährt werden, auf dessen Gebiet die Waren der Verwendung zugeführt werden sollen.“

6

In Art. 129 der Verordnung Nr. 918/83 heißt es:

„Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, damit Waren, die aufgrund ihrer Verwendung durch den Empfänger unter Befreiung von den Eingangsabgaben zum zollrechtlich freien Verkehr abgefertigt wurden, nicht ohne Entrichtung der Eingangsabgaben zu anderen Zwecken verwendet werden können, sofern die Änderung der Verwendung nicht unter den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfolgt.“

7

Art. 131 der Verordnung Nr. 918/83 bestimmt:

„Ist in dieser Verordnung vorgesehen, dass die Befreiung nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird, so hat der Beteiligte den zuständigen Behörden nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind.“

8

Die KN beruht auf dem weltweiten Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene und im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigte internationale Übereinkommen eingeführt wurde.

9

Teil I der KN enthält eine Reihe einführender Vorschriften. In diesem Teil enthält Titel I („Allgemeine Vorschriften“) einen Abschnitt A („Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur“). Zu diesen Vorschriften gehört die Allgemeine Vorschrift 5, die Folgendes vorsieht:

„Zusätzlich zu den vorstehenden Allgemeinen Vorschriften gilt für die nachstehend aufgeführten Waren Folgendes:

b)

Vorbehaltlich der vorstehenden Allgemeinen Vorschrift 5 a) werden Verpackungen … wie die darin enthaltenen Waren eingereiht, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind. Diese Allgemeine Vorschrift gilt nicht verbindlich für Verpackungen, die eindeutig zur mehrfachen Verwendung geeignet sind.“

10

In der Fußnote zum Begriff „Verpackungen“ in der Allgemeinen Vorschrift 5 b) der KN heißt es:

„Als ‚Verpackungen‘ gelten innere und äußere Behältnisse, Aufmachungen, Umhüllungen und Unterlagen mit Ausnahme von Beförderungsmitteln – insbesondere Behältern –, Planen, Lademitteln und des bei der Beförderung verwendeten Zubehörs. Der Ausdruck ‚Verpackungen‘ umfasst nicht die in der Allgemeinen Vorschrift 5 a) angesprochenen Behältnisse.“

11

Abgesehen von dieser Fußnote übernimmt die Allgemeine Vorschrift 5 b) der KN den genauen Wortlaut der Allgemeinen Vorschrift 5 b) des HS.

12

Die Erläuterung zur Allgemeinen Vorschrift 5 b) der KN in der Mitteilung der Europäischen Kommission mit dem Titel „Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Gemeinschaften“ (ABl. 2002, C 256, S. 1) lautet:

„Verpackungen, die üblicherweise für die Vermarktung von Getränken, Marmeladen, Senf, Gewürzen usw. verwendet werden, sind wie die Waren einzureihen, die sie enthalten, auch wenn sie offensichtlich wiederholt verwendet werden können.“

13

Gemäß der Erläuterung zur Allgemeinen Vorschrift 5 b) des HS regelt diese Vorschrift „die Einreihung von Verpackungsmaterial und Behältern, wie sie gewöhnlich zum Verpacken von Waren verwendet werden, zu denen sie gehören. [Sie] gilt jedoch nicht verbindlich für Verpackungen, die offensichtlich zur wiederholten Verwendung geeignet sind, wie z. B. bestimmte Metallfässer oder Behälter aus Eisen oder Stahl für komprimierte oder verflüssigte Gase.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14

Die Gesellschaft Utopia, die ihre Tätigkeit unter dem Handelsnamen Marshall Bioresources ausübt, importiert zur Laborforschung bestimmte Tiere aus den Vereinigten Staaten nach Frankreich.

15

Im Lauf des Jahres 2006 führte die französische Zollverwaltung eine nachträgliche Prüfung der von Utopia in der Zeit von März bis Dezember 2004 vorgenommenen Einfuhren von lebenden Hunden und Frettchen durch. Dabei stellte sich heraus, dass Utopia die Einfuhren ohne Zahlung von Zollabgaben durchgeführt hatte, wobei sie sich auf Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 gestützt hatte.

16

Die Zollverwaltung war der Ansicht, dass Utopia – die keine Lehre oder wissenschaftliche Forschung betreibe und nicht über die erforderliche Ermächtigung verfüge – keinen Anspruch auf Befreiung von den Zollabgaben nach Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 habe. Daher stellte die Zollverwaltung mit Protokoll vom 7. März 2007 diverse Zollrechtsverletzungen, wodurch bestimmte Abgabenbeträge hinterzogen worden seien, fest und erließ am 27. März 2007 einen Beitreibungsbescheid für diese Beträge.

17

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs durch die Zollverwaltung erhob Utopia am 26. Juli 2007 Klage auf Aufhebung des Protokolls und des Beitreibungsbescheids. Mit Urteil vom 10. Januar 2011 gab das Tribunal d’instance de Lyon der Klage statt und hob den Beitreibungsbescheid auf.

18

Die Zollverwaltung legte gegen dieses Urteil Berufung bei der Cour d’appel de Lyon ein, die mit Urteil vom 20. Oktober 2011 dem von Utopia auf die Anwendung von Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 gestützten Vorbringen insoweit folgte, als sie entschied, dass die Einfuhr der lebenden Tiere von den Abgaben befreit sei, da diese Tiere zur Verwendung in Laboratorien bestimmt seien. Dagegen bestätigte die Cour d’appel de Lyon in diesem Urteil die bestrittene Zollschuld hinsichtlich der Käfige zum Transport der lebenden Tiere und begründete dies damit, dass diese Käfige nicht als Waren enthaltende Verpackungen im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 5 b) der KN angesehen werden könnten. Dabei wies die Cour d’appel de Lyon das Vorbringen von Utopia zurück, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Käfige von dem amerikanischen Zulieferer gemietet und nach dem Transport der Tiere an diesen zurückgesandt würden und allein eine mehrfache Verwendung dieser Käfige im Gebiet der Europäischen Union als eine mehrfache Verwendung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 5 b) der KN angesehen werden könne.

19

Die Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens legten gegen das Urteil der Cour d’appel de Lyon eine Kassationsbeschwerde ein, die die Anwendbarkeit von Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 auf den vorliegenden Fall betrifft. Utopia befasste die Cour de cassation mit einer Anschlusskassationsbeschwerde, die die Frage der Anwendbarkeit der Allgemeinen Vorschrift 5 b) der KN auf die zum Transport der fraglichen Tiere bestimmten Käfige betrifft.

20

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann ein Importeur von zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelten Tieren die Befreiung von den Eingangsabgaben in Anspruch nehmen, die für diese Art von Waren in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 vorgesehen ist, wenn er zwar nicht selbst eine öffentliche oder gemeinnützige oder eine ermächtigte private Einrichtung ist, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, jedoch Einrichtungen als Kunden hat, die diese Bedingungen erfüllen?

2.

Ist die Allgemeine Vorschrift 5 b) dahin auszulegen, dass Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere in die Kategorie der Verpackungen im Sinne dieser Vorschrift einzureihen sind?

Falls dies bejaht werden sollte, sind die Begriffe „eindeutig zur mehrfachen Verwendung geeignet“ im Zusammenhang mit diesen Verpackungen allgemein oder nur im Hinblick auf eine Wiederverwendung im Gebiet der Union zu prüfen?

Zur ersten Frage

21

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Importeur von zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelten Tieren die Befreiung von den Eingangsabgaben in Anspruch nehmen kann, die für diese Art von Waren in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 vorgesehen ist, wenn er zwar nicht selbst eine öffentliche oder gemeinnützige oder eine ermächtigte private Einrichtung ist, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, jedoch Einrichtungen als Kunden hat, die diese Bedingungen erfüllen.

22

Nach Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 sind von den Eingangsabgaben insbesondere „zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere“ befreit, sofern die Haupttätigkeit ihres Empfängers die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist und es sich bei diesem Empfänger um eine öffentliche oder gemeinnützige Einrichtung, eine Abteilung einer solchen Einrichtung oder eine private Einrichtung handelt. Wenn es sich bei dem Empfänger um eine private Einrichtung handelt, muss diese allerdings von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats zum Empfang dieser Tiere unter Abgabenbefreiung ermächtigt sein.

23

Somit geht aus Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 hervor, dass seine Anwendung voraussetzt, dass zwei verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der ersten Voraussetzung müssen die eingeführten Tiere besonders behandelt sein, um in Laboratorien verwendet zu werden. Nach der zweiten Voraussetzung muss der Empfänger dieser Tiere besondere Kriterien erfüllen, die die Art der betreffenden Einrichtung, die ausgeübte Tätigkeit und gegebenenfalls die Erteilung einer Ermächtigung betreffen.

24

Es steht fest, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Einfuhren diese beiden Voraussetzungen erfüllen, die für die betroffenen Tiere bzw. ihren Empfänger gelten.

25

Mit der ersten Frage des vorlegenden Gerichts soll jedoch geklärt werden, ob der Importeur der in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 angeführten Tiere, um die für diese Warenart vorgesehene Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen zu können, den Kriterien dafür entsprechen muss, dass er als Empfänger der Tiere im Sinne dieses Artikels angesehen werden kann.

26

Hierzu ist festzuhalten, dass der Importeur der Tiere in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 nicht genannt wird.

27

Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteil Brain Products, C‑219/11, EU:C:2012:742, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Zu dem Zusammenhang, in dem Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 steht, ist festzuhalten, dass diese Verordnung mehrere Zollbefreiungen vorsieht, die ausdrücklich davon abhängig gemacht werden, dass der Importeur bestimmte Voraussetzungen erfüllt. So hängt die in Art. 2 der Verordnung vorgesehene abgabenfreie Einfuhr von Voraussetzungen in Bezug auf den Importeur und die Natur der eingeführten Ware ab, nach denen die Ware von einer natürlichen Person eingeführt werden muss, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in das Zollgebiet der Union verlegt (Urteil Treimanis, C‑487/11, EU:C:2012:556, Rn. 15 und 16).

29

Dagegen hängen andere in der Verordnung Nr. 918/83 vorgesehene Zollbefreiungen mehr von der Verwendung der eingeführten Ware durch den Empfänger ab und weniger davon, wer der Importeur ist. Dies gilt u. a. für die in Art. 51 der Verordnung vorgesehene Befreiung für Gegenstände erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters, die für gewisse Forschungs- und Lehranstalten bestimmt sind.

30

Es ist festzustellen, dass die in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 vorgesehene Befreiung zu dieser zweiten Kategorie von Befreiungen gehört, bei der die Befreiung mehr von der Verwendung durch den Empfänger der eingeführten Ware abhängt und weniger davon, wer der Importeur ist.

31

Zudem ist mit der Kommission festzustellen, dass aus dem Wortlaut der Art. 128 und 129 der Verordnung Nr. 918/83 hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber den Fall in Betracht gezogen hat, dass der Importeur in Situationen wie den in Art. 60 der Verordnung vorgesehenen eine andere Person als der Empfänger der eingeführten Ware ist.

32

In diesem Zusammenhang geht aus den Art. 128 und 129 in Verbindung mit Art. 131 der Verordnung Nr. 918/83 zum einen hervor, dass ein Importeur die in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 vorgesehene Befreiung nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn er den zuständigen Behörden nachweisen kann, dass die eingeführten Waren tatsächlich für die in Art. 60 genannten Einrichtungen und die Verwendung, von der diese Befreiung abhängt, bestimmt sind, und zum anderen, dass diese Befreiung nur von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats gewährt werden kann, in dessen Gebiet die Waren dieser Verwendung zugeführt werden sollen. Dagegen geht aus den genannten Artikeln in keiner Weise hervor, dass der Importeur die Verwendung, von der die Gewährung der fraglichen Befreiung abhängt, selbst sicherstellen können muss.

33

Zu dem mit Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 verfolgten Ziel ist festzustellen, dass die Verwirklichung dieses Ziels, das darin besteht, die Forschungstätigkeiten zu erleichtern, indem es bestimmten in der Union belegenen Einrichtungen erlaubt wird, zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere zu geringeren Kosten einzuführen, nicht durch die diesen Einrichtungen eingeräumte Möglichkeit beeinträchtigt würde, für die Einfuhr die für sie geeignetste und vorteilhafteste Lösung zu wählen.

34

Folglich muss der Importeur der in Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 genannten Tiere angesichts des Zusammenhangs, in dem diese Bestimmung steht, und des mit ihr verfolgten Ziels nicht den Kriterien dafür entsprechen, dass er als Empfänger der Tiere im Sinne dieses Artikels angesehen werden kann, um die für diese Warenart vorgesehene Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen zu können.

35

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 60 der Verordnung Nr. 918/83 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere, die ein Importeur in das Gebiet der Union einführt, für eine öffentliche oder gemeinnützige oder eine ermächtigte private Einrichtung, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, bestimmt sind, dieser Importeur, obwohl er selbst keine solche Einrichtung ist, die in diesem Artikel für diese Warenart vorgesehene Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen kann.

Zur zweiten Frage

36

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Allgemeine Vorschrift 5 b) der KN dahin auszulegen ist, dass Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere zu der Kategorie der Verpackungen gehören, die wie die darin enthaltenen Waren einzureihen sind.

37

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dieser Allgemeinen Vorschrift Verpackungen nur dann wie die darin enthaltenen Waren eingereiht werden, wenn sie zur Verpackung dieser Waren üblich sind.

38

Daher ist für die Beantwortung der zweiten Frage zu prüfen, ob Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere als für diese Tiere übliche Verpackung angesehen werden können.

39

Hierzu ist auf die Beispiele für Verpackungen hinzuweisen, von denen laut den Erläuterungen zu der KN und dem HS anzunehmen ist, dass sie gewöhnlich zum Verpacken derjenigen Waren verwendet werden, zu denen sie gehören. Nach diesen Erläuterungen sind solche Verpackungen bestimmte Metallfässer oder Behälter aus Eisen oder Stahl für komprimierte oder verflüssigte Gase oder auch Verpackungen, die üblicherweise für die Vermarktung von Getränken, Marmeladen, Senf, Gewürzen usw. verwendet werden.

40

Wie die französische Regierung in ihren Erklärungen dargelegt hat, folgt daraus, dass Verpackungen, die für die darin enthaltenen Waren üblich sind, entweder Verpackungen sind, die für die Verwendung der fraglichen Ware unbedingt notwendig sind, oder Verpackungen, die üblicherweise zur Vermarktung und Verwendung der darin enthaltenen Waren genutzt werden. Es wäre nämlich unmöglich, komprimierte oder verflüssigte Gase ohne die Behälter aus Stahl, in denen sie enthalten sind, zu verwenden. Ebenso ist es schwer vorstellbar, Marmeladen oder Senf anders zu vermarkten oder zu verwenden als in den Behältern, die für diese Waren üblicherweise vorgesehen sind.

41

Angesichts der Erläuterungen zu der KN und dem HS kann nicht davon ausgegangen werden, dass Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere als für diese Tiere übliche Verpackung im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 5 b) angesehen werden können. Denn selbst wenn man annimmt, dass die Käfige üblicherweise für den Lufttransport dieser Tiere verwendet werden, sind sie zur Vermarktung und Verwendung der Tiere weder unbedingt notwendig noch werden sie üblicherweise dazu genutzt.

42

Insoweit ist festzustellen, dass aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, dass die im Ausgangsverfahren fraglichen Transportkäfige und Tiere von ihren Empfängern üblicherweise nicht zusammen verwendet werden. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Käfige nach Lieferung der Tiere dem Importeur zurückgegeben werden.

43

Nach den vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Allgemeine Vorschrift 5 b) der KN dahin auszulegen ist, dass Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere nicht zu der Kategorie der Verpackungen gehören, die wie die darin enthaltenen Waren einzureihen sind.

Kosten

44

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 60 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass dann, wenn zur Verwendung in Laboratorien besonders behandelte Tiere, die ein Importeur in das Gebiet der Europäischen Union einführt, für eine öffentliche oder gemeinnützige oder eine ermächtigte private Einrichtung, deren Haupttätigkeit die Lehre oder die wissenschaftliche Forschung ist, bestimmt sind, dieser Importeur, obwohl er selbst keine solche Einrichtung ist, die in diesem Artikel für diese Warenart vorgesehene Befreiung von den Einfuhrabgaben in Anspruch nehmen kann.

 

2.

Die Allgemeine Vorschrift 5 b) der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Käfige zum Transport lebender, für die Laborforschung bestimmter Tiere nicht zu der Kategorie der Verpackungen gehören, die wie die darin enthaltenen Waren einzureihen sind.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Französisch.

Top