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Document 62014CC0396

Schlussanträge des Generalanwalts P. Mengozzi vom 25. November 2015.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:774

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 25. November 2015 ( 1 )

Rechtssache C‑396/14

MT Højgaard A/S,

Züblin A/S

gegen

Banedanmark

(Vorabentscheidungsersuchen des Klagenævn for Udbud [Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe, Dänemark])

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 267 AEUV — Zuständigkeit des Gerichtshofs — Eigenschaft der vorlegenden Einrichtung als ‚Gericht‘ — Unabhängigkeit — Richtlinie 2004/17/EG — Öffentliche Aufträge — Verhandlungsverfahren — Grundsatz der Gleichbehandlung — Änderung einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern während des Vergabeverfahrens — Vergabe des Auftrags an ein nicht vorausgewähltes Unternehmen“

1. 

Kann ein öffentlicher Auftraggeber, wenn eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in der Vorauswahl berücksichtigt wurde und ein Angebot vorgelegt hat und dann vor Erteilung des Zuschlags wegen Insolvenz eines ihrer beiden Mitglieder aufgelöst wird, im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung das verbliebene Mitglied, das sich als solches nicht beworben hat und daher nicht vorausgewählt wurde, im Verfahren belassen und ihm schließlich den Zuschlag erteilen?

2. 

Das ist im Wesentlichen die – bisher nicht aufgeworfene – Frage, die das Klagenævn for Udbud (Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe, im Folgenden: Beschwerdeausschuss) dem Gerichtshof in einem Rechtsstreit zwischen der MT Højgaard A/S und der Züblin A/S (im Folgenden zusammen: MTHZ), einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, die an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilgenommen hat, und Banedanmark, dem Betreiber des staatlichen dänischen Schienennetzes und öffentlichen Auftraggeber in diesem Verfahren, vorgelegt hat. MTHZ macht vor dem vorlegenden Gericht geltend, Banedanmark habe dadurch, dass sie die Per Aarsleff A/S (im Folgenden: Aarsleff), das verbliebene Mitglied einer Bietergemeinschaft, die während des Verfahrens aufgelöst worden sei, an deren Stelle an der Ausschreibung habe teilnehmen lassen, obwohl Aarsleff nicht vorausgewählt worden sei, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 10 der Richtlinie 2004/17/EG ( 2 ) verstoßen.

3. 

In dieser Rechtssache wird der Gerichtshof von der dänischen Regierung zunächst darum ersucht, die Gründe zu erläutern, aus denen der Beschwerdeausschuss ein Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV sein soll. Sodann hat der Gerichtshof bei der Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage das öffentliche Interesse der öffentlichen Auftraggeber daran, dass sich die Vergabeverfahren durch eine möglichst umfassende Öffnung für den Wettbewerb auszeichnen, so dass die Teilnahme möglichst vieler Bieter an einer Ausschreibung gewährleistet ist, mit dem Interesse – oder vielmehr dem Recht – aller an der Ausschreibung teilnehmenden Bieter daran bzw. darauf, dass ihre Teilnahme an dem Verfahren unter strikter Wahrung der Chancengleichheit aller Bieter stattfindet, in Einklang zu bringen.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

4.

Der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Auftrag betrifft den Bau von Eisenbahnstrecken und unterliegt daher der Richtlinie 2004/17, die gemeinhin „Sektorenrichtlinie“ genannt wird.

5.

Wie im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 ausgeführt, ist es „[u]m zu gewährleisten, dass die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der … Verkehrsversorgung … für den Wettbewerb geöffnet wird, … ratsam, Bestimmungen für eine Gemeinschaftskoordinierung von Aufträgen, die über einen bestimmten Wert hinausgehen, festzulegen. Diese Koordinierung gründet sich auf die Anforderungen der Artikel 14, 28 und 49 des Vertrags sowie des Artikels 97 Euratom-Vertrag, nämlich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung, die davon nur eine besondere Ausprägung ist … In Anbetracht der Art der von dieser Koordinierung betroffenen Sektoren sollte diese unter Wahrung der Anwendung der genannten Grundsätze einen Rahmen für faire Handelspraktiken schaffen und ein Höchstmaß an Flexibilität ermöglichen“.

6.

Art. 10 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen“) dieser Richtlinie sieht vor, dass „[d]ie Auftraggeber … alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend [behandeln] und … in transparenter Weise [vorgehen]“.

7.

Nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie können „Angebote oder Anträge auf Teilnahme … auch von Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern eingereicht werden. Die Auftraggeber können nicht verlangen, dass nur Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, die eine bestimmte Rechtsform haben, ein Angebot oder einen Antrag auf Teilnahme einreichen können; allerdings kann von der ausgewählten Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern verlangt werden, dass sie eine bestimmte Rechtsform annimmt, wenn ihr der Zuschlag erteilt worden ist, sofern dies für die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrags erforderlich ist“.

8.

Art. 51 („Allgemeine Bestimmungen) der Richtlinie, der zu Kapitel VII („Ablauf des Verfahrens“) gehört, sieht vor:

„(1)   Die Auswahl der Bewerber in den Vergabeverfahren ist wie folgt geregelt:

a)

Haben die Auftraggeber gemäß Artikel 54 Absätze 1, 2 oder 4 Regeln und Kriterien für den Ausschluss von Bietern oder Bewerbern aufgestellt, so schließen sie Wirtschaftsteilnehmer, die diese Regeln und Kriterien erfüllen, aus.

b)

Die Auftraggeber wählen Bieter und Bewerber nach den gemäß Artikel 54 festgelegten objektiven Regeln und Kriterien aus.

c)

In nichtoffenen Verfahren und in Verhandlungsverfahren mit einem Aufruf zum Wettbewerb verringern die Auftraggeber gegebenenfalls nach Artikel 54 die Zahl der gemäß den Buchstaben a) und b) ausgewählten Bewerber.

(3)   Die Auftraggeber prüfen die Übereinstimmung der von den ausgewählten Bietern vorgelegten Angebote mit den für sie geltenden Vorschriften und Anforderungen und vergeben den Auftrag nach den Kriterien der Artikel 55 und 57.“

9.

Art. 54 der Richtlinie 2004/17 regelt die Eignungskriterien, die von den Auftraggebern festgelegt werden, und bestimmt in Abs. 3 Satz 2, dass in nicht offenen Verfahren oder in Verhandlungsverfahren „so viele Bewerber zu berücksichtigen [sind], dass ein angemessener Wettbewerb gewährleistet ist“.

10.

Die Richtlinie 2004/17 wurde durch die Richtlinie 2014/25/EU ( 3 ) mit Wirkung vom 18. April 2016 aufgehoben.

B – Dänisches Recht

11.

Der Beschwerdeausschuss wurde durch das Gesetz Nr. 344 über den Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe (Lov nr. 344 om Klagenævnet for Udbud) vom 6. Juni 1991 eingerichtet. Sein Aufbau und seine Tätigkeit sind im Gesetz Nr. 492 über die Durchführung der Vorschriften über die Auftragsvergabe (Lov nr. 492 om håndhævelse af udbudsreglerne) vom 12. Mai 2010 in geänderter Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Auftragsvergabe) und die Verordnung Nr. 887 über den Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe (Bekendtgørelse nr. 887/2011 om Klagenævnet for Udbud) vom 11. August 2011 in geänderter Fassung geregelt.

12.

Das Gesetz über bestimmte Handelsunternehmen (Lov om visse erhvervsdrivende virksomheder) in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 1295 vom 15. November 2013 bestimmt in § 2 Abs. 1 den Begriff „interessentskab“ (offene Handelsgesellschaft, im Folgenden: I/S) als „Unternehmen, in dem alle Gesellschafter persönlich unbeschränkt und gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften“. Eine I/S ist eine eigenständige juristische Person und Rechtssubjekt.

II – Ausgangsverfahren, nationales Verfahren und Vorlagefragen

13.

Im Januar 2013 veröffentlichte Banedanmark gemäß der Richtlinie 2004/17 eine Bekanntmachung zur Vergabe eines Auftrags im Verhandlungsverfahren, der die Durchführung eines Vorhabens mit der Bezeichnung „TP 4 Urban Tunnels“ im Zusammenhang mit dem Bau einer neuen Eisenbahnstrecke zwischen Kopenhagen (Dänemark) und Ringsted (Dänemark) betrifft.

14.

Gemäß der Auftragsbeschreibung sah dieses Verfahren vor, dass drei Angebote vorgelegt werden und dass nach Vorlage der ersten beiden Angebote verhandelt wird, da das dritte und letzte Angebot zur Vergabe des Auftrags führen muss. In der Ausschreibung hieß es ferner, dass Banedanmark vier bis sechs Bewerber zur Vorlage eines Angebots auffordern und bei mehr als sechs Bewerbern eine Vorauswahl auf der Grundlage von Referenzen für ähnliche Arbeiten treffen wird. Für die Vorauswahl waren keine Mindestanforderungen vorgesehen.

15.

Fünf Wirtschaftsteilnehmer bewarben sich, und alle wurden von Banedanmark vorausgewählt. Da sich einer von ihnen im Juni 2013 zurückzog, verblieben lediglich vier vorausgewählte Bieter.

16.

Darunter befand sich eine Bietergemeinschaft, die aus der E. Pihl & Søn A/S (im Folgenden: Pihl) und Aarsleff bestand und in der Vorauswahl als Konsortium in Form einer I/S mit dem Namen „JV Pihl – Aarsleff – TP 4 Urban Tunnels I/S“ aufgetreten war. Pihl und Aarsleff gehörten zu den größten Hoch- und Tiefbauunternehmen Dänemarks. Den Vertrag zur Gründung der I/S hatten sie am 26. August 2013 geschlossen.

17.

Am selben Tag wurde jedoch über das Vermögen von Pihl Insolvenz eröffnet. Banedanmark erfuhr davon am Nachmittag dieses Tages und befragte Aarsleff unverzüglich zu den Auswirkungen der Insolvenz auf das laufende Vergabeverfahren.

18.

Trotz des am Vortag eröffneten Insolvenzverfahrens gab die I/S am 27. August 2013 ein erstes Angebot ab, das von Aarsleff und Pihl, nicht aber von deren Insolvenzverwalter unterzeichnet war.

19.

Nach einem längeren Schriftwechsel mit Aarsleff über den Umgang mit den Folgen der Insolvenz von Pihl teilte Banedanmark am 15. Oktober 2013 sämtlichen Bietern mit, sie habe entschieden, dass Aarsleff trotz der Insolvenz von Pihl allein an dem Vergabeverfahren weiter teilnehmen könne.

20.

In ihrer Mitteilung begründete Banedanmark diese Entscheidung damit, dass Aarsleff die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Ausschreibung auch ohne die wirtschaftliche und technische Kapazität von Pihl erfülle und dass es für die Zulassung der Bietergemeinschaft nicht ausschlaggebend gewesen sei, dass Pihl ihr angehört habe. Ferner wies Banedanmark in der Mitteilung darauf hin, dass Pihl in der Bietergemeinschaft nicht durch einen neuen Bieter ersetzt werde und es somit bei den ausgewählten Bietern bleibe, da kein neuer Wirtschaftsteilnehmer zum Ausschreibungsverfahren zugelassen werde. Banedanmark führte weiter aus, dass Aarsleff nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehr als 50 Arbeitnehmer von Pihl übernommen habe, darunter Personen, die für die Durchführung des ausgeschriebenen Vorhabens wesentlich waren.

21.

Aarsleff reichte daraufhin ein zweites Angebot in eigenem Namen ein und wies darauf hin, dass sie es als Nachfolgerin der mit Pihl gebildeten Bietergemeinschaft abgebe, dass der Insolvenzverwalter nicht mitgeteilt habe, ob er den Vertrag zur Bildung der Bietergemeinschaft aufrechterhalten wolle, und dass sie diesen Vertrag daher gekündigt habe. Nach Prüfung der eingegangenen zweiten Angebote entschied Banedanmark gemäß den Ausschreibungsbedingungen, die drei ihrer Ansicht nach wirtschaftlich günstigsten Angebote zu berücksichtigen, und bat die drei ausgewählten Bieter, ein drittes und letztes Angebot einzureichen. Darunter befanden sich Aarsleff und MTHZ. Das letzte Angebot ging am 12. Dezember 2013 ein.

22.

Am 20. Dezember 2013 teilte Banedanmark den drei ausgewählten Bietern mit, sie habe entschieden, Aarsleff, die in Bezug auf Qualität und Preis das insgesamt günstigste Angebot abgegeben habe, den Zuschlag zu erteilen.

23.

Daraufhin erhob MTHZ beim vorlegenden Gericht Klage zum einen auf Feststellung, dass Banedanmark dadurch, dass sie Aarsleff anstelle der mit Pihl gebildeten Bietergemeinschaft an dem Vergabeverfahren habe teilnehmen lassen, obwohl Aarsleff nicht vorausgewählt worden sei, gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2004/17 verstoßen habe. Zum anderen beantragt MTHZ, die Entscheidung über die Auftragsvergabe an Aarsleff für nichtig zu erklären.

24.

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen vom 28. Januar 2014 ergibt sich, dass das vorlegende Gericht es abgelehnt hat, der von MTHZ erhobenen Klage aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfüllt sei. Dagegen sei die Voraussetzung des fumus boni iuris erfüllt, da die Prüfung der Klage auf den ersten Blick den Schluss erlaube, dass die endgültige Entscheidung dem Nichtigkeitsantrag von MTHZ wahrscheinlich stattgeben werde. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der Fall, dass die Änderung einer Bietergemeinschaft vor der Auftragsvergabe eintrete, von dem Fall zu unterscheiden sei, dass sie erst danach eintrete. Dass ein öffentlicher Auftraggeber eine Bietergemeinschaft vorausgewählt habe, bedeute nicht, dass deren Mitglieder einzeln die Vorauswahlrunde bestanden hätten, und zwar unabhängig davon, ob der öffentliche Auftraggeber anhand der Bewerbungsunterlagen feststellen könne, dass jedes einzelne Mitglied der Bietergemeinschaft die relevanten Voraussetzungen erfülle.

25.

In seiner Vorlageentscheidung führt der Beschwerdeausschuss zunächst aus, dass es im dänischen Recht keine Vorschrift gebe, die eine Änderung der Zusammensetzung einer an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags beteiligten Bietergemeinschaft nach Abgabe der Angebote untersage. Sodann habe Banedanmark in der Vergabebekanntmachung keine qualitativen Mindestvoraussetzungen an die technische Leistungsfähigkeit der Bieter gestellt. Eine qualitative Auswahl unter den Bewerbungen habe sie erst bei mehr als sechs Bewerbern treffen müssen. Unter diesen Umständen sei auf der Grundlage der über Aarsleff erteilten Auskünfte davon auszugehen, dass sie in der Vorauswahl auch berücksichtigt worden wäre, wenn sie sich statt über die mit Pihl gebildete Bietergemeinschaft unmittelbar beworben hätte.

26.

Der Beschwerdeausschuss hegt jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit des durchgeführten Verfahrens mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der Grundsatz der Gleichbehandlung in Art. 10 in Verbindung mit Art. 51 der Richtlinie 2004/17 dahin auszulegen, dass er einen Auftraggeber in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens daran hindert, den Auftrag an einen Bieter zu vergeben, der sich nicht für die Vorauswahl beworben hatte und daher nicht in der Vorauswahl berücksichtigt wurde?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

27.

Die Vorlageentscheidung ist am 20. August 2014 beim Gerichtshof eingegangen. MTHZ, die dänische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und an der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2015 teilgenommen.

IV – Rechtliche Beurteilung

28.

Vor der Beantwortung der Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts ist zunächst auf die von der dänischen Regierung aufgeworfene Frage nach der Zuständigkeit des Gerichtshofs einzugehen.

A – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

29.

Die dänische Regierung trägt vor, dass es, obwohl der Gerichtshof im Urteil Unitron Scandinavia und 3-S ( 4 ) bereits anerkannt habe, dass es sich bei der in der vorliegenden Rechtssache vorlegenden Einrichtung – dem Beschwerdeausschuss – um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handele, im Licht der Gesichtspunkte, die der Gerichtshof in dem kürzlich ergangenen Urteil TDC ( 5 ) berücksichtigt habe, in dem es um die Anerkennung eines anderen Beschwerdeausschusses des dänischen Rechts – des Teleklagenævn (Beschwerdeausschuss für Telekommunikationsangelegenheiten) – als Gericht gegangen sei, der Klärung bedürfe, ob und aus welchen Gründen der Beschwerdeausschuss so eingestuft werden könne.

30.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung der rein unionsrechtlichen Frage, ob es sich bei einer vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, auf eine ganze Reihe von Gesichtspunkten abstellt, wie z. B. die gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ihren ständigen Charakter, die obligatorische Gerichtsbarkeit, das streitige Verfahren, die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit ( 6 ).

31.

Zu den die gesetzliche Grundlage der vorlegenden Einrichtung, ihren ständigen Charakter, das streitige Verfahren und die Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung betreffenden Kriterien enthalten die Akten nichts, was die Eigenschaft des Beschwerdeausschusses als Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV, wie sie vom Gerichtshof im Urteil Unitron Scandinavia und 3-S (C‑275/98, EU:C:1999:567) anerkannt worden ist, in Frage stellen könnte. Auf der Grundlage der dem Gerichtshof in diesem Verfahren vorgelegten Informationen ist jedoch eine eingehendere Prüfung der Kriterien vorzunehmen, die sich auf die obligatorische Gerichtsbarkeit und die Unabhängigkeit beziehen, wobei es letzteres Kriterium ist, auf dessen Grundlage der Gerichtshof im Urteil TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265) die Eigenschaft des Teleklagenævn als Gericht verneint hat.

32.

Was als Erstes die obligatorische Gerichtsbarkeit des Beschwerdeausschusses betrifft, beschränke ich mich auf den Hinweis, dass seine Gerichtseigenschaft nicht schon deshalb verneint werden kann, weil seine Zuständigkeit nur während einer sogenannten „Stillhaltefrist“ ausschließlich ist ( 7 ) und nach deren Ablauf alternativ zu derjenigen der Gerichte besteht.

33.

Nach der Rechtsprechung schließt nämlich das Bestehen eines alternativen Rechtswegs zu einem gerichtlichen Rechtsweg nicht zwangsläufig aus, dass die Einrichtung, bei der dieser alternative Rechtsbehelf eingereicht wird, als „Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV eingestuft werden kann, vorausgesetzt, dass die Entscheidung der vorlegenden Einrichtung verbindlich ist – woran im vorliegenden Fall kein Zweifel besteht ( 8 ) – und die fragliche Einrichtung gesetzlich vorgesehen ist und ihre Zuständigkeit nicht vom Willen der Parteien abhängt ( 9 ). Da das Ausgangsverfahren während der Stillhaltefrist eingeleitet worden ist, war die Gerichtsbarkeit des Beschwerdeausschusses zu diesem Zeitpunkt obligatorisch.

34.

Was als Zweites das Unabhängigkeitskriterium betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Unabhängigkeit, die dem richterlichen Auftrag innewohnt, vor allem bedeutet, dass die betreffende Stelle gegenüber der Stelle, die die mit einem Rechtsbehelf angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten hat. Nach der Rechtsprechung enthält dieser Begriff einen externen Aspekt, der voraussetzt, dass die Stelle vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreitigkeiten gefährden könnten, und einen internen Aspekt, der mit dem Begriff der Unparteilichkeit in Zusammenhang steht und sich darauf bezieht, dass hinsichtlich der Parteien des Rechtsstreits und ihren jeweiligen Interessen an dessen Gegenstand ein gleicher Abstand gewahrt wird. Diese Garantien der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit setzen voraus, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Stelle, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit dieser Stelle für Einflussnahmen von außen und an ihrer Neutralität in Bezug auf die einander gegenüberstehenden Interessen auszuräumen ( 10 ).

35.

In dem von der dänischen Regierung angeführten Urteil TDC ist der Gerichtshof zu dem Schluss gelangt, dass das Teleklagenævn kein Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV ist, da es das Kriterium der Unabhängigkeit nicht erfüllt. Der Gerichtshof hat sich dabei auf zwei Gesichtspunkte gestützt. Zum einen hat er zum externen Aspekt der Unabhängigkeit festgestellt, dass die dänische Regelung besondere Garantien hinsichtlich der Abberufung der Richter der ordentlichen Gerichte vorsieht, die Voraussetzungen für die Abberufung der Mitglieder des Teleklagenævn dagegen nicht eigens geregelt sind und im Fall missbräuchlicher Abberufung ausschließlich die allgemeinen Regeln des Verwaltungs- und Arbeitsrechts anwendbar sind ( 11 ). Zum anderen hat der Gerichtshof bezüglich des internen Aspekts der Unabhängigkeit verneint, dass das Teleklagenævn im Verhältnis zu den beteiligten Interessen die Eigenschaft eines Dritten hat, da es, wenn gegen eine seiner Entscheidungen bei den ordentlichen Gerichten Klage erhoben wird, an dem Verfahren als Beklagter teilnimmt ( 12 ).

36.

Auf den Beschwerdeausschuss trifft jedoch nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen keiner der beiden vom Gerichtshof im Urteil TDC berücksichtigten Gesichtspunkte zu.

37.

Was nämlich erstens den internen Aspekt der Unabhängigkeit anbelangt, hat die dänische Regierung sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass der Beschwerdeausschuss – anders als das Teleklagenævn – in den Rechtssachen, die gegen seine Entscheidungen bei den ordentlichen Gerichten anhängig sind, nicht Partei ist. Es besteht daher kein Grund, an seiner Eigenschaft als Dritter im Verhältnis zu den betroffenen Interessen zu zweifeln.

38.

Was zweitens den externen Aspekt der Unabhängigkeit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, dass sich das Teleklagenævn und der Beschwerdeausschuss in Bezug auf ihre Besetzung, die Garantien gegen die Abberufung ihrer Mitglieder und ihre Funktionsweise deutlich voneinander unterscheiden.

39.

So ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes über die Auftragsvergabe, dass der Beschwerdeausschuss – der u. a. zur Umsetzung der Richtlinie 89/665/EWG ( 13 ) geschaffen wurde – mit einem Präsidenten und mehreren Vizepräsidenten (die den Vorsitz bilden) sowie mehreren sachkundigen Beisitzern besetzt ist, die alle vom Minister für Industrie und Wachstum (Erhvervs- og vækstministeren) für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren ernannt werden ( 14 ).

40.

Anders als beim Teleklagenævn muss der Vorsitz beim Beschwerdeausschuss jedoch mit Richtern der Bezirks- und Landgerichte besetzt sein ( 15 ). Wie der Gerichtshof im Übrigen im Urteil TDC ( 16 ) festgestellt hat, genießen diese Richter einen besonderen Schutz gegen eine Abberufung. Dieser in Art. 64 der dänischen Verfassung begründete Schutz bezieht sich, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, offensichtlich auch auf den Vorsitz der Rechtsbehelfsausschüsse.

41.

Zudem ergibt sich aus einer Prüfung der gesetzlichen Vorschriften, dass die Mitglieder des Vorsitzes bei den Entscheidungen des Beschwerdeausschusses eine deutlich wichtigere Rolle einnehmen als die sachverständigen Beisitzer. In ihrer normalen Besetzung besteht diese Einrichtung nämlich aus einem Mitglied des Vorsitzes als dem Präsidenten und einem sachverständigen Beisitzenden. Im Fall der Stimmengleichheit bei Erlass einer Entscheidung entscheidet die Stimme des Präsidenten ( 17 ). Darüber hinaus können die Mitglieder des Vorsitzes bestimmte Entscheidungen ohne Mitwirkung der sachverständigen Beisitzer treffen ( 18 ) und bei Erlass von Entscheidungen in komplexeren Verfahren oder Verfahren, in denen grundsätzliche Fragen aufgeworfen werden, die Beisitzer überstimmen ( 19 ).

42.

Für einen Teil der Mitglieder des Beschwerdeausschusses, nämlich für die sachverständigen Beisitzer, scheint das dänische Recht zwar, wie für die Mitglieder des Teleklagenævn, keine besonderen Regeln für ihre Abberufung vorzusehen, da bei einer missbräuchlichen Abberufung nur die allgemeinen verwaltungs- und arbeitsrechtlichen Vorschriften Anwendung finden.

43.

Insoweit weise ich jedoch darauf hin, dass der Gerichtshof in einigen seiner Entscheidungen zwar bestätigt hat, dass nach der Rechtsprechung die Voraussetzung der Unabhängigkeit der vorlegenden Einrichtung insbesondere nur dann erfüllt ist, wenn die Fälle, in denen die Mitglieder der Einrichtung abberufen werden können, ausdrücklich gesetzlich festgelegt sind ( 20 ). In diesen Rechtssachen bildete die Feststellung, dass solche Vorschriften fehlen, jedoch nur einen Aspekt der Beurteilung, der zwar sehr wichtig war, der aber Teil einer Gesamtbeurteilung der Merkmale war ( 21 ), die die in Rede stehende vorlegende Einrichtung kennzeichneten. Auf der Grundlage der Gesamtbeurteilung all dieser Merkmale hat der Gerichtshof in diesen Rechtssachen die Eigenschaft der fraglichen Einrichtungen als Gericht verneint ( 22 ). Darüber hinaus hat der Gerichtshof in bestimmten Fällen, insbesondere bei nationalen Stellen, die im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge gemäß der Richtlinie 89/665 für die Nachprüfung zuständig sind, eine vorlegende Einrichtung als Gericht anerkannt, ohne die Frage nach dem Bestehen solcher Vorschriften zu stellen ( 23 ).

44.

Im vorliegenden Fall ist nicht nur ein erheblicher Teil der Mitglieder des Beschwerdeausschusses, insbesondere die Mitglieder, die bei den Entscheidungen eine wichtigere Rolle einnehmen, durch eine besondere Gewährleistung, nämlich die verfassungsmäßige Garantie, gegen eine Abberufung geschützt, sondern aus den Akten ergibt sich auch, dass die Unabhängigkeit dieser Einrichtung gegenüber möglichen ungebührlichen Interventionen und Druck von außen durch weitere Vorkehrungen gestärkt wird. Somit hat der Beschwerdeausschuss gegenüber der Stelle, von der die Entscheidung stammt, die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildet, die Eigenschaft eines Dritten ( 24 ). Insbesondere besteht weder mit der Erhvervsstyrelse (dänische Behörde für Unternehmen), die ihm das Sekretariat zur Verfügung stellt, noch mit den öffentlichen Auftraggebern, deren Handlungen vor ihm angefochten werden, eine funktionelle Verbindung ( 25 ). Ferner übt der Beschwerdeausschuss seine Aufgaben in völliger Autonomie aus, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten ( 26 ). Sämtliche Mitglieder müssen ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen ( 27 ). Da der Beschwerdeausschuss darüber hinaus u. a. die Rechtswidrigkeit von Entscheidungen oder Auftragsvergaben feststellen sowie Anordnungen im Zusammenhang mit Auftragsvergaben erlassen kann, übt er von Grund auf eine rechtsprechende Tätigkeit aus ( 28 ).

45.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Prüfung der rechtlichen Stellung von in der Richtlinie 89/665 genannten, für die Nachprüfung im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständigen nationalen Stellen bereits mehrere andere nationale Einrichtungen, die im Wesentlichen mit der hier in Rede stehenden vorlegenden Einrichtung vergleichbar sind, als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV angesehen hat ( 29 ).

46.

Nach alledem ist meines Erachtens die Schlussfolgerung des Gerichtshofs im Urteil Unitron Scandinavia und 3-S, wonach der Beschwerdeausschuss ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV darstellt, nicht in Frage zu stellen.

B – Zur Vorlagefrage

47.

Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der in Art. 10 in Verbindung mit Art. 51 der Richtlinie 2004/17 vorgesehene Grundsatz der Gleichbehandlung dahin auszulegen ist, dass er einen öffentlichen Auftraggeber in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens daran hindert, den Auftrag an einen Bieter zu vergeben, der sich nicht für die Vorauswahl beworben hat und daher auch nicht vorausgewählt worden ist.

48.

Die Vorlagefrage stellt sich in einem tatsächlichen Kontext, in dem eine Gemeinschaft zweier Unternehmen, die als Handelsgesellschaft gegründet und in einem Vergabeverfahren in der Vorauswahl berücksichtigt wurde, nach Insolvenz eines ihrer beiden Mitglieder aufgelöst wird und der öffentliche Auftraggeber das verbliebene Mitglied anstelle der Gemeinschaft an dem Verfahren weiterhin teilnehmen lässt und diesem Mitglied schließlich, obwohl es als solches nicht vorausgewählt worden ist, den Zuschlag erteilt. So liegt der Fall, auf den sich das vorlegende Gericht mit seiner Vorlagefrage bezieht.

49.

In der Vorlagefrage geht es daher im Wesentlichen darum, ob ein öffentlicher Auftraggeber im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung ein Mitglied einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, das die Vorauswahlrunde nicht für sich bestanden hat, während des Vergabeverfahrens an die Stelle dieser Gruppe treten lassen kann.

1. Zum anwendbaren Recht

50.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/17 keine spezifischen Vorschriften über Änderungen der Zusammensetzung einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern enthält.

51.

Als einzige Vorschrift dieser Richtlinie bezieht sich Art. 11 Abs. 2 ( 30 ) auf Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, betrifft jedoch nicht deren Änderung während des Vergabeverfahrens. Da die Richtlinie somit keine Vorschriften zur Regelung solcher Änderungen enthält, ist davon auszugehen, dass diese Regelung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt ( 31 ). Unter diesen Umständen hat gegebenenfalls der nationale Gesetzgeber allgemein oder der öffentliche Auftraggeber im Einzelfall die entsprechenden Vorschriften zu erlassen ( 32 ).

52.

Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Makedoniko Metro und Michaniki ( 33 ) festgestellt hat, dass die Richtlinie 93/37 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ( 34 ) einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der es untersagt ist, die Zusammensetzung einer an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags teilnehmenden Bietergemeinschaft nach Abgabe der Angebote zu ändern.

53.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung jedoch, dass zum einen das dänische Recht keine spezifischen Vorschriften über die Änderung der Zusammensetzung von Bietergemeinschaften enthält und dass zum anderen der öffentliche Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung insoweit auch keine spezifischen Bestimmungen vorgesehen hat.

54.

Die Zulässigkeit von Änderungen der Zusammensetzung von Bietergemeinschaften während des Vergabeverfahrens richtet sich daher nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind und zu denen insbesondere die in Art. 10 der Richtlinie 2004/17 genannten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz zählen, und wird durch die Wahrung dieser Grundsätze begrenzt.

2. Zum Grundsatz der Gleichbehandlung in Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge

55.

Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist ( 35 ).

56.

Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter und die Pflicht der öffentlichen Auftraggeber, seine Wahrung sicherzustellen, dem Wesen der unionsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen entspricht ( 36 ).

57.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, gebietet, dass alle Bieter bei der Abfassung ihrer Angebote die gleichen Chancen haben, was voraussetzt, dass die Angebote aller Wettbewerber den gleichen Bedingungen unterworfen sein müssen ( 37 ). Dieser Grundsatz besagt, dass die Bieter während des gesamten Vergabeverfahrens, und zwar vor allem dann, wenn sie ihre Angebote vorbereiten, als auch dann, wenn diese vom öffentlichen Auftraggeber bewertet werden, gleich behandelt werden müssen ( 38 ).

58.

Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass eines der Ziele der für öffentliche Aufträge geltenden Vorschriften die Öffnung für einen möglichst umfassenden Wettbewerb ist und dass ein unionsrechtliches Interesse daran besteht, dass die Beteiligung möglichst vieler Bieter an einer Ausschreibung sichergestellt wird ( 39 ). Diese Öffnung für einen möglichst umfassenden Wettbewerb wird nicht nur im Interesse der Union am freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen angestrebt, sondern auch im eigenen Interesse des beteiligten öffentlichen Auftraggebers, der so im Hinblick auf das wirtschaftlich günstigste und dem Bedarf der betreffenden öffentlichen Körperschaft am besten entsprechende Angebot über eine größere Auswahl verfügt ( 40 ).

59.

Jedoch ist im Bereich öffentlicher Aufträge sowohl das Ziel der Gewährleistung eines tatsächlichen Wettbewerbs als auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter zu berücksichtigen. Daher kann, auch wenn der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge keinen Zweck an sich darstellt, sondern aus dem Blickwinkel der mit ihm verfolgten Zielsetzung begriffen werden muss ( 41 ), das Ziel einer Öffnung des Marktes für einen größtmöglichen Wettbewerb nur umgesetzt und erreicht werden, wenn die Wirtschaftsteilnehmer, die an der Ausschreibung teilnehmen, dies ohne die geringste Diskriminierung unter gleichen Voraussetzungen tun können ( 42 ). Da die Förderung eines effektiven Wettbewerbs Teil eines allgemeineren Ziels der Förderung eines Wettbewerbs ist, der zunächst einmal gesund sein muss, bevor er effektiv sein kann, wird die Verfolgung dieses Ziels zwangsläufig durch die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter begrenzt ( 43 ).

60.

Insoweit ist – mit einigen Beteiligten – auch darauf hinzuweisen, dass dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter gerade vor der Auftragsvergabe, wenn die verschiedenen Bieter untereinander konkurrieren, grundlegende Bedeutung zukommt. Sobald der Auftrag vergeben ist, konzentriert sich das Interesse dagegen auf die Durchführung des Vertrags. In diesem Kontext werfen Ereignisse wie eine Änderung der erfolgreichen Bietergemeinschaft grundsätzlich keine Fragen nach der Gleichbehandlung der Bieter auf, sondern vielmehr nach einer möglichen Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen des fraglichen Auftrags ( 44 ) oder der Gefährdung seiner ordnungsgemäßen Erfüllung ( 45 ).

61.

Anhand dieser Grundsätze ist zu prüfen, wie in einem Fall wie dem vorliegenden die Möglichkeit für einen öffentlichen Auftraggeber, einen ursprünglich nicht vorausgewählten Wirtschaftsteilnehmer vor der Auftragsvergabe an die Stelle eines anderen Wirtschaftsteilnehmers, insbesondere einer vorausgewählten Bietergemeinschaft, der er angehörte, treten zu lassen, durch den Grundsatz der Gleichbehandlung begrenzt wird.

3. Zur Möglichkeit, in einem Vergabeverfahren einen nicht vorausgewählten Wirtschaftsteilnehmer an die Stelle eines anderen Wirtschaftsteilnehmers treten zu lassen

62.

Die Beteiligten sind sich einig, dass in Ausschreibungen mit Vorauswahl grundsätzlich nur vorausgewählte Bieter Angebote vorlegen und damit den Zuschlag erhalten können.

63.

Dieser Auffassung, die, wie MTHZ zu Recht hervorgehoben hat, in Art. 51 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 eine ausdrückliche normative Grundlage findet, pflichte ich bei. Indem diese Vorschrift vorsieht, dass die Auftraggeber „die Übereinstimmung der von den ausgewählten Bietern vorgelegten Angebote [prüfen]“, setzt sie nämlich voraus, dass die Wirtschaftsteilnehmer, die in der Vorauswahl berücksichtigt worden sind, und die Bieter, die Angebote vorlegen, identisch sind ( 46 ). Grundsätzlich muss also eine rechtliche und tatsächliche Identität zwischen dem in der Vorauswahl berücksichtigten Wirtschaftsteilnehmer und dem Wirtschaftsteilnehmer bestehen, der das Angebot vorlegt und der gegebenenfalls den Zuschlag erhält.

64.

Insoweit besteht meines Erachtens – entgegen den Ausführungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung – kein Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Identität zwischen der in Form einer I/S gegründeten Bietergemeinschaft und Aarsleff besteht. Auch wenn Aarsleff eine der beiden Gesellschafterinnen der I/S war, ist sie nämlich zweifellos eine juristische Person, die sich tatsächlich und rechtlich von der Bietergemeinschaft, der sie angehörte, unterscheidet.

65.

Somit stellt sich die Frage, ob der Grundsatz, dass der vorausgewählte Bieter und der das Angebot vorlegende Bieter identisch sein müssen, im Licht des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wie er in den Nrn. 55 bis 59 der vorliegenden Schlussanträge ausgelegt worden ist, insbesondere unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Ausnahmen zulässt.

66.

Meines Erachtens kann dieser Grundsatz keine absolute und ausnahmslose Geltung beanspruchen. Ich kann mir – obgleich nur bestimmte – Fälle vorstellen, in denen insbesondere unter Verweis auf das Erfordernis, im Rahmen eines Vergabeverfahrens die möglichst umfassende Öffnung für den Wettbewerb sicherzustellen, eine Änderung der Identität eines Bieters während des Verfahrens zugelassen werden sollte.

67.

Da dieses Erfordernis jedoch, wie ich in Nr. 59 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt habe, durch den Grundsatz der Gleichbehandlung begrenzt wird, kann ein öffentlicher Auftraggeber Bieter nicht mit der Begründung ungleich behandeln, dass eine möglichst umfassende Öffnung des Vergabeverfahrens für den Wettbewerb erforderlich sei. Etwaige Ausnahmen vom Grundsatz der Entsprechung zwischen dem vorausgewählten Bieter und dem das Angebot vorlegenden Bieter – die als Ausnahmen von einem allgemeingültigen Grundsatz zudem eng auszulegen sind ( 47 ) – finden daher eine absolute Grenze in der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter.

68.

Diese Grundsätze vorausgeschickt, stellt sich die Frage, welches Vorgehen es im Einzelfall am besten ermöglicht, die – in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens offensichtlich widerstreitenden – Erfordernisse, die sich aus der strikten Wahrung der Chancengleichheit unter Bietern und der möglichst umfassenden Öffnung für den Wettbewerb ergeben, in Einklang zu bringen.

69.

Die Beteiligten machen hierzu unterschiedliche Vorschläge.

70.

Zunächst würde ich mich aus den in Nr. 66 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen gegen die von MTHZ vertretene Auffassung aussprechen, wonach der Grundsatz der Entsprechung zwischen dem vorausgewählten Bieter und dem das Angebot vorlegenden Bieter keinerlei Ausnahmen zulässt.

71.

Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass der öffentliche Auftraggeber nicht aus Gründen der Gleichbehandlung daran gehindert sei, den nicht vorausgewählten Wirtschaftsteilnehmer –hier insbesondere das verbliebene Mitglied der Bietergemeinschaft – im Verfahren zu belassen, wenn er die Ausschreibungsbedingungen erfülle. Bei dieser Lösung ist jedoch nicht garantiert, dass das Erfordernis der Chancengleichheit unter Bietern strikt eingehalten wird.

72.

Die Erfüllung der Ausschreibungsbedingungen durch den neuen Wirtschaftsteilnehmer ( 48 ) stellt zwar zweifellos eine notwendige Voraussetzung dafür dar, dass es nicht zu einer Ungleichbehandlung der Bieter kommt. Diese Voraussetzung allein kann jedoch nicht sicherstellen, dass der neue Wirtschaftsteilnehmer dadurch, dass er zu einem späteren Zeitpunkt als die übrigen Bieter zu dem Verfahren zugelassen wird, zu diesem Zeitpunkt keine Wettbewerbsvorteile genießt. Solche Vorteile können beispielsweise darin bestehen, dass ihm Informationen vorliegen, über die die übrigen Bieter nicht verfügten ( 49 ), als sie sich für eine Teilnahme an dem Vergabeverfahren entschieden ( 50 ).

73.

Die dänische Regierung ist der Auffassung, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem vorliegenden den öffentlichen Auftraggeber nicht daran hindere, zwischen Vorauswahl und Auftragsvergabe die Änderung der Identität eines Bieters zuzulassen, wenn zwei Voraussetzungen vorlägen. Erstens müsse die Partei, die den Bieter, dessen Identität geändert worden sei, ersetze, für sich allein die für die Vorauswahl vorgesehenen Eignungsanforderungen erfüllen, und zweitens dürfe die Änderung der Identität des Bieters in dem Sinne keine Auswirkungen auf den Kreis der vorausgewählten Bewerber haben, dass dieselben Bewerber vorausgewählt worden wären, auch wenn die Partei, die den Bieter ersetze, von Anfang an in der neuen Form an der Vorauswahl teilgenommen hätte.

74.

Auch diese Lösung kann mich jedoch nicht überzeugen. Die erste Voraussetzung entspricht meines Erachtens nämlich im Wesentlichen derjenigen, die die Kommission in ihrem Lösungsvorschlag verlangt. Was die zweite Voraussetzung betrifft, glaube ich nicht, dass es zur strikten Wahrung der Chancengleichheit unter Bietern ausreicht, dass die Änderung der Person keine Auswirkungen auf den Kreis der vorausgewählten Bewerber hat. Aus den in Nr. 72 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen meine ich nämlich, dass der Umstand, dass kein Wirtschaftsteilnehmer zu Unrecht von dem Verfahren ausgeschlossen oder zu diesem zugelassen wurde, zwar eine notwendige Voraussetzung für den Ausschluss einer Diskriminierung darstellt, aber nicht ausreicht, um die Wahrung des Erfordernisses der Chancengleichheit unter Bietern zu gewährleisten.

75.

Mangels ausdrücklicher, vom Gesetzgeber oder öffentlichen Auftraggeber im Vorhinein erlassener Vorschriften ist es meines Erachtens angezeigt, dass der öffentliche Auftraggeber eine konkrete Einzelfallprüfung auf der Grundlage aller ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben durchführt, um zu ermitteln, ob die in Rede stehende personelle Änderung zu einer Ungleichbehandlung der Bieter während des Vergabeverfahrens insbesondere, aber nicht nur bei der Erstellung ihrer Angebote führt. Diese Prüfung soll vor allem der Feststellung dienen, ob diese Änderung zu einem Wettbewerbsvorteil für den neuen Bieter führt und somit eine Änderung des Wettbewerbsprozesses mit sich bringt.

76.

In abstracto sind mehrere Fallkonstellationen einer personellen Änderung denkbar, die hier jedoch nicht geprüft zu werden brauchen. Ich beschränke mich auf den Hinweis, dass es in einem Fall, in dem die Änderung der personellen Identität ausschließlich formale, aber keine materielle Bedeutung hat, da sie beispielsweise ausschließlich eine Änderung der Rechtsform oder eine interne Umorganisation ohne wesentliche Auswirkungen beinhaltet ( 51 ), unwahrscheinlich ist, dass eine solche Änderung eine Situation herbeiführen kann, die zu Chancenungleichheit führt.

77.

Eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens, in der eine Bietergemeinschaft in der Rechtsform einer von den Wirtschaftsteilnehmern, aus denen sie besteht, gesonderten juristischen Person aufgelöst wird und im Verfahren durch das verbliebene Mitglied der Bietergemeinschaft ersetzt wird, ist meines Erachtens allerdings kein Fall eines personellen Identitätswechsels, der nur formale und keine materielle Bedeutung hat.

78.

Meines Erachtens ist es daher Sache des vorlegenden Richters, auf der Grundlage der ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben im Einzelfall zu prüfen, ob die Entscheidung von Banedanmark zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der verschiedenen am Verfahren beteiligten Bieter geführt hat und insbesondere ob Aarsleff zu dem Zeitpunkt, zu dem sie in dem Verfahren an die Stelle der I/S treten durfte, Wettbewerbsvorteile gegenüber den anderen Bietern genoss.

79.

Ich beschränke mich insoweit auf der Grundlage der dem Gerichtshof in den Akten vorliegenden Informationen auf die Darlegung folgender Erwägungen.

80.

Zunächst weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es als erwiesen anzusehen sei, dass Aarsleff auch vorausgewählt worden wäre, wenn sie sich statt über die aufgelöste Bietergemeinschaft direkt beworben hätte. Meines Erachtens schließt dies jedoch im vorliegenden Fall einen möglichen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht aus. Die in der vorliegenden Rechtssache zu entscheidende Frage zielt nicht (oder nicht nur) darauf ab, ob Aarsleff hypothetisch allein hätte vorausgewählt werden können, sondern darauf, ob ihr zu dem Zeitpunkt, zu dem sie, ohne vorausgewählt worden zu sein, zur Teilnahme an dem Verfahren zugelassen wurde, eine unterschiedliche Behandlung zugute gekommen ist, die ihr zu diesem Zeitpunkt einen Wettbewerbsvorteil verschafft hat.

81.

Sodann konnte Aarsleff ihre Entscheidung, allein an dem Vergabeverfahren teilzunehmen, offensichtlich auf der Grundlage von Informationen treffen, über die die anderen Bieter nicht verfügten, als sie sich für eine Teilnahme an diesem Vergabeverfahren entschieden ( 52 ). Insbesondere hat MTHZ geltend gemacht, dass Aarsleff, als sie nach der Insolvenz von Pihl und somit nach der Auflösung der Bietergemeinschaft eine solche Entscheidung habe treffen dürfen, zum einen in Erfahrung habe bringen können, wie viele Unternehmen genau an diesem Verfahren teilgenommen und ein Angebot eingereicht hätten, und zum anderen gewusst habe, dass das Angebot der Bietergemeinschaft, der sie angehört habe, als das zweitbeste eingestuft worden sei. Zu alledem kommt noch hinzu, dass Aarsleff nach der Insolvenz von Pihl die Möglichkeit hatte, mehr als 50 Beschäftigte von Pihl, einschließlich solcher, die für die Durchführung des ausgeschriebenen Projekts wesentlich waren, zu übernehmen ( 53 ).

82.

Beschließen zwei Wirtschaftsteilnehmer vor Beginn eines Vergabeverfahrens, eine Gemeinschaft zu bilden, deren einziges Ziel in der Beteiligung an diesem Verfahren besteht, bedeutet dies, dass diese beiden Wirtschaftsteilnehmer nach Abwägung der mit dem Vorhaben verbundenen Möglichkeiten und Risiken die geschäftliche Entscheidung getroffen haben, gemeinsam an der Ausschreibung teilzunehmen und die sich daraus ergebenden Erträge und Risiken zu teilen. Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob die einem dieser beiden Wirtschaftsteilnehmer in einem späteren Verfahrensstadium, in dem sich der Verfahrensablauf schon klarer abzeichnet, eingeräumte Möglichkeit, diese geschäftliche Entscheidung zu ändern, indem ihm erlaubt wird, allein an dem Verfahren teilzunehmen, zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Bietern führt und einen Wettbewerbsvorteil mit sich bringt. Es ist zu prüfen, ob eine solche spätere geschäftliche Entscheidung tatsächlich auf der Grundlage von anderen Informationen getroffen worden ist als denen, über die die anderen Bieter verfügten, als sie sich für die Teilnahme an dem Verfahren in einer bestimmten Form oder Zusammensetzung entschieden, ohne diese anschließend ändern zu können.

V – Ergebnis

83.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Klagenævn for Udbud (Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe) vorgelegte Frage wie folgt zu antworten:

1.

Art. 51 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste ist dahin auszulegen, dass zwischen dem Wirtschaftsteilnehmer, der in einem Vergabeverfahren mit Vorauswahl vorausgewählt worden ist, und dem Wirtschaftsteilnehmer, der im selben Verfahren das Angebot einreicht, grundsätzlich eine rechtliche und tatsächliche Identität bestehen muss.

2.

In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der zwei Wirtschaftsteilnehmer zur Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags eine Bietergemeinschaft in Form einer Handelsgesellschaft gebildet haben und über einen von ihnen nach Vorauswahl der Gemeinschaft, aber vor Vergabe des Auftrags ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so dass die Gemeinschaft aufgelöst wird, ist Art. 10 der Richtlinie 2004/17 dahin auszulegen, dass es dem öffentlichen Auftraggeber obliegt, auf der Grundlage einer auf alle ihm vorliegenden tatsächlichen Angaben gestützten Einzelfallprüfung festzustellen, ob eine etwaige Genehmigung der weiteren Teilnahme an dem Verfahren anstelle der Bietergemeinschaft, die dem ursprünglich nicht vorausgewählten verbliebenen Mitglied dieser Gemeinschaft erteilt wird, eine Situation entstehen lässt, in der die Bieter während des Verfahrens, insbesondere bei Erstellung ihrer Angebote, nicht gleich behandelt werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das verbliebene Mitglied der Gemeinschaft im Rahmen des Vergabeverfahrens Entscheidungen auf der Grundlage von Informationen treffen konnte, über die die anderen Bieter zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die gleiche Entscheidung zu treffen hatten, nicht verfügten, und wenn es die Möglichkeit hatte, nach Eröffnung des Verfahrens für die Durchführung des Projekts entscheidende Elemente zu erwerben, über die es zu dem Zeitpunkt, zu dem es vorausgewählt worden wäre, nicht verfügte.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1).

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17 (ABl. L 94, S. 243).

( 4 ) C‑275/98, EU:C:1999:567. Vgl. u. a. Rn. 15, in der auf die Nrn. 17 und 18 der Schlussanträge des Generalanwalts Alber in dieser Rechtssache (C‑275/98, EU:C:1999:384) Bezug genommen wird.

( 5 ) C‑222/13, EU:C:2014:2265.

( 6 ) Vgl. u. a. Urteile Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 21) und TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 27).

( 7 ) Vgl. Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Auftragsvergabe.

( 8 ) Nach den Art. 13, 14 und 16 bis 18 des Gesetzes über die Auftragsvergabe kann der Beschwerdeausschuss u. a. rechtswidrige Entscheidungen oder Auftragsvergaben für nichtig erklären, Anordnungen erlassen, Geldbußen verhängen, Entschädigungen zusprechen und Verträge für ungültig erklären.

( 9 ) Vgl. Urteil Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 22 und 23 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen in jener Rechtssache enthaltene vollständige Prüfung der Rechtsprechung zu dieser Frage (C‑203/14, EU:C:2015:445, Rn. 40 ff.).

( 10 ) Vgl. u. a. Urteil Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 49 bis 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Urteil TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 34 bis 36).

( 12 ) Ebd. (Nr. 37).

( 13 ) Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in geänderter Fassung.

( 14 ) Vgl. § 9 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Gesetzes über die Auftragsvergabe.

( 15 ) Vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Auftragsvergabe.

( 16 ) Urteil TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 35).

( 17 ) Vgl. § 10 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 des Gesetzes über die Auftragsvergabe. Nach der ersteren Bestimmung nehmen, vorbehaltlich der in Abs. 6 dieser Vorschrift beschriebenen Situation, an der Behandlung des Einzelfalls ein Mitglied des Vorsitzes und ein sachverständiger Beisitzer teil. Nach der zweiten Bestimmung entscheidet der Beschwerdeausschuss mit einfacher Mehrheit, und bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag.

( 18 ) Vgl. § 10 Abs. 6 des Gesetzes über die Auftragsvergabe.

( 19 ) Vgl. § 10 Abs. 4 des Gesetzes über die Auftragsvergabe, nach dem der Präsident des Beschwerdeausschusses in bestimmten Fällen die Zahl der an der Behandlung der jeweiligen Rechtssache teilnehmenden Mitglieder des Vorsitzes und sachverständigen Beisitzer erhöhen kann. In einem solchen Fall muss dann die Zahl der Mitglieder des Vorsitzes der Zahl der sachverständigen Beisitzer entsprechen. Aus dieser Bestimmung, von der in komplexeren Rechtssachen oder Rechtssachen, die grundsätzliche Fragen aufwerfen, Gebrauch gemacht wird, ergibt sich, dass der Beschwerdeausschuss auch in diesen besonders wichtigen Arten von Rechtssachen mit einer gleichen Anzahl von Mitgliedern des Vorsitzes und sachverständigen Beisitzern besetzt ist, so dass, da die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gibt, bei Erlass der Entscheidung die Mitglieder des Vorsitzes die Mehrheit bilden.

( 20 ) Beschluss Pilato (C‑109/07, EU:C:2008:274, Rn. 24 am Ende) und Urteil TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265, Rn. 32).

( 21 ) Vgl. Urteil Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 37).

( 22 ) Vgl. Würdigung des Gerichtshofs in den Urteilen Schmid (C‑516/99, EU:C:2002:313, Rn. 37 bis 43), Syfait u. a. (C‑53/03, EU:C:2005:333, Rn. 30 bis 37) und Beschluss Pilato (C‑109/07, EU:C:2008:274, Rn. 25 bis 30). Vgl. auch Urteil TDC (C‑222/13, EU:C:2014:2265), in dem sich der Gerichtshof auf zwei Gesichtspunkte, die den internen Aspekt und den externen Aspekt betreffen, gestützt hat, um die Unabhängigkeit des Teleklagenævn zu verneinen (vgl. Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge).

( 23 ) Vgl. u. a. Urteil HI (C‑92/00, EU:C:2002:379, Rn. 24 bis 28).

( 24 ) Vgl. Urteil Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 25 ) Vgl. im Umkehrschluss Urteil Schmid (C‑516/99, EU:C:2002:313, Rn. 37 bis 40).

( 26 ) Vgl. Urteil Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Vgl. § 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 887 vom 11. August 2011 über den Beschwerdeausschuss für Verfahren zur Auftragsvergabe. Zur Relevanz dieses Kriteriums vgl. Urteil Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 35).

( 28 ) Vgl. Urteil Dorsch Consult (C‑54/96, EU:C:1997:413, Rn. 37).

( 29 ) Vgl. Urteil Consorci Sanitari del Maresme (C‑203/14, EU:C:2015:664, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 30 ) Vgl. Nr. 7 der vorliegenden Schlussanträge. Diese Vorschrift wurde im Wesentlichen in Art. 37 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/25 übernommen.

( 31 ) Vgl. entsprechend bezüglich der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54), Urteil Makedoniko Metro und Michaniki (C‑57/01, EU:C:2003:47, Rn. 61).

( 32 ) Dabei haben der Gesetzgeber oder der öffentliche Auftraggeber stets die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten. Vgl. hierzu den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 und – noch deutlicher – den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114). Vgl. auch den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/25.

( 33 ) C‑57/01, EU:C:2003:47, Rn. 61 und 63.

( 34 ) Vgl. Fn. 31.

( 35 ) Vgl. u. a. Urteile Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2005:127, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Manova (C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 30).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2005:127, Rn. 26) und Michaniki (C‑213/07, EU:C:2008:731, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/CAS Succhi di Frutta (C‑496/99 P, EU:C:2004:236, Rn. 110) und eVigilo (C‑538/13, EU:C:2015:166, Rn. 33).

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile SIAC Construction (C‑19/00, EU:C:2001:553, Rn. 33 und 34) und Michaniki (C‑213/07, EU:C:2008:731, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung) sowie Beschluss Vivaio dei Molini Azienda Agricola Porro Savoldi (C‑502/11, EU:C:2012:613, Rn. 38). Hervorhebung nur hier.

( 39 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Assitur (C‑538/07, EU:C:2009:317, Rn. 26) und CoNISMa (C‑305/08, EU:C:2009:807, Rn. 37).

( 40 ) Urteil CoNISMa (C‑305/08, EU:C:2009:807, Rn. 37). Für das Verhandlungsverfahren wird in dem in Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Art. 54 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17 zudem ausdrücklich auf das Erfordernis eines „angemessenen“ Wettbewerbs hingewiesen.

( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Manova (C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 29).

( 42 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in den verbundenen Rechtssachen Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2004:709, Nr. 22) sowie Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Michaniki (C‑213/07, EU:C:2008:544, Nr. 23).

( 43 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in den verbundenen Rechtssachen La Cascina u. a. (C‑226/04 und C‑228/04, EU:C:2005:524, Nr. 26).

( 44 ) Vgl. Urteil Pressetext Nachrichtenagentur (C‑454/06, EU:C:2008:351, Rn. 40 ff.).

( 45 ) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2014/25 in Art. 89 Abs. 1 Buchst. d Ziff. ii ausdrücklich den Fall regelt, dass sich nach der Vergabe des Auftrags der Auftragnehmer ändert. Nach dieser Vorschrift ist es u. a. dann nicht erforderlich, ein neues Vergabeverfahren durchzuführen, wenn ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer ersetzt, an den der Auftraggeber den Auftrag ursprünglich vergeben hatte, aufgrund „der Tatsache, dass ein anderer Wirtschaftsteilnehmer, der die ursprünglich festgelegten qualitativen Eignungskriterien erfüllt, im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung – einschließlich Übernahme, Fusion, Erwerb oder Insolvenz – ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers tritt, sofern dies keine weiteren wesentlichen Änderungen des Auftrags zur Folge hat und nicht dazu dient, die Anwendung [der] Richtlinie zu umgehen“.

( 46 ) Im Rahmen der Regelung der Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb ist insoweit Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2014/25 noch deutlicher, da es darin heißt, dass „[l]ediglich jene Wirtschaftsteilnehmer, die vom Auftraggeber infolge seiner Bewertung der bereitgestellten Informationen dazu aufgefordert werden, … an den Verhandlungen teilnehmen [können]“.

( 47 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Honyvem Informazioni Commerciali (C‑465/04, EU:C:2006:199, Rn. 24) sowie Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 48 ) Im Übrigen ist unklar, ob nach diesem Vorschlag der neue Wirtschaftsteilnehmer die Ausschreibungsbedingungen zum Zeitpunkt der Änderung erfüllen muss oder ob er sie zum Zeitpunkt der Vorauswahl der übrigen Bieter hätte erfüllen müssen.

( 49 ) Vgl. Urteil Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2005:127, Rn. 29), in dem der Gerichtshof mögliche Wettbewerbsvorteile aufgrund von Informationen berücksichtigt hat, die ein Bieter über den fraglichen öffentlichen Auftrag hätte erhalten können.

( 50 ) Im Übrigen hat die Kommission in ihren Erklärungen selbst eingeräumt, dass mit dem von ihr vorgeschlagenen Kriterium die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nicht in allen Fällen ausgeschlossen werden könne.

( 51 ) Vgl. entsprechend Urteil Pressetext Nachrichtenagentur (C‑454/06, EU:C:2008:351, Rn. 43 bis 45).

( 52 ) Vgl. hierzu Fn. 49 der vorliegenden Schlussanträge.

( 53 ) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der (in Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge angeführten) Mitteilung von Banedanmark an die übrigen Bieter ergibt, dass dieser Umstand bei ihrer Entscheidung, Aarsleff an die Stelle der zwischenzeitlich aufgelösten Bietergemeinschaft treten zu lassen, berücksichtigt wurde.

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