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Document 62014CC0047

Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón vom 7. Mai 2015.
Holterman Ferho Exploitatie BV und andere gegen Friedrich Leopold Freiherr Spies von Büllesheim.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Vorlage zur Vorabentscheidung - Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen - Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Verordnung (EG) Nr. 44/2001 - Art. 5 Nr. 1 - Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag - Art. 5 Nr. 3 - Zuständigkeit bei einer unerlaubten Handlung oder bei Ansprüchen aus einer solchen Handlung - Art. 18 bis 21 - Individueller Arbeitsvertrag - Vertrag als Geschäftsführer einer Gesellschaft - Beendigung des Vertrags - Gründe - Unzulängliche Erfüllung der Aufgaben und unerlaubte Handlung - Klage auf Feststellung und Schadensersatz - Begriff ‚individueller Arbeitsvertrag‘.
Rechtssache C-47/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:309

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 7. Mai 2015 ( 1 )

Rechtssache C‑47/14

Holterman Ferho Exploitatie BV,

Ferho Bewehrungsstahl GmbH,

Ferho Vechta GmbH,

Ferho Frankfurt GmbH

gegen

Friedrich Leopold Freiherr Spies von Büllesheim

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden [Niederlande])

„Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen — Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Verordnung (EG) Nr. 44/2001 — Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und b sowie Nr. 3 — Zuständigkeit für Klagen aus Vertrag — Zuständigkeit für Klagen aus unerlaubter Handlung, einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüchen aus einer solchen Handlung — Art. 18 bis 21 — Individueller Arbeitsvertrag — Doppelte Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer einer Gesellschaft — Haftung wegen unzulänglicher Erfüllung der Aufgaben des Direktors und Geschäftsführers“

1. 

Diese Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, sich zur Anwendbarkeit der Sondervorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit der Art. 18 ff. („individuelle Arbeitsverträge“) der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ( 2 ) (im Folgenden: Verordnung) in einem Fall zu äußern, in dem eine Person von einer Gesellschaft wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht nur in ihrer Eigenschaft als Direktor, als der sie im Rahmen eines Arbeitsvertrags bei dieser beschäftigt war, sondern auch in ihrer Eigenschaft als deren Geschäftsführer im Sinne des Gesellschaftsrechts verklagt wird.

2. 

Genauer gesagt geht es darum festzustellen, ob das möglicherweise zwischen dem Direktor einer Gesellschaft und dieser Gesellschaft bestehende Arbeitsverhältnis in seiner Bedeutung für die Begründung der internationalen gerichtlichen Zuständigkeit nach der Verordnung durch die gleichzeitige Existenz eines handelsrechtlichen Verhältnisses modifiziert wird, das ihn als Geschäftsführer mit dieser Gesellschaft verbindet, wenn er sowohl in seiner Eigenschaft als Direktor als auch in der Eigenschaft als Geschäftsführer in Haftung genommen wird.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Im elften Erwägungsgrund der Verordnung heißt es: „Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist.“ Dem fügt der zwölfte Erwägungsgrund hinzu: „Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.“

4.

Der 13. Erwägungsgrund der Verordnung erläutert: „Bei … Arbeitssachen sollte die schwächere Partei durch Zuständigkeitsvorschriften geschützt werden, die für sie günstiger sind als die allgemeine Regelung.“

5.

In Kapitel II („Zuständigkeit“) Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) der Verordnung legt Art. 2 Abs. 1 fest:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

6.

Art. 5 der Verordnung, der zu Kapitel II Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) gehört, sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.

a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

b)

im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;

für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

c)

ist Buchstabe b) nicht anwendbar, so gilt Buchstabe a);

3.

wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist,, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…“

7.

Zu Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung („Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge“) gehören sowohl Art. 18 als auch Art. 20. Art. 18 Abs. 1 lautet: „Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt“, während Art. 20 Abs. 1 bestimmt: „Die Klage des Arbeitgebers kann nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.“

B – Nationales Recht

8.

Art. 2:9 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Burgerlijk Wetboek) legt die Verpflichtung des Geschäftsführers einer Gesellschaft fest, seine Aufgabe als solcher ordnungsgemäß zu erfüllen.

9.

Ist die betreffende Person mit dieser Gesellschaft außerdem durch einen Arbeitsvertrag als deren Direktor verbunden – was nach niederländischem Recht möglich ist – ( 3 ), so ist ihre Haftung als Arbeitnehmer wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des Arbeitsvertrags in Art. 7:661 Abs. 1 (in Verbindung mit Art. 6:74) des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs wie folgt geregelt: „Fügt ein Arbeitnehmer bei der Erfüllung seines Arbeitsvertrags dem Arbeitgeber oder einem Dritten, dem der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, einen Schaden zu, so haftet er dem Arbeitgeber nicht, es sei denn, der Schaden wäre die Folge seines Vorsatzes oder seiner bewussten Fahrlässigkeit …“.

10.

Daneben kann den Geschäftsführer/Direktor eine Haftung aus unerlaubter Handlung treffen, die in Art. 6:162 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt ist.

II – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11.

Die Gesellschaft Holterman Ferho Exploitatie BV (im Folgenden: Holterman Ferho) ist eine reine Holdinggesellschaft, deren Sitz sich in den Niederlanden befindet. Sie hat drei deutsche Tochtergesellschaften, Ferho Bewehrungsstahl GmbH, Ferho Vechta GmbH und Ferho Frankfurt GmbH, die alle in Deutschland ansässig sind.

12.

Im April 2001 trat der Beklagte des Ausgangsverfahrens, Herr Freiherr Spies von Büllesheim (im Folgenden: Herr Spies), ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, als Direktor in den Dienst von Holterman Ferho. Dies geschah auf der Grundlage eines Vertrags, den das Rechtsmittelgericht als „Arbeitsvertrag“ qualifiziert hat und der auf Deutsch abgefasst war. Außerdem übte er die Aufgabe eines Geschäftsführers dieser Gesellschaft (im Sinne des Gesellschaftsrechts) aus, die nach dem Vortrag von Herrn Spies in der mündlichen Verhandlung auf die Geschäftsführung der deutschen Tochtergesellschaften von Holterman Ferho beschränkt war, in denen er ebenfalls Geschäftsführer und Prokurist war. Wie Herr Spies in Abschnitt 8 seiner Erklärungen vorträgt und in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, hatte die Gesellschaft Holterman Ferho keine weiteren Angestellten als ihn selbst, und seine Tätigkeit beschränkte sich in allen Fällen ausschließlich auf Deutschland, was die Gesellschaft Holterman Ferho in ihren Erklärungen nicht bestreitet. Andererseits hat Herr Spies in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichtshofs eingeräumt, dass er außer Geschäftsführer und Direktor von Holterman Ferho auch Gesellschafter dieser Gesellschaft war ( 4 ).

13.

Das Rechtsverhältnis zwischen Herrn Spies und Ferho Frankfurt wurde am 31. Dezember 2005 beendet, diejenigen mit den drei anderen Gesellschaften am 31. Dezember 2006. Alle vier Gesellschaften reichten gegen Herrn Spies eine Feststellungsklage und eine Klage auf Schadensersatz bei der Rechtbank Almelo (Niederlande) ein. Sie trugen im Wesentlichen vor, Herr Spies habe seine Aufgaben als Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß erfüllt, wofür er ihnen allen nach Art. 2:9 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs hafte. Daneben trugen die vier Gesellschaften vor, Herr Spies habe unabhängig von seiner Eigenschaft als Geschäftsführer bei der Erfüllung des Arbeitsvertrags mit Holterman Ferho vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt, wofür er nach Art. 7:661 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs hafte. Hilfsweise stellten die schweren Unregelmäßigkeiten, die Herr Spies bei der Ausführung seiner Aufgaben begangen habe, jedenfalls eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 6:162 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs dar.

14.

Das erstinstanzliche Gericht erklärte sich zur Entscheidung des Rechtsstreits – wie von Herrn Spies geltend gemacht ‐ für international unzuständig. Der Gerechtshof te Arnhem bestätigte im Rechtsmittelverfahren das Urteil der Rechtbank Almelo. Er unterschied dabei zwischen:

1.

Den Klagen von Holterman Ferho, die darauf gestützt sind, dass Herr Spies seinen Verpflichtungen als Direktor und Geschäftsführer dieser Gesellschaft nicht nachgekommen sei. Zu diesen stellte der Gerechtshof fest:

Da zwischen beiden Parteien ein Vertrag bestanden habe, den das Gericht als „Arbeitsvertrag“ einordnete, sei die Sonderregelung über die gerichtliche Zuständigkeit der Art. 18 ff. der Verordnung für Ansprüche anzuwenden, die sich auf die nicht ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrags stützten. Dies gelte auch für die Klagen, die auf „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sind … oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ gestützt seien, da sie mit der Ausführung dieses Vertrags eng verbunden seien. Daher liege die Zuständigkeit nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung bei den deutschen Gerichten, d. h. denen des Mitgliedstaats, in dem dieser Arbeitnehmer seinen Wohnsitz habe;

Hinsichtlich der Klagen, die allgemein auf die nicht ordnungsgemäße Wahrnehmung der gesellschaftsrechtlichen Aufgabe als Geschäftsführer durch Herrn Spies ‐ und daher nach Ansicht des Gerechtshof auf keinen Vertrag ‐ gestützt seien, sei die allgemeine Regel von Art. 2 der Verordnung anzuwenden, der die Zuständigkeit ebenfalls den deutschen Gerichten zuweise.

2.

Den von den drei deutschen Tochtergesellschaften gegen Herrn Spies erhobenen, auf Vertrag und auf unerlaubte Handlung gestützten Klagen. Nach Auffassung des Gerechtshof führen die Zuständigkeitsvorschriften in Art. 5 Nrn. 1 und 3 der Verordnung für diese Klagen in keinem Fall zur Zuständigkeit der niederländischen Gerichte.

15.

Gegen das Urteil des Gerechtshof wurde von den vier Gesellschaften ausschließlich hinsichtlich der Klagen, die Holterman Ferho gegen Herrn Spies erhoben hatte, Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht eingelegt.

16.

Der Hoge Raad der Nederlanden hat entschieden, das Verfahren auszusetzen und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Sind die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass sie der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a oder Art. 5 Nr. 3 dieser Verordnung in einem Fall wie dem vorliegenden entgegenstehen, in dem der Beklagte von einer Gesellschaft nicht nur in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung seiner Aufgaben oder wegen unerlaubter Handlung, sondern auch unabhängig von dieser Eigenschaft wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des zwischen ihm und der Gesellschaft geschlossenen Arbeitsvertrags in Haftung genommen wird?

2.

a) Ist, wenn Frage 1 zu verneinen ist, der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er auch einen Fall wie den vorliegenden erfasst, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Verletzung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe in Haftung nimmt?

b)

Ist, wenn Frage 2 a zu bejahen ist, der Begriff „Ort, an dem die [der Klage zugrunde liegende] Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er den Ort meint, an dem der Geschäftsführer seine gesellschaftsrechtliche Aufgabe erfüllt hat oder zu erfüllen gehabt hätte, was in der Regel der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der betreffenden Gesellschaft im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Buchst. b bzw. c dieser Verordnung sein wird?

3.

a) Ist, wenn Frage 1 zu verneinen ist, der Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er auch einen Fall wie den vorliegenden erfasst, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe oder wegen unerlaubter Handlung in Haftung nimmt?

b)

Ist, wenn Frage 3 a zu bejahen ist, der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er den Ort meint, an dem der Geschäftsführer seine gesellschaftsrechtliche Aufgabe erfüllt hat oder zu erfüllen gehabt hätte, was in der Regel der Ort der Hauptverwaltung oder der Hauptniederlassung der betroffenen Gesellschaft im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Buchst. b bzw. c dieser Verordnung sein wird?

17.

In dieser Rechtssache haben Herr Spies, die Gesellschaft Holterman Ferho (auch im Namen ihrer Tochtergesellschaften), die deutsche Regierung und die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2015 waren Herr Spies und die Kommission anwesend, die ihren Vortrag auf die Bitte des Gerichts auf die erste Vorlage konzentriert haben.

III – Prüfung

A – Erste Vorlagefrage

18.

Mit seiner ersten Vorlagefrage ersucht das vorlegende Gericht im Wesentlichen um Aufschluss, ob in einem Fall, in dem eine Person von einer Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als deren Geschäftsführer wegen nicht ordnungsgemäßer Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe oder wegen unerlaubter Handlung und gleichzeitig als ihr Direktor wegen Vorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit bei der Erfüllung des Arbeitsvertrags zwischen diesem und der Gesellschaft, durch den sie zum Direktor ernannt wurde, verklagt wird, die Zuweisungskriterien für die gerichtliche Zuständigkeit von Kapitel II Abschnitt 5 („Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge“, Art. 18 bis 21) der Verordnung anzuwenden sind.

1. Zusammenfassung der Standpunkte der Parteien

19.

Herr Spies ist der Ansicht, die Art. 18 bis 21 der Verordnung stünden unter solchen Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache der Anwendung von Art. 5 der Verordnung selbst dann entgegen, wenn die dem Direktor nach dem Arbeitsvertrag zugewiesenen Aufgaben sich auf die Erfüllung der Aufgaben beschränkten, die mit dessen Eigenschaft als Geschäftsführer im Sinne des Gesellschaftsrechts verbunden seien: Wenn der Direktor außer Geschäftsführer auch Angestellter der Gesellschaft sei, seien die Sondervorschriften der Art. 18 bis 21 der Verordnung anwendbar.

20.

Die deutsche Regierung, die ihre Erklärungen auf die erste Vorlagefrage beschränkt, schlägt vor, diese in dem Sinne zu beantworten, dass die Vorschriften der Art. 18 bis 21 der Verordnung der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a oder Nr. 3 dieser Verordnung durch ein Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden entgegenstehen. Der Wortlaut der Verordnung sei in diesem Punkt ausreichend klar, und das Vorliegen eines Arbeitsvertrags – unabhängig davon, dass daneben auch ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis bestehen könne – sei ausschlaggebend für die Anwendung des Zuständigkeitskriteriums von Art. 20 Abs. 1 (Ort des Wohnsitzes des beklagten Arbeitnehmers), was außerdem dem Zweck des Schutzes der schwächeren Vertragspartei entspreche, den diese Sondervorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit verfolgten.

21.

Holterman Ferho beschränkt sich (auch im Namen ihrer Tochtergesellschaften) in ihren schriftlichen Erklärungen darauf, Passagen aus den im Ausgangsverfahren vor dem Hoge Raad vorgelegten Schlussanträgen des niederländischen Generalanwalts wiederzugeben. Hinsichtlich der Klagen, die auf die Verletzung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag gestützt seien, seien die Sondervorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit der Art. 18 bis 21 der Verordnung anzuwenden; dagegen sei für die Entscheidung über die Klage wegen Nichterfüllung der Aufgaben durch Herrn Spies als Geschäftsführer von Holterman Ferho deren Art. 5 Nr. 1 anzuwenden mit der Folge, dass insoweit die niederländischen Gerichte zuständig seien, weil die Gesellschaft in den Niederlanden ansässig sei (Ort des Sitzes der Gesellschaft sei der Ort, an dem die Verpflichtung, auf welche die Klage gestützt sei, im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung zu erfüllen war).

22.

Nach Auffassung der Kommission schließlich ist zu bestimmen, ob der „Vertrag“ (im Sinne der Verordnung) zwischen den Parteien ein „individueller Arbeitsvertrag“ nach der Verordnung ist – dies führe zur zwangsläufigen Anwendbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften der Art. 18 ff. – oder ob es sich um einen Vertrag anderer Rechtsnatur handelt – was gestatten würde, mit der allgemeinen Regel von Art. 2 der Verordnung auch deren Art. 5 Nr. 1 anzuwenden. Hierfür zählt die Kommission eine Reihe von Merkmalen auf, die ihrer Ansicht nach vorliegen müssen, um zum Ergebnis zu kommen, dass es sich um einen Arbeitsvertrag handelt, u. a. das Verhältnis der Unterordnung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, das nach ihrer Auffassung beim Rechtsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer einer Gesellschaft und dieser nicht vorliegt ( 5 ).

2. Würdigung

23.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts schlossen die Parteien am 7. Mai 2001 einen „Arbeitsvertrag“, durch den Herr Spies zum Direktor der Gesellschaft Holterman Ferho bestellt wurde. Da allerdings die Verordnung eine autonome Auslegung des Begriffs „individueller Arbeitsvertrag“ erfordert ( 6 ), sind zur Bestimmung der Rechtsnatur dieses Vertrags für die Zwecke der Verordnung weder die Bezeichnung durch die Parteien noch seine Einordnung durch das nationale Recht maßgeblich. Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, sind die Begriffe der Verordnung Nr. 44/2001 autonom auszulegen, wofür hauptsächlich das System und die Zielsetzung derselben zu berücksichtigen sind ( 7 ), um deren einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern ( 8 ).

24.

Der Gerichtshof hatte bisher noch keine Gelegenheit, den Begriff „Arbeitsvertrag“ speziell im Rahmen der Verordnung auszulegen. Er hat nur im Urteil Shenavai ( 9 ) im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens, einer Vorschrift, die auch diese Verträge erfasste, festgestellt, dass „Arbeitsverträge ebenso wie andere Verträge über eine unselbständige Tätigkeit im Vergleich zu sonstigen Verträgen auch dann, wenn es sich bei diesen um Verträge über Dienstleistungen handelt, bestimmte Besonderheiten insofern aufweisen, als sie eine dauerhafte Beziehung begründen, durch die der Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise in den Betrieb des Unternehmens oder des Arbeitgebers eingegliedert wird“.

25.

Das vorstehende Zitat ist das Einzige, was sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Definition dieses Begriffs nach der Verordnung ergibt. Zwar liegt bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs dazu vor, wie der Begriff „Arbeitnehmer“ im Unionsrecht auszulegen ist, insbesondere im Zusammenhang mit Art. 45 AEUV ( 10 ), aber auch im Zusammenhang mit bestimmten Rechtsakten des sekundären Unionsrechts ( 11 ). Ebenso kann diese Rechtsprechung zweifellos Auslegungshinweise beitragen, die auch in anderen Bereichen sachgerecht sind ( 12 ). Jedoch trifft es gleichermaßen zu, dass die Auslegung ein und desselben Begriffs im Bereich der Grundfreiheiten des AEU-Vertrags oder von Rechtsakten des sekundären Unionsrechts, die besondere Zwecke verfolgen, nicht zwingend mit dem Verständnis des Begriffs in anderen Rechtsbereichen übereinstimmen muss ( 13 ).

26.

Die Verordnung regelt in Kapitel II Abschnitt 5 die „Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge“ und legt in Art. 18 fest: „Im Bereich von individuellen Arbeitsverträgen bestimmt sich die Zuständigkeit nach diesem Abschnitt …“. Wie wir noch sehen werden, ist die deutsche Fassung etwas genauer, indem sie formuliert: „Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit … nach diesem Abschnitt.“ ( 14 ) Daher ist für die Anwendung von Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung meines Erachtens maßgeblich, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Vertragspartei eines „individuellen Arbeitsvertrags“ im Sinne dieser Verordnung verklagt wird (im Prinzip unabhängig davon, dass zwischen ihm und der klagenden Partei außerdem noch ein Rechtsverhältnis anderer Art bestehen kann) und dass, wie man der deutschen Fassung besonders deutlich entnehmen kann, der geltend gemachte Anspruch, der Gegenstand des Rechtsstreits ist, sich aus diesem Vertrag ergibt.

27.

Als Ausgangspunkt bei der autonomen Auslegung des Begriffs „individueller Arbeitsvertrag“ im Sinne der Verordnung scheint mir im Prinzip klar zu sein, dass sich durch einen Arbeitsvertrag eine Person gegenüber einer anderen verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt auszuführen. Allerdings müssen hierzu noch weitere Merkmale hinzukommen, damit wir den „individuellen Arbeitsvertrag“ der Art. 18 ff. der Verordnung von den übrigen „Dienstleistungen“ unterscheiden können, auf die Art. 5 Nr. 1 anzuwenden ist. Hierfür darf unter Berücksichtigung von System und Zielsetzung der Verordnung der Zweck, die schwächere Partei des Vertragsverhältnisses zu schützen, der Grundlage für die Schaffung der speziellen Zuständigkeitskriterien von Art. 18 ff. durch den Gesetzgeber war, nicht außer Acht gelassen werden.

28.

Meiner Auffassung nach ergibt sich dieses Merkmal, das den Arbeitsvertrag vom Dienstvertrag im Sinne der Verordnung unterscheidet, aus der Tatsache, dass beim Arbeitsvertrag die Person, die die Dienstleistung erbringt, in stärkerem oder geringerem Maße der Aufsicht und den Weisungen der anderen Vertragspartei unterliegt, was sie dieser gegenüber in ein Verhältnis der Unterordnung bringt. Es ist diese untergeordnete Position, die vom Grundsatz her einen besonderen Schutz der schwächeren Partei erforderlich macht, der die Sondervorschrift von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung rechtfertigt, der für den Fall, dass Beklagter der „Arbeitnehmer“ ist, festlegt, dass dieser ausschließlich vor den Gerichten des Wohnsitzstaats verklagt werden kann ( 15 ).

29.

Diese Auffassung stimmt im besonderen Bereich der Auslegung des Übereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( 16 ) mit derjenigen von Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Voogsgeerd überein ( 17 ). Auch der Jenard/Möller-Bericht zum Luganer Übereinkommen von 1988, dem Parallelübereinkommen zum Brüsseler Übereinkommen, das Vorläufer der Verordnung ist, bezieht sich speziell auf ein Element der „Abhängigkeit“ („relationship of subordination“ in der englischen Sprachfassung). Dort heißt es: „Bislang gibt es zwar keinen autonomen Begriff des Arbeitsvertrags [im Sinne des Übereinkommens], jedoch lässt sich annehmen, dass dieser eine Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraussetzt.“ ( 18 )

30.

Der Umstand, dass ein Arbeitsvertrag einer Person Leitungsaufgaben in einer Gesellschaft zuweist, schließt das Merkmal der Unterordnung nicht zwingend aus, auch wenn dieses unter bestimmten Umständen bei leitenden Angestellten abgemildert oder abgeschwächt erscheinen kann. Meines Erachtens ist dieses Merkmal gegeben, wenn die Person, die Leitungsaufgaben übernimmt, den Weisungen der anderen Vertragspartei oder eines ihrer Organe unterstellt ist, selbst wenn der Angestellte über Ermessensfreiheit oder sogar über einen weiten Entscheidungsspielraum bei der täglichen Ausführung seiner Aufgaben verfügt und seine Tätigkeit gewöhnlich keiner direkten Kontrolle von Seiten des Arbeitgebers unterliegt ( 19 ).

31.

Im Übrigen bin ich im speziellen Fall eines Direktors, der den Weisungen der Gesellschafterversammlung der von ihm geleiteten Gesellschaft unterstellt ist, nicht der Ansicht, dass der Umstand, dass der Direktor an dieser eine Beteiligung besitzt, automatisch ausschließt, dass das Rechtsverhältnis zwischen ihnen als „Arbeitsvertrag“ im Sinne der Verordnung eingeordnet werden kann. Allerdings wäre er, wenn diese Beteiligung so hoch wäre, dass er entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der ihm als Direktor von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen nehmen könnte, in der Praxis seinen eigenen Anweisungen und seinem eigenen Handlungsermessen unterstellt. Meiner Ansicht nach schwindet in diesem Fall die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung gegenüber seiner Person und mit dieser auch das Unterordnungsverhältnis ( 20 ).

32.

Die Frage, ob ein „Arbeitsvertrag“ im Sinne der Verordnung vorliegt, muss für den jeweiligen Einzelfall nach der Gesamtheit des Sachverhalts und der Umstände beantwortet werden, die für die Beziehungen zwischen den Parteien charakteristisch sind ( 21 ), was grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dieses wird hierfür im vorliegenden Fall neben den tatsächlichen Umständen im Wesentlichen zwei Rechtsakte zu untersuchen haben: die Satzung der Gesellschaft Holterman Ferho und den zwischen dieser und Herrn Spies geschlossenen Vertrag. Ausgehend von beiden Elementen wird es feststellen können, ob Herr Spies bei der Erfüllung seiner Aufgaben der Aufsicht eines anderen Gesellschaftsorgans unterstand, das nicht seiner Kontrolle unterlag, d. h. letztlich, ob ein Unterordnungsverhältnis bestand oder nicht. Hierfür kann es – abgesehen von der Frage, ob in dem Vertrag charakteristische Aspekte eines Arbeitsverhältnisses geregelt wurden (Gehalt, Urlaub usw.) ( 22 ) – u. a. untersuchen, von wem Herr Spies Anweisungen entgegennahm, welche Reichweite diese hatten, inwieweit er an sie gebunden war, wer die Erfüllung dieser Anweisungen kontrollierte und welche Folgen ein möglicher Verstoß hatte, insbesondere, ob er entlassen werden konnte, wenn er sie missachtete. In diesem Kontext muss das nationale Gericht auch entscheiden, inwieweit das gegebenenfalls bestehende Unterordnungsverhältnis dadurch modifiziert wird, dass der Direktor außerdem Gesellschafter der fraglichen Gesellschaft ist, wie dies in der vorliegenden Rechtssache bei Herrn Spies der Fall war. Dies wird grundlegend davon abhängen, in welchem Maß die betreffende Person als Gesellschafter auf die Willensbildung des Organs Einfluss nehmen kann, von dem sie Anweisungen erhält.

33.

Wie ausgeführt, ist für die Anwendung von Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung nicht nur maßgeblich, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Partei eines „individuellen Arbeitsvertrags“ verklagt wird. Als logische Konsequenz hieraus folgt nämlich, dass der Anspruch, der den Gegenstand des Verfahrens bildet, sich aus eben diesem Vertrag ergeben muss, eine Bedingung, auf die auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.

34.

Um festzustellen, ob der Anspruch, der Gegenstand des Verfahrens ist, sich aus einem „individuellen Arbeitsvertrag“ im Sinne der Verordnung ergibt, müssen meines Erachtens an dieser Stelle die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Brogsitter zu der Frage zitiert werden, ob eine Klage aus zivilrechtlicher Haftung an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung anknüpft oder nicht: Eine solche Klage knüpft nur dann an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung – oder in der vorliegenden Rechtssache, an einen Anspruch, der sich aus einem „individuellen Arbeitsvertrag“ ergibt – an, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands – in der vorliegenden Rechtssache anhand des Gegenstands des konkreten Arbeitsvertrags – ermitteln lassen. Dies wiederum ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist ( 23 ), was vom nationalen Gericht festgestellt werden muss.

35.

Letztlich reicht allein das Vorliegen eines Arbeitsvertrags zwischen den Parteien meiner Ansicht nach nicht aus, um die Sondervorschriften über die internationale gerichtliche Zuständigkeit in Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung anzuwenden, wenn der Anspruch sich nicht aus einem „Arbeitsvertrag“ im Sinne der obigen Ausführungen ergibt.

36.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in dieser Rechtssache unter Berücksichtigung der Ausführungen in den vorstehenden Nummern festzustellen, ob der Beklagte als Partei eines „individuellen Arbeitsvertrags“ im Sinne der Verordnung verklagt worden ist. Hierfür wird es berücksichtigen müssen, dass die Tatsache, dass einer Person Leitungsaufgaben in einer Gesellschaft zugewiesen werden, das für ein Arbeitsverhältnis charakteristische Merkmal der Unterordnung nicht notwendig ausschließt und dass die Tatsache, dass der Direktor eine Beteiligung an der von ihm geleiteten Gesellschaft hält, ebenfalls nicht automatisch verhindert, dass das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis als „Arbeitsverhältnis“ im Sinne der Verordnung eingeordnet werden kann. Ebenso hat das vorlegende Gericht die Aufgabe festzustellen, ob der geltend gemachte Anspruch sich aus dem „individuellen Arbeitsvertrag“ ergibt, d. h., ob das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Gegenstands des konkreten Arbeitsvertrags ermitteln lassen. Liegen beide Merkmale vor, sind die Sondervorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit von Kapitel II Abschnitt 5 der Verordnung anzuwenden, unabhängig von Rechtsverhältnissen anderer Art, die zwischen den Parteien bestehen können (und die sich beispielsweise aus der Tatsache ergeben können, dass der Beklagte gesellschaftsrechtlich auch Geschäftsführer der Gesellschaft ist).

3. Zwischenergebnis

37.

Aus den vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Vorlagefrage dahin gehend zu beantworten, dass die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis Art. 21) der Verordnung dann anzuwenden sind,

wenn der Beklagte auf der Grundlage eines „individuellen Arbeitsvertrags“ im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001, d. h. aufgrund einer Vereinbarung verklagt wird, durch die sich eine Person gegenüber einer anderen, deren Aufsichts- und Weisungsbefugnis sie untersteht, verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt auszuführen, und

wenn der geltend gemachte Anspruch sich aus dem „individuellen Arbeitsvertrag“ ergibt, d. h. wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Gegenstands des konkreten Arbeitsvertrags ermitteln lassen.

Beide Punkte festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

B – Zweite Vorlagefrage

38.

Nach dem obigen Vorschlag würde sich die Beantwortung der zweiten und der dritten Vorlagefrage erübrigen. Ich werde jedoch für den Fall, dass der Gerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass in einer Rechtssache wie der vorliegenden die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung nicht zur Anwendung kommen, nunmehr die zweite Vorlagefrage untersuchen.

39.

Der Hoge Raad der Nederlanden möchte mit seiner zweiten und dritten Vorlagefrage geklärt wissen, ob die in Art. 5 Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 3 der Verordnung verwendeten Begriffe „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ und „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ dahin auszulegen sind, dass sie auch einen Fall wie den vorliegenden erfassen, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen der Verletzung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe oder aus unerlaubter Handlung in Haftung nimmt. Für den Fall, dass dies bejaht werden sollte, fragt er außerdem, ob mit den Begriffen „Ort, an dem die [der Klage zugrunde liegende] Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung oder „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ im Sinne ihres Art. 5 Nr. 3 der Ort gemeint ist, an dem der Geschäftsführer seine Aufgabe nach der Satzung der Gesellschaft bzw. nach dem Gesellschaftsrecht erfüllt hat oder zu erfüllen gehabt hätte.

1. Zusammenfassung der Standpunkte der Beteiligten

40.

Herr Spies hält ausschließlich Art. 5 Nr. 1 der Verordnung („Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“) für anwendbar, da zwischen den Parteien aus freiem Willen eingegangene Verpflichtungen vorlägen, was ausschließe, dass eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ vorlägen. Um in diesem Fall festzustellen, an welchem Ort die Verpflichtung, die der Klage im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung zugrunde liege, erfüllt worden sei, sei der Fokus auf den Ort zu richten, an dem die angeblichen Vertragsverletzungen aufgetreten seien, d. h. Deutschland, da diese Verletzungen mit der Geschäftsführung der deutschen Tochtergesellschaften von Holterman Ferho in Zusammenhang stünden. Außerdem behauptet er, er habe keinerlei Geschäftsführungstätigkeiten in den Niederlanden wahrgenommen.

41.

Die Kommission weist darauf hin, dass das Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer der Gesellschaft und dieser vertraglicher Natur im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei, da von beiden Parteien freiwillig eingegangene Verpflichtungen vorlägen. Im Hinblick auf die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung ist die Kommission der Ansicht, vor allem sei festzustellen, ob in dieser Rechtssache tatsächlich deren Buchst. a anzuwenden sei, wovon das vorlegende Gericht auszugehen scheine, oder Buchst. b ‐ die These, der die Kommission eher zuneige, da es sich ihres Erachtens um einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen handle. Der Ort in dem Mitgliedstaat, an dem diese Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden seien, sei der Ort, von dem aus die Gesellschaft verwaltet worden sei, und dieser befinde sich dort, wo die Gesellschaft ihre Hauptverwaltung im Sinne von Art. 60 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung habe.

2. Würdigung

a) Rechtsnatur der Verpflichtung im Hinblick auf die Verordnung

42.

Bereits in Nr. 23 dieser Schlussanträge habe ich darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ und „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 bzw. Nr. 3 der Verordnung jeweils autonom und hauptsächlich unter Berücksichtigung des Systems und der Zielsetzung dieser Verordnung auszulegen sind, um deren einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern. Daher liegt keine Verweisung darauf vor, wie das anwendbare nationale Recht das Rechtsverhältnis einordnet, über welches das nach der Verordnung zuständige Gericht zu entscheiden hat.

43.

Im Übrigen gilt, wie oben ausgeführt, die Auslegung der Vorschriften des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof insoweit auch für die Verordnung, als diese in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten das Brüsseler Übereinkommen ersetzt und die Vorschriften der beiden Rechtsakte als bedeutungsgleich angesehen werden können. Dies ist bei Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 3 der Verordnung im Verhältnis zu Art. 5 Nr. 1 bzw. Nr. 3 des Brüsseler Übereinkommens der Fall ( 24 ).

44.

Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung alle Ansprüche, mit denen ein Beklagter in Haftung genommen wird und die nicht mit einem „Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 der Verordnung zusammenhängen ( 25 ). Daher schließt die Einordnung als „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ die Einordnung als „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ aus, wenn die Haftungsansprüche sich aus einem „Vertrag“ im Sinne der Verordnung herleiten ( 26 ).

45.

An erster Stelle ist somit zu untersuchen, ob unabhängig von der Einordnung nach nationalem Recht in dieser Rechtssache ein „Vertrag“ im Sinne der Verordnung vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 5 Nr. 1 des Brüsseler Übereinkommens setzt der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ das Vorliegen einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung voraus ( 27 ).

46.

Meines Erachtens sind Herr Spies und die Gesellschaft Holterman Ferho in der Tat gegenseitige freiwillige Verpflichtungen eingegangen (Herr Spies verpflichtete sich, die Gesellschaft zu leiten und zu verwalten, während diese sich verpflichtete, für diese Leistung eine Vergütung zu bezahlen), die es gestatten, ihr Rechtsverhältnis – nicht nur das, das sich aus dem Vertrag ergab, mit dem er die Aufgaben des Direktors übernahm, sondern auch das, das sich aus dem Gesellschaftsrecht ableitete, nach dem er die Aufgabe des Geschäftsführers übernahm – als vertragsrechtlich im Sinne der Verordnung anzusehen ( 28 ).

47.

Wie allerdings der Gerichtshof schon im Urteil Brogsitter ausgeführt hat, bedeutet allein der Umstand, dass eine der Parteien des Ausgangsverfahrens eine Klage aus zivilrechtlicher Haftung gegen die andere erhebt, noch nicht, dass diese Klage einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft. Dies ist nur dann so, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen verstanden werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen. Dies wiederum ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags zwischen dem Beklagten und dem Kläger unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das dem Beklagten vom Kläger vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder vielmehr widerrechtlich ist ( 29 ).

48.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts festzustellen, ob die vom Kläger im Ausgangsverfahren anhängig gemachten Klagen einen Haftungsanspruch zum Gegenstand haben, dessen Grund bei vernünftiger Betrachtungsweise in einem Verstoß gegen die Rechte und Pflichten aus dem zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens bestehenden „Vertrag“ (im Sinne der Verordnung) gesehen werden kann, so dass dessen Berücksichtigung für die Entscheidung über das Rechtsmittel unerlässlich erscheint. Ist dies der Fall, betreffen diese Klagen einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 ( 30 ). Andernfalls ist davon auszugehen, dass sie von dem Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung erfasst werden. Die Vereinbarungen, die das vorlegende Gericht zu diesem Zweck wird auslegen müssen, sind diejenigen, die zwischen der Gesellschaft Holterman Ferho und Herrn Spies bestehen und die nicht notwendig vollständig schriftlich vorliegen werden, sowie die Regeln des Gesellschaftsrechts, die den Inhalt der von ihm freiwillig übernommenen Aufgabe bestimmen.

b) Erfüllungsort der Verpflichtung nach Art. 5 Nr. 1 der Verordnung

49.

Sofern Art. 5 Nr. 1 der Verordnung anzuwenden ist, ist als Nächstes festzulegen, welches Gericht territorial zuständig ist, um in dieser Rechtssache zu entscheiden. Auch wenn die vom vorlegenden Gericht gestellte zweite Frage sich nur auf Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung bezieht, muss man sich die Frage stellen, auf welche die Kommission in ihren Erklärungen hinweist, nämlich ob nicht eher Buchst. b anzuwenden ist, konkret dessen zweiter Gedankenstrich, der speziell für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen gedacht ist ( 31 ). Ist dies der Fall, können Personen, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, an dem Ort eines anderen Mitgliedstaats verklagt werden, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

50.

Hinsichtlich der Frage, ob die Tätigkeit, die Herr Spies im Dienst der Gesellschaft ausübte, als „Dienstleistung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung qualifiziert werden kann, muss der Begriff „Dienstleistungen“, der in der Verordnung enthalten (aber nicht definiert) ist, autonom ausgelegt werden, wobei die Bedeutung, die er in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hat, außer Acht zu lassen ist, um seine einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern.

51.

Auch wenn der Gerichtshof darauf hingewiesen hat, dass kein Element des Regelungszusammenhangs oder der Systematik der Verordnung Nr. 44/2001 eine Auslegung des Begriffs „Erbringung von Dienstleistungen“ in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung nach Maßgabe der Entscheidungen des Gerichtshofs im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 AEUV verlangt ( 32 ), können einige typische Merkmale von „Dienstleistungen“ nach dem Primärrecht auch auf „Dienstleistungen“ nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich angewendet werden, konkret die Tätigkeit als solche, die der Beklagte ausübt, und die Vergütung, die er für die Ausübung dieser Tätigkeit erhält ( 33 ).

52.

Wie Generalanwältin Trstenjak in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Falco Privatstiftung und Rabitsch hervorgehoben hat ( 34 ), wird durch die abstrakte Definition dieses Begriffs nur dessen Rahmen bestimmt; in jeder einzelnen Rechtssache wird individuell, auf den jeweiligen Fall bezogen, die Frage beantwortet werden müssen, ob die jeweilige Tätigkeit unter den Begriff „Dienstleistung“ fällt.

53.

In der vorliegenden Rechtssache teile ich den Standpunkt der Kommission, dass die Tätigkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft als „Erbringung von Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung qualifiziert werden kann. Diese Einordnung würde im vorliegenden Fall die Zuständigkeitsvorschrift in Buchst. a von Art. 5 Nr. 1 ausschließen.

54.

Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b liegt die gerichtliche Zuständigkeit für sämtliche Klagen auf der Grundlage des Vertrags über die Erbringung von Dienstleistungen bei den Gerichten des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

55.

Nach Ansicht der Kommission ( 35 ) – die, ausgehend von der Formulierung, mit der die Frage vom vorlegenden Gericht gestellt worden ist, ihre Antwort an Art. 60 der Verordnung ausrichtet – werden die Dienstleistungen eines Geschäftsführers an dem Ort erbracht, an dem dieser die Gesellschaft verwaltet, was ihres Erachtens der Ort ist, an dem deren Hauptverwaltung liegt, ein Begriff, der sich auf den Ort bezieht, von dem aus die Gesellschaft verwaltet und geleitet wird und der nicht zwangsläufig mit ihrem in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag festgelegten „satzungsmäßigen Sitz“ (Art. 60 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung) noch mit dem ihrer „Hauptniederlassung“ (Art. 60 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung) übereinstimmen muss.

56.

Ich schließe mich allerdings den Ausführungen von Herrn Spies in Rn. 38 seiner Erklärungen dahin gehend an, dass die Antwort auf die Frage des vorlegenden Gerichts sich nicht zwingend aus der Auslegung von Art. 60 der Verordnung ergeben muss ( 36 ). Im Gegenteil bin ich der Ansicht, dass hier auf die Kriterien zurückzugreifen ist, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstreich der Verordnung für den Fall festgelegt hat, dass die Dienstleistungen an verschiedenen Orten erbracht werden ( 37 ).

57.

In diesem Sinne muss das vorlegende Gericht vor allem ermitteln, ob der „Vertrag“ (im Sinne der Verordnung) zwischen Holterman Ferho und Herrn Spies ( 38 ) festlegt, wo der Erfüllungsort der Hauptdienstleistung (Verwaltung der Holdinggesellschaft Holterman Ferho) liegt ( 39 ). Ist dies nicht der Fall, so ist zu bestimmen, an welchem Ort Herr Spies tatsächlich überwiegend seine Tätigkeit bei der Erfüllung des Vertrags erbracht hat ( 40 ) (vorausgesetzt, dass die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien nach den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen widersprach). Hierfür können insbesondere die an den genannten Orten verbrachte Zeit und die Wichtigkeit der an ihnen entfalteten Tätigkeit berücksichtigt werden, wobei es dem nationalen Gericht obliegt, seine Zuständigkeit nach den beigebrachten Beweismitteln zu bestimmen ( 41 ).

3. Zwischenergebnis

58.

Nach den vorstehenden, hilfsweisen Erwägungen erfasst der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung meines Erachtens auch einen Fall, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Verletzung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe in Haftung nimmt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem die Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Dies ist der Erfüllungsort der Hauptdienstleistung, den der „Vertrag“ (im Sinne der Verordnung) festlegt, oder, wenn dies nicht der Fall ist, der Ort, an dem der Geschäftsführer seine Tätigkeit bei der Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend ausgeübt hat, vorausgesetzt, dass die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien nach den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen widersprach.

C – Dritte Vorlagefrage

59.

Im Bemühen um Vollständigkeit wende ich mich nun kurz der dritten Vorlagefrage zu.

1. Zusammenfassung der Standpunkte der Beteiligten

60.

Zur Beantwortung der dritten Vorlagefrage ‐ falls der Gerichtshof dazu kommt, sie zu beantworten ‐ ist nach Ansicht von Herrn Spies, der Art. 5 Nr. 3 der Verordnung in dieser Rechtssache nicht für anwendbar hält, nicht, wie dies das vorlegende Gericht offenbar tut, auf Art. 60 der Verordnung zurückzugreifen: Bei Anwendung der vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung im Zusammenhang mit Art. 5 Nr. 3 der Verordnung entwickelten Kriterien zur Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutreten drohe, liege die Zuständigkeit ebenfalls bei den deutschen Gerichten.

61.

Holterman Ferho vertritt die Ansicht, Art. 5 Nr. 3 der Verordnung („unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“) sei in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar.

62.

Die Kommission schließt die Möglichkeit einer Schadensersatzklage aus außervertraglicher Haftung nicht aus, soweit das nationale Recht diese zulasse. In diesem Fall könne die Klägerin im Ausgangsverfahren in Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs wählen, ob sie die Klage an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten sei, einreiche oder am Ort des schädigenden Ereignisses. Beide seien in dieser Rechtssache mit dem Ort identisch, an dem die Gesellschaft Holterman Ferho ihre Hauptverwaltung habe.

2. Würdigung

63.

Ebenfalls hilfsweise, nämlich für den Fall, dass das vorlegende Gericht nach Prüfung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gemäß den Ausführungen in den Nrn. 47 und 48 dieser Schlussanträge zu der Auffassung kommt, dass dieser vom Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung erfasst wird, ist nach dieser Vorschrift „das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“, zuständig. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist mit diesem Ort „sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens gemeint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann“ ( 42 ).

64.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, mit Blick auf die tatsächlichen Umstände der vorliegenden Rechtssache abschließend zu bestimmen, welches der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens und welches der Ort ist, an dem sich der Schaden verwirklicht hat.

65.

Was den Ort des schädigenden Ereignisses betrifft, ist davon auszugehen, dass dieser sich dort befindet, wo Herr Spies normalerweise seine Aufgaben als Geschäftsführer für die Holdinggesellschaft Holterman Ferho erfüllte (was nach Herrn Spies' Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof, die von Holterman Ferho nicht bestritten wurden, Deutschland war).

66.

Was den Ort betrifft, an dem sich der Schaden nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens verwirklicht hat, sind die niederländischen Gerichte zuständig, sofern das Geschehen in Deutschland einen Schaden in den Niederlanden hervorgerufen hat oder hervorrufen kann. Diesbezüglich obliegt es dem vorlegenden Gericht, anhand der ihm vorliegenden Beweismittel zu prüfen, inwieweit die von Herrn Spies bei Wahrnehmung seiner Aufgabe als Geschäftsführer der Gesellschaft Holterman Ferho begangene unerlaubte Handlung einen Schaden in diesem Mitgliedstaat verursachen konnte. Hierfür wird es allerdings berücksichtigen müssen, dass der Gerichtshof insoweit ausgeführt hat, dass der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ nicht so weit ausgelegt werden darf, dass er jeden Ort erfasst, an dem die schädlichen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden ist. Dieser Begriff kann insbesondere nicht so ausgelegt werden, dass er den Ort einschließt, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen Erstschadens erlitten zu haben behauptet ( 43 ). Der Gerichtshof hat im Urteil Kronhofer ( 44 ) darauf hingewiesen, dass eine solche Auslegung, die die gerichtliche Zuständigkeit vom Ort des „Mittelpunkts des Vermögens“ des Geschädigten abhängig machen würde, zumeist die Zuständigkeit der Gerichte des Klägerwohnsitzes würde begründen können, der die Verordnung ( 45 ) außer in den von ihr ausdrücklich vorgesehenen Fällen ablehnend gegenübersteht.

IV – Ergebnis

67.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Hoge Raad der Nederlanden wie folgt zu antworten:

1.

Die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind dann anzuwenden,

wenn der Beklagte auf der Grundlage eines „individuellen Arbeitsvertrags“ im Sinn der Verordnung Nr. 44/2001, d. h. aufgrund einer Vereinbarung verklagt wird, durch die sich eine Person gegenüber einer anderen, deren Aufsichts- und Weisungsbefugnis sie untersteht, verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit gegen Entgelt auszuführen, und

wenn der geltend gemachte Anspruch sich aus dem „individuellen Arbeitsvertrag“ ergibt, d. h. wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Gegenstands des konkreten Arbeitsvertrags ermitteln lassen.

Beides festzustellen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Hilfsweise, für den Fall, dass die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21) der Verordnung Nr. 44/2001 nicht als anwendbar angesehen werden:

2.

Der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 5 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 erfasst auch einen Fall, in dem eine Gesellschaft eine Person in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Verletzung ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer gesellschaftsrechtlichen Aufgabe in Haftung nimmt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem die Dienstleistungen im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Dies ist der Erfüllungsort der Hauptdienstleistung, den der „Vertrag“ (im Sinne der Verordnung) festlegt, oder, wenn dies nicht der Fall ist, der Ort, an dem der Geschäftsführer seine Tätigkeit bei der Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend ausgeübt hat, vorausgesetzt, dass die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien nach den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen widersprach.

3.

Ebenfalls hilfsweise für den Fall, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch als vom Begriff „unerlaubte Handlung oder … Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder … Ansprüche aus einer solchen Handlung“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 erfasst angesehen wird, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, mit Blick auf die tatsächlichen Umstände der Rechtssache zu bestimmen, welches der Ort ist, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, und welches der Ort, an dem sich der Schaden verwirklicht hat.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) ABl. 2001, L 12, S. 1. Am 10. Januar 2015 ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung) (ABl. L 351, S. 1) in Kraft getreten, die nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich auf diese Rechtssache nicht anzuwenden ist. Die Verordnung Nr. 1215/2012 gibt im Wesentlichen die Vorschriften der hier in Rede stehenden Verordnung wieder.

( 3 ) Die Kommission weist in Rn. 15 ihrer Erklärungen darauf hin, dass nach niederländischem Recht sowohl die Direktoren als auch die Geschäftsführer an der Geschäftsführung der Gesellschaft beteiligt sind. Allerdings kann eine Person, die lediglich Direktor ist, vom Vorstand entlassen werden, während ein Geschäftsführer nur durch die Gesellschafterversammlung abberufen werden kann, so dass Letzterer grundsätzlich eine größere Freiheit bei der Leitung des Unternehmens genießt als eine Person, die nur Direktor ist. Eine vollständige Übersicht über die Verpflichtungen und die Verantwortung der Leitungspersonen von Gesellschaften nach niederländischem Recht findet sich in De Beurs, S., „Directors‘ Duties and Liability in the Netherlands“ im Rahmen der für die Europäische Kommission ausgearbeiteten Studie von LSE Enterprise, Study on Directors’ Duties and Liability, London 2013, S. A609 ff.

( 4 ) Wie er in der Verhandlung erläutert hat, hatte die Gesellschaft Holterman Ferho nur zwei Gesellschafter, ihn selbst (als Inhaber von nur 15 % der Aktien Minderheitsgesellschafter) und einen Mehrheitsgesellschafter, der 85 % der Aktien hielt und über eine andere Gesellschaft bei Holterman Ferho ebenfalls Leitungsaufgaben wahrnahm.

( 5 ) In der vorliegenden Rechtssache stellen die Beteiligten nicht in Frage, dass Herr Spies eine bestimmte Zeit für Holterman Ferho bestimmte Leistungen (im Zusammenhang mit der Geschäftsführung ihrer deutschen Tochtergesellschaften) gegen ein Entgelt erbrachte. Das hier umstrittene Merkmal ist das des Unterordnungsverhältnisses, das Herr Spies der „Aufsicht“, d. h. den Weisungen der Gesellschaft Holterman Ferho unterstellt haben würde. Konkret verneint die Kommission das Vorliegen dieses Merkmals im vorliegenden Fall (Rn. 35 ihrer schriftlichen Erklärungen), während Herr Spies in der Verhandlung darauf hingewiesen hat, im Vertrag zwischen ihm und Holterman Ferho sei festgehalten, dass doch ein Unterordnungsverhältnis gegenüber der Gesellschafterversammlung bestanden habe, deren Weisungen er unterstellt gewesen sei.

( 6 ) Siehe u. a. Urteile Mahamdia, C‑154/11, EU:C:2012:491, Rn. 42, Kainz, C‑45/13, EU:C:2014:7, Rn. 19, Zuid-Chemie, C‑189/08, EU:C:2009:475, Rn. 17, und Pinckney, C‑170/12, EU:C:2013:635, Rn. 23.

( 7 ) Zu dem, was das „System“ und die „Zielsetzung der Verordnung“ charakterisiert, nehme ich vor allem Bezug auf deren Erwägungsgründe 11 und 12: „Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. … Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.“ (Hervorhebung nur hier). Daneben hat der Gerichtshof festgestellt, dass es zu den Zielen der Verordnung gehört, die Zuständigkeitsregeln für die Gerichte der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen, wobei so weit wie möglich eine Häufung der Gerichtsstände in Bezug auf ein und dasselbe Rechtsverhältnis verhindert werden soll, und den Rechtsschutz für die in der Gemeinschaft niedergelassenen Personen dadurch zu verstärken, dass dem Kläger die Feststellung erleichtert wird, welches Gericht er anrufen kann, und dem Beklagten ermöglicht wird, bei vernünftiger Betrachtung vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (Urteile Mulox IBC, C‑125/92, EU:C:1993:306, Rn. 11, und Rutten, C‑383/95, EU:C:1997:7, Rn. 12 und 13, in Bezug auf das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die späteren Beitrittsverträge der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen). Da die Verordnung im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten das Brüsseler Übereinkommen ersetzt, gilt die Auslegung der Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens durch den Gerichtshof auch für die Bestimmungen der Verordnung, soweit die Bestimmungen dieser Rechtsakte als gleichbedeutend angesehen werden können (Urteile Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 19, und ÖFAB, C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 28).

( 8 ) Siehe insbesondere Urteile Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 18, und ÖFAB, C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 27.

( 9 ) C‑266/85, EU:C:1987:11, Rn. 16.

( 10 ) Beispielhaft im Urteil Lawrie Blum, 66/85, EU:C:1986:284, Rn. 16 und 17.

( 11 ) Siehe insbesondere die Abgrenzung des Begriffs „Arbeitnehmer“ durch den Gerichtshof im Urteil Danosa, C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 39 ff., in dem es darum ging festzustellen, ob das Mitglied des Leitungsorgans einer Gesellschaft „Arbeitnehmerin“ im Sinne der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348, S. 1) war und ob sie folglich den Schutz in Anspruch nehmen konnte, den diese Richtlinie den betroffenen Arbeitnehmerinnen gewährte. Vgl. auch neben vielen anderen die Urteile Union syndicale Solidaires Isère, C‑428/09, EU:C:2010:612 Rn. 28 (bezüglich der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 299, S. 9), und Kiiski, C‑116/06, EU:C:2007:536, Rn. 25 (bezüglich der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. L 39, S. 40) und die dort angeführte Rechtsprechung.

( 12 ) Umfassend in diesem Sinne Lüttringhaus, J. D., „Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht ‐ Grund und Grenzen der rechtsaktübergreifenden Auslegung, dargestellt am Beispiel vertraglicher und außervertraglicher Schuldverhältnisse“, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Bd. 77 (2013), S. 31 (50).

( 13 ) Urteile Martínez Sala, C‑85/96, EU:C:1998:217, Rn. 31 ff., von Chamier-Glisczinski, C‑208/07, EU:C:2009:455, Rn. 68, und van Delft u. a., C‑345/09, EU:C:2010:610, Rn. 88. Siehe auch die Erwägungen von Knöfel, O. L., „Kommendes Internationales Arbeitsrecht – der Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 15.12.2005 für eine ‚Rom I‘-Verordnung“, Recht der Arbeit 2006, 269, speziell S. 271 und 272, im konkreten Zusammenhang mit dem Begriff „Arbeitnehmer“.

( 14 ) „Bilden ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit … nach diesem Abschnitt“ (Hervorhebung nur hier).

( 15 ) Meines Erachtens ist das Kriterium der „Unterordnung“ außerdem klar genug, um die Erfordernisse an die Vorhersehbarkeit sicherzustellen, welche die Zuständigkeitsvorschriften erfüllen müssen (vgl. elfter Erwägungsgrund der Verordnung und die in Nr. 23 dieser Schlussanträge angeführte Rechtsprechung): Bei Anwendung dieses Kriteriums zur Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, wird dem Kläger die Feststellung erleichtert, welches Gericht er anrufen kann, und dem Beklagten ermöglicht, bei vernünftiger Betrachtung vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann.

( 16 ) Das frühere Übereinkommen von Rom vom 19. Juni 1980 und die Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6) können bei der Auslegung der hier in Rede stehenden Verordnung als Referenzen dienen, da der Gerichtshof festgestellt hat, dass die Auslegung eines Begriffs im Rahmen eines dieser beiden Rechtsakte zur Regelung des internationalen Privatrechts diejenige von Kriterien, die im anderen Rechtsakt vorgesehen sind, nicht unberücksichtigt lassen darf, soweit diese die Regeln für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit für dieselben Bereiche festlegen und ähnliche Begriffe aufstellen (Urteil Koelzsch, C‑29/10, EU:C:2011:151, Rn. 33).

( 17 ) C‑384/10, EU:C:2011:564, Nr. 88: „[D]as wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses [besteht] darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er eine Vergütung erhält … Daraus folgt, dass die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers ein charakteristisches Merkmal jedes Arbeitsverhältnisses darstellt, das im Wesentlichen verlangt, dass die betreffende Person unter der Weisung oder Aufsicht einer anderen Person steht, die ihm die zu erbringenden Leistungen und/oder die Arbeitszeit vorschreibt und deren Anordnung oder Vorschriften der Arbeitnehmer zu befolgen hat …“ (Hervorhebung nur hier).

( 18 ) ABl. 1990, C 189, S. 73, Nr. 41.

( 19 ) In diesem Sinne De Val Tena, Á., El trabajo de alta dirección. Caracteres y régimen jurídico, Madrid, Civitas, 2002, S. 111.

( 20 ) Diesbezüglich ebenso Weber, J., „Die Geschäftsführerhaftung aus der Perspektive des Europäischen Zivilprozessrechts“, IPRax – Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 1/2013, S. 70; Bosse, R., Probleme des europäischen Internationalen Arbeitsprozessrechts, Frankfurt, Peter Lang, 2007, S. 67 ff., und Mankowski, P., „Organpersonen und Internationales Arbeitsrecht“, RIW ‐ Recht der internationalen Wirtschaft 3/2004, S. 170. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits in einer Rechtssache, in der es darum ging einzuordnen, ob eine Person als „Arbeitnehmer“ oder „selbständig erwerbstätiger Dienstleister“ im Sinne des Primärrechts anzusehen war, festgestellt hat, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft, deren einziger Gesellschafter er ist, seine Tätigkeit nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ausübt, so dass er nicht als „Arbeitnehmer“ im Sinne des Primärrechts anzusehen ist (Urteil Asscher, C‑107/94, EU:C:1996:251, Rn. 26, und Schlussanträge von Generalanwalt Léger in derselben Rechtssache, EU:C:1996:52, Nr. 29).

( 21 ) Urteil Danosa, C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 46.

( 22 ) Vgl. in dieser Hinsicht die Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288, S. 32), die den Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer über die wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten.

( 23 ) Urteil Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 23 bis 25. Vgl. in diesem Sinne auch die Ausführungen von Weber, für den der besondere Gerichtsstand von Art. 20 Abs. 1 der Verordnung die übrigen Zuständigkeitsvorschriften nur dann verdrängt, wenn die Verpflichtung, die Gegenstand des Rechtsstreits ist, vom Arbeitsvertrag selbst abhängt. So könne die Verpflichtung dann, wenn sie direkt von einem gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem abhänge und der Arbeitsvertrag keine notwendige Bedingung darstelle, um ihren Inhalt feststellen zu können, auch nicht als „arbeitsrechtliche“ Verpflichtung angesehen werden, selbst dann nicht, wenn der Arbeitsvertrag die Verpflichtung so wiedergebe, wie sie vom Gesellschaftsrecht vorgesehen sei (Weber, J., „Die Geschäftsführerhaftung aus der Perspektive des Europäischen Zivilprozessrechts“, IPRax – Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 1/2013, S. 70 f.).

( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil ÖFAB, C‑147/12, EU:C:2013:490, Rn. 29.

( 25 ) Vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Kalfelis Schröder, 189/87, EU:C:1988:459, Rn. 17, Reichert und Kockler, C‑261/90, EU:C:1992:149, Rn. 16, Réunion européenne u. a., C‑51/97, EU:C:1998:509, Rn. 22, Henkel, C‑167/00, EU:C:2002:555, Rn. 36, Engler, C‑27/02, EU:C:2005:33, Rn. 29, und Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 20.

( 26 ) Urteil Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 21 ff. Vgl. Haubold, J., „Internationale Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche und konzerngesellschaftsrechtliche Haftungsansprüche nach EuGVÜ und LugÜ“, IPRax – Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts 5/2000, S. 378; Geimer, R., und Schütze, R., „Verordnung (EG) 44/2001 – Art. 5“, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., München, C. H. Beck, 2010, R. 220, sowie Wendenburg, A., „Vertraglicher Gerichtsstand bei Ansprüchen aus Delikt?“, Neue Juristische Wochenschrift 2014, S. 1633 ff.

( 27 ) Beispielhaft für viele Urteile Handte, C‑26/91, EU:C:1992:268, Rn. 15, Réunion européenne u. a., C‑51/97, EU:C:1998:509, Rn. 17, und Tacconi, C‑334/00, EU:C:2002:499, Rn. 23.

( 28 ) Im selben Sinne äußert sich auch die Kommission in ihren Erklärungen (Rn. 25 ff.), die darauf hinweist, dass „die Tatsache, dass viele der Rechte und, was noch wichtiger ist, der Verpflichtungen des Geschäftsführers, nicht nur von der schriftlichen Vereinbarung mit der Gesellschaft, sondern auch vom allgemeinen Gesellschaftsrecht abhängen, [nichts] ändert [im Hinblick auf die Tatsache, dass das Rechtsverhältnis zwischen Herrn Spies und Holterman Ferho vertraglicher Natur im Sinn der Verordnung ist]. Indem er die Aufgabe des Geschäftsführers übernimmt, nimmt der Betreffende diese so an, wie sie im allgemeinen Gesellschaftsrecht und den speziellen Regelungen der jeweiligen Gesellschaft beschrieben wird, zu denen ihre Satzung gehört. Schließt der Geschäftsführer außerdem mit der Gesellschaft einen Vertrag ab – der manchmal als ‚Geschäftsführervertrag‘ und im vorliegenden Fall als ‚Arbeitsvertrag‘ bezeichnet wird – so werden dem weitere Vereinbarungen hinzugefügt, beispielsweise über die Vergütung, während er diese Aufgabe wahrnimmt, und die zu zahlenden Entschädigungen, wenn die Aufgabe endet“.

( 29 ) Urteil Brogsitter, C‑548/12, EU:C:2014:148, Rn. 23 bis 25.

( 30 ) Das bedeutet nicht, dass das Gericht, das sich letztendlich als für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig erweist, direkt das materielle Vertragsrecht zur Entscheidung in der Sache anwenden muss, denn es kann vorkommen, dass der Anspruch nach dem auf die Rechtssache anwendbaren nationalen Recht nicht vertraglicher Natur ist. Dies bleibt jedoch ohne Einfluss auf die Antwort an das vorlegende Gericht nach der Verordnung.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Corman Collins, C‑9/12, EU:C:2013:860, Rn. 42.

( 32 ) Urteil Falco Privatstiftung und Rabitsch, C‑533/07, EU:C:2009:257, Rn. 33 ff. Siehe auch Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in derselben Rechtssache, EU:C:2009:34, insbesondere Nr. 63.

( 33 ) Urteil Falco Privatstiftung und Rabitsch, C‑533/07, EU:C:2009:257, Rn. 29. Siehe auch Urteil Corman Collins, C‑9/12, EU:C:2013:860, Rn. 37.

( 34 ) C‑533/07, EU:C:2009:34, Nr. 57.

( 35 ) Rn. 42 ihrer Erklärungen.

( 36 ) Art. 60 Abs. 1 der Verordnung definiert, wo eine Gesellschaft oder eine andere juristische Person ihren Wohnsitz hat (konkret, an dem Ort, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet). Meines Erachtens ist der Ort, den Art. 5 Nr. 1 der Verordnung bezeichnet, unabhängig von Art. 60 zu bestimmen, auch wenn dieser im Ergebnis mit einem der Orte identisch sein kann, die in Art. 60 genannt werden.

( 37 ) Vgl. Urteile Car Trim, C‑381/08, EU:C:2010:90, Rn. 54 ff. (bezüglich des ersten Gedankenstrichs der Vorschrift, die uns beschäftigt), und Wood Floor Solutions, C‑19/09, EU:C:2010:137, Rn. 38 ff., sowie die Untersuchung von Francq, S., u. a., „L’actualité de l’article 5.1 du Règlement Bruxelles I: Évaluation des premiers arrêts interprétatifs portant sur la disposition relative à la compétence judiciaire internationale en matière contractuelle“, Cahiers du CeDIE, Working papers Nr. 2011/02, S. 15 ff.

( 38 ) Auch hier sind die Vereinbarungen, die das nationale Gericht dazu auslegen muss, diejenigen zwischen der Gesellschaft Holterman Ferho und Herrn Spies, die nicht notwendigerweise vollständig in Schriftform vorliegen, sowie die Regeln des Gesellschaftsrechts, die den Inhalt seiner freiwillig übernommenen Aufgaben bestimmen.

( 39 ) Herr Spies behauptet in Rn. 37 seiner Erklärungen, die in Rede stehende Verpflichtung sei in Deutschland ausgeführt worden und die Parteien hätten nicht vereinbart, dass dies an einem anderen Ort geschehen sollte. Sämtliche konkreten Verletzungen, die ihm vorgeworfen würden und auf welche die Klage gestützt sei, stünden mit der Leitung der deutschen Tochtergesellschaften von Holterman Ferho in Zusammenhang. Allerdings ist Abschnitt 2.9 der Erklärungen von Holterman Ferho zu entnehmen, dass dieser Punkt zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens streitig ist, da Holterman Ferho davon ausgeht, dass die unzulängliche Ausführung der Aufgaben von Herrn Spies sich auch auf die Leitung der niederländischen Holdinggesellschaft bezog.

( 40 ) Bereits im Urteil Wood Floor Solutions, C‑19/09, EU:C:2010:137, Rn. 33, hat der Gerichtshof für die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung festgestellt, dass der Ort, der die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht sicherstellt, sich regelmäßig am Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet.

( 41 ) Urteil Wood Floor Solutions, C‑19/09, EU:C:2010:137, Rn. 40.

( 42 ) Urteile Coty Germany, C‑360/12, EU:C:2014:1318, Rn. 46, und Hejduk, C‑441/13, EU:C:2015:28, Rn. 18.

( 43 ) Urteil Marinari, C‑364/93, EU:C:1995:289, Rn. 14 und 15.

( 44 ) C‑168/02, EU:C:2004:364, Rn. 20.

( 45 ) In der dort entschiedenen Rechtssache das Brüsseler Übereinkommen.

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